Affektverarmung, Affektverflachung

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Psychopathologie
Dr. R. Holzapfel
Krankenhaus für
Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatische Medizin
des Bezirks Unterfranken
Am Sommerberg
97816 Lohr
1
Symptom- > Syndrom -> Nosos
Bestimmte (vom Pat. erlebte oder vom Untersucher beobachtete) Einzel-Symptome
finden sich in typischer Kombination zu Syndromen zusammen.
Weder ist ein Symptom spezifisch für ein bestimmtes Syndrom, noch ein
bestimmtes Syndrom spezifisch für eine Krankheits-Entität (Nosos).
Symptom α
Gereiztheit
Symptom ß
Antriebs 
Symptom γ
Verfolgungswahn
Symptom δ
Antriebs 
Symptom ε
Minderwertigkeitsideen
Symptom φ
Komm. Stimmen
Syndrom a
gereizt-paranoidmaniformes S.
Syndrom b
paranoiddepressives S.
Syndrom c
paranoid-halluz.antriebsarmes S.
Nosos A
Bipolare affektive
Störung
Nosos B
Schizophrenie
Nosos C
AlzheimerDemenz
Entitäten oder Konzepte ?
Was ist eigentlich die psychiatrische Nosos ?
(griech. Krankheit)
z.B. „Schizophrenie
Real-Definition:
Endo-Phänotypen:
Nominal-Definition:
Schizophrenie
existiert als
objektive „reale Entität“
(tatsächlich Seiendes)
Biologisch orientierte
Krankheitsklassifikation.
anhand einfach fassbarer,
genetisch beeinflusster
neurobiologischer Variablen,
statt Klassifikation
anhand Psychopathologie
Wenn best. Symptome
über eine best. Zeit bestehen,
dann sprechen wir von
Schizophrenie
vgl. Fraktur
-> Traumamechanismus
-> sichtbare Läsion
-> Schmerz, Funktionseinbuße
vgl. operationalisierte
Kriterien ICD 10 F...
aktueller Forschungsansatz
2
Was ist Bewusstsein ?
Bewusstsein gibt es nur mit einem Bewusstseins-Inhalt
(Bewusstsein von etwas...) = Intentionalität
Konkrete Bewusstseinsinhalte können sein:
-> Sinneswahrnehmungen
-> Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen
-> Emotionen
-> Bedürfnisse
-> Willensakte, Handlungsplanungen,
bewusstes Ausführungen von Handlungen
Bewusstsein (A. Damasio)
...dass es einen
einheitlichen „Film im Kopf“
gibt
...dass es einen
Zuschauer des Films
gibt,
der ich bin
Quantitative und Qualitative Bewusstseinsstörungen
Bewusstseinsstörungen
Quantitativ
-> betreffen Wachheit = Vigilanz
Vgl. Helligkeit des Fernsehbildes
Qualitativ
(„Verwirrtheit“)
-> betreffen Bewusstseinsklarheit
vgl. Kontrast/Trennschärfe des Fernsehbildes
Störungen der Vigilanz („Quantitative Bewusstseinsstörungen“)
benommen
etwas schläfrig, gut weckbar
nach Wecken geordnet
somnolent
weckbar nur durch laute Ansprache
nach Wecken verlangsamt
soporös
weckbar nur durch heftige motor. Reize
nach Wecken keine verbalen Äußerungen
komatös
nicht weckbar (s.u.)
3
Glasgow Coma Scale (Summenscore zur Quantifizierung der Komatiefe)
Augenöffnen
Verbale Antwort
Motorische Antwort
Spontan
4
Klar, orientiert
5
Befolgt Aufforderungen 5
Auf Anruf
3
Verwirrt
4
Schmerzreize: gezielte
Abwehr
4
Auf Schmerzreiz
2
Vereinzelte, unangemessene Worte
3
Schmerzreize:
3
Beugungsbewegungen
Gar nicht
1
Unverständlich
Gar nicht
Schmerzreize:
Streckbewegungen
2
2
1
Keine Reaktion
1
Komatiefe bei fehlender verbaler Reaktion
Abwehr auf Schmerzreize ?
gezielt
nicht gezielt
keine
-> dann Frage nach...
mit Beugebewegungen
Reflexe: MER,
Pupillen-, Corneal-,
Würgereflexe. ?
Spontanatmung ?
mit Streckbewegungen
Herz/Kreislauffunktion ?
Koma: orientierende DD
mit patholog. Neurologischen
Befunden, z.B.
-> Meningismus ?
-> Hemiparese ?
-> Hirnstamm
(Augenmotor., Pupillen...)
-> Haltung, Tonus ?
-> Babinski ?
ohne patholog. Neurologische
Befunde
Cerebrale Ischämie
Intrakranielle Blutung
Schädel-Hirn-Trauma
Tumor/Raumforderung/Hirndruck
Meningitis/Encephalitis u.a.
Metabolisch: BZ, Leber, Niere, NNR,
Schilddrüse
Schock: Volumenmangel, kardiogen,
septisch, allerg.
Intoxikation u.a.
Iktal/postiktal
4
Akute organische Psychosyndrome
Noxe
mit „Bewusstseinsstörung“
quantitativ
„Vigilanzstörung“
qualitativ
„Verwirrtheit“
-> Koma etc.
-> Delir etc.
ohne „Bewusstseinsstörung“
-> Durchgangssyndrom
aspontan
depressiv/maniform
paranoid-halluzinatorisch
Sonderform: amnestisch
-> Psychopathologie nicht abhängig von der Art
und nur in geringem Umfang vom Ort der Schädigung
-> Prinzipiell kann jedes psychiatrische Symptom
auch im Rahmen eines organischen Psychosyndroms auftreten !
Verwirrtheit und delirantes Syndrom
Der Begriff qualitative Bewusstseinsstörungen
findet klinisch wenig Verwendung.
Etwas unscharf spricht man in diesem Zusammenhang häufiger von
„Verwirrtheit“
In typischer Form findet sich Verwirrtheit beim deliranten Syndrom, ansonsten
z.B. bei Dämmerzuständen (z.B. peri-/postiktal)
Delirantes Syndrom:
-> Desorientiertheit, zumindest zeitlich
-> Aufmerksamkeit: schwer fokussierbar und umstellbar
-> Auffassungsstörungen
-> Inkohärenz des Denkens
-> optische Halluzinationen, erhöhte Suggestibilität (Fadenprobe)
-> (paranoide) Situationsverkennungen
-> Agitiertheit, Nesteln, Schreckhaftigkeit, Irritierbarkeit
(hyperalertes Delir)
-> Verlangsamung, Apathie (hypoalertes Delir)
-> Affektveränderungen: Angst, Ratlosigkeit, Reizbarkeit, evtl. Euphorie
-> Störungen des Schlaf-/Wach-Rhythmus
-> oft stark fluktuierende Symptomatik
-> je nach Genese evtl. vegetative Begleitsymptome:
Puls/RR , Tremor, Schwitzen
5
Aphasien: Semantisches und phonematisches Lexikon
Im Gehirn sind Wörter auf 2 Arten gespeichert:
-> nach der Bedeutung: semantisches Lexikon
-> nach der (Laut-)Form: phonematisches Lexikon
Die beiden Lexika müssen so miteinander verbunden sein,
dass jedes Wort von einem ins andere übertragen werden kann.
Sprechen
Bedeutung
Wortform
Hören
Aphasien: Störungen der Semantik
Semantik: Bedeutung eines Wortes/einer sprachlichen Äußerung
Wortfindungsstörungen
(bei Zugriff auf semant. Lexikon
kann die richtige Bedeutung nicht gefunden werden)
Semantische Paraphasien:
anderes Wort, oft aus der gleichen Wortklasse:
„Tochter“ statt „Ehefrau“
Bei Überhandnehmen -> intendierter Inhalt der Rede unkenntlich
Aphasien: Störungen der Phonematik
Phoneme = Laute, aus denen sich Wörter zusammensetzen
Phonematik = Lautstruktur der Sprache
Wortfindungsstörungen
(bei Zugriff auf phonemat. Lexikon
kann die richtige Lautform nicht gefunden werden)
Phonematische Paraphasien:
Entstelltes Wort, Zielwort noch erkennbar: „Molane“ statt „Melone“
Neologismen („Wortneuschöpfungen“):
Entstelltes Wort, Zielwort nicht erkennbar: „Perenscha“
6
Aphasien: Störungen der Syntax
Syntax = Verknüpfung von Wörtern zu Sätzen
Agrammatismus:
„Telegrammstil“
Einwortsätze oder wenige Inhaltswörter (Substantive, Verben) in ihrer Grundform
Paragrammatismus:
Eindruck komplexer Satzkonstruktionen, jedoch
hauptsächlich unpassende Funktionswörter („und“, „mit“…)
und Wörter in unpassender grammatikalischer Form
Aphasien: Perseverationen, Automatismen, Stereotypien
Sprachliche Perseverationen:
Immer wieder das gleiche Wort / die gleiche Lautfolge
___________________________________________________________________
Sprachliche Automatismen: schwere Form, in der immer dieselbe Floskel auftritt
Folie
20
Konsonant-Vokal-Automatismen:
„Lilili..“, „Mamamam…“
Stereotypien:
Perseverierte Floskel kann einigermaßen kontrolliert in die Rede eingebaut werden
Aphasien: Sprechapraxie, Dysarthrie
Sprechapraxie:
Bewegungen des Sprechapparats können
nicht zum flüssigen Ablauf des Sprechens koordiniert werden
Mühsames, angestrengtes, langsames, u.U. phonet. entstelltes Sprechen
Dysarthrie (gehört nicht zu den Aphasien !) :
Entstelltes Klangbild (z.B. „verwaschen“) bei
Störung der Muskulatur des Sprechapparats
Aphasie: corticale Schädigung
Dysarthrie: selten cortical, meist Hirnstamm („bulbär“), Kleinhirn, ParkinsonSyndrom („Dysarthrophonie“), Intoxikation etc.
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Syndrom Globale Aphasie
-> keine/wenig Spontansprache,
evtl. wenige phonemat. entstellte Wörter, Automatismen
-> große Sprechanstrengung
-> Sprachverständnis schwer gestört
Syndrom Broca-Aphasie
-> wenig Spontansprache
-> große Sprechanstrengung
-> eingeschränkter Wortschatz
-> Agrammatismus („Telegrammstil“), v.a. Inhaltswörter
-> meist allmählich aus Globalaphasie
Syndrom Wernicke-Aphasie
-> mit vielen Wörtern wird wenig Information vermittelt
-> Paragrammatismus, viele Funktionswörter („und“…)
-> Typ phonematische Störung:
phonemat. Paraphasien/Neologismen
gutes Sprachverständnis
-> Typ semantische Störung
unverständliche Botschaft bei vielen Funktionswörtern
und semantischen Paraphasien
gestörtes Sprachverständnis
Syndrom Amnestische Aphasie
-> Leitsymptom: Wortfindungsstörungen
(sowohl Zugriff auf semant.
als auch phonemat. Lexikon kann gestört sein)
-> gutes Sprachverständnis
8
Basisdiagnostik Aphasien
• Sprache flüssig ?
• Grammatik/Syntax korrekt ?
• Wortfindungsstörungen ?
• Wörter mit falscher Bedeutung -> semant. Paraphasien
• Entstellte Wörter -> phonemat. Paraphasien
• Stereotypien/Floskeln/Automatismen ?
• Benennen
• Nachsprechen
• Befolgen von Aufforderungen
Da wesentliche Kategorien des psychopathologischen Befundes
die intakte Fähigkeit des Patienten voraussetzen,
Sprache zu verstehen und zu produzieren,
ist eine psychopathologische Beurteilung
bei Vorliegen einer Aphasie sehr erschwert.
Die Suche nach einer Aphasie ist daher essentiell
im Rahmen einer psychopathologischen Statuserhebung.
Orientierung
-> zeitlich
-> örtlich
-> situativ
-> zur eigenen Person
Desorientiertheit schreitet meist in der genannten Reihenfolge fort
Orientierungsstörungen müssen immer zuerst
als Ausdruck einer symptomatischen („organischen“) psychischen Erkrankung
interpretiert werden
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Aufmerksamkeit und Konzentration
Aufmerksamkeit:
Aktive oder passive Ausrichtung des Bewusstseins
auf einen mentalen oder physischen Gegenstand
Konzentration:
Aufmerksamkeit ausdauernd zuwenden („Bei der Sache bleiben“)
Einzelaspekte (s. auch dysexekutives Syndrom):
-> Selektive Aufmerksamkeit:
A. auf bestimmte relevante Reize richten, Störfaktoren ausblenden
-> Dauer-A.:
auch bei monotonen Reizbedingungen gerichtete A. auf einer Reizquelle halten
(Störung: -> Ablenkbarkeit)
-> Geteilte A.:
gleichzeitiges Bewältigen mehrerer kognitiver Anforderungen
-> Flexibilität:
Zielgerichteter Wechsel des Aufmerksamkeitsfocus
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom
Leitsymptome:
Auffassung
• Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit
• Impulsivität (kognitiv, motivational, emotional)
• Hyperaktivität
Auffassung
Fähigkeit,
Wahrnehmungserlebnisse und Botschaften
-> in der Bedeutung zu begreifen
-> sinnvoll zu verknüpfen
-> in den Erfahrungsbereich einzubauen
Voraussetzung: basale Funktionen der Sinnesorgane, des Sprachverständnisses
u.a. (s. semantische Aphasie, Agnosie)
Prüfung: Dialog, Binet-Bilder, Sprichwörter
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Dysexekutives Syndrom
Umweltreize
lösen passende Aktionsschemata aus,
die Aktionen steuern
bei Routineabläufen
wird das passende Aktionsschema
oft automatisch ausgewählt
in ungewohnten Situationen,
bei Hindernissen
oder Vorsätzen
-> Konzentration auf die Handlung
-> welche Schritte als nächstes ?
-> Kontrolle der richtigen Ausführung
Eine „zentrale Kontrollinstanz“ (central executive)
muss in den Auswahlprozess eingreifen
Dysexekutives Syndrom = Störung der zentralen Kontrolle
Störungen der zentralen Kontrolle sind ein Leitsymptom von Funktionsstörungen des
Frontallappens („Frontalhirnsyndrom“)
Sie treten aber auch bei
tiefen und diffusen Hirnschädigungen auf (Verbindungen des Frontallappens)
Zwei Leitsymptome, die – scheinbar widersprüchlich –
auf vielfältige Weise miteinander verschränkt sein können:
Verhalten ist der Steuerung durch Umweltreize ausgeliefert
-> Verhalten wird unbeständig
-> Aktionen werden vorschnell abgebrochen
Einmal aktivierte Aktionsschemata werden fortgesetzt,
auch wenn sie nicht mehr zur Situation passen
-> Verhalten wird starr und unflexibel
-> begonnene Aktionen werden perseveriert
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Dysexekutives Syndrom: Problemlösestörung
-> Fehlendes Erkennen des Problems, Haften:
Abweichung einer Situation von der Routine nicht erkannt
Haften an der erstbesten Lösung bzw. einem einmal eingeschlagenen Weg
-> Schwächung des Arbeitsgedächtnis:
Schwierigkeit, mehr als eine Aufgabe im Arbeitsgedächtnis zu halten
und Aufmerksamkeit zu teilen
-> Regelverletzungen beim Problemlösen
-> Umweltabhängigkeit, Ablenkbarkeit durch Außenreize und Assoziationen
Dysexekutives Syndrom: Sozialverhalten
-> Verletzung sozialer Regeln:
Missachtung von Hierarchien, Distanzminderung, Rücksichtslosigkeit
-> Unpassendes Kommunikationsverhalten:
Ausplaudern intimer Angelegenheiten/“unverblümtes“ Meinung äußern
„Witzelsucht“ (Moria)
Missachten von Signalen anderer, ungebremstes Weiterreden
-> Verminderte Empathie
-> Mangelnde Selbstbeherrschung / Impulskontrolle:
Wutausbrüche, unpassende Annäherungsversuche
Dysexekutives Syndrom: Antriebsstörung
-> Pat. können nur mehr von außen aktiviert werden
-> keine Pläne für die Zukunft
-> verlieren sich in zufälligen Beschäftigungen oder Nebensächlichkeiten
-> unfähig, neue Ideen zu generieren, hängen an alten Gewohnheiten
-> unfähig, Dinge gründlich und von mehreren Seiten zu durchdenken
-> Plazidität: besondere „Fügsamkeit“ aus Mangel an Antrieb
-> Vereinsamung und Verwahrlosung
-> trotz Antriebsstörung
wird an einzelnen Gewohnheiten (Rauchen) hartnäckig festgehalten
oder kann rasch verlockenden Genüssen nicht widerstanden werden
Dysexekutives Syndrom: Gestörte Kontrolle der Motorik
-> Akinetischer Mutismus: nur Zuwendung des Blicks auf Ansprache,
Abwehr von Schmerzreizen
-> Motorische Perseveration:
Bewegungsabläufe können nicht nach Belieben beendet werden
-> Utilization Behaviour:
Herumliegende Gegenstände lösen Aktionen ihrer Benutzung aus
-> Imitationsverhalten: Handlungen (Echopraxie), Äußerungen (Echolalie)
-> „Motorische Enthemmungsphänomene“ (auch b. schwerer Hirnschädigung)
Greifautomatismen (mit Lippen oder Betasten/Umklammern
eines in die Hand gelegten Gegenstandes)
Passiver Widerstand gegen Stellungsänderungen; Haltungsverharren
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Mnestische Funktionen
Gedächtnis: verschiedenste Fähigkeiten,
die mit dem Behalten und Abrufen
von Erinnerungen, Wissen und Fertigkeiten zu tun haben.
