Klartext - BAG Selbsthilfe

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Gesund
Gesundheit
Gesundheitskompetenz
Der Beitrag der Gesundheitsselbsthilfe zur Bürgerorientierung
Der Begriff Gesundheitskompetenz ist zurzeit in aller Munde. Doch niemand
hinterfragt, was es damit im Einzelnen eigentlich auf sich hat. Nach der Definition der
WHO versteht man unter Gesundheit einen Zustand des vollständigen körperlichen,
geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder
Gebrechen. Eine andere Definition des Gesundheitsbegriffs hebt hervor, dass
Gesundheit der Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person ist,
wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer
Entwicklung im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den
jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet. Es gibt folglich verschiedene
Ebenen des Gesundheitsbegriffs. So werden die körperliche, die geistig-seelische und
die soziale Ebene unterschieden. Auch in der Selbsthilfe wird Wert darauf gelegt, dass
für die Gesundheit die Aspekte des psychisch-seelischen Gelichgewichtes und die
sogenannten Kontextfaktoren, d.h. das soziale Umfeld des Menschen, unverzichtbar
für das Wohlergehen der betroffenen Menschen sind. Gesundheit ist somit mehr als ein
Zustand. Denn mit dem Streben nach Gesundheit ist immer auch eine Zielorientierung
verbunden.
Gesundheit bedeutet auch Handlungsorientierung
Die genannten Definitionen verdeutlichen es bereits. Das Streben nach Gesundheit, wie
beispielsweise die Wiedererlangung von Körperfunktionen und die Reduktion von
Schmerzen, sind Ziele des menschlichen Handelns. Der Gesundheitsbegriff ist also sehr eng
mit der Handlungsorientierung des Menschen verbunden. Denn hier geht es um das „sich
Gesunderhalten“ oder das „Gesundwerden“. Nur durch diese Handlungsorientierung wird
deutlich, dass es jeweils um bewusste Entscheidungen des Betroffenen geht. Sie lässt es
zu, einerseits von Risikofaktoren für die Gesundheit sprechen zu können, andererseits mit
dem salutogenetischen Ansatz fragen zu können, welche Faktoren denn besonders
förderlich für die Gesundheit sind. Die Handlungsorientierung – also die bewusste
Entscheidung des Menschen – ist aber auch die Grundlage des aktuell so viel diskutierten
Begriffs der Gesundheitskompetenz.
Informationsgrundlage und Handlungsspielraum sind Grundvoraussetzungen für
Gesundheitskompetenz
Der Begriff Gesundheitskompetenz wird von der Hypothese getragen, dass jeder etwas tun
kann, damit die Gesundheit erhalten oder wiedergewonnen wird. Hierauf basierend kann
die Definition von Gesundheitskompetenz lauten, dass es sich um die Fähigkeit des
Einzelnen handelt, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf seine
Gesundheit auswirken. In der Fachdiskussion untergliedert man allerdings noch spezieller.
Hier wird zum einen die Fähigkeit vorausgesetzt, gesundheitsrelevante Entscheidungen
treffen zu können und zum anderen die Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit, solche
Entscheidungen treffen zu dürfen. So wie auch die Handlungskompetenz vorhanden sein
muss, auf der Basis von Wissen solche Entscheidungen tatsächlich im alltäglichen Leben
treffen zu können. Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, sich überhaupt
gesundheitsbewusst verhalten zu wollen. Gesundheitskompetentes Verhalten kann also nur
stattfinden, wenn den Menschen eine hinreichende Informationsgrundlage und die
Fähigkeit gegeben sind, gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen zu können.
Handlungsspielräume, um selbst entscheiden zu dürfen, Wissen sowie ein persönlicher
Bezug des Betroffenen zum Thema Gesundheit sind ebenfalls Grundvoraussetzungen.
Selbsthilfe ist „interaktive Gesundheitskompetenz“
Die genannten Aspekte des Begriffs „Gesundheitskompetenz“ reichen aber nicht aus, um
dieses Phänomen vollständig zu beschreiben. Zu Recht wird nämlich kritisiert, dass eine
rein entscheidungsorientierte Betrachtungsweise den Menschen nur als Individuum sieht.
Aspekte des sozialen und kulturellen Lebens gehören aber genauso zu einem
gesundheitsfördernden Verhalten wie rein wissensbasierte Komponenten. Für die
Kompetenzgewinnung ist daher nicht nur die individuelle Situation des Einzelnen von
maßgeblicher Bedeutung, sondern auch kollektive Aspekte, wie kulturelle Hintergründe,
die familiäre Situation oder religiöse Vorstellungen.
Ein Aspekt der Gewinnung von Gesundheitskompetenz ist das Zusammenwirken von
Menschen in Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen. Das
Selbsthilfeprinzip ist getragen von der gegenseitigen Unterstützung und Begleitung im
Umgang mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen im alltäglichen Leben.
Dieser Umgang besteht aus einer lebensweltlichen handlungsorientierten Vorgehensweise,
bei der Aspekte des sich Gesunderhaltens und -werdens im Zentrum des Zusammenwirkens
stehen.
Schon diese Überlegung zeigt, dass die gesundheitliche Selbsthilfe ein zentraler Baustein
bei der Stärkung der individuellen Gesundheitskompetenz ist, dass sie aber auch kollektive
Gesundheitskompetenz schafft. In den fachlichen Diskussionen wird Letzteres unter
anderem mit dem Begriff „interaktive Gesundheitskompetenz“ beschrieben. Dabei geht es
um die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu sammeln und dieses Know-how in der
Interaktion, also im Umgang mit anderen, auch anzuwenden. Es ist somit festzuhalten,
dass die Arbeit der Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen
in Deutschland eine zentrale Rolle bei der Vermittlung und Schaffung interaktiver
Gesundheitskompetenz ist.
Selbsthilfe schult das Gesundheitssystem und stärkt die Bürgerorientierung
Selbsthilfe erhöht auch die Kompetenzgewinnung im Gesundheitssystem. Denn deren
Beratungsangebote, Publikationen und Aktivitäten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und
Bewusstseinsbildung sind eine wichtige Grundlage zur Verbesserung der
Gesundheitskompetenz im Gesundheitswesen. Geht es um die Einbindung von
Betroffenenkompetenz durch die Beteiligung von SelbsthilfevertreterInnen an
Entscheidungsfindungsprozessen im Gesundheitswesen, dann erhöht deren
Gesundheitskompetenz zugleich auch das kompetente Entscheiden der Gremien, in denen
die SelbsthilfevertreterInnen mitwirken. Vor diesem Hintergrund sind die Angebote der
Selbsthilfe und das Mitwirken von SelbsthilfevertreterInnen in Gremien des
Gesundheitswesens auch ein wesentliches Element zur Stärkung der Bürgerorientierung.
Es ist daher in den kommenden Wochen und Monaten für die Selbsthilfeorganisationen
chronisch kranker und behinderter Menschen wichtig, auch in der Fachöffentlichkeit zu
verdeutlichen, dass die Diskussionen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz nicht an der
Selbsthilfe vorbeilaufen dürfen, sondern dass die Selbsthilfe ein zentraler Akteur bei der
Stärkung von Gesundheitskompetenz ist.
Der Autor
Dr. Martin Danner
ist Bundesgeschäftsführer
der BAG SELBSTHILFE.
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