Word-Datei - beim Niederösterreichischen Landtag

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Landtag von NÖ, X. Gesetzgebungsperiode
II. Session
7. Sitzung am 4. Dezember 1974
INHALT:
1. Eröffnung durch Präsident Dipl. Ing. Robl (Seite 277).
2. Abwesenheitsanzeige (Seite 227).
3. Verlesung des Einlaufes (Seite 227).
4. Verhandlung:
Antrag des Kommunalausschusses über die Regierungsvorlage, betreffend den
Landesverfassungsgesetzentwurf über die Änderung der Nö. Gemeindewahlordnung. Berichterstatter:
Abg. Graf (Seite 227); Abstimmung (Seite 229).
Voranschlag des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975, Spezialdebatte zu Gruppe 0
(Fortsetzung). Redner: Landeshauptmannstellvertreter Czettel (Seite 229), Abg. Pospischil (Seite
235), Abg. Buchinger (Seite 237), Landeshauptmannstellvertreter Ludwig (Seite 239),
Landeshauptmann Maurer (Seite 241); Abstimmung (Seite 244).
Spezialdebatte zu Gruppe 1. Berichterstatter: Abg. Reischer (Seite 245); Abstimmung (Seite 245).
Spezialdebatte zu Gruppe 2. Berichterstatter: Abg. Reischer (Seite 245); Redner: Abg. Kosler mit 3
Resolutionsanträgen (Seite 245), Abg. Schober (Seite 249), Abg. Lechner mit 2 Resolutionsanträgen
(Seite 253), Abg. Baueregger mit Resolutionsantrag (Seite 257), Abg. Jirkovsky mit Resolutionsantrag
(Seite 260), Abg. Prokop mit Resolutionsantrag (Seite 261), Abg. Kosler (Seite 263), Landesrat
Grünzweig (Seite 264); Abstimmung (Seite 267).
Spezialdebatte zu Gruppe 3. Berichterstatter: Abg. Reischer (Seite 267); Redner: Abg. Wiesmayr
(Seite 268), Abg. Prof. Wallner mit Resolutionsantrag (Seite 270), Abg. Sulzer (Seite 279), Abg.
Zimper (Seite 282), Abg. Wedl (Seite 286), Abg. Rabl (Seite 290), Abg. Bernkopf (Seite 292), Abg.
Stangl mit Resolutionsantrag (Seite 294), Landesrat Grünzweig (Seite 298); Abstimmung (Seite 302).
Spezialdebatte zu Gruppe 4. Berichterstatter: Abg. Reischer (Seite 302); Redner: Abg. Tribaumer mit
Resolutionsantrag (Seite 302), Abg. Romeder (Seite 306), Abg. Bieder (Seite 309), Abg. Buchleitner
mit 3 Resolutionsanträgen (Seite 310).
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL (um 9.00 Uhr): Ich eröffne die Sitzung. Das Protokoll der letzten
Sitzung ist geschäftsordnungsmäßig aufgelegen. Das Protokoll ist unbeanstandet geblieben und als
genehmigt zu betrachten. Von der heutigen Sitzung hat sich die Frau Abgeordnete Kirchmair
entschuldigt. Ich ersuche um Verlesung des Einlaufes.
SCHRIFTFÜHRER (liest):
Ltg.-88 - Vorlage der Landesregierung, Abteilung II/2 - 61/38 vom 3. Dezember 1974, betreffend den
Gesetzentwurf über Anlagen zum Abstellen von Fahrzeugen (Nö. Garagenordnung).
Ltg.-89 - Vorlage der Landesregierung, Abteilung II/2 - 850/42 vom 3. Dezember 1974, betreffend den
Gesetzentwurf über die Lagerung und Verwendung von brennbaren Flüssigkeiten (Nö.
Mineralölordnung).
Ltg.-87 - Vorlage der Landesregierung, Abteilung II/l - 4295/26 vom 3. Dezember 1974, betreffend den
Gesetzentwurf, mit dem die Wahlordnung für Statutarstädte - StWO. geändert wird.
Ltg.-90 - Vorlage der Landesregierung, Abteilung B/11 - 82/32 vom 3. Dezember 1974, betreffend
Sonderbauprogramm für die Verkehrserschließung ländlicher Gebiete.
Ltg.-86 - Vorlage der Landesregierung, Abteilung I/P - 28/31-I vom 3. Dezember 1974, betreffend den
Gesetzentwurf, mit dem die Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 geändert wird (DPL-Novelle
1974).
Ltg.-91 - Vorlage der Landesregierung Abteilung V/2 - 2658/13 vom 3. Dezember 1974, betreffend 2.
Zinsenzuschußaktion für INVEST-Darlehen.
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL (nach Zuweisung des Einlaufes an die zuständigen Ausschüsse): Wir
gelangen zur Beratung der Tagesordnung. Ich ersuche den Abg. Graf, die Verhandlung zur Zahl 58
einzuleiten.
Berichterstatter Abg. GRAF: Hoher Landtag! Die Vorlage betrifft die Änderung der Nö.
Gemeindewahlordnung. Vom Bund wurde ein Entwurf zur Abänderung des Artikels 26 der
Bundesverfassung und ein Entwurf zur Abänderung der Nationalratswahlordnung zur Begutachtung
versendet. Diese Entwürfe sehen im wesentlichen drei Abänderungen des Wahlrechtes vor.
1. Die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes soll nicht mehr wie bisher an die Erreichung
eines bestimmten Lebensalters bis zum
1. Jänner des Wahljahres, sondern direkt an die Erreichung des Alters zum Zeitpunkt der Wahl
geknüpft werden.
2. Die Berechtigung, das Wahlrecht in „besonderen“ Wahlsprengeln auszuüben, soll erweitert werden.
3. Die Wahlausschließungsgründe sollen an das neue Strafgesetzbuch angepaßt werden.
Da mit dem Inkrafttreten der im Entwurf vorliegenden Gesetzesänderungen vor der nächsten
allgemeinen Gemeinderatswahl in Niederösterreich zu rechnen ist, würden die Bedingungen des
aktiven und passiven Wahlrechtes nach der Nö. Gemeindewahlordnung enger gezogen sein als nach
der Nationalratswahlordnung. Es ist daher erforderlich, schon jetzt eine Abänderung der
Gemeindewahlordnung vorzunehmen, die den Intentionen der erwähnten
Bundesverfassungsgesetznovelle und der Novelle zur Nationalratswahlordnung Rechnung trägt. Mit
dieser Gesetzesänderung kann deshalb nicht bis zum Eintreten der neuen bundesgesetzlichen
Vorschriften zugewartet werden, da die Gemeindewahlordnung noch rechtzeitig vor den im Frühjahr
stattfindenden allgemeinen Gemeinderatswahlen wiederverlautbart werden soll.
Es folgen dann in der Vorlage die Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen und der
Gesetzestext. Dazu hat der Kommunalausschuß folgenden Bericht vorgelegt:
Der Kommunalausschuß hat sich in seiner Sitzung am 29. November 1974 mit der Vorlage der
Landesregierung, II/1-2012/76-1974, betreffend den Entwurf eines Verfassungsgesetzes, mit dem die
Nö. Gemeindewahlordnung geändert wird, beschäftigt und hierbei folgenden Beschluß gefaßt:
Im Gesetzesentwurf werden folgende Änderungen vorgenommen:
1. Vor der Ziffer 1 ist eine neue Ziffer 1 a einzufügen, diese hat zu lauten:
„1 a. Artikel I Absatz 4 hat zu lauten: Die Wahlausschreibung ist mit Angabe der Zahl der in der
Gemeinde zu wählenden Mitglieder des Gemeinderates vom Bürgermeister ortsüblich, jedenfalls aber
durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Gleichzeitig mit der Wahlausschreibung sind auch
der 18. Abschnitt über strafbare Handlungen bei Wahlen und Volksabstimmungen die §§ 284 und 285
des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974, durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen.“
2. Die Ziffer 1 hat zu lauten:
„1. § 1 Abs. 1 hat zu lauten: (1) Wahlberechtigt ist jeder österreichische Staatsbürger ohne
Unterschied des Geschlechtes, der vor dem 1 . Jänner der Jahres, das dem Wahltag folgt, das 19.
Lebensjahr vollendet hat, am Tag der Verlautbarung der Wahlausschreibung in der Gemeinde seinein
ordentlichen Wohnsitz besitzt und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen ist.“
3. Die Ziffer 3 hat zu lauten:
„3. § 4 hat zu lauten: Wählbar ist ohne Unterschied des Geschlechtes jeder Wahlberechtigte, der vor
dem 1. Jänner des Jahres, das dem Wahltag folgt, das 21. Lebensjahr vollendet hat.“
4 . Die Ziffer 4 hat zu lauten:
„4. § 5 a hat zu lauten:
(1) Wahlberechtigte, die im Besitze einer Wahlkarte sind, können ihr Wahlrecht innerhalb der
Gemeinde, in der sie ihren ordentlichen Wohnsitz haben, auch außerhalb des Wahlsprengels
ausüben, in dessen Wählerverzeichnis sie eingetragen sind.
(2) Wahlberechtigte, die sich voraussichtlich am Wahltag in einem anderen Wahlsprengel als dem
ihrer Eintragung in das Wählerverzeichnis aufhalten werden und deshalb ihr Wahlrecht in diesem
Wahlsprengel nicht ausüben könnten, haben Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte.“
5. Vor der Ziffer 5 ist eine neue Ziffer 5 a einzufügen, diese hat zu lauten:
„5 a : § 5 b hat zu lauten:
(1) Die Ausstellung der Wahlkarte ist beim Gemeindeamt spätestens am dritten Tage vor dem
Wahltage mündlich oder schriftlich zu beantragen. Beim mündlichen Antrag ist die Identität durch ein
Dokument nachzuweisen, beim schriftlichen Antrag kann die Identität auch auf andere Art glaubhaft
gemacht werden.
(2) Über den Antrag entscheidet der Bürgermeister. Gegen die Verweigerung der Wahlkarte steht kein
Rechtsmittel zu.
(3) Die Ausstellung der Wahlkarte, für die das in der Anlage 1, Muster 4, ersichtliche Formular zu
verwenden ist, ist im Wählerverzeichnis in der Rubrik Anmerkung bei dem betreffenden Wähler mit
dem Worte „Wahlkarte“ in ausführlicher Weise vorzumerken.
(4) Duplikate für abhanden gekommene oder unbrauchbar gewordene Wahlkarten dürfen in keinem
Fall ausgefolgt werden.“
6. In der Ziffer 6 hat im § 31 b Absatz 1 die Wortfolge „Um den in öffentlichen oder privaten Heil-,
Pflege-, Kur- und Fürsorgeanstalten“ zu lauten:
„Um den in öffentlichen oder privaten Heil-, Pflege- und Kuranstalten, in Sozialhilfeeinrichtungen.“
7. Nach Maßgabe der beantragten Änderungen ist in Anlage 1 zur Nö. Gemeindewahlordnung
richtigzustellen.
Im Namen des Kommunalausschusses erlaube ich mir, zur Vorlage der Landesregierung, betreffend
den Landesverfassungsgesetzentwurf über die Änderung der Nö. Gemeindewahlordnung, folgenden
Antrag zu stellen:
„Der Hohe Landtag wolle beschließen:
1. Der vorliegende Landesverfassungsgesetzentwurf über die Änderung der Nö.
Gemeindewahlordnung wird in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung genehmigt.
2. Die Landesregierung wird aufgefordert, das zur Durchführung dieses
Landesverfassungsgesetzesbeschlusses Erforderliche zu veranlassen.“
Ich bitte um Durchführung der Debatte und Abstimmung.
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Zum Wort ist niemand gemeldet. Wir kommen zur Abstimmung.
(Nach Abstimmung über den vorliegenden Wortlaut des Gesetzes sowie über den Antrag des
Kommunalausschusses): Angenommen. Ich stelle fest, daß das Landesverfassungsgesetz von mehr
als der Hälfte der Mitglieder des Landtages und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln aller
abgegebenen Stimmen beschlossen wurde.
Wir setzen die Verhandlungen zum Voranschlag des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975 mit
der Gruppe 0 fort. Zum Wort gemeldet ist der Herr Landeshauptmannstellvertreter Czettel. Ich erteile
es ihm.
LANDESHAUPTMANNSTELLVERTRETER CZETTEL: Hoher Landtag! Meine Damen und Herren!
Wie in den vergangenen Jahren haben sich erfreulicherweise auch heuer wieder die meisten Redner
am Beginn der Budgetdebatte mit Problemen der Kommunalpolitik, insbesondere mit jenen, die sich
aus der finanziellen Situation ergeben, beschäftigt. Gestatten Sie mir, daß ich wenigstens
grundsätzlich zu diesen aufgeworfenen Fragen ein paar Bemerkungen mache.
Damit wir aber den Blick für die entscheidenden Fakten bewahren, möchte ich eingangs darauf
hinweisen, daß offensichtlich der Aufstieg Niederösterreichs während der letzten Jahre oder
Jahrzehnte in entscheidendem Maße dadurch charakterisiert erscheint, daß es ein Aufbruch der
Gemeinden gewesen ist. Ich möchte dabei festhalten, daß meiner Meinung nach drei Faktoren
entscheidend für diesen Aufstieg sind. Erstens einmal die relativ langwährende Hochkonjunktur, die
allgemein in einer relativ sicheren wirtschaftlichen Situation zum Ausdruck kommt. Zweitens der durch
die Gemeindereform Summa summarum erwirkte Leistungsanstieg und Leistungshunger unserer
Gemeinden, verbunden mit dem Ehrgeiz, vieles, was nachzuholen war, nun nachholen zu wollen; das
ist sowohl psychologisch und politisch als auch finanziell begründet, weil die größer gewordenen
Gemeinden nachweislich auch finanziell stärker geworden sind. Drittens die Tatsache, daß sowohl
das Land als auch der Bund in den letzten Jahren eine Reihe von Förderungsmaßnahmen eingeleitet
und verwirklicht haben, die tatsächlich diesen Hunger zu befriedigen in der Lage gewesen sind.
Ich gebe zu, daß bei dieser Tendenz viele Gemeinden schlechthin nicht in der Lage gewesen sind,
abzuschätzen, wie weit der mit diesem Leistungswillen verbundene Vorgriff auf die Zukunft vertretbar
erscheint. Ich gebe auch zu, daß die Preisentwicklung in den letzten Jahren manche Disposition der
Gemeinden von vornherein unsicher gemacht hat. Das wollte ich nur feststellen, weil ich glaube, daß
wir zur Problematik der Verschuldung zwei Antworten geben müssen. Die eine Antwort, die ich in den
letzten Jahren öffentlich auf diese Frage immer gegeben habe und auch heute geben will, ist:
Verschuldung ist an sich nichts Schlechtes, im Gegenteil; es ist heute allgemein vertretbar, auch in der
Wirtschaft, einen Vorgriff auf die Zukunft zu machen, um Strukturprobleme zu bereinigen. Die
gegenwärtige Generation die Leistung erbringen zu lassen für etwas, was mehrere Generationen in
Anspruch nehmen. Ich glaube, dieser Grundsatz ist allgemein - auch in unserem Kreis - unbestritten.
Der zweite Hinweis ist - das möchte ich gerade hier sagen -, wie weit man jetzt schon abschätzen
kann, daß es nicht nur die Problematik eines Finanzausgleiches zwischen dem Bund und den
Gebietskörperschaften Gemeinden und Land betrifft, sondern wir auch gesellschaftspolitisch darauf
Wert legen müssen, daß es zu einem bewußten Lastenausgleich zwischen dem Land und den
Gemeinden kommt.
Bevor wir uns jetzt in irgendwelche Zahlenspielereien einlassen, nur zwei Zahlenvergleiche, meine
Damen und Herren und auch Herr Finanzreferent, weil ich glaube, daß man mich von dieser relativen
Vergleichsseite her auch verstehen wird, wenn ich als Gemeindereferent eine Reihe konkreter
Vorschläge unterbreite. Wenn man von der Verschuldung redet, die sowohl das Land als auch die
Gemeinden des Landes in den letzten Jahren erleiden mußte, dann sind wir gewohnt, dies dadurch zu
messen, daß man die Belastung der ordentlichen Einnahmen durch den Schuldendienst, also durch
Verzinsung und Tilgung, die Annuitäten für aufgenommene Darlehen, in Relation setzt.
Darf ich nun das Ziel des Landeshaushaltes ganz nüchtern darstellen. Im Jahre 1970 hat das Land
Niederösterreich 7,34% seiner ordentlichen Einnahmen für die Tilgung und Verzinsung von Schulden,
also für Annuitäten, verwendet. Im selben Jahr betrug die gleiche Ausgabenpost der ordentlichen
Haushalte aller Gemeinden des Landes Summa summarum 15,56%, also ungefähr das Doppelte. Im
Jahre 1971 hat sich der Annuitätendienst, die Verschuldung des Landes, auf 5,78% verringert und
haben sich die Annuitäten der Gemeinden auf 16,40% erhöht. Im Jahre 1972 hat sich der
Schuldendienst des Landes auf 3,39% verringert und jener der Gemeinden auf 17,3% erhöht, im
Jahre 1973 betrug der Schuldendienst des Landes 2,27% der ordentlichen Einnahmen und jener der
Gemeinden Summa summarum über 18%. Wir werden in Kürze wieder den jährlichen Finanzbericht
bekommen, wobei dieses Mal als Vorteil schon die Rechnungsabschlüsse aus dem Jahre 1973
verarbeitet sind, wodurch der ganze Bericht ein Jahr aktueller als bisher sein wird.
Bei dieser Tendenz, meine Damen und Herren - das ist jetzt gar kein Neidkomplex, ich fühle mich
sowohl als Landespolitiker als auch für die Gemeinden zuständig -, bei dieser Tendenz muß man,
wenn man Strukturpolitik betreiben will, eben nach der Ursache forschen, warum das so ist. Die
Ursache ist einfach die, daß der Nachholbedarf der niederösterreichischen Gemeinden, bedingt - wie
ich schon einleitend sagte - durch die jetzige Hochkonjunktur, durch den größer und realistischer
gewordenen Leistungshunger der Gemeinden, natürlich rascher als vorher befriedigt wird. Wenn man
die noch ausständigen kommunalen Bauten, bei welchen es sich um relativ großvolumige Projekte
handelt, nach ihrem finanziellen Erfordernis beurteilt, wenn man die ganze Bausumme von jährlich
rund 3 Milliarden des außerordentlichen Investitionseinsatzes der Gemeinden wertet - dieser Betrag
übersteigt die Hälfte des Investitionseinsatzes der gesamten niederösterreichischen Industrie, erst
dann kommt das Land mit seinen außerordentlichen Vorhaben -, dann muß man doch zu dem Schluß
kommen, daß in der Aufgabenteilung zwischen Land und Gemeinden etwas nicht stimmt, wenn sie
auch historisch gewachsen ist, was ich gleich einschränkend hinzufügen will.
Und jetzt gibt es nur zwei Alternativen. Die eine Alternative ist, den neuen Finanzausgleich auch mit
einer von dieser gesellschaftspolitischen Sicht her notwendigen Korrektur der Aufgabenteilung
vorzubereiten. Ob diese Alternative politisch vertretbar erscheint, ist von mir nur ökonomisch zu
beurteilen. Oder man macht das, was sich in der Tendenz auch zwischen Bund und Land und
Gemeinden, ebenso auch - möchte ich korrekterweise sagen - mit der Milliarde Landeshilfe an die
Gemeinden entwickelt hat: Man schafft bei Beibehaltung der Aufgabenteilung einen bewußten
Lastenausgleich auf längere Sicht und hört auf mit diesem sporadischen „Da hast ein bisserl“. Machen
wir schnell da ein Raumordnungsprogramm und dort wieder eines und dazu kommt der politische
Streit, die Zerrissenheit der Förderungssysteme.
Ich komme daher, um diesen Gedanken abzurunden, zu dem ersten Schluß, meine Damen und
Herren. Der neue Finanzausgleich muß meines Erachtens bewußter als bisher alle Elemente der
Aufgabenstruktur der österreichischen Gemeinden berücksichtigen, sowohl der industriellen
Gemeinden mit einer stärkeren finanziellen Ausstattung, wie man immer wieder hört, als auch der
Gemeinden im ländlichen Raum.
Ein Wort noch zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Wenn man die historische Entwicklung dieses
Phänomens beurteilen will, kommt man zu dem Schluß, Herr Präsident Reiter, daß der abgestufte
Bevölkerungsschlüssel in seiner letzten Motivation wohl berücksichtigen wollte, daß größere
Gemeinden auch größere, aufwendigere Aufgaben haben. Ist das klar? (Abg. Präsident Retter: „Habe
ich gesagt, das kommt nur heute nicht mehr so zum Tragen.“) Nur kommt jetzt eines hinzu und ich
habe mir erlaubt, dies in meinem Vortrag beim letzten Städtetag darzustellen. Wir leben in einer Zeit,
in der es gesellschaftspolitische Aufgaben gibt. Wenn man heute einen industriefreien Raum für die
Gesellschaft braucht, wenn man heute sagt, das ganze Waldviertel darf nicht industrialisiert werden,
denn die Menschen in 30 Jahren werden dieses Luftreservoir brauchen, dann hat die Gesellschaft
unbedingt die Aufgabe, diesem ganzen Raum aus dem Ertrag der gesellschaftlichen Arbeit einen
Ausgleich dafür zu geben. Wissen Sie, diese Perspektiven kann man jetzt nicht mit „da ein Stückerl,
dort ein Stückerl“ lösen, das bedarf einer Strategie, meine Damen und Herren, zu der sich die
politischen Kräfte in der Republik leider noch nicht durchringen konnten. Es bedarf da vor allem, wie
ich wiederholt erklärt habe, der Akzeptierung eines Rentabilitätsbegriffes, der über die bisherige
Haushaltsrechnung sowohl unserer Betriebe als auch unserer Gemeinden hinausreicht. Wir neigen ja
schon ein bißchen zu dieser Tendenz, wem ich das beweisen darf.
Bis zum vorigen Jahr hat eine Gemeinde, die ihren ordentlichen Haushalt nicht ausgleichen konnte,
eine Ausgleichshilfe bekommen. Nach der Buchhaltungsphilosophie hat es geheißen: Wenn Du Deine
Pflichten nicht erfüllen kannst, ganz gleich warum nicht, dann kannst Du rechnerisch auch kein Geld
haben, um etwas Außerordentliches zu bauen; deshalb bekommst Du nur den Ausgleich, damit Du
Deine Pflichten erfüllen kannst, aber nicht um etwas Außerordentliches bauen zu können. Das hieße
doch, daß bei Aufrechterhaltung dieser Tendenz solche Gemeinden wahrscheinlich nie mehr etwas für
die Bevölkerung bauen hätten können. Jetzt hat der Kollege Ludwig mit einer Strukturhilfe im
ländlichen Raum, im Grenzgebiet angefangen, er hat nur leider in seinem Bericht vergessen zu
erwähnen, daß es eine gleiche Hilfeaktion auch für die nicht im Grenzgebiet gelegenen Gemeinden
gegeben hat. Gestatten Sie mir daher, hierüber ergänzend zu berichten, damit wir auch hier den Blick
auf die tatsächliche Struktur nicht verlieren.
Meine Damen und Herren! 276 Gemeinden außerhalb des Grenzgebietes haben ebenfalls weniger
Finanzkraft - das waren diese ermittelten 1670 Schilling - als die Grenzlandgemeinden. Im
Nichtgrenzgebiet haben wir also ebenfalls 276 Gemeinden, die unterhalb dieses Schnittes liegen, und
nur 175 Gemeinden, die über dem Grenzlanddurchschnitt liegen. Ich will damit nur sagen, daß dieses
Problem nicht nur das Grenzland betrifft, sondern ein Strukturproblem des Landes darstellt. Hierzu
kommt noch, das sage ich sehr boshaft am Rande, daß es noch immer rund 70 Gemeinden mit
weniger als 1000 Einwohner gibt, meistens Ihre politischen Heimaten, darunter Gemeinden mit 120,
150 Einwohnern. Ich weiß ja nicht, wie lange wir alle miteinander in dem Haus noch mit diesem
Problem zu tun haben werden. Es wäre ja alles abgeschlossen, habe ich gehört. Als bleiben diese
Gemeinden jetzt, versteinern sie? Fürstenhof mit 160 Einwohnern etwa, nebenan eine
Industriegemeinde. Diese Gemeinden werden jetzt dauernd zum Land kommen und sagen: „Gib mir
auch was.“
Ich überlasse es Ihnen, welche Schlüsse Sie daraus ziehen; ich glaube nur, so kann man auch nicht
Strukturpolitik machen, daß man groß verkündet, wir haben eine Reform beendet, während in
Wirklichkeit jetzt noch 70 Gemeinden - mit Recht, weil sie lebensunfähig sind - zur großen Mutter Land
kommen und sagen: „Du, gib mir was.“ Aber wie gesagt, das war nur fast boshaft am Rande vermerkt,
weil dieses Problem politisch mehr das Ihre als das meine ist.
Ich komme zu dem Schluß, meine Damen und Herren, wir brauchen bis zum nächsten
Finanzausgleich ein kurzfristiges Konzept. Ich erlaube mir, hierfür nur gedanklich, ohne Anträge, ein
schon wiederholt geäußertes Dreipunkteprogramm vorzuschlagen. Ich würde erstens vorschlagen,
daß wir die Idee der Erweiterung des Gemeindeinvestitionsfonds durch Konzentration und stärkere
finanzielle Dotierung ergänzen, indem wir für diesen Fonds im engsten Einvernehmen mit der LandesHypothekenanstalt dort eine eigene Einrichtung für die Gemeindenfinanzierung mit der dem
Arbeitstitel „Kommunalbank“ zugeordneten Funktion ausbauen. Eine zentrale Förderungsstelle, die
transparent sein muß, ohne einen politischen Machtanspruch für eine Partei - ich werde dann gleich
sagen, warum ich gerade darauf Wert lege -, die wenigstens zur Objektivierung der Sicht in die
wirkliche Struktur beiträgt, brauchen wir bis zum nächsten Finanzausgleich. Ich würde zweitens
vorschlagen, daß wir außer dem Schulbaufonds, der in den nächsten Jahren noch ganz große
Aufgaben haben wird, alle aus Budgetmitteln gewährten und nicht im Gebührenhaushalt der
Gemeinde verrechenbaren Landeskredite stunden oder ganz streichen. Ich sage ehrlich, so hart es
mir fällt, daß ich 25 Millionen jährlich aus Bedarfszuweisungs-Darlehen zurückbekomme, das
entspricht, nach 5 Jahren gerechnet, mindestens 100 Millionen Schilling; wenn heute die Annuitäten
der Gemeinden insgesamt über 600 Millionen liegen, wären das allein 100 Millionen, die man aus dem
Titel wegbekommen würde. Daher können wir vielleicht in Zukunft weniger rasant bauen, aber dafür
könnten wir beruhigen, das würde ich da auf alle Fälle vorschlagen. Ich würde drittens vorschlagen,
daß wir die voriges Jahr begonnenen Aktivitäten zum Strukturausgleich Grenzland und
Mischgrenzgebiet kooperativer als bisher und vielleicht im finanziellen Einsatzvolumen effektiver als
bisher durchführen.
Ich glaube, daß diese drei Punkte - auch noch mehr, aber zumindest diese drei Punkte - für die
nächsten Jahre bis zum Stadium der ersten Beratungen des nächsten Finanzausgleiches für unsere
Verhandlungsposition gute objektive Voraussetzungen bringen könnten. Da die Länder offensichtlich
beim letzten Finanzausgleich relativ günstiger als die Gemeinden abgeschnitten haben, hätte ich nur
den bescheidenen Vorschlag, daß man bei den Verhandlungen, wenn es um Niederösterreich geht,
vielleicht auch die Erfahrungen des Gemeindereferates zu Hilfe nimmt, denn es war ein bißchen
merkwürdig, daß in dem großen Land bei diesen Fragen nicht einmal in einem Gespräch versucht
worden ist, wenigstens einen Kontakt zum Gemeindereferenten herzustellen.
Und warum sage ich Objektivierung? Meine Damen und Herren, aus einem einfachen Grund. Was ist
passiert? (Landeshauptmann Maurer: Die Gemeindeverbände haben die Verhandlungen geführt!) Das
weiß ich ja, entschuldigen Sie, ich habe ja nicht gesagt, der Landeshauptmann ist schuld. Warum
sage ich Objektivierung, was ist passiert voriges Jahr? Meine Damen und Herren, ich bin voriges Jahr
hier gestanden und habe geglaubt, es könnte einen Wert haben, den Hohen Landtag über die
Grenzen der politischen Gegnerschaft hinaus wenigstens zu ersuchen, mit den Vorstellungen Schluß
zu machen, es müsse unbedingt ein künstlicher Klassenkampf zwischen sogenannten reichen und
armen Gemeinden geführt werden. Ich habe damals folgendes gesagt: Wenn man sich die Mühe
nimmt und in die Haushaltsstrukturen aller Gemeinden hineinsieht, dann kommt man darauf, daß die
Vorstellung längst passe ist, reiche Gemeinden, Industriegemeinden, wären rote Gemeinden, und
arme Gemeinden, kleine Gemeinden, wären schwarze Gemeinden. Das Bild ist ja völlig anders
geworden.
Was aber haben Sie heuer gemacht, meine Damen und Herren? Sie haben im Zusammenhang mit
der Beschlußfassung des Sozialhilfegesetzes nun durch Mehrheitsbeschluß in Fortsetzung dieser
Tendenz in diese Sozialhilfeumlage, wie ich sie im Gegensatz zum Modell der Bezirksumlage nenne,
auch die Lohnsummensteuer einbezogen. Sie selber, meine Damen und Herren, werden jetzt nach
der Reihe, wenn Sie mit Ihren Bürgermeistern in den Gemeinden reden, die Durchrechnung nach dem
neuen Sozialhilfegesetz vorgelegt bekommen. Ich habe da zwei Gemeinden, ich nenne die Namen
nicht. Bei der einen Gemeinde erhöht sich jetzt der Aufwand für Sozialhilfe Summa summarum - wir
haben schon die Vergleiche mit den bisher eigenen Leistungen auf diesem Gebiet angestellt - von 2,1
Millionen Schilling auf 5,8 Millionen Schilling. Bei der anderen Gemeinde Summa summarum von 4,4
Millionen Schilling auf 6,4 Millionen Schilling. Und jetzt kann einer von Ihnen aufstehen und kann
sagen:
„Ja, die haben's!" Ich könnte Ihnen dann dazu auch die Finanzkraft der Gemeinden nennen, ich
könnte Ihnen auch die Verschuldung der Gemeinden nennen. Ich fürchte nur eines und das ist der
Grund, warum ich dieses Thema angeschnitten habe, daß wir bei den Gemeinden, bei den eigenen
und den fremden, das Vertrauen für eine Kooperation, welche in nächster Zeit für das ganze
Landesgeschehen wichtig sein wird, in dem Maße verlieren, in dem wir weiterhin in dieser Kategorie
arm und reich denken und handeln.
Denn was geschieht denn wirklich? Gestatten Sie mir, dieses Wort ganz ohne Grimm: Ich komme aus
einer Industriegemeinde, aus einem Industriegebiet. Ich bin aber Gott sei Dank in den letzten Jahren,
darüber bin ich sehr glücklich, in hunderten Gemeinden gewesen, vorwiegend in Gemeinden des
ländlichen Raumes mit anders gearteten politischen Strukturen als in meiner eigenen
Heimatgemeinde. Denken Sie zwei Minuten mit mir diesen Teufelskreis durch, auf den ich hinarbeite.
Du bist eine reiche Gemeinde, wir ziehen jetzt überall die Lohnsummensteuer ein, also gut,
einverstanden. Die sogenannte reiche Gemeinde wird jetzt - abgesehen von ihren Aufgaben, über die
ich gar nicht rede - bei der Aufbringung der Mittel schon erheblich mehr belastet als jene Gemeinde,
die keine Lohnsummensteuer hat, das ist klar. Bei den Förderungen, die wir auf breiter Ebene
wirksam werden lassen, werden die Gemeinden mit einer Lohnsummensteuer wieder benachteiligt.
Das heißt - ohne einen bösartigen Hintergedanken so formuliert - sie werden zweimal gestraft. Jetzt
kommt aber noch etwas dazu. Die Förderungen selbst, die oft in die Millionen gehen, und das Problem
des Hallenbadbaues in Niederösterreich bis in den Norden des Landes. Die Gemeinden bekommen
die 24 Millionen Schilling Investitionskosten mit dieser Hilfe der großen Gemeinden ja leicht zustande.
Dann stehen die Hallenbäder - ich kenne sie -, und jeden Tag pritscheln sechs oder sieben Leute. Am
Jahresende wird die Summe der Betriebs- und Erhaltungskosten ermittelt und dann kommen die
Gemeinden noch einmal zum Land und wir zahlen die Haushaltsausgleiche. Meine Damen und
Herren, wir fördern hier den Teufelskreis einer Entwicklung, der sich in den nächsten 10 Jahren
progressiv zum allgemeinen Nachteil der Haushalte dieser Gemeinden auswirken muß. Wenn diese
starke Heranziehung der sogenannten reichen Gemeinden wenigstens einen Sinn hätte, dann könnte
man eine solche Politik sogar als Sozialist, der ja für den sozialen Ausgleich eintreten muß, gut
heißen. Aber diese Politik führt Summa summarum zu einer Verschärfung der finanziellen Situation.
Diese Dialektik, meine Damen und Herren, sollten Sie etwas näher und kritischer betrachten, als das
bisher der Fall gewesen ist. Soweit zu diesen Dingen.
Und jetzt eine letzte Betrachtung zum gesamten Problem der finanziellen Lage. Was geschieht jetzt in
einigen, noch nicht in sehr vielen Gemeinden? Ich bitte vor allem die Bürgermeister, dies ein bißchen
ernster zu beurteilen. Eine nicht so leistungsfähige Gemeinde stellt jetzt fest, sie könnte auch so etwas
bauen, ein Freizeitzentrum um 20 Millionen Schilling, ein Hallenbad um 18 Millionen Schilling. Der
Bürgermeister nimmt seinen Haushaltsplan, da hat er drei, vier Millionen Schilling drinnen. Die
Gemeinde besitzt einen Grund, 20 ha, 25 ha. Diese Fläche könnten wir mit Freizeitwohnungen
besiedeln, wenn da 100 Wiener herauskämen, das wäre eine Belebung. Was geschieht? Ich nenne
jetzt keine Gemeinde, ich habe die Namen der Gemeinden in der Landesregierung aufgezählt, ich
stehe auch für Detailauskünfte zur Verfügung. Ich will hier nur ein neues Problem andeuten. Solche
Gemeinden kommen jetzt - unbeschadet ihrer politischen Mehrheit - auf die Idee, mit einem
Baumeister eine GesmbH. zu bilden. Die GesmbH. hat den Vorteil, daß das Mindesteigenkapital
100.000 Schilling beträgt und jeder nur mit seinem eingelegten Kapital haftet. Jetzt kommt einer, der
zufällig 7 Millionen Schilling hat - das gibt es auch schon - und als Gesellschafter mitmacht; er legt die
7 Millionen Schilling aber nicht in die GesmbH., dort legt er nur 60.000 Schilling ein, die Gemeinde legt
40.000 Schilling dazu. Diese GesmbH. einer Gemeinde und eines Geldgebers bildet sodann mit
einem anderen, in manchen Fällen sogar mit dem, der bereits Gesellschafter der GesmbH. ist, eine
Kommanditgesellschaft. Bei der Kommanditgesellschaft haftet der Komplimentär, in dem Fall die
GesmbH., zwar mit dem ganzen Vermögen, das Vermögen ist aber identisch mit dem eingelegten
Kapital. Der Kommanditist bringt jetzt 7 Millionen Schilling.
Ich will nun gar nicht mißtrauisch gegen die Baumeister sein, aber es gibt jetzt schon Fälle, in denen
die Gemeinde mit der GesmbH. folgenden Vertrag abschließt: „Ich gebe Dir 5 ha zum Verarbeiten.“
Die GesmbH. schließt jetzt mit dem Kommanditisten einen Vertrag ab: „Du darfst die 5 ha
aufschließen - ahne Ausschreibung -, Du mußt einen Kanal hineinlegen, Du mußt Wasser hineinlegen,
Du kannst machen, was Du willst.“ Ich habe einen solchen Vertrag vorgelegt bekommen, in dem sogar
steht: „Du darfst auch die 300 Häuser bauen, die dort gebaut werden sollen.“ Ich bin neugierig, ob die
Leute jetzt um eine Wohnbauförderung zu mir kommen werden, das ist auch noch zu erwarten.
Und jetzt stellen wir um folgendes vor, nur diesen Aspekt wollte ich beleuchten: Das Projekt einer
relativ finanzschwachen Gemeinde, in einem Fall ein Projekt von 150 Millionen Schilling, ein Hotel mit
70 Millionen Schilling wird dort gebaut, verlagert sich jetzt auf die Ebene der anonymen
Kapitalgesellschaft. Durch deren Tätigkeit erhalten einzelne Firmen die Monopolstellung für Aufgaben,
zu deren Erfüllung die Gemeinde nach der Gemeindeordnung öffentlich ausschreiben müßte.
Abgesehen davon weiß ich, daß einzelne Leute dabei ein arbeitsloses Einkommen von Millionen
Schillingen verdienen; nur weil die Gemeinde den Ehrgeiz hat zu sagen, sie sei auch leistungsfähig.
Jetzt kommt das Dilemma. Diese Tätigkeit ist auf Grund der gegenwärtigen Rechtslage offensichtlich
überhaupt nicht rechtswidrig. Wie Sie alle wissen, gibt die Verfassungsnovelle 1962 den Gemeinden
grundsätzlich das Recht, sich wie ein Privater wirtschaftlich zu betätigen. Die Niederösterreichische
Gemeindeordnung hat allerdings im Jahre 1965 - ob es verfassungsrechtlich hält oder nicht, weiß ich
nicht - dieses Recht insoweit beschränkt, daß ein Bedarf vorliegen muß und eine Zweidrittelmehrheit
für den Beschluß des Gemeinderates erforderlich ist. Das ist zumindest die Rechtslage. Bekommt die
Aufsichtsbehörde so einen Vertrag - zum Teil muß sie ihn gar nicht kriegen, weil die
Gemeindeordnung hierfür bestimmte reale Vermögenswerte voraussetzt -, hat sie keine Möglichkeit,
hier einzuschreiten.
Ich habe dieses Thema zum Schluß meiner Wortmeldung deshalb angeschnitten, weil ich hierzu eine
Empfehlung abgeben will. Was hätte es für einen Sinn, wenn wir jetzt darauf dringen, den Gemeinden
zu helfen, und die Gemeinden steigern sich dann in Projekte, Kurmittelhäuser, Hotels,
Zweitwohnsiedlungen hinein, alles in der Größenordnung von hunderten Millionen Schilling. Wenn
nämlich so eine Gesellschaft zugrunde geht, muß die Gemeinde ja selbst aufschließen; die Gemeinde
kann sich der Aufgabe, Wasser- und Kanalbauten zu errichten, nicht entziehen. Dann kriegt die
Gemeinde die Baustelle, der eine hat daran verdient und die Gemeinde muß bluten. Abgesehen von
diesen negativen Konsequenzen, die zumindest rechtlich und theoretisch erwartbar sind, lautet mein
Vorschlag, meine Damen und Herren, daß sich die Klubs die Gemeindevertreterverbände, mit dieser
in beiden Lagern konkret nachzuweisenden Entwicklung doch endlich einmal ernsthaft
auseinandersetzen. Drei Fragen müssen wir beantworten: Wollen wir das kommunalpolitisch? Das
trifft beide Parteien. Will die Partei das gesellschaftspolitisch? Ich kann mir vorstellen, daß die eine
Partei eine andere Auffassung als die andere hat, aber wenn wir es nicht verhindern wollen, weil wir
es gutheißen, aber trotzdem unter Kontrolle halten wollen, dann müssen wir uns zusammensetzen
und die entsprechenden Gesetze, soweit es verfassungsrechtlich möglich ist, so adaptieren, daß wir
wenigstens der Aufsichtsbehörde, ohne Obrigkeitsstaat spielen zu wollen, ein Kontrollrecht
einräumen. Das ist ein Gedanke, den ich heute aussprechen will.
Zum Schluß glaube ich, daß auch ich etwas beantworten muß. Gestern haben wir über Computer
gesprochen. Ich möchte einmal mit dem Harmlosen anfangen; ich hätte eine Bitte, weil es Ihnen
wahrscheinlich immer wieder genauso geht wie mir. Ich habe hier auf dem Tisch ein Konzept, ein
umfangreiches Konzept. Solche Konzepte werden erarbeitet, die Gemeinden kriegen Papier, die
Gemeinden kriegen alles. Es werden Ihnen von ein paar Fachleuten jetzt tausend Sachen formuliert
und es gibt sogar Leute, die sagen, die Politiker geht das gar nichts an, die verstehen nichts davon.
Ich verstehe zwar nichts davon, aber ich weiß eines, daß dies eine Höllenmaschine ist, in die man
vorne was reingibt und hinten kommt was anderes raus. Aber eines weiß ich auch, meine Damen und
Herren, daß man eine solche Maschine, einen solchen Computer in einem so großen Land auch für
die Vorbereitung wichtiger politischer Entscheidungen heranziehen kann. Das habe ich in
Deutschland, in Hessen, gesehen, dort haben sie Regionalrechenzentren, die in Kooperation mit dem
Land der gesamten Politik echte Vergleichsdaten, Alternativdaten, zur Verfügung stellen. Ich möchte
hier mitteilen, daß ich die Absicht habe, in der nächsten Sitzung der Landesregierung das Thema
schon aus diesem Grunde zur Sprache zu bringen, darüber hinaus aber auch aus einem zweiten
Grund. Ich bin jetzt nicht in der Lage zu beurteilen, was in Paris geschehen ist. Ein Abgeordneter des
Hauses hat hier Vorwürfe erhoben, dazu kann man stehen wie man will. Ein anderer Abgeordneter
des Hauses ist aufgestanden und hat gesagt: Was wollt Ihr denn? Ihr, die Regierung, habt ja da
zugestimmt! Gut, Kollege Buchinger, ich hätte es aber gestern als sehr fair empfunden, wenn bei
dieser Gelegenheit auch der entsprechende Beschluß verlesen worden wäre. Darf ich das jetzt, nur
damit das Thema möglichst korrekt beleuchtet wird, nachholen? Der Herr Landeshauptmann hat am
7. Mai des heurigen Jahres beantragt, die Landesregierung wolle die Teilnahme der betreffenden
Herren am 1. Lesetest der von der Gemeinde Amstetten erstellten Formulare „Einwohnermeldewesen“
auf dem Belegleses in Paris beschließen. Ich gebe jetzt sogar zu, daß der Autor dieses Antrages unter
dem terminus „der von der Gemeinde Amstetten erstellten Formulare“ verstanden hat, das wäre ein
Rucksack oder ein Koffer voll Material aus einer Stadt. Für mich und meine Regierungskollegen
möchte ich mitteilen, daß wir darunter etwas anderes verstanden haben. Wenn jemand eine
Dienstreise zu der Firma Kontrolldata unternimm, die offensichtlich die Einladung nur macht, um ein
Gerät auszuprobieren, kann er jetzt, nachdem die Gemeinden eingeladen worden sind, nach einem
bestimmten System oder nach ihren eigenen Auffassungen auf Formularen etwas vorzubereiten, auch
bloß so ein Papierl mitgenommen haben, um das System prinzipiell zu testen. Ich weiß nicht, was
diese Herren mitgenommen haben, wir haben darüber keinen Bericht bekommen. Ich kann mir aber
vorstellen, Herr Landeshauptmann, daß wir doch einen Bericht abverlangen, weil dieses Thema ja
grundsätzlich interessant, wenn nicht ernst ist. In welcher Art das konkret vor sich gegangen ist, was
man darunter verstanden hat. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Der Pospischil! - Abg.