Merkfähigkeit, Lernfähigkeit: Fähigkeit,
sich etwas ins Gedächtnis einzuprägen, neue Informationen abzuspeichern.
Retrograde A.
Anterograde A.
Beginn der
Schädigung
Anterograde Amnesie:
Unfähigkeit, neue Inhalte dauerhaft in das explizite Gedächtnis
aufzunehmen
(„Merk-/Lernfähigkeit reduziert“)
Retrograde Amnesie:
Verlust von Inhalten, die bereits im expliziten Gedächtnis gespeichert waren
Diese Begriffe, meist bei Schädel-Hirn-Trauma verwendet, eignen sich gut
zur Beschreibung aller „Merkfähigkeits- bzw. Gedächtnisstörungen“
Man sollte also fragen:
-> Kann sich der Pat. etwas merken (neue Inhalte speichern) ?
-> Was hat er noch aus der Zeit vor der Störung an Wissen parat ?
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Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis
Im Arbeitsgedächtnis
können Informationen kurzfristig gehalten und bearbeitet werden
(z.B. Reihensubtraktion).
Seine Kapazität ist beschränkt, neue Informationen verdrängen die alten
Inhalte des Langzeitgedächtnis
sind dauerhaft gespeichert und
verschwinden nicht gänzlich, wenn sich das Bewusstsein anderen Inhalten zuwendet.
Sein Fassungsvermögen ist prinzipiell nicht begrenzt
Mnestische Funktionen: Explizites Langzeitgedächtnis
Inhalte können zu Inhalten des Bewusstseins werden
und aktiv abgerufen werden
Kontextabhängigkeit beim Abruf weniger wichtig
„Knowing what“
Episodisches Ged. („Erinnerungen“)
einzelne, zeitlich und situativ
bestimmte Erlebnisse,
die Bestandteil der eigenen
Autobiographie sind.
Semantisches Ged. („Wissen“)
Allgemeines Wissen über
-> die Bedeutung von Wörtern
-> Aussehen und Funktion von Dingen
-> Beziehung zwischen Dingen und
menschlichen Verhaltensweisen
Mnestische Funktionen: Implizites Langzeitgedächtnis
Viele Wissensinhalte und Fertigkeiten ( „prozedurales Ged.“)
werden angewandt, ohne dass man eigentlich weiss,
worin sie bestehen und ohne bewusst abgerufen zu werden.
Abruf stark abhängig vom Kontext (Situation, Tätigkeit), in dem
sie erworben wurden
„Knowing how“
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Gedächtnisstörungen: Anatomie und Ätiologie
Aufnahme neuer Informationen in das explizite Gedächtnis:
zeitlich begrenzte Wechselwirkungen
des limbischen Systems mit Neokortex (“Gedächtnisspeicher“).
Unterbrechung der limbischen Nervenzellschleifen (meist in deren Zentren
Hippokampus, Thalamus, basales Vorderhirn) -> anterograde Amnesie
Auch diffuse Hirnschäden (Trauma, Hypoxie, Alkohol etc.)
können limbische Strukturen schädigen.
Langfristig konsolidierte Inhalte bedürfen der limbischen Vermittlung nicht mehr
-> beim amnestischen Syndrom mehr oder weniger verfügbar.
Retrograde Gedächtnisstörungen (betreffen i.d.R. explizites Wissen):
zentrale Bedeutung des temporalen Neocortex
(M. Alzheimer, auch diffuse hypox., traumat. Hirnläsionen, HSV-Encephalitis)
Implizite Lernleistungen:
wahrscheinlich kein einheitliches anatom. Substrat,
sondern je nach Aufgabe unterschiedliche Regionen
z.B. Basalganglien wichtig für motorisches Lernen.
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Amnestisches Syndrom („Korsakow-Syndrom“)
Leitsymptom: anterograde Amnesie
(Fähigkeit, neue Inhalte dauerhaft
in das explizite Gedächtnis aufzunehmen
Bei reinem Amnest. Syndrom sollten erhalten sein
-> Arbeitsgedächtnis
-> konsolidierte Inhalte des semantischen und episodischen Gedächtnis
-> implizites Lernen (motorische und visuomtorische Fertigkeiten u.a.)
-> evtl. auch langsames Lernen von explizitem Wissen.
Aufgrund anatom. Nachbarschaft oft vergesellschaftet mit
-> Störungen der zentralen Kontrolle (dysexekutives Syndrom)
-> retrograde Gedächtnisstörungen
-> Affektstörungen (unbekümmert-heiter, mürrisch, teilnahmslos)
Bei Demenz zusätzlich zu Amnesie erhebliche Begleitsymptome !
Demenzielles Syndrom
Anterograde und retrograde Amnesie
+ andere Symptome in erheblichem Ausmaß
-> Störung anderer höherer kortikaler Funkt.:
Aphasie/“Sprachzerfall“, Apraxie
-> Störung von abstraktem Denken, Urteilsvermögen, Auffassung
-> „Verhaltensauffälligkeiten“: Impuls-/Affektkontrolle, Antrieb, Sozialverhalten
-> Persönlichkeitsveränderungen
-> ggf. depressive, wahnhafte und halluzinatorische Symptome
-> Fehlen einer Bewusstseinstrübung
-> Dauer von > 6 Monaten
Amnestische und demenzielle Syndrome sind wie alle organischen Psychosyndrom
ätiologisch äußerst heterogen !
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Konfabulationen
Erinnerungslücken bei Amnesie
werden durch falsche Behauptungen aufgefüllt,
für die eine subjektive Gewissheit der Richtigkeit besteht.
I.d.R. immer wieder andere Inhalte für dieselbe Lücke
Rekonstruktion von vollständigen Episoden aus einzelnen Erinnerungen
kann zu fehlerhaften Ergebnissen führen:
-> Bruchstücke von Erinnerungen werden falsch miteinander verbunden
-> Erlebtes wird der falschen Zeit oder dem falschen Kontext zugeordnet
-> Suche von gespeicherten Informationen ist flüchtig, erstbeste Erinnerung
wird akzeptiert
-> Plausibilitätskontrolle der rekonstruierten Erinnerung durch die zentrale
Kontrolle ist geschwächt
Pseudologie
Phantastisches Lügen, „Geschichtenerzählen“
aus einem affektiven Bedürfnis heraus:
Rechtfertigung (Ausrede), Angeberei
Fließender Übergang zum offensichtlichen Lügen
Mnestische Funktionen: Weitere Phänomene
Zeitgitterstörung:
Einzelereignisse können nicht mehr zutreffend
in das zeitliche Netz von biographischen Daten
eingeordnet werden
Ekmnesie: Die Vergangenheit wird als Gegenwart erlebt
Paramnesien (Erinnerungsfälschungen, z.B. wahnhaft):
Umänderung der Erinnerung i.S. eines Wahns
Rückdatierung einer Wahnidee in die (gesunde) Vergangenheit
17
Apraxien
-> Leitsymptom: fehlerhafte motorische Aktionen
-> gestört ist nicht die motorische Ausführung der Bewegung,
sondern die Bestimmung des Bewegungsziels
-> treten nur bei bestimmten Handlungen auf
-> betreffen prinzipiell beide Körperhälften (obwohl typischerweise
bei linkshirnigen Läsionen!)
• Gliedmassen-Apraxie betrifft
-> Werkzeug- und Objektgebrauch
-> Imitieren von Gesten
-> Kommunikativer Einsatz von Gesten, Pantomime von Objektgebrauch
Einteilung praxisrelevanter als ideomotorisch/ideatorisch
• Buccofaciale Apraxie betrifft:
-> Bewegungen von Mund u. Gesicht auf Aufforderung
• Dyspraxie: leichte Form von Apraxie
Objektgebrauch:
• Manuelle Geschicklichkeit kann vorhanden sein, wenn Bewegungsablauf verstanden
• Pat. kann nicht mehr auf die „Gebrauchsanweisung“ (im semantischen Gedächtnis)
zurückgreifen: Halten den Kamm mit der Rückseite zum Haar
• Unfähig, von der Struktur auf mögliche Funktionen zu schließen:
Suppe wird mit der Gabel gegessen statt mit dem Löffel
Imitieren von Gesten:
• Die entscheidenden Merkmale der Geste können nicht erfasst werden,
Informationsfülle überlastet das Arbeitsgedächtnis
Kommunikative Gesten
• z.B. Pantomimen: Objekte durch die Handbewegung ihres Gebrauchs symbolisch
anzeigen: z. B.Glas Wasser trinken, Zigarette rauchen
• Gesten oft entdifferenziert bis unkenntlich (bis zu perseverativ wiederholten amorphen
Bewegungen)
• keine klare Vorstellung, wie der Gebrauch des Objekts aussieht (semant. Gedächtnis)
und welche Merkmale davon gezeigt werden müssen
____________
• Manchmal reiches Reportoire an ausdrucksvollen Gesten in der spontanen
Kommunikation, auf Aufforderung differenzierte Gesten aber nicht demonstrierbar
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Chronische Organische Psychosyndrome
Gedächtnisstörung führend
Gedächtnisstörung
nicht führend
Demenz
chron.
Amnestisches
Syndrom
Organische
Wesenänderung
Pseudoneurasthenisches
Syndrom
Amnesie
+ weitere
Symptome
Amnesie ganz
im Vordergrund
meist auch
dysexekut.Sympt.
Affektlabilität
(„reizbare
Schwäche“)
Leistungsmangel
div. Körperliche
Beschwerden
Prägnanztypen:
• antriebsarmapathisch
• euphor.-umständlichdistanzlos
• reizbar-enthemmt
oft Zuspitzung
prämorbider Züge
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Phasische Psychosen nach Leonhard
Phase: abgegrenztes Krankheitsintervall mit Vollremission
Affektive Psychosen
Zykloide Psychosen
monopolar
Reine
Depression o.
Euphorie
Reine
Melancholie
o. Manie
ManischDepressive E.
nur je spezifische
Gefühlsschichten:
immer volles
Grundsyndrom:
abgewandeltes
Grundsyndrom,
Mischzustände,
Vielgestaltigkeit
während Phase,
labile
Auslenkung,
Anklingen d.
Gegenpols
• gehetzte D – unprodukt. E
• selbstquäl. D – schwärm. E
• hypochondr. D – hypoch. E
• argwöhn. D – konfabul. E
• teilnahmsarme D - ?
Perakuter Beginn,
polymorphes,
schwankendes Bild,
ähnlich unsyst. Schizoph.
aber Fehlen „struktureller
Verfomungen“
v. Affekt, Denken, Motorik
bipolar
• Stimmung
• Denken
• Aktivität/
Psychomot.
Prägnanztyp
oft schwer festlegbar:
• Angst-Glück-Psychose
• Verwirrtheitspsychose
• Motilitätspsycose
jeweils bipolar
Schizophrene Psychosen nach Leonhard
Unsystematische
Schizophrenien
Systematische Schizophrenien
(gedacht als „System-Erkrankung“)
meist akuter Beginn
u. schubförmiger
Verlauf
(d.h. Remission mit
Residuum)
vielgestaltige Bilder,
bipolarer Charakter
Schleichend-progredienter Verlauf hin zu
stabilen, ausgestanzten, je spezifischen Bildern
Anfangs unspez. Verstimmungen, Ideen, Halluzinat.
Systemat.
Paraphrenien
Wahn u./o.
Halluzination
Denkstörung
Systemat.
Katatonien
Psychomotorik
Willenstätigkeit
Hebephrenien
Affektverflachung
Verlust d.
Initiative
• Affektvolle
• phonematische P
• hypochondr. P
• inkohärente P
• phantastische P
• konfabulator. P
• expansive P.
• parakinet. K
• manierierte K
• proskinet. K
• negativist. K
• sprechbereite K
• sprachträge K
• läppische H
• verschrob. H
• autistische H
• flache H.
Paraphren.
(affektgetrag. Wahn)
• Kataphasie
(Denkstörung)
• Periodische Katatonie
(Psychomotorik)
20
Formale Denkstörungen
Formale Denkstörung: Denkablauf (Wie wird gedacht ?)
Inhaltliche Denkstörung: Denkinhalt (Was wird gedacht ?)
Eine formale Denkstörung darf nur diagnostiziert werden,
wenn eine Aphasie als Ursache auffälliger sprachlicher Äußerungen
sicher ausgeschlossen ist.
Bsp.: Fehldiagnose Psychose
bei akuter Herpes-Encephalitis mit Verwirrtheit und Aphasie
Verlangsamtes, gehemmtes, verarmtes Denken
Verlangsamtes Denken
Denkhemmung:
Analog zur Antriebshemmung wird
das Denken als gebremst, wie gegen einen Widerstand,
empfunden, der nicht überwunden werden kann.
-> langsames, stockendes Sprechen
-> Sprechpausen mit gelegentlichen Abbrüchen
(„den Faden verlieren“)
-> bis zum Ausbleiben der sprachlichen Mitteilung
(Mutismus).
Die Ordnung des Denkens ist erhalten.
Verarmtes Denken:
Einfallsloses, verbindungsarmes Denken,
beschränkt auf wenige Inhalte,
bis hin zur „Gedankenleere“.
21
DD verlangsamtes, gehemmtes, verarmtes Denken
•
•
•
•
•
Schwere Depression: Denkhemmung Leitsymptom
Schizophrene Negativsymptomatik: neben Affektverarmung und anderen
kognitiven Störungen Denk- u. Sprachverarmung (Alogie)
Gehemmte Verwirrtheitspsychose (Leonhard):
Rarefizierung der einzelnen Gedanken („Gedankentröpfeln“) mit Sperrungen und
Gedankenleere
Ratlosigkeit, Bedeutungs- und Beziehungsideen als Folge der Denkstörung
Kataphasie, gehemmter Pol (Leonhard):
Denkstörung über das Bild der Verwirrtheitspsychose hinausgehend
mit Wortkargheit, Ratlosigkeit, stumpfem Minenspiel und logischen Entgleisungen
Organische Psychosyndrome (hypoalertes Delir, Adynamie bei
Frontalhirnsyndrom u.a.): alle Formen verlangsamten und veramten Denkens
Cave: akute „Verlangsamung“ immer suspekt auf primäre organische Genese !
Sperrung, Gedankenabreißen
Sperrung:
Plötzliches Abreißen eines sonst flüssigen Gedankenfadens
ohne erkennbaren Grund
mit Pause im Denken und Sprechen.
Das Gespräch wird (im Gegensatz zum „normalen“ den-Faden-verlieren)
meist mit einem anderen Thema wieder aufgenommen.
Gedankenabreißen:
Die selbst wahrgenommene Sperrung wird oft als von außen gemacht erlebt,
der Gedanke sei z.B. weggenommen worden (s.a. Ich-Störungen).
Vorkommen: typischerweise i.R. schizophrener Denkstörungen
22
Weitschweifiges, eingeengtes Denken, Perseveration
Weitschweifig-umständliches Denken:
Nebensächliches kann nicht von Wesentlichem getrennt werden,
weitschweifiges oder pedantisches Sich-Verlieren Einzelheiten,
ohne vom Ziel gänzlich abzukommen
Eingeengtes, thematisch haftendes Denken:
Verhaftet-sein an einem oder wenigen Themen bzw. Zielvorstellungen
Verminderung der geistigen Beweglichkeit,
der Fähigkeit des Einbeziehens verschiedener Gesichtspunkte.
Perseveration:
Inhaltlich:
immer wieder auf ein Thema oder eine vorherige Aufgabenstellung zurückkommen,
obwohl der Gesprächsgang schon weiter geschritten ist
Verbal: immer wieder Auftauchen gleicher Worte/Lautfolgen/Floskeln
Verbigeration: sinnloses Wiederholen von Worten
•
Weitschweifigkeit und Haften:
v.a. bei organischen Psychosyndromen (s. Dysexekutives Syndrom)
•
Umständlich-pedantisches Denken:
auch b. zwanghafter Persönlichkeitsstruktur
•
Denken eingeengt auf pessimistisch-negative, Schuld- und Versagensthematik:
depressive Syndrome
•
Verbale Perseverationen, Stereotypien und Automatismen: bei Aphasien
Grübeln
Unablässiges Beschäftigtsein mit meist unangenehmen Gedankengängen,
die meist mit der aktuellen Lebenssituation in Zusammenhang stehen,
sich oft aufdrängen, ohne dass eine Bearbeitung und Erledigung gelingt
(„Manche Dinge gehen nicht mehr aus dem Kopf“).
Vorkommen: hauptsächlich bei Depression, z.B. Früherwachen mit Grübeln
23
Gedankendrängen
Der Patient fühlt sich unter dem übermäßigen Druck
vieler Einfälle oder auch ständig wiederkehrender Gedanken,
teils sinnvoll, teils sinnlos,
die sich auch überstürzen und oft wie automatisch ablaufen können.
Vorkommen: z.B. bei Manie, schizophrene Psychosen
Übersicht: Ideenflucht, Inkohärenz, Zerfahrenheit
Häufiger Wechsel des Denkziels
Roter Faden
noch nachvollziehbar
Roter Faden
nicht mehr nachvollziehbar
Ideenflucht
Manie
Verworrene
Manie
Zerfahrenheit
Inkohärenz
Schizophrenie
Organische
Psychosyndrome
Ideenflucht
-> Vermehrung von Einfällen
-> Denkziel wechselt ständig aufgrund von
dazwischenkommenden Assoziationen.
-> meist kann man den Assoziationen (bzw. dem „roten Faden“) noch folgen.
-> Das Denken kann, muss aber nicht gleichzeitig beschleunigt sein
-> Begleitend können Rededrang (Logorrhoe) und
schnelles Reden (Tachyphasie) bestehen
Ideenflucht ist Leitsymptom der manischen Denkstörung
Verworrene Manie:
Untersucher kann dem „roten Faden“ nicht mehr folgen
(Assoziative Zwischenglieder werden zwar noch gedacht,
aber nicht mehr ausgesprochen ?)
24
Inkohärenz und Zerfahrenheit
-> Denken hat keinen verständlichen Zusammenhang mehr
(„Roter Faden“ nicht mehr nachvollziehbar)
-> Ein Gedanke (Thema, Gedankenbruchstück, Satz, Wort) steht
beziehungslos neben dem anderen
-> kann mit jeder Veränderung der Denkgeschwindigkeit verbunden sein.
-> Störung kann hauptsächlich die Grammatik (Paragrammatismus)
oder Sinn und Inhalt betreffen
Bei Schizophrenien wird auch von assoziativer Lockerung gesprochen
(eigentlich auch bei Ideenflucht)
Phänomenologisch sind Inkohärenz und Zerfahrenheit ähnlich.
Traditionell verwendet man den Terminus
-> Inkohärenz für organische Psychosyndrome
-> Zerfahrenheit für schizophrene Psychosen
Formale Denkstörungen – weitere Phänomene
Kontaminationen: Verschmelzen heterogener Sachverhalte.
Verdichtung: Zusammenziehen mehrerer Denkinhalte
Neologismen: Wortneubildungen,
die der sprachlichen Konvention nicht entsprechen
und oft nicht unmittelbar verständlich sind
Substitutionen: Ersetzen von dem Gesunden geläufigen Begriffen durch andere
Paralogismen: Semantisch ungewöhnlicher Gebrauch von Worten.
Parasyntax/Paragrammatismus: Satzbau/Syntax gestört
Vorkommen: typischerweise i.R. schizophrener Denkstörungen
(immer DD: Aphasie !)
25
Inkohärenz etc. bei Leonhard
•
•
•
•
•
Inkohärenz: (nicht für organ. Psychosyndr. reserviert, „Zerfahrenheit“ kaum verwendet)
Denkinhalte beziehungslos nebeneinander
ohne übergeordnete thematische/logische Führung
Logische Entgleisungen: logisch widersprüchl. Gedanken- u. Begriffsverknüpfungen
Erregte Verwirrtheitspsychose: Inkohärenz, verbunden mit Rededrang,
in geringerer Ausprägung „Inkohärenz der Themenwahl“:
-> abschweifende Themenwahl, Themen, die nicht zur Sache gehören;
-> ein Thema wird jeweils eine gewisse Zeit beibehalten und logisch in sich
korrekt behandelt
-> plötzlicher Themenwechsel, nicht durch umgebungsbedingte Ablenkung
Erregte Kataphasie: „verworrener Rededrang“
-> Inkohärenz mit schweren logischen Entgleisungen bei geordnetem Handeln
-> Störungen der Grammatik, Neologismen, Wortverwechslungen
Formale Denkstörung neben Wahn/abnormen Ideen bzw. Halluzinationen
Leitsymptom bei systemat. Paraphrenien (V.a. inkohärente Paraphrenie)
Je charakterist. formale Denkstörung unterschiedl. Ausmaßes
bei allen systemat. Schizophrenien
„Unklares Denken“
Auch bei Fehlen schwerer Entgleisungen
von logischer Folge bzw. Verknüpfung, Semantik, Grammatik etc.
kann der Eindruck eines „schwer fassbaren Herumfaselns“ entstehen.
-> keine klare Akzentuierung bzw. Denkzielsetzung
-> Unscharfe Abgrenzung von Haupt- und Nebensache
-> mangelnde Deutlichkeit und Präzision
u.v.m.
Vorkommen
v.a. bei schizophrenen Krankheitsbildern,
insbesondere Residual- und Basiszuständen,
ggf. auch organischen Psychosyndromen
Konkretismus
Unfähigkeit, einen Sachverhalt gleichzeitig
wörtlich und sinnbildlich („übertragen“)
erfassen zu können
Schizophrene bleiben z.B. beim Erklären von Sprichwörtern
am wörtlich-konkreten hängen
26
Vorbeireden, Danebenreden
Der Patient geht (unabsichtlich) nicht auf die Frage ein,
antwortet etwas inhaltlich an der Frage Vorbeigehendes,
ohne dass ein fehlendes Verständnis der Frage anzunehmen ist.
Vorkommen z. B. bei organischen Psychosyndromen,
außerdem „thematisches Daneben-Treten“ bei „Inkohärenz der Themenwahl“
(Verwirrtheitspsychose n. Leonhard) u.a.
Typisches Bild bei sprechbereiter Katatonie n. Leonhard:
Knappe, vorschnelle, sinnlose Antworten auf jede noch so absurde Frage
Kognitiver Stil bei Hysterie
-> Verleugnung von äußeren Wahrnehmungsinhalten und
Abwehr innerer Impulse,
die Forderungen der Realität repräsentieren
-> aber genaues Wahrnehmen der Reaktion der Umgebung auf die eigene Person
-> Tendenz zu vorbegrifflich-symbolischen (statt begrifflich-abstraktem) Denken
Denkinhalte nicht logisch, sondern analogisch-assoziativ verknüpft
 „Rösselsprünge im Denken“, entziehen sich so (tendenziös) der Realität
-> Wahrheit „steckt in der Phantasie“,
aus unwahrem wird einfach dadurch, dass es gedacht wird, Wirklichkeit.
 Lügen bis zur Pseudologia phantastica
-> Denkfeld füllt sich mit Wünschen, Phantasien, Einfällen,
rasch übernommenen Ansichten und Eindrücken,
die genauso schnell wieder aufgegeben werden
-> Suggestibilität und starke Beeinflussbarkeit durch andere
-> Ich-Bezogenheit (eigene Person im Zentrum des Interesses)
-> Tendenz zur Verallgemeinerung
-> Eingeschränkte aktive Konzentration, v.a. bei unlustbetonten Anforderungen
-> Empfindlichkeit für flüchtige, impressionistische Eindrücke
-> Defizit an Faktenwissen
-> „Vergessen von Einzelheiten“ (Absprachen etc.), andere Details oft gut erinnert
27
Kritik- und Urteilsschwäche
Kritikfähigkeit:
Fähigkeit, komplexe Sachverhalte differenziert zu prüfen
und nach Abwägen von Für und Wider
zu einem begründeten Urteil zu gelangen.
Kritik- und Urteilsschwäche, Kritikminderung:
Das Denken führt zu
irrigen, unsinnigen, überspitzten, wenig abgewogenen,
der Realität nicht gerecht werdenden
Urteilen.
Vorkommen in relevanter Ausprägung
bei einer Vielzahl psychotischer Erkrankungen und organischer Psychosyndrome
Zwang
Zwangsgedanken
Zwang im weiteren Sinn (wie tritt ein Denkinhalt auf ?):
-> sich aufdrängende und persistierende Denkinhalte (Zwangsgedanken)
oder Handlungsimpulse (Zwangsimpulse),
-> die zwar als „die meinen“ erkannt werden,
-> aber gegen den eigenen Willen im Bewusstsein verharren
Zwang im engen Sinne (zusätzlich: wie stehe ich zu dem Denk-Inhalt ?):
-> liegt vor, wenn das Ich den Inhalt der Zwangsgedanken zusätzlich als
grundlos, unsinnig, mehr oder weniger unverständlich bewertet
-> und wehrt sich dagegen
Thematisch oft Aspekte von:
• kontaminierendem Schmutz
• unkalkulierbarer Gefahr
• Verstoß gegen gesellschaftliche u. moralische Standards und religiöse Gebote
• Zahlen und Symmetrie
28
Zwangshandlungen
-> stets sekundär als Folge von Zwangsgedanken/-impulsen,
Wahn, Halluzinationen etc.
-> können im Gegensatz zu Zwangsgedanken stets aufgeschoben oder
unterdrückt werden
-> Ausführen reduziert mit den Zwangsgedanken verbundene Angst
-> oft Ritual in genau vorgeschriebener Form,
z.B. in bestimmter Häufigkeit der Wiederholung (z.B. Waschritual).
u.U. Zweifel, ob das Zwangsritual auch richtig ausgeführt worden ist
DD Zwangsphänomene
• Leitsymptom bei Zwangsstörung:
Hierbei i.d.R. Zwang i.e.S., d.h. Zwangsgedanken nicht nur sich aufdrängend
und verharrend, sondern auch ihr Inhalt wird als unverständlich reflektiert
• Zwangsphänomene u. zwanghafte Persönlichkeitsstruktur
(Zweifel, Vorsicht, Gewissenhaftigkeit, Rigidität u.a.):
kein linearer und notwendiger Zusammenhang
• i.R. von oder zusätzlich zu Depressionen
(anankast. Depression)
• i.R. schizophrener Psychosen:
Hierbei i.d.R. kein Zwang i.e.S., d.h. keine kritisch-reflektierte Stellungnahme
zum Inhalt der Gedanken, auch Wahneinfall kann zu Zwangshandlung führen
• Manierierte Katatonie n. Leonhard:
Bewegungs- (eingefahrene Abläufe) und Unterlassungsmanieren können an
Zwangserscheinungen erinnern (zusätzl. Psychomotor. Erstarrung)
• verschrobene Hebephrenie n. L.: initial auch Zwangserscheinungen
(Leitsympt.: einförmiges Klagen ohne affektive Beteiligung)
29
Wahn und abnorme Ideen
Wahnkriterien nach Jaspers:
-> Fixierung auf
(nach allgemeinen Realitätskonzepten) „unmögliche“ Denkinhalte
ohne nachvollziehbaren Anlass
-> Absolute subjektive Gewissheit
-> Unkorrigierbarkeit
auch angesichts von Gegenargumenten
bzw. widersprechenden eigenen Erfahrungen
Wahn - besondere Evidenz
Es geht bei der Diagnose Wahn
-> nicht darum, ob ein Denkinhalt „richtig oder falsch“
-> sondern darum, wie jemand sich einer Sache gewiss ist
(„Sind sie sich da ganz sicher oder könnte es vielleicht doch ein Missverständnis sein ?“ )
-> normalerweise kann man sich über „objektive“
(d.h. hier intersubjektiv zugängliche) Sachverhalte
prinzipiell irren und im Dialog korrigiert werden
Wahnphänomene
Wahnstimmung
-> Besondere Form emotionaler Gespanntheit im Vorbereitungsfeld
eines Wahns: Unheimlichkeit, Erschüttert-/Erschrecktsein,
Bedrohung, Angst, Argwohn, Ratlosigkeit, selten Euphorie
-> Gewissheit, „dass etwas im Gange ist“, was der Betroffene im
Einzelnen noch nicht kennt
-> Atmosphäre des Betroffenseins in einer als verändert erlebten Welt
-> Alltägliche Dinge der Umwelt erhalten eine besondere Bedeutung,
ohne dass genau angegeben werden kann, welche
30
Wahnidee
Allgemeiner Begriff für Denk-Inhalte, die die o.g. Wahnkriterien erfüllen
Klassische Unterscheidung nach Jaspers:
Echte Wahn-Ideen:
in o.g. Sinne abnormer Denk-Inhalt,
der nicht aus irgendwelchen Vorbedingungen ableitbar ist
Wahnhafte Ideen:
abnormer Denk-Inhalt,
der ableitbar („psychologisch nachvollziehbar“) aus anderen Gegebenheiten
(z.B. Affekt, Halluzination) ist
Begriffe wie Wahnerlebnis oder Wahnvorstellung
sind unscharf und klinisch weniger hilfreich
Wahnwahrnehmung und Wahneinfall:
Interpretation
nicht plausibel ableitbar
-> echte Wahnwahrnehmung
Wahrnehmung
(Gegenstand, Ereignis etc.)
Glied 1
Wahnidee ohne wahnhaft
verarbeitete Wahrnehmung
-> Wahneinfall (eingliedrig)
Wahnidee
(Denk-Inhalt)
-> bezieht sich auf Wahrnehmung
-> verleiht ihr eine Bedeutung
Glied 2
Interpretation
unwahrscheinlich, aber möglich
-> einfache Eigenbeziehung
31
Wahnwahrnehmung
Etwas Wahrgenommenes (Ereignis, Gegenstand)
wird abnorm interpretiert, mit einer Bedeutung versehen (Wahnidee, Denk-Inhalt)
• Interpretation völlig unplausibel -> echte Wahnwahrnehmung
• Interpretation ist zwar unwahrscheinlich,
wäre aber unter Umständen so vorstellbar -> einfache Eigenbeziehung
Wahneinfall
Eine Wahnidee kommt „einfach so“ auf,
ohne dass vorher eine Wahrnehmung abnorm interpretiert werden musste
Wahnarbeit, Wahnsystem
Ein Wahn wird in der sog. Wahnarbeit durch Verknüpfungen
-> einzelner Wahnideen
-> von Wahnideen mit Ich-Störungen,
nicht krankhaften Beobachtungen und Erlebnissen
„Begründungen“, „Beweisen“, Ableitungen
zusammenhängend ausgestaltet
Wahnsystem weist dann oft keine gröberen inneren Widersprüche auf
und wirkt besonders überzeugend auf die Umgebung
Ausformung meist erst im längeren Verlauf der Psychose, oft zeitlich stabil
Es gibt chronische Psychosen mit sehr gut erhaltener Persönlichkeit,
bei denen ein systematisierter Wahn
das einzige offenkundige Symptom zu sein scheint
32
Themen abnormer Denk-Inhalte
Beziehungsideen/-wahn:
Pat. bezieht Menschen, Dinge und Vorgänge der Umwelt (z.B. auch in den Medien)
wahnhaft auf sich selbst
Wahnwahrnehmung vs. einfache Eigenbeziehung s.o.
Verfolgung und Beeinträchtigung:
Pat. denkt sich als Ziel von Feindseligkeiten.
-> „wähnt“ sich von seiner Umwelt bedroht, gekränkt, beleidigt, verspottet,
-> die Umgebung trachte nach seinem Hab und Gut
(Bestehlungswahn: oft bei Gedächtnisstörungen bei Demenzen)
-> nach seiner Gesundheit, nach seinem Leben (z.B. Vergiftungswahn)
-> Die Verfolger können sich auch technischer Hilfsmittel bedienen: Kamera,
Laserstrahlen etc. (u.U. Erklärungswahn bei Ich-Störungen, Zönästhesien)
Querulantenwahn:
z.B. eine Kränkung u. daran anschließender Kampf ums Recht beherrschend
Liebeswahn:
Ideen, von einer bestimmten Person geliebt zu werden
Schwangerschaftswahn:
Wahn, schwanger zu sein
subjektive u./o. sichtbare (Amenorrhoe, Brustschwellung)
Zeichen einer Schwangerschaft können auftreten
Eifersuchtsideen/-wahn:
Ideen, vom Partner betrogen und hintergangen zu werden
-> Entscheidend für Diagnose
weniger die Unmöglichkeit des Inhalts,
sondern absurde Vorwürfe und Behauptungen sowie Unkorrigierbarkeit.
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Schuld, Versündigung, Bestrafung:
-> Ideen, gegen sittlich-moralische Gebote, Gesetze, eine höhere moralische
Themen abnormer Denk-Inhalte
Instanz, Gott usw. gefehlt bzw. verstoßen, Vertrauen missbraucht zu haben
-> Pat. denkt/fühlt sich schlecht und minderwertig, unverzeihlich und
unrettbar verdammt und verstoßen zu sein
-> ohne konkreten Vorfall oder Überbewertung realer Verfehlungen
-> Unterlassungsschuld (sich nicht genügend um die Familie gekümmert zu
haben, nicht rechtzeitig zu Arzt gegangen zu sein), häufig auch
Selbstbezichtigungen wegen Onanie, Schwangerschaftsabbruch etc,
selten auch Seinsschuld, d.h. das Dasein als Mensch sei an sich schuldhaft
oder man habe aus seinen Möglichkeiten nicht genügend gemacht
-> Pat. geben sich häufig selbst Schuld an ihrem Zustand
(nicht krank, sondern schlecht, müsste nicht behandelt, sondern bestraft werden)
bzw. (nachvollziehbare) Schuldideen/-gefühle, durch depressive Hemmung
hinter sozialen/beruflichen Verpflichtungen/Ansprüchen zurückzubleiben
Verarmung:
Thematik kreist um bedrohten Lebensunterhalt,
es gehe alles verloren, Arbeitsstelle, Geld, Kleidung, Nahrung,
Pat. bzw. Familie verhungern
Thema kann auch sein, wie die ärztliche Behandlung finanziert werden solle
Hypochondrische Ideen:
Ideen, erkrankt (oft an einer evtl. nicht feststellbaren, unheilbaren Krankheit),
dem Tode verfallen zu sein
Kann auf spezielle Krankheiten (Krebs, AIDS, Syphilis, etc.) gerichtet
oder mehr diffus sein,
es können auch entsprechende Leibgefühle vorhanden sein
„Kleinheit“, Wertlosigkeit:
Ideen, wertlos, insuffizient oder unbedeutend zu sein,
auch auf Gebieten des Gewissens (s. oben)
nihilistischer Wahn:
Pat. wähnt, er existiere nicht mehr, lebe nur zum Schein
oder die Realität (Seele, Welt, Gott) sei teilweise oder ganz inexistent,
Kann sich auf einzelne Organe oder deren Funktion
(„es geht keine Speise mehr durch meinen Magen“) beziehen
34
Größenideen/-wahn:
Ideen, Mitmenschen an Begabung, Kraft, Fähigkeit, Besitz
zu übertreffen (egoistische Ideen),
Pat. kann sich als jemand, der etwas besonderes geleistet hat,
als Erfinder, von hoher Abstammung, Herrscher der Welt,
Gott oder einen Gesandten Gottes usw. denken
Berufung, Beglückung:
von einer höheren Macht zu einer ganz außergewöhnlichen Aufgabe berufen zu sein,
z.B. der Welt den Frieden zu bringen (altruistische Ideen)
Religiöse Thematik:
Ideen, von Gott gesandt zu sein,
in einer besonderen Beziehung zu Gott zu stehen,
mit einem Heils- oder Religionsgründungsauftrag in die Welt geschickt zu sein,
aufgeopfert zu werden usw.