Buchinger: Das ist ja aufgezeigt worden. Ist denn nicht gesagt worden, was alles mitgenommen
worden ist?) Meine Herren, lassen Sie mich aussprechen. Das wissen Sie vielleicht, wie es
hergegangen ist, und der Pospischil weiß es, nur ich weiß es nicht. (Landeshauptmannstellvertreter
Ludwig: Vormittag war eine Presseinformation!) Na ja, ich möchte nur sagen, so kann man es auch
nicht machen, meine Herren. Wenn ein Abgeordneter hier eine Behauptung aufstellt - das kommt oft
vor -, so wird er dazu stehen. Die Frage ist nur, daß Sie uns nicht jetzt, weil das Thema an sich
unangenehm ist, in eine Verantwortung hineinziehen, die ich für diesen Beschluß ...
(Landeshauptmann Maurer: Da steht es ja ganz genau drinnen!) Aber ich habe ihn ja da, Herr
Landeshauptmann, sagen wir es gleich: „Die Nö. Landesregierung wolle die Teilnahme des Herrn
Dipl. Ing. Weber und Kudernatsch am ersten Lesetest der von der Gemeinde Amstetten erstellten
Formulare ,Einwohnermeldewesen' auf den Belegleser CDC 955 in Paris beschließen.“ (Unruhe im
Haus.) Herr Landeshauptmann, kommen wir zum Schluß. Ich habe auf den Zwischenruf gewartet und
ich freue mich auf die Diskussion in der Regierung, denn ich werde noch ein Zweites vorbringen.
Gestatten Sie mir doch, daß ich dies hier in meiner politischen Funktion als Regierungsmitglied sage.
Der Herr Landeshauptmann behauptet nun - ich gebe zu, er hat den Auftrag gegeben -, am Wahltag
eine Hochrechnung durchgeführt zu haben. Bitte. Darf ich nur zur Beleuchtung, weil das auch der
Kollege Buchinger gesagt hat, feststellen: Er hat halt Ideen! Wenn dies die Atmosphäre ist, in der
Ideen ausdiskutiert werden, die vielleicht, wie ich mir gestern von einem Fachmann sagen ließ, ein
paar hunderttausend Schilling kosten, gemeint ist die Speicherung, die Vorbereitung so einer
Hochrechnung, dann gratuliere ich. Wir werden ja darüber reden. Du wirst dann sagen, aus welchen
Mitteln das gedeckt wird, und ich werde mir erlauben, dann einen Gegenantrag einzubringen, wer das
zahlen soll. Herr Landeshauptmann, diese Haltung: „Geht euch nichts an, ich bin der
Landeshauptmann, der Wahlleiter, ich kann machen, was ich will“, diese Tendenz haben wir in den
letzten Jahren zur Genüge kennengelernt, meine Herrschaften. (Abg. Rcmeder: Eine solche
Formulierung! - Landeshauptmann Maurer: Diese hat ja die Richtung gezeigt!) Nehmen Sie bitte, Herr
Landeshauptmann, in aller Kameradschaft eines zur Kenntnis: Ich halbe es bei der Antrittsrede, die
hier gehalten worden ist, deutlich gesagt und ich bleibe auf dem Faden. Die Zeit ist vorbei, in welcher
der Landeshauptmann öffentlich die Meinung vertreten kann, er wäre der Kaiser von Niederösterreich.
Dieser Zustand wird auf die Dauer von mir nicht mehr geduldet werden. (Landeshauptmann Maurer:
Das ist schon wieder etne Anschuldigung, die nicht stichhältig ist. - Unruhe. - Präsident Dipl. Ing. Robl
gibt das Glockenzeichen. - Abg. Anzenberger: Das haben die Wähler bewiesen!) Nein, Herr
Landeshauptmann, wir haben oft über die Vorbereitung der Wahl gesprochen; wir beschließen, meine
Herren, was die Schreibkraft am Wahltag erhält, die 100 Schilling Gebühren werden beschlossen,
alles beschließen wir. Warum sollten die Regierungsmitglieder eine Hochrechnung, die doch
vertretbar wäre, nicht bekommen? Kollege Buchinger, das stimmt ja nicht, was da gesagt worden ist,
daß wir alle halbe Stunde den Auszug mit den einlaufenden Wahlergebnissen und den
Vergleichsdaten bekommen hätten. Das ist doch etwas anderes, wenn ich einen Auszug aus dem
Computer kriege, als eine Hochrechnung, die ich eine Woche vorher vorbereiten muß und die eine
Menge Geld kostet. Ich hoffe, Sie verstehen, worum es da geht. Der Landeshauptmann hätte doch
darüber beschließen lassen können, ob es sinnvoll wäre, eine Hochrechnung zu machen. Er hat uns
berichtet, der Herr Professor macht das; wenn wir doch darüber geredet haben, warum verschweigt er
uns dann das? Wäre dem Landeshauptmann eine Perle aus der Krone gefallen? (Abg. Zimper: Dann
hätten Sie es halt eine Woche vorher gehabt!) Schauen Sie, Sie kenne ich ohnehin, Sie vertreten
alles. Aber warum kann der Landeshauptmann nicht einem Regierungsmitglied ein
Hochrechnungsergebnis übermitteln, ja, meine Herren, warum denn nicht? (Zwischenrufe bei der
ÖVP.) Selbst wenn Sie damit recht hätten, daß dies das alleinige Recht des Landeshauptmannes
wäre, kann ich zum Schluß nur sagen: Armer Landeshauptmann, der sich sogar verletzt fühlen würde,
wenn er seinen Regierungskollegen das Ergebnis einer Maschine übermittelt. (Beifall bei den
Sozialisten.)
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Als nächster Redner kommt der Abg. Pospischil zu Wort.
Abg. POSPISCHIL: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es war natürlich nicht anders zu
erwarten, als daß es dem Sprecher der ÖVP - ich habe das gestern ja schon angedeutet - vorbehalten
war, die Dinge zu verniedlichen, es war der Kollege Buchberger (Abg. Romeder: Falsch gespeichert!
Buchinger!) Buchinger. Entschuldigen Sie. Hoffentlich programmieren Sie auch immer so richtig, wir
werden darauf achten, was Sie dann später auszusagen haben. (Abg. Romeder: Ich bin kein
Fachmann auf dem Gebiet!) Gerade Sie, Herr Romeder, sollten sich selber im Zaum halten. Ich kann
es verstehen, daß Sie einen Weg suchen, um aus der unangenehmen Situation herauszuschlüpfen.
Es ist für Sie unangenehm, die Fakten liegen auf und sind unverrückbar, da gibt es einmal überhaupt
nichts. (Abg. Zimper: Was ist denn da unangenehm? - Abg. Romeder: Das ist ein Widerspruch zu
Ihrem Landeshauptmannstellvertreter!) Ich will mich auch nicht damit beschäftigen, sondern auf
einzelne Dinge zu sprechen kommen, die gestern der Herr Kollege Buchinger hier klarzumachen
versucht hat. Er meint nämlich, ich hätte nichts anderes zu tun, als die Leistungen der Beamten zu
degradieren, nicht anzuerkennen, was hier alles im Lot ist. (Abg. Romeder: Das sind wir schon
gewohnt!) Er verweist zum Beispiel auf die großen Leistungen auf dem Sektor der Wohnbauförderung.
Wissen Sie, warum ich gestern auf die ganze Problematik nicht eingegangen bin? Weil ich mich schon
jahrelang bemüht habe, 'den Damen und Herren des Hohen Hauses in diesem Zusammenhang
klarzumachen, daß volumenmäßig sicherlich rein optisch gesehen sehr viel drinnen ist, dies aber mit
einer echten Leistung, mit einer Rentabilität, wie Sie meinen, überhaupt nichts zu tun hat. Die
Wohnbauförderung, dieses umfangreiche Arbeitsgebiet, beschränkt sich ja in der Hauptsache nur auf
den Ausdruck von Listen - von Arbeitslisten, Abstimmungslisten, Sitzungslisten - und Schuldscheinen
für die Bundeswohnbauförderung und die Landeswohnbauförderung. Da ist ein schneller Ausdruck
möglich. Ich habe hier einmal eine Viertelstunde lang versucht, diese Dinge aufzuzeigen und Ihnen
dann klarzumachen, daß man dazu nur ganz kurze Zeit braucht, weil es nur allgemeine, herkömmliche
Dinge sind. Da braucht man keine Spezialisten dazu, die Programme werden nach Wahl ins Haus
geliefert, es ist Geschmackssache, ob man nun zu dem einen oder zu dem anderen Programm greift,
aber keine besondere Leistung. Was wir immer und Ich auch im letzten Jahr wiederum urgiert haben,
ist etwa die in Aussicht gestellte Datenbank. Ich frage Sie, ob diese Datenbank heute vorhanden ist.
Die EDV-Abteilung müßte also in der Lage sein, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine altersmäßig
geordnete Liste der gesamten Vertragsbediensteten des Landes, wie in Aussicht gestellt wurde, sofort
auszudrücken. Nun frage ich Sie, kann sie das überhaupt? Seihen Sie, darum geht es also, wenn wir
hier auf die Anlagen im Haus zu sprechen kommen. Um die Verbesserung der Verwaltungsstruktur
durch die Automation schlechthin und um nichts anderes, und das wollen Sie nicht einsehen. So
leisten sie immer Schützenhilfe; das ist aber nicht zielführend, wenn wir uns bemühen, hier
klarzumachen, daß in der Verwaltung andere Dinge ausschlaggebend sind. (Abg. Wittig: Warum
gehen Sie nicht in die Abteilungen? Ich habe Sie im Vorjahr eingeladen! Sie waren noch immer nicht
dort!) Außer Ihnen, mit Ihrer Bemerkung hier, hat es noch niemand der Mühe wert gefunden, mich
einzuladen und zu sagen, kommen Sie einmal her, schauen Sie sich um. (Abg. Kurzbauer: Auf den
Knien werden wir es tun!) Das wäre nur recht und billig. Ich maße mir überhaupt nicht an, hinzugehen
und hier zu prüfen, das ist nicht meine Angelegenheit. Aber ich bin sehr gerne bereit, hinzukommen
und mitzuarbeiten oder mitzuberaten. Verstehen Sie, das ist ein Unterschied, lieber Herr Kollege.
(Abg. Romeder: Objektivität!)
Die modernste Automationstechnik und die Erfordernisse der öffentlichen Verwaltung müssen in
einem zukunftsorientierten Gesamtsystem vereinigt werden, das meinen wir damit und nichts anderes.
(Landeshauptmann Maurer: Anschuldigungen aussprechen! -Das kann man!) Das sind keine
Anschuldigungen, das sind Tatsachen. Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe, bringen, ich schwöre es
Ihnen, wir könnten noch mehrere solche Dinge aufzeigen, die auch für Sie sehr unangenehm sind.
(Landeshauptmann Maurer: Zeigen Sie sie auf!) Herr Landeshauptmann, Sie brauchen nur die
Stenographischen Protokolle der letzten Jahre herzunehmen, da steht Punkt für Punkt drinnen, was
wir bemängeln, was nicht in Ordnung ist in der gesamten Verwaltung. (Abg. Blochberger: Solche
Behauptungen aufstellen! - Landeshauptmann Maurer: Keinen einzigen Punkt haben Sie erhärten
können. - Unruhe. - Präsident Dipl. Ing. Robl gibt das Glockenzeichen.) Mir kommt es so vor, als
hätten Sie überhaupt kein Interesse an der Automatisierung, an der Vereinfachung, an der
Neugestaltung der Politik in dieser Richtung, weil Sie sich ja - ich finde keinen anderen Ausdruck - zu
Verwaltungsgehilfen hoher Beamter degradieren lassen. Wenn das Sinn und Zweck einer Reform ist,
dann - daß ist keine Beleidigung, das ist eine Feststellung - werde ich ... (Landeshauptmann Maurer:
Das ist schon wieder eine Beleidigung! Eine Beleidigung für die braven Beamten!) ich werde keinen
Beamten beleidigen, ich weiß das zu schätzen. (Landeshauptmann Maurer: Sie haben das gemacht
unter dem Deckmantel der Immunität!) Nein, ich habe nur festgestellt, daß Sie sich in dieser Hinsicht
nur auf deren Aussagen beschränken und auf keine anderen.
Nun zum Kern der Sache, zum zweiten Problem; auch dazu müßte ich etwas sagen. Der Herr
Landeshauptmannstellvertreter Czettel hat hier schon darauf verwiesen und gestern hat der Herr Abg.
Buchinger ja auch bestätigt, daß hochgerechnet wurde. Damit wurde zugegeben, daß die
Verwendung des Gerätes außerhalb des Widmungszweckes und ausschließlich im Interesse der ÖVP
erfolgt ist. Nichts anderes war es, weil die Hochrechnungen ja nicht unseren Mitgliedern der
Regierung zugegangen sind, sondern nur den Regierungsmitgliedern der ÖVP zur besseren
Information dienten. Das wurde hier auch vom Herrn Landeshauptmannstellvertreter Czettel bestätigt
und davon kann man nicht abgehen, denn die Entwicklung eines Hochrechnungsprogramms kostet
mehrere hunderttausend Schilling.
Da Sie uns immer unterstellen wollen, es wäre für uns in der Wahlnacht oder am Nachmittag der Wahl
nicht so gelaufen, wie wir uns das gewünscht hätten, verweise ich auf einen Artikel der Zeitschrift
„Kommunale EDV-Gemeinschaft”, worin klar zum Ausdruck kommt, daß das schwarze Landeshirn am
späten Nachmittag nicht einen Lichtstrahl gehabt hat, ob Sie überhaupt das 31. Mandat gewinnen,
und daß bis zum Schluß auch nicht sicher war, daß Sie es gewinnen werden. (Landeshauptmann
Maurer: Wir haben es ja erlebt!) Nur hochgerechnet wurde es dann, nicht wahr? Das geben wir zu.
aber Sie haben sich ja viel mehr erwartet vom Ausgang dieser Wahl. Das eine Mandat ... (Unruhe. Ruf bei der ÖVP: Genügt euch das nicht? - Heiterkeit bei der ÖVP.) Gerade mit einem blauen Auge
sind Sie noch davongekommen, meine Herren. (Abg. Dr. Bernau: Ich wünsche mir bei jeder Wahl das
blaue Auge!) Nun ja, ich kann mir schon vorstellen. daß das nicht sehr angenehm ist.
Nun zu der Angelegenheit mit den Daten, die ins Ausland transferiert wurden. Hier wurde gesagt, die
Regierung - die Gesamtregierung - hätte davon Kenntnis gehabt ... Hier wurde auch gesagt, daß es
sich darum gehandelt habe, Formblätter im Zusammenhang mit dem Meldewesen zu testen, wofür es
natürlich nur diese Möglichkeit und keine andere Möglichkeit gegeben habe. Ich möchte auch darauf
noch zu sprechen kommen, was der Herr Abg. Buchinger gestern gemeint hat, daß dies nämlich gang
und gäbe wäre, auch vom Bund her wüßte er es. Da müssen Sie aber auch konkreter werden, denn
es handelt sich immer darum, welche Daten transferiert werden. Ob es sich um Meldedaten oder um
Daten handelt, die im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Überlegung stehen, das ist doch ein
Unterschied. Hier aber handelt es sich um heiße Daten, oder um harte Daten, so heißt es in der
Computersprache. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß hierbei auch das
Bundesverfassungsgesetz und das Meldegesetz nicht außer acht zu lassen sind. Ich bin noch gar
nicht davon überzeugt, daß das Land berechtigt ist, im Meldewesen die Daten von den Gemeinden
einzuholen. Das gehört einmal rechtlich überprüft. Ich möchte mir hier nicht anmaßen, sofort zu
sagen, daß es gänzlich falsch wäre, aber ganz so einwandfrei scheinen die Dinge nicht zu sein.
Es hätten also die Formblätter über die Belegleser getestet werden sollen. Es gibt IBM-Belegleser, es
gibt Philips-Belegleser und, wie Sie also gehört haben, CDC-Belegleser. Da gibt es verschiedene
Formblätter und Formate des Beleges, die zwischen 66 X 76 mim und 229 X 305 mm liegen. Die
maximale Zeilenanzahl bei jeder Größenordnung der Belege ist zu prüfen. Das alles ist in einem Test
auszuwerten. Die Leseleistung wäre unter Umständen noch zu prüfen. Sie beträgt zum Beispiel bei
einem Philips-Leser 200 Zeichen pro Sekunde, das entspricht bei 5 DIN-A-4-Seiten meinetwegen pro
Minute so und so vielen Ausdrucken. Das können Sie alles einlegen, das können Sie alles prüfen.
Sehen Sie, auch dazu haben wir im Zusammenhang mit dem Datenverbundsystem Land-Gemeinden
Überlegungen angestellt und sind der Meinung, daß hier wieder - wenn ich das gleich anschneiden
darf - etwas eingeleitet wurde, was sehr bedenklich erscheint. Es wurde etwas erprobt und man weiß
dann nicht, ob es hier im Haus funktionieren wird. Wenn Sie nur die eine Sache hernehmen, die ich
jetzt angezogen habe, so möchte ich Ihnen sagen, wie lange zum Beispiel die Erfassung des
gesamten Meldewesens dauert. Es handelt sich dabei etwa um 1,400.000 Einwohner in
Niederösterreich, wenn ein Blatt pro Einwohner über den Computer erfaßt werden müßte, dauert dies
für ganz Niederösterreich etwa 300.000 Minuten, das sind 5000 Stunden. Ein Jahr hat 8000 Stunden,
das bedeutet etwa ein Jahr Zweischichtbetrieb, durchgehend in 12 Arbeitsstunden, und eine
vollständige Anlageblockierung. Man kann also sagen, das wollten wir nicht, es hätte etappenweise
vorgegangen werden müssen und vorerst nur jene Gemeinden, die sich hierzu bereit erklären,
eingespeichert werden können. Das eine Beispiel zeigt schon, daß man hier sicherlich nicht den
richtigen Weg einschlägt, sondern wiederum verkehrt geht. Sie haben auch gestern bemerkt, daß
diese Anlage schon wieder überholt ist, und daß sicherlich auch der Generationswechsel derart
schnell ist, daß man sich auch in dieser Hinsicht im nächsten Jahr wieder Gedanken machen müßte.
Erinnern Sie sich noch daran, daß ich Sie vor Jahren darauf aufmerksam gemacht und gemeint halbe,
man müßte hier sehr vorsichtig sein und die Anlage nicht ankaufen, sondern mieten.
(Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Aber Herr Kollege! Vier Jahre Mietpreis ist gleich Kaufpreis
und sechs Jahre Arbeitskraft!) Ob die Amortisation da ist, ist die zweite Frage, das müßte auch noch
überprüft werden. Herr Landeshauptmannstellvertreter, jeder Fachmann wird Sie bestimmt in dieser
Hinsicht aufklären. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Der IBM-Fachmann und der UNIVAGFachmann, weil sie ein Geschäft machen wollen!) Aber die sagen ja nicht, Sie sollen sie kaufen,
sondern Sie sollen sie mieten, weil es wirtschaftlicher ist. Wir reden ja nur vom Wirtschaftlichen, daher
brauchen Sie sich darüber nicht aufzuhalten. (Landeshauptmann Maurer: Auch das hat die Regierung
einstimmig beschlossen!) Ja gut, das sagt aber noch lange nicht, daß man in der Zukunft weiterhin so
vorgehen sollte. Sehen Sie, das sind also die Schwächen. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig:
Da wird alles einstimmig beschlossen und dann wird alles kritisiert! - Zweiter Präsident Binder: Ich
würde vom Rednerpult aus berichtigen, wenn hier falsch argumentiert wird.) Wenn wir etwas kritisch
bemerken, ist Ihnen das nicht recht; dann kommen Sie und sagen belehrend, wir hätten nur dieses
und jenes gehört. Ich glaube, daß nicht wegdiskutiert werden kann, daß die Daten ins Ausland
transferiert wurden, ohne daß die notwendige Aufsicht erfolgte. Das kann man nicht wegdiskutieren.
Das Land hat hier in einer Weise versagt, die wirklich als fahrlässig bezeichnet werden kann. Es
handelt sich ja bei den Testgemeinden nicht nur um Amstetten, es handelt sich auch um Ernstbrunn,
Hainburg und Klosterneuburg. Ob von diesen Gemeinden nicht auch noch Daten ins Ausland
transferiert wurden, das weiß ich nicht. (Landeshauptmann Maurer: Schon wieder Anschuldigungen.
Sie werden vor Anschuldigungen und Beleidigungen nicht fertig!) Aber ich stelle die Anfrage, ob dies
geschehen ist. Das müßten Sie, Herr Landeshauptmann, wissen. (Landeshauptmann Maurer: Stellen
Sie diese ordnungsgemäß. Ich bin bereit, Antwort zu geben!) Na, das habe ich ja gerade getan. Ich
habe es gerade getan. (Abg. Dr. Bernau: Sie verdächtigen nur!) Das ist keine Verdächtigung, das sind
Fakten, das können Sie nicht hinwegdiskutieren. Die Daten sind ins Ausland gekommen. (Abg.
Romeder: Was ist denn das, was in der Zeitung steht? - Unruhe - Präsident Dipl. Ing. Robl gibt das
Glockenzeichen.) Von Amstetten wissen wir es genau, andere Testgemeinden sind miteinbezogen, es
handelt sich um Ernstbrunn, um Hainburg und um Klosterneuburg. Ich weiß nicht, ob von diesen
Gemeinden nicht auch Daten transferiert wurden. (Landeshauptmann Maurer: Verdächtigungen
wurden genug ausgesprochen!) Das müssen Sie wissen und ich frage Sie. Das ist keine
Verdächtigung, keine Verleumdung, sondern eine Frage. Ich glaube, die müßte doch gestattet sein.
Meine Damen und Herren, nichts konnte widerlegt werden in dieser Hinsicht. Es wird nur bagatellisiert
und verniedlicht. Es bleibt trotzdem eine ernste Angelegenheit. Wenn ich die Worte Ihres
Bundesparteiobmannes Dr. Schleinzer noch einmal verwenden darf, geht es darum, den einzelnen
Staatsbürger vor der Anonymität der Bürokratie und den Möglichkeiten, die mit der Verwendung von
gespeicherten Daten im Zusammenhang sehen, in gebührlicher Weise in Schutz zu nehmen. Um
nichts anderes geht es dabei.
Abschließend vielleicht noch ein paar Bemerkungen zur Gesamtproblematik der Verwaltung, Herr
Abg. Buchinger. Es hat überhaupt keinen Sinn, wenn wir die Mißstände nur beklagen und nicht
versuchen, diese auch zu ändern. In unserer Landesverwaltung scheint es so zu sein, daß sich nichts
ändern darf. Ein versteinertes Verhältnis, wie wir das in Niederösterreich auch überhaupt erkennen.
Ich möchte gar nicht sagen, daß die Landesverwaltung krank ist, aber sie marodiert. Wenn man so
etwas hier erkennt, dann ist es höchste Zeit, etwas zu tun, damit eine Heilung möglich wird. Die
Landesverwaltung !braucht eine Therapie und keine Beruhigungspillen, meine Herren. Es geht in
diesen Fragen nämlich um den harten Kern der Politik, um die Wirtschaftspolitik, um die Finanzpolitik
und auch um die Personalpolitik, also um das Essentielle, um Grundsatzfragen, bei denen die
Effektivität in den Vordergrund zu rücken hat und die nicht aus Gründen der Popularität
hinwegdiskutiert werden sollten. Mit Gemeinplätzen ist in dieser Hinsicht nichts zu machen. Wir laden
Sie also neuerlich ein, zu überlegen, wie man hier künftighin vorgehen kann, damit ein Riegel
vorgeschoben wird und Mißbräuche ausgeschlossen sind. D s liegt sicherlich im Interesse aller
Abgeordneten dieses Hauses.
Zum Schluß noch zum Resolutionsantrag des Herrn Abg. Buchinger im Zusammenhang mit den
Möglichkeiten, mehr Mittel für ein ständiges Informationsorgan zu bekommen, um die Bevölkerung,
wie es heißt, in aktueller Weise besser über das Landesgeschehen zu informieren. Diesem Antrag
kann meine Fraktion nicht beitreten und nicht zustimmen. Die Vorgeschichte wird Ilhnen sicherlich
noch in bester Erinnerung sein, uns aber in schlechtester Erinnerung aus der Perspektive
Inseratenangelegenheiten und was es da sonst noch alles gegeben hat. Es wäre auch darüber erst
von der Regierung zu beraten, dann sind wir gerne bereit, über diese Angelegenheit mit Ihnen zu
verhandeln. Vorerst können wir diesem Antrag aber unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der
SPÖ.)
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Zum Wort gelangt der Abg. Buchinger.
Abg. BUCHINGER: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beitrag des Herrn
Landeshauptmannstellvertreters, aber vor allem jener des Herrn Abg. Pospischil jetzt veranlaßt mich,
noch einmal zu der gestern aufgeworfenen Frage EDV etwas zu sagen. Herr Kollege Pospischil, Sie
haben gesagt, daß uns die Situation unangenehm wäre, die Sie gestern aufgezeigt haben. Das muß
ich verneinen. Was soll uns unangenehm sein? Ich habe gestern nur versucht, einige Dinge ins rechte
Licht zu setzen, über die Sie anscheinend falsch informiert waren. Ich habe das gestern vermutet bei
den Verdächtigungen, die hier sehr offen ausgesprochen werden. Heute haben Sie es ja vermieden,
hier am Rednerpult von Spionage und so Dingen zu sprechen. (Abg. Posptschtl: Ich habe auch
gestern kein Wort davon gesagt.) Ich habe Ihnen gestern gesagt, daß der Herr Abg. Brezovszky einen
sehr deutlichen Zwischenruf gemacht hat, wobei er gesagt hat, die Spione sitzen hier im Haus. Wenn
Sie heute die Zeitungen verfolgen, Ihre Arbeiter-Zeitung und auch den Kurier, so liegt das ja auf der
Richtung, die wir gestern vermutet haben. Ich weiß schon, daß es momentan sehr populär ist, solche
Dinge zu verkaufen. Sie haben bei Ihren Fraktionskollegen in Deutschland sicherlich gute Erfahrungen
gesammelt, daß sich diese Dinge pressemäßig auswerten lassen bzw. daß sie von der Presse sehr
gern genommen werden. Das war anscheinend die Absicht. Herr Abg. Pospischil, es liegt die
Vermutung nahe - ich kann das nicht beweisen -, daß Sie die Presse bereits vor Ihrer Rede über diese
Dinge informiert haben. Ich sage nur, es liegt die Vermutung nahe. Und sehen Sie, Sie müssen sich
einig werden mit Ihrem eigenen Organ, mit der Arbeiter-Zeitung, über Ihre Aussagen hier und das,
was dort geschrieben wird. Sie haben heute wieder etwas in Zweifel gestellt und zum Beispiel gesagt,
es gäbe noch immer keine Landesdatenbank. Lesen Sie bitte in der heutigen Arbeiter-Zeitung nach,
hier wird sehr wohl auch von einer Landesdatenbank geschrieben. Da muß man die Dinge ein
bißchen klarer formulieren und nicht der Bevölkerung da und dort immer wieder etwas hinwerfen,
wodurch bei vielen ein falscher Eindruck entsteht, weil man dann nicht weiß, was wirklich vorhanden
ist. Und ich bleibe bei meiner Behauptung von gestern, daß Sie die Leistungen der Bediensteten, die
in dieser Abteilung arbeiten, hier heruntergekanzelt haben. Ich bleibe bei dieser Behauptung. (Beifall
bei der ÖVP.)
Und sagen wir doch nicht, die Wohnbauförderung, die Erstellung der Listen usw., das ist nichts. Hier
sind vom Land Programme erarbeitet worden, die es sonst nirgends gibt. Sie sind hier erarbeitet
worden, mit all den Fehlern - die habe ich gestern ja nicht abgestritten -, die es überall gibt, auch im
Bundesrechenzentrum. Selbst mit all den Fehlern wird aber doch zum Vorteil der Landesverwaltung
und nicht zuletzt der Bürger in diesem Land gearbeitet. Ich habe auch gestern klargestellt, daß man
sicherlich über eine bessere Ausnutzung, über eine bessere Rentabilität, sprechen kann, daß sich
aber auch darüber die Fachleute nicht einig sind. Ich halbe das, glaube ich, gestern sehr deutlich
gesagt und brauche mich also hier nicht wiederholen.
Ich darf nur noch eines zu dem sagen, was Sie heute zum Unterschied von gestern ein wenig besser
umschrieben gebracht haben: „Daten transferiert ins Ausland.“ Das kling so ungeheuer anrüchig, muß
ich sagen. Der Herr Landeshauptmann hat es ja heute mehr oder weniger bestätigt, daß auf Grund
eines Regierungsbeschlusses - so genau wußte ich gar nicht, was in dem Regierungsbeschluß steht,
weil mir das ja nicht zugänglich ist, aber er wurde heute vorgelesen -, daß also am 7. 5. 1974 zwecks
Erstellung von Formularen über das Einwohnermeldewesen auf dem Belegleser CDC 955 in Paris
Versuche gemacht wurden. Herr Abg. Stangl, Ihre Regierungsmitglieder müssen diesen Antrag sehr
oberflächlich gelesen und zugestimmt haben; daß da nicht einer gefragt hat, welche Formulare schickt
man nach Paris? Das wundert mich, da bezweifle ich, daß lhre Regierungsmitglieder sich solche
Dinge sehr ernst anschauen. Wenn man also Bedenken gehabt hätte, daß hier Daten transferiert
werden, dann machen Sie bitte nicht dem Landeshauptmann den Vorwurf der Fahrlässigkeit, dann gilt
er für die gesamte Regierung, auch für Ihre Mitglieder. (Beifall bei der ÖVP.)
Eines aber glaube ich bestimmt und habe das gestern auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht:
Hätte man diese Versuche nicht gemacht, Herr Abg. Pospischil, wären Sie wahrscheinlich der erste
gewesen, der hier an dieser Stelle gesagt hätte, daß es noch viel billigere, viel bessere Methoden gibt.
Man hätte sich auf irgendeine Firma geeinigt und Sie häuten sicherlich wieder solche Vorwürfe
gemacht. Ich sage noch einmal, man kann über verschiedene Dinge reden, ich halte es aber für
richtig, vor solchen großen Investitionen sich mehrere Möglichkeiten anzusehen, unter anderem auch
Geräte, die in Österreich zu dieser Zeit nicht zur Verfügung gestanden sind. Damals hat es nur das
System einer Firma hier in Österreich gegeben. Um auch Systeme anderer Firmen zu erproben,
mußte man ins Ausland gehen.
Herr Abg. Pospischil, ich bitte auch zu verstehen, daß ich auf das, was ich gestern vom
Bundesrechenzentrum und anderen Dingen gesagt habe, nicht mehr eingehen will, um nicht da und
dort andere Beamte auf Bundesebene in Schwierigkeiten zu bringen. Nehmen Sie aber zur Kenntnis,
daß solche Versuche immer wieder auch im Ausland gemacht werden, wobei unseren Beamten
genauso wie jenen auf Bundesebene natürlich die Vorsicht geboten ist, diesen Vorgang persönlich zu
überwachen. Ich habe gestern sehr deutlich gesagt, daß ein Beamter von hier mitgefahren ist und daß
in Paris die Versuche unter Aufsicht dieses Beamten durchgeführt wurden. Jetzt, wo diese Maschine
in Wien steht, geschieht das hier in Wien. Ich hoffe, Sie verdächtigen nicht die Landesregierung, daß
durch eine Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wien vielleicht ein anderes Land oder irgendwer sonst
die Unterlagen des Landes Niederösterreich bekommt. (Abg. Stangl: Es ist ja ein Unterschied
zwischen einem anderen Bundesland und dem Ausland!)
Ich glaube auch, Herr Abg. Pospischil, daß man den Firmen nichts Gutes zutraut, egal wie sie heißen
mögen, ob jetzt IBM oder UNIVAG oder sonstwie. Ich glaube, daß das Weltfirmen sind, denen man
soviel Vertrauen entgegenbringen muß, daß bei Ausführung eines Auftrages dort auch die
entsprechende Sicherheit gewährleistet ist. Ich glaube, daß das bei Firmen, die in der ganzen Welt
arbeiten, zweifellos gegeben ist. (Abg. Pospischil: Es ist nicht erlaubt, es ist gegen das Gesetz!) Ich
möchte lhnen jetzt gar nicht sa)gen, welche Aufträge Ihr Bautenminister in dieser Richtung da und dort
gegeben hat. Ich möchte nicht überprüfen, ob die Bundesregierung davon informiert wurde. (Abg.
Pospischil: Das ist eine Verdächtigung!) Ich mache das nicht zum Vorwurf. Ich habe Sie nur gestern
gebeten und darf das heute noch einmal tun - leider ist es schon draußen -, schaukeln wir diese
Dinge, die hier vollkommen unsachlich begründet wurden, nicht so hoch und verurteilen wir nicht
Beamte, wenn die Vorwürfe vollkommen danebengehen. Ich darf Sie noch einmal bitten, die Dinge im
Interesse des Landes ein wenig ernster zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Als nächster Redner kommt der Herr Landeshauptmannstellvertreter
Ludwig zu Wort.
LANDESHAUPTMANNSTELLVERTRETER LUDWIG: Sehr verehrter Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich mit der Computeranlage nicht auseinandersetzen,
sondern nur feststellen, daß das Land Niederösterreich und das Land Steiermark die ersten
Bundesländer waren, die im Jahre 1959 solche Computeranlagen angekauft haben und seither mit
diesen Anlagen, die immer wieder ausgetauscht wurden, arbeiten. Hierzu eine Erklärung: Wir haben in
der Regierung einstimmig den Ankauf beschlossen. Ich stehe dazu, weil die seinerzeitigen
Berechnungen ergeben haben, daß eine vierjährige Miete den Kaufpreis erreicht. Die derzeitige
Anlage, Herr Kollege Pospischil, ist bereits das siebente Jahr in Betrieb. Sie hat sich also mehr als
bezahlt gemacht und wir werden im nächsten Jahr über eine neue Anlage zu reden haben. Ob dann
Miete oder Kauf erfolgen wird, kann. ich noch nicht sagen, darüber wird sicher wieder die Regierung
beraten und beschließen. Soviel dazu, mit allem anderen will ich mich nicht auseinandersetzen.
Ich möchte nur zu den Ausführungen unseres Kollegen Binder einiges sagen, der sich gestern mit der
Gemeindeproblematik auseinandergesetzt hat, ebenso wie andere Damen und Herren hier im Hohen
Hause. Es ist sicher erfreulich, daß sich die Abgeordneten mit den Gemeindeproblemen
auseinandersetzen, weil wir wissen, daß alle Niederösterreicher, die jetzt in 560 - seinerzeit 1652 Gemeinden wohnen, ein Anrecht auf Verbesserung der Infrastruktur in ihrer Gemeinde haben. Ich
möchte aber gleichzeitig darauf hinweisen, daß die Aufgaben der einzelnen Gebietskörperschaften im
Finanzverfassungsgesetz geregelt sind. Das Finanzverfassungsgesetz besagt, welche Aufgaben von
den Gemeinden, welche Aufgaben von den Ländern und welche Aufgaben vom Bund zu lösen sind.
Damit die Gebietskörperschaften ihre Aufgaben lösen können, wird ein Finanzausgleich
abgeschlossen und den Gebietskörperschaften an Hand dieses Finanzausgleichs hierfür Geld zur
Verfügung gestellt. Wenn man nun feststellt, daß die Gemeinden zuwenig Geld haben, dann muß man
sich zusammensetzen und diese Problem neu überdenken und neu beraten.
Ich habe gestern ja auch in meiner Budgetrede gesagt, \daß die Schuldenlast die Gemeinden drückt,
aber es kann nicht allein die Aufgabe des Landes Niederösterreich sein, hier helfend einzugreifen. Wir
tun es. Ich habe in meiner Budgetrede weiter gesagt, setzen wir uns zusammen, besprechen wir diese
Probleme und finden wir einen Weg. Aber wenn hier erklärt wird, 50% der Landesumlage sollen wir in
den GIF geben und 50% für die Schuldentilgung, dann sage ich, bitte, nein. Nein deswegen, weil wir
im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen den Gemeinden die Landesumlage angeboten haben,
und zwar im Tausch gegen die Gewerbesteuer. (Abg. Lechner: Das glaube ich!) Die Gemeinden und
die Gemeindeverbände, Städtebund und Gemeindebund, haben dieses Angebot abgelehnt und die
Länder haben dann letztlich auf 2% der Landesumlage zugunsten der Gemeinden verzichtet. Bis zum
1. Jänner 1973 hat die Landesumlage nämlich 14,5% betragen, ab 1. Jänner 1973 beträgt sie 12,5%.
Warum wird nun die Landesumlage eingehoben? Damit in diesem Bundesland eben Strukturpolitik
betrieben werden kann, damit in erster Linie den schwächeren Gemeinden geholfen werden kann.
Dies ist, glaube ich, in den letzten Jahren auch immer wieder geschehen. Ich bitte daher um
Verständnis, wenn ich bezüglich der Landesumlage nein sagen muß. Ich mache aber ein ganz faires
Angebot: Sollte ein mehrheitlich sozialistisch geführtes Land, Burgenland oder Kärnten, bereit
sein, die Landesumlage den Gemeinden zu geben, dann stellt auch Niederösterreich diese Beträge
den Gemeinden zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.) Dieses Angebot liegt fair auf dem Tisch, ich
habe das immer wieder gesagt. Solange aber gerade von diesen Ländern immer erklärt wird, bei einer
einheitlichen Landespolitik zu bleiben, kann auch der Finanzreferent eines mehrheitlich ÖVP- (Abg.
Stangl: Die Forderungen geben nur an den Bund!) orientierten Landes nicht ausspringen. (Abg.
Stangl: Präsident Reiter bat die Forderungen an den Bund gestellt! - Abg. Steinböck: Ihr stellt sie nur
an das Land!) Nicht Bund, gemeinsam bitte!
Darf ich zweitens sagen, daß ich bei den Finanzausgleichsverhandlungen lange Zeit dabei war,
ebenso Freund Binder, er ist jetzt leider nicht da. Wenn die neun Bundesländer nun bei dieser
Verhandlungsrunde ein positives Ergebnis erzielt haben, dann bekenne ich mich dazu, jawohl. Wir
haben 600 Millionen Schilling klingende Münze in die Länderkassen gebracht, und es war sicher ein
Erfolg. Die Gemeinden haben dafür gewisse Zusagen, Biersteuer-, Grundsteuererhöhungen usw., mit
nach Hause gebracht. Gestatten Sie aber, auch ein offenes Wort. Der Herr Bürgermeister von Linz,
Hillinger, hat als Führer des Städtebundes erklärt, man sei nicht gewillt, sich von den Ländern
vertreten zu lassen, indem er sagte, wir lassen uns nicht von den Ländern bevormunden, wir werden
unsere Wünsche selber präzisieren. Auch ein offenes Wort. Und da habe ich dem Finanzminister
Androsch zu dieser Vorgangsweise meinen Glückwunsch ausgesprochen. Ich hätte es auch nicht
anders getan, denn man muß doch versuchen, da wenn zwei gegen einen marschieren, einmal die
zwei auseinanderzubringen, und das ist gelungen. Daher darf man heute, meine sehr verehrten
Damen und Herren, nicht nur auf das Land losgehen. (Abg. Stangl: War da der Reiter auch dabei?)
Ich habe gesagt, Städtebund und Gemeindebund, auch Freund Binder war dabei. Reiter war auch
dabei, jawohl.
Verehrte Damen und Herren, ich habe in meiner Budgetrede - ich glaube auf Seite 63 oder 64 - auch
angeboten, das Land sei bereit, über gewisse Probleme der Gemeinden zu reden, gewisse Konzepte
zu erstellen. Wir sind aber auch bereit, finanziell helfend einzugreifen. Aber dieses helfende Eingreifen
kann erst geschehen, wenn wir gemeinsam ein Konzept zustande gebracht haben.
Und dann, verehrte Damen und Herren, auch ein Wort zur Sozialhilfe. Das Sozialhilfewesen ist bis
zum 1. Juli 1974 in erster Linie von den Bezirksfürsorgeverbänden gehandhabt worden. Wir haben
uns dazu bekannt, daß die Sozialhilfe auf ein neues Fundament gestellt werden soll. Und im Zuge der
Beratungen ist auch fixiert worden, daß es in Zukunft hinsichtlich der Sozialhilfe höhere Leistungen
geben soll. Diese höheren Leistungen, die wir im Landtag gemeinsam beschlossen haben, kosten
mehr Geld und dieses Geld muß auf gebracht wenden. Das Land Niederösterreich, verehrte Damen
und Herren, hat hierzu einen Beitrag geleistet. Wir haben erstens einmal die Kosten des Personals
übernommen. Bitte nachzurechnen, etwas mehr als 50 Millionen Schilling haben wir damit für die
Gemeinden übernommen. Wir haben uns zweitens bereit erklärt. bei der Errichtung und dem
Ausbauaufwand mitzuhelfen; bis zum 1. Juli haben die Gemeinden allein die Mittel für den Augbau
und für die Modernisierung der Altenheime aufgebracht. Wir leisten nun 30%, das heißt, das Land
Niederösterreich steuert sehr viele finanzielle Mittel zur weiteren Lösung dieses Problems bei. Wir
hören nun, daß es zusätzliche Belastungen gewisser Gemeinden gibt. Es gibt aber auch Entlastungen
verschiedener Gemeinden, denn wir haben eine einheitliche Sozialhilfe in diesem Lande eingeführt.
Die Sozialhilfe soll nicht in Zwettl oder Gmünd deswegen schlechter sein als in Mödling, Baden oder
Wiener Neustadt, weil vielleicht Gelder fehlen. Die Finanzkraft im nördlichen Niederösterreich ist
geringer als im südlichen Niederösterreich, daher gibt es auch hier einen Ausgleich.
Hierzu wieder ein faires Angebot. Warten wir einmal den Rechnungsabschluß 1974 ab - erst dieser
Rechnungsabschluß 1974 wird uns konkrete Ziffern und Zahlen zeigen -, und treten wir dann in
Verhandlungen darüber ein, was zu geschehen hätte. Aber jetzt zu sagen, 50% ist Land, 50% nur die
Gemeinden, das ist eine Behauptung oder eine Forderung, die zur Zeit durch nichts erwiesen ist.
Daher bitte ich auch hier um Verständnis, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Der Landeshauptmannstellvertreter Czettel hat hier die Entwicklung der Verschuldung des Landes
und der Gemeinden aufgezeigt. Die Verschuldung des Landes ist, glaube ich, allen Damen und
Herren bekannt. Wir sind sehr glücklich - ich sage es als Finanzreferent -, daß diese Verschuldung
derartig niedrig ist, weil wir nur geringe Mittel für die Darlehenstilgung und den Zinsendienst
benötigen. Aber ich erinnere mich sechs Jahre zurück, Herr Kollege Brezovszky, da haben Sie nicht
gesagt, der Ludwig hat viel Geld, da haben Sie gesagt, Sie haben die meisten Schulden im Reigen
der Bundesländer. Habe ich die wenigsten, ist es auch nicht recht. (Abg. DY. Brezovszky: Ich habe
gesagt, daß der Androsch die Gelder verteilt!) Dazu muß ich auch erwas sagen. Besagte Gelder sind
die Steuergelder der Österreicher. Androsch gibt aber die Gelder nicht nur dem Land
Niederösterreich, sondern allen neun Bundesländern.