Religiöse Färbung auch oft bei Versündigungs-, Bestrafungsideen
Cave: Subj. Gewissheit/Unkorrigierbarkeit
können auch auf Glaubensinhalte Gesunder zutreffen
(Krankhaftigkeit am besten durch Angeh. der selben Religion beurteilbar)
Schuld, Armut, Krankheit, Wertlosigkeit/Minderwertigkeit
sind klassische Themen abnormer Ideen („depressive Wahnthemen“) bei Depression,
einhergehend und kongruent mit entsprechenden Gefühle (synthym)
Auch Verfolgung (bzw. Bestrafung) können Inhalt depressiver Ideenbildung sein,
dann aber stimmungskongruent („weil ich schlecht bin“)
-> „Der Zeiger der Schuld zeigt beim depressiven Wahn auf den Patienten,
beim schizophrenen auf die anderen.“
Auch Größenideen (ggf. auch Verfolgungsideen, z.B. „weil ich etwas Besonderes bin“)
bei Manie sind stimmungskongruent
35
Wahn vs. Ideenbildung bei Leonhard
Wahn im engeren Sinne:
chronisch fixierte abnorme Denk-Inhalte
die unter affektivem Einfluss auf das Realitätsurteil entstehen
-> Fehlbeurteilung der Realität i.R. eines veränderten Affekts
(z.B. gereiztes Misstrauen b. affektvoller Paraphrenie)
-> formale Denkstörung erzeugt falsche Denkinhalte, die durch Hinzutreten
eines Gefühlsvorgangs fixiert werden (systemat. Paraphrenien)
Erklärungsideen:
Abnorme Denk-Inhalte,
die zur Erklärung sonst unverständlicher Trugwahrnehmungen dienen
(z.B. bizarrer Zoenaesthesien bei hypochondr. Paraphrenie)
Wahn-hafte Ideen:
Flüchtig-sporadisch auftretende, nicht chronisch fixierte abnorme Denk-Inhalte,
die auf der Basis verschiedener Störungen auftreten können:
-> gefühlsnahe I.: Größen- und Selbsterniedrigungsideen, Beziehungsideen,
hypochondrische Ideen (affektive u. Angst-Glücks-Psychosen,
Verstimmungszustände bei flacher Hebephrenie)
-> Ideenbildung bei formaler Denkstörung: Kataphasie, Verwirrtheitspsychose
-> absurde I. bei logischer Denkstörung: phantast. Paraphrenie
Argwöhnische Depression:
Vorgänge in der Umgebung werden
auf dem Boden (mäßiger) depressiver Verstimmung
i.S. von Beziehungsideen missgedeutet
(Umwelt hat erkannt, dass etwas an einem nicht Recht ist)
Selbstquälerische Depression:
Wenn krankhafte Ideen zur Sprache kommen,
(Selbstvorwürfe, maßlose Selbstentwertung)
entwickelt sich aus ihnen ein erregt-depressiver Affekt, sonst ruhiges Grübeln
Schwärmerische Euphorie (Gegenpol):
Affektgetragene Größenideen (Beglückung anderer, Selbsterhöhung),
Affekt schwillt schwärmerisch oder ekstatisch an
und sinkt bei Ablenkung von Ideen ab.
36
Angst-Glücks-Psychose (Grundstörung: pathologischer Affekt !)
• Ideenbildung und Trugwahrnehmungen
voll aus dem pathologische Affekt ableitbar
(aber nicht fixiert):
• bei heftiger Angst: Bedrohung, Verfolgung, Vernichtung
bei ekstatischem Affekt
(pathetische Gestik, ruhig ohne manische Vielgeschäftigkeit):
altruist. Ideen: Beglückung, Berufung, Erlösung
beide: Selbstopferungsideen
Affektvolle Paraphrenie:
• Initial meist ängstlich-misstrauisches, später gereiztes Beziehungssyndrom mit
feindseliger Umdeutung der Umgebung
• stark affektgetragener Wahn (Verfolgungs-, Größenwahn, später u.U. phantast.)
• Außerhalb d. Wahns oft affektive Abstumpfung
Phantastische Paraphrenie:
Halluzinationen (v.a. Leibessensationen
und szenische mit vorherrschendem optischen Element, häufig grausige Dinge)
und absurde Wahnideen,
die sich über alle Möglichkeiten der täglichen Erfahrung hinwegsetzen
Konfabulatorische Paraphrenie:
Erinnerungstäuschungen (Konfabulationen)
in Gestalt zusammenhängender Erlebnisse von phantastischem Gepräge,
die sich auf andere Länder oder gar Sterne beziehen
(Unmittelbare Umgebung wird richtig beurteilt),
eingebaute Größenideen
Expansive Paraphrenie:
Nicht-phantast. Größenwahn,
der posenhaft-wichtigtuerisch nach außen getragen wird
37
Angst
Angst ist ein Phänomen, das eine
-> affektive
-> kognitive (Denkstil, Denkinhalt)
-> körperlich-vegetative
Komponente in jeweils verschiedener Ausprägung umfasst
und bei dem eine Gefahr erwartet wird.
Furcht:
Bezogensein
auf
einen
bestimmten
hervorgehoben
Schreck: zusätzliches Überraschungsmoment
Gegenstand
Krankhafte Angst ist ein unspezifisches Symptom,
das bei allen psychiatrischen (auch bei somat.) Erkrankungen vorkommen kann,
bei speziellen Angstsyndromen aber im Vordergrund steht:
Generalisierte
Angststörung
• anhaltende Angst
• nicht auf best.
Bedingungen
beschränkt
• viele Sorgen um
Alltagsdinge
(„worrying“)
Phobien
• Angst vor/in
bestimmten
Objekten/Situationen
• oft Vermeidung
Panikstörung
• Angstattacken
nicht an best.
Umstände
gekoppelt
Posttraumat.
Belastungsstör.
• Angst bei
Wiedererinnern
traumatischer
Erlebnisse
-> Agoraphobie
• Plätze
• Menschenmengen
-> Soziale Phobien
• prüfender Blick
anderer (Essen...)
-> Spezif.Phobien
• Höhenangst
• Klaustrophobie
• Tierphobien
38
Hypochondrie
-> Objektiv mehr oder weniger unbegründete Befürchtung,
an einer (zumeist schweren) Erkrankung zu leiden
-> Ängstliche Beobachtung körperlicher Phänomene
(oft normale, sonst nicht wahrgenommene, z.B. Extrasystolen)
-> fakultativ Vorhandensein körperlicher Missempfindungen
Unspezifisches Symptom, Vorkommen
• u.U. mit wahnhafter Überzeugung (hypochondr. Wahn z.B. b. schwerer Depression)
• kann bizzare Züge tragen (z.B. b. schizophrenen Psychosen)
• kann mehr oder weniger eigenständig auftreten
• Leonhard-Terminologie betont das Element der Missempfindungen
(Übergang zu Zoenaesthesien/“Sensationen“):
Hypochondr. Depression: bizzar ohne Charakter des Gemachten
Hypochondr. Paraphrenie: quälende „gemachte Missempfindungen“
Dysmorphophobie, körperdysmorphe Störung:
Überzeugung des Hässlichseins oder körperlich entstellt zu sein
(-> überwertige Idee, Wahn)
Eigengeruchsparanoia:
Überzeugung, unangenehme Körpergerüche auszuströmen
und damit anderen Menschen unangenehm zu werden,
wobei bestimmte Verhaltensweisen der Mitmenschen dahingehend gedeutet werden,
als hätten diese einen solchen Geruch wahrgenommen
Somatoforme Beschwerden
-> Leiden unter und wiederholte Darbietung körperlicher Symptome,
meist mit dem Wunsch nach medizinischen Untersuchungen
-> Die übliche Diagnostik ergibt diesbezüglich keine
oder keine das Ausmaß der Beschwerden erklärende Befunde
-> im klinischen Alltag wird unterstellt,
dass den Beschwerden keine strukturelle Schädigung,
sondern allenfalls eine potentiell reversible „Funktionsstörung“
(-> „funktionelle Störung“) eines Organsystems
bzw. eine veränderte Wahrnehmung körperlicher Signale zugrunde liegt
•
•
Unspezifische, diffusere subjektive Beschwerden: Brennen, Schwere-, Engefühl etc.
(Neuro-)vegetative Symptome sind oft besser objektivierbar:
-> Speichelfluss/Mundtrockenheit
-> Schwitzen, Tachykardie
-> Obstipation/Diarrhoe
-> Tremor, Muskelverspannung u.v.m.
39
Körperliche Beschwerden ohne strukturelle Organpathologie
und vegetative Störungen
begleiten viele psychiatr. Erkrankungen ohne im o.g. Ausmaß im Mittelpunkt zu stehen
Der Begriff „Somatisierung“ unterstellt,
dass sich die psychische Befindlichkeit
auf somatischer Ebene Ausdruck verleiht (divide: „Vitalgefühle“, s.u.)
Somatoforme Beschwerdekomplexe
.
Konversions(dissoziative)
Störung
pseudoneurologische Sy.
(Lähmungen;
Anfälle, Bewusstseinsstörungen
oft monosymptom.
„funktionelle
Störungen“
somatoforme
„Funktionsstörungen“
bzw. vegetative St.
eines einzelnen
Organsystems:
Magen-Darm,
respirator. Syst. …
Somatoforme
Schmerzstörung
Schmerzen/
Behinderung
unverhältnismäßig
zu objektivierbarer
Läsion
Neurasthenie
Erschöpfung bei
geringsten
seel/körperl.
Anstrengungen
Somatisierungsstörung
multiple Beschwerden
in unterschiedl. bzw.
wechselnden Bereichen
Vitalgefühle
-> „Wie der eigene Leib wahrgenommen, gespürt wird“
-> sind eher generalisiert als lokal,
-> strenger lokale, konkrete Beschwerden
(Kopfschmerzen, Druck auf der Brust „Somatisierung“,
somatoforme Beschwerden)
oder (neuro-) vegetative Beschwerden (Schwitzen, Tachykardie,
Inappetenz, Tremor etc.)
gehören nicht dazu
Positive Gefühle:
Negative Gefühle:
• Wohlbehagen
• Frische
• sich „voller Energie“ fühlen
• Kraftlosigkeit, Schlappheit
• Erschöpftheit
• vitale „Traurigkeit bis in die Glieder“,
• Schwere, diffuser Druck
Gehobene Vitalgefühle:
Manie, Drogen etc.
Darnieder liegende Vitalgefühle:
Schwere Depression
40
Zoenaesthesie (Leonhard: „Sensationen“)
-> etymologisch von „Empfindung der Gemein-Gefühle des Leibs“.
-> Halluzination im Bereich leiblicher Wahrnehmungen, z.B.
• Organe aus dem Körper gerissen
• Verflüssigung des Gehirns
• Gefühl, versteinert, verstopft zu sein, Durchflutet werden von Strömen
• Knochen im Leib verbiegen sich
-> schwierige Abgrenzbarkeit von übrigen körperlichen Missempfindungen
(kann man bei Leibes-empfindungen überhaupt von Sinnes-täuschung sprechen ?)
im klin. Alltag wird der bizzare Charakter betont
-> veränderte Körper-Wahrnehmung kann von Beeinflussungs-Wahn
(Überzeugung vergiftet, elektrisiert etc. zu sein) begleitet sein
Zusätzlich wahrgenommener Charakter des „Gemachten“
• besonders bei schizophrenen Psychosen (z.B. affektvolle, bes. hypochondrische
Paraphrenie n. Leonhard),
• weniger bei cycloiden Psychosen (Angst-Glück-Psychose n. Leonhard),
• fehlend bei Zoenaesth. affektiver Störungen (z.B. hypochondr. Depr./Euphorie n. L.)
Halluzinationen
-> Wahrnehmungen, die für Sinnes-Wahrnehmungen gehalten,
aber nicht durch eine gegenständliche Reizquelle ausgelöst werden
(„Sinnes-Täuschungen“)
-> Inhalt kann von Erfahrungen des Pat. und Kontext abhängen,
konsistent sein und sich auf „wirkliche“ Dinge beziehen
-> Halluzination (Wahrnehmung) und Wahn (Denk-Inhalt !)
treten sehr häufig zusammen bzw. sich ergänzend auf
(z.B. Erklärungs-Wahn für abnorme sinnl. Wahrnehmung)
Aktivierung ähnlicher Hirnregionen
bei „echten“ Wahrnehmungen, Vorstellungen und Halluzinationen
Mögliche Erklärung für Halluzinationen:
-> Selbst-/Fremdzuschreibung gestört:
Information, dass „wahrnehmungsartiges Bild“
selbst erzeugt wurde (wie z.B. bei Vorstellung),
geht bei Halluzination verloren
-> Höherstufige, sinn- u. strukturgebende Prozesse
wirken in der Informationsverarbeitung
auf niederstufige Prozesse („rohe Sinnesdaten“) verändernd ein
(„Erwartung bestimmt, was gehört wird“)
41
Akustische Halluzinationen
-> Von ungestalteten Geräuschen (Akoasmen) bis zu Sätzen bzw.
„Stimmenhören“ (Phoneme) reichend
-> eine oder mehrere Stimmen, bekannt oder unbekannt
-> dialogisierend: Rede und Gegenrede „anderer Personen“, z.T. über Pat.
-> kommentierend: Tun, Denken, Fühlen d. Pat. mit Kommentaren begleitend
-> imperativ: Befehle (z.B. Suicid) gebend
-> beschimpfend (auch freundlich): häufig peinliche, sexuelle Inhalte
-> Abgrenzung zu Ich-Störungen (Gedankeneingebung)
und Wahn (andere reden über Pat.) evtl. fließend
-> können synthym (stimmungskongruent) sein
(einzelne „Beschimpfungen“ bei Depression)
• Dialogisierende und kommentierende Stimmen: schizophrene Erstrangsymptome
• Einzelne Beschimpfungen: synthym (stimmungskongruent) bei Depression
• Alkoholhalluzinose: spottende, drohende, verschwörende Stimmen
Optische Halluzinationen
-> sprechen eher für organische Psychosyndrome
-> Photome bei Erkrankungen des visuellen Systems: ungeformt
-> Posteriorinfarkt (Schädigung der Sehrinde, oft Verwirrtheit)
-> Alkoholentzugsdelir: Tiere,
auch erhöhte Suggestibilität, liest vom leeren Blatt ab
-> organische Psychosyndrome, Parkinson-Medikamente:
Personen u.a. Dinge im Raum, Pat. greift u.U. danach
-> Charles-Bonnet-Syndrom: opt. Halluzinationen
ohne weitere Psychopathologie
bei Erkrankungen des visuellen Systems
-> Visionen (religiöser Inhalt),
schizophrene und Angst-Glücks-Psychosen, Epilepsie
-> Szenen
(z. B. grausige Dinge, mit phantastischen Wahnideen
bei phantast. Paraphrenie n. L.)
42
Andere Halluzinationen
Olfaktorische (Geruch) und gustatorische (Geschmack) Halluzinationen:
Organisch (Tumor, epilept. Aura), Depression (Leichengeruch),
misstrauische paranoid-halluzin. Syndrome (giftige Gase)
Taktile/haptische Halluzinationen (Berührung):
z.B. kleine Tiere („Dermatozoenwahn“), meist organ. Psychosyndrome)
Reflexhalluzinationen:
Sinnesreiz löst Halluzination in anderer Sinnesmodalität aus:
z.B. Pat. spürt „Schnitt im Leib“ beim Anblick von Wurstschneiden
Hypnagoge und hypnopompe Halluzinationen:
Beim Einschlafen bzw. Aufwachen, verschiedene Sinnesgebiete,
nicht unbedingt pathologisch
Halluzinationen bei Leonhard
• Angst-Glückspsychose:
ängstlicher bzw. ekstatischer Affekt
„versinnlicht“ sich zu affektkongruenten Sinnestäuschungen
• affektvolle Paraphrenie :
oft schwer abgrenzbar, ob feindseliger Beziehungswahn
(„etwas wurde über mich gesagt“)
• Hypochondrische Paraphrenie:
neben Zönästhesien quälende Stimmen,
Vorhandensein lästig,
Persönlichkeit gut, Stimmung missmutig
• Phonemische Paraphrenie:
Stimmen meist peinlichen Inhalts,
enge Beziehung zum Denken (es geht thematisch um das, was Pat. denkt)
Inhalt lästig,
Persönlichkeit gut erhalten, Stimmung ausgeglichen
• Starkes Abgelenktsein und Gespräch (u.U. erregte Auseinandersetzung)
mit den Stimmen: inkohärente Paraphrenie
und sprachträge Katatonie (Flüstern, sonst kaum sprachl. Äußerungen)
-> „Traumartiges“ Halluzinieren
(neben affektiven Auslenkungen jeglicher Richtung und Beziehungsideen):
unspezifisches Symptom akuter Psychosen
(cycloide, unsystematische, beginnende systematische Schizophrenien)
-> Spezifische (je eigene) Form des Halluzinierens (anhaltend):
bei best. systematischen Schizophrenien
43
Pseudohalluzinationen
Trugcharakter der Trug-Wahrnehmung wird erkannt.
Übergang fließend zu echter Halluzination
Illusionäre Verkennungen
Wirklich gegenständlich Vorhandenes wird umgestaltet verkannt
(z.B. Büsche als drohende Gestalten).
Vorkommen: erschwerte Wahrnehmung (Dämmerung, Müdigkeit),
starker Affekt (Angst), Delir etc.
Personenverkennungen
• Erregte Verwirrtheitspsychose n. Leonhard: flüchtige Personenverkennungen
(z.B. Mitpatient als Verwandter)
• Affektvolle Paraphrenie n.L. :
Personenverkennungen bei affektiv getragenem Verfolgungs- oder Größenwahn
(Unbeteiligte Person als Verfolger)
• Phantastische Paraphrenie n.L.: phantastische Personenverkennung
(Mitpatient als Amerikan. Präsident)
• Fregoli-Syndrom: unbekannte Person wird als Bekannter verkannt
• Capgras-Syndrom: bekannte Person wird für deren Doppelgänger gehalten
Entfremdungserlebnisse
Derealisation:
Umgebung, Personen und Gegenstände erscheinen unwirklich, fremdartig, verändert
(„alles vor wie im Film, durch eine Milchglasscheibe“ usw.)
Depersonalisation:
-> Pat. erlebt sich dem eigenen Ich oder eigenen Körperteilen fremd
gegenüberstehend.
-> Gefühle als unlebendig,
eigenes Denken und Handeln als wie mechanisch ablaufend erlebt
(nicht auf äußere Instanzen zurückgeführt !)
44
Vorkommen: Depersonalisation und Derealisation meist zusammen
• Ermüdung, akute Erlebnisreaktionen
• Borderline-Persönlichkeitsstörung u.a.
• Depression (Abschwächung von Sinneseindrücken,
erlebter Verlust an Mitgefühl z.B. bei teilnahmsarmer Depression n. Leonhard.,
Veränderung der Wahrnehmung von Körperteilen bei hypochondr. Depression n. L.)
• bei Wahnstimmung (schizophrene/cycloide Psychosen)
• Intoxikationen
Ich-Störungen
Ich-Erleben:
Erleben der eigenen seelischen Vorgänge als dem eigenen Ich zugehörig
Störungen des Ich-Erlebens (Ich-Störungen):
-> „Grenzen zwischen Ich und Umwelt als durchlässig erlebt“
-> Best. Handlungen und Zustände als von außen, von einer Ichfremden Instanz gelenkt, gemacht oder beeinflusst erlebt
Gedankenlautwerden:
Eigene Gedanken werden gehört (Nähe zur Halluzination)
oder als für andere mit-hörbar gewähnt (Nähe zum Wahn)
Gedankenausbreitung:
Andere haben Anteil an den eigenen Gedanken,
wissen, was ich denke („Gedankenlesen“)
Gedankenentzug:
Eigene Gedanken werden
durch andere Person oder fremde Macht weggenommen, entzogen
Gedankeneingebung, -beeinflussung
Eigene Gedanken werden von außen eingegeben bzw. beeinflusst
45
Schizophrene Erstrangsymptome
Schizophrene Erstrangsymptome (n. K. Schneider)
besitzen für die Diagnose einer Schizophrenie besonderes Gewicht,
ohne dass sie notwendig immer vorhanden sein müssen
-> Gedankenlautwerden
-> Ich-Störungen (Gedankenausbreitung, -entzug, -beeinflussung)
-> dialogisierende Stimmen
-> kommentierende Stimmen
-> Wahnwahrnehmung
-> leibliche Beeinflussungserlebnisse („Charakter des Gemachten“)
-> spezieller „Charakter des Gemachten“
bei allen anderen Phänomenen d. Fühlens u. Wollens
Gestörter Perspektivwechsel bei Wahn, Halluzinationen,
Ich-Störungen ?
• Es wird ein komplexes neuronales Netzwerk postuliert
(Selbstmodell, Metzinger, Damasio)
das immer dann aktiv ist,
wenn bewusste Erfahrungen mit Selbstbezugnahme gemacht werden
• Seine Aktivität verleiht dem Bewusstseininhalt
eine Summe bestimmter Erlebnisqualitäten (Selbstkonstrukt, Vogeley):
-> Erfahrung der Meinigkeit u. Urheberschaft (ich habe meine eigenen Gedanken)
-> Erfahrung „aus meiner (1. Person-) Perspektive“ heraus
-> Zusammenhang meiner Gedanken, Einstellungen etc. über die Zeit hinweg
• funktionelle Bildgebung belegt, dass
-> bei Selbstbezugnahme (1. Person-Perspektive) andere Hirnregionen aktiv sind
als bei Zuschreibung mentaler Zustände an andere
(„theory-of-mind“-Fähigkeiten = TOM, “Mindreading”)
-> bei Schizophrenen bei Einnahme der 1.PP
andere Regionen aktiv sind als bei Gesunden
• Halluzinationen und Ich-Störungen:
1. PP kann nicht eingenommen werden bzw. Selbstzuschreibung gestört
-> Fremdzuschreibung eigener mentaler Phänomene
• Wahn:
Unfähigkeit, anstelle der eigenen
die Perspektive eines anderen einzunehmen („Überstieg“)
46
Affektivität
Affektivität: umfasst Begriffe wie Emotionen, Gefühle, Stimmung, Affekt usw.
Terminologische Abgrenzung variiert stark
Stimmung:
mehr das überdauernde, allenfalls in langwelligen Schwankungen verlaufene Moment
(„Wir sind immer irgendwie gestimmt“)
Affekt:
mehr das kurze, spontane,
aus der jeweiligen Situation heraus entstandene Moment
Affektive Schwingungsfähigkeit:
Anstoss- und Auslenkbarkeit des Affekts
in die unterschiedlichen Richtungen in verschiedenen Situationen
Temperament:
konstitutions-gebundene (eher angeborene) Eigenart
der Reaktionen im Bereich des Gefühls-, Willens- und Trieblebens
Charakter:
zielt mehr auf erworbene Eigenschaften d. Individuums ab
Emotionen beeinflussen das „Wie“ von Informationsverarbeitung.
Sie sind weniger eigenständige mentale Phänomene,
sondern färben vielmehr andere mentale Phänomene (Wahrnehmung, Denken etc.)
charakteristisch ein,
lenken das Denken „entlang bestimmter Schienen“.
Daher ist es immer wichtig,
auf die affektive Unterlagerung psychischer Phänomene zu achten.
Emotionen
-> sind mit vegetativen Phänomenen (Schwitzen, Pulsanstieg) verbunden
und haben eine Signalwirkung,
sind wichtig für die Beurteilung von Stimuli
-> wirken bei der Verhaltensplanung und –steuerung mit
Emotionales Zentrum: limbisches System
Vegetatives Zentrum: Hypothalamus
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Qualitäten von Stimmung, Affekt, Begegnungsweise
heiter
gehoben
begeistert
schwärmerisch
feierlich
beglückt
ekstatisch
euphorisch
dramatisch-theatral.
demonstrativ
unnatürlich
läppisch
schmeichlerisch
devot
distanzlos, jovial
überheblich
anhänglich, haftend
ausgeglichen
indifferent
unbeteiligt
teilnahmslos
unterkühlt
verhalten
unbekümmert
ratlos
in sich gekehrt
infantil, naiv
niedergeschlagen
verzweifelt, gequält
weinerlich
klagsam
selbstmitleidig (larmoyant)
ängstlich
verunsichert, schüchtern
angespannt
gehetzt, getrieben
fordernd
verschroben
misstrauisch
abweisend, feindselig
gereizt, gespannt
aufbrausend
empört
gekränkt, enttäuscht
moros-dysphorisch
(mürrisch)
verletzend
Selbst- und Fremdwertgefühle
Hier besonders starke Verschränkung von Gefühl und Denkstil bzw. –inhalt !
• Depression: Gefühl und Ideen (u.U. mit Wahncharakter)
eigener Schuld (auch außerhalb des objektiven eigenen Einflussbereichs),
moralischer Unzulänglichkeit,
Versagen und Minderwertigkeit
Kann durch erlebtes, krankheitsbedingtes Zurückbleiben
hinter eigenem Leistungsanspruch bzw. Harmoniebedürfnis verstärkt werden
(Typus melancholicus n. Tellenbach)
• Manie: gesteigertes Selbstvertrauen, Größenideen (bis zum Größenwahn)
• narzisstische und Borderline-Persönlichkeitsstörung:
Selbstwert und Bewertung anderer können extreme Formen annehmen
und rasch wechseln
(Idealisierung/Abwertung, „Spaltung“)
• ängstlich-vermeidende und abhängig-selbstunsichere Persönlichkeit:
Gefühl von Minderwertigkeit und Sehnsucht nach Akzeptiertwerden
bzw. Gefühl von Hilflosigkeit und Inkompetenz mit Trennungsangst
und passivem Unterordnen/sich verlassen auf andere
48
Depressives Syndrom
->
->
->
->
gedrückte, niedergeschlagene Stimmung
eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit
verminderte Fähigkeit, Freude zu empfinden
Selbstwertgefühl vermindert,
Schuldgefühle u./o. Gedanken über eigene Wertlosigkeit
-> Pessimismus
-> Verminderung von Antrieb, Interesse und Aktivität
-> Konzentration vermindert
-> Denken und Psychomotorik (Mimik, Gestik) gehemmt,
Entschlusserschwernis, Grübeln
-> innere Unruhe, Angst, Agitiertheit
-> Müdigkeit nach jeder kleinsten Anstrengung, Schlaf gestört, Früherwachen,
Morgentief, darnieder liegende Vitalgefühle
-> Appetitverlust, Libidoverlust, diverse vegetative und somat. Beschwerden
-> fakultativ (i.d.R. stimmungskongruente) psychotische Symptomatik
Manisches Syndrom
-> gehobene oder erregt-gereizte Stimmung
-> Selbstwertgefühl gesteigert, unrealistische Selbsteinschätzung,
übertriebener Optimismus
->
->
->
->
Steigerung des Antriebs, Überaktivität, Rededrang
unpassendes, distanzgemindertes, rücksichtsloses, leichtsinniges Verhalten
Aufmerksamkeit vermindert, Ablenkbarkeit
ideenflüchtiges Denken, zahlreiche Einfälle
-> vermindertes Schlafbedürfnis, gehobene Vitalgefühle
-> fakultativ (i.d.R. stimmungskongruente) psychotische Symptomatik
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Affektverarmung, Affektverflachung
Mangel oder Verlust an affektiver Ansprechbarkeit und Schwingungsfähigkeit,
die Betreffenden erscheinen gemütsarm, unterkühlt,
gleichgültig, teilnahmslos, gelangweilt, emotional indifferent,
oberflächlich-seicht, leichtfertig, manchmal auch „wurstig“ oder kaltherzig.
Wenn der Patient selbst darüber klagt: Gefühl der Gefühllosigkeit
Vorkommen
• hauptsächlich im Rahmen schizophrener Negativ-/Minussymptomatik,
charakteristisch bei flacher Hebephrenie n. Leonhard
• medikamentös: Neuroleptika, Li
• organische Psychosyndrome (Frontalhirnsyndrom, äthyltoxisch)
• schizoide u.a. Persönlichkeitsstörungen
Gefühl der Gefühllosigkeit
-> subjektiv wahrgenommene Gefühlsleere,
ein Nicht-mehr-mit-schwingen-können
-> betrifft nicht nur Freude;
auch keine Trauer mehr empfinden zu können (quälend, Selbstvorwürfe),
nicht mehr weinen zu können („die Tränen sind versiegt“).
-> Anhedonie: Unfähigkeit, Freude zu empfinden.
Vorkommen:
• V.a. Depression
(fehlendes Mitfühlenkönnen Leitsymptom bei teilnahmsarmer Depr. n. Leonhard)
• Posttraumat. Belastungsstörung
• schizophrene Negativsymptomatik (Anhedonie)
• s.a. Affektverarmung
50
Läppisch Sein
Albern-leere Heiterkeit, die mit dem Anstrich des Unreifen gekennzeichnet ist
Vorkommen:
• Rauschzustände
• unreife, infantile Persönlichkeiten
• hebephrene Schizophrenie
(charakteristisch bei läppischer Hebephrenie n. Leonhard
mit stillem Lächeln, Kichern oder unmotiviertem Lachen, kindischen Streichen,
Antriebsarmut, affektiver Entdifferenzierung und u.U. Dissozialität)
Parathymer Affekt
Affekte und Gefühlsausdruck
stimmen quantitativ (Intensität) und v.a. qualitativ (Färbung, Tönung)
nicht mit dem Erlebnisinhalt überein.
Beispiel: Lachen oder Unbeteiligtsein
beim Bericht über grausame Wahn- oder Halluzinations-Inhalte
Ein parathymer Affekt bei Wahn oder Halluzination
ist bei Psychosen eher als prognostisch ungünstig zu werten
(z.B. Defektsyndrome unsystematischer und v.a. systemat. Schizophrenien n. Leonhard)
Affektive Beteiligung bei psychot. Phänomenen (wichtig !) s. bei Wahn
Wechselnde u./o. rasch anspringende Affekte
Affektinkontinenz
Rasches Anspringen von allen Affekten,
die nicht beherrscht werden können
und manchmal eine übermäßige Stärke haben können.
Affektlabilität
-> schneller Stimmungswechsel
-> verstärkte affektive Ablenkbarkeit,
-> wobei die Affekte meist nur von kurzer Dauer sind,
-> auch rasch ihr „Vorzeichen“ wechseln können (wehmütig bzw. gereizt/heiter)
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DD wechselnde/rasch anspringende Affekte
Affektlabilität und –inkontinenz:
• Begriffe hauptsächlich bei organ. Psychosyndromen („Rührseligkeit“) verwendet
• Divide pathologisches Lachen und Weinen (ohne begleitenden Affekt) bei
neurologischen Erkrankungen (z.B. ALS)
Leichtere oder phänomenologisch mehr oder weniger ähnliche Bilder oft bei:
• Depression: rasch erschütterbar und betroffen von negativ getönten Botschaften
• Persönlichkeitsstörungen:
emotional-instabile, evtl. narzisstische: „himmelhoch jauchzend/zu Tode betrübt“
mit entsprechendem Denkstil, Störung der Affekt- und Impulskontrolle
emotive: durch gefühlserregende Ereignisse stark berührt
histrionische: dramatisch-demonstrative, oberflächliche, unnatürlich wirkende, labile
Affektivität
narzisstische: Kränkbarkeit (mit Abwertung), auch b. übernachhaltigen
• ADHS: Impulsivität und Ablenkbarkeit
• evtl. hyperthymem Temperament: selbstsicher, extrovertiert, redselig
Affektivität und Verhalten bei Hysterie
-> „Innere Leere“ durch unauthentisch wirkendes „Emotionalisieren“ aufgefüllt:
Dramatisches Ausgestalten mit ganzem Reportoire des Affekt-Ausdrucks oder
„Benennung von Affekten“ (Superlative, Pseudo-Differenziertheit, Pseudo-Moralität)
-> verdrängter „eigentlicher“ (z.B. aggressiver) Affekt kann im Pseudoaffekt spürbar sein
-> „belle indifférence“ (scheinbare Unbeteiligtheit), kontrastiert mit der Situation
-> Brüchigkeit und Unsicherheit der eigenen Identität.  Depersonalisation usw.
-> Tendenz, sich innerlich (Erleben) und äußerlich (Erscheinung) in einen Zustand zu
versetzen, der einen sich selbst anders erleben und vor anderen anders
erscheinen lässt (eine Rolle zu spielen)
-> Erlebnishunger als Folge der herabgesetzten affektiven Erlebnisfähigkeit
-> Aufdringliches sexuelles Gehabe, oft mit dem Ausdruck, „eigentlich“ ein kleines
Mädchen (keusch, zerbrechlich, schuldlos) zu sein
Gleichzeitig wird Kenntnisnahme der sexuellen Bedeutung d. Verhaltens abgelehnt
-> viel Aufmerksamkeit dem eigenen Äußeren zugewendet
-> Rivalisieren und Konkurrieren
-> wenn das erstrebte Ziel in die Nähe rückt, kommt es zu einem „Schnitt“:
Verlust des Interesses, Abwertung, bis hin zu sexuellen Störungen
-> sich abhängig zu machen ohne den Anspruch auf Aktivität und Initiative abzutreten,
anspruchsvolle Abhängigkeit mit Empfindlichkeit gegenüber Zurücksetzungen,
tendenziöse Inszenierungen, manipulative Suiciddrohungen
52
Ratlosigkeit
-> Patient findet sich nicht mehr zurecht, weiß nicht, was ihm geschieht,
was er denken oder tun soll, vermag die Ereignisse nicht zu begreifen,
sich keinen Überblick zu verschaffen.
-> mehr eine quälende Empfindung, weniger etwas Kognitives
-> zeigt sich in entsprechenden Äußerungen („kenne mich gar nicht mehr aus“),
staunendem, ängstlich-unsicherem oder suchend-fragendem
Gesichtsausdruck, zögernden Verhalten bis hin zum Stupor, evtl. Unruhe
Vorkommen:
• Depression
• cycloide und schizophrene Psychosen (z.B. i.R. der Denkstörung bei
gehemmter Verwirrtheitspsychose,
zusätzlich mit stumpfer Mimik bei gehemmter Kataphasie n. Leonhard)
• Organische Psychosyndrome
Ambivalenz, Ambitendenz
U.U. quälend erlebte Koexistenz widersprüchlicher
-> Gefühle: Hass und Liebe gegenüber derselben Person
-> Denkinhalte: eine Ansicht vertreten und gleichzeitig das Gegenteil dazu
-> Strebungen (Ambitendenz): essen und nicht essen wollen und dabei
in einem stuporartigen Zustand mit dem Löffel auf halbem Wege erstarren
Vorkommen:
• in schwerer Form bei schizophrenen Psychosen
(z.B. negativistische Katatonie n. Leonhard: normalerw. kein Entgegenkommen,
in freundlicher Stimmung Ambitendenz
mit vorzeitigem Abbruch z.B. einer Grußbewegung)
Leichtere Formen v.a. von Ambivalenz:
• normalpsychologischer Bereich
• anankastische Persönlichkeit: übermäßig Zweifel und Vorsicht
• Zwangsstörung
• Depression: zusammen mit Grübeln, Entschlusserschwernis
53
Antrieb
-> vom Willen weitgehend unabhängig wirkende, belebende Kraft
-> bewirkt die Bewegung aller seelischen Funktionen
hinsichtlich Tempo, Intensität und Ausdauer
-> unterhält Lebendigkeit, Schwung, Initiative, Tatkraft, Unternehmungsgeist,
Zuwendung, Aufmerksamkeit
-> als solcher schwer fassbar,
erkennbar v.a. an seinen Auswirkungen auf Aktivitätsnivau u. Psychomotorik
-> je nach Definition ist diese Kraft ungerichtet oder gerichtet
Intentionalität
Fähigkeit,
-> Zielvorstellungen für die Zukunft zu entwickeln und
-> entsprechende Handlungsstrategien entwerfen und durchhalten zu können
Wille
Fähigkeit, unter Beteiligung der Gesamtpersönlichkeit
ein bestimmtes Ziel zu intendieren
und sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu entscheiden
Willensfreiheit wichtiges Thema neuro-philosophischer Diskussion
Neurobiologisch i. Zusammenhang mit Antrieb bedeutsam:
-> zentrale Aktivationsfunktion, Arousal:
aufsteigendes retikuläres Aktivationssystem/Formatio reticularis
-> präfrontaler Cortex
(s. Dysexekutives Syndrom, Antriebshemmung bei Depression u.a.)
-> (v.a. dopaminerges) Belohnungssystem:
Nucleus accumbens, dorsales Striatum:
Stimulation bei Bedürfnisbefriedigung/durch chem. Substanzen
vermittelt Gefallen, Wohlbefinden etc.,
Blockade durch Dopaminantagonisten (Neuroleptika)
54
Antriebsminderung
-> Mangel an Energie, Initiative, Spontaneität und
Anteilnahme an der Umgebung
-> wird subjektiv vom Patienten erlebt
-> kann nach außen in einer
spärlichen spontanen Motorik bzw. Mimik,
einförmiger, wenig modulierter Sprechweise und
mangelnder Initiative im Gespräch, einsilbigen, einfallsarmen Äußerungen
und geringer Aufmerksamkeit sichtbar werden
Verwandte Begriffe:
Apathie: Gefühllosigkeit, Teilnahmslosigkeit,
Fehlen von Initiative und spontaner Aktivität
Abulie: mehr auf den Aspekt der Willensbildung
und Entschluss- /Entscheidungsfähigkeit abzielend
Antriebshemmung
-> Antriebsminderung wird vom Patienten selbst
als ein Gebremst- oder Geblocktsein erlebt
-> Pat. möchte gern, bringt es aber nicht zuwege
(wie gegen einen Widerstand
-> Wünsche und Absichten können u.U. geäußert,
aber nicht in entsprechende Handlungen umgesetzt werden
-> Intentionalität, Initiative- und Planungsfähigkeit
müssen nicht notwendigerweise eingeschränkt sein
Antriebssteigerung
-> Zunahme von Energie, Lebhaftigkeit, Unternehmungslust, Aktivität ,
Planung und Einfallsreichtum
-> von geordneter, zielgerichteter Tätigkeit über Vielgeschäftigkeit
bis hin zu ziellosem und unsinnig-desorganisiertem Verhalten
-> kann aber auch als Getrieben- und Gespanntsein
oder auch motorische Erregung imponieren
Hyperbulie:
„Überfunktion des Willens“
mit übermäßigem Tatendrang,
besonderer Ausdauer im Ertragen von Schmerzen,
aber auch bis hin zu Fanatismus/überwertigen Ideen
55
Mutismus
-> Wortkargheit, Sprechen nur weniger, geflüsterter Wort oder
Nichtsprechen aus psychischen Gründen
-> neben Antriebsstörung kommen Denkstörungen
oder aktiv-negativistisches Verweigern ursächlich in Frage
Logorrhoe
-> Pat. redet übermäßig viel infolge gesteigerten Rededrangs
-> Denken muss nicht beschleunigt oder ungeordnet sein
(häufig aber weitschweifig, ideenflüchtig oder inkohärent/zerfahren)
DD Antriebsstörungen
• Antriebsminderung: schizophrene Negativsymtomatik, organische
Psychosyndrome (charakteristischerweise dysexekutives Syndrom)
• Antriebshemmung: depressive Syndrome
• Antriebssteigerung: manische Syndrome (auch z.B. organischer
Genese), schizophrene Psychosen
56
Schizophrene Positiv- und Negativsymptome
Positivsymptome:
„Symptome, die bei Schizophrenen vorkommen, bei Gesunden nicht“
(Unspezifität einiger Symptome - nur orientierend gültig !)
• Halluzinationen
• Wahnphänomene
• („positive“) formale Denkstörungen (insbes. Zerfahrenheit)
• bizarres oder desorganisiertes Verhalten
Negativsymptome:
• Alogie (Sprachverarmung), Denkverarmung
• Affektverarmung, Anhedonie (fehlendes Freude-empfinden-können)
• Antriebslosigkeit
• Aufmerksamkeitsstörungen
Schizophrene Basisstörungen n. Huber
Uncharakteristische, meist subjektive Störungen,
die einer floriden schizophrenen Psychose lange vorausgehen können:
• erlebte Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
• geordnetes Lenken des Gedankenstroms auf ein Ziel erschwert
• Gedankendrängen
• Gedankeninterferenz (Dazwischenkommen unwichtiger Gedanken)
• Einfallsverarmung und Denkverlangsamung
• Blockierungen, „Leerstellen“ im Denken
• grübelndes, nicht abschaltbares Nachdenken über alles mögliche
• beeinträchtigtes Sprachverständnis
• Sprachliche Verarmung (Wortschatz, Präzision etc.)
• Automatismenverlust: alltägliche Handlungsabläufe nur unter max. Aufmerksamkeit
durchführbar
• erhöhtes Schlafbedürfnis, Entschlussschwäche, Kontaktstörung, Erregbarkeit
(„dynamische Defizienzen“)
• Vorstellungen von Wahrnehmungen/Erinnerungen schwer abgrenzbar
• sensorische Überwachheit/Empfindlichkeit, Veränderte Qualität von Wahrnehmungen
• Zönästhesien
• Eigenbeziehungstendenz
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Psychomotorik
Bewegungsabläufe, Haltung, Gang, Mimik, Gestik, Sprechweise,
die durch psychische Vorgänge (bes. Antrieb und Affekt) geprägt sind
gesteigert
Hyperkinese
Psychomotorik
qualitativ entstellt
Parakinesen
vermindert
Hypokinese
Hyperkinese, Hypokinese
Quantitative Abweichung der (Psycho-)Motorik in Form
-> einer Steigerung, eines Überschusses (Hyperkinese)
-> einer Verminderung, Reduktion (Hypokinese)
von
-> Spontanbewegungen
-> Ausdrucksbewegungen
-> Reaktivbewegungen
Innere bzw. motorische Unruhe, Agitiertheit
• Spektrum umfasst (selbst verspürt u./o. beobachtbar):
-> innere Unruhe, Gespanntheit, Getrieben- u. Gehetztheit
-> leeren Bewegungs- und Beschäftigungsdrang
-> ziellose, ungerichtete motorische Aktivität
(Herumlaufen, Nesteln, Bewegung der Gliedmassen usw.)
-> Erregungszustand
• Agitiertheit i.e.S.: ruheloses, unstillbares Bewegungsbedürfnis, bei
dem affektive Regungen unkontrolliert in Bewegung übergehen
• Akathisie: Sitzunruhe, nicht still sitzen können
(i.w.S. Bewegungsbedürfnis) als NW von Neuroleptika
Bei agitiert-depressiven Pat. kann
trotz gespürter innerer und erkennbarer psychomotorischer Unruhe
gleichzeitig eine schwere Antriebshemmung bestehen!
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Parakinesen
Oberbegriff für qualitativ abnorme, entstellte, verzerrte
meist komplexe Bewegungen,
meist auch Gestik, Mimik und Sprechweise betreffend
Grimmassieren, Paramimie:
Verziehungen der Gesichtsmuskulatur,
denen kein entsprechender Seelenvorgang entspricht
Manieriertheit
-> Verlust der natürlichen Harmonie des Ausdrucks
(Mimik, Gestik, Sprache)
-> Entstehung sonderbarer Gewohnheiten,
die meist in bizarren Entstellungen von sinnvollen Handlungen bestehen
-> gekünstelt wirkende Bewegungen, posenhafte Haltungen,
hochtrabend-wichtigtuerisches Verhalten,
komplizierten Zeremonien oder Rituale
-> einzelne Muster werden ggf. über Jahre gleichförmig beibehalten
Beispiel: wiederholtes Reiben der Wange, Körperdrehung bei Durchtritt durch die
Tür, Weglegen der Gabel zwischen zwei Bissen etc.
Manierierte Sprache: ausgefallene Wortwahl oder pathetischer Betonung,
oft unterstrichen durch entsprechende Gestik
Proskinesie
Pat. greift der immer von neuem hingehaltenen Hand unermüdlich entgegen,
kann durch leichten Druck gegen irgendeine Stelle des Körpers
zu aktivem Mitgehen angeregt werden
und sich so in beliebige Stellungen bringen lassen.
Durch die Aufforderung, sich nicht darauf einzulassen, lässt sich der Mechanismus
vorübergehend unterbrechen, um sich bei Ablenkung dann wieder einzustellen.
Negativismus
Der Pat.
tut ohne ersichtlichen Grund gerade das nicht, von ihm verlangt oder erwartet wird
(passiver Negativismus, „Verweigern“)
oder tut genau das Gegenteil (aktiver Negativismus)
Bsp: Beantwortung von Fragen durch Gegenfragen,
besonders festes Schließen der Augen bei Aufforderung, die Augen zu öffnen
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Stereotypien
Verbale oder motorische Entäußerungen, die oft über lange Zeiträume
ohne erkennbaren Sinn immer wieder gleich wiederholt werden,
Bewegungsstereotypien:
Gleichförmig wiederholte Bewegungen ohne äußeren Reiz:
Klopfen, Schaukeln (Iterationen), auch gleichförmiges Hin- und Hergehen
Haltungsstereotypien:
Katalepsie: Verharren in einmal eingenommenen (u.U.unnatürlichen
oder sehr unbequemen) Körperhaltungen mit Erhöhung des Muskeltonus
und/oder Willenstörung
Flexibilitas cerea: fortdauernde Muskelanspannung bei passiver
Änderung von Körperhaltung und Gliedmaßen wie bei Wachspuppen
Verbale Stereotypien (z.T. synonym: Verbigeration)
Leere Wiederholung von immer gleichen Silben, Wörtern, Floskeln, Sätzen.
Kann z.B. Jahre zur Begrüßung beibehalten werden („Gelobt sei Jesus Christus“).
Bei Aphasie: Floskel, deren Auftreten kontrolliert werden kann
Vorkommen und DD psychomotorischer Auffälligkeiten
• selbst gespürte und beobachtbare innere bzw. motorische Unruhe ist
unspezifisch und kann
bei praktisch allen psychiatrischen Krankheitsbildern vorkommen
• Hyper- und Hypokinese,
v.a. die mehr oder weniger bizarren wie Parakinesen, Manieren,
Stereotypien, Negativismus, Proskinesie und Ambitendenz
treten charakteristischerweise bei katatonen Schizophrenien auf
• Negativismus und Bewegungs-/ verbale Stereotypien
sind unspezifischer,
können auch z.B. bei organischen Psychosyndromen (Demenz)
bzw. Oligophrenie auftreten
60
Psychomotorik bei Leonhard
cycloide Motilitätspsychose:
Keine Vermengung beider Pole, Bewegungen nicht verzerrt
• erregter Pol: Generalisierte Bewegungsunruhe
mit in sich intakten Bewegungen („als-ob“ ein passender Anlass zugrunde läge):
Ausdrucks- (Winken), Reaktivbewegungen (Greifen an die Kleider),
automatisierte Abläufe (Tanzen, Springen)
• gehemmter Pol: Verlangsamung der Reaktivbewegungen,
Erstarrung der Ausdrucksbewegungen,
Willkürmotorik weniger betroffen
Periodische Katatonie:
oft Symptome aus dem jeweils anderen Pol beigemischt
• erregter Pol: Hyperkinetische Erregung mit Iterationen und Stereotypien,
Parakinesen (verzerrter Ablauf von Bewegungen, ruckartige Zwischenbewegungen),
Verlust des ursprünglichen Sinnes der Bewegungen,
Grimassieren, unmotiviertem Lachen
• gehemmter Pol: Hypo-/Akinese mit Negativismus, steifem Bewegungsablauf,
maskenhafter Mimik, bizarren Haltungen
• Residualsyndrom: Unharmonie von Reaktiv- und Ausdrucksbewegungen,
Antriebsmangel und Affektabstumpfung , Reizbarkeit
Parakinetische („faxenhafte“) Katatonie:
-> bei äußerer Anregung tritt eine Unruhe auf,
die sich aus verzerrten, eckigen, unharmonischen, einschießenden
Bewegungen aufbaut
-> an Chorea Huntington erinnernd
-> abgehackte Sprache, einschießende Äußerungen
-> sorglose Stimmung
Manierierte Katatonie:
-> zunehmende Erstarrung von Haltung, Mimik und Gestik
-> eingefahrene Bewegungsabläufe (Manieren),
können an Zwangserscheinungen erinnern:
-> Bewegungsmanieren (z.B. Betasten anderer),
Unterlassungsmanieren
(z.B. Mutismus, Nahrungsverweigerung, Stehen an der gleichen Stelle)
61
Proskinetische Katatonie:
gesteigerte Bereitschaft, Anregungen von außen nachzukommen
durch Nesteln, verbirgerierendes Murmeln, Mitgehen und Gegengreifen (Proskinesie)
Negativistische Katatonie:
-> ungenügend Zuwendung auf Ansprache, Mangel an Entgegenkommen
-> in unfreundlicher Stimmung aktives Widerstreben, Gereiztheit
-> dranghafte Erregungen auch ohne Gereiztheit,
-> impulsive, ruckartig-eckige Motorik, eigenartig verdrehte Haltung
-> Ambitendenz (in freundlicher Stimmung), Proskinesie
Verschrobenheit
-> besonders fremd und eigentümlich wirkende Eigenart
des Verhaltens und des sprachlichen Ausdrucks
-> mit Bevorzugung ausgefallener, unangemessener, v.a. abstrakter Wörter
und Wendungen, gezierter und geschraubter Redeweise
auch bei einfachen Sachverhalten
-> Mimik und Gestik wirken dabei oft bizarr, nicht einfühlbar.
Vorkommen: in o.g. Sinne typischerweise bei Schizophrenien
Begriff auch allgemein für absonderlich-eigentümliche Personen gebraucht
Verschrobene Hebephrenie n. Leonhard:
Einförmigkeit des Verhaltens
(monotones Sprechen, hypochondrisches Klagen und Querulieren
ohne tiefere affektive Betroffenheit
bei allgemeiner affektiver Verflachung und oft freudloser Stimmung),
Auch Zwangserscheinungen sind häufig.
Tics
•
unwillkürliche, rasche, wiederholte, nicht-rhythmische Bewegung
meist umschriebener Muskelgruppen (motorische Tics):
-> Blinzeln, Grimmassieren
-> Kopfwerfen, Schulterzucken
•
Lautproduktion, die plötzlich einsetzt und
keinem erkennbaren Zweck dient (vokale Tics):
-> Räuspern, Schnüffeln
 komplexe Tics:
-> Sich-selbst-schlagen
-> Ausstoß obzöner Worte (Koprolalie)
Tics werden als nicht willentlich beeinflussbar erlebt,
können aber meist eine Weile unterdrückt werden
62
Stupor
-> Erhebliche Minderung bzw. Fehlen
jeglicher körperlicher oder psychischer Aktivität.
-> trotz wachen Bewusstseins reagiert der Patient nicht
auf Versuche, mit ihm in Beziehung zu treten,
er spricht nicht (Mutismus),
die Mimik ist starr und ausdruckslos, Spontanbewegungen fehlen,
auf Schmerzreize erfolgt evtl. keine Reaktion,
er isst und trinkt nicht, es kann Inkontinenz bestehen
-> eher schlaffes oder eher gespanntes Erscheinungsbild
Vorkommen:
• depressiver Stupor
• Angst z.B. bei paranoid-halluzinatorischem Erleben
• Verwirrtheitspsychose n. Leonhard: ratloser Stupor,
betrifft v.a. Willkürbewegungen, die der Denkvorbereitung bedürfen
• Motilitätspsychose n. L. : betrifft v.a. unwillkürliche Bewegungen
(Ausdrucks- u. Reaktivbewegungen)
• Periodische Katatonie n. L.: katatoner Stupor
mit stereotypen Haltungen und stereotypen Einzelbewegungen
bei periodischer Katatonie
• Kataphasie n. L.: Stupor mit Stumpfheit
• wichtige DD: malignes neuroleptisches Syndrom
Malignes neuroleptisches Syndrom
-> Rigor, Akinese; evtl. auch Dys- oder Hyperkinesen
-> fluktuierende Bewusstseinsstörung bis zum Koma
-> Fieber, vegetative Entgleisung: Tachykardie, Hypertonus,
Hyperhidrose, Hypersalivation, Tachypnoe, Hautrötung oder Blässe
-> Labor: CK, Leukos 
-> Beginn meist 1.-2. Wo. einer Neuroleptikatherapie
-> Wichtige DD: Febrile Katatonie bzw. Stupor
63
Zentrales Serotoninsyndrom
-> Fieber
-> neuromuskuläre Symptome: Rigidität, Reflexsteigerung,
Myokloni
-> Verwirrtheit, Erregung, evtl. Euphorie
-> evtl. Übelkeit, Diarrhoe
-> bei serotonergen AD, Triptan, Kokain, Amphetaminen, Lithium, Tramadol...
Zentrales anticholinerges Syndrom
-> Verwirrtheit, Unruhe, evtl. Halluzinationen; selten Sedierung
-> Dysarthrie, Krampfanfälle möglich
-> periphere anticholinerge Symptome:
warme, rote, trockene Haut, trockene Schleimhäute
Mydriasis, Mundtrockenheit
Harnverhalt, Obstipation
Tachykardie, ggf. Rhythmusstörung
-> bei anticholinergen AD+NL, „alte“Antihistaminika, Biperiden....
64
65
Anhang: Einteilung der endogenen Psychosen nach Leonhard
Systematische Schizophrenien






Chronisch schleichender Beginn, progredienter, prognostisch ungünstiger Verlauf
Anfänglich oft Vermengung mit unspezifischen akzessorischen Symptomen (Halluzinationen, Wahnwahrnehmungen, Verstimmungszustände etc.),
später stabil mit einer jeweils scharf begrenzten Charakterisierung der einzelnen Formen im Residuum
Kombinationen zwischen zwei Formen einer Untergruppe möglich (kombinierte Hebephrenien, kombinierte Katatonien oder kombinierte Paraphrenien)
Begriffswahl („systematisch“) durch Leonhard, da sie in ihren ganz klar umschriebenen Bildern festen Ordnungen folgen
und er vermutete, dass sie auf einer Degeneration jeweils ganz bestimmter Hirn-Systeme beruhen und damit an neurologische System-Erkrankungen (z.B. ALS) erinnern
(Systematische) Hebephrenien
Leitsymptome: affektiver Abbau und Verflachung, Verlust der Initiative



Im Beginn häufig depressive, euphorische und gereizte Verstimmungen, letztere oft bis ins Defektstadium vorkommend
Verstimmungen können von Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen begleitet sein
Früher Beginn
Läppische
Hebephrenie
Verschrobene
Hebephrenie
Flache
Hebephrenie
Autistische
Hebephrenie
Affektive Abstumpfung mit heiter-zufriedener
Grundstimmung
und charakteristischem Lächeln bei jeder
Anregung
Einförmig-monotones Sprechen,
Querulieren, hypochondrisches Klagen
ohne tiefere affektive Betroffenheit
Affektive Abstumpfung
ohne Mitschwingen eines Gefühlstons
Werden von den Vorgängen der Umgebung
nicht berührt,
zeigen ein undurchdringliches Minenspiel
und leben ganz für sich
Züge, die an die „läppische Art
des normalen Pubertätsalters“ erinnern
Anfangs Verstimmungszustände (depressiv,
ängstlich, gereizt),
später Affektverflachung und ethische
Abstumpfung
Dauerzustand der sorglosen Zufriedenheit
kann durch gereizte (oder ängstliche,
euphorische) Verstimmungszustände
unterbrochen werden
Unlustig-missmutige Grundstimmung mit
affektiver Abstumpfung
wird zeitweise durch gereizt-aggressive
Verstimmungszustände unterbrochen
Beginn häufig mit Zwangserscheinungen
Verstimmungszustände können mit
Beziehungsideen oder Pseudo/Halluzinationen einhergehen
Denken etwas unzulänglich,
oft kurze, uninteressierte Antworten
Anfangs kindliche Streiche,
später ethische Abstumpfung
Anfangs euphorische und depressive
Verstimmungen,
später manchmal vorübergehende Gereiztheit
Denken verarmt,
intellektuelle Leistungen recht gut erhalten
Unzulängliches Denken:
nichtssagende, wortkarge Antworten
66
Systematische Katatonien
Leitsymptome: Störungen im Bereich der Psychomotorik und der Willenstätigkeit
Zusätzlich je nach Unterform Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Denkstörungen
Parakinetische
Katatonie
Manierierte
Katatonie
Proskinetische
Katatonie
Negativistische
Katatonie
Sprechbereite Katatonie
Sprachträge
Katatonie
Bei äußerer Anregung tritt eine
Unruhe auf, die sich
aus verzerrten Bewegungen
aufbaut
Bewegungsmanieren und
Unterlassungsmanieren,
zunehmende Erstarrung
von Haltung, Mimik und
Gestik
Gesteigerte Bereitschaft,
Anregungen von außen
nachzukommen
durch Nesteln,
verbirgerierendes Murmeln,
Mitgehen und Gegengreifen
Widerstreben,
dranghafte Erregungen
Auf jede beliebige Frage wird
vorschnell geantwortet, was dem
Pat. anscheinend zufällig in den
Sinn kam (Vorbeireden),
ansonsten Antriebsarmut
Mangel an sprachlichen
Äußerungen,
zeitweise durch sprachliche
Erregungen unterbrochen,
halluzinatorische
Abgelenktheit
Es handelt sich z. B. um
Bruchstücke von
Willkürbewegungen,
eckig ablaufende
Reaktivbewegungen,
teils verzerrte
Ausdrucksbewegungen
(Pseudoexpressivbewegungen)
Erstarrung betrifft v.a.
Ausdrucksmotorik, Haltung,
Mimik und Gestik,
Willkürmotorik weniger, diese
aber mehr und mehr durch
eingefahrene
Bewegungsabläufe
(Manieren) ersetzt
Wenden sich auf Anrede zu,
beginnen u.U. nach einer
weiteren Anregung mit
einem verbigerierenden
Murmeln, außerdem kommt
es bei Anregung zu einem
Greifen, Nesteln usw.
Ungenügend Zuwendung auf
Ansprache,
keine Antwort od. einsilbig
Je schwieriger und
gefühlsbetonter die Fragen,
desto sicherer wird an der Frage
vorbei geantwortet
Anfangs träges (oft ohne
Zusammenhang mit Frage),
später fast fehlendes
Antworten,
dann auch sonstige
Reaktionen verlangsamt
Bewegungen oft einschießend,
im Verlauf steckenbleibend,
fließendes Ineinanderspiel fehlt
(an Chorea Huntington
erinnernd)
Sprechen kann abgehacktagrammatisch sein und
von abspringenden, sinnlosen
Bemerkungen durchsetzt sein
Auch Handeln oft sprunghaft
Grundstimmung meist sorgloszufrieden,
recht schwingungsfähig
Wahn und Halluzinationen fehlen
Manieren können anfangs an
Zwangserscheinungen
erinnern
Bewegungsmanieren (z.B.
Betasten anderer)
treten zunehmend zurück,
Unterlassungsmanieren
(z.B. Mutismus,
Nahrungsverweigerung,
Stehen auf der gleichen
Stelle) werden häufiger
Gedanklich wenig gestört,
Affektregungen auch in
schweren Fällen noch
beobachtbar
Zeigen Proskinesie:
Greifen der immer von
neuem hingehaltenen Hand
unermüdlich entgegen
(durch Aufforderung nur kurz
unterbrechbar),
lassen sich durch leichten
Druck gegen irgendeine
Stelle des Körpers zu
aktivem Mitgehen anregen
Initiative sonst stark
eingeschränkt,
Affektivität flach, sorgloszufrieden,
u.U. gereizte
Verstimmungen.
Manchmal sinnvolle
Antworten,
Denkleistungen
unvollkommen, aber nicht
unlogisch
In gleichgültiger Stimmung
werden passive Bewegungen
zugelassen,
jedoch Mangel jeden
Entgegenkommens
In unfreundlicher Verfassung
und bei Drängen
aktives Widerstreben,
Gereiztheit, Aggressivität
Dranghafte Erregungen auch
ohne Gereiztheit
Antworten knapp,
oft agrammatisch,
z.B. Perseverationen
vorangegangener Inhalte,
sinnlose Redensarten, zufällige
Assoziationen, Wortneubildungen
Ohne Ansprache mutistisch,
autistisch,
Initiative, Affektivität erloschen,
steife Haltung, ausdruckslose
Mimik
Blicken (durch
Halluzinationen) abgelenkt
herum,
bewegen oft flüsternd
Lippen, zeitweise laute, u.U.
erregte Selbstgespräche
(Schimpfen mit Stimmen),
dann auch Affekt und
lebhafte Motorik
Impulsive, ruckartig-eckige
Motorik,
eigenartig verdrehte Haltung
Heftiges v.a. akustisches
Halluzinieren,
phantastischkonfabulatorische Erlebnisse
Ambitendenz (in
freundlicher Stimmung),
Proskinesie
Meist leicht nach vorn
geneigte Haltung,
erloschene Initiative
Affektivität und Initiative
vermindert,
erhaltene Triebhaftigkeit
erhebliche Denkstörung
(Inkohärenz)
Denkstörung gering
67
Systematische Paraphrenien
Leitsymptome: Wahnvorstellungen, Halluzinationen und formale Denkstörungen je nach Unterform in unterschiedlichem Ausmaß


Im Beginn können uncharakteristische akzessorische/Prozess-Symptome die genaue Diagnose erschweren:
affektive Störungen, v.a. Ängstlichkeit, (tiefere Affektschwankungen jedoch ungewöhnlich), Ratlosigkeit, Beziehungsideen usw.
Oft von Anfang an schleichender Verlauf ohne wesentliche Prozessysmptome
Phonemische
Paraphrenie
Hypochondrische
Paraphrenie
Inkohärente
Paraphrenie
Phantastische
Paraphrenie
Konfabulatorische
Paraphrenie
Expansive
Paraphrenie
Stimmen, die in einer engen
Beziehung zum Denken stehen,
gefühlsnahe sind („in den Halluz.
Kommt vor, was der Pat. denkt“)
und deren Inhalt (überwiegend
unangenehm) als lästig
empfunden wird
groteske
Leibeshalluzinationen
(„Sensationen“),
die als quälend empfunden
werden und
oft in querulatorischer Weise
beklagt werden
ausgeprägtes akustisches
Halluzinieren
und schwere Denkstörung
mit Inkohärenz und
Kontaminationen
Halluzinationen
(v.a. Leibessensationen
und szenische
mit vorherrschendem
optischen Element,
häufig grausige Dinge)
und
absurde Wahnideen,
die sich über alle
Möglichkeiten
der täglichen Erfahrung
hinwegsetzen
Erinnerungstäuschungen
(Konfabulationen) in Gestalt
zusammenhängender Erlebnisse
von phantastischem Gepräge,
die sich auf andere Länder oder
gar Sterne beziehen
(Unmittelbare Umgebung wird
richtig beurteilt)
Größenideen,
die sich inhaltlich in mäßigen
Grenzen halten,
aber nach außen hin
wichtigtuerisch „gelebt“
werden
Stimmungslage und Affektivität
wenig beeinträchtigt
Zusätzl. Stimmen, zumeist
beschimpfende,
Vorhandensein lästiger als
Inhalt (oft sinnlos)
Starkes Abgelenktsein
durch dauerndes
Halluzinieren,
Sprechen/Schimpfen mit den
Stimmen
Absurde Größenideen und
Personenverkennungen
Maßlose Größenideen in
Konfabulationen eingebaut,
getragen von einer etwas
gehobenen Stimmung
Expansive Betätigung
einförmig und ideenarm,
außerhalb davon wenig
Interesse und Initiative
Wahrnehmungsverfälschungen
(Dinge/Personen sehen immer
anders aus)
Halluzinationen und
Verfolgungswahn nur initial
Bei der Intelligenzprüfung
verschwommenes Denken
(„Herumreden ohne festes Ziel“)
Wahnideen nur i.S. eines
Erklärungswahns der
Missempfindungen
Freudlos-missmutige
Grundstimmung,
relativ gut erhaltene
Persönlichkeit
Geringe Denkstörung:
unkonzentriertes Denken
(im Gespräch schwer
fixierbar, u.U. leichte
sprachliche Entgleisungen,
Intelligenzaufgaben meist gut)
Stumpfheit und
Antriebsarmut
Wortkarges, leises
Antworten
Größenideen werden nicht
ausgelebt, Wahnideen wenig
affektiv verankert. Jedoch
keine schwere Abstumpfung
Denken kann im
Zusammenhang mit
phantastischen Ideen
verworren erscheinen,
Zwischenfragen schaffen
Klarheit. Entgleisungen bei
Intelligenzfragen
Konfabulationen haben etwas
Starres, werden immer wieder in
der gleichen Weise vorgetragen,
nur langsam durch neue ergänzt
Verfehlungen in Grammatik
und Wortbildung,
geschraubter Stil, ungenaue
Begriffsverwendung
(„vergröbertes Denken“)
Bei abstrakten Denkaufgaben
Konkretismus („bildhaftes
Denken“)
68
Unsystematische Schizophrenien





Verlaufen im Beginn zumeist stürmisch,
nehmen einen schubförmig-remittierenden Verlauf mit mehr oder weniger ausgeprägter (typischer) Defektbildung
(Schub = abgrenzbares Krankheitsintervall, das nach Remission einen Defekt hinterlässt)
Überschneidung zwischen den einzelnen Formen oder Beimengung von Symptomen cycloider Psychosen möglich
Bipolare Ausrichtung je nach Form mehr oder weniger typisch
Genetische Belastung höher als bei systematischen Schizophrenien und zykloiden Psychosen
Periodische Katatonie
Leitsymptome: Psychomotorische Erregung bzw. Hemmung
mit qualitativer Veränderung der Psychomotorik
Oft akuter Beginn, Verlauf schubförmig-remittierend,
Pole häufig im Wechsel, oft Mischung beider Pole
Residuum (i.d.R schneller nach Akinesen):
Kataphasie
Leitsymptome: Formale Denkstörung,
die über die einfache Inkohärenz/Ratlosigkeit
der Verwirrtheitspsychose hinausgeht
Kommt in einer erregten und einer gehemmten Form vor,
manchmal auch nur Defektzustand mit Denk- und
Sprachstörung ohne Rededrang oder Wortarmut
Lahmheit bis hin zur Stumpfheit
U.U. Reizbarkeit, die nicht an abnorme Ideen geknüpft ist
Unharmonische Reaktiv- und Ausdrucksbewegungen,
Bewegungen verlieren natürliche Grazie
Oft Mischung beider Pole
Verlauf schleichend-progressiv oder remittierend, manchmal
periodisch
Erregter Pol
Gehemmter Pol
Erregter Pol
Gehemmter Pol
Leitsymptome:
Hyperkinetische Erregung
mit Iterationen, Stereotypien,
Parakinesen (verzerrter
Ablauf von Bewegungen,
ruckartige Zwischenbewegungen),
Verlust des ursprünglichen
Sinnes der Bewegungen,
Grimassieren
Leitsymptome:
Akinese
mit Negativismus,
steifem Bewegungsablauf,
maskenhafter Mimik,
bizarren Haltungen
Leitsymptome:
verworrener Rededrang
(Zerfahrenheit)
Leitsymptome:
Wortkargheit
bis hin zu Mutismus
Schwere logische Störung,
einhergehend mit
Wortverwechslungen,
Wortneubildungen,
mangelnde grammatikalische
Ordnung
Neben logischen Verfehlungen
Denkhemmung,
die zur Ratlosigkeit führt
Hyperkinese bekommt durch
Beimengung akinetischer
Züge eine gewisse Starrheit
Oft deutliches Hereinwirken
des Gegenpols: z. B.
zwecklose und einförmige
Bewegung einer Extremität
trotz allgemeiner Starrheit,
bestimmte bizarre Haltungen
werden immer wieder aktiv
eingenommen oder
impulsive Handlungen
(mit Aggressivität oder
übertriebenem Lachen)
aus Bewegungsarmut heraus
Affektvolle Paraphrenie
Leitsymptome: stark affektiv verankerte Wahnideen
V.a. im Beginn affektive Schwankungen (Angst, Ekstase) mit
Eigenbeziehungen bzw. Glücksideen
und häufig Halluzinationen
Affektive Schwankungen sind häufig mit Gereiztheit verbunden
Wahnideen und Halluzinationen werden bald unlogisch und
lassen sich nicht mehr (wie bei Angst-Glücks-Psychose)
voll aus den Affekten Angst/Ekstase ableiten
Körperliche Missempfindungen haben
meist halluzinatorischen Charakter i.S. äußerer Beeinflussung
Geordnetes Verhalten, gute
Aktivität
Affektivität abgeflacht
Minenspiel verrät Stumpfheit,
oft fixierender Blick statt
Antwort
Beziehungsideen kommen
vor
Oft Systematisierung der Wahnideen
(s. Paranoia i.S. Kraepelins)
Verlauf remittierend oder schleichend
Kann in einem gereizten Beziehungssyndrom (feindselige
Umdeutung der Umgebung) stehen bleiben,
auch Dauerzustände mit ekstatischem Größenwahn
oder beiden affektiven Pole mit Verfolgungs- und Größenideen
gleichzeitig
Häufig Fortschreiten zu phantastischen Gestaltungen mit
Größenideen, Erinnerungsfälschungen, Personenverkennungen,
absurden Ideen und Halluzinationen auf allen Gebieten
Affektive Verankerung der Wahnideen bleibt immer erhalten,
außerhalb der Wahnwelt jedoch Abstumpfung möglich
Konfabulationen kommen vor
69
Zykloide Psychosen







Gewisse Ähnlichkeit in der Symptomgestaltung mit den unsystematischen Schizophrenien.
Schizophrene Erstrangsymptome nach K. Schneider in 50-60%, jedoch „differentia specifica“ gegenüber Schizophrenien bereits im Querschnitt:
„Innere Zusammenhänge“ der Aufbauelemente und Fehlen „struktureller Verformungen“ von Affektausdruck und Affekt, des Denkens, der Bewegungsimpulse und -abläufe
Ausgeprägte Neigung, nach zwei Polen gerichtet zu sein
Oft Symptome anderer zykloider Psychosen oder der MDE beigesellt
Beginn kann in jedem Lebensalter liegen, selten in höherem Alter
Meist akuter Beginn, Entwicklung d. Vollbildes in Stunden bis Tagen
Auf jeden Fall heilbar, allenfalls gewisse Einbußen der inneren Spannkraft nach wiederholten Phasen (Phase = abgrenzbares Krankheitsintervall mit Vollremission)
Motilitätspsychose
Verwirrtheitspsychose
Leitsymptome:
Hyperkinetische Bewegungsunruhe bzw. Hypo- bis Akinese
ohne qualitative Veränderung der Psychomotorik
Leitsymptome:
Beschleunigung oder Verlangsamung des Denkflusses
mit thematischer Inkohärenz
Akinesen seltener und oft länger dauernd als Hyperkinesen
Erregte und gehemmte Phasen können einander abwechseln,
nicht selten ist nur der eine Pol der Erkrankung ausgeprägt
Häufig zirkuläres Schwanken zwischen beiden Polen, jedoch
niemals gleichzeitig hyper- und akinetische Symptome
Erregte Verwirrtheitspsychosen etwas häufiger
Angst-Glücks-Psychose
Leitsymptome:
Ängstliche oder ekstatische Affektauslenkung, die sich
in abnormen Denkinhalten konkretisiert bzw. spezifiziert
und in Halluzinationen versinnlicht
Ängstliche Phasen häufiger als ekstatische
Es gibt reine Angstpsychosen, häufig aber rascher Wechsel
zwischen den Polen in einer Phase
Nicht selten leichte qualitative Bewusstseinstrübung von der Art
einer Benommenheit mit gleichmäßigem Trübungsgrad
Erregter Pol
Gehemmter Pol
Erregter Pol
Gehemmter Pol
Angstpol:
Ekstatischer Pol:
Leitsymptome: Generalisierte
Bewegungsunruhe mit in
sich intakten Bewegungen
Leitsymptome: Generalisierte
Hypo- bis Akinese
Leitsymptome: Rededrang
mit Verlust der thematischen
Kohärenz
Leitsymptome:
Denkhemmung mit
Sprachverarmung (bis zum
Mutismus) und Ratlosigkeit
Überwältigende Angst mit der
Empfindung des Bedroht- und
Ausgeliefertseins, Misstrauen
Überwältigende Beglücktheit
mit der Empfindung von
Grenzenlosigkeit, Kraft,
Weltfülle, Geborgenheit usw.
Bewegungen umfassen:
Ausdrucks- (Winken),
Reaktivbewegungen (Greifen
an die Kleider),
automatisierte Abläufe
(Tanzen, Springen)
Aussehen „als-ob“
ein passender Anlass
zugrunde läge
oft stumme Hyperkinese,
manchmal unartikulierte Laute
zusammenhanglose Sätze,
evtl. inkohärenter Rededrang
Rein psychomotorische
Hemmung:
Verlangsamung der
Reaktivbewegungen,
Erstarrung der
Ausdrucksbewegungen,
Willkürmotorik weniger
betroffen
Muskeltonus schlaff oder
(häufiger) hyperton
(Flexibilitas cerea),
keine ausgeprägte Katalepsie
bzw. Negativismus
Akinese kann bis zum Stupor
gehen
„Thematische Inkohärenz“
ohne Ablenkbarkeit durch die
Umgebung:
thematisches Danebentreten
bei Antworten
Themenkreise
zusammenhanglos, aber
in sich jeweils geordnet
Personenverkennungen,
Beziehungsideen
evtl. Halluzinationen
mäßige psychomotorische
Unruhe
allerlei unsinnige Handlungen
Rarefizierung der einzelnen
Gedanken
(„Gedankentröpfeln“) mit
Sperrungen und
Gedankenleere
Verlust der
Bedeutungserfassung und
thematische Inkohärenz
Entsprechende Ideen:
Bedrohung, Verfolgung,
Vernichtung
Affektkongruente
Halluzinationen,
Zoenaesthesien,
illusionäre Verkennungen
keine manische
Vielgeschäftigkeit
Entsprechende Ideen:
Beglückung, Berufung,
Erlösung anderer
Halluzinationen, die meist
Eingebungs- und
Berufungscharakter haben
Ratlosigkeit bis zum Stupor
Bedeutungs- und
Beziehungsideen
70
Monopolare affektive Psychosen



Treten in jeweils fest umschriebenen, stabilen Symptomenkonstellationen auf
Jede Phase (= abgrenzbares Krankheitsintervall mit Vollremission) zeigt monomorph das gleiche klinische Bild
Keine Auslenkung zum Gegenpol bzw. kein „Durchscheinen“ des entsprechenden Gegenpols innerhalb einer Phase
Reine Depressionen bzw. Euphorien
Reine Melancholien bzw. Manien
Veränderung jeweils nur einer bestimmten Schicht der affektiven Sphäre;
Antrieb, Psychomotorik und Denkablauf unbeeinträchtigt
Melancholisches bzw. manisches Grundsyndrom
in vollständiger Ausprägung
Einer bestimmten depressiven Unterform kann jeweils eine
Unterform gegenübergestellt werden,
bei der die gleiche Gefühlsschicht erkrankt ist
(nicht beim gleichen Pat. beides vorkommend!)
Melancholisches Grundsyndrom:
Manisches Grundsyndrom:
Gedrückte Stimmung,
Lebensüberdruß, Insuffizienzgefühle
Gehobene (euphorische) Stimmung,
die leicht in Gereiztheit übergeht
Denkhemmung mit Antwortlatenz
Ideenflucht und Rededrang
Psychomotorische Hemmung
Psychomotorische Erregung
Antriebshemmung,
Interessenverarmung,
Entschlusserschwernis
Antriebssteigerung,
Vielgeschäftigkeit, Kurzschlüssigkeit
Einzelformen s.u.
euphorische
Depressive Ideenbildung
(Bipolare)
Manisch-depressive
Erkrankung
Manisches oder melancholisches
Grundsyndrom abgewandelt sein:
Labilität des Affekts
mit häufigen Schwankungen und
Affektwechseln:
z.B. lassen sich Depressive durch
ermunternde Gespräche kurzfristig
aus der Verstimmung herausführen
Elemente des Gegenpols können
modifizierend durchscheinen:
(intrasyndromale Bipolarität),
bis zum Mischzustand
Atypische Gestaltungen, die an
zykloide Psychosen anklingen
(z.B. verworrene Manie, stuporöse
Depression, heftige Angst)
Teilzustände (unvollständige
Ausprägung des Grundsyndroms)
Genetische Belastung höher als bei
monopolaren Formen
71
Reine Depressionen und Euphorien (Einzelformen)
Einer bestimmten depressiven Unterform kann jeweils eine euphorische Unterform gegenübergestellt werden, bei der die gleiche Gefühlsschicht erkrankt ist
(nicht beim gleichen Pat. beides vorkommend!)
Gehetzte Depression
Hypochondr. Depression
Selbstquäler. Depression
Argwöhnische Depression
Teilnahmsarme Depression
Leitsymptome: Ständige Unruhe
i.S. einer ängstlich-gequälten
Gehetztheit,
einförmiges, nachhaltiges Klagen
Leitsymptome:
Eigenartige körperliche
Missempfindungen,
die immer als krankhaft gewertet
werden,
Entfremdungserlebnisse
Leitsymptome: Maßlose Ideen
(Selbstvorwürfe, Selbstentwertung,
Angst um sich und v.a. Angehörige),
unter deren Äußerung sich die
Patienten in eine Erregung
hineinsteigern
Leitsymptome: Vorgänge in der
Umgebung werden auf dem Boden
depressiver Gefühle i.S. von
Beziehungsideen missgedeutet
Leitsymptome:
Gedrückte Stimmung,
begleitet von geklagter Gefühls- (v.a.
Mitgefühl) und Willensverarmung
Hypochondrische Befürchtungen
um das körperliche Wohl können
vorkommen, sind aber nicht
Diagnose weisend
Aus dem ansonsten apathischruhigen Verhalten kann jederzeit eine
Erregung werden, wenn die Ideen zur
Sprache kommen
Aus den Vorgängen der Umgebung
entnehmen die Pat. Hinweise dafür,
dass sie für minderwertig oder sündig
gehalten werden oder ihnen etwas
Schlimmes bevorsteht
Teilnahmsarmut subjektiv mehr
empfunden (und oft eindringlich
beklagt) als objektiv erkennbar
Ohne äußere Anregung meist
gewisse Inititativverarmung
Verwechslung auch mit der
Angstpsychose möglich, dort jedoch
tiefere Angst und mehr ängstliche
Erregung/Erstarrung
Selbstvorwürfe wegen der
Teilnahmsarmut kommen vor
Angst oft inhaltslos,
manchmal Angstvorstellungen,
Versündigungsideen und
hypochondrische Ideen
Im Klagen schwer zu unterbrechen
und abzulenken,
kann querulatorisch wirken
Stimmung gequält, Klagsamkeit, aber
geringer als bei gehetzter D.
Hohe Suicidgefährdung
Entfremdungserlebnisse v.a. in der
körperlichen Sphäre:
Leib innerlich verändert, Körperteil
nicht mehr gespürt, Wahrnehmungen
und Vorstellungen abgeschwächt
usw.
Relativ hohe Suicidneigung
Entfremdungsgefühle kommen vor
(„nicht mehr die gleichen Menschen
wie früher, da jedes Gefühl verloren“)
Tiefe der Depression geringer als bei
anderen reinen Depressionen
Unproduktive Euphorie
Hypochondrische Euphorie
Schwärmerische Euphorie
Konfabulator. Euphorie
Teilnahmsarme Euphorie
Inhaltslose Freudigkeit, ruhige
Zufriedenheit,
die aus einer mehr körperlichen
Gefühlsschicht zu stammen scheinen
Häufigste reine Euphorie
Oft maßlose Ideen der
Selbsterhöhung und Beglückung
anderer beherrschen das Bild
Phantastische Erzählungen freudigselbsterhöhenden oder
sensationellen Inhalts
bei mäßig gehobener Stimmungslage
Sehr selten,
Vorkommen eher aufgrund
theoretischer Überlegung
Wenig Betätigungsdrang
Spärlich kommen abnorme Ideen i.S.
einer Selbsterhöhung oder
Beglückung vor
Eigenartige körperliche
Missempfindungen, die immer als
krankhaft angesehen und mit
Leidendruck lebhaft geklagt werden
Grundstimmung jedoch auch
subjektiv euphorisch gehoben
Wenn die Ideen zur Sprache
kommen mächtiges Ansteigen des
Gefühls (ins Schwärmerische bis
Ekstatische)
Bei gleichgültigen Themen bleibt
etwas feierlich Gehobenes
Erinnerungsfälschungen
(Konfabulationen) von flüssigem,
wenig festgelegten Charakter
mischen sich mit Einfällen und Ideen,
die keinen Erlebnischarakter haben
Subjektiv empfundene und auch
objektiv erkennbare Gefühls- und
Willensabschwächung bei
euphorischer Stimmungslage
Ideen u.U. als von höheren Mächten
eingegeben geschildert
72
Literaturauswahl
Althaus, Pfuhlmann, Franzek: Die affektvolle und die expansive Paraphrenie,
Krankenhauspsychiatrie 2001, 12: 7-11
Althaus, Pfuhlmann, Franzek: Die argwöhnische Depression, psycho 2001, 27: 86-92
Das AMDP-System: Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde, 7. Aufl., Hogrefe 2000
Binswanger: Über Ideenflucht, Art. Institut Orell Füssli 1933
Binswanger: Schizophrenie, Neske 1957
Binswanger: Melancholie und Manie, Neske 1957
Blankenburg: Phänomenologie als Grundlagendisziplin der Psychiatrie, Fundamenta Psychiatrica
1991, 5: 92-101
Blankenburg: Der Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit (Ein Beitrag zur Psychopathologie
symptomarmer Schizophrenien), Enke 1971
Birbaumer, Schmidt: Biologische Psychologie, Springer 2003
Bürgy: Zwangsstörung und Schizophrenie, Nervenarzt 2005, 76: 1370 ff
Ciompi: Die emotionalen Grundlagen des Denkens, Vandenhoeck und Ruprecht 1997
Conrad: Die beginnende Schizophrenie, Thieme
Damasio: Descartes´ Error, C.P Putnam´s Son, New York 1994
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Wiesbeck (Hrsg.): Bipolare Störungen – Psychopathologie, Diagnostik und Therapie, LinguaMed
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Weitere Literatur beim Verfasser
74
Inhaltsverzeichnis
Symptom, Syndrom, Nosos
Entitäten oder Konzepte ?
Was ist Bewusstsein ?
Quantitative und qualitative Bewusstseinsstörungen
Störungen der Vigilanz
Akute organische Psychosyndrome
Verwirrtheit und delirantes Syndrom
Aphasien
Orientierung
Aufmerksamkeit und Konzentration
Auffassung
Dysexekutives Syndrom
Mnestische Funktionen
Amnestisches Syndrom
Dementielles Syndrom
Konfabulationen
Pseudologie
Mnestische Funktionen: weitere Phänomene
Apraxien
Chronische organische Psychosyndrome
Phasische Psychosen n. Leonhard
Schizophrene Psychosen n. Leonhard
Formale Denkstörungen
Verlangsamtes, gehemmtes, verarmtes Denken
Sperrung, Gedankenabreißen
Weitschweifiges, eingeengtes Denken, Perseveration
Grübeln
Gedankendrängen
Übersicht: Ideenflucht, Inkohärenz, Zerfahrenheit
Ideenflucht
Inkohärenz, Zerfahrenheit
Formale Denkstörungen-weitere Phänomene
Inkohärenz etc. bei Leonhard
Unklares Denken
Konkretismus
Vorbeireden, Danebenreden
Kognitiver Stil bei Hysterie
Kritik- und Urteilsschwäche
Zwang
Wahn und abnorme Ideen
Wahnphänomene
Themen abnormer Denkinhalte
Wahn und Ideenbildung bei Leonhard
Angst
Körperliche Beschwerden
Hypochondrie, Dysmorphophobie, Eigengeruchsparanoia
Somatoforme Beschwerden
Vitalgefühle
Zoenaesthesien
Halluzinationen
Halluzinationen bei Leonhard
Pseudohalluzinationen, Illusionäre Verkennungen
Personenverkennungen
Entfremdungserlebnisse
Ich-Störungen
Schizophrene Erstrangsymptome
Gestörter Perspektivwechsel bei Wahn, Halluzinationen, Ich-st.
Affektivität
Qualitäten von Stimmung, Affekt, Begegnungsweise
Selbst- und Fremdwertgefühle
2
2
3
3
3
5
5
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48
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Depressives Syndrom
Manisches Syndrom
Affektverarmung, Affektverflachung
Gefühl der Gefühllosigkeit
Läppisch Sein
Parathymie
Wechselnde u./o. rasch anspringende Affekte
Affektivität und Verhalten bei Hysterie
Ratlosigkeit
Ambivalenz, Ambitendenz
Antrieb
Antriebsminderung
Antriebshemmung
Antriebssteigerung
Mutismus und Logorrhoe
DD Antriebsstörungen
Schizophrene Positiv- und Negativsymptomatik
Schizophrene Basisstörungen
Psychomotorik
Hypo- und Hyperkinese
Innere u. motorische Unruhe, Agitiertheit
Parakinesen
Manieriertheit
Proskinesie und Negativismus
Stereotypien
Vorkommen und DD psychomotror. Auffälligkeiten
Psychomotorik bei Leonhard
Verschrobenheit
Tics
Stupor
Malignes Neuroleptisches Syndrom
Zentrales Serotoninsyndrom
Zentrales Anticholinerges Syndrom
49
49
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Anhang: Einteilung der endogenen Psychosen nach Leonhard
66
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
76
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