Niederösterreich ist es gelungen, seine Schulden abzubauen. Ich lese die Zeitungen und kenne die
Vergleiche mit den anderen Bundesländern. Dort steigen sie. (Abg. Dr. Brezovszky: Gar nicht so
hoch!) Also ich weiß nicht, irgendwas stimmt da nicht in der Aussage. Zweitens, Herr Kollege:
Androsch der Münzreiche gibt das Geld den Ländern, aber er gibt es ja auch den Gemeinden, warum
geht es den Gemeinden so schlecht bei dieser guten Wirtschaftspolitik? (Zwischenruf: Zu wenig!)
Richtig, es ist zu wenig. Da bin ich dafür, den Gemeinden ist es zu wenig. (Abg. Romeder: Der
Münzreiche!)
Sie haben gesagt, Sie hätten so einen polemischen Finanzreferenten noch nie gesehen. Die Gelder
des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind so eng verflochten, daß man sich als Finanzreferent
mit dieser Problematik, Herr Kollege, auseinandersetzen muß. Und ich tue es sehr kritisch und hätte
mich gestern wirklich sehr gefreut, wenn Sie das auch getan hätten. Sie haben es aber nicht getan,
sondern Sie haben uns Withalm-Zitate verlesen untd haben Wedel-Briefe vorgezeigt und so weiter.
(Abg. Stangl: Ist das so peinlich?) Es ist nicht peinlich, ich bringe es ja. (Abg. Anzenberger: Das hat
mit dem Brief nichts zu tun!) Es wäre sinnvoller gewesen, sich mit der wirtschaftlichen Situation dieses
Landes zu beschäftigen. Herr Kollege Brezovszky, ich möchte Ihnen auch antworten. Sie haben
gesagt, der Ludwig kriegt immer mehr Macht. Ich bin gerne bereit, sofort manches abzugeben, denn
diese Kompetenzen, die sich bei mir angehäuft haben, kosten sehr viel Arbeit. Wir beschließen ja
vielleicht demnächst eine Landesverfassung. Vielleicht könnten Sie mir helfen, viele Kompetenzen
abzugeben. Ich bin gerne bereit, auf viele dieser Kompetenzen zu verzichten, um mich anderem zu
widmen. Und jetzt, verehrte Damen und Herren, vielleicht noch ein Wort zu den Gesellschaftsformen.
Kollege Czettel, ich bin nicht ganz Deiner Meinung, und zwar deswegen, weil ich glaube, daß wir auch
in der Zukunft draußen in den Gemeinden zusätzliche neue moderne Mittel 'anwenden müssen, um
die Probleme lösen zu können. Denn warum hat zum Beispiel Wien die ganzen Betriebe aus der
Hoheitsverwaltung herausgeschält und in eine Holding gageben? Damit sie zusätzliche Mittel
aufwenden kann. Zweitens ist die Privatwirtschaft ja bereit, mitzuhelfen, auch in Niederösterreich
zusätzliche Probleme zu lösen. Aber die Privatwirtschaft will nicht allein das Risiko tragen und daher
sagt sie: Gründen wir eine Gesellschaft, wir geben privat das Geld hinein und helfen mit, diese
einzelnen Projekte zu verwirklichen. Warum hat es in Deutschland das deutsche Wirtschaftswunder
gegeben? Gerade weil viele deutsche Gemeinden diesen Weg mit den Gesellschaften gegangen sind
und dadurch die Probleme gelöst haben. Ich glaube daher, daß wir auch dieses Problem gemeinsam
durchdiskutieren sollten, um auch dadurch bei der Lösung der einzelnen Probleme in diesem Land
einen Schritt weiter zu kommen. Es wird Gemeinden geben, wo diese Gesellschaftsbeteiligung
abzulehnen ist. Es wird sie sicher geben. Aber es wird ebenso sicher Gemeinden geben, wo wir sie
begrüßen sollen, damit zusätzliches Privatgeld hineinkommt, damit dieses Privatgeld auch mithilft,
einzelne Bautätigkeiten voranzutreiben. Denn eines, glaube ich, dürfen wir nicht: Die Probleme nur
von der Warte einer Aufsichtsbehörde sehen. Wir müssen sie, glaube ich, gemeinsam auch von der
privatwirtschaftlichen (Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Verschuldung!) Seite sehen. Und wenn
wir das tun, werden wir einen Schritt weiterkommen.
Also noch einmal: Das Land ist bereit, seinen Gemeinden über die Milliarde hinaus zusätzlich zu
helfen, aber zuerst ein gemeinsames Konzept auf den Tisch und dann, bitte, lösen wir die Sachen.
Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)
PRÄSIDENT DIPL. ING ROBL: Zum Wort gemeldet ist der Herr Landeshauptmann Maurer.
LANDESHAUPTMANN MAURER: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man
die gestrigen Ausführungen des Herrn Abg. Pospischil verfolgt hat, dann könnte man eigentlich über
den Verlauf derselben tief erschüttert sein. Hier werden einfach brave Beamte des Landes
Niederösterreich beschuldigt. Jawohl, sie wenden hier am Rednerpult von einem immun gestellten
Abgeordneten beschuldigt, daß ein Offizier wissen müßte, welche Vorgangsweise er dem Ausland
gegenüber an den Tag zu legen hätte. Das scheint mir Beschuldigung genug zu sein, um im
Zivilrechtsweg Maßnahmen zu ergreifen, darf ich das ganz offen hier sagen. Aber hier steht man unter
dem Schutz der Immunität und kann sich, so gesehen natürlich, solche Äußerungen leisten, ohne den
Beweis zu erbringen, wie stichhältig sie sind, ohne den Beweis zu erbringen, daß sie überhaupt
stichhältig sind. Ich verweise hierzu auf die Antwort des Herrn Abg. Buchinger, der gestern und heute
in sehr eingehender Weise dargelegt hat, wie die Dinge wirklich vollzogen wurden. Natürlich steht es
jedem Abgeordneten zu, die EDV-Anlage Niederösterreichs negativ zu beurteilen. Im Rahmen einer
sachlichen Kritik kann er das zum Ausdruck bringen, und wenn er überzeugt ist, soll er auch zum
Ausdruck bringen, daß es besser gemacht werden könnte, daß man andere Maßnahmen ergreifen
könnte und daß man noch Zusätzliches tun könnte oder in manchen Belangen zuviel getan hat.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Anschuldigungen aber, die der Abg. Pospischil den braven
niederösterreichischen Beamten zuteil werden ließ, die weise ich eindeutig und entschieden zurück.
(Beifall bei der ÖVP.)
Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob es zweckmäßig ist, eine Anlage zu kaufen oder diese
Anlage zu mieten. Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, Hohes Haus, daß wir in der Regierung sehr lange
diskutiert haben, als diese EDV-Anlage gekauft wurde. Wir haben damals die Zweckmäßigkeit eines
Kaufes einer Miete gegenübergestellt, und uns letzten Endes auf Grund der
Sachverständigengutachten einstimmig dafür entschieden, diese Anlage käuflich zu erwerben, und
zwar auch deshalb, weil wir im Anfangsstadium der Entwicklung unserer EDV-Erfahrungen standen.
Wir haben diese Anlage als groß genug erachtet, um sie erst dann, wenn der Kaufpreis in fünf Jahren
abgeschrieben ist, durch eine bessere, größere zu ersetzen.
Im Rahmen der negativen Beurteilung der EDV-Anlage und der Beschuldigung von Beamten sind hier
verschiedene Zwischenrufe gefallen. „Spione sind im Haus“, wurde hier geäußert. Ich weiß auch nicht,
ob es richtig ist, hier vom „Kaiser von Österreich“ zu sprechen, Herr Landeshauptmannstellvertreter
Czettel. (Ruf bei der SPÖ: Von Niederösterreich!) Ich glaube, ich habe mich nicht verhört.
Landeshauptmannstellvertreter Czettel hat hier gesagt „Kaiser von Österreich“, so halbe ich es gehört.
Mag sein, daß ich mich verhört habe. Aber diese Ausdrucksweise ist mir ja nicht neu, es wurde ja hier
schon zum Ausdruck gebracht, die Krone müßte vom Kopf gerissen werden und verschiedenes
anderes mehr. (Zwischenrufe und Unruhe bei der SPÖ. - Präsident Dipl. Ing. Robl gibt das
Glockenzeichen.) Bitte, ich habe damals gesagt, ich habe noch nie eine Krone auf dem Haupt
getragen. Ich bin auch kein Kaiser von Usterreich oder Niederösterreich. (Abg. Lechner: Nur ein
Erzherzog!) Davon bin ich weit ennfernt. Aber eines, meine sehr geehrten Herren von der linken
Reichshälfte, die Bevölkerung von Niederösterreich hat ihr Votum gegeben über diese Angelegenheit.
Ich glaube, dies sollte demokratisch zur Kenntnis genommen werden. Es scheint aber nicht so zu
sein. (Beifall bei der ÖVP.)
Es wurde hier davon gesprochen, daß der Computer widerrechtlich verwendet wird. Meine Damen
und Herren, ich darf ganz offen sagen: Ja, ich glaubte und ich glaube es heute noch, daß ich als
Wahlleiter befugt war, diese Inanspruchnahme des Computers für das Land vorzunehmen, weil es
galt, einen Versuch zu machen, das erstemal in diesem Lande, eine Hochrechnung vorzunehmen,
und weil die ganzen Vorbereitungen mit allem Drum und Dran im Rahmen der normalen Dienstzeit
erfolgt sind und sonst nichts. Und weil ich am Wahltag der Presse offiziell die jeweiligen Ergebnisse
bekanntgegeben habe. (Abg. Lechner: Herr Landeshauptmann, versuchen Sie es das nächste Mal
auch wieder?) Ich habe gar nichts daran gefunden, das darf ich ganz offen sagen, ohne mich
entschuldigen zu wollen. Ich habe nichts daran gefunden, daß man eine solche Anordnung trifft. Ich
bin erstaunt, daß man an einer solchen Maßnahme überhaupt Kritik übt, und ich glaube sogar, daß es
die Pflicht eines Wahlleiters ist, solche Versuche vorzunehmen, wenn die Möglichkeit hierzu besteht.
Das darf ich also dazu sagen und ich wiederhole: Ich fühle mich heute noch befugt dazu, weil es ein
Ressort ist, das mir untersteht, und weil ich glaube, daß man solche Anordnungen auch wirklich
treffen kann. Aber sehen Sie, es werden ja immer wieder Behauptungen in den Raum gestellt. Es sind
hier auch Aussprüche gefallen, was man der ÖVP noch alles zahlen soll. Die Hochrechnung war nicht
für die ÖVP, sondern für das Bundesland Niederösterreich, in meiner Eigenschaft als Wahlleiter
dieses Landes.
Jetzt darf ich zurückerinnern. Die Sozialistische Partei schuldet der Öffentlichkeit und dem Roten
Kreuz noch hohe Beträge. (Beifall bei der ÖVP.) Ich habe in unserer Fernsehdiskussion, Herr
Landeshauptmannstellvertreter Czettel, klar etwas angeboten, als die Behauptung aufgestellt wurde,
30 Millionen Schilling hätte der ÖVP-Wahlkampf gekostet, ohne den Beweis zu liefern. Ich habe
angeboten, Rechnung zu lagen, einen Rechtsanwalt oder Notar, wie Sie es wünschen, zuzuziehen
und den Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Kosten und 30 Millionen dem Österreichischen
Roten Kreuz zuzuführen. Aber das Rote Kreuz wartet heute noch auf diese Beträge. (Beifall bei der
ÖVP. - Abg. Blochberger: Zahlen! - Unruhe. - Präsident Dipl. Ing. Robl gibt das Glockenzeichen.) Aber
meine Damen und Herren des Hohen Hauses - Herr Landeshauptmannstellvertreter, ich bitte
zuzuhören - es kommt noch schöner (Heiterkeit). Auch der Arbeiter-Samariterbund wartet auf solche
Beträge. Wissen Sie, was mir Herr Friedrich Reiter (Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Aber geh,
das gibt es ja nicht! Reden wir von etwas anderem! - Heiterkeit bei der ÖVP) vom ArbeiterSamariterbund in Persenbeug geschrieben hat? Ich lese vollinhaltlich vor, auch meine Antwort, sie
gehört hier mit dazu. Er schreibt mir: „Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Mit großem Interesse
habe ich die Fernsehdiskussion, die Sie mit Landeshauptmannstellvertreter Czettel geführt haben,
verfolgt. Als Sie jedoch im Lade der Sendung über die aufgelaufenen Wahlkampfkosten Herrn Czettel
eine Wette zugunsten des Roten Kreuzes anboten, war ich zutiefst betrübt.“ Und dann schreibt er
weiter, daß er gedacht hätte, daß ich auch den Arbeiter-Samariterbund mit einbeziehe (Abg.
Romeder: So überzeugt waren Sie von den Wahlkampfkosten!) in diese Wette. Ich verlese jetzt mein
kurzes Antwortschreiben, meine Damen und Herren. Ich habe diesem Obmann der ArbeiterSamariterbundstelle Persenbeug zurückgeschrieben: ,,Sehr geehrter Herr Obmann! Ich muß ehrlich
zugeben, daß ich einigermaßen überrascht war, als ich Ihr Schreiben vom 10. Juli 1974 erhielt, aber
ich bin trotzdem bereit, auf Ihren Vorschlag einzugehen. Wenn es dem Arbeiter-Samariterbund, der ja
eine der SPÖ zumindest nahestehende Organisation ist, gelingt, beim Landeshauptmannstellvertreter
Czettel durchzusetzen, daß er den Vorschlag, den ich in der Fernsehdiskussion gemacht habe,
akzeptiert, dann wird sich meine Partei gewiß damit einverstanden erklären, daß aus dem von der
SPÖ zu zahlenden Betrag auch die Rettungsstelle Persenbeug des Arbeiter-Samariterbundes
unterstützt wird.“ (Bravo-Rufe bei der ÖVP.) Ja ich gehe sogar so weit hier im Hohen Hause und sage,
daß ich gerne bereit bin und meine Partei bereit ist, den gesamten Arbeiter-Samariterbund in
Niederösterreich mit teilhaben zu lassen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich wollte nur den
Beweis führen, daß es allzu gefährlich ist, solche Behauptungen aufzustellen, die man nicht erhärten
kann und die man nicht beweisen kann. (Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Wo ist die
Hochrechnung beschlossen worden, Herr Landeshauptmann?) Bitte, in welcher Geschäftsordnung
steht es, daß solche Dinge beschlossen werden müssen? (Landeshauptmannstellvertreter Czettel:
Alles, was über 15O.000 Schilling hinausgeht, muß beschlossen werden!) Wo steht das in der
Geschäftsordnung? Ich bitte, mir das vorzuweisen. Alles, was im Rahmen des normalen
Geschäftsbetriebes durchgeführt wird, unterliegt einer solchen Beschlußfassung nicht, Herr
Landeshauptmannstellvertreter Czettel. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
(Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Wir reden in der Regierungssitzung weiter!) Ohne weiteres,
ich bin zu jeder Diskussion bereit. Das sind Anschuldigungen, die man also wirklich nicht
aufrechterhalten kann. Und jetzt wird Deine Behauptung hinsichtlich des Computers in den Raum
gestellt, wobei sich ein, Abgeordneter herstellt, wobei wahrscheinlich die Zeitungen vorher informiert
werden. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, daß zu dem Zeitpunkt, als die Zeitungen herauskamen,
die Journalisten hier gesessen sind, um das zu hören, was der Herr Abgeordnete hier gesprochen hat.
Ich kann mir das nicht vorstellen, das geht sich zeitlich mit Redaktionsschluß der Zeitungen nicht aus.
Und jetzt lesen wir mit großem Erstaunen: „Computerdaten preisgegeben!“ „SPÖ-Abgeordneter
enthüllt dem Landtag beispiellosen Schildbürgerstreich.“ Nun die zweite Zeitung, dritte und vierte, ich
könnte sie jetzt verlesen: „Bestürzung im Niederösterreichischen Landtag“, „Bestürzung in
Niederösterreich“, „Vertrauliche Daten gingen ins Ausland“.
Nun, wie sehen diese vertraulichen Daten aus? Meine Damen und Herren, der Herr
Landeshauptmannstellvertreter hat den Regierungssitzungsbogen verlesen. Ich habe nichts dagegen,
ich hätte ihn auch verlesen, er lautet vollinhaltlich: „Die Niederösterreichische Landesregierung wolle
die Teilnahme des Kommissärs Dipl. Ing. Wolfgang Weber und des Inspektionsrates Anton
Kudernatsch am ersten Lesetest - Lesetest, bitte sehr! -, der von der Gemeinde Amstetten erstellten
Formulare Einwohnermeldewesen auf dem Belegleser CDC 955 in Paris beschließen (Hinflug,
Rückflug).“ Ja glauben Sie, daß man mit leeren Formularen einen Lesetest durchführen kann? Meine
Damen und Herren von der Sozialistischen Partei darf ich Ihnen eines sagen, ich schätze Ihre
Regierungsmitglieder höher ein, als daß Sie glauben, daß man mit leeren Belegen einen Computer
speichern kann, das ist doch völlig unmöglich. (Beifall bei der ÖVP.) Und ich frage ein Zweites: Wenn
man verantwortungsbewußt in der Regierung Zweifel gehabt hätte, meine Damen und Herren
Regierungsmitglieder der Linken, warum hat [man nicht Fragen gestellt, was man mit leeren
Formularen in Paris soll? Soll damit ein Computer ausprobiert werden, das ist doch völlig unmöglich.
Ich meine, hier erhärtet sich die echte Mitverantwortlichkeit. Anscheinend, leite ich daraus ab
(Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Wir koordinieren viel zu viel!), Herr
Landeshauptmannstellvertreter, anscheinend hat man im Club die Koordinierung nicht vorgenommen,
da prescht ein Abgeordneter vor. Hätten sich die Sozialisten die Dinge vorher angesehen, dann hätten
wir uns diesen ganzen Zauber und die Diskriminierung Niederösterreichs wirklich ersparen können.
(Beifall bei der ÖVP.)
Ich muß offen sagen, ich bedaure zutiefst die Art und Weise der Argumentation, die von der
sozialistischen Seite hier vorgenommen wird. Es bestätigt leider die Annahme, daß sich die Richtung,
die wir bei der ersten Landtagssitzung hier zur Kenntnis genommen haben, in gleicher Weise weiter
fortpflanzt. Meine Damen und Herren, ob die Beschimpfungen usw., die hier vom Rednerpult aus in
der ersten Sitzung der Herbstsession des Niederösterreichischen Landtages ausgesprochen wurden,
dem Wohle der niederösterreichischen Bevölkerung dienlich sind, das wird die Zukunft lehren. Ob es
aber dem Land Niederösterreich dienlich ist, daß der Ruf des Landes auf eine solche Art und Weise
herabgesetzt wird, wie wir das hier erleben, darauf kann, glaube ich, die Bevölkerung die Antwort
geben. Diese Herabsetzung ist geschehen, das zeigen die Zeitungsberichte und die unrichtige
Information, die hier der Bevölkerung gegeben wurde.
Abschließend möchte ich Ihnen eines zu bedenken geben: Ich würde Sie ersuchen, darüber
nachzudenken, ob ein Abgeordneter, der solche Beschuldigungen ausspricht, . nicht den Mut haben
müßte, sich dafür öffentlich zu entschuldigen. (Abg. Lechner: Bei Ihnen! - Langanhaltender Beifall bei
der ÖVP.)
PRÄSIDENT DIPL. ING ROBL: Die Rednerliste ist erschöpft Der Herr Berichterstatter hat das
Schlußwort.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Ich verzichte.
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Zur Abstimmung liegt vor die Gruppe 0, Landtag und allgemeine
Verwaltung, sowie Resolutionsanträge der Abg. Wittig, Blabolil, Reiter und Buchinger. Ich lasse zuerst
über die Gruppe selbst und dann über die Resolutionsanträge abstimmen. Ich bitte den Herrn
Berichterstatter, nunmehr seinen Antrag zu der Gruppe 0, Landtag und allgemeine Verwaltung,
ordentlicher und außerordentlicher Voranschlag, zu stellen.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich stelle den Antrag, die Gruppe 0,
Landtag und allgemeine Verwaltung, mit Einnahmen im ordentlichen Teil des Voranschlages von
455,217.000 Schilling und Ausgaben von 1.543,082.000 Schilling sowie Ausgaben im
außerordentlichen Teil von 21,951.000 Schilling zu genehmigen. Ich ersuche den Herrn Präsidenten,
die Abstimmung vorzunehmen.
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL (nach Abstimmung über die Gruppe 0, Landtag und allgemeine
Verwaltung, ordentlicher und außerordentlicher Voranschlag in Erfordernis und Bedeckung):
Angenommen. Ich bitte den Herrn Berichterstatter nunmehr um Verlesung des Resolutionsantrages
des Abg. Wittig.
Berichterstatter Abg. REISCHER (liest): „Resolutionsantrag des Abgeordneten Wittig zur Gruppe 0
des ordentlichen Voranschlages.“
Abg. Ing. KELLNER: Zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Ich stelle den Antrag, nachdem die Resolutionsanträge bekannt sind, auf deren
Verlesung zu verzichten.
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Ich lasse den Antrag des Abg. Wittig deswegen verlesen, weil
getrennt abgestimmt wird, damit es dann bei der Abstimmung keine Schwierigkeiten gibt. Bitte um
Verlesung des Resolutionsantrages.
Berichterstatter Abg. REISCHER (liest): „Resolutionsantrag des Abg. Wittig zur Gruppe 0 des
ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975, Landtagszahl 12. Die
Landesregierung wird auf gefordert, im selbständigen Wirkungsbereich ...“ (Landesrat Grünzweig: Zur
Geschäftsordnung! Es wurde ein Antrag gestellt.)
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Es wurde ein Antrag gestellt und ich habe jetzt festgestellt, daß ich
diesem Antrag des Abg. Kellner Rechnung trage, Herr Landesrat. Nur in dem einen Fall, bei welchem
gestern, Herr Landesrat, Ihr Sprecher Abg. Binder den Antrag gestellt hat, getrennt abzustimmen,
lasse ich aus diesem Grunde den Resolutionsantrag zur Verlesung bringen. Ich glaube, daß wir
hierbei geschäftsordnungsmäßig richtig vorgehen. Bitte!
Berichterstatter Abg. REISCHER (liest): „Resolutionsantrag des Abg. Wittig zur Gruppe 0
des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975, Landtagszahl 12.
Die Landesregierung wird aufgefordert, im selbständigen Wirkungsbereich des Landes entsprechende
Vorsorge zu treffen sowie bei der Bundesregierung dahin zu wirken, daß gesetzgeberische
Maßnahmen mit den nachstehenden rechtspolitischen Zielsetzungen eingeleitet werden, und zwar:
1 . § 45 der Dienstpragmatik der Landesbeamten hätte auch die Amtsausübung des Bürgermeisters
miteinzubeziehen.
2. Die §§ 71 und 72 der Dienstpragmatik für die Bundesbeamten wären dem § 45 der Dienstpragmatik
der Landesbeamten im Sinne der Ziffer 1 anzupassen.
3. Auch im weiteren Dienstrechtsbereich des Bundes und des Landes wären Regelungen zu treffen,
die dem § 45 der Dienstpragmatik der Landesbeamten im Sinne der Ziffer 1 entsprechen, und
4. durch Bundesgesetz wäre eine dem § 45 der Dienstpragmatik der Landesbeamten im Sinne der
Ziffer 1 vergleichbare Regelung für die Bediensteten in der Privatwirtschaft zu treffen. Dem
Arbeitgeber müßte der aus der Dienstfreistellung entstehende wirtschaftliche Nachteil durch
entsprechende Maßnahmen, so insbesondere durch steuerliche Begünstigungen ersetzt werden.
Gleiches hätte für die Gemeindebediensteten zu gelten.“
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Abstimmung vorzunehmen.
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Ich lasse über den Resolutionsantrag des Abg. Wittig zur Gruppe 0
des ordentlichen Voranschlages, Punkt 1-3, abstimmen. (Nach Abstimmung über die Punkte 1 bis 3
des Resolutionsantrages): Angenommen. Ich lasse nun über den Punkt 4 des Resolutionsantrages
abstimmen. (Nach Abstimmung über den Punkt 4 des Antrages): Angenommen.
Somit ist der Resolutionsantrag angenommen.
Ich lasse nun über den Geschäftsordnungsantrag des Abg. Kellner abstimmen. Wer dafür ist, daß die
weiteren Resolutionsanträge der Gruppe 0 nicht verlesen werden, bitte ich um eine Zustimmung mit
der Hand. Danke.
Wir kommen daher zur Abstimmung des Resolutionsantrages 2 zur Gruppe 0 des Abg. Blabolil. (Nach
Abstimmung über diesen Resolutionsantrag): Angenommen. Resolutionsantrag 3 des Abg. Reiter zur
Gruppe 0, betreffend die Verschuldung der Gemeinden. (Nach Abstimmung über diesen Antrag):
Angenommen. Resolutionsantrag 4 des Abg. Reiter, ebenfalls zur Gruppe 3, betreffend
Wasserbautenförderungsgesetz. (Nach Abstimmung über diesen Antrag): Angenommen.
Resolutionsantrag 5 der Gruppe 0, ebenfalls des Abg. Reiter: Die Landesregierung wird aufgefordert,
bei der Bundesregierung zu wirken, daß die Gemeinden von der sogenannten Investitionssteuer nach
dem Umsatzsteuergesetz hinsichtlich jener Investitionen des Jahres 1972 vom Umsatzsteuergesetz
ausgenommen werden. (Nach Abstimmung über diesen Antrag): Angenommen. Resolutionsantrag 6
des Abg. Buchinger, ebenfalls zur Gruppe 0, betreffend den Informationsdienst. (Nach Abstimmung
über diesen Antrag): Angenommen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abg. Reischer, zu Gruppe
1, öffentliche Ordnung und Sicherheit, ordentlicher Voranschlag, zu berichten.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Hoher Landtag! Die Gruppe 1, öffentliche Ordnung und Sicherheit,
beinhaltet die Gebarung für den Zivilschutz in der Höhe von 2,400.000 Schilling. Die
Ausgabenkreditsumme steigt gegenüber dem Vorjahr um 200.000 Schilling. Ich ersuche den Herrn
Präsidenten, die Debatte einzuleiten und die Abstimmung vorzunehmen. (Dritter Präsident Reiter
übernimmt den Vorsitz.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Meine Damen und Herren, es liegt keine Rednervormerkung vor. Ich
komme daher zur Abstimmung. Ich bitte den Berichterstatter, zunächst einmal den Antrag zur Gruppe
1, öffentliche Ordnung und Sicherheit, ordentlicher Voranschlag, zu stellen.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Ich stelle den Antrag, die Gruppe 1, öffentliche Ordnung und
Sicherheit, mit Ausgaben im ordentlichen Teil des Voranschlages von 2,400.000 Schilling zu
genehmigen. Ich ersuche, die Abstimmung vorzunehmen.
DRITTER PRÄSIDENT REITER (nach Abstimmung über die Gruppe 1, öffentliche Ordnung und
Sicherheit, ordentlicher Voranschlag in Erfordernis und Bedeckung): Angenommen. Ich bitte den
Herrn Berichterstatter, zu Gruppe 2 zu berichten.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Gruppe 2 , Schulwesen,
weist ordentliche Ausgaben im Betrage von 2.959,041.000 Schilling aus, denen Einnahmen von
2.473,404.000 Schilling gegenüberstehen. Es ergibt sich sohin ein Nettoerfordernis von 485,637.000
Schilling. Diese Gruppe behandelt die Gebarungen, die sich auf die allgemeinbildenden
Pflichtschulen, berufsbildenden Pflichtschulen, berufsbildenden mittleren und höheren Schulen,
Bildstellen, Schülerheime, Kindergärten und Horte beziehen. Der prozentuelle Anteil dieser Gruppe
am Ausgabenvolumen des ordentlichen Teiles des Voranschlages beträgt 26,65%. Die
Ausgabenkredit - summe steigt gegenüber dem Vorjahr um rund 476,4 Millionen Schilling, hiervon
entfallen rund 421,9 Millionen Schilling auf den Personalaufwand und rund 54,s Millionen Schilling auf
den Sachaufwand. Während sich der Personalaufwand für die Verwaltung gegenüber dem Vorjahr um
rund 25,4 Millionen Schilling erhöht, wächst der Personalaufwand für die Lehrer um rund 396,5
Millionen Schilling an. Die Einnahmen dieser Gruppe steigen gegenüber dem Vorjahr um rund 376
Millionen Schilling. Die Steigerung entfallt im wesentlichen auf den Bundesbeitrag für die Besoldung
der Landeslehrer, die Pensionsbeiträge sowie den Bundesbeitrag zum Pensionsaufwand der
Landeslehrer. Im außerordentlichen Teil betragen die Ausgaben dieser Gruppe 12,700.000 Schilling
und im Stabilisierungsteil 40 Millionen Schilling. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Debatte
einzuleiten.
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Ich eröffne die Debatte, zum Wort gemeldet ist der Abg. Kosler.
Abg. KOSLER: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich darf als erster Sprecher zur Gruppe 2
wohl der Hoffnung Ausdruck geben, daß bei der Behandlung dieser Gruppe, so wie es in den letzten
Jahren, ja Jahrzehnten, üblich war, die Emotionen in der Diskussion weniger hochschlagen, als das
bei dieser Budgetdebatte gerade eben noch bei der Gruppe 0 der Fall gewesen ist. Geht es doch in
der Gruppe 2 um die Probleme unserer Schulen, um die Probleme der Kindergärten und all der
Einrichtungen, die damit verbunden sind.
Im Jahre 1975 werden fast 3 Milliarden Schilling für diese Gruppe 2 vorgesehen, das ist ein schönes
Stück von dem Kuchen von 11 Milliarden, das sind 26,65% des Gesamtbudgets. Wir wissen
allerdings, daß seit zwei Jahren gerade in dieser Gruppe auch die Dienstbezüge der
Pflichtschullehrer, aber auch die Ruhensbezüge der Lehrerpensionisten mitenthalten sind, also
Durchlauferposten, die eine derartige Ausweitung des Budgets und dieser Budgetgruppe mit sich
bringen. Ich darf aber feststellen, daß die 26,65% Gesamtbudgetanteil der Gruppe 2 noch immer eine
Abnahme des Anteiles um ein ganzes Prozent gegenüber dem Jahre 1974, also dam laufenden
Wirtschaftsjahr, bedeuten. Daß ein Prozent Anteilabnahme bei einem 11-Milliarden-Budget mehr als
100 Millionen ausmacht, ist rechnerisch sehr leicht feststellbar, und ich möchte das besonders
deshalb beleuchten, weil ich mir erlaubte, im Finanzausschuß den Antrag zu stellen, 100 Millionen
Schilling für die Aufstockung des Schulbaufonds zu verwenden, und dieser dort abgelehnt wunde. Ich
möchte mir insbesondere diese Feststellung gestatten, weil ich glaube, daß man, wenn eine
Budgetgruppe abnimmt, nicht von einem Schwerpunkt sprechen kann, so wie es in verschiedenen
Feststellungen und auch in der Einbegleitungsrede durch den Herrn Finanzreferenten geschehen ist.
Von der Lehrerbesoldung abgesehen, sind in der Gruppe 2 die reinen Landesausgaben nur mit 4,37%
des Gesamtbudgets deutlich geworden. Von diesen 4,37% werden 1,7% für den Verwaltungsaufwand
einschließlich der Personalausgaben des Landes, das sind ca. 200 Millionen Schilling in der absoluten
Wertung, und 2,67% für den Zweckaufwand, das sind ungefähr 300 Millionen Schilling, verwendet.
Am Pflichtschulsektor, meine Damen und Herren, hat vor allem die Reorganisation der
allgemeinbildenden Pflichtschulen durch den zehnjährigen Schulreorganisationsplan, der 1975 im
letzten Jahr seiner Realisierung stehen wird, einen vorläufigen Abschluß gefunden. Einen vorläufigen,
sage ich, weil es im Zeitalter, wo die Schulen in ihrer Gesamtheit zu reformieren sind, natürlicherweise
bei einer permanenten Schulreform auch keinen endgültigen Abschluß in bezug auf die
Schulorganisation geben kann und geben darf. Alle aus der Schulreformdiskussion gewonnenen
Erkenntnisse müssen ja zwangsläufig, wenn sie realisiert werden sollen, in der Schulorganisation
ihren Niederschlag finden. Mit dem Ende des Schuljahres 1973/74 wurden in Niederösterreich 18
weitere niederorganisierte Volksschulen stillgelegt, und eine Reihe schon stillgelegter Volksschulen
konnte aufgelassen werden, wobei es besonders erfreulich ist, daß ein Großteil dieser Schulgebäude,
die frei wurden, für die Errichtung von Kindergärten Verwendung fand.
Gestatten Sie, meine Damen und Herren, daß ich in diesem Zusammenhang bzw. in dieser
Darstellung auch etwas aufnehme, was mir als absolut negativ erscheint, nämlich die Tatsache, daß
das Raumordnungsprogramm für die Schulstandorte noch immer nicht vorliegt. Das ist unverständlich
für alle, die mit diesen Dingen beschäftigt sind, das ist aber auch auf die Dauer unzumutbar für alle
diejenigen, die in dieser Angelegenheit ihre Arbeit zu verrichten haben. Worum geht es dabei:
Vor ungefähr zwei Jahren war es, daß die Unterlagen für eine Verordnung, betreffend die
Schulsprengelbildung, vom zuständigen Fachreferat mit Unterstützung der Bezirksschulräte und des
Landesschulrates fertiggestellt waren. Nach den Bestimmungen des Niederösterreichischen
Pflichtschulgesetzes ist es ganz genau festgelegt, wie diese Sprengelbildung zu erfolgen hat. Die
Unterlagen waren für die Erneuerung der Sprengelbildung, die aus verschiedenen Gründen notwendig
geworden war, fertig und hätten der Vorbegutachtung unterzogen werden können. Unter Hinweis auf
die Normen des Raumordnungsgesetzes hat sie damals Landeshauptmannstellvertreter Ludwig an
sich bzw. an das Raumordnungsreferat gezogen, um zu dieser Materie einen entsprechenden Entwurf
eines Raumordnungsprogramms, also auch einer Verordnung, zu textieren und diese Angelegenheit
gleichzeitig mit der Sprengelbildung unter Dach und Fach zu bringen. Fraglich ist für mich, wieweit es
überhaupt möglich ist, Unterlagen, die von einem Fachreferat unter Mitarbeit von Dienststellen des
Bundes, wie es der Bezirksschulrat und der Landesschulrat als Kollegien sind, erstellt wurden, zu
ändern, noch dazu, wo es sich schließlich und endlich um Änderungen handeln muß, die mehr oder
weniger doch vom grünen Tisch aus erfolgen bzw. vom grünen Tisch aus beeinflußt werden. Die
Schulstandorte in unserem Bundesland sind schließlich nicht beiläufig entstanden. Sie unterlagen
einer geschichtlichen Entwicklung, denn die Bürgermeister, die Bezirkshauptleute und die Mitglieder
der Bezirksschulräte waren ja immer schon bemüht, die Schulstandorte an die Notwendigkeiten der
Zeit anzupassen. Ich glaube kaum, daß man in einem Ort eine Schule geführt hat, die man nicht mehr
braucht, und man wird sich kaum in irgendeinem Ort Niederösterreichs nicht bemüht haben, eine
Schule einzurichten, die man benötigt.
Fraglich ist natürlich auch, ob es auf die Dauer angeht und kollegial ist, wenn ein Mitglied der
Landesregierung, die ein Kollegialorgan ist, einem Referenten, also einem Kollegen, eine in seinem
Fachreferat bearbeitete Materie entzieht bzw. diese übernimmt, ob es auch in Ordnung ist, daß ein
Referat über das andere gestellt wird, und ob es wirklich so sein soll, wie es zu Beginn der Einrichtung
der Raumordnung befürchtet wurde, und wie es, so scheint es fast, jetzt erwiesen ist, daß ein
Superreferat über die anderen Referate gestellt wird. Fraglich ist letzten Endes auch, ob die Auswahl
der Schulstandorte tatsächlich vorwiegend raumordnungsbeeinflußt ist und ob es nicht eine Reihe
anderer Kriterien gibt, die unter Umstanden sogar wesentlicher sein können als die Prinzipien der
Raumordnung. Denn es ist sehr wichtig zu wissen und immer wieder festzustellen, daß die Errichtung
einer Schule keine einfache Angelegenheit ist und vor allen Dingen sehr viel Geld kostet. Dazu muß
auch - besonders vom Standpunkt der Gemeinde ist das zu betonen - eine entsprechende Grundlage
vorhanden sein.
Hohes Haus! Schon vor einem Jahr habe ich mir erlaubt, in dieser Angelegenheit einen Antrag
einzubringen. Einen Antrag, der damals ungefähr lautete, es solle an die ehebaldige Erlassung eines
Raumordnungsprogramms gedacht werden. Dieser Antrag ist in der Budgetdebatte für das Jahr 1974,
also vor einem Jahr, von der Mehrheit abgelehnt worden. Abgelehnt mit der Erklärung, das
Raumordnungsprogramm für die Schulstandorte würde knapp vor der Fertigstellung sein und der
Raumordnungsbeirat schon in allerkürzester Zeit damit beschäftigt werden. Ich stelle heute fest, daß
bis zur Stunde kein Raumordnungsprogramm dieser Art vorliegt und erlaube mir deshalb, neuerlich
einen Resolutionsantrag einbringen, der sich mit dieser Materie beschäftigt.
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Kosler
zu Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Anläßlich der Debatte über den Voranschlag für das Jahr 1974 wurde seitens der sozialistischen
Landtagsabgeordneten ein Resolutionsantrag eingebracht, mit welchem umgehendst die Erlassung
eines Raumordnungsprogramms, betreffend die Standorte allgemeinbildender Pflichtschulen, verlangt
wurde. Dieser Resolutionsantrag wurde von der Mehrheit mit der Begründung abgelehnt, daß eine
solche Verordnung ohnedies in Ausarbeitung begriffen sei und in Kürze dem Raumordnungsbeirat
vorgelegt werde. Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, ohne daß bisher eine solche Verordnung
erlassen oder auch nur etwas über abschließende Vorarbeiten bekannt geworden ist.
Die Landesregierung wird daher neuerlich aufgefordert, dem Niederösterreichischen
Raumordnungsbeirat umgehend ein Raumordnungsprogramm, betreffend die Standorte
allgemeinbildender Pflichtschulen, zur Beratung vorzulegen und eine entsprechende Verordnung zu
erlassen.
Ich ersuche auch die Mehrheit dieses Hauses, diesem Antrag zuzustimmen, um so mehr, als es sich
gezeigt hat, daß die Ablehnung vor einem Jahr nicht gerechtfertigt war.
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß die Raumordnung in diesem Bereich ihrer Tätigkeit so
sehr in Verzug geraten ist, hat zur Folge, daß eine Rechtsunsicherheit in der Pflichtschulerhaltung
insbesondere deshalb entstanden ist, weil eine große Anzahl von Schulsprengeln durch Verordnung
entweder umgebildet, zum Teil auch neu gebildet und zu einem großen Teil sogar im wesentlichen
verändert werden müßte. Viele vor Jahren gebildete Schulsprengel entsprechen heute deshalb nicht
mehr dem tatsächlichen Rechtszustand, weil es eine große Anzahl von Gemeindevereinigungen, eine
Reihe von Schulauflassungen und auch eine Reihe von Schulneugründungen gegeben hat. Wenn
auch da und dort dann und wann fallweise Einzelmaßnahmen durchgeführt worden sind, so genügt
dies natürlicherweise nicht, um die Angelegenheit im ganzen zu erledigen. Abgesehen davon, daß
unter Umständen eine solche Auslese gegen den Grundsatz der Gleichheit verstoßen könnte und es
absolut nicht ausgeschlossen erscheint, daß einmal eine mit diesen Dingen befaßte Stelle ein
Höchstgericht anruft. Die zuständigen Schulbehörden, so glaube ich, sollten nicht mehr weiter
behindert werden, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Das ist der Hauptgrund, warum ich um die
Annahme dieses Antrages noch einmal ersuche.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Raummangel an den Schulen, der in den letzten Jahren
einen Hauptbestandteil der Debatte in der Gruppe 2 dargestellt hat, ist, so glaube ich, feststellen zu
können, weitgehend gemildert. Auf dem Sektor der Pflichtschulen gelang dies vor allen Dingen durch
die Leistungen der Gemeinden, die mit Hilfe des Schulbaufonds erbracht wurden. Ich betone noch
einmal, daß es einer besonderen Anstrengung wert wäre, diesen Fonds durch eine besondere
Stärkung in einem bestimmten Jahr über die Geldknappheit hinwegzuhelfen. Auf dem Gebiete der
Pflichtschulen sind also die Leistungen allgemein bekannt.
Aber auch auf dem Gebiete der höheren Schulen, bei den allgemeinbildenden höheren Schulen und
bei den berufsbildenden höheren Schulen, hat sich in den letzten Jahren doch manches zum
Besseren gewandt. Ich darf in diesem Zusammenhang, weil es immer wieder vorkommt, daß von der
ÖVP in Ausübung der Oppositionsrolle auf Bundesebene und auch auf Landesebene Fakten und
Tatsachen so gerne geleugnet werden - auch in der Rede des Herrn Landeihauptmannes am 10.
Oktober ist das zum Vorschein gekommen -, insbesondere, daß es heute ein
Bundesschulbauprogramm gibt, das mit mehr als 6 Milliarden Schilling Volumen in Planung und
Realisierung im Schulbau das umfangreichste Bauprogramm ist, das es auch bei Beachtung der
Geldwertrelation jemals gegeben hat. Im Gegensatz zu der oftmals programmierten Schwarzmalerei
auf diesem Gebiet möchte ich feststellen, daß im Schuljahr 1974/75 alle Neuschüler an den höheren
Schulen in Niederösterreich untergebracht werden konnten. Sicherlich gibt es auch heute noch da und
dort einige Druckpunkte, die vorwiegend bei den berufsbildenden höheren Schulen struktureller Art
sind. Aber auch diese werden mit der Zeit überwindbar sein. Erst seit dem Jahre 1970 - auch das muß
mit aller Deutlichkeit festgestellt werden - haben sich die Unterrichtsminister, die es von 1970 bis
heute gab, mit den berufsbildenden höheren Schulen näher beschäftigt und sind dem Problem auch
nähergetreten. Vor dem Jahre 1970 war eigentlich kein Unterrichtsminister bereit, sich mit diesem
Problem eingehender zu beschäftigen und Maßnahmen auf die Beine zu bringen.
Hohes Haus! Das Berufsschulwesen ist auch bisher ein Stiefkind der Schulreform geblieben. Es
umfaßt eine besonders komplexe Materie, ist doch die Frage der Berufsschule mit den Fragen der
Berufsausbildung unseres gewerblichen und industriellen Nachwuchses überhaupt eng verbunden.
Eine Reform auf diesem Gebiete ist daher erforderlich. Weil es eine äußere, eine innere und eine im
Zusammenhang mit der Berufsausbildung stehende Reform sein muß, ist es also besonders
notwendig; sich mit diesen Problemen genau und ernstlich auseinanderzusetzen. Seit einiger Zeit
beschäftigt sich auch die Schulreformkommission beim Bundesministerium für Unterricht mit den
Fragen im Zusammenhang mit dem Berufsschulwesen sehr intensiv. Wir stehen zwar auch heute
noch am Anfang einer Entwicklung, von der wir wissen, daß sie eine \bestimmte Zeit beanspruchen
wind, aber wir können mit der Tatsache zufrieden sein, daß nunmehr auch dieses Problem angefaßt
wird. Trotzdem glaube ich, dürfen wir nicht versäumen, auch kleinere Operationen durchzuführen,
wenn sie zweckmäßig erscheinen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß unser Niederösterreichisches
Pflichtschulgesetz, so wie alle Schulgesetze, die auf dieser Linie liegen, im § 11 die Unentgeltlichkeit
des Unterrichtes in allen Schulkategorien normiert. Das Gesetz gibt aber auch in weiterer Folge die
Ermächtigung, daß gerade auf dem Sektor des berufsbildenden Pflichtschulwesens Lehr- und
Arbeitsmittelbeiträge eingehoben werden können. Je nach der Verpflichtung, die im Lehrvertrag
festgelegt wird, muß dieser Beitrag vom Lehrherrn oder, wenn diese Verpflichtung nicht aufscheint,
von den Erziehungsberechtigten, in Einzelfällen auch dann natürlich von den Lehrlingen selbst
aufgebracht werden. Meist findet sich in den Lehrverträgen keine Verpflichtung dieser Art, und so
bleibt letzten Endes die Aufbringung dieser Mittel Iden Erziehungsberechtigten und den Lehrlingen;
eine Verpflichtung, die nicht mehr in unsere Zeit paßt und die auch durch den § 11 des
Niederösterreichischen Pflichtschulgesetzes nicht gedeckt ist.
Ich erlaube mir, auch in dieser Angelegenheit einen Resolutionsantrag zu unterbreiten, der folgenden
Wortlaut hat:
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Kosler
zu Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Der § 11 des Niederösterreichischen Pflichtschulgesetzes legt die Unentgeltlichkeit des Besuches der
allgemeinbildenden und der berufsbildenden Pflichtschulen für alle Schüler fest. Für die
berufsbildenden Pflichtschulen wird jedoch dieser Grundsatz immer wieder insoweit unterbrochen, als
das Gesetz eine Ermächtigung enthält, daß an berufsbildenden Pflichtschulen ein Lehr- und
Arbeitsmittelbeitrag eingehoben werden kann. Wohl wird durch das Gesetz auch bestimmt, daß dieser
Beitrag durch jene Personen zu leisten ist, die nach dem Lehrvertrag hierzu verpflichtet sind;
tatsächlich enthalten jedoch die meisten Lehrverträge keine derartige Verpflichtung, so daß dieser
Beitrag entweder durch die Erziehungsberechtigten des Berufsschülers oder auch durch diesen selbst
geleistet werden muß.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert, in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß die durch das
Gesetz normierte Unentgeltlichkeit des Besuches auch der berufsbildenden Pflichtschulen für den
Berufsschüler auch hinsichtlich der Lehr- und Arbeitmittelbeiträge tatsächlich gewährleistet ist.
Ich ersuche auch für ,diesen Antrag um Ihre Zustimmung.
Hohes Haus! Auch der Lehrermangel - das sei noch festgestellt - hat sich in den letzten Jahren
deutlich gemildert, wenngleich ich ausdrücklich feststellen möchte, daß er damit nicht überwunden ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber ganz besonders auf einen Umstand hinweisen, der für die
bessere Entwicklung der Dinge ein Hindernis zu sein scheint.
Alle Jahre kommen in erster Linie aus den Pädagogischen Akademien in Niederösterreich und Wien
rund 400 Junglehrer zu uns in die niederösterreichischen Pflichtschulen. Alle Bezirke haben Mangel
an Lehrern. Alle Schulbezirke benötigen von Schuljahr zu Schuljahr eine bestimmte Anzahl von
jungen Lehrkräften. Alle Bezinke müssen daher auch junge Lehrer zugeteilt erhalten. Nun erscheint
folgende Tatsache bemerkenswert:
Manche Bezirke haben einen Überschuß an dort wohnenden jungen Lehrern, die tatsächlich aus dem
Bezirk stammen und dort groß geworden sind. Manche Bezinke haben einen Mangel an
bezirkseigenen jungen Lehrern, insbesondere die Grenzbezirke und natürlicherweise auch die rein
ländlichen Bezirke. Alle Jahre dieselbe Erscheinung: In feierlicher Form werden in diesem Saal, wenn
er zur Verfügung steht, oder auch im Auditorium maximum oder im Festsaal der Universität die jungen
Lehrer angelobt, und eine Reihe von Ehrengästen nimmt an dieser Angelobung teil. Sie werden
angestellt und angelobt. Und sowohl der Herr Landeshauptmann als auch vor allen Dingen der
Geschäftsführende Präsident des Landesschulrates müssen zwangsläufig in ihrer
Rede mit vielen Worten den jungen Lehrern begreiflich machen, daß sie doch ausharren mögen an
der Dienststelle, an die sie nun zugeteilt werden, weil es nicht anders geht. Im allgemeinen werden
nämlich die persönlichen Wünsche der jungen Lehrer erfüllt, man müßte förmlich sagen, solange der
Vorrat reicht. Reicht der Vorrat an gewünschten Stellen in der Stadt, in der Stadtnähe, nahe den
großen Kommunikationen, in der Nähe Wiens usw. nicht aus, dann muß aufgeteilt werden. Und das
geschieht nicht mehr nach dem Wunsch des jungen Menschen.
In diesem Augenblick, Hohes Haus, beginnt eine Berufsabwanderung. In diesem Augenblick
überlegen sich dutzende junge Menschen, die ihr Ansuchen um Anstellung abgegeben haben, ob sie
tatsächlich die Mühsal auf sich nehmen sollen, aus ihrer engeren Heimat weit weg zu gehen, an das
andere Ende des Bundeslandes, womöglich in eine Gegend, die sie nicht anspricht. Dann beginnen
sie, an die Universitäten zu gehen; dann beginnen sie, zum Bundesheer zu gehen, um Offizier zu
werden; dann gehen sie in andere Berufe; dann wandern sie in andere Bundesländer ab. Tatsächlich,
Hohes Haus, ist es doch - das, glaube ich, wird jeder einsehen und auch fühlen - ein großer
Unterschied, der hier gemacht werden muß - ich betone „muß“ -, um den Bedarf in den Bezirken zu
decken. Damit ist für denjenigen eine große Härte verbunden, der nicht mehr nach seinem Wunsch,
sondern nach der Notwendigkeit eingeteilt wird. Vor allen Dingen bedeutet diese Notwendigkeit auch
ein großes finanzielles Opfer. Denn es ist für einen einundzwanzigjährigen unverheirateten jungen
Menschen eben nicht gleich, ob er zu Hause wohnen kann, ob er in Mödling, in Wiener Neustadt, in
Klosterneuburg oder in einer anderen günstig gelegenen Stadt sein kann, oder ob er im Amstettner
Bezirk an der niederösterreichischen Landesgrenze, in einem Bezirk des Waldviertels oder sonst
irgendwo tätig sein muß, denn die Besoldung nimmt auf diese Verschiedenheiten in keiner Weise
Rücksicht. Daher wäre hier wohl ein Härteausgleich, der vor allen Dingen im Interesse des Landes
liegt, angemessen und vertretbar, so daß ich mir auch in dieser Frage erlaube, einen Antrag zu
stellen:
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Kosler
zu Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
In den letzten Jahren zeichnete sich in zunehmendem Maße in einzelnen Bezirken Niederösterreichs
ein Überangebot an ausgebildeten Junglehrern ab, dem in anderen Bezinken, insbesondere im
ländlichen Raum und im Grenzland, ein krasser Mangel an Lehrern gegenübersteht. Diese Tatsache
führt dazu, daß zahlreiche Junglehrer zum Schuldienst gegen ihren Willen in Bezirken verpflichtet
werden, die weitab von ihrem bisherigen Wohnsitz liegen. Nur allzu oft bewirkt dies in der Folge, daß
Junglehrer ihren Dienst nach kurzer Tätigkeit wieder aufgeben, um entweder in ein anderes
Bundesland oder aus dem Lehrberuf überhaupt abzuwandern. Eine Besserung dieser Situation
könnte jedoch dadurch erreicht werden, daß für die Tätigkeit von Junglehrern in weniger attraktiven
Gebieten Niederösterreichs ähnliche Anreize geschaffen werden, wie etwa vergleichsweise für die
Ansiedlung von Gemeindeärzten.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert zu prüfen, wieweit es möglich ist, für die Tätigkeit von
Junglehrern in Gebieten mit starkem Lehrermangel entsprechende Anreize zu schaffen und dem
Landtag eine diesbezügliche Vorlage zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen.
Hohes Haus! Ich ersuche insbesondere auch für diesen Antrag um Ihre Zustimmung, weil ich und
viele andere davon überzeugt sind, daß es sich hier um ein Problem eigener Art handelt, das zu lösen
wir im Lande Niederösterreich imstande wären. Selbstverständlich soll genau geprüft werden, in
welcher Form und in welcher Weise diese Prüfung erfolgen sollte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die günstige Entwicklung des Schulwesens in ganz
Österreich und in Niederösterreich verdanken wir nicht zuletzt auch der Bereitschaft unserer
Bevölkerung in bezug auf die schulreformatorischen Maßnahmen, die eine permanente Angelegenheit
in unserem Staate geworden ist. Es handelt sich um eine dauernde innere und äußere Erneuerung
unseres Schulwesens. Insbesondere durch das Mitgehen der breiten Öffentlichkeit in all diesen
Fragen ist auf diesem Gebiet eine günstige Entwicklung zustande gekommen, die auch erhalten
werden muß. In der Bildungspolitik darf es keinen Stillstand geben, denn gerade auf diesem Gebiet
würde jeder Stillstand einen Rückschritt bedeuten. Es gibt sicherlich noch viel Arbeit, die
Bildungsstrukturen in allen Teilen unseres Landes den tatsächlichen Bedürfnissen anzupassen. Aber
die Tatsache, daß die OECD als internationale Organisation unbehelligt von Regierungs- und
Oppositionsmeinung in letzter Zeit - in den Medien ist darüber berichtet worden - über das
österreichische Schulwesen sehr erfreuliche Feststellungen abgegeben hat, darf uns ein bißchen stolz
machen. Sicherlich sollen uns diese Feststellungen nicht zufrieden machen, aber die Note sehr gut,
die diese internationale Organisation ausgesprochen hat, zeigt, daß wir in der Weltschule besser sind,
als wir manchmal selbst glauben. Aus einer Tageszeitung vom 23. November 1974 entnehme ich über
dieses „Sehr gut“ folgende Zeilen: „Ein Sehr gut gab es nach Abschluß der OECD-Länderprüfung für
Osterreichs Bildungswesen. Die Experten aus Paris kamen zu der Ansicht, daß sich unser
Schulwesen ungewöhnlich rasch verbessert hat. Das Schulversuchsprogramm, in vielen Staaten nur
schleppend betrieben oder gar gescheitert, habe bemerkenswerte Initiativen gebracht, das früher
magere Stipendienwesen besonders starke Fortschritte. Einzigartig in Europa sei die seit einigen
Jahren geführte Schülerverlaufstatistik und das berufsbildende Schulwesen, wie es sich jetzt
entwickelt bat.“
Ich glaube, dieser Aussage ist kaum noch etwas hinzuzufügen, es sei denn der begreifliche Wunsch,
daß uns dieses „Sehr gut“ einer internationalen Institution auch für die Zukunft erhalten bleibe. (Beifall
bei der SPÖ.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Schober.
Abg. SCHOBER: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir
bezeichnen die Gesellschaft von heute als Bildungsgesellschaft und wissen, daß sich in unserer Zeit
eine Wissensexplosion erfüllt. Damit unsere Jugend in der heutigen Zeit bestehen und das Leben
meistern kann, sind wir verpflichtet, sie zu unterstützen und ihr alle Möglichkeiten in die Hand zu
geben. Neben dem Elternhaus, sehr geehrte Damen und Herren, und den außerschulischen
Bildungsmöglichkeiten hat unsere Schule als ganz wichtiger Bildungssektor eine wichtige und große
Aufgabe zu erfüllen. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß man dem Schulwesen sehr oft einen
Vorwurf unter folgendem Slogan gemacht hat: „Die Schule von gestern soll die Jugend von heute für
die Ausgaben von morgen vorbereiten.“ Ich bin daher der Meinung, daß die Schulreorganisation in
Niederösterreich damit aufgeräumt hat und daß es uns gelungen ist - mein Herr Vorredner hat das
betont -, daß diese auch international anerkannt wurde. Um diese Reorganisation durchführen und
das Schulwesen der modernen Zeit anpassen zu können, ist es erforderlich, daß die notwendigen
finanziellen Mittel bereitgestellt werden.
Ich möchte, sehr geehrte Damen und Herren, nicht auf Detailsummen des Budgets 1975 eingehen,
bin jedoch der Ansicht, daß die verstärkte Mittelzuteilung beim Schul- und Kindergartenfonds erwarten
läßt, daß wir wieder eine Vermehrung der Raumkapazitäten bekommen. Unsere große Sorge ist aber
- und hier darf ich auch ein Wort als langjähriger Kommunalpolitiker sprechen, der damit befaßt war, in
unserer Gemeinde auch einen viergruppigen Kindergarten zu errichten -, daß uns leider Gottes
während des Bauens die Baupreise davonlaufen. Die Steigerung, die zwischen 17 und 24% pro Jahr
liegt, läßt befürchten, daß die verstärkt eingesetzten Mittel wieder aufgesaugt werden. Es wäre wohl
zu wünschen, daß eine Stabilisierung am Baupreissektor eintritt. Ich kann mich daher nicht der
Meinung anschließen, im Budget 1975 sei keine Besserung eingetreten. Wenn wir eine Stabilisierung
am Baupreissektor erreichen, ist auch am Schul- und Kindergartenbausektor mit einer verstärkten
Raumkapazität zu rechnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sei mir im Rahmen meiner Ausführungen auch gestattet,
etwas näher auf die Schulreorganisation einzugehen und die große Leistung aufzuzeigen, die in
diesem Lande vollbracht wurde. Vor 10 Jahren wurde vom Landesschulrat für Niederösterreich
einvernehmlich mit dem Land Niederösterreich begonnen, diese Reorganisation einzuleiten. Wie war
es im Jahre 1965 mit der Situation am Pflichtschulwesen bestellt? Hatte doch das größte Bundesland
die größte Zahl der Kleinstschulen Österreichs und besuchten doch auf dem flachen Lande die
meisten Kinder die Volksschuloberstufe. Dazu kam die stark ansteigende Zahl von Schuleintretenden
und der Mangel an Hauptschulklassen an schon bestehenden Schulstandorten sowie der Bedarf an
neuen Hauptschulstandorten. Daß sich in dieser Zeit, sehr geehrte Damen und Herren, beim
Lehrpersonal bereits ein gewisser Mangel abzeichnete, darf ich nur am Rande erwähnen. Die Worte
Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit standen auf dem Programm der Parteien, obwohl wir
heute gehört haben, daß die geographische Lage dieser Chancengleichheit und -gerechtigkeit sehr oft
einen Strich durch die Rechnung macht. Es war ein hartes Stück Arbeit, das die niederösterreichische
Schulverwaltung hier zu leisten hatte, galt es doch, viele Vorurteile zu überwinden, um die Ziele der
Enquete vom Februar 1965 in die Tat umzusetzen. Zahlen haben Beweiskraft, und sie zeigen auch,
daß sich Niederösterreich hinsichtlich seiner Pflichtschulorganisation auf gesamtösterreichischer
Ebene durchaus sehen lassen kann.
Unter Ausklammerung der Schüler der neunten Schulstufe stieg die Zahl der Pflichtschüler in unserem
Bundesland von 157.452 auf 180.886, dazu kommen noch 7026 Schüler des Polytechnischen
Lehrganges, so daß im laufenden Schuljahr für 187.912 Pflichtschüler vorgesorgt werden muß.
Obwohl die Zahl der Pflichtschüler um 30.000 zugenommen hat, ist die Zahl der Volksschüler in dieser
Zeit von 108.766 auf 94.695 zurückgegangen. Das beweist, daß die Möglichkeit besteht, daß jene
Schüler, die in der Volksschule die Oberstufe besucht halben, heute eine Hauptschule besuchen
können. Besuchten damals noch 17.667 Schüler die Volksschuloberstufe, so ist deren Zahl im
heurigen Schuljahr auf 413 zurückgegangen, wobei diese 17.667 Volksschuloberstufenschüler sich
auf 23 niederösterreichische Schulbezirke verteilten, während heute nur mehr 5 Schulbezirke eine
Volksschuloberstufe führen.
Zur Verbesserung der Organisationsform der Volksschulen war aber, bedingt durch den Ausbau der
Volksschuloberstufen, eine Konzentration der Schulstandorte erforderlich. Gab es 1965 noch 1272
Volksschulen, so ist deren Zahl im laufenden Schuljahr auf 755 zurückgegangen, das heißt, 517
Volksschulen wurden in diesem Zeitraum stillgelegt, aufgelassen oder mit Nachbarschulen im
sogenannten Schulverband zusammengelegt. Bei diesen Schulen handelt es sich in erster Linie um
einklassige Volksschulen, in denen damals meist noch 8 Schulstufen in einer Klasse unterrichtet
werden mußten. Betrug vor 10 Jahren - ich glaube, hieraus ersieht man die große Leistung der
Schulreorganisation - der Anteil der einklassigen Volksschulen noch 473 Schulen oder 35%, so ist
diese Zahl heuer auf 77, das sind 10%, zurückgegangen. Das Ziel der Höchstorganisation der
Volksschulen, nämlich die vierklassige Volksschule, in der jede Schulstufe einer Klasse entspricht,
konnte unter Berücksichtigung des Schulweges weitgehend verbessert werden. So beträgt im
laufenden Schuljahr der Anteil der vierklassigen Volksschulen bereits 50%, von 755 Schulen 377
Schulen, gegenüber 1965 mit 13% vierklassigen Volksschulen, das sind von 1272 Schulen 144
Schulen. Wesentliches Merkmal der Reorganisation ist, daß bereits drei Viertel aller
niederösterreichischen Volksschüler die beste Organisationsform der Volksschule besuchen können.
Es wird bei den Volksschulen auch in den nächsten Jahren die Stillegung der einen oder anderen
Schule geben, wobei ich einflechten möchte, daß bei der Lösung dieser Restprobleme sicherlich
flankierende Maßnahmen, wie die Möglichkeit des Schülertransportes und der Straßenausbau,
erfolgen müssen, denn die Fälle, die jetzt zu klären und zu behandeln sind, sind ja die schwierigeren
Fälle im Zuge der Schulreorganisation. Wahrend es also bei den Volksschulen auch in den nächsten
Jahren die Stillegung der einen oder anderen Schule geben wird, ist die Hauptschule in
Niederösterreich bereits voll ausgebaut.
Die Zahl der Hauptschulen stieg von 214 auf 248, die Zahl der Klasen von 1562 auf 2805 und die
Schülerzahl an den Hauptschulen von 44.948 auf 79.026. Die Verdoppelung der Klassen und der
Schülerzahl bedürfte nicht nur der Neuerrichtung von 30 Schulen, sondern des Zu- und Umbaues
vieler Klassen und Nebenräume.
Als Beispiel, sehr geehrte Damen und Herren, möge die Schulorganisation im Bezirk Amstetten
erwähnt werden. 1965 besuchten 9715 Schüler die Volksschule, davon noch 2009 Schüler die
Volksschuloberstufe, und 2523 eine der 9 Hauptschulen des Bezirkes. 44% der Schüler zwischen 10
und 14 Jahren konnten damals mangels eines günstigen Hauptschulstandortes bzw. des notwendigen
Klassenraumes kein Hauptschulzeugnis erwerben. Im Vergleich dazu besuchten 1974 8040 eine
Volksschule, davon nur mehr 33 Schüler die Volksschuloberstufe, aber 6590 Schüler eine der 21
Hauptschulen des Bezirkes. Die Zahl der Volksschüler ging im Schulbezirk Amstetten um 1700
zurück, die Zahl der Hauptschüler stieg um 4067 an. Die Zahl ,der Hauptschulen in diesem Bezirk hat
sich mehr als verdoppelt, die Klassenzahl stieg von 52 auf 212 Klassen an, und nur mehr ein halbes
Prozent der Schüler dieses Bezirkes erhält noch ein Entlassungszeugnis der Volksschule. Dieser
westlichste Bezirk Niederösterreichs zeigt, was für eine große Leistung in der Verwirklichung des
Reorganisationsplanes steckt und wie wesentlich sich die Schulstruktur auf dem Hauptschulsektor
verändert hat, sind doch mit einer Ausnahme alle Hauptschüler des Bezirkes auch in neuen modernen
Schulgebäuden untergebracht.
Zum Vergleich vielleicht der Bezirk Zwettl, der schulorganisatorisch etwas schlechter gestellt ist. Im
Bezirk Zwettl besuchten 1965 6107 Schüler die Volksschule, davon 1712 die Volksschuloberstufe und
1072 die sechs Hauptschulen des Bezirkes. 61,5% der Schüler konnten kein Hauptschulzeugnis
erhalten. 1974 besuchten 3842 Schüler die Volksschule - es gibt in diesem Bezirk keinen Schüler
mehr in der Volksschuloberstufe -, aber 3532 Schüler besuchen eine der 11 Hauptschulen des
Bezirkes. Die Zahl der Schulen hat sich eben- falls - es ist ein Parallelfall - verdoppelt, die Schülerzahl
ist um 2460 angestiegen und die Zahl der Hauptschulklassen hat sich von 31 auf 124, also um 93
Klassen, erhöht.
Die Streuung der Hauptschulstandorte in Niederösterreich ist unter Berücksichtigung der Schulwege
so gewählt worden, daß es heute mit wenigen Ausnahmen - das Voralpengebiet und Alpenvorland
ausgenommen - allen Pflichtschülern Niederösterreichs möglich ist, die Hauptschule zu besuchen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Reorganisationsplan 1965 hat nicht nur die Zahl der
Volksschulen verringert und den Ausbau der Hauptschulen wesentlich gefördert, Hand in Hand
mußten für die Neuerrichtung aber auch die notwendigen Zu- und Umbauten der Hauptschulgebäude
geschaffen und die Schulgemeinden neu gebildet werden. Die Festsetzung der Schulsprengel für
diese neu gebildeten Hauptschulen war erforderlich und damit die Neufestsetzung der Pflichtsprengel.
In fast allen Fällen, sehr geehrte Damen und Herren, wurde die Umwandlung bestehender
Berechtigungssprengel in Pflichtsprengel, bzw. bei Neuerrichtung nur mehr Pflichtsprengel beantragt.
Allerdings mußte in diesem Zusammenhang - mein Vorredner hat die Schulsprengelfrage
angeschnitten - auf inzwischen erfolgte freiwillige bzw. von Amts wegen durchgeführte
Gemeindezusammenlegungen hingewiesen werden, die in einigen Fällen eine Neuorientierung der
Sprengeleinteilung notwendig machen. Diesbezüglich darf ich feststellen, daß zur Zeit seitens des
Landesschulrates für Niederösterreich die Schulsprengel, Herr Abg. Kosler, im Einvernehmen mit der
Abteilung Raumplanung, obwohl diese Verordnung noch nicht erlassen ist, festgelegt und
bezirksweise bei der NÖ. Landesregierung beantrag werden, um mit dem Raumordnungsprogramm
konform zu gehen. (Abg. Stangl: Um das geht es ja!) Ich glaube, daß dem durch das Einvernehmen
mit der Raumplanungsabteilung Rechnung getragen wurde.
Dem vierten Punkt, meine Domen und Herren, des Ergebnisses der Enquete vom 25. Februar 1965,
und zwar dem Ausbau des Sonderschulwesens, müßte ich auch einige Worte widmen. Es ist heute
eher eine Frage des Mangels an geprüften Lehrern als eine Frage der Errichtung. 1965 gab es 21
Sonderschulen mit 224 Klassen und 3692 Schülern, wobei 100 Klassen mit 1639 Schülern an
Volksund Hauptschulen angeschlossen waren. 1974 konnten 83 Schulen mit 479 Klassen und 7185
Schülern geführt werden. Innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren hat die Zahl der selbständigen
Sonderschulen vervierfacht. Die Zahl der Klassen und der Schüler ist auf ,das Doppelte
angewachsen. Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn man alle diese Maßnahmen zur Kenntnis
nimmt, darf man wirklich von einer großen Leistung im Zuge der Schulreorganisation sprechen.
Alle diese Maßnahmen haben natürlich auch Schwierigkeiten am Personalsektor gebracht, und ich
darf sagen, daß man die Sache des Härteausgleiches prüfen und diesbezügliche Überlegungen
anstellen muß. Es ist uns bekannt, daß Lehrer oder auch Lehrerinnen nur deswegen den Beruf
wechseln, weil sie flicht bereit sind - wir merken das ja bei den Ausschreibungen von Schulstellen, die
in exponierten Lagen liegen -, um diese Stellen einzureichen oder sie zu besetzen. Daher ist es am
Personalsektor zu Schwierigkeiten gekommen. Wenn ich mir nur den Ist-Stand mit Datum 1. 9. 1974
anschaue und diesen mit dem Dienstpostenplan 1974/75 in Vergleich stelle, muß ich feststellen, daß,
ohne eine Personalreserve zu berücksichtigen, in Niederösterreich ca. 1200 Lehrer fehlen.
Meine Damen und Herren! Es würde mir eigentlich verantwortungslos erscheinen, hier den jungen
Menschen zu sagen, daß das Studium für den Lehrberuf eine gewisse Gefahr in sich birgt. Man hat
einmal in einer Presseaussendung gelesen, daß in zwei bis drei Jahren eine Überfüllung am
Personalsektor eintreten wird. Wenn ich jetzt die Rechnung aufstelle - ich nehme die Zahl meines
Vorredners -, daß ca. 400 Kandidaten die Akademien verlassen und, wie uns beikamt ist, ungefähr
50% zur Abdeckung der Pensionsabgänge notwendig sind, bleiben zur Auffüllung effektiv 200
Neuzugänge. Wenn ich 1200 durch diese 200 dividiere, dann ist bestenfalls in den achtziger Jahren
mit einer Normalisierung am Personalsektor der Lehrer zu rechnen. Das ist, glaube ich, eine ganz
klare Aussage, die man hier treffen kann, und es wäre sicher verfehlt, den jungen Menschen davon
abzuraten, im Hinblick auf Sättigung am Personalsektor das Studium des Lehrers nicht zu ergreifen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier noch eine Feststellung treffen. Bei
Durchsicht der Stenographischen Protokolle über die vorjährige Budgetdebatte kann man feststellen,
daß sehr oft der Geist der Lehrerschaft, der in unseren Schulen herrscht, angeprangert wird.
Nachdem ich in Niederösterreich wohne und dort einen Haushalt habe, ist mir vor kurzem im Auftrage
des Klubs der sozialistischen Abgeordneten die Aussendung „Neues Niederösterreich“, Nr. 21/1974,
ins Haus geflattert. Mlit Bestürzung muß man darin lesen, daß der Geist, der an unseren Schulen
herrscht, ein denkbar schlechter sei. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle nur eines fest.
Ich persönlich und auch meine Fraktion möchten von dieser Stelle aus der niederösterreichischen
Lehrerschaft, ganz gleich welcher Parteirichtung, die unter schlechtesten Bedingungen jederzeit ihre
Pflicht erfüllt hat, den herzlichsten Dank aussprechen. Sie hat trotz überfüllter und aufgefächerter
Klassen, trotz Supplierstunden und Personalmangel den geordneten Schulbetrieb aufrechterhalten.
(Beifall bei der ÖVP.) Das wollte ich zu dieser Aussendung Ihrer Partei an die niederösterreichischen
Haushalte feststellen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Noch ein Wort zu den Schulversuchen. Wir glauben, daß diese
Schulversuche echte Entscheidungshilfen für zukünftige Maßnahmen am Schulsektor darstellen.
Neben den bereits laufenden Versuchen an Volksschulen mit Vorschulklassen, wo Schulpflichtige, die
die Schulreife noch nicht erreicht haben, an diese Schulreife herangeführt werden sollen, neben
fremdsprachiger Vorschulung und Versuchen mit der integrierten Gesamtschule wurde vor kurzem
über Antrag der Eltern in Großenzersdorf ein sehr interessanter Versuch mit einer Tagesheimschule
begonnen. Die Begründung der Elternschaft war, daß, weil viele Eltern, und zwar beide Teile,
berufstätig sind, eine sozialpädagogische Betreuung am Nachmittag angeboten werden soll. Ich
glaube, daß wir uns von diesem Versuch - dieser Frage müssen wir besondere Beachtung schenken doch einiges erwarten dürfen.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, auch ein Wort zu den angeordneten
Schulveranstaltungen. Ich habe in der letzten Zeit Gelegenheit gehabt, bei etlichen
Elternversammlungen der Pflichtschulen anwesend zu sein. Mit der Verordnung vom 24. Juni 1974
wurden, dem § 13 des Schulunterrichtsgesetzes entsprechend, im Bereich der allgemeinbildenden
Schulen mit Ausnahme des Polytechnischen Lehrganges in der 6. und 7. Schulstufe oder in der 7. und
8. Schulstufe Schulskikurse angeordnet. Meine Damen und Herren! Wir begrüßen das sehr im
Hinblick auf die Ertüchtigung der Jugend, nur müssen wir feststellen, daß diese Schulskikurse, .die je
Teilnehmer 1000 bis 1200 Schilling kosten und, wenn ein Haushalt mehrere Kinder zu einem Skikurs
schicken muß, doch eine arge finanzielle Belastung darstellen. Wenn ich jetzt auf die Schulbuchsache
zurückkomme, können Sie mir sagen, das ist ein alter Hut und ist schon zur Genüge besprochen
worden. Aber eines darf ich auch feststellen - das ist jetzt nicht von mir, sondern von Eltern, die auch
Ihrer Richtung angehören und die mir gesagt haben, man möge, obwohl die Idee gut ist, das System
doch dem Grundsatz der Sparsamkeit unterwerfen (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenruf : Ohne Wasser
geht es nicht!) - sehr richtig, darum schenkt man eines ein -, meine Damen und Herren : Wir sind bei
den Schulbüchern insgesamt bei einer Milliarde angelangt. Ich begrüße die Aktion des Roten Kreuzes
bezüglich der Altpapiersammlung, daß aber hier etliche Kilo Schulbücher mitbeteiligt sind, ist
bedauerlich und die Eltern verstehen es nicht. Auch das wäre eine demokratische Größe, meine
Damen und Herren: über den eigenen Schatten zu springen und einzubekennen, daß man im System
etwas ändern könnte, um sparsamer zu sein. (Abg. Stangl: Weil Sie kurzsichtig sind!) Na ja, aber viel
Geld liegt schon drinnen, Herr Kollege. Die Eltern halben im Hinblick auf ,den Begriff der Sparsamkeit
gesagt - ich gebe das hier weiter, obwohl mir bekannt ist, daß der Schulerhalter diesbezüglich different
ist -, uns wäre doch viel mehr geholfen, wenn wir für diese Kurse und Schulveranstaltungen die
eingesparten Beträge zur Verfügung hätten, als daß ein Schüler 5 Erste-Klasse-Bücher besitzt. Ich
bezweifle auch, idaß die fünf Bücher zur Gründung einer persönlichen Hausbibliothek wesentlich
beitragen werden, meine Damen und Herren! Ich wollte auch aufzeigen, daß den Eltern durch diese
Schulveranstaltungen zusätzliche Belastungen entstehen, wobei ich noch einflechten möchte, daß
solche Beträge hierfür sehr wertvoll wären.
Ich habe mir die Stenographischen Protokolle des Vorjahres angeschaut und es sehr begrüßt, daß
man hier den Filmstellen und den Bezirksstellen mit ihrer segensreichen Einrichtung herzlichst dankt.
Ich begrüße es auch sehr, daß bei den Bezirksbildstellen ein Tageslichtprojektor, Diasapparate usw.
stehen. Diese Unterrichtsmittel können aber nur dann dienen, wenn man die Lehrer einschult und
damit vertraut macht. Es ist sehr bedauerlich, daß es nur einen oder zwei Diasapparate gibt, denn ein
Lehrer müßte diesen gezielt einsetzen und zu jeder Zeit ein Bild einschieben und vorführen können.
Wenn man nur an einer Schule, meine Damen und Herren, einen oder zwei Diasapparate und einen
Overheadprojektor hat, dann zweifle ich daran, daß mit diesen technischen Mitteln die Methode der
Unterrichtsgestaltung gezielt verbessert werden kann. Hierin liegen noch sehr viele Möglichkeiten,
obwohl ich auch darauf hinweisen darf, daß die Gemeinden zumeist froh waren, die räumliche Frage
gelöst zu haben. Bezüglich der Einrichtung dieser Schulen wäre noch ein großes Aufgabengebiet zu
bewältigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen und darf
feststellen, daß seitens des Landes vor allem auch in finanzieller Hinsicht alle Voraussetzungen
geschaffen wurden, um die Zielsetzungen in der Bildungspolitik zu erreichen, denn in der Welt von
morgen entscheidet über Aufstieg und Lebensverhältnisse eines Staates nicht die Zahl der Bewohner,
sondern deren geistige Fähigkeiten. Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Kosler.
Abg. KOSLER: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu einer Berichtigung zum
Wort gemeldet. Mein Herr Vorredner hat auf eine Rede, die ich am 10. Oktober dieses Jahres in
diesem Hause hielt, Bezug genommen. In dieser nahm ich zur Eröffnungsrede des Herrn
Landeshauptmannes Stellung, in der er von seiner Warte aus zur neuen Gesetzgebungsperiode
sprach. Ich habe über manche und insbesondere über alle wichtigen Dinge des Schulwesens
gesprochen. Es ist richtig, daß ich vor allen Dingen die Leistungen auf dem Gebiete des
niederösterreichischen Pflichtschulwesens gewürdigt habe, und es ist auch richtig, daß ich in einem
weiteren Teil der Rede, der zeitlich von dem einen Teil entfernt lag, über die Personalpolitik in
Niederösterreich, in den niederösterreichischen Schulen, sprach. Es ist auch richtig, daß ich an einem
bestimmten Beispiel erläuterte, daß junge Menschen mit der Machtpolitik des ÖAAB in
Niederösterreich schon zu einem Zeitpunkt konfrontiert werden, wo sie noch in Ausbildung stehen, wo
sie also noch Menschen sind, die geformt werden müssen.
Niemals, Herr Abgeordneter, habe ich einen Zusammenhang hergestellt zwischen der guten
Entwicklung in unserem Bundesland und der frevelhaften, ich betone das Wort noch einmal,
frevelhaften Personalpolitik, die in diesem Bundesland getrieben wird. (Abg. Buchinger: Wie ist es bei
der Gemeinde Wien oder bei der Bundesbahn? Ist das nicht frevelhaft?) Ich bedaure, daß nun auch in
der Gruppe 2 solche unrichtige Darstellungen gebracht werden. Außerdem liegt nicht einmal noch das
gedruckte Protokoll meiner damaligen Rede vor, und es ist im allgemeinen nicht üblich, daß man nur
aus der Presse allein Zitierungen bringt. (Abg. Schober: Auch i m Vorjahr zieht sich das wie ein roter
Faden durch Ihre Äußerungen!) Was Sie vermuten, was im Vorjahr ein roter Faden war und wo er sich
durchzog, werden Sie allein nicht feststellen können, Herr Kollege, denn da waren Sie noch gar nicht
herinnen. Ich bedaure, daß auch diese ernsten Angelegenheiten, die wohl weit über den Tagesstreit
hinaus gegensätzliche Auffassungen bedingen, nun auch in dieser Form in die Debatte geworfen
werden. Das was 10, 15, 20 Jahre hindurch nicht üblich, das braucht auch in Zukunft nicht üblich zu
sein. Ich habe mich gerade heute im Zusammenhang mit der vorhergehenden hitzigen Debatte sehr
zurückgehalten, um auf einigen Gebieten nicht einige Dinge auszusprechen, die auch zu sagen
wären. Sie haben sich an diese Vorgangsweise nicht gehalten. Ich bedaure auch, daß ich in diesem
Zusammenhang offene Briefe bekomme, die von Dienststellen und Persönlichkeiten geschrieben
werden, die diesem Hause nicht angehören, die die Rede nicht gehört haben und, da kein Protokoll
vorliegt, dieses auch nicht kennen können. Das bedaure ich. Auch das war früher nicht üblich und
dient nicht unserer gemeinsamen Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Lechner.
Abg. LECHNER: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß eigentlich gleich
auf die Worte meines Vorredners Ing. Schober eingehen, schon deshalb, weil eigentlich er am
wenigsten Ursache gehabt hätte, sich über einen Ausdruck, der von Herrn Abg. Kosler bezüglich
Personalpolitik gefallen sein sollte, zu beschweren. Herr Abg. Schober, ich muß Ihnen eines sagen:
Gerade als Nachfolger eines Bezirksparteiobmannes, der die Personalpolitik im Bezirk Scheibbs mit
einer Vollendung gehandhabt hat wie nirgend anderswo, hätte ich mich heute hier über diese
Probleme nicht geäußert. Ich könnte Ihnen einige solche Dinge aufzählen, wie sie bei uns zu Hause,
Herr Kollege Schober, seit Jahren üblich sind. (Abg. Zimper: Bei uns zu Hause auch. Ich wohne in
Wiener Neustadt!) Herr Kollege Zimper, Sie hätten genug Zeit gehabt, im Volksblatt einmal darüber zu
schreiben. Sie haben es aber vorgezogen, jetzt mehr zu reden als zu schreiben. (Zwischenruf von
Abg. Schober.) Aber ja, Herr Kollege Schober, ich habe Ihnen zugehört; wenn Sie mir jetzt vielleicht
auch zuhören wollen .
Es wurde auch über diese Schulbuchaktion gesprochen. Noch zwei Sätze dazu. Man könnte das so
formulieren, Herr Kollege Schober - vielleicht ist das zu kurz -: Wer nichts tut, der bricht nichts! Die
Vorgänger der Bundesregierung haben auf diesem Sektor nichts getan, da hätten wir ihnen nicht
einmal den Vorwurf machen können, daß sie etwas schlecht machen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe
auch noch nie gehört, Herr Kollege Schober, daß ein Elternteil, der mit dieser Aktion nicht
einverstanden ist, gesagt hätte: Meine Kinder brauchen diese Bücher nicht. Alle haben die Bücher
genommen. (Abg. Buchinger: Davon ist doch keine Rede. Verdrehen Sie die Dinge nicht!) Und es wird
notwendig sein, auch die Lehrkräfte, auch die Herren Bezirksschulinspektoren vielleicht ein bißchen
mehr darüber zu informieren, was man dabei einsparen könnte. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Ich komme nun schon zu einem Problem, das von Ihrer Seite noch nicht
beleuchtet wurde. Der Herr Ing. Schober hat ganz kurz die Einrichtung des Schul- und
Kindergartenfonds erwähnt. In vielen Reden wurde in diesem Hause auf die große Leistung dieses
Schul- und Kindergartenfonds hingewiesen, und in vielen Protokollen konnte man genaue
Aufstellungen und Leistungsberichte über diesen Fonds lesen. Wenn in diesem Jahr das 25jährige
Jubiläum dieses Fonds gefeiert wird, so steht dem gegenüber die Errichtung von etwa 670 Schul- und
Kindergartenbauten. Vielleicht wäre es doch angebracht, auch hier zu sagen, die Leistung dieses
Fonds ist großartig, anstatt diese nur im Zusammenhang damit zu sehen, daß die Gemeinden es
waren, die für diesen Schulbau, für diese Schulreorganisation weitaus größere Opfer gebracht haben
und weitaus größere Lasten zu tragen hatten. Ohne die Leistungen, ohne die Opfer der Gemeinden
wäre diese Entwicklung sicherlich nicht möglich gewesen.
Der Abg. Thomschitz hat im Jahre 1971 hier in diesem Haus eine ganze Liste gebracht über den
Bedarf und darüber, was in der Vergangenheit erreicht wurde. Im Bericht der Abteilung VIII/1 finden
wir die Zahlen, die heute im Finanzierungsplan bzw. Bauprogramm enthalten sind: 123 Volksschulen,
94 Hauptschulen, 6 allgemeine Sonderschulen und 22 Volks- und Hauptschulen. Und nun, meine
Damen und Herren, zum Finanzierungsplan. Der Herr Landeshauptmannstellvertreter Ludwig hat sich
als Finanzreferent gestern und, wie ich glaube, auch schon heute, in der Art geäußert, was nicht alles
für die Gemeinden getan wird! Gestern haben Sie, Herr Landeshauptmannstellvertreter, von einer
Milliarde gesprochen, die den Gemeinden in irgendeiner Form zugute kommt. Wenn wir in der Liste
des Schulbaufonds den Bedarf für das Jahr 1975 betrachten, so sehen wir hier voraussichtliche
Ausgaben für bereits beschlossene Vorhaben von 129 Millionen Schilling, dann 33 Millionen Schilling
aus aufgenommenen Darlehen, 35 Millionen Schilling für Darlehensrückzahlungen, Summa 198
Millionen Schilling; dazu kamen jetzt noch die neuen und aus dem jetzigen Bauprogramm zu
beschließenden Vorhaben. Das macht eine Summe von 352 Millionen Schilling aus, um
eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen und Aufstockungen, die durch Vergrößerung dieser
Schulbauten bzw. durch die Baupreiserhöhung notwendig sind, vornehmen zu können. Alles in allem
werden wir also für die Finanzierung im Jahre 1975 einen Betrag von etwa 550 Millionen Schilling
brauchen. Damit Sie, meine Damen und Herren, einen Begriff bekommen, werde ich Ihnen sagen,
was man in der Abteilung auf Grund der Unterlagen errechnet hat. Man müßte eine Summe von etwa
1,2 Milliarden Schilling besitzen, um die in den nächsten Jahren notwendigen Schul- und
Kindergartenbauten durchführen zu können. Um diese 550 Millionen Schilling aufzubringen, war es
der Wunsch der Schulreferenten, für das Budget 1975 350 Millionen Schilling zu bekommen. Na, man
hat geredet und gehandelt und vielleicht sogar sehr hart geredet, ich weiß es nicht. Der Herr
Landesrat Grünzweig hat es mir nicht erzählt, ob er sehr leise oder sehr lautstark seinen Bedarf
angemeldet hat. Auf jeden Fall ist es so, daß wir 70 Millionen Schilling aus der Bedarfszuweisung
nahmen. Herr Landeshauptmannstellvertreter, das möchte ich gleich deponieren, wir schmücken uns
in so manchen Reden auch mit fremden Federn. Denn diese 70 Millionen Schilling
(Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Sind Gemeindegelder. Das bestreite ich nicht!) sind doch
Gemeindegelder. Jawohl, das wollte ich nur feststellen. 21 Millionen Schilling Zweckzuschüsse aus
Bundesmitteln, 30 Millionen Schilling Darlehensrückflüsse - hat also auch nichts mehr mit dem Land
zu tun, denn das, was ich gegeben habe, könnte ich ja dann nicht mehr als Verdienst betrachten. Im
ordentlichen Voranschlag 1975 haben wir 120 Millionen Schilling enthalten. Dazu kommen noch 40
Millionen Schilling. Herr Landeshauptmannstellvertreter, das, was Sie gestern über den
Stabilisierungsteil gesagt haben, hat mich hier ein bißchen hellhörig gemacht. Ich nehme aber an, daß
diese 40 Millionen Schilling aus dem Stabilisierungsteil nicht in Klammer und mit Einschränkungen
gegeben werden, denn dann würde diese Finanzierung nämlich noch schlechter aussehen. Wenn wir
alles zusammenzählen und die 120 bis 140 Millionen Schilling an Kreditermächtigungen, die bereits
praktisch zugesagt sind, dazurechnen, kommen wir auf eine Summe von 426 Millionen Schilling,
denen ein Bedarf von 550 Millionen Schilling gegenübersteht. Das bedeutet, meine Damen und
Herren, daß wir für das Jahr 1975 weitaus zu wenig haben. Ich möchte gar nicht davon reden, wie es
im Jahre 1976 aussehen wird. Ich möchte mich ja kürzer fassen, obwohl der Herr Abg. Schober auch
etwas länger geredet hat.
Meine Damen und Herren! Das Problem Schul- und Kindergartenbau müssen wir heute von zwei
Seiten betrachten: 1. von der Leistungsfähigkeit dieses Fonds, 2. von der Leistungsfähigkeit der
Gemeinden und - das möchte ich dazusagen - von der weiteren Belastbarkeit der Gemeinden. Es
wurde gestern hier von Präsident Binder und noch einigen anderen Rednern sehr deutlich zum
Ausdruck gebracht - auch Präsident Reiter hat dies vielleicht etwas weniger emotionell getan, aber
das liegt in der Natur der Sache -, daß die Gemeinden schwer belastet sind, und ich kann es mir
daher gestatten, dies in etwas gekürzter Form zu tun. Um nur die Summe zu nennen, der
Annuitätendienst der Gemeinden ist von 1969 auf 1973 von 277 Millionen Schilling auf 591 Millionen
Schilling gestiegen. Der Herr Finanzreferent war gestern sehr stolz auf die Kopfquote von 990
Schilling. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Bin ich wirklich stolz!) Herr Landeshauptmann,
eines muß ich schon mit aller Deutlichkeit sagen, wir Abgeordneten dieses Hauses sind eigentlich der
Ansicht, daß man nicht stolz darauf sein kann, wenn es dem Lande gut geht und den Gemeinden
schlecht, sondern wir können nur stolz darauf sein, wenn wir den Weg miteinander gehen, weil es
zwischen den Gemeinden und dem Lande einen echten Zusammenhang gibt. Nicht die 990 Schilling
frappieren mich oder tun mir weh. Ich bin sehr froh, daß es so ist, denn um so leichter fällt es uns,
Herr Landeshauptmann, Ihnen zuzumuten, den Gemeinden in der Form, wie wir es heute und auch
schon gestern hier vorgetragen haben, zu helfen.
Kopfquoten von 4000 Schilling und mehr bei den Gemeinden: Ich darf hier einige Beispiele bringen,
damit Sie nicht sagen, das sei so allgemein gesprochen. Ich habe eine Gemeinde, die einen
ordentlichen Voranschlag von 7,900.000 Schilling hat. Allein für Schulbauten hat diese Gemeinde
einen Kredit von 4 Millionen Schilling aufgenommen. Ich rede jetzt gar nicht vom Wasserleitungs-,
Kanalisationsvorhaben, Straßenbau und so weiter. Die zweite Gemeinde, das ist schon eine größere,
hat einen Voranschlag von 15 Millionen Schilling im ordentlichen Haushalt; Kredit für Schulbauten 8,2
Millionen Schilling. Die dritte Gemeinde: 11 Millionen Schilling Voranschlag, Kredit für Schulbauten
allein 6,7 Millionen Schilling. Dieselbe Gemeinde, meine Damen und Herren, hat heuer eine
Landesumlage von 742.000 und für das Jahr 1975 eine solche von 877.000 Schilling zu zahlen und
hat für die Sozialhilfe, die im Vorjahr mit der Bezirksumlage sowie offener und geschlossener Fürsorge
575.000 Schilling betragen hat, im nächsten Jahr die Summe von 910.000 Schilling zu leisten. Meine
Damen und Herren! Ich wage es sehr zu bezweifeln, daß die Gemeinden weiterhin in der Lage sind,
ihren Aufgaben gerecht zu werden, wenn die Pro-Kopf-Verschuldung in diesem Maße zunimmt.
Der Landesfinanzreferent hat hier sehr deutlich gesagt, ja, wir hätten auf die Landesumlage verzichtet,
wenn wir dafür die Gewerbesteuer bekommen hätten. Ich glaube, so schlechte Geschäfte mit dem
Land zu machen, kann man nicht einmal den Gemeinden zumuten. Wenn man uns hier das Angebot
macht, auf die Landesumlage zu verzichten, wenn es auch andere Bundesländer tun - Herr
Landeshauptmann, ich wüßte Besseres, als auf diese Art und Weise ein Junktim herzustellen. Ich
denke nämlich an die Aufgaben, die die Gemeinden gegenüber dem Lande zu erfüllen haben, wonach
sie ihre Gemeindestraßen 100%ig selbst zu erhalten und auszubauen haben. Da lächeln einige.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht so, daß jeder seine Straßen zu 100% erhält. Die
Landesstraßenverwaltungen haben es leichter, denn wir seihen seit Jahren in der Jahresrechnung
immer wieder an die 100 Millionen Schilling für die Landesstraßen, ja sogar ungesetzlicherweise für
Landeshauptstraßen. Im Voranschlag ist stets zu finden Landeshauptstraßen. Und wenn wir noch die
Kanalisationen, die Wasserleitungen, die Sozialhilfegesetze und Krankenanstaltensprengel
betrachten, können wir nur sagen, daß es hier ernste Probleme gibt. Ich kenne aus der Praxis
Gemeinden, Schulgemeinden, wo die Kopfquote bereits an die 10.000 Schilling ausmacht. Es gibt
kleine Gemeinden, die einer großen Schulsitzgemeinde angeschlossen sind, die pro Kopf jährlich bis
zu 10.000 Schilling zu zahlen haben und deren Voranschlag zu 60% nur mehr aus
Schulklassenbeiträgen und Schulbaubeiträgen besteht.
Meine Damen und Herren, ich möchte daher heute einen Resolutionsantrag stellen, weil wir wissen,
daß die Finanzierung für Schul- und Kindergartenbauten im nächsten Jahr mit den im Voranschlag zur
Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich ist.
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Lechner
zur Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Die Landesregierung wird aufgefordert, die Richtlinien zur Vergabe von Beilhilfen und Darlehen Entschuldigung, das ist der zweite, ich muß den ersten bringen. (Landeshauptmannstellvertreter
Ludwig: Das ist ein Verkehrter!)
Die Landesregierung wird aufgefordert, bei Erstellung eines allfälligen Nachtragsbudgets den
Voranschlagsansatz „219-620, Zuwendungen an den Niederösterreichischen Schul- und
Kindergartenfonds“ im notwendigen und höchstmöglichen Ausmaß aufzustocken.
Meine Damen und Herren! Das ist eine Forderung (Zwischenruf von Abg. Blochberger). Herr Kollege,
ich habe Sie nicht verstanden. (Abg. Blochberger: Das ist selbstverständlich. Das ist ja immer
praktiziert worden!) Ich praktiziere heute noch mehr, Herr Kollege. (Heiterkeit im Hause.) Ich bin
gewohnt, daß Sie dazwischenschreien, aber das macht mir nichts aus. (Abg. Blochberger: Das beruht
auf Gegenseitigkeit!) Herr Kollege, wenn Sie das nicht gesagt hätten, würde ich jetzt nicht aus der
Einbegleitungsrede des Herrn Finanzreferenten zitieren. Das ist mir gerade eingefallen, ich habe sie ja
auf alle Fälle mitgenommen. Es heißt hier aus dem Jahre 1974: „Zu den Zuwendungen an den
Niederösterreichischen Schul- und Kindergartenfonds ist zu bemerken, daß das Ziel der
Finanzverwaltung eine wesentliche Entlastung der Gemeinden ist“, Herr Landeshauptmann
(Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Ich bleibe dabei?), „die durch Schulneubau oder -ausbauten
ihre Kräfte vielfach übersteigende finanzielle Verpflichtung auf sich nehmen mußten.“
Ich glaube, wenn man das nicht nur gesagt, sondern auch schriftlich dargelegt hat, können Sie gar
nicht mehr zurück, Herr Landeshauptmannstellvertreter. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Ich
habe den Beweis schon erbracht!) Nun liegt der Beweis also noch einmal vor.
Ich glaube, meine Damen und Herren, man sollte jetzt auch noch über die Finanzierung im
Schulbaufonds ganz kurz etwas sagen. Herr Kollege! Es kommt dann der zweite Antrag, damit Sie
nicht erstaunt sind. Zu Ihrer Bemerkung, daß das Kuratorium die Schulbaumittel vergibt, ist zu sagen,
daß auch die meisten Gemeindevertreter, Bürgermeister etc. und mitunter auch Abgeordnete wissen,
daß den Gemeinden bei Schulbauten derzeit in der Regel 20% Subvention und 20% zinsenloses
Darlehen gegeben werden und die Gemeinden die übrigen 60% der Gesamtkosten zu finanzieren
haben. In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, sind es aber nicht 60%, sondern 80%, weil ja die
20% zinsenloses Darlehen auch zurückgezahlt werden müssen.
Hier ein Beispiel aus der Praxis: Eine vierklassige Volksschule kostet zur Zeit mit 8 ½ Einheiten, also
mit Nebenräumen, Konferenzzimmer, Direktionskanzlei und so weiter, bei Berechnung von einer
Einheit mit 1,3 Millionen Schilling die Gesamtsumme von etwa 11 Millionen Schilling. Derzeitige
Finanzierung: 2,2 Millionen Subvention und 2,2 Millionen zinsenloses Darlehen des Landes und 6,6
Millionen Schilling Kredite der Gemeinden. Und hier, meine Damen und Herren, müssen wir sagen:
Die Aufteilung 20 : 20 : 60 kann doch nicht das Um und Auf sein, kann doch nicht die Hilfe des Landes
für Vorhaben sein, unter denen die Gemeinden heute stöhnen. Das muß im Schulbaufonds geändert
werden. Es muß doch möglich sein, und es ist kein unbilliges Verlangen, daß wir die derzeitige
Regelung 20 : 20 in entsprechender Form ändern. Ich könnte mir die Sache sehr leicht machen und
sagen, das Land hat 50% oder sogar 60% der Kosten zu tragen, weil wir dafür bei der Sozialhilfe 70%
leisten (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Anstatt 100%!) und fertig, Schluß.
Ich möchte hier einen Resolutionsantrag stellen:
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Lechner
zur Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Die Landesregierung wird aufgefordert, die Richtlinien zur Vergabe von Beihilfen und Darlehen aus
dem Schul- und Kindergartenfonds dahingehend abzuändern, daß der Mindestprozentsatz für
Beihilfen oder Darlehen 25% der Kosten des Vorhabens beträgt.
Meine Damen und Herren, darf ich hier nur noch hinzufügen: Im Voranschlag des Landes
Niederösterreich für das Jahr 1975 wird dargelegt, daß mit, ich glaube, 330 Millionen Schilling für den
Annuitätendienst das Auslangen gefunden wird, in einer Zeit, wo der Herr Landesfinanzreferent im
Jaihre 1974 zwei Kredite aufgenommen hat. Vielleicht sind es so kleine Kredite, daß sie gerade
deswegen erwähnenswert sind. Es handelt sich um eine Darlehensaufnahme von 8 ½ Millionen
Schilling bei der Sparkasse Neunkirchen und 7 ½ Millionen Schilling bei der Landeshypo. Wenn man
mit solchen Krediten das Auslangen finden kann dann ist das für das Land äußerst erfreulich. Ich
habe Verständnis dafür, Herr Landeshauptmannstellvertreter, daß Sie in den Finanzbelangen des
Landes oft sogar mit einer gewissen Härte wirken, wenn sie mir auch etwas überhöht erscheint.
Ich bin der Meinung, daß wir die Sorge um die finanzielle Belastung in den Gemeinden in den
nächsten Jahren nicht einfach beiseite schieben können. Es genügt nicht, wenn man hier erklärt:
Setzen wir uns zusammen und reden wir. Herr Landeshauptmannstellvertreter! Meine Damen und
Herren des Hohen Hauses! Man vergißt ja manchmal, daß der Landtag Budgethoheit hat. Bei
Gelegenheit sollte man das vielleicht auch einmal erwähnen. Wir sollten sagen, daß in diesem Hause
die Abgeordneten imstande sind, Änderungen durchzuführen und Anträge zu stellen.
Ich glaube, meine Damen und Herren von der Rechten, wenn Sie unsere Diskussionsbeiträge
bezüglich der kommunalen Anliegen gestern und heute angehört haben und ein bißchen darüber
nachdenken, wird es Ihnen sehr, sehr schwerfallen, den Anträgen, die den Gemeinden eine echte
Entlastung bringen, eine Ablehnung zuteil werden zu lassen. Sie müssen sich darüber im klaren sein,
daß wir nur dann eine gute Landespolitik nachweisen können, meine Damen und Herren, wenn wir in
diesem Lande eine positive Gemeindepolitik machen. (Beifall bei den Sozialisten.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Beratungen über den
Voranschlag des Landes. Die Beratungen des Landtages über den Voranschlag werden um 14.00 Uhr
fortgesetzt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
(Unterbrechung der Sitzung um 12.32 Uhr.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER (um 14.00 Uhr): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Wir setzen die Beratungen zum Voranschlag mit der Behandlung der Gruppe 2 fort. Zum Wort gelangt
der Abg. Baueregger. Ich erteile es ihm.
Abg. BAUEREGGER: Herr Präsident! Hohes Haus! Verehrte Damen und Herren! Bevor ich ZU den
berufsbildenden Pflichtschulen einige Worte sage, gestatten Sie mir, daß ich zu den
Resolutionsanträgen des Herrn Abg. Kosler Stellung nehme.
Zum ersten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Kosler zur Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages
des Landes Niederösterreich:
Anläßlich der Debatte über den Voranschlag 1974 wurde seitens der sozialistischen
Landtagsabgeordneten ein Resolutionsantrag eingebracht, mit welchem umgehend die Erlassung
eines Raumordnungsprogramms, betreffend die Standorte allgemeinbildender Pflichtschulen, verlangt
wurde. Ich glaube, ich kann mir darüber weitere Worte ersparen. Sehr geehrter Herr Abg. Kosler!
Wenn Sie die Budgetrede des Herrn Finanzreferenten verfolgt haben, so darf ich darauf verweisen,
daß schon auf Seite 36 festgehalten ist, daß sich dieses Raumordnungsprogramm bereits in
Ausarbeitung befindet und demnächst zur Vollendung kommt. Ich kann Sie nur bitten, diesen
Resolutionsantrag zurückzuziehen, um die Verwaltung zu entlasten.
Zum zweiten Resolutionsantrag: Das Pflichtschulgesetz legt die Unentgeltlichkeit des Besuches der
allgemeinbildenden und berufsbildenden Pflichtschulen für alle Schüler fest. Für die berufsbildenden
Pflichtschulen wird jedoch dieser Grundsatz insoweit durchbrochen, als das Gesetz eine
Ermächtigung enthält, daß an berufsbildenden Pflichtschulen ein Lehr- und Arbeitsmittelbeitrag
eingehoben werden kann.
Das stimmt, verehrter Herr Abgeordneter. Es werden derzeit bei den berufsbildenden Pflichtschulen
pro Kurs 100 Schilling an Lehr- und Arbeitsmittelbeiträgen eingehoben. 50 Schilling Arbeitsmittel-, 50
Schilling Lehrmittelbeitrag. Nun darf ich dazu sagen, das sind insgesamt ungefähr 2,5 Millionen
Schilling, die unser Landesbudget belasten würden, wenn wir diese Beiträge vom Land aus bezahlen
müßten. Dadurch würde unter Umständen der Ausbau von Internaten, die wir ja so dringend
brauchen, sei es in St. Pölten oder Baden, nicht ganz vollendet werden können. Das ist Punkt 1.
Punkt 2, was vielleicht nicht so ganz ins Gewicht fällt, aber doch auch erwähnt werden muß, ist die
Lehrlingsentschädigung. Sie beträgt bei einem Lehrling - wir haben ihre Erhöhung ja erst vor kurzem
beschlossen - im vierten Lehrjahr in der Woche ungefähr 700 Schilling. Dazu muß man sagen, daß ja
in den Lehrverträgen nicht enthalten ist, wer diese Lehrmittelbeiträge zu bezahlen hat. Diese werden
durch mündliche Vereinbarung festgelegt. In den meisten Fällen zahlt sie der Lehrherr, oft aber auch
der Erziehungsberechtigte oder der Lehrling. Demgegenüber steht noch eines.
Wir haben Erkundigungen eingehoben, daß ein Lehrling während seines Kurses von 8 Wochen für
seinen Privatgebrauch ungefähr zwischen 1000 und 5000 Schilling benötigt. Wir wollen dem Lehrling
bei Gott nicht vorschreiben, was er anbringen darf und was nicht. (Abg. Leicbtfried: Das kann man
nicht verallgemeinern!) Gibt es, Herr Kollege, gibt es! Dazu kommt ja noch, daß das meiste Geld für
Rauchwaren ausgegeben wird. Wenn wir die Intentionen der Frau Minister Leodolter verfolgen,
müßten wir doch auch irgendwie mitspielen und den Jugendlichen sagen, raucht ein bisserl weniger,
und so glaube ich, könnte dieser Lehrmittelbeitrag aus diesen ersparten Geldern leichter bezahlt
werden. (Zwischenrufe.)
Zum dritten Resolutionsantrag, Herr Kollege Kosler, darf ich folgendes sagen, zuerst den Text:
„In den letzten Jahren zeichnete sich in zunehmendem Maße in einzelnen Bezirken Niederösterreichs
ein Überangebot an ausgebildeten Junglehrern ab, dem in anderen Bezirken, insbesondere im
ländlichen Raum und im Grenzland, ein krasser Mangel an Lehrern gegenübersteht. Diese Tatsache
führt dazu, daß zahlreiche Junglehrer zum Schuldienst gegen ihren Willen in Bezirken verpflichtet
werden, die weitab von ihrem bisherigen Wohnsitz liegen. Nur allzu oft bewirkt dies in der Folge, daß
Junglehrer ihren Dienst nach kurzer Tätigkeit wieder aufgeben, um entweder in ein anderes
Bundesland oder aus dem Lehrberuf überhaupt abzuwandern. Eine Besserung dieser Situation
könnte jedoch dadurch ereicht werden, daß für die Tätigkeit von Junglehrern in weniger attraktiven
Gebieten Niederösterreichs ähnliche Anreize geschaffen werden wie etwa vergleichsweise für die
Ansiedlung von Gemeindeärzten.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert zu prüfen, wieweit es möglich ist, für die Tätigkeit von
Junglehrern in Gebieten mit starkem Lehrermangel entsprechende Anreize zu schaffen, und dem
Landtag eine diesbezügliche Vorlage zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen.“
Verehrter Herr Abg. Kosler! Dazu ist folgendes zu sagen: Wie Sie wissen, nimmt das Land nur die
Auszahlung dieser Gehälter vor. Die Verhandlungen, ob Erhöhungen erfolgen sollen oder nicht,
werden auf Bundesebene durchgeführt, und es ist selbstverständlich, daß unter Umständen, wenn
man mehr bezahlt, auch diese Junglehrer dort verbleiben. Aber das liegt nicht im Kompetenzbereich
des Landes, sondern einzig und allein beim Bund.
Ich darf daher zu Ihrem Resolutionsantrag einen hinzufügen und bitte, diesem beizutreten:
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Baueregger
zur Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Die Landesregierung wird aufgefordert, bei den zuständigen Bundesministerien eine Prüfung
dahingehend zu erreichen, ob und inwieweit den Junglehrern die für sie eintretenden Erschwernisse
auf Grund ihrer Verwendung in Gebieten des Landes, die sich extrem weit von ihrem Wohnsitz
befinden, abgegolten werden können und daß bejahendenfalls die entsprechenden Maßnahmen
eingeleitet werden.
Ich würde Sie bitten, diesem Antrag beizutreten.
Nun gestatten Sie mir, zum eigentlichen Thema, Berufsschulwesen im Lande Niederösterreich, zu
sprechen. Ich möchte mich weniger mit Zahlen aus dem Budget befassen als mit der Verwaltung bzw.
mit der Tätigkeit des Berufsschulwesens in Niederösterreich. Ich will auch kein Hosanna singen auf
den Herrn Landesfinanzreferenten, aber eines muß doch eingehend festgestellt werden: Wenn, wir in
den letzten 15 Jahren vom Lande Niederösterreich für diverse Berufsschulbauten,
Berufsschulausbauten, Internate und so weiter ungefähr 300 Millionen Schilling bekommen haben, so
ist das, glaube ich, eine sehr schöne Summe, und nur dadurch wurde es ermöglicht, das
Berufsschulwesen in Niederösterreich auf den heutigen Stand zu bringen. Die Besoldung der
Lehrkräfte geht, wie wir schon aus den Worten des Herrn Finanzreferenten gehört haben, zur Hälfte
zu Lasten des Bundes und zur Hälfte zu Lasten des Landes. Dagegen gehören die Sachleistungen,
die der Gewerbliche Berufsschulrat zu tragen hat, zur Gänze zum Aufgabenbereich des Landes. Hier
darf ich eine Post herausgreifen, die selbstverständlich uns alle, die mit Heizproblernen zu tun, haben,
sehr belastet. Gerade bei den gewerblichen Berufsschulen in Niederösterreich sind die Heizkosten um
122% gestiegen. Das schlägt sich selbstverständlich auch in den Sachleistungen, die das Land zu
tragen hat, nieder.
Wenn wir das Berufsschulwesen der früheren Zeit einer Betrachtung unterziehen wollen, so muß ich
auf die Jahre 1933, 34, 35, wo die Gebietsberufsschulen ins Leben gerufen wurden, zurückgreifen.
Damals war es so, daß die Gebietsberufsschulen am Sitz jeder größeren Gemeinde geführt wurden.
Sie wurden von Lehrern geführt, die sonst an den Volks- und Hauptschulen lehrten. Die Lehrlinge
hatten dort nur einmal in der Woche ihre Pflicht als Berufsschüler zu absolvieren. Erst im Oktober des
Jahres 1946 wurde der Versuch unternommen, und zwar in der Gastgewerbeschule Waldegg, eine
Berufsschule mit mehrwöchigem Kurs auf Internatsbasis einzuführen. Es waren zuerst 7 Wochen, die
dann auf 8 Wochen aufgestockt wurden. Dieses Internatsgebilde mit dem Unterricht in
lehrgangsmäßigen Turnussen hat sehr viele Vorteile gezeigt, obwohl in bezug auf die finanzielle
Situation auch heute noch Nachteile zu verzeichnen sind, müssen wir doch bedenken, daß bei diesen
lehrgangsmäßigen Pflichtberufsschulen und bei der Internatsunterbringung das Land, die Kammer
und die Gemeinden sehr schwer belastet werden. Demgegenüber steht aber ein großer Vorteil, weil
wir ja den Berufsgruppen mit diesen Fachklassen einen konzentrierten Unterricht geben können. Das
heißt, die Berufsschüler werden in Berufsschulen, die nur eine Fachgruppe umfassen, unterrichtet im
Gegensatz zu früher, wo Schneiderlehrlinge, Mechanikerlehrlinge und so weiter in einer Klasse
beisammengesessen sind und dort ein Allgemeinstoff vorgetragen wurde. Die Internatsunterbringung
hat viele Vorteile, aber auch gewisse Nachteile, das gebe ich unumwunden zu. Die Vorteile liegen
darin, daß man an den jungen Menschen doch noch eine gewisse Erziehungsarbeit durchführen kann
und sie etwas unter Kontrolle hat. Die Nachteile, die jedes Gemeinschaftsleben hervorbringt, liegen in
den kleinen Kameradschaftsdiebstählen, die leider Gottes in keinem Internat ganz unterbunden
werden können.
Die Entwicklung auf dem Berufsschulsektor in bezug auf die Lehrgangsführung und
Internatsunterbringung darf ich Ihnen in folgenden Zahlen schildern: Im Jahre 1956 hatte das Land
Niederösterreich 16 Landesberufsschulen. Darin wurde ein Drittel der Pflichtberufsschüler unterrichtet,
zwei Drittel wurden nach wie vor in den vorhandenen Gebietsberufsschulen unterrichtet. Im Jahre
1963 war es schon besser, denn mehr als die Hälfte der Pflichtschüler wurde bereits in Berufsschulen
mit Internatsunterbringung untergebracht, und im Schuljahr 1973/74 waren es in Niederösterreich
bereits 98,54% der Berufspflichtschüler, die in lehrgangsmäßigen und internatsmäßigen Schulen in
Niederösterreich untergebracht wurden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heißt mit
anderen Worten, daß wir die gesamten Berufsschüler in 37 Landesberufsschulen Niederösterreichs in
19 Standortgemeinden untergebracht haben. Bei dieser Konzentrierung an Landesberufsschulen
müssen wir noch eines feststellen, das ist die Schwierigkeit, daß manche Berufe nur eine geringe
Lehrlingsanzahl haben. Das ist strukturmäßig bedingt. Ich glaube aber, sagen zu können, daß im
Landesberufsschulwesen von ganz Österreich eine gute Koordinierung eingetreten ist. Wir können
hier von einer gewissen Ausschulung bzw. Einschulung von Lehrlingen sprechen, im großen und
ganzen also von der Umschulung der Lehrlinge. Das heißt an Hand von einigen Beispielen: In
Niederösterreich waren im Schuljahr 1973/74 aus anderen Bundesländern 818 Lehrlinge eingeschult,
demgegenüber stehen 416 Lehrlinge, welche von Niederösterreich in andere Bundesländer
ausgeschult wurden. So fahren die Glaserlehrlinge von Niederösterreich nach Kramsach in Tirol,
während die Zahntechnikerlehrlinge aus ganz Österreich, sei es Vorarlberg oder Burgenland, in
Baden eingeschult werden. Die Sattler, Riemer und so weiter aus Salzburg kommen in die
Landesberufsschule Lilienfeld, die burgenländischen Dreherlehrlinge kommen nach Neunkirchen, die
Schmiedelehrlinge aus Wien werden nach Mistelbach umgeschult, die Buchbinderlehrlinge aus
Vorarlberg kommen nach St. Pölten und die Lehrlinge des graphischen Gewerbes aus Kärnten
wurden ebenfalls nach St. Pölten umgeschult. Demgegenüber steht die verminderte Lehrlingsanzahl
in verschiedenen Berufen, die wir in einer Statistik festgehalten haben.
Ich habe zuerst schon erwähnt, daß die Strukturänderung auch in der Wirtschaft verschiedene
Änderungen mitgebracht hat, und das hat auch selbstverständlich seinen Niederschlag in der
Lehrlingszahl. So wurden z. B. im Jahre 1972/73 noch 719 Kleidermacherlehrlinge in Niederösterreich
gezählt, im Jahre 1973/74 waren es nur mehr 612. Dasselbe bei den Fleischerlehrlingen, welche von
506 auf 444 zurückgegangen sind; dasselbe gilt für Bäckerlehrlinge, Rückgang im selben Zeitraum
von 532 auf 473. Andere Berufe dagegen, die der heutigen Wirtschaft angepaßt wurden und von der
Wirtschaft dringend benötigt werden, haben eine steigende Frequenz zu verzeichnen. So z. B. die
kaufmännischen Lehrlinge, von denen es im Schuljahr 1972/73 3556 gab und die im Schuljahr
1973/74 auf 4055 angewachsen sind. Dasselbe gilt für andere Berufe: Landmaschinenbauer von 815
auf 960, ähnlich auch bei den Betriebsschlossern, Elektrikern und vor allen Dingen bei den KfzMechanikern. Natürlich hat diese explosive Steigerung der Lehrlingszahlen gewisse Schwierigkeiten
bei der Unterbringung in den Räumlichkeiten für den praktischen und theoretischen Unterricht, aber
auch bei der Unterbringung der Schlafgelegenheiten mit sich gebracht.
Hier steht derzeit ein besonderes Problem zur Debatte, das ist die Unterbringung der zweiten KfzSchule, die derzeit in der Reiterkaserne in Stockerau untergebracht ist. Der Standort der zweiten KfzSchule !kann von hier aus nicht bestimmt werden. Darüber wird sich der gewerbliche Berufsschulrat
des Landes Niederösterreich unterhalten müssen, in welchem Standort diese Schule untergebracht
wird. Hier gebe ich unumwunden zu, daß vielleicht zu Beginn des gewerblichen Berufsschulwesens
insofern ein kleiner Fehler gemacht wurde, daß man sich nicht festgelegt hat, nach welchen
Intentionen wir den Standort dieser gewerblichen Berufsschulen bestimmen sollen. Wir dürfen doch
die Wirtschaftlichkeit einer solchen Berufsschule nicht schmälern. Die Wirtschaftlichkeit einer solchen
Berufsschule liegt im allgemeinen bestimmt sehr hoch. Nun hat hier unser Landesnachbar, die
Steiermark, von Haus aus eine Lösung gefunden, die uns auch im ländlichen Raum sehr zusagt. Die
Landesregierung der Steiermark hat seinerzeit gesagt, die Wirtschaftlichkeit der Berufsschulen ist
gegeben, wir wollen an dieser Wirtschaftlichkeit auch die Randgemeinden an den Grenzen
mitpartizipieren lassen und legen unsere Landesberufsschulen nun an die Grenze. Nicht an eine tote
Grenze, denn dort haben Sie keine tote Grenze, Jugoslawien ist ja offen; aber sie haben sie an die
Landesgrenzen gelegt. Es bestehen in der Steiermark solche Landesberufsschulen in Radkersburg, in
Leibnitz, in Deutschlandsberg und auch in Hartberg, um nur einige aufzuzählen. Bei uns wußte man
nicht, ob man sie in das nahe gelegene Zentrum Wien geben soll, um die verkehrstechnisch besseren
Möglichkeiten dort auszunützen, oder sie auch am Rande der heute genannten toten Grenze errichten
soll, so daß hier in nächster Zeit eine Entscheidung zu treffen ist, die nicht leicht sein wird. Wir werden
es uns auch nicht leicht machen und bestimmte gewisse Standorte ventilieren und dann
berücksichtigen.
Wenn im außerordentlichen Voranschlag des Landes für den Ausbau und für die Einrichtung von
Werkstätten sowie für Ankäufe von Gründen und den Bau von Berufsschulen und Schülerheimen 7
Millionen Schilling beinhaltet sind, so liegt das in einer Ordnung, die alljährlich wiederkehrt. Es handelt
sich meistens um Einrichtungsgegenstände für die diversen Werkstätten, welche ja auch gebraucht
werden. Aus den Mitteln des Landes, welche auch dem Berufsschulbaufonds zufließen, sind heuer 25
Millionen Schilling vorgesehen, welche dazu dienen sollen, endlich einmal für den längst schon
notwendig gewordenen Internatsbau in St. Pölten 15 Millionen Schilling und für das Schülerheim in
Baden 5 Millionen Schilling bereitzustellen. Dabei darf gesagt werden, daß bei diesen
Schülerinternatsbauten nicht allein das Land als Träger der Finanzierung auftritt. Es muß lobend
hervorgehoben werden, daß sich auch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft bei der Finanzierung
dieser Internatsbauten betätigt. Aber auch die Gemeinden betätigen sich bei ... (Zwischenruf: St.
Pölten.) Nein, nicht bei St. Pölten, woanders. In Waldegg zum Beispiel oder in Zisterdorf und so
weiter. Ja, da gibt es eine Reihe von Gemeinden oder die Kammer, die sich finanziell beteiligt, um
diese Internatsprojekte besser und schneller zu bauen. Daher glaube ich, daß wir auch diesen
Institutionen recht herzlich danken müssen, zumal wir heute von dieser Stelle aus schon gehört
haben, in welcher Notlage sich die Gemeinden befinden. Gerade die Gemeinden wissen, was es
heißt, eine solche Institution in ihre Mauern zu bekommen, und treten daher auch immer wieder als
Vorfinanzierer auf.
Abschließend darf ich zu diesem Problem sagen, daß die Zusammenarbeit aller mit dem
Berufsschulwesen befaßten Ämter des Landes, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft und der
Gemeinden mit dem gewerblichen Berufsschulrat vorbildlich ist, so daß für die Ausbildung unserer
Jugend bestens vorgesorgt ist. Wenn auch hier und da noch Platzmangel oder Schwierigkeiten bei
der Einrichtung auftreten, so ist das ein finanzielles Problem, dem ja bekannterweise niemand in
Österreich hundertprozentig gerecht werden kann. Es wird jedoch von allen Beteiligten so geplant und
gearbeitet, daß aus den vorhandenen Mitteln das Maximum herausgearbeitet wird zum Wohle unserer
Jugend, welche über kurz oder lang in unserem Vaterland die Wirtschaft verkörpern wird. Danike.
(Beifall bei der ÖVP und einigen Abgeordneten der SPÖ.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Frau Abg. Jirkovsky ist die nächste Rednerin der Gruppe 2, ich
erteile ihr das Wort.
Abg. JIRKOVSKY: Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Zu Schulfragen wurde schon eingehend
Stellung genommen. Ich möchte mich mit einigen Problemen des Kindergartenwesens beschäftigen.
Der vorliegende Voranschlag zeigt, daß die Ausgaben auf diesem Gebiet ständig steigen. Ein Zeichen
dafür, daß höhere Anforderungen gegeben sind. Daß dieser Mehraufwand berechtigt ist, steht außer
Zweifel. Wie wichtig Kindergärten für die geistige und körperliche Entwicklung unserer
vorschulpflichtigen Jugend sind, ist Ihnen, werte Damen und Herren, ausreichend bekannt. Es ist
daher erfreulich, daß rund 34.000 Kinder, das sind mehr als 54% aller Drei- bis Sechsjährigen, einen
Kindergarten besuchen können. Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, daß trotz der
Unterstützung des Landes der Bau eines Kindergartens viele Gemeinden vor schwierige Probleme
stellt. Ebenso schwer aber sind die dauernden finanziellen Belastungen durch die Betriebskosten. Ein
Kindergarten erfordert respektable Beträge für Heizung, Strom, Servicedienste und
Reinigungsmaterial. Dazu kommen noch die Kosten für die Einrichtung, für die Erhaltung der Gebäude
und für die Beschaffung von Beschäftigungsmaterialien. Das sind Kosten, für welche die Gemeinden
allein aufzukommen haben. Trotz den heute schon sehr weitgehenden finanziellen Belastungen
kommen sie dieser Verpflichtung in vorbildlicher Weise nach. Und dafür soll den Gemeinden von
dieser Stelle aus herzlich gedankt werden. (Beifall im Hause.)
Wir wissen, daß uns die Häuser allein nicht genügen würden, wenn wir nicht auch die Menschen mit
dem nötigen Fachwissen hätten. Eine zufriedenstellende pädagogische Betreuung ist aber nur dann
gesichert, wenn die Inspektorinnen mit den Kindergärtnerinnen engen Kontakt halten. Um diesen
Kontakt zu fördern, ist im Dienstpostenplan für 1975 eine feste Inspektorin vorgesehen. In
Niederösterreich sind derzeit 1098 Kindergärtnerinnen tätig und im nächsten Jahr werden es 1245
sein. Laufend gibt es auf dem Gebiet der Kleinkinderpädagogik neue Erkenntnisse. Es ist daher auch
eine dauernde Schulung der Kindergärtnerinnen notwendig. In Vorträgen und Aussendungen erhalten
sie die Informationen für ihre fachliche Weiterbildung. Für 1975 sind weitere Maßnahmen in dieser
Richtung vorgesehen.
Seit November 1973 besteht auch ein psychologischer Dienst, der den Kindergärtnerinnen die
Möglichkeit bietet, Kinder mit Auffälligkeiten oder Behinderungen im geistigen, körperlichen,
sprachlichen oder verhaltensmäßigen Bereich einer eingehenden Untersuchung zuzuführen. Diese
Untersuchungen haben gezeigt, daß die Anzahl der Kinder mit Behinderungen, und diese brauchen
eine spezielle Betreuung, im Ansteigen ist. Dieser Frage wird man in Zukunft mehr Augenmerk
zuwenden müssen, damit man solche Kinder nicht in die Außenseiterrollen unserer Gesellschaft
drängt. Die besondere Behandlung, die diese Mädchen und Buben brauchen, ist in einem
Normalkindergarten nicht möglich. Man sollte sich daher mit dem Problem der Errichtung von
Sonderkindergärten beschäftigen. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Bericht eines
Sonderkindergartens der Stadt Wien. Von 1275 Kindern, die einen solchen Kindergarten besuchten,
mußten nur 4 von der Schule gänzlich befreit werden. Alle anderen konnten in verschiedene
Sonderinstitute übertreten. Diese Tatsache spricht eine deutliche Sprache für diese Einrichtung.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mit meinen Ausführungen versucht, auf einige Probleme
hinzuweisen. Eines noch möchte ich Ihnen in Form eines Resolutionsantrages zur Kenntnis bringen.
Resolutionsantrag
der Abgeordneten Jirkovsky
zur Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975,
Landtagszahl 12.
In Niederösterreich besuchen derzeit mehr als 34.000 Kinder, das sind mehr als 54% aller Drei- bis
Sechsjährigen, einen Kindergarten. In rund 460 Gemeinden ist ein Kindergarten errichtet, in ca. 400
Gemeinden ein solcher in Betrieb. In 100 Gemeinden Niederösterreichs ist demnach noch kein
Kindergarten errichtet. In einer Vielzahl von Gemeinden ist ein Kindergarten deshalb noch nicht in
Betrieb oder errichtet, weil das Problem des notwendigen Kindertransportes nicht gelöst ist. Um aber
allen kindergartenfähigen Kindern die Möglichkeit des Kindergartenbesuches einzuräumen, wäre
seitens des Landes für eine geeignete Unterstützung der Kindergartenerhalter vorzusorgen.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert, Erhebungen hinsichtlich der Notwendigkeit von
Kindertransporten von und zu den Kindergärten mit dem Ziel durchzuführen, durch Ergänzung der
Förderungsbestimmungen im Nö. Kindergartengesetz 1972 die Möglichkeit eines umfassenden
Kindergartenbesuches zu schaffen.
Ich darf Sie bitten, werte Damen und Herren, diesen Antrag anzunehmen. (Beifall im Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als nächste Rednerin kommt die Frau Abg. Prokop zu Wort. Ich
erteile es ihr.
Abg. PROKOP: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich darf
wieder zu einem der schönsten Themen im Rahmen dieses Budgets, zum Kindergarten, sprechen. Es
ist jedesmal erfreulich, daß hier so große Übereinstimmung herrscht und daß so ein schöner Einklang
gefunden werden kann. Ich möchte meinen Erläuterungen eigentlich einen Satz unseres
Landesfinanzreferenten aus seiner Budgetrede voranstellen. Er hat gesagt: Ein echter
Ausgabenschwerpunkt des Landes im Interesse des Kindergartenwesens, ein echter
Ausgabenschwerpunkt des Landes im Interesse der zukünftigen Landesbürger. Das kann man nun
wirklich feststellen, wenn man die Budgetentwicklung der letzten Jahre in diesem Bereich beobachtet.
Wir hatten 1970 72,5 Millionen Schilling im Budget überschritten, 1973 erstmals die 100-MillionenGrenze überschritten und wenden heuer bereits 168,6 Millionen Schilling für den Kindergarten auf.
Das ist eine Steigerung im letzten Jahr von 20%, welche sicherlich, an der Bedeutung des
Kindergartens gemessen, richtig ist. Ich muß ebenso wie der Landesfinanzreferent betonen, daß diese
Leistung des Landes eine enorme Hilfe für die Gemeinden dieses Landes ist, und es kann nicht oft
genug gesagt werden, daß Niederösterreich das einzige Bundesland ist, welches die
Kindergärtnerinnen zur Ganze und die Kinderwärterinnen zu einem Drittel bezahlt und damit eine
wirklich großzügige Förderung bietet.
Es ist nun gelungen, die Versorgung sehr weitgehend den optimal angestrebten 60% nahezubringen.
Darf ich nur ihre Zahlen leicht korrigieren. Es sind ca. 34.000 Kinder in den Kindergärten versorgt, das
sind aber bereits 54,4%, also fast 55% der Kinder zwischen drei und sechs Jahren in
Niederösterreich. Das ist eine enorm hohe Zahl, und wenn man hier die Statistiken der Bundesländer
vergleicht, da gibt es, glaube ich, interessante Aspekte. So hat das Heft 355 des Österreichischen
Statistischen Zentralamtes über die Kindergärten 1973/74 geschrieben: In Niederösterreich werden
von den Drei- bis Fünfjährigen 23.848 Kinder in öffentlichen Kindergärten versorgt, in Wien dagegen
nur 12.009. Es werden in Niederösterreich also fast doppelt soviel Kinder in den Kindergärten
versorgt. Dazu muß man noch betonen, daß dies in Niederösterreich kostenlos erfolgt, während in
Wien ganz schöne Beträge, je nach dem Einkommen der Eltern, entrichtet werden müssen.
Die letzte, oder eine der letzten Sorgen in diesem Bereich gilt nun der Versorgung der sogenannten
weißen Flecken, das sind vor allem die ländlichen Bereiche. Es sind derzeit, wie die letzte Statistik
sagt, 145 Gemeinden in Niederösterreich noch unversorgt. Vor allem auf Grund der rasanten
Entwicklung im Ausbau des Kindergartenwesens - wie gesagt, in den letzten 2 Jahren von 37% auf
54, fast 55% Versorgungsgrad - und vor allem auch auf Grund des unvorhergesehenen
Geburtenrückganges in den lernten Jahren - es sind rund 1000 pro Jahr -, müßte man auch das
Raumordnungsprogramm für die Kindergärten noch einmal überdenken. Und ich denke da vor allem
an die Einteilung in diese 6 Gruppen, bei welchen es von der Versorgung 0 bis zur Versorgung 60%
geht; das ist ja mehr eine Bestandfeststellung, und weniger eine Bedarfsfeststellung. Im letzten Jahr
konnte eine Menge neuer Kindergärten, insgesamt 69, errichtet werden. 40 davon wurden in
aufgelassenen Schulen oder leerstehenden Klassenzimmern untergebracht. Berücksichtigt man jetzt
auch die Geburtenziffern der letzten Jahre, die von 1967 bis 1973 um fast die Hälfte zurückgegangen
sind und sich auch bereits im Schulbereich auswirken, so muß man wirklich versuchen, die zeitweise
gigantischen Fehlinvestitionen hintanzuhalten. Es ist daher wirklich zu begrüßen, daß geeignete
Gebäude möglichst unbürokratisch und schnell adaptiert werden, denn es sollte wirklich jedes Kind in!
Niederösterreich die Möglichkeit haben, einen Kindergarten zu besuchen. Um aber dieses Problem
einer endgültigen Lösung zuzuführen, also die 60% möglichst schnell zu erreichen, wird sicherlich, wie
gesagt, noch einiges zu ändern sein. Vor allem müßte man im ländlichen Bereich mit anderen
Maßstäben rechnen. Im Raumordnungsprogramm ist ein Anmarschweg, also ein Radius, von 1 km
vorgesehen. Es ist in manchen Gegenden aber absolut unmöglich, 80 Kinder aus dem Umkreis von 1
km zusammenzubringen, und daher müßte man diesen Radius unbedingt erweitern. Wenn man die
Statistik über die noch unversorgten Gemeinden hernimmt, muß man auch feststellen, daß vor allem
die ländlichen Bereiche sehr benachteiligt sind. So haben z. B. im Bezirk Gmünd von 22 Gemeinden
derzeit nur 7 einen Kindergarten. Oder in Scheibbs von 18 nur 9, in Zwettl von 24 nur 8. Es ist sehr
klar zu sehen, daß hier einfach geographische Schwierigkeiten vorhanden sind. Wie gesagt, müßte
hier ein Weg gefunden werden, die Kinder auch bei großer Streulage in Kindergärten zu bringen.
Man muß bedenken, daß die Kindergärten heute keine Aufbewahrungsorte mehr darstellen, daß die
Kindergartentante nur die liebe Tante ist, wie es vor einigen Jahren noch üblich war, sondern daß sich
in Niederösterreich tatsächlich die Kindergärten in einer wirklich vorbildlichen Weise zu echten
Förderungskindergärten entwickelt haben. Diese Kindergärten sind zu einer notwendigen
Vorbereitung für die Schule geworden und so kann und muß man eigentlich zu dem Schluß kommen,
daß in den ländlichen Bereichen die Diskrepanz immer größer wird, daß die städtischen Bereiche die
Möglichkeit der Kindergärten haben und in einem ländlichen Bereich die Zufahrt oder die Errichtung
eines Kindergartens fast unmöglich wird. Dabei hätten es bestimmt, wenn man nur das hernähme,
Kinder aus Bergbauerngebieten sehr, sehr nötig und es würde ihrer Entwicklung sehr förderlich sein,
wenn sie die Möglichkeit hätten, doch auch einen Kindergarten zu besuchen. Diese Kinder wachsen
fernab von den großen Orten auf, ihre Eltern haben meistens wenig Zeit, sie sprechen oft einen sehr
starken Dialekt. Kommen sie dann in die Schule, dann sind die anderen Kinder, eben schon
vorgebildet in Kindergärten, dieses Einordnen bereits gewöhnt. Diese Kinder aber haben es von
Anfang an etwas schwerer, sie müssen ja fast gezwungenermaßen eine gewisse Aversion gegen die
Schule entwickeln und es entsteht in dem Kind natürlicherweise oft nur ein Wunsch: Ich möchte
möglichst schnell aus dieser Schule raus. Das Kind wird keinen weiteren Bildungsweg mehr gehen;
damit ist die Ausbildung in gewissem Maße vernachlässigt, es werden die Berufschancen kleiner sein
und damit auch die Aufstiegschancen. Meiner Meinung nach muß hier geholfen werden, um der
gesamten Bevölkerung in Niederösterreich eine möglichst gleichmäßige Ausbildung zu ermöglichen.
Um nun die Errichtung von Kindergärten in allen Gegenden Niederösterreichs, auch in den größten
Streugemeinden, zu ermöglichen, wird es, wie gesagt, notwendig sein, im Raumordnungsprogramm
andere Maßstäbe zu setzen. Es wird natürlich zwangsläufig auch das von meiner Vorrednerin
angeschnittene Problem des Transportes entstehen. Man kann einfach Drei- bis Fünfjährigen nicht
zumuten, eine halbe Stunde und länger heranmarschieren zu müssen. Vor allem im Bewußtsein
unserer Einstellung, daß der Kindergarten eine notwendige Bereicherung und ein notwendiger Teil der
Gesamtausbildung, also mehr oder weniger eine Vorschule, eine Vorstufe zur Schule ist, bin ich der
Meinung, daß im Zusammenhang mit den Schülerfreikarten ein Weg zu finden wäre, auch die
Kindergartenkinder aus den abgelegenen Gebieten in den Kindergarten zu führen. Die Lösung dieses
Transportproblems würde fast sofort die als optimal angestrebte 60%ige Versorgung in unserem Land
Niederösterreich bewirken. Man könnte damit eine möglichst gleiche Ausgangsbasis für alle Kinder in
Niederösterreich schaffen. Gestatten Sie mir deshalb, ebenfalls einen Resolutionsantrag einzubringen,
und ich bitte zu diesem Antrag um Ihre Zustimmung.
Resolutionsantrag
der Abgeordneten Prokop
zu Gruppe 2 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Die Landesregierung wird auf gefordert, bei der Bundesregierung dahin zu wirken, daß durch
entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen eine ähnliche Regelung, wie sie das
Familienlastenausgleichsgesetz 1967 im Abschnitt I a über die Schulfahrtbeihilfe und
Schülerfreifahrten enthält, für den Besuch von öffentlichen Kindergärten und Horten und allenfalls
subsidiär für Privateinrichtungen dieser Art getroffen wird.
Ein weiteres Problem sind die Kinder von berufstätigen Frauen. Viele Familien sind darauf
angewiesen, daß die Frau arbeiten geht, aber auch die alleinstehenden Frauen sind darauf
angewiesen, ihre Kinder in fremde Obhut zu geben. Unser Motto muß es bleiben, so viele
Halbtagskindergärten wie möglich zu schaffen und so viele Ganztagskindergärten wie eben nötig. Es
soll nicht die Aufgabe des Landes sein, die Erziehungspflicht zu übernehmen, aber es muß bei
gegebener Notwendigkeit doch eine Hilfe geboten werden, die Kinder in Kindergärten ganztags zu
versorgen. Genauso notwendig wie Sozialhilfe oder Behindertenhilfe ist meiner Meinung nach die Hilfe
einer Mutter gegenüber, die ihr dreijähriges Kind unversorgt zu Hause hat und nicht weiß, was es
eventuell anstellt. Wir können ja fast täglich in den Zeitungen lesen, was in solchen Situationen
entstehen kann.
Es geht nun um die Schulferien, die ja auch die Schließung des Kindergartens bedeuten. Die Öffnung
des Kindergartens in solchen Ferienzeiten ist anerkannterweise ein schwieriges Problem, aber die
berufstätige Frau kann sich nicht einfach in der Zeit Urlaub nehmen, in der die Schule oder der
Kindergarten geschlossen ist. Möglicherweise müßte man hier an eine Novellierung des
Kindergartengesetzes denken. Es ist die Idealform, so wird es auch im Sozialplan der
Österreichischen Volkspartei gefordert, daß alle Mütter ohne große finanzielle Einbuße die Möglichkeit
haben sollen, in der ersten wichtigsten Zeit der Entwicklung ihres Kindes, in den ersten drei
Lebensjahren, selbst für die Erziehung zu sorgen. Man müßte da eine Fortbezahlung des
Karenzgeldes erreichen. Danach aber sollten die Kinder, wenn es notwendig ist, daß die Frau und
Mutter weiter arbeitet, ganztags und vor allem auch ganzjährig in Kindergärten betreut werden. Das
wäre sicherlich eine große Hilfe für viele Frauen und auch eine recht praktikable Alternative zum §
144.
Das Kindergartenwesen in Niederösterreich ist fast mustergültig. Ich möchte jetzt auch zu dem
Bereich kommen, den meine Vorrednerin bereits erwähnt hat und der mir besonders am Herzen liegt.
Ich habe bereits im Vorjahr im Kapitel 4 auf die notwendige Schaffung von Sonderkindergärten
hingewiesen. Seit November 1973 gibt es ja den psychologischen Dienst im Lande Niederösterreich.
Es wurden hier bereits eine Menge Untersuchungen angestellt, und es zeigt sich eben, daß der
Prozentsatz der Kinder, die einer psychologischen Betreuung und Behandlung bedürfen, sehr groß
und immens im Ansteigen ist. Wir haben leider keine konkreten Zahlen. Aber wenn man die
Vergleichszahlen von der Bundesrepublik Deutschland heranzieht, so müßten auf ca. 30.000 Kinder
rund 5000 in irgendeiner Weise behinderte Kinder kommen. Bei uns ist das Problem, das diese Kinder
viel zu spät, oft zu spät, erfaßt und behandelt werden. So zum Beispiel in Gugging. Dort befinden sich
Zwölfjährige, die an und für sich schulpflichtig wären, vielleicht auch bis zu einem gewissen Grad
bildungsfähig gewesen wären, aber mangels an Möglichkeiten dahinvegetieren müssen. Man weiß,
daß bei möglichst früher Erkennung an Wunder grenzende Erfolge erzielt werden können. Und ich
lasse jetzt ganz absichtlich das Menschliche beiseite und möchte nur die finanzielle Seite zu
bedenken geben. Bei einer frühen Betreuung der immer größer werdenden Zahl der in irgendeiner
Weise geschädigten oder behinderten Kinder könnte ein sehr, sehr großer Prozentsatz dieser Kinder
zu wertvollen und fast voll einsatzfähigen Menschen der Gesellschaft gemacht werden. Und ich
glaube, das ist eine Investition, durch die man sich sehr wohl viele Millionen an eventuellen späteren
Sozialhilfegeldern einsparen könnte. Mir erscheint vor allem auch sehr wichtig, daß man hier wirklich
den Ärmsten der Armen und auch jenen Familien hilft, die oft nicht mehr aus und ein wissen; es ist
nicht nur ein Mensch oder eine Familie an diesen Problemen gescheitert. Wir sind im letzten Jahr
leider Gottes in diesem Bereich wenig weitergekommen. Ich hoffe, daß vielleicht im Zusammenhang
mit der Behindertenhilfe einiges zu erreichen wäre. Es müßte hier sehr viel ausgebaut und errichtet
werden; vor allem der psychologische Dienst, für welchen Frau Dr. Fischhof schon sehr große Arbeit
geleistet hat, müßte ausgeweitet werden. Es ist ein großes Problem, daß diese Kinder ja sehr selten in
Kindergärten kommen. Man müßte hier Untersuchungen bei den Bezirkshauptmannschaften und vor
allem bei den Mutterberatungsstellen durchführen. Ich glaube, hier könnte wirklich eine
Früherfassung, eine Frühtherapie durchgeführt werden. Vor allem müßte man die Eltern, die Mütter,
auch beraten, wie sie diese Kinder eventuell auch zu Haus behandeln könnten. Man weiß, daß ein
Großteil dieser zumeist nur sehr leicht behinderten Kinder voll schulreif gemacht werden könnte.
Ein Problem, das in diesem Zusammenhang gelöst werden muß, ist das Problem der
Sonderkindergärtnerin. Wie gesagt, ich habe schon im Vorjahr darauf hingewiesen, daß ich hoffe, im
nächsten, Jahr die Erfolge aufzeigen zu können. Das Kindergartenwesen ist eines der rühmlichsten
und erfreulichsten Kapitel in unserem Budget, und ich möchte allen danken, die mit den Arbeiten in
diesem Bereich befaßt sind und wirklich aufopfernd das ganze Jahr über für unsere Kinder und für
unsere Familien arbeiten. Wenn wir unseren Kindern optimale Chancen bieten, so braucht uns um
unsere Zukunft wirklich nicht bang zu sein, unsere Kinder sind ja schließlich unsere Zukunft. (Beifall im
Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Zur Gruppe 2 hat sich nochmals der Abg. Kosler zu Wort gemeldet.
Ich erteile es ihm.
Abg. KOSLER: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Baueregger hat zu meinen
drei Anträgen Stellung bezogen, nur bin ich mir im Augenblick nicht ganz klar, ob diese Stellungnahme
eine Ablehnung aller drei Anträge bedeutet, oder ob es nur eine Kritik an der Form gewesen ist. Ich
muß aber aus der Erfahrung heraus annehmen, daß es sich doch um eine Ablehnung handelt. Dazu
einige Bemerkungen.
Zum ersten Antrag, betreffend die Säumigkeit im Zusammenhang mit dem Raumordnungsprogramm
für die Schulstandorte, wiederhole ich, daß der ähnlich lautende Antrag schon im Vorjahr abgelehnt
wurde. Ich glaube, man braucht nicht unbedingt so gefolgstreu zu sein, um wiederum die Meinung
haben zu müssen, daß ein diesbezüglicher Antrag abgelehnt werden soll, obwohl man im Laufe eines
ganzen Jahres keine zugesagte Erledigung feststellen konnte.
Zum zweiten Antrag, der den Widerspruch zwischen dem § 11 des Niederösterreichischen
Pflichtschulgesetzes und der Handhabung der Gesetzesermächtigung in bezug auf den Lehr- und
Arbeitsmittelbeitrag betrifft, muß ich schon sagen, Herr Kollege Baueregger, die Berufsschüler, die im
Laufe ihres Lehrganges 5000 Schilling und mehr zur Verfügung haben, sind wohl sehr, sehr dünn
gesät. Die Masse dieser jungen Menschen wird durch diese Tatsache belastet, und für sie einzutreten,
war meine Absicht und sonst gar nichts. Wenn Sie diese Absicht zerstören, dann ist es Ihre Sache,
das zu vertreten.
Der dritte Antrag bezieht sich auf den Härteausgleich für die jungen Lehrer. Sicherlich, man kann unter
Umständen auch der Meinung sein, daß es sich um eine Besoldungsangelegenheit handelt. Wer aber
die geschichtliche Entwicklung der Lehrerbesoldung kennt, der müßte auch wissen, daß die einstmals
unter dem Begriff „Ortsklasseneinteilung“ bestandene Regelung Gott sei Dank in der Zweiten Republik
Osterreichs, weil abgelehnt von der Lehrerschaft und von ihren Gewerkschaften, nicht mehr
gekommen ist. Diese unterschiedliche Behandlung der Lehrer nach ihrem Dienstort wäre nicht das,
was ich mit meinem Antrag angestrebt habe. Ich möchte aber namens der sozialistischen Fraktion
betonen, daß wir dem Antrag des Abgeordneten Baueregger, der in seinem Tenor nun die
Landesregierung auffordert, bei den zuständigen Bundesministerien eine Prüfung anzuregen,
zustimmen werden. Es kommt uns in diesem Fall nämlich ganz besonders auf die Sache an und auf
nichts anderes sonst. Es wäre richtig gewesen, auch dem anderen Antrag die Möglichkeit der
Annahme zu geben, weil dadurch die Angelegenheit von zwei Seiten aus geprüft hätte werden
können. (Beifall bei der SPÖ.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als vorläufig letztem Redner zur Gruppe 2 erteile ich dem Herrn
Landesrat Grünzweig das Wort.
LANDESRAT GRÜNZWEIG: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Die
Gruppe 2, Schulwesen und Kindergartenwesen, wurde in der Debatte in den letzten Stunden sehr
ausführlich und sehr sachlich behandelt. Ich darf mich daher darauf beschränken, nur einige
Anmerkungen in Form von Ergänzungen, dort, wo ich kritisch angesprochen wurde, vielleicht auch
von Klarstellungen, zu machen. Das Kindergartenwesen nahm wieder eine sehr starke Position in der
Debatte ein. Es ist manches Lob darüber geäußert worden. Wir freuen uns alle, daß wir auf diesem
Gebiet eine Menge für unsere Kleinsten erreichen konnten. Wir sind ja auf gutem Wege, tatsächlich
Vorsorge zu treffen, daß alle Kinder von drei bis sechs Jahren, deren Eltern es wollen, bald in solchen
Kindergärten unterzubringen sind.
Ich nehme auch das Problem der Sonderkindergärten gerne auf. Ich darf darauf verweisen, daß heuer
zum erstenmal in Perchtoldsdorf, im Schwedenstift, begonnen wurde, eine solche Einrichtung zu
führen, und ich hoffe, daß es möglich ist, hier doch einige Schwerpunkte - das kann man nur
schwerpunkteweise machen - zu setzen, da hierbei ja doch eine gewisse Anzahl von Behinderten
vorhanden sein muß.
Was die beiden Resolutionsanträge anbelangt, so rechne ich damit, daß meine Fraktion Ihrem Antrag,
Frau Kollegin Prokop, sicher auch die Zustimmung geben wird, zumal ja die sozialistische Fraktion
des Parlaments seinerzeit die Änderung des Familienlastenausgleiches beschlossen hat, meines
Wissens gegen die Stimmen der Österreichischen Volkspartei. Wenn Sie nun das Hohe Haus hier
auffordern, für ähnliche Maßnahmen einzutreten, wie sie mit den Schulfahrtkosten gesetzt wurden, bin
ich überzeugt, daß Sie die Zustimmung der sozialistischen Fraktion dafür erhalten werden.
Die Frage der ganztägigen und ganzjährigen Führung der Kindergärten scheint mir sehr wichtig zu
sein. Ich darf aufmerksam machen, daß zur Zeit rund 90 Kindergärten in Niederösterreich schon
ganztägig geführt werden, das heißt, die Kinder werden über Mittag betreut. Ich meine nur, daß wir
uns erst dann neue Ziele mit breiter Ebene setzen können, wenn es uns möglich war, zunächst einmal
für alle Kinder die Einrichtung des Kindergartens zu schaffen. Das ist ein finanzielles Problem; bei der
Steigerungsrate, die wir zur Zeit haben, wäre es, glaube ich, etwas übers Ziel geschossen, alles
zugleich zu verlangen. Derzeit haben von den 460 Gemeinden, die es noch gibt, rund 100 noch
keinen Kindergarten. In allen anderen Gemeinden gibt es einen Kindergarten. Ich glaube, das müßte
das nächste Ziel sein. Dann ein sukzessiver Ausbau der Kindergärten, und zwar dort, wo es
notwendig erscheint, nicht in allen Fällen. Sie wissen, daß es gerade gegen die Einrichtung des
Ganztagskindergartens eine Menge Stimmen aus Eltern- und Erzieherkreisen gibt; Pädagogen sind
hier der Meinung, man soll das Kind nicht zur Gänze dem Elternhaus entfremden. Dasselbe gilt,
glaube ich, auch für die ganzjährige Führung, wobei ich auch Ihrer Meinung bin, daß es Fälle gibt, wo
es unumgänglich notwendig ist, einen Kindergarten ganzjährig zu führen. Aber ich glaube, das wird
die nächste Etappe sein. Herr Finanzreferent, Sie sehen ja, wir haben in den nächsten Jahren noch
eine Menge auf dem Kindergartensektor vor uns, auch wiederum eine Geldfrage.
Es hat dann der Herr Abgeordnete Schober unter anderem auch über den Lehrermangel in
Niederösterreich gesprochen und gemeint - ich möchte mich nur mit dem Problem beschäftigen, wo
ich meine, daß es etwas klarzustellen gibt -, daß hier erst in den achtziger Jahren eine Normalisierung
eintreten wird. Irgendwie unterschwellig ist dabei der Vorwurf durchgeklungen - ich habe auch einen
solchen offenen Brief gelesen, der in letzter Zeit kursiert ist -, man würde das etwas kritiklos von hier
aus sehen, die Frage des Lehrermangels wäre heute so, daß man jungen Menschen abraten müßte,
diesen Beruf zu ergreifen. Ich glaube, das ist nie gesagt worden. Es ist im vergangenen Jahr nur die
Situation bei den Arbeitslehrerinnen sehr deutlich aufgezeigt worden, weil an die 100
Arbeitslehrerinnen fertig geworden sind und zunächst nur für 40 Platz war. Es war dann möglich, im
Laufe des Schuljahres auch alle anderen 60 unterzubringen, aber das sind erste Signale. Es soll uns
nicht eines Tages auf dem Gebiet der literarischen Lehrer so gehen wie in den Jahren 1955-1959 mit
600 bis 900 Junglehrern, die vor der Schultür gewartet haben und nicht angestellt werden konnten.
Das war ein Zustand, den wir alle miteinander nicht mehr haben müssen, und daher heißt es, die
Dinge ganz genau beobachten. Ich wage die Jahreszahl 1980 zu bezweifeln, obwohl das, was Sie
zahlenmäßig angeführt haben, stimmt. Wir haben zur Zeit eine Lehrerproduktion - wenn ich das mit
diesem sehr profanen Ausdruck bezeichnen darf -, also die derzeitigen pädagogischen Akademien,
die für Niederösterreich Lehrer heranbilden - Baden und Krems, die beiden Wiener Akademien, aber
auch Line spielt da hinein -, stellen Niederösterreich rund 450-500 Lehrer zur Verfügung. Im heurigen
Jahr waren es etwas über 450, der Rest waren Handarbeitslehrerinnen. Und nun liegt die
Pensionierungsrate zwischen 250 und 300, in manchen Jahren auch darunter, Sie sehen also, wir
werden auf jeden Fall immer rund 200 Lehrkräfte haben, um diese Lücke aufzufüllen. Nun darf ich Sie
noch darauf aufmerksam machen - es wurde schon wiederholt gesagt -, daß es ab dem Jahre 1970
einen sehr starken Abfall der Geburtenzahl gibt, dcr sich spätestens 1976/77 schon sehr deutlich
auswirken wird. Zur Zeit gilt das für den Kindergarten, aber dann auch für die Schule, so daß wir von
zwei Seiten her einen Abbau dieses Lehrermangels haben. Eines Tages, das wird wahrscheinlich
noch vor 1980 sein, auch wenn wir in der Schule aus verschiedenen Gründen einen zunehmenden
Bedarf haben, wird das zusammentreffen und dann haben wir über Nacht wieder diese nicht sehr
angenehme Situation, wenn man die Dinge nicht unter Beobachtung hält. Um mehr ist es mir nie
gegangen, meine Damen und Herren.
Ich möchte mich nicht mit den verschiedenen Resolutionsanträgen beschäftigen, die ja alle
ausführlichst begründet worden sind. Ich darf Sie nur, im Zusammenhang mit meinen folgenden
Ausführungen, Herr Landeshauptmannstellvertreter, in Ihrer Eigenschaft als politischer Vorstand der
Raumordnungsabteilung, um eines ersuchen. Wir müssen in der Frage Raumordnungsprogramm für
Schulstandorte in nächster Zeit weiterkommen. Das ist eine Arbeitsgrundlage des Schulreferates, die
wir aus den verschiedensten Gründen zur Verfügung haben müssen. Einige sind schon angedeutet
worden. Wir haben aber hier eine weitgehende Unsicherheit, na ja, mit den verschiedensten
Auswüchsen, die da möglich sind. Unter anderem natürlich nach wie vor mit den Wünschen mancher
Gemeinden auf Neuerrichtung von Hauptschulen. Wenn es ein verbindliches
Raumordnungsprogramm gibt, ist die Sache klargestellt. Gibt es das nicht, haben die betroffenen
Gemeinden natürlich immer wieder das Recht, zu sagen, das bildet euch ja nur ihr da drinnen ein, nur
wegen euch kriegen wir das nicht. Zur Zeit sind nämlich die Hauptschülerzahlen noch so hoch, daß
man dort und da solche Überlegungen anstellen kann; bei den Hauptschulen winkt sich ja der
Rückgang noch nicht aus. Das ist nur einer von verschiedenen Gründen, daß wir dieses
Raumordnungsprogramm, das ja in Aussicht gestellt wurde, dringend brauchen. Wenn es nicht so
wäre, müßten wir ja andere Wege gehen, um diese Standort- und Sprengelfestsetzung
abzuschließen. Da wir aber an diese Verheißung gebunden sind, darf ich ersuchen, hier wirklich einen
ernsthaften Ruck zu unternehmen, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Ich möchte ganz kurz, Abgesehen von den Förderungsmaßnahmen in den verschiedenen Bereichen,
auch auf die Schwerpunkte der eigentlichen Schulbautätigkeit des Landes eingehen. Auf dem Gebiete
der Berufsschulen - der Kollege Baueregger hat dies schon angeführt - werden die Schwerpunkte im
kommenden Jahr die beiden Berufsschulinternate St. Pölten und Baden sein, das eine ein 46-, das
andere ein 42-Millionen-Projekt. Für St. Pölten wurden die Arbeiten bereits vergeben, der Baubeginn
ist kürzlich erfolgt oder wird in den nächsten Tagen in Angriff genommen. Bei Baden wird es in kurzer
Zeit soweit sein, so daß im nächsten Jahr ein tatsächlicher Arbeitsschwerpunkt vorhanden ist.
Verschiedene kleinere Bauvorhaben sind ebenfalls im Zuge oder fertiggestellt, wie ein
Werkstättenzubau in Neunkirchen durch die Handelskammer, der jetzt vom Lande nachfinanziert wird.
Waldegg ist nun endlich fertiggestellt, vom Land kommt noch eine bestimmte Summe für die
Restfinanzierung. Es sind Schülerheimzubauten in Schrems und in Zistersdorf im Gange, in beiden
Fällen tritt die Gemeinde als Bauherr auf und wird durch das Land mit entsprechenden Zuschüssen
unterstützt. Wichtig erscheint mir, daß der Gewerbliche Berufsschulrat in der Frage
Standortfestsetzung der zweiten Kfz-Schule nun zu einer Entscheidung kommt, damit das Schulreferat
die Vorbereitung einer Landtagsvorlage in Angriff nehmen kann. Der Landtag wird sich also im
kommenden Jahr mit dieser Frage zu beschäftigen haben, und zwar dann, wenn die Vorfrage des
Standortes klargestellt ist. Auf dem Gebiete der Fachschule haben wir ein Bauvorhaben in Mödling,
bei welchem es darum geht, die Fachschule für Damenkleidermacher unterzubringen; sie war in der
Hauptschule Mödling, welche dringendsten Raumbedarf angemeldet hat. Aus diesem Grund war es
notwendig, auszuweichen. Die Hyrtlsche Waisenanstalt wird gemeinsam mit der Stadt Mödling ein 15Millionen-Projekt ausfüihren, wozu das Land 50% beiträgt. Und schließlich wird in nächster Zeit an
den Landtag eine Vorlage im Zusammenhang mit dem Zubau der Höheren Lehranstalt für
wirtschaftliche Frauenberufe in Hollabrunn herangetragen werden, wo wir ja bekanntlich verpflichtet
sind, bis 1. 1. 1977 diesen Bau fertigzustellen, damit er dann dem Bund übergeben werden kann.
Insgesamt wird sich das Projekt auf 38 Millionen Schilling stellen, wovon auf Grund einer
Vereinbarung ein Drittel der Fonds und zwei Drittel das Land zu tragen haben werden, so daß auch
damit der Landtag in nächster Zeit befaßt wird. Die Dinge haben sich leider in die Länge gezogen, so
daß wir mit dem Bau schon etwas ins Gedränge kommen.
Das schwierigste Problem, über welches auch am ausgiebigsten in allen bisherigen Gruppen und in
der Generaldebatte diskutiert wurde - auch im Finanzausschuß ist manches darüber gesprochen
worden -, ist die Finanzierung des Pflichtschulbaues. Es sind eine Reihe von Zahlen genannt worden,
ich möchte daher ganz kurz darauf Bezug nehmen. Hier haben wir wirklich einen echten Engpaß, und
zwar sind für das Jahr 1975 bereits 550 Millionen Schilling unumgänglich notwendig. Zum Großteil für
Zusagen, aber zum anderen Teil in Anbetracht des Baufortschrittes schon derartig dringend
erforderlich, daß es kaum verantwortbar ist, die Dinge hier hinauszuschieben. Darüber hinaus sind es
auf Grund der Ansuchen für das Jahr 1974 noch Restbeträge in der Größenordnung von 28 Millionen
Schilling, die wir zur Ausfinanzierung der 1974 fertiggestellten Bauten noch brauchen würden. Wir
werden maximal Einnahmen von 280 Millionen Schilling haben, einschließlich der 160 Millionen
Schilling, die wir hier im Landeshaushalt zur Verfügung bekommen. Wir können maximal 140 Millionen
Schilling Darlehen aufnehmen, auch das ist problematisch; wir haben für das Jahr 1974 rund 80
Millionen Schilling, die noch offen sind, als Darlehen aufzunehmen. Es ist uns gelungen, bis jetzt 80
Millionen Schilling aufzutreiben, die anderen 80 sind uns auf dem Darlehensweg zwar zugesagt, aber
noch nicht flüssiggemacht, sondern erst für Jänner in Aussicht gestellt, so daß wir auch hier etwas im
Verzug sind, wodurch eine echte Finanzierungslücke eingetreten ist, die die Gemeinden in größte
Schwierigkeiten bringt.
Ich könnte nun sagen, wir brauchen das ganze Geld vom Land. Es ist mir selbstverständlich immer
plausibel gewesen, daß es nicht möglich ist, daß das Land alles das auf einmal trägt, was hier anfallt.
Trotzdem denke ich, der Herr Finanzreferent sollte damit rechnen - ich möchte es vorsichtig
ausdrücken -, daß hier in nächster Zeit ein wesentlicher Nachtrag für das Jahr 1975 kommt, der die
Situation etwas entspannt. Ich will Ihnen sagen, daß die Forderung an den Schulbaufonds in dieser
Größenordnung wahrscheinlich keine ständige Einrichtung sein wird, sondern daß wir hier einen
Höhepunkt erreicht haben, der sich folgendermaßen darstellt: Wir haben im laufenden Budget des
Schul- und Kindergartenfonds insgesamt 433 Projekte, ohne die Schwimmbäder und ohne
Instandsetzungen. Davon sind 245 Schulprojekte - ich möchte Zeit sparen - und 188 Kindergärten.
Wahrend vor wenigen Jahren noch der Anteil der Kindergärten 10 bis 20% der Objekte betragen hat,
sind wir mit den Kindergärten heute fast an 50% der Bauvorhaben herangekommen. Auf dem
Schulsektor, wie gesagt, ist ein sehr starker Rückgang der Ansuchen festzustellen. Wir haben zur Zeit
nur mehr 21 Bauvorhaben. „Nur mehr“ ist natürlich ein relativer Begriff, denn 21 Bauvorhaben
beinhalten ein Volumen von über 20 Millionen Schilling. Diese laufenden Vorhaben sollen im
kommenden Jahr 1975 fertiggestellt werden. Im abgelaufenen Jahr sind überhaupt keine
Neuansuchen dieser Größenordnung mehr eingelangt. Es sind allerdings noch 9 Projekte in
Vorbereitung, deren Anfinanzierung in der Größenordnung über 20 Millionen Schilling in nächster Zeit
notwendig sein wird. Alles andere sind zum größten Teil Nachfinanzierungen infolge wachsender
Baukosten, die natürlich den Gemeinden besonders über den Kopf gewachsen sind. Unter den
verschiedensten Bauvorhaben kleinerer Art sind, wie Sie sehen, zunehmend immer wieder
Kindergartenbauten. Auf diesem Gebiet werden wir in nächster Zeit einen sehr deutlichen
Schwerpunkt haben.
Abschließend noch ein paar Sätze über legistische Arbeiten, die in nächster Zeit an den Landtag
herantreten werden. Ich hoffe, daß es möglich ist, dem Landtag schon in kurzer Zeit den Entwurf des
Hortgesetzes neuerlich vorzulegen. Es haben ja im zuständigen Ausschuß schon vor der Wahl
Beratungen stattgefunden. Man ist über verschiedene Probleme ins klare gekommen und es soll nun
noch zwischen den beiden Klubjuristen, die dabei mitgearbeitet haben, und den Referat das
entsprechende Einvernehmen hergestellt werden; sodann wird dieser Antrag der Landesregierung
und dem Landtag vorgelegt werden. Auch die Schulbauordnung soll einer Novellierung unterzogen
werden. Hier sind wir weitgehend an den Inhalt der Bauordnung gebunden. Es soll auch das
Schulzeitgesetz des Bundes insbesondere der neuen Semesterordnung und den Semesterferien
angepaßt werden. Letztlich ist noch das Lehrerdiensthoheitsgesetz zu novellieren, wobei vor allen
Dingen die Frage der Wahl in die Disziplinar- und Dienstbeschreibungskommissionen zur Debatte
steht. Es gibt verschiedene Auffassungen zu diesem Problem; eine geht dahin, daß es möglich sein
müßte, die Lehrervertreter nach dem Verhältnis der Personalvertretungswahlen heranzuziehen. Für
die Disziplinar- und Dienstbeschreibungskommission wäre dann kein neuerlicher Wahlgang
erforderlich. Diese Vorschläge, die an das Referat herangetragen worden sind, müssen ernsthaft
überlegt werden. Ich glaube, es wäre notwendig, darüber in nächster Zeit zu einer Einigung zu
kommen, weil auch hier bereits die Frist der jetzigen Disziplinar- und
Dienstbeschreibungskommissionsvertreter abgelaufen ist.
Meine Damen und Herren, auf dem Schul- und Kindergartensektor wurde im vergangenen Jahr wieder
manches Erfreuliche erreicht. Manche Sorgen haben wir noch vor uns, es gibt eine Menge Arbeit. Ich
darf aber einerseits auf das ersprießliche Zusammenwirken zwischen Land und Gemeinden
hinweisen, wobei ungeheure Opfer gebracht worden sind, um die Fragen des Schulwesens vorbildlich
zu lösen. Ich darf bei der Gelegenheit auch auf die gute Zusammenarbeit mit den Schulbehörden
verweisen, ich meine damit vor allen Dingen den Landesschulrat, von dem ich ja hoffe, daß dies auch
in ähnlicher Weise wie in der Vergangenheit der Fall sein wird. In dem Sinne darf ich an Sie
appellieren, daß wir auch in Hinkunft alle unsere Kräfte zusammennehmen, um unser Schulwesen in
Niederösterreich positiv voranzutreiben. (Beifall im Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Die Rednerliste ist erschöpft, der Berichterstatter hat das
Schlußwort.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Ich verzichte.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Zur Abstimmung liegt vor die Gruppe 2, Schulwesen, sowie die
Resolutionsanträge der Abgeordneten Kosler (drei Anträge), Lechner (zwei Anträge), Baueregger,
Jirkovsky und Prokop.
Ich lasse zunächst über die Gruppe selbst und zum Schluß über die vorliegenden Resolutionsanträge
abstimmen. Ich bitte den Berichterstatter, nunmehr seinen Antrag zur Gruppe 2, Schulwesen,
ordentlicher Voranschlag, außerordentlicher Voranschlag und Stabilisierungsteil zu stellen.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Herr Präsident! Hoher Landtag! Ich stelle den Antrag, die Gruppe 2,
Schulwesen, mit Einnahmen im ordentlichen Teil von 2.473,404.000 Schilling und Ausgaben von
2.959,041.000 Schilling sowie Ausgaben im außerordentlichen Teil von 12,700.000 Schilling und im
Stabilisierungsteil von 40 Millionen Schilling zu genehmigen. Ich ersuche, die Abstimmung
vorzunehmen.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER (nach Abstimmung über Gruppe 2, Schulwesen, ordentlicher,
außerordentlicher Voranschlag und Stabilisierungsteil, in Erfordernis und Bedeckung): Angenommen.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter nunmehr um Verlesung des Resolutionsantrages, und zwar des
ersten Antrages des Herrn Abg. Kosler.
Abg. Ing. KELLNER: Zur Geschäftsordnung! Darf ich darauf hinweisen, daß bereits festgestellt wurde,
daß die Resolutionsanträge nicht verlesen werden.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Bitte um Entschuldigung. Wir kommen zur Abstimmung. (Nach
Abstimmung über den ersten Resolutionsantrug des Abg. Kosler): Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den zweiten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Kosler. (Nach
Abstimmung über denselben): Abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den dritten
Resolutionsantrag des Herrn Abg. Kosler. (Nach Abstimmung über diesen Antrug): Abgelehnt. Wir
kommen zum ersten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Lechner. (Nach Abstimmung über diesen
Antrag): Abgelehnt.
Wir kommen nur Abstimmung über den zweiten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Lechner. (Nach
Abstimmung über diesen Antrag): Abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den
Resolutionsantrag des Herrn Abg. Baueregger. (Nach Abstimmung über diesen Antrag):
Angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Resolutionsantrag der Frau Abg. Jirkovsky.
(Nach Abstimmung über diesen Antrag): Angenommen. (Landeshauptmannstellvertreter Czettel:
Charmant! - Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Ihr müßt die Frauen vorschicken! - Heiterkeit.)
Und nunmehr zum letzten Antrag zu dieser Gruppe, dem Resolutionsantrag der Frau Abg. Prokop.
(Nach Abstimmung über diesen Antrag): Angenommen.
Ich ersuche nunmehr den Herrn Berichterstatter Abg. Reischer zur Gruppe 3, Kulturwesen,
ordentlicher Voranschlag und außerordentlicher Voranschlag, zu berichten.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Herr Präsident! Hohes Haus! Die ordentlichen Aufgaben der Gruppe
3, Kulturwesen, beinhalten die Aufwendungen für Wissenschaftspflege, Kunstpflege, Volksbildung,
Heimatpflege, Archive und sonstige in diesen Rahmen fallende Gebarungen. Sie betragen
116,114.000 Schilling, denen Einnahmen von 3,545.000 Schilling gegenüberstehen. Das
Nettoerfordernis bei dieser Gruppe beträgt daher 112,569.000 Schilling. Der perzentuelle Anteil am
Ausgabenvolumen des ordentlichen Teiles des Voranschlages macht 1,05% aus. Die Ausgaben in
dieser Gruppe erhöhen sich gegenüber dem Vorjahr um rund 12,3 Millionen Schilling. Von dieser
Erhöhung entfallen rund 2 Millionen Schilling auf den Personalaufwand und rund 10,3 Millionen
Schilling auf den Sachaufwand. Die Verminderung der Gesamteinnahmen der Gruppe 3 um rund 2
Millionen Schilling hängt im wesentlichen mit dem Auslaufen des Bundesbeitrages für die
Restaurierung des Schlosses Schallaburg und den Wegfall von Gebarungen nach dem
Umsatzsteuergesetz 1972 zusammen. Die außerordentlichen Ausgaben der Gruppe 3 sind mit
2,625.000 Schilling veranschlagt. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Debatte einzuleiten.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Zum Wort gelangt der Abg. Wiesmayr. Ich erteile es ihm.
Abg. WIESMAYR: Herr Präsident! Hoher Landtag! Das niederösterreichische Kulturreferat hat in den
vergangenen 15 Jahren auf dem Gebiet der Landesausstellungen Hervorragendes geleistet. Im Jahre
1960 hat diese Ausstellungsreihe begonnen mit der Barockausstellung in Melk und mit einer
Besucherzahl von 382.000. In den folgenden Jahren sind 1962 die Ausstellung Friedrich Gauermann
mit 165.000 Besuchern, 1963 Paul Troger mit 205.000 Besuchern und 1965 Ferdinand Georg
Waldmüller mit 80.000 Besuchern veranstaltet worden. Im Jahre 1966 Friedrich der Dritte,
Kaiserresidenz Wr. Neustadt, mit 85.000 Besuchern, dann folgt im Jahre 1973 „Die Römer an der
Donau“ mit 75.000 Besuchern. Im Jahre 1974 fand anläßlich der Fertigstellung der Schallaburg die
Renaissanceausstellung auf der Schallaburg mit einer Besucheranzahl von 323.000 statt. Wenn man
weiß, daß allein das Stift Melk im Jahr rund 120.000 Besucher anzieht, dann kann man feststellen,
daß die Ausstellung „Renaissance in Österreich“ auf der Schallaburg absolute Spitze gewesen ist. Es
ist den Veranstaltern dieser Ausstellung und allen, die dabei verantwortlich mitgearbeitet haben, nur
zu gratulieren. Für das Jahr 1975 sieht das Kulturreferat die Fortsetzung des Ausstellungsprogramms
vor, und zwar soll im Stift Altenburg „Groteske im Barock“ stattfinden. Für das Jahr 1976 ist im Stift
Lilienfeld eine Ausstellung unter dem Titel „Die Babenberger in Österreich“ geplant.
Ich habe hierzu an das Kulturreferat eine Bitte. Als Melker Mandatar kann ich mir fast nicht vorstellen,
daß im Jahr 1976, welches 1000 Jahre Babenberger in Usterreich bedeutet, das Stift Melk ganz
ausgeklammert wird. Ich weiß, daß bereits Kontaktgespräche stattgefunden haben zwischen dem
Kulturreferenten, dem politischen Kulturreferenten und den Herren des Stiftes Melk. Ich könnte mir
vorstellen, daß man dem Wunsche des Stiftes, dort zu diesem Zeitpunkt eine kleine Ausstellung zu
veranstalten, bei einer eingehenden Prüfung nähertreten könnte. Das ist kein Lokalpatriotismus, ich
habe schon darauf hingewiesen, warum dies geschehen sollte.
Und nun, meine Damen und Herren, zurück zur Schallaburg. Die Schallaburg gehört dem Bundesland
Niederösterreich. Bei der Festsitzung des Bau- und Ausstellungsbeirates am 14. November d. J.
wurde angekündigt, daß im Jahre 1975 die Burg weiter zur Besichtigung freigegeben ist. Es war sehr
notwendig, diese Aussage zu machen, denn die örtliche Ausstellungsleitung wurde in der Zeit vorher
schon von vielen Reisebüros gefragt, was denn im nächsten Jahr mit dem Schloß Schallaburg
geschehen soll. Nunmehr ist die Ausstellungsleitung in der Lage, zu sagen, daß das Schloß
Schallaburg weiter besichtigt werden kann. Ich glaube, das ist wichtig, denn eine Pause soll auf
keinen Fall entstehen. Das Schloß soll also weiter besichtigt werden können und es ist vorgesehen,
daß in den Räumen, die jetzt dazu schon herangezogen sind, die Geschichte der Burg und die
Geschichte der Besitzer der Burg auch weiter zu besichtigen sein wird. Außerdem sollen in den
anderen Ausstellungsräumen die Kunstschatze des Landes Niederösterreich gezeigt werden. Im
Großen Festsaal soll weiters die Tapisserie der Gegenwart zur Geltung kommen.
Was wird dann später sein? Ich möchte zunächst folgendes sagen, meine sehr verehrten Damen und
Herren. Viele Besucher, die anläßlich der Renaissanceausstellung die Burg gesehen haben, sind
gefragt worden, was ihnen besser gefallen habe, die Ausstellung oder die Burg, und warum sie
gekommen sind. Ich will keinen Prozentsatz nennen, aber ein großer Teil der Besucher hat gesagt,
vor allem der herrliche Schloßhof mit den herrlichen Terrakotten hätte sie dazu gebracht, zur
Schallaburg zu kommen. Was wird also in der Folge wirklich geschehen? Es gibt eine Reihe von
Vorschlägen. Viele Institutionen und Personen haben sich mit Vorschlägen beschäftigt, was aus
dieser Schallaburg werden, was mit ihr geschehen soll. Ich glaube, das ist gut so, denn das bedeutet
doch, daß sich der finanzielle Aufwand, der ein beträchtlicher war, gelohnt hat. Wenn sich sehr viele
Institutionen und Personen damit beschäftigen, was mit der Schallaburg zu geschehen hat, dann kann
man nur feststellen, daß der Ankauf und der Ausbau der Schallaburg für ganz Niederösterreich ein
wahrer Haupttreffer war. Der Kultursenat, der neu im Lande Niederösterreich bestellt ist, wird sich
ebenfalls mit dieser Frage auseinandersetzen und wird sicherlich auch Vorschläge erstatten.
Erlauben Sie mir, daß ich auch einen Vorschlag erstatte, was man in der nächsten Zukunft und
überhaupt mit der Schallaburg machen könnte. Ich bin der Meinung, daß die Schallaburg ein echtes
niederösterreichisches Kulturzentrum werden könnte und werden sollte. Es treffen nämlich bei dieser
Burg eine Reihe von Voraussetzungen zusammen. Erstens einmal das herrliche Gebäude, dann die
günstige Verkehrslage - die Autobahn und die Westbahn sind in der Nähe -, die Nähe des Stiftes
Melk, der Wachau und, wenn Sie wollen, auch die Nähe Wiens. Wenn man dieses Vorhaben
ansteuert, was wünschenswert wäre, dann könnte meiner Meinung nach das Kulturreferat des Landes
Niederösterreich mit der derzeitigen Besetzung die Arbeit, die da anfallen wird, nicht bewältigen. Es
ergibt sich schon aus diesem Grunde allein die Frage einer Trägerschaft. Es wäre denkbar, daß für
die Schallaburg und für all das, was auf der Schallaburg geschehen soll, ein Kuratorium gebildet und
bestellt wird. Das Kuratorium sollte für die Programmgestaltung verantwortlich sein und müßten ihm
natürlich Geschäftsführer zur Seite stehen, die dann das ausführen, was beraten und beschlossen
wurde. Natürlich würde dies auch dem Land zusätzliche Mittel kosten. Das scheint mir aber eine
Selbstverständlichkeit zu sein, denn die Burg wäre nicht nur für Ausstellungen an sich, sondern, das
sage ich sehr betont, auch für internationale Ausstellungen geradezu prädestiniert und Interesse dafür
ist in ganz Europa vorhanden. Es könnte überdies ein Vielfältiges kulturelles Programm auf der Burg
abgewickelt werden, wie zum Beispiel Tagungen, musikalische Veranstaltungen und im Rahmen der
Sommerspiele, meinetwegen in Kombination mit den Sommerspielen in Melk, könnte auch auf der
Schallaburg Theater gespielt werden. Im übrigen, das ist ja bekannt, hat sich auch der ORF für die
Schallaburg sehr interessiert und es sind im Zuge des Ausbaues auch Vorbereitungsarbeiten
getroffen worden, um Verschiedenes auf der Schallaburg aufnehmen und übertragen zu können.
Voraussetzung für all das, was ich hier vorgeschlagen habe, wäre natürlich die Inangriffnahme der
nächsten Bauetappe. So müßte das zweite Stockwerk auf der Schallaburg ausgebaut werden und es
wäre vor allen Dingen daran zu denken, für die Beherbergung von Personen Vorsorge zu treffen, die
etwa an Symposien oder Veranstaltungen anderer Art auf der Schallaburg teilnehmen. Diese Frage
könnte unter Umständen so gelöst werden, daß das sogenannte neue Schloß dazu ausersehen und
als Beherbergungsbetrieb ausgebaut wird. Natürlich ist dies alles mit beträchtlichen Kosten
verbunden, aber ich bin davon überzeugt, daß der Aufwand durch den Erfolg gerechtfertigt würde.
Ich freue mich als Melker Mandatar, daß die Fertigstellung der Schallaburg und damit die Ausstellung
so ein Erfolg geworden ist. Es waren mehr als 320.000 Besucher auf der Schallaburg und diese
320.000 Besucher sind ja auch 320.000 Konsumenten gewesen. Das hat sich erfreulicherweise im
heurigen Jahr auf das ganze Umland um die Schallaburg im Bezirk Melk sehr ausgewirkt. Und ich
freue mich darüber hinaus, daß es letztlich auf Grund eines Beschlusses des Landtages, wenn auch
erst nach vielen Jahren, zu diesem Erfolg gekommen ist.
Das folgende hätte ich sehr gerne dem Herrn Landeshauptmann persönlich gesagt, bin aber
überzeugt, wenn ich es hier sage, daß es der Herr Landeshauptmann erfährt. Zur Eröffnung der
Schallaburg ist ein wunderschönes Buch über die Schallaburg vom Hofrat der Nö. Landesregierung,
Prof. Dr. Feuchtmüller, herausgegeben worden. Der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich hat
ein Vorwort zu diesem Buch geschrieben, welches folgendermaßen beginnt: „Am 16. August 1965 hat
mein Vorgänger im Amt des Landeshauptmannes, Eduard Hartmann, in seiner Regierungserklärung
vor dem Niederösterreichischen Landtag gesagt: Die Rettung der Schallaburg muß ein Akt der
Selbstachtung nicht nur der Niederösterreicher, sondern aller Österreicher sein.“ Bis hierhin
unterstreiche ich alles, was geschrieben und gesagt wurde. „Diese Feststellung“, heißt es dann weiter,
„war ein Auftrag, der nicht vergessen wurde.“
Meine Damen und Herren, bei aller Wertschätzung des verstorbenen Landeshauptmannes Hartmann
möchte ich doch folgendes sagen: Der Landeshauptmann Hartmann hatte im Jahre 1965 schon einen
Auftrag, denn der Niederösterreichische Landtag hat nicht erst im Jahre 1965 Bekanntschaft mit der
Schallaburg gemacht, sondern schon zu einem viel früheren Zeitpunkt, nämlich im Jahre 1955. Ich
habe mir damals, meine Damen und Herren, erlaubt, dem Hohen Landtag über die Schallaburg zu
berichten, und ich will Ihnen nur einen kleinen Teil dessen vorlesen, was ich im Jahre 1955 anläßlich
der Budgetberatungen am 22. Dezember gesagt habe: „Ich erachte es geradezu als meine Pflicht, bei
der Behandlung des Kapitels 3 zum vorliegenden Budget die Mitglieder des Hohen Hauses darauf
aufmerksam zu machen, daß eines der ältesten und schönsten Kunstdenkmäler unserer engeren
Heimat dem Verfall preisgegeben ist, wenn nicht bald Hilfe kommt. Unsere Kinder lernen bereits in der
ersten Klasse der Volksschule, daß die Schallaburg eines der schönsten Renaissanceschlösser
unserer Heimat ist. Und von der Schallaburg will ich heute sprechen und ihrer Erhaltung das Wort
reden.“ Und ich habe mir im Anschluß an diese meine Ausführungen erlaubt, einen Antrag zu stellen,
und dieser Antrag hat gelautet: „Die Niederösterreichische Landesregierung wird aufgefordert, mit der
Bundesregierung zur gegebenen Zeit Verhandlungen aufzunehmen und in der Richtung zu führen,
daß die Schallaburg mit Rücksicht auf ihren bedeutenden kulturhistorischen Wert an das Land
Niederösterreich übereignet wird und zur Durchführung kultureller Veranstaltungen verwendet werden
kann.“ Ich möchte damit sagen, daß der Auftrag an die Landesregierung aus dem Jahre 1955 stammt.
Ich möchte nun zum Abschluß kommen und feststellen: Die Schallaburg ist ausgebaut worden und ich
habe schon gesagt, dies ist ein Haupttreffer für Niederösterreich. Ich wünsche und hoffe nur, daß die
Schallaburg weiter ausgebaut wird und daß sie ein echtes Kulturzentrum Niederösterreichs wird, weil
ich davon überzeugt bin, daß dies dem Land Niederösterreich zur großen Ehre und zum Nutzen
gereicht. (Beifall bei den Sozialisten.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als nächster Redner kommt der Abg. Prof. Wallner zu Wort. Ich
erteile es ihm.
Abg. Prof. WALLNER: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Erlauben Sie bitte, daß ich mich dem Vorbild der meisten Damen und Herren, die hier gesprochen
haben, anschließe und zuerst etwas Bezug auf Ausführungen nehme, die während dieser Debatte
vorgebracht wurden. Und zwar möchte ich mich diesmal einem Gebiet zuwenden, das meistens in
solchen Diskussionen untergeht, ich möchte nämlich die mir als echt geistreich erscheinenden
Vorbringungen hier einer Ergänzung unterziehen. Es sind in dieser Debatte einige Dinge gesagt
worden, die mich sehr angesprochen haben, weil ich ein gewisses Ohr dafür habe, wenn man aktuelle
Dinge so geistreich verbindet, daß sie gewisse Assoziationen erwecken.
(Präsident Dipl. Ing. Robl übernimmt den Vorsitz.)
Ich darf hier einige Aussprüche des Herrn Klubobmannes der SPÖ heranziehen. Es fehlen mir
allerdings die Partner von unserer Seite und daher wird das Spiel nur halb so lustig werden als ich es
mir vorgestellt habe. Der Herr Klubobmann hat in seiner ersten Ansprache aus dem Don Karlos zitiert,
und zwar den Schluß des herrlichen Monologs des Marquis von Posa, der da beginnt „Sire, jüngst
kam ich an von Flandern und Brabant“ und der endet „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ Dies war
gerichtet an den Landeshauptmann von Niederösterreich. Und wer im Don Karlos etwas weiterliest,
der findet dort eine Antwort, die Maurer-Philipp Brezovszky-Posa geben muß. Dort heißt es nämlich:
„Anders, begreif ich wohl, als sonst in Menschenköpfen malt sich in diesem Kopf die Welt.“ Und damit,
glaube ich, haben sich Brezovszky-Posa und Maurer-Philipp - wobei ich nicht unterstellen will, daß
diese Personenkombination einen Anspruch auf völlige Identität haben kann - scheinbar die Meinung
gesagt, die sie voneinander besitzen.
Eine echt geistreiche Einleitung, Herr Klubobmann, haben Sie Ihrer letzten Rede gegeben, sie hat mir
sehr gut gefallen, weil ich sehr oft auch versuche, etwas zu tun. Sie werden mir nun erlauben, daß ich
dazu etwas sage. Sie haben den Herrn Finanzminister mit „Hannes dem Münzreichen“ verglichen.
Diesem Vergleich schließe ich mich an, denn der jetzige Bundesminister für Finanzen ist für mich und
für die Stadt Baden nicht nur echt ein Münzreicher, sondern er hat von diesen Münzen auch etwas
abgegeben. Daher ist dieser Vergleich für mich durchaus zutreffend. Sie haben natürlich den
Vergleich aus der Geschichte genommen und Sigismund den Münzreichen gemeint. Mit diesem Mann
verbindet mich ein besonderes Geschick. In der dritten Klasse Gymnasium habe ich nämlich dreimal
hintereinander bei einer Prüfung über „Sigismund den Münzreichen“ ein Nichtgenügend bekommen.
Und als ich dann Geschichte studierte, habe ich mich natürlich mit dieser Person besonders befaßt,
weil sie nicht gerade ganz angenehme Erinnerungen in mir hervorgerufen hat. Nun bitte ich Sie,
folgenden Vergleich aus der Geschichte mit der Jetztzeit weiterzuspinnen. Sigismund der Münzreiche
war der letzte Vertreter der Tiroler Linie der Habsburger. Er ist zugunsten der steirischen Linie der
Habsburger zurückgetreten. Und Maximilian, zu dessen Gunsten er zurückgelegt hat, der
bedeutendste Vertreter der steirischen Linie der Habsburger, hat aus Usterreich das gemacht, was in
diesem Saal dargestellt ist. Wenn Sie jetzt Sigismund den Münzreichen und die steirische Linie
vergleichen und „Hannes den Münzreichen“ und die steirische Linie der Politik gegenwärtig, so darf
ich Sie bitten, selbst gewisse Schlußfolgerungen aus diesem Vergleich zu ziehen. (Beifall bei der
ÖVP. - Zwischenruf von Abg. Dr. Brezovszky.) Darüber gebe ich jetzt noch keine Auskunft, bitte.
Der nächste Vergleich, den ich als sehr angenehm empfunden habe, und den auch der Herr
Landesrat Grünzweig nach meiner Beweisführung gleich als besonders angenehm empfinden wird,
gilt dem Herrn Landeshauptmannstellvertreter Ludwig, der mit dem „Sonnenkönig“ verglichen wurde.
Der Sonnenkönig ist eine faszinierende Erscheinung in der Geschichte. Was ihm die Demokratie
nachträgt, ist eigentlich nur der Ausspruch „L' Etat c'est moi“ Aber, meine Damen und Herren, dieser
Ausspruch wird ihm nur zugeschrieben, er hat ihn in Wirklichkeit gar nicht getan. Was er aber in
Wirklichkeit getan hat, war die Tatsache, Frankreich durch eine sehr geschickte Wirtschaftspolitik, für
die Herr Colbert verantwortlich war, zu der Vormacht Europas zu machen. Was ihn in meinen Augen
noch viel bedeutender macht, ist die Tatsache, daß er Frankreich zur ersten Kulturmacht Europas
gestaltet hat und daß sich seit seiner Zeit die französische Sprache so durchgesetzt hat, daß ein
berühmter preußischer König sagen konnte, Deutsch sei eine Sprache für Stallknechte, und dem
berühmten Dichter Lessing ein Franzose als Bibliothekar vorgezogen wurde. Wenn unser
Vergleichsobjekt, der Herr Landeshauptmannstellvertreter Ludwig, der hier als Sonnenkönig
bezeichnet wurde, für die Kultur in Niederösterreich hoffentlich soviel tun wird, wie der Sonnenkönig in
Frankreich, dann haben der Herr Landesrat Grünzweig und wir alle, die wir daran interessiert sind,
eigentlich gegen diesen Vergleich überhaupt nichts einzuwenden. (Landeshauptmannstellvertreter
Czettel: Kreisky haben wir auch noch! Nicht vergessen!) Auf den komme ich noch. (Heiterkeit im
Hause.)
Als Bürgermeister bin ich gewöhnt, im Proporz zu arbeiten, der nur ein bisserl schattiert ist, weil man
ja nach dem Ausspruch des Paulus Gutes allen Menschen, vorzüglich aber den Glaubensgenossen
tun soll, und ich halte midi an diesen kirchlichen Ausspruch. (Heiterkeit.) Da schon gestern im
Parlament soviel über die Balken und Splitter gesprochen wurde, halten wir uns also an diesen Paulus
an. Der nächste Ausspruch, der hier getan wurde, den würde ich jetzt wieder ausschließen von dem,
was ich gesagt habe, weil der ist fast boshaft und das wollte ich nicht sein. Der Klubobmann hat also
den kategorischen Imperativ von Kant zitiert. Bei diesem Zitieren ist mir gerade die damalige Situation
im ORF eingefallen und ich habe mir gedacht, wenn also jemand sich so verhalten soll, daß man
seinen Willen zur allgemeinen Grundlage der Gesetzgebung machen kann, dann wäre das nicht
gerade ein gutes Beispiel, was mit den Zahlen 16 : 14 in Verbindung gestanden ist. Aber ich nehme
das wieder zurück, das war eine zu grobe Sache, die zu Ihren sonstigen Ausführungen hier, die ich
erwidern möchte, nicht paßt.
Wofür ich mich besonders bedanke, ist der Ausspruch des Herrn Abg. Blabolil. Er hat mich ja in eine
fürchterliche Verlegenheit gebracht, als er mich als gottbegnadeten Bürgermeister bezeichnete. Um
solchen Dingen gleich die Spitze zu nehmen, muß man ein Opfer bringen, so wie der Polykrates. Ring
werfe ich keinen weg, bitte, aber eines möchte ich sagen. Wenn Sie, Herr Kollege Blabolil, gemeint
haben, daß der Himmel, wo Gott wohnt, die Himmelpfortgasse sei und der Gott, der dort wohnt,
Hannes der Münzreiche ist, so fühle ich mich in dieser Verbindung gottbegnadet als ein Bürgermeister
der Kasinostädte, denn für die Kasinostädte hat der Herr Finanzminister einen nicht unerheblichen
Beitrag geleistet, für den ich ihm verbunden bin. Dabei ärgert mich nur eines: Die Tatsache der
Unterstützung, die Sie hier so breit dargelegt haben und die auch tatsächlich besteht, hat nur einen
einzigen Fehler, daß Sie dann, wenn Sie Baden unterstützen, sich niemals bei mir melden, damit wir
gemeinsam etwas unternehmen können. Ich würde Sie bitten, beim nächsten Streifzug das zu tun,
und bin dann gerne bereit, einen Teil dessen, was hier nach Baden gebracht wird, wieder zu
refundieren. Allerdings in mehr oder weniger flüssiger Form und nicht in Jetons, wie man sie sonst
eventuell bekommen könnte in diesem Zusammenhang.
Meine Damen und Herren, nach dieser Exkursion in das Geistreiche des Landtages, die man auch ab
und zu machen sollte, und nicht nur das herausgreifen, was wiederum eine Diskussion entfacht, darf
ich mich nun dem eigentlichen Gegenstand zuwenden und zu der Gruppe 3 etwas sagen. Im Jahre
1963, glaube ich, habe ich von dem damaligen Vorsitzenden des Verbandes der österreichischen
Volkshochschulen und jetzigen Landesrat Grünzweig und seinem Co-Vorsitzenden Abg. Stangler
einen Auftrag erhalten. - Ich habe strenge Weisung bekommen, nicht die Galerie anzusprechen, und
enthalte mich daher mit Mühe einer Bemerkung, sonst kriege ich wiederum eine Rüge, bitte. Und zwei
hintereinander darf man nicht haben, sonst sammeln sich die schwarzen Punkte. - Ich habe also von
den beiden Herren den Auftrag bekommen, zusammen mit einem Herrn, der damals noch in der in
sehr bescheidenen Anfängen stehenden Raumordnung, ich glaube in der Kaiserstraße, untergebracht
war, eine Untersuchung über die Erwachsenenbildung im Rahmen der kulturellen Situation in
Niederösterreich anzustellen, zu der auch Prof. Gutkas einiges beigetragen hat. Ich habe damals, also
lange bevor wir noch von Raumordnungsprogrammen gesprochen haben, diese kulturelle Situation
sehr genau erhoben und darüber auch Karten und Diapositive verfertigt. Ich möchte bei einem
Überblick nach diesem System vorgehen, das in sehr dankenswerter Weise die Kulturberichte, die ja
in Ihren Händen sind, ebenfalls ausweisen. Im Rahmen dieser kulturellen Situation sind hier
besonders die Sachgebiete der persönlichen Kultur dargestellt und ich zähle sie einfach auf, ohne sie
näher zu erläutern, damit wir einen Überblick haben. Dazu gehört die Schule, die ja eigentlich auch für
das Kapitel 3 eine unerhörte Effizienz hat, denn sie ist ja die Trägerin der Bildungsmöglichkeiten. Und
was auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung vor sich geht, wäre ja ohne Schule als Raum und ohne
Schule als Personalfaktor überhaupt nicht vorstellbar. Es ist weiters das Musikwesen, welches das
Niederösterreichische Tonkünstlerorchester, die niederösterreichischen Musikschulen, die
Kirchenchöre und Orchestervereine, die Komponisten Niederösterreichs, die Gesangvereine, die
Blasmusiken, umfaßt. Ebenso das, was eigentlich immer sehr wenig dargestellt wird, aber einen sehr
umfangreichen kulturellen Beitrag für unser Land darstellt, nämlich die Beiträge, welche die Kammer
für Arbeiter und Angestellte, die Gewerkschaft, und natürlich auch die Handelskammer für diese
Zwecke aufwenden. Dadurch haben wir nämlich die Möglichkeit, daß auch in Gebieten, in die sonst
die großen Institutionen kaum vordringen, Möglichkeiten geschaffen werden, mit lebendiger Kultur in
Verbindung zu kommen. Zu diesen Kapiteln gehört die Dichtung und die Bildende Kunst in
Niederösterreich. Die Darstellung, welche ich dazu gegeben habe, und auch die Schlußfolgerung, die
ich heute ziehen werde, haben mir damals den einen oder anderen Vorwurf eingetragen. Ich hoffe,
daß sich die Geister bis jetzt ein bißchen geändert haben und der Vorwurf nicht wiederholt wird. Die
Künstler der niederösterreichischen Kunstvereine sind im Landesverband zusammengefaßt, die
Schriftsteller in der Arbeitsgemeinschaft für das Nö. Schrifttum und einer Reihe von eigenen,
Organisationen, die sie sich selbst geschaffen haben. Dazu gehört das Musealwesen, an der Spitze
das Nö. Landesmuseum. Über die Ausstellungen werde ich noch selber kurz sprechen, an einer
eigenen Stelle. Dazu gehört das Archiv, das sich gerade im Umbau befindet, und darauf möchte ich
trotz der Übersicht hier Ihre Gedanken etwas lenken, denn ein Archiv, meine Damen und Herren, das
ist etwas sehr Wichtiges, weil Dokumentationen nur daraus schnell erfolgen können. Der Anlaß,
warum in Österreich überhaupt ein großes Archiv geschaffen wurde, war die pragmatische Sanktion,
als die Habsburger plötzlich Dokumente nachweisen mußten, um bestimmte Ansprüche und
Erbschaftsmöglichkeiten abzuklären. Die hat man nicht gefunden, da ist es schwierig geworden, und
seither hat man gesagt, diese Akten muß man zusammentragen, und das war eigentlich die Gründung
des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, aus welchem sich die anderen Archive entwickelt haben. Unser
Archiv ist im Umund im Ausbau. Es ist nicht allzuviel dafür eingesetzt und man sollte hier etwas tun.
Dazu gehört die Denkmalpflege, dazu gehört das Theater, das Büchereiwesen, die
Erwachsenenbildung, die Trachten- und Volkstumspflege, die Kulturtätigkeit des Bundesheeres,
Rundfunk und Fernsehen als bedeutende Kulturträger, das Pressewesen. Und als Zusammenfassung
habe ich damals - diese Zusammenfassung gilt auch heute noch - für die niederösterreichischen
Kulturverhältnisse folgendes vorgebracht:
1. Den Zahlen der Besucher und Aktivitäten nach muß entgegen manchen Behauptungen ein breiter
aktiver und passiver Bildungswille vorhanden sein. Er ist örtlich verschieden, erhält aber ohne Zweifel
in der Nähe der Großstadt wesentlich stärkere Impulse und Anreize.
2. Der personelle Sektor der Kulturbetätigung stellt ungeheure Anforderungen. Er wird bestimmt durch
den ehrenamtlichen Mitarbeiter, durch den Vortragenden aus der Stadt, besonders der Großstadt, und
das Verkehrsproblem.
3. Auf dem finanziellen Sektor verlangt die Weiträumigkeit in allen Teilen mehr Aufwendung.
4. Die Raumfrage Niederösterreichs verlangt die klare Erklärung, daß
a) Wien in allen Funktionen als de-facto-Landeshauptstadt übergeordnet ist,
b) im Verhältnis dazu die Viertelstädte Niederösterreichs zu klein sind und die 100.000er-Städte, wie
in den anderen Bundesländern, fehlen,
c) Wien für seine unmittelbare Umgebung Zentralort schlechthin ist und die Größenmaßstäbe hart
aufeinander prallen,
d) Niederösterreich den Vorteil der Teilnahme an Einrichtungen besitzt, die selbst für den Bund
größenmäßig Anachronismus sind, da sie aus einem Großstaat stammen,
e) die Großstadt einen gewaltigen Sog auf ihre Umgebung ausübt und zu einem nachteiligen Messen
mit deren Einrichtungen zwingt,
f) eine klug durchgeführte Dezentralisation ein natürliches Aufwärtsgefälle der Zentralorte auf allen
Gebieten, daher auch auf kulturellem, schaffen muß,
g) die Zentralorte, besonders aber die Viertelstädte ausgestattet werden müssen; - ich bitte Sie gerade
im Hinblick auf diese zwei Punkte auch das Budget einigermaßen zu betrachten - dem ist also schon,
wenn auch nicht in ungeheurem Ausmaß, so doch deutlich sichtbar Rechnung getragen worden, da
ein großer Teil der kulturellen Tätigkeit ohne Wien, das gibt und nimmt, nicht möglich wäre.
5. Die zentralen Stellen des Landes haben ihre Aufgaben in bezug auf Förderung und Eigentätigkeit
richtig erkannt. Ich werde dazu bei der Erwachsenenbildung dann auch noch etwas einwerfen.
6. Einer Quantitätsepoche, die einmal ihre zahlenmäßigen Grenzen finden muß, soll eine
Qualitätsepoche in einer Vertiefung der Selbsttätigkeit, der Koordination und der richtigen Einstufung
jeden Gebietes in das Gesamte folgen. Die Nö. Kulturarbeit muß eigenständig bleiben, Anteil für alle
ermöglichen, eine Verflachung durch Haschen nach der Zahl verhindern und durch Konzentration und
Koordination die Spaltung in ländliche, städtische, konfessionelle oder parteipolitische
Sondererscheinungen hintanhalten. Die Erwachsenenbildung spielt hier wenig eine Rolle.
Ich glaube, das Wichtige aus dieser Zusammenstellung ist die Tatsache, daß hier ein Anteil für alle
ermöglicht werden muß. Wir nennen das, was man früher mit einem bescheidenen deutschen
Ausdruck gesagt hat, heute die Demokratisierung. Aber die Demokratisierung in Form einer
Breitenwirkung, nicht in ihrer Gestaltung.
Und das zweite wäre die Eigenständigkeit. Diese Eigenständigkeit drückt sich heute mehr denn je auf
allen Gebieten des kulturellen Lebens in einem gewissen Umschwung aus, der, wenn ich das so
sagen kann, vielleicht eine Rückkehr zum Österreichischen - ohne die Nostalgie hier zu strapazieren gekennzeichnet ist, und hier bei uns zum Niederösterreichischen. Wenn nicht die Zeit so unendlich
rasch fortschreiten würde, hatte ich mir das Vergnügen gemacht, Ihnen ein Stück aus einem Roman
vorzulesen, der ein Lieblingsroman des Herrn Bundeskanzlers ist. Und jetzt ist der Herr
Landeshauptmannstellvertreter wieder nicht da, ich habe heute so ein Pech. Alle Leute, denen ich
etwas besonders Gutes sagen will, sind gerade dann nicht da. (Landeshauptmannstellvertreter
Ludwig, in den Saal kommend: Ich habe alles mitgehört!) Danke, ich bin nur nicht daran gewöhnt, daß
man das da draußen auch hört, denn in den Gemeinden ist man diesbezüglich sparsamer mit den
Möglichkeiten. Herr Landeshauptmann, ich kann nur sagen: Zu spät, Du rettest den Freund nicht
mehr! Aber ich werde sofort in etwas einstimmen, was den Herren besonders angenehm klingt, denn
ich darf mich als Bürgermeister nicht ausschließen, wenn die Gemeinden hier natürlich appellieren.
Und damit habe ich solange gewartet, bis Du da bist.
Dieser Roman, den der Herr Kanzler besonders schätzt, wobei er sich als ein Mann von echtem Geist
erweist, ist der „Mann ohne Eigenschaften“ von Musil. Was Sie darin über Kakanien ausgedrückt
finden, das will ich nicht zur Gänze zitieren, weil Sie mich sonst für rückständig oder der absoluten
Verwaltung verhaftet finden würden, aber einen Satz möchte ich herausnehmen. Es ist der, in dem
Musil feststellt, daß anderswo immer auch schon der Lümmel für ein Genie, in Kakanien aber
ebenfalls ein Genie für einen Lümmel gehalten wird. Und das ist eine kulturelle Beruhigung, auch
wenn man es auf die jetzigen Verhältnisse anwendet.
Und nun zur Übersichtsdarstellung der kulturellen Probleme Niederösterreichs.
Zuerst wende ich mich dem Theater zu, wobei ich auf die eingehenden Ausführungen des Herrn
Abgeordneten Bernkopf aus dem Vorjahr hinweise.
Bei der Versammlung des Theatererhalterverbandes in Graz wurde ein Ausspruch von Zuckmayer
zitiert, und ich glaube, der erläutert überhaupt, warum in Niederösterreich sich noch jemand mit dem
Theater beschäftigt. Er lautet nämlich: „Das Theater ist“ - so sagt Zuckmayer -, „wenn es im
praktischen und ökonomischen Sinn unnütz und unentbehrlich sei, trotzdem wie Klatschmohn und
Kornrade an den Rändern der Nutzwälder.“ Und solange wir diese Empfindung haben, solange
werden wir auch richtig zu dieser Institution stehen. Das Theater in Niederösterreich betrifft eine Reihe
von Städten, die Theatergebäude besitzen. Es ist eine Erscheinung unserer Zeit, daß man die
Geschichte immer zurückdrehen will; während sich das Theater von der Pawlatschen zum Gebäude
entwickelt hat, wollen wir Vorgang, den ich nicht ganz verstehe, weil eine jahrhundertelange
Aufwärtsentwicklung dadurch künstlich wieder zurückgeschraubt wird und das Theaterspielen nicht
einfach mit dem Nichtvorhandensein einer Kulisse oder dem zufälligen Vorhandensein einer Kulisse
im Zusammenhang steht.
Theatergebäude haben Baden mit 708 Plätzen, St. Pölten mit 401 Plätzen, Berndorf, Wiener Neustadt
und Mödling. Nur Baden und St. Pölten beschäftigen ein Ensemble. Daneben gibt es eine Reihe von
Städten, die entsprechende Säle und Einrichtungen besitzen, die bespielbar sind, so daß es
sozusagen im Auftrage des Landes, weil das Land ja der Hauptsubventionär des Theaters ist, zu den
Abstechern in diese Städte kommt. Ein echter, niederösterreichischer Auftrag, dem beide
Theatereinrichtungen nachkommen. Die Größe eines solchen Theaters und des Ensembles wird
umfangreicher sein, als Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie sich damit nicht genauer beschäftigt
haben, wahrscheinlich annehmen würden. Es gehören nämlich beide, so klein sie sind, eigentlich zu
den 25% der Betriebe in Österreich, die über 100 Bedienstete haben; sie sind also mittlere Betriebe im
wirtschaftlichen Sinn. Sie umfassen ein Operettenensemble, ein Schauspielensemble, die Technik, die
Gruppen Ballett, Chor, Orchester, die kaufmännische Leitung, Reinigungspersonal. Das sind - ich
sage jetzt eine Zahl - in Baden 164 Personen, wovon allerdings etwa 50 bis 55 nur zeitweise
beschäftigt sind. Also verhältnismäßig ein größerer Betrieb, der manchmaI Komplikationen macht, da
es sich hier um mehr oder weniger individualistisch veranlagte Menschen, wie die Künstler eben sind,
handelt. Komplikationen, die ansonsten erst bei einem wesentlich größeren Personalstand
vorkommen.
Diese beiden Theater haben den alten Stadttheaterspielplan, der im Aussterben begriffen ist und der
auch von den beiden Theatern nicht mehr gehalten werden kann. Er umfaßt nämlich die drei Sparten
Schauspiel, Operette und Oper, wobei ein Theaterdirektor, wenn er vernünftig ist, in solchen
Größenverhältnissen die Oper nicht mit eigenen Kräften pflegt. Es ist niemand verpflichtet, sich um
sein bares Geld ein Schmunzeln der Zuschauer einzuhandeln, wenn es um ernste Dinge geht. Opern
zu spielen, können beide Theater nicht. (Landesrat Grünzweig: Schmunzeln ginge noch!) Ich danke,
Herr Landesrat, das ist ein sehr konstruktiver Beitrag gewesen, ich habe es ja vorsichtig ausgedrückt.
An Stücken werden etwa 20 bis 25 in der Saisonspielzeit dargeboten und diese Spielzeit dauert, das
ist ein Jammer, 8 bzw. 9 Monate. Darf ich jetzt bitte mit aller Vorsicht auf etwas hinweisen, wobei ich
Sie bitte, das nicht als eine Kritik an jemandem aufzufassen, sondern als eine Richtigstellung. Sowohl
im Kulturbericht als auch in allen Protokollen sind die Zahlen nicht richtig. Woran das liegt, das weiß
ich nicht, sie sind jedenfalls nicht richtig. Und wer sich auf sie verläßt, der muß ein falsches Bild
bekommen. Die Spielzeit dauert in Baden von Juni bis März, weil ja der Sommer eingerechnet wird,
das ist ja die Sommerspielzeit. Daher sind die großen Diskrepanzen zwischen Baden und St. Pölten
immer entstanden, weil man diesen Sommer dort nicht dazugezählt hat, der immerhin 33.000 bis
35.000 Besucher aufweist. In St. Pölten wird von September bis April gespielt. Daß wir eine so
„verrückte“ Spielzeit haben, geht daraus hervor, daß man früher ja viel vernünftiger als heute gedacht
und ein eigenes Sommertheater gebaut hat. Das ist die Sommerarena mit einem rückrollbaren
Glasdach, welches eben das Spielen im Sommer möglich macht. Dort liegt natürlich der
Personenschwerpunkt, wir spielen hauptsächlich zu dieser Zeit. Die Aufführungen und Besucher sind
im wesentlichen gleich, verteilen sich nur anders. Ich werde jetzt bitte nicht alle Zahlen nennen, sonst
kommen wir da wieder in eine Debatte, die fruchtlos ist; ich bin gerne bereit, jedermann, der das ganz
genau wissen will, dasselbe auch nachher noch zu sagen. Wir haben in Baden 155 Aufführungen und
wir haben in St. Pölten 329 bzw., so steht es im Bericht, 337 Aufführungen. Das kommt einfach daher,
weil das eine Theater doppelt so groß ist als das andere und mit einer Aufführung das erreicht, wozu
ein anderer zwei braucht. Denn was jetzt nachher noch kommt, kann ich nicht für richtig halten. Wenn
in St. Pölten angegeben wird, daß für 81 Abstecher rund 75.000 Besucher gezählt werden, und ich
annehme, daß sogar die Burg nur 1300 Sitzplätze hat, so müßten das Aufführungen sein, die mit
derart vielen Besuchern bedacht sind, daß dies unmöglich ist. Daher kann die Zahl nicht stimmen. Die
Besucherzahlen in den Städten selber, wenn ich jetzt nur die zwei Städte und nicht die Abstecher
hernehme, sind in Baden 58.000 und in St. Pölten 54.000. Der Durchschnitt, aufgeteilt auf die
Theatergebäude, beträgt 458 und 219. Und dann komme ich zu etwas, was mich auch ein bißchen
frappiert hat. Man muß sich ja die Spieltage ausrechnen können, wie oft ein Theater überhaupt in
dieser bestimmten Zeit spielen kann. Wir haben also in Baden, wenn ich den Urlaub wegrechne und
die Fünftagewoche berücksichtige, von 210 Tagen ungefähr 150 mögliche Spieltage und haben 155
Aufführungen. In St. Pölten hat man 155 mögliche Spieltage von 216 Tagen und zählt dort 337
Aufführungen; das heißt, daß man pro Tag zweimal und 19 Tage drei Vorstellungen spielen muß und
im gesamten, wenn ich das alles zusammenwerfe, einen Durchschnitt von 394 Besuchern hätte, das
wäre bei 401 Platzmöglichkeiten ein ständig ausverkauftes Haus. Nun bitte, meine Damen und
Herren, wir fahren auch öfters nach St. Pölten und schauen uns das dort an, da muß ich also zu den
paar Vorstellungen gekommen sein, die gerade nicht ausverkauft, bei weitem nicht ausverkauft waren.
Ich bin dafür, daß man bei Zahlenangaben sehr korrekt bleibt, besonders, wenn man daraus
Subventionsansuchen ableitet.
Ich würde bitten, daß man diese Sache eindeutig klärt, dann braucht man darüber nicht zu
debattieren, denn die Einnahmen der beiden Theater sind fast gleich. Wir haben in Baden 3,6 und in
St. Pölten hat man 3,4 Millionen. Wenn man die Eintrittspreise nimmt, so stimmt dann das alles, daß
ungefähr 50.000 bis 60.000 Besucher in beiden Theatern sein müssen, sonst müßte man in St. Pölten
ja als Eintrittspreis im Durchschnitt nur 20 Schilling bezahlen. Sie sind dort aber teurer als die Badner
und daher ergeben sich hier Fiktionen nach allen Seiten. Ich darf noch dazusagen, daß in St. Pölten
ein Pächter ist, während in Baden alles unter der städtischen Verwaltung ist, und daß meine
Auskünfte vom Herrn Archivdirektor Dr. Gutkas stammen, dem ich diesbezüglich völliges Vertrauen
entgegenbringe. Es war mir daher schwer möglich, die Meldungen, die im Kulturreferat aufliegen, mit
diesen Meldungen in Übereinstimmung zu bringen. Denn das, was mir gesagt wurde, wird
wahrscheinlich auch in irgendeiner Form in der Jahresrechnung von St. Pölten aufscheinen, und da
die Städte einschaupflichtig durch den Rechnungshof sind, sind sie zu einer gewissen Richtigkeit der
Zahlen, die dort aufscheinen, verhalten. Das würde bei uns ein Einspielergebnis von 27,6% und in St.
Pölten ein solches von 26,6% ergeben. Es ist also fast gleich, denn es sind zwei Einrichtungen, die
gleich sind. Daher erübrigt es sich auch auszurechnen, wieviel Subvention auf jeden Sitzplatz und auf
jeden Besucher entfallen würde. Das muß dann nämlich auch gleich sein, bitte. Es kann nicht
stimmen, was ich immer in den Berichten gelesen habe und was mir immer gesagt wurde, daß in
Baden die Subventionierung 140 Schilling und in St. Pölten nur 40 Schilling ausmacht. Das ist, wenn
man das Geld hernimmt, nicht möglich, ich möchte das einmal richtigstellen. Beide Städte sind sich in
der Behandlung der Theaterfrage, wenn ich das sagen kann, ziemlich einig.
Wenn ich jetzt die Schlußfolgerung daraus ziehe, dann rnuß ich mich natürlich beim Herrn
Landesfinanzreferenten melden. Das tue ich wieder mit einem Zitat; die Fortsetzung des Zitates kann
dann der Herr Klubobmann nachlesen, weil sich diese ein bißchen gegen den Zitierer richten würde.
Das Zitat heißt nämlich: „Da Du, oh Herr, Dich wieder einmal nahst und fragst, wie alles sich bei uns
befinde, und Du mich sonst gewöhnlich gerne sahst, so siehst Du mich auch unter dem Gesinde.“ Das
sind die Bürgermeister, bitte. Denn in der Theaterfrage stelle ich mich natürlich ganz in die hier
angetretene Reihe, weil wir eine Schlußfolgerung ziehen müssen, meine Damen und Herren. Ich gebe
jetzt eine kurze Zusammenfassung der Kriterien und der Schlußfolgerungen, die daraus erwachsen
müssen, sie sind dem Herrn Referenten alle klar, weil er die mühevolle Aufgabe gehabt hat, mit zwei
Städten zu verhandeln, die ein fast fertiges Verhandlungsergebnis erbracht haben, diese
Verhandlungen aber dann dazu geführt haben, daß beide Städte gesagt haben, sie wollen sich dieser
Lösung nicht anschließen, weil die Belastung, die ihnen für die Zukunft daraus erwächst, nicht klar
abzuschätzen ist, um das in dieser vorsichtigen Weise darzulegen.
Die Spielkriterien: Wenn wir hier über das Theater sprechen, meine Damen und Herren, dann müssen
wir dort eine große Leistung sehen. Ich ziehe das Wort ungeheuer zurück, weil wir alle klein sind. Eine
große Leistung. Weil mit einer verhältnismäßig kleinen Aufwendung soviel erbracht wird, daß der
Großstadtmaßstab, mit dem in der Nahe Wiens gemessen wird, noch einigermaßen anlegbar ist. Die
Nähe der Großstadt also, die Vergleiche ermöglicht, die Perfektion beinhalten, ist gefährlich und
verpflichtet. Die 14-bis 21tägigen Premieren, die beide Häuser, durch das Abonnement gezwungen
machen müssen, erfordern eine Arbeitsleistung, die kein Wiener aus dem Fach zu erbringen bereit ist.
Wenn Sie heute mit einem Wiener Schauspieler, mit einem Wiener Sänger oder gar mit einem
Regisseur verhandeln, und ihm sagen, er muß in drei Wochen - ich rede nicht von 14 Tagen, was
normal bei uns ist -, in drei Wochen eine Aufführung herausbringen, dann lehnt er das rundweg ab,
weil er sagt, das kann er nicht und das mag er nicht. Und von daher muß man auch die Leistung
sehen. Die Belastung mit den Abstechern, mit den Probenzeiten, mit der 40-Stunden-Woche, mit den
Kollektivverträgen sind am Theater überhaupt nicht überschaubar. Sie sind dort viel schlimmer als in
jedem anderen Betrieb. Die geringe Publikumsreserve, die beide Bühnen in irgendeiner Form
besitzen, die neunmonatige Spielzeit mit ihren Engagement Schwierigkeiten (Was tun die Leute
während der restlichen drei Monate?) und die verhältnismäßig geringen Mittel - beide Theater haben
eine Ausgabenseite von rund 13 Millionen Schilling, das sind zusammen 26 Millionen, während das
nächste Landestheater, das ist Klagenfurt, im Vorjahr 35 Millionen Schilling ausgegeben hat - führen
dann auch zu entsprechenden Gagenverhältnissen, bei denen es einer großen Kunst bedarf,
entsprechende Kräfte gewinnen zu können. Und wenn das Ergebnis in diesem Zusammenhang relativ
Niveau zeigt, so muß man das anerkennen und muß sagen, daß hier ein Fehlen an Möglichkeiten und
Mitteln von einem Zusatz an Arbeit, Engagement und Interesse ausgeglichen wird. Und die Damen
und Herren, die in beiden Häusern waren, haben selber ein Urteil. Ich möchte hier gar keines
angeben, weil ich an einem persönlich sehr engagiert bin und daher über das andere schon gar nichts
sagen darf. Dieser Aufwand muß in einem Verhältnis zum Erfolg stehen. Der Erfolg kann nur darin
bestehen, daß ein Publikum da ist und sich die Dinge ansieht und daß der künstlerische Wert
vertretbar ist. In dem Augenblick, wo man sich dafür genieren müßte, wären die Mittel völlig vergeblich
aufgewendet. Die Schlußfolgerungen daraus wären Spielgemeinschaft. Wir haben schon einmal eine
solche Spielgemeinschaft entriert, es ist damals im Jahre 1971 gescheitert, weil keine Möglichkeit
gefunden werden konnte, eine Bedeckung von fehlenden 6 Millionen Schilling zu finden. Ich vertrete
es noch heute, genauso wie der Herr Bürgermeister Schickelgruber, daß der Beginn einer Einrichtung
mit einem Fehlbetrag nicht zu verantworten ist. Wenn schon am Anfang 6 Millionen Schilling fehlen,
was wird dann am Ende sein und was wird in den nächsten Jahren sein? Eine solche
Spielgemeinschaft müßte das Niveau eines Landestheaters haben, denn es würden sich sofort
bedeutende Forderungen der Gewerkschaft einstellen. Es ist die Frage des Sitzortes, des Orchesters,
weil wir ein Kurorchester haben, der Größe der Theatergebäude und Anzahl der Vorstellungen, es ist
doppelt so groß wie St. Pölten. Die Organisation der gegenseitigen Bespielung, die Deckung des
immer größer werdenden Abganges und die geringe Größe der beteiligten Städte sind die Probleme.
Sicherlich wäre es die einfachste Form - da alles sitzt, traue ich mir das auch zu sagen, damit
niemand umfallen kann -, daß man ein Landestheater macht. Aber sowohl bei dieser Frage als auch
bei jeder Frage, die die Spielgemeinschaft betrifft, muß man sagen, daß eine solche
Spielgemeinschaft keine Einsparung bringen kann, sie wird sogar noch teurer sein. Wenn man dieser
Sache nicht ins Auge blickt, bei einer Grenze der beteiligten Städte, so kann man sie bitte nicht
machen. So liegt die Wahrheit. Es bleibt die Möglichkeit einer Kooperation; Premierenaustausch, so
daß man nur alle 4 Wochen eine Premiere machen muß. Eine Kooperation mit den Bundestheatern,
die wir, soweit es Baden betrifft, sehr intensiv durchführen, etwa mit Personal, mit der Ausstattung, mit
Gastspielen oder mit der Oper, wobei wir der Volksoper die Chance geben, junge Kräfte entsprechend
auszuprobieren. Ich muß mich dafür auch bei der Burg und bei der Volksoper bedanken, beim Herrn
Direktor Dönch, aber auch beim Herrn Direktor Jungbluth. Eine Kooperation mit dem ORF: Wir haben
eine Fernsehsendung herausgebracht mit einem Stück von Habek; ein Obergang zur Produktion; statt
ein stehendes Ensemble zu haben, Uraufführungen im Auftrag. Es wäre eine schöne Aufgabe,
gemeinsam mit dem Land, gemeinsam mit dem ORF, junge Autoren zum Schreiben zu beauftragen.
Egal was herauskommt, wenn es aufführbar ist, rnuß man es aufführen, wenn es nicht aufführbar ist,
kann man es eben nicht aufführen.
Und dann auch noch ein kurzer Ausblick auf die Sommerspiele, bei denen man auch sagen müßte,
daß hier eine gewisse höhere Dotation notwendig sein wird, wenn man das Niveau österreichisch
angleichen will, daß man die Anzahl der Sommerspiele begrenzen müßte, daß man möglichst
niederösterreichische Schauspieler verwenden soll und daß man sich auf legitime Spielorte einigt, das
heißt, nicht überall spielt, wo gerade einer spielen will, sondern wo eben die Voraussetzungen da sind.
Im Eilzugstempo bitte, nur zwei Sachen noch. Die eine muß ich bringen, meine Damen und Herren,
weil ich dazu einen Antrag habe und sie daher nicht verkürzen kann. Ich bitte um Entschuldigung
dafür. (Abg. Wedl: Herr Professor geben heute eine Doppelstunde!) Was kann einem Lehrer besseres
passieren, als daß einer sagt, er darf länger reden. Die Bezirke halten ja doch zusammen. Hier darf
ich eine Antwort geben, der Herr Kollege sitzt ja nicht auf der Galerie oben, ist aber auch ein
Bürgermeister, bitte. Ich möchte eine heikle Sache anschneiden und Sie bitten, dieser Sache
humorvolles Verständnis entgegenzubringen. Zuerst einmal glaube ich, daß es notwendig ist, allen
Mandataren, die sich an dieser kulturellen Gestaltung beteiligen, den Dank auszusprechen. Das
möchte ich einmal auch im Namen aller, die da ein bißchen an der Front stehen, sagen. Ich möchte
diesen Dank aber auch der Beamtenschaft zum Ausdruck bringen. Ich habe da aus den Protokollen
immer gewisse Anzüglichkeiten entnommen, wenn es um diesen Punkt gegangen ist, der sozusagen
das Zusammenspiel des Teams im Kulturreferat betroffen hat. Und ich bitte Sie, mir dazu eine
Anmerkung zu gestatten, die keinerlei Einmischung darstellen soll, sondern die in Form eines
Vergleiches (Abg. Stangl: Ein Regierungsmitglied stört die Verhandlung im Landtag!) abgrenzen soll,
wieweit hier die Zusammenarbeit von Spezialisten und Juristen ein Team ermöglicht. Das Teamwork
besteht darin, daß alle Partner die gleichen Chancen haben und die gleichen Beiträge leisten können,
wobei dann zum Schluß einer eine Entscheidung treffen muß. Und zum Verhältnis dieser beiden
Gruppen bitte ich Sie nun, einen Vergleich anzunehmen. Aus dem Mittelalter stammt die Theorie
zwischen Kirche und Staat, die man die Zwei-Schwerter-Theorie nennt. Da lag immer die Macht des
Papstes und die Macht des Kaisers, die man als die zwei Schwerter des Mittelalters bezeichnet,
miteinander im Kampf, und es gibt eine Stellungnahme, die dieses Verhältnis sehr gut darstellt. Als an
Karl den Großen einmal herangetragen wurde, der Papst würde sich noch mehr in Sachen
hineinmischen, hat er das Verhältnis festgelegt, indem er sagte, der Papst solle wie Moses auf einem
Berg stehen - ich werde genauso biblisch wie gestern das Parlament -, die Hände ausgebreitet und
den Segen von oben erflehend, während er, der Kaiser, der Spezialist in Kriegen und Verwaltung,
alles andere schon erledigen würde. Und ein ähnliches Verhältnis scheint mir auch hier zu sein. Auch
hier muß der eine oder die eine Gruppe auf dem Berg stehen, die Hände erhoben und den Segen von
oben nach unten bringen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe. Und daneben gibt es die ganze Anzahl
der Spezialisten, die die tatsächlichen Dinge erledigen. Sie hängen miteinander untrennbar
zusammen. Denn wie Moses die Hände sinken hat lassen, hat der israelitische König unten nichts
mehr zu reden gehabt. Hat aber Moses die Hände gehoben und der unten hat nichts gemacht, hat
wieder das Gebet nicht funktioniert. Und so stelle ich mir das Verhältnis dieser beiden Gruppen vor.
Damit wäre ein Ausgleich geschaffen, der zur optimalen Effizienz der Mitarbeiter im Referat führen
würde. Darunter stelle ich mir vor, daß es eine gewisse Förderung der wissenschaftlichen
Eigenständigkeit darstellt. Das wäre ein Vorteil des Referates. Denn alle anwesenden Lehrer wissen,
meine Damen und Herren, daß ein Lehrer, der sich in der Erwachsenenbildung beschäftigt, auch für
die Schule viel effizienter wird, um dieses Wort zum tausendstenmal zu gebrauchen. Daher wird
jemand, der sich hier ausgiebig auch mit seinen eigenen wissenschaftlichen Ideen beschäftigen kann,
für das Referat sehr wichtig sein. Ich mache eine Einschränkung und das Archiv sei nicht beleidigt,
wenn ich hierzu das Archiv heranziehe. Wir haben in der Geschichte Osterreichs einen
Archivbeamten, der das zu weit getrieben hat, es war Franz Grillparzer. Der hat nämlich bei der
Pragmatisierung den geheimen Schwur abgelegt, sich in seinem Amt nur mit eigenen Sachen zu
beschäftigen und die Staatsgeschäfte nicht zu betreiben. Aber eine ordentliche Mischung zwischen
diesen Geschäften des Referates und jenen Eigenkräften, die sich da regen, das müßte das Ergebnis
werden, das wir uns vorstellen. Das könnte auch in entsprechenden Monatsbesprechungen
durchgearbeitet werden. Man könnte vielleicht ein Publikationsorgan dafür schaffen, jedenfalls würde
es zu einer intensiveren Publikation führen und wir würden die tüchtigen Kräfte, die wir dort haben,
auch nach außen hin an den Ort gesetzt finden, an dem sie eigentlich stehen müßten.
Als letzten Punkt wollte ich zur Erwachsenenbildung etwas Umfangreiches sagen. Ich kürze es sehr
und möchte Sie nur auf eine Gefahr hinweisen. Ich spreche über den fast kleinsten Posten im Budget,
2 Millionen Schilling. Die Erwachsenenbildung strapaziert man heute sehr, weil sie eine ganz andere
Stellung einnimmt, als noch vor fünf Jahren. Wir sprechen heute von der Industriegesellschaft, von der
Leistungsgesellschaft, von der Bildungsgesellschaft, von der Freizeitgesellschaft, von der Automation,
von der Automatisierung, von der Bildungsfreistellung und müßten daraus die Konsequenzen ziehen,
daß alles nur mit Bildung zu erreichen ist, weil Bildung Mitverantwortung ermöglicht und weil dadurch
der sogenannte mündige Bürger herangezogen wird. Dieser mündige Bürger, meine Damen und
Herren, wäre für alle gesetzgebenden Körperschaften eine wesentliche Voraussetzung, weil nur der
mündige Bürger Verständnis dafür aufbringt, daß manchmal gewisse Maßnahmen notwendig sind, die
dem Eigeninteresse nicht dienen. Damit würden die politischen Parteien eine wesentlich größere
Freizügigkeit bekommen, wenn sie solche mündigen Bürger hätten, denen man auch etwas zumuten
kann, weil sie es begreifen. Und die muß man heranbilden. Die Bildung hat sich jetzt mit einer
ungeheuren Investition etabliert. Wenn Sie unser Budget durchsehen, wenn Sie das Bundesbudget
durchsehen, wenn Sie die Kammern durchsehen, wird überall für die Bildung ungeheuer viel
ausgegeben. Nicht, weil wir Lehrer es erreicht haben, daß die Leute begreifen, daß man gebildeter
sein soll, sondern weil die Wirtschaft begriffen hat, daß der gebildete Mensch wahrscheinlich der
produktivere Mensch ist. Und daher hat man investiert und hierin liegt die nächste große Gefahr,
meine Damen und Herren, denn das Bildungswesen verfügt jetzt über Geld. Aber dieses Geld wird für
etwas ausgegeben, in Zukunft noch mehr als bisher, was genauso bedrohlich ist, wie die frühere
Geldlosigkeit, das ist nämlich der Begriff des Nutzens. Der Nutzen beherrscht die Bildungsinvestition.
Und in der nächsten Zeit werden also beide Komponenten der Berufsausbildung und -fortbildung und
der Allgemeinbildung weit auseinandergehen. Wenn Sie mit einem Ohr hineingehört haben in diese
Berufsfreistellung, ist dort im wesentlichen über die Berufsfortbildung gesprochen worden, nicht aber
über die Allgemeinbildung. Ich will jetzt keine Vorlesung halten, meinen Zeigefinger habe ich eh schon
eingebunden, damit ich ihn nicht zu oft erhebe, aber eines müssen wir uns bitte schon merken. Die
Berufsausbildung gestattet es uns, Anteil am Beruf zu nehmen. Das ist ein Teil Beschäftigung, den
uns die Gesellschaft zuweist im arbeitsteiligen Prozeß in Verantwortung dieser Gesellschaft
gegenüber. Aber nur die Allgemeinbildung befähigt uns, an der Kultur teilzunehmen. Da wir hier über
Kultur sprechen, müßte diese Allgemeinbildung in den Vordergrund gerückt und in der freien
Erwachsenenbildung wiederum verankert werden, denn das, was die Kammern machen, was die
Gewerkschaften, machen, dient logischerweise der Berufsfort- und -ausbildung. Ich bitte daher,
diesem Begriff eine besondere Bedeutung beizumessen. Lassen wir uns auch nicht über die
Entwicklungen täuschen, die hier stattfinden. Beim Bund hat eine Trennung zwischen
Erwachsenenbildung und Volkskultur stattgefunden. Und die Erhöhung, die der Bund gibt - ich bitte
Sie, das jetzt nicht polemisch zu betrachten, weil der Ministerialrat Altenhuber ein guter Freund von
mir ist -, geht zurück auf einen Mann von uns, wenn ich so sagen kann, den Hofrat Kriegl. Der Bund
trennt bei den Erhöhungen sehr genau zwischen dem, was er den Verbänden der freien
Erwachsenenbildung gibt, und zwischen dem, was er sich für eigene Projekte zurückbehält. Es ist sein
Recht als Geldgeber, das liegt aber nicht auf der Linie der Verbände der freien Erwachsenenbildung.
Dieses Geld wird dann für bestimmte Projekte angelegt, die auch nicht immer von allen ergreifbar und
ausführbar sind. Wenn wir daher, meine Damen und Herren, einmal ein solches
Erwachsenenbildungsförderungsgesetz ins Auge fassen, und ich würde hier bitten, das im Anschluß
an das Gesetz, das der Bund hat, zu tun, dann mühe die subsidiäre Frage dieses Gesetzes in den
Vordergrund gerückt werden und nicht die Tatsache - entschuldigen Sie mich jetzt, Herr Landesrat -,
daß etwa für bestimmte Zentralanlässe ein Großteil des Geldes zurückbehalten wird und dann für
andere Dinge verwendet werden kann.
Das System der zentralen Orte ist hier von Wichtigkeit und ich bitte Sie, auch auf das
Raumordnungsprogramm über Freizeit etwas nachzudenken, wo man in verhältnismäßig knapper
Form dargestellt hat, welche Säle man in gewissen Größenordnungen braucht. Es scheint mir etwas
bescheiden ausgefallen zu sein. In Verbindung mit der Erwachsenenbildung fehlt uns ein Zentrum,
meine Damen und Herren. Wir haben heute etwas über die Schallaburg gehört. Das Land hat auch
ein anderes Schloß erworben und ich glaube, daß das, was vom Referat begonnen wurde, im
sogenannten Volksbildungsgespräch eine Erweiterung auch auf anderen Kultursparten finden, ja
sogar soweit gehen sollte, daß es gewissen Künstlern und gewissen Künstlerkreisen ein eigenes
Betätigungsfeld zeitweiser Art zur Verfügung stellen könnte. Für diese Zwecke sollte das Land,
vielleicht in Verbindung mit anderen Verwendungsmöglichkeiten, eine Stätte zur Verfügung stellen. Ich
darf Sie daher bitten, einen Resolutionsantrag entgegenzunehmen, und ihn positiv zu beurteilen.
Resolutionsantrag
des Abgeordneten Prof. Wallner
zu Gruppe 3 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975, Ltg. 12.
Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes sind Kunst- und Kulturstätten erhalten bzw.
ausgebaut worden. Dennoch mangelt es an Möglichkeiten, den Kulturschaffenden und
wissenschaftlich Tätigen im Lande eine für sie spezielle Tagungs- und Arbeitseinrichtung anbieten zu
können. In diesem Zusammenhang ist unter anderem auf die Volksbildungsgespräche und eventuell
aktuell werdende Kulturtagungen und Symposien hinzuweisen.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert, zu untersuchen, ob die mit Mitteln des Landes
erhaltenen oder ausgebauten Kulturstätten diesen Intentionen zu entsprechen vermögen und
bejahendenfall dem Landtag Vorschläge zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang und im Anschluß an
die Ausführungen des Herrn Abg. Wiesmayr noch einen Dank aussprechen, nicht nur den Initiatoren
der Schallaburg. Es wird eine Möglichkeit geben, die Angelegenheiten mit dem Vorwort, in dem der
Herr Abgeordnete nicht erwähnt ist, zu bereinigen. Nur würde ich dann bitten, daß man auch eine
zweite Person einschließt, die sich ebenfalls seit Jahrzehnten darum bemüht hat und auch bei der
Eröffnung nicht erwähnt wurde, das ist der Herr Abgeordnete Stangler, der hier auch seine Verdienste
in Anrechnung bringen könnte. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich habe dazu nichts zu sagen, ich weiß nicht, wie das organisiert wurde. Ich finde es jedenfalls
richtig, daß jeder Mensch dort mit Dank genannt wird, wo er eine Leistung vollbracht hat, und zwar
gleichgültig wer er ist, wo er herkommt und was er dazu beigetragen hat, das ist meine Einstellung.
Ich kann dazu nichts sagen, weil ich diesbezüglich keine Ingerenz gehabt habe und habe. Ich möchte
in diesen Dank aber einen Mann einschließen, der sicherlich auch aus vielen anderen Anregungen
heraus eine Vorstellung, ein Modell dafür geschaffen hat: Univ.-Prof. Hofrat Feuchtmüller, der den
Gedanken des „Museums der Idee“ geschaffen hat. Wir reden seit 20 Jahren davon, daß man nicht
einfach in einem Raum Objekte zusammenträgt und ausstellt, weil man sie hat, sondern daß man zu
einem Gedanken Objekte zusammenträgt und darstellt. Das ist der geheime Hintergrund des Erfolges
aller Ausstellungen in Niederösterreich. Und daher sollte man das hier auch nicht vergessen zu sagen,
wobei ich für die zukünftigen Ausstellungen sagen kann, daß die damit Beschäftigten jetzt schon
garantieren, daß sie sehr gut werden. Ich will hier den Archivdirektor Dr. Gutkas nennen, der sicherlich
dazu berufen ist, über die Geschichte Niederösterreichs eine Aussage zu treffen.
In Verbindung mit den Ausstellungen bitte ich aber auch eine Anpassung des Tempos zu finden. Eine
Anpassung des Tempos an die wissenschaftliche Leistungskraft und Exaktheit, ebenso auch an die
sich anbietenden Möglichkeiten der Finanzierung. Wenn wir diese drei Dinge berücksichtigen, werden
wir auf einen Rhythmus der Ausstellungen kommen, der auch für den Beschauer einigermaßen
erträglich sein wird und einen entsprechenden Ausklang finden kann.
In Verbindung damit steht im nächsten Jahr der Denkmalschutz mit dem „Jahr des Denkmalschutzes“.
Nehmen Sie bitte die Schallaburg als diesen Beitrag, weit größer als jeder Beitrag, der durch einen
Zusatzantrag für das Jahr 1975 tatsächlich errungen hätte werden können. Sie haben daran ja Ihr
Verdienst gehabt, wie wir heute gehört haben. Allerdings würde ich eines empfehlen. Es haben sich
zwei große Bewegungen gegründet, das ist die Europanostrabewegung und die
Austrianostrabewegung. Sie geht zum Teil auch von der Wirtschaft aus und vielleicht könnte man eine
Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen treffen, weil damit auch die Bewahrung unseres
Kulturgutes effizienter wird, wobei ich darauf hinweise, daß wir eigentlich bei dieser Bewahrung auf die
wirtschaftshistorischen Denkmäler bisher völlig vergessen haben. Aus dem 19. und 20. Jahrhundert
sind verhältnismäßig wenig von diesen wirtschaftshistorischen Dingen konserviert worden, so daß wir
später wahrscheinlich eine entscheidende Lücke feststellen werden müssen. Das erhöht die Anzahl
der Objekte, ist aber, glaube ich, sachlich gerechtfertigt. Vielleicht könnte man für diese Denkmalfrage
im Denkmalschutzjahr etwas beginnen, das wahrscheinlich nicht allzuviel kostet, aber von sehr
großen Folgen begleitet sein würde. Wir haben in Verbindung mit dem Denkmalamt in Baden eine
denkmalanalytische Untersuchung machen lassen; eine solche Untersuchung sollte man mit allen
Denkmälern in Niederösterreich machen. Sie sollte eine Aufnahme des Objektes enthalten, die
baulichen Notwendigkeiten, die Kosten dazu, und daraus sollte ein Prioritätenkatalog erstellt werden.
Wenn in der Art wie bisher Denkmalpflege betrieben wird, wird höchstens der Verfall von wertvollen
Denkmälern verhindert, aber endgültig hergestellt können nicht alle werden.
Ich bin damit am Ende, meine Damen und Herren, und würde Sie um folgendes bitten: Wir haben mit
der Behandlung dieser Gruppe 3 einen sehr wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß der Geist dieses
Landes in irgendeiner Form lebendig bleibt. Ich möchte Ihnen heute schon in historischen Städten
noch gerne etwas sagen, was sich mit unserem Land beschäftigt und was uns aufruft. Im „König
Ottokar“ sagt Rudolf zu seinen Söhnen, als sie vor der Schlacht bei Dürnkrut stehen, indem er auf das
Marchfeld hinweist - und ich bitte Sie, diesen Hinweis für Niederösterreich gelten zu lassen: „Das Feld,
das rings sich breitet, heißt Marchfeld. Ein Schlachtfeld, wie sich leicht kein zweites findet, doch auch
ein Erntefeld, Gott sei es gedankt.“ Die Gruppe 3 ist eines dieser Erntefelder, die für Niederösterreich
wichtig sind. Und ich würde Sie bitten, auf diesem Erntefeld ein Mitarbeiter zu sein. (Beifall bei der
ÖVP und
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Zum Wort gelangt der Abg. Sulzer.
Abg. SULZER: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat nun
praktisch das gesamte Kulturleben dieses Landes gestreift, ich möchte mich nur mit einem kleinen
Teilgebiet der Denkmalpflege beschäftigen und kann versprechen, daß meine Redezeit deshalb auch
um einiges kürzer sein wird.
Das kommende Jahr 1975 soll, wie bereits erwähnt, zum europäischen Jahr des Denkmalschutzes,
der Denkmalpflege, erklärt werden. Wahrend nun Herr Professor Wallner der Meinung ist, daß das
Land Niederösterreich mit dem großen Beitrag zur Schallaburg auch schon den Beitrag für dieses
Jahr der Denkmalpflege geleistet hätte, meinte gestern im Gegensatz dazu der Landesfinanzreferent,
die Erhöhung der heurigen Budgetansatzposten von 4,5 Millionen Schilling auf 6 Millionen Schilling
wurde aus eben diesem Grunde vorgenommen. Aus den erläuternden Bemerkungen zum
Voranschlag kann man aber ersehen, daß die Aufstockung dieser Mittel um 1 ½ Millionen Schilling
deshalb erforderlich war, weil mehr Ansuchen vorhanden sind und weil gerade für die
Restaurierungsarbeiten weit höhere Kostensteigerungen aufgetreten sind als bei den Ausgaben für
sonstige Arbeiten. Für das Jahr der Denkmalpflege selbst stehen aber keine besonderen Mittel mehr
zur Verfügung. Es ist aber doch anzunehmen, daß gerade aus diesem Anlaß, eben wegen dieses
Jahres der Denkmalpflege, eine vermehrte Aktivität sowohl in den Gemeinden als auch durch private
Besitzer gegeben sein wird. Das bedeutet nun, daß im nächsten Jahr mit zusätzlichen
Subventionsansuchen auf jeden Fall gerechnet werden muß. Wird nun, obwohl dieses Jahr so groß
propagiert wird, diesen Ansuchen nicht Rechnung getragen werden können, dann wird das sicherlich
bei den Initiatoren solcher Bestrebungen auf jeden Fall einige Enttäuschung hervorrufen. Da die
sozialistische Fraktion bereits im Finanzausschuß die Erhöhung dieses Betrages beantragt hat (Abg.
Ing. Kellner: Hannes der Münzreiche wird's schon richten), bitte, es handelt sich jetzt um ein reines
Ansuchen an das Land Niederösterreich, da also bereits dieser Antrag gestellt, jedoch von der
Mehrheit des Finanzausschusses abgelehnt wurde, möchte ich nunmehr, obwohl es sicherlich eine
Reihe von Appellen an ein Nachtragsbudget geben wird, das Ersuchen stellen, gerade aus diesem
Grunde, wegen des Jahres der Denkmalpflege und wegen der deshalb zu erwartenden
Mehransuchen, beim Nachtragsbudget die Post Denkmalpflege zu erhöhen.
Ich möchte mich auch mit einigen anderen Fragen beschäftigen. Da Niederösterreich viele
hervorragende Denkmäler besitzt, die zum Teil vom Verfall bedroht waren, aber doch durch intensive
Bemühungen in einen guten Zustand versetzt werden konnten, können wir feststellen, daß alle
Arbeiten der letzten Jahre, der letzten Jahrzehnte, vor allem an Einzelobjekten vorgenommen wurden.
Es wird ja auch üblicherweise unter Denkmalschutz und Denkmalpflege die Erhaltung und Bewahrung
solcher Einzelanlagen verstanden. Zu unserem Landschaftsbild gehören aber nicht nur solche
Einzelobjekte, sondern darunter ist auch die gesamte bauliche Einheit eines Ortes zu verstehen.
Unsere gewachsenen Ortskerne, unsere Stadt- und Marktplätze, von denen vielleicht nur ein Teil vom
Standpunkt des Denkmalschutzes aus wirklich erhaltungswürdig wäre. Aber eine solche
zusammengehörende Einheit als Ganzes zu erhalten, also inklusive jener Teile, die für sich selbst
gesehen architektonisch und auch künstlerisch eigentlich wertlos wären, ist vor allem im Interesse der
Wahrung des Orts- und Landschaftsbildes, aber auch zur Wahrung der gesamten baulichen Struktur
des Landes ebenso wichtig wie die Erhaltung der einzelnen Kunstwerke. Es gibt in unserem
Bundesland so viele schöne Marktplätze, Stadtplätze, Ortsflecken, baulich zusammengehörende
Ortsdurchfahrten, Straßenzeilen, bei denen eine Veränderung und vielleicht eine Modernisierung den
Ortscharakter wesentlich zerstören würden. Solche Plätze gibt es viele und gerade ihre historisch
gewachsenen Zentren dieser Orte sind zu einem Großteil mittelalterlichen Ursprunges oder
unmittelbar nachher entstanden. Alle baulichen Veränderungen, die in den Jahrhunderten seither an
den Einzeldenkmälern, aber auch an der gesamten Entwicklung vorgenommen wurden, haben zwar
manche Veränderungen gebracht, aber sie haben im großen und ganzen den ursprünglichen
Charakter dieser Plätze und dieser Zentren nicht verändern können. Durch Jahrhunderte ist also im
großen und ganzen die Bausubstanz erhalten geblieben und soll auch heute nicht durch eine
moderne Erneuerungssucht zerstört werden. Dabei geht es nicht allein um die Erhaltung eines
Einzelobjektes um jeden Preis, sondern es soll um die Erhaltung des gesamten
zusammengehörenden und zusammengewachsenen Bauensembles gehen. Das Österreichische
Denkmalschutzgesetz kennt ja nur den Schutz des einzelnen Objektes, nicht aber den Schutz der
gesamten zusammengehörenden und übergeordneten Einheit. Dies vor allem deshalb nicht, weil
innerhalb dieser Einheit eben auch andere Gebäude vorhanden sind, die im Sinne des
Denkmalschutzes nicht als erhaltungswürdig gelten.
Gerade die älteren Teile unserer Gemeinden, die Gemeindezentren, sind nun zum überwiegenden
Teil sanierungsbedürftig geworden. Nach dem neuen Stadterneuerungsgesetz wird zwar das
denkmalgeschützte Haus unangetastet bleiben, aber oft ein danebenliegendes Haus, das zum
Gesamtensemble gehört, weggerissen, weil eben keine gesetzliche Handhabe dafür besteht, dieses
eine Haus vor dem Abbruch zu schützen. Dadurch wird aber oft zwangsläufig der gesamte historisch
gewachsene Baucharakter verändert und damit der Charakter des ganzen Platzes, ja oft eines
ganzen Ortes zerstört. Wir stehen also vor der Notwendigkeit, auf der einen Seite diesen baulichen
Charakter, den baulichen Verfall zu verhindern, auf der anderen Seite aber solche
Sanierungsmaßnahmen zu treffen, daß der ursprüngliche Zustand des Objektes entweder überhaupt
unverändert bleibt, oder die Veränderungen sich architektonisch und auch harmonisch in das gesamte
bestehende Ensemble einfügen können.
Von den vielfältigen Bemühungen, die es in allen Gemeinden unseres Bundeslandes gibt, möchte ich
vielleicht die besonderen Anstrengungen der Stadt Krems hervorheben. Gerade in Krems begegnet
man ja bei jedem Schritt erhaltungswürdigen Baufassaden. Würde es dort nicht die besonderen
Anstrengungen der Stadt geben, dann wäre es sicher, daß dieses Krems in einigen Jahren oder
Jahrzehnten ein vollkommen verändertes Bild erhalten würde. So wurde nun in Krems eine Aktion
gestartet, die Aktion „Maßnahmen zur Pflege des Kremser Stadtbildes“. Durch diese Aktion
bekommen private Hauseigentümer zinsenlose Darlehen bis zu 50% der von ihnen für die
Restaurierung eines Hauses aufgewendeten Kosten mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Die Aktion
besteht nun 15 Jahre und innerhalb dieser 15 Jahre konnten in Krems durch die Initiative der
Stadtgemeinde, durch das von der Stadtgemeinde geweckte Interesse der Hausbesitzer, vor allem
aber durch diese Förderungsmaßnahmen bereits 158 Gebäude in ihrem ursprünglichen Zustand
erhalten oder in diesen Zustand zurückversetzt werden.
Solche Aktionen gibt es selbstverständlich auch in anderen Gemeinden Niederösterreichs, und es ist
diese Förderung auch der einzige Weg, um den privaten Hausbesitzer zu einer sinnvollen
Restaurierung seines Gebäudes bewegen zu können. Es gibt dazu selbstverständlich auch
Zuschüsse des Bundesdenkmalamtes und des Landes Niederösterreich, aber es bedarf in jedem
Falle auch einer finanziellen Beihilfe der Gemeinden. Damit können auch die Kosten für den einzelnen
in erträglichen Grenzen gehalten werden. Das ist ja ganz besonders notwendig, weil solche
Wiederinstandsetzungsarbeiten, vor allem die Fassadengestaltungen, wesentlich höhere Kosten
verursachen, als normale Renovierungen bei anderen Gebäuden.
Wenn es nun gelungen ist, in vielen Gemeinden solche Fassadenschutzaktionen mit Erfolg
durchzuführen, dann bringt das nur einen momentanen, einen nach außen zeigenden
architektonischen Erfolg. Ein Erfolg auf längere Sicht kann sich jedoch nur dann einstellen, wenn nicht
nur dieses äußere Bild des Gebäudes wiederhergestellt, sondern wenn dieses Gebäude gleichzeitig
auch von seiner inneren Funktion her oder für eine neue Funktion restauriert wird. Früher, zur Zeit
ihrer Entstehung, waren diese Gebäude alle von einem pulsierenden Leben erfüllt, wie überhaupt der
Ortskern oder das Stadtinnere jeder Stadt eine viel dichtere Bewohnung als heute aufgewiesen hat.
Wir stellen heute eine Flucht in neue Wohngebiete, eine zunehmende Entvölkerung des Stadtkerns
und damit auch ein Funktionsloswerden vieler Häuser, auch vieler ehemaliger Geschäftslokale fest,
die eben dem Mieter, dem Geschäftsbesitzer nicht mehr entsprechen. Eine Basis für die Haltung
solcher Gebäude wird erst dann gegeben sein, wenn man dem derzeitigen oder zukünftigen Besitzer
einen neuen Verwendungszweck geben, also eine echte Revitalisierung einleiten kann. Es gibt viele
Beispiele: Auch ein Kreditinstitut muß nicht unbedingt in einem modernen Marmorpalast untergebracht
werden, sondern nimmt sich auch in einem schönen alten Barockbau gut aus. Auch Geschäftslokale
lassen sich in alten, ehemaligen Bürgerhäusern unterbringen, weil es auch früher in diesen Häusern
Handwerksläden gegeben hat. Nur durch eine solche Wiederbelebung wird es möglich sein, die
Entvölkerung unserer Stadtzentren und ihre Verödung zu verhindern. Da vielfach das Stadtinnere mit
Ausnahme des Hauptplatzes eine sehr dichte Verbauung aufweist, werden heute in jenen
Gemeinden, wo es enge Gassen gibt, vielfach Fußgängerzonen geschaffen. Die Anzahl dieser
Fußgängerzonen vermehrt sich ständig, obwohl sie zunächst heftig umstritten waren. Sie bewirken
eine kräftige Wiederbelebung von inneren Stadtgebieten, die früher fast im Verkehr erstickt sind und
fast vom Leben abgeschlossen waren. Solche Fußgängerzonen machen jetzt nicht nur den
Einkaufsbummel für den Kunden interessanter, sie machen auch das Wohnen in diesen Stadtteilen oft
erstrebenswerter als in einem vollkommen neuen Wohnviertel. Es ist nämlich absolut nicht so, wie
man im allgemeinen annimmt, daß Wohnungen in diesen alten Stadtteilen nur enge Wohnungen,
feuchte Wohnungen oder finstere Wohnungen sind. Diese Häuser wurden zumeist zwischen dem 15.
und 18. Jahrhundert, vielleicht auch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, erbaut. Sie haben durchwegs
größere Wohnräume als die Neubauten von heute. Und das, was ihnen an Komfort zwangsläufig fehlt,
muß eben durch die zu veranlassenden Restaurierungsarbeiten ausgeglichen werden. Das bedeutet
aber, daß sich die Maßnahmen des Denkmalschutzes nicht nur auf die Wiederherstellung der
Fassaden oder etwa auf die Erhaltung von wertvollen Innenräumen oder Stiegenhäusern in diesen
Häusern beschränken dürfen, sondern sich ebenso auf die Wiederherstellung einer entsprechenden
Funktion dieser Gebäude erstrecken müssen, auf die Wiederherstellung von Geschäftslokalen, die
Wiederherstellung des vom Verfall bedrohten Wohnraumes. Selbstverständlich werden solche
Arbeiten erhebliche Kosten verschlingen.
Obwohl durch diese Renovierungsarbeiten zumeist eine entweder schon unbewohnte oder vom
Verfall bedrohte Wohnung gerettet werden kann, gibt es derzeit weder nach der Wohnbauförderung
1968 noch aus der Landeswohnbauförderung eine Zuwendung für eine Renovierung oder
Restaurierung dieser Wohnung. Nur nach dem Wohnungsverbesserungsgesetz können gewisse
Arbeiten gefördert werden, es wäre denn, daß nun auf Grund des neuen Stadterneuerungsgesetzes,
das der Bund beschlossen hat, durch Ausführungsgesetze auch eine Änderung für die
Wohnbauförderung herbeigeführt werden könnte. Die Zuschüsse des Bundesdenkmalamtes und des
Landes Niederösterreich können zumeist für die Erhaltung solcher Bauten nicht herangezogen
werden, weil diese Mittel eben nur für echt denkmalgeschützte Bauten verwendet werden können.
Diese Benachteiligung bei der Finanzierung von Erhaltungsarbeiten an solchen Altwohnungen
erschwert natürlich die Erhaltung des Althausbestandes in unseren Städten. Dabei sind die Kosten
dieser Erhaltungsarbeiten gegenüber einem vollkommenen Neubau trotz allem bei weitem geringer.
Ich möchte hier wieder ein Beispiel aus Krems bringen. Die Sanierung eines Hauses in der Steiner
Landstraße in Krems gibt ein Beispiel dafür, daß eine Sanierung bei weitem billiger kommt als ein
Neubau. Es handelt sich hier um ein Haus, das 1730 errichtet und wegen einer besonders
eindrucksvollen Barockfassade für erhaltungswürdig erklärt wurde. Das Innere dieses Hauses ist im
Zuge der nun vorgenommenen Sanierungsmaßnahmen von gewissen Einbauten befreit worden, die
im Laufe der Zeit hineingekommen sind, wodurch die Bausubstanz des 18. Jahrhunderts wieder
vollkommen hergestellt wurde. Durch diese Freilegungsarbeiten und die sonstigen
Restaurierungsarbeiten konnte eine Nutzfläche von insgesamt 508 m2 gewonnen werden, allerdings
sind in dieser Zahl nicht nur Wohnraum, sondern auch die Flächen für Garage, die Stiege und ein neu
angebautes Heizhaus inbegriffen. Alle diese Räume wurden nun mit Zentralheizung ausgestattet, die
Stiegen wurden, wie früher, als Steinstufen ausgeführt, der Fußboden, ebenfalls wie im
Originalzustand, aus Hartholz, zum Teil aus Keramikfliesen hergestellt. Es wurden im gesamten Haus
Doppelfenster eingebaut, ebenfalls zur Fassade des Hauses passend. Der gesamte Umbau mit
diesen Einbauten und die Planung kosteten 1,500.000 Schilling. Zugleich wurde hier bereits die
Vorbereitung für einen späteren Dachgeschoßausbau geschaffen, der dann allerdings aus Mitteln der
Wohnbauförderung finanziert werden kann. Das heißt also, bei einer Nutzfläche von 508 m2 und
einem umbauten Raum von 1850 m3 ergibt sich ein Kubikmeterpreis von 536 Schilling. Ich glaube,
daß die Preise für einen Neubau jedenfalls über 1000 Schilling, wahrscheinlich heute schon bei 1200
Schilling pro ms umbauten Raumes liegen, so daß die Restaurierung dieses Hauses und die
Wiederherstellung von Wohnungen, die wahrscheinlich sonst bereits verfallen wären, um die Hälfte
billiger kam als ein Neubau. Auf den Quadratmeter bezogen, ist es ungefähr das gleiche; Ca. 3000
Schilling betrug der Quadratmeterpreis dieser Renovierung, während der Quadratmeterpreis bei
Neubauten heute bei ca. 7000 Schilling liegt. Dazu kommt außerdem noch, daß bei der
Gegenüberstellung der Kosten solcher Sanierungen von Althäusern mit den Kosten von Neubauten in
neuen Siedlungsgebieten auch nicht außer acht gelassen werden darf, daß bei diesen Neubauten
zusätzlich auch die Aufschließungskosten für Straße, Kanal, Wasser, Strom und Gas anfallen. Kosten,
die entweder den neuen Mieter, den neuen Besitzer, oder die Allgemeinheit, die Gemeinde, belasten.
Auch für den Bewohner dieser neuen Wohnungsgebiete ergeben sich, insgesamt gesehen, dadurch
weitere Mehrkosten, daß er einen weiteren Weg zu seiner Arbeitsstätte oder einen weiteren
Anreiseweg zu den Einkaufsstätten auf sich nehmen, also gewisse Folgekosten der Aussiedlung auch
in späterer Zeit tragen muß. Die Sanierung in den Altstädten erfolgt dagegen stets in einem schon auf
geschlossenen Gebiet, die Kosten der Gemeinde dafür fallen also überhaupt nicht ins Gewicht. Sie
bringt für den Mieter außerdem noch den Vorteil, den ich schon erwähnt habe, daß es sich hier
vorwiegend um große Wohnräume handelt, die großzügiger als heutige Neubauten angelegt sind und
außerdem infolge ihrer Bauweise durch ein starkes Mauerwerk gegen Lärmeinwirkungen durch den
Nachbarn bei weitem besser abgeschirmt sind. Es spricht also sehr vieles dafür, diese Wohnstätten in
unseren alten Stadtgebieten und auch diese alten Häuser nicht dem Verfall preiszugeben, vor allem
diese zum Teil unbewohnten und unbenützten Räume einer neuen Verwendung zuzuführen. Nicht nur
allein deshalb, weil um diesen an und für sich ungenützten Einzelraum oder um diese ungenützte
Einzelwohnung schade wäre, sondern weil dadurch auch eine Wiederbelebung des Innenlebens
unserer Städte erreicht werden kann. Nur mit einer solchen gezielten Altstadterneuerung, mit einer
neuen Funktionsgebung dieser Innenstädte, kann auch das richtige Mittel für bleibende
Altstadterhaltung gefunden werden. Solche Bemühungen sind allenthalben bereits festzustellen und
auch sehr viele Erfolge bereits zu verzeichnen. Wesentlich dafür wird allerdings sein, daß die
Finanzierung gesichert wird und daß der Einsatz von Wohnbauförderungsmitteln für solche Arbeiten
möglich werden wird. Diese Förderungsmittel sollten in diesem Bereich jedoch nur dort zur Vergabe
gelangen, wo durch eine solche Restaurierung ein echter Erfolg erzielt werden kann und wo auch die
Erhaltung noch sinnvoll ist.
Vielleicht sprenqt diese Erhaltungsarbeit, die Erneuerung der bestehenden Bausubstanz schlechthin,
den traditionellen Rahmen des Denkmalschutzes, der Denkmalpflege, weil sich Denkmalpflege ja
bisher doch praktisch nur für echt denkmalgeschützte Gebäude zuständig gefühlt hat. Diese Erhaltung
und Sanierung unserer alten Stadtteile wird eine unserer wichtigen Aufgaben der nächsten Zeit sein,
damit diese Städte nicht in ihrer inneren Substanz große Verluste auf sich nehmen müssen. Die
Durchführung muß nicht von heute auf morgen erfolgen, weil ja auch die Städte selbst nicht von heute
auf morgen erbaut wurden, sondern nur in der Reihenfolge, wo echte Gefahr besteht. Die Gefahr
besteht nicht allein darin, daß die Stadtkerne und Stadtplätze verfallen könnten, dazu sind nämlich die
Anstrengungen viel zu groß, die heute schon unternommen werden, um diesen Verfall zu verhindern.
Die Gefahr besteht auch darin, daß historisch gewachsene Altstädte, unsere Dorf- und Marktplätze, ihr
altes, gewohntes, ursprüngliches Gesicht verlieren. Noch größer aber ist die Gefahr, daß mit der
Gestaltung der Fassaden diese Plätze vielleicht nach außen hin wieder hergestellt werden, also ihr
Gesicht behalten, daß aber die ursprüngliche Funktion der Altstadt, des Ortskernes, verloren geht.
Und darum, glaube ich, sollen wir uns mehr mit dieser Altstadterhaltung und Altstadterneuerung
beschäftigen. Dazu sind nicht allein finanzielle Mittel erforderlich, sondern es wird auch einer gewissen
ideellen Bereitschaft bedürfen. Ich möchte an den Landtag das Ersuchen richten, sowohl die
finanziellen Mittel als auch die ideelle Unterstützung hierfür zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)
PRÄSIDENT DIPL. ING. ROBL: Zum Wort gelangt der Abg. Zimper.
Abg. ZIMPER: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist für jeden neugewählten
Abgeordneten ein eigenes, ein neues Gefühl, wenn er das erstemal in die Lage versetzt wird, in
seinem eigenen Bundesland vor der gesetzgebenden Körperschaft zu sprechen und hier ein paar
Gedanken zu entwickeln. Das geht mir so, meine Damen und Herren, und das ist Ihnen sicherlich
allen ebenso ergangen. Bei mir kommt vielleicht gerade heute und bei diesem Thema noch hinzu, daß
ich mich wirklich darüber freue, meinen ersten Beitrag zu einem Thema leisten zu dürfen, das mich an
sich schon länger bewegt, das mir schon länger ein Anliegen ist. Schon zu Zeiten, als ich längst noch
kein Abgeordneter war, habe ich dieses Thema, damals vielleicht nur emotionell oder stark emotionell,
erfaßt. In letzter Zeit konnte ich es in Gesprächen mit engagierten Niederösterreichern etwas
konkretisieren.
Herr Landesrat, es geht mir bei diesem Kapitel um ein paar, wie mir scheint, sehr wesentliche
Anliegen junger niederösterreichischer Kulturschaffender; vielleicht noch besser gesagt, es geht mir
um Anliegen aller kulturell engagierter Menschen in diesem Land, denen es in Niederösterreich eben
an einer gewissen kulturpolitischen, ich möchte sagen an einer gewissen schöpferischen Atmosphäre
fehlt. Die es stört, daß in diesem Land doch auf breiten Strecken viel zu wenig Verständnis
aufgebracht wird für die Anliegen der Kunst, für die Kunst als Anliegen, wenn ich so sagen darf, und
daß gerade in Niederösterreich die Diskrepanz zwischen den jungen, den lebenden
niederösterreichischen Künstlern und der breiten Öffentlichkeit noch sehr groß ist.
Bei diesen Fragen geht es unter anderem immer wieder um die Bewältigung der zentralen Frage, wer
ist denn jetzt schuld? Ist der Künstler schuld oder ist das Publikum schuld? Diese Diskrepanz kommt
gerade in Niederösterreich sehr stark zum Ausdruck, so daß die zwei einfach nicht zueinander finden
können. Ich sage das darum gerade hier, Herr Landesrat, weil ich in vielen Gesprächen mit diesen
engagierten Niederösterreichern vor allem den Eindruck mitbekommen habe, daß diese Leute auch Herr Landesrat, ich sage „auch" - die Kulturpolitik dieses Landes für diesen Mangel verantwortlich
machen. Wobei ich mich eigentlich augenblicklich korrigieren müßte, denn allein dieses Wort
„Kulturpolitik“ beinhaltet eigentlich schon die ganze Tragweite der Problematik, die ich hier aufzeigen
möchte. Herr Landesrat, wenn ich es ein bißchen pointierter formulieren sollte, müßte ich Ihnen hier in
meinem Namen und im Namen der kulturell engagierten Niederösterreicher den Vorwurf machen, daß
Sie Kulturpolitik im eigentlichen Sinne im Grunde genommen gar nicht machen, sondern nur an der
Spitze einer zugegebenermaßen funktionierenden Kulturverwaltung stehen. Ich werde auch
versuchen, Herr Landesrat, das zu begründen und doch etwas näher darauf einzugehen. Ich gestehe
also hier durchaus zu, daß ich vielleicht gar nicht in allen diesen Dingen ganz richtig liege, daß
vielleicht auch gar nicht alles sofort oder rasch realisierbar ist, aber ich meine, daß es gerade ein
Hauptkriterium und eine Chance der Kulturpolitik ist, so wie ich sie verstehe, daß gerade sie es sich
leisten kann und auch leisten sollte, Mut zu neuen Wegen zu haben. Hier doch ein bißchen zu
provozieren, herauszufordern, von der Kulturpolitik her ein paar Gedanken zu entwickeln, gerade das
spielt eine wesentliche Rolle dafür, daß wir in diesem Land vielleicht einmal ein gewisses
kulturpolitisches, ein gewisses schöpferisches Klima bekommen. Gerade aus der Kritik und aus der
Diskussion über ein paar Vorschläge könnte ein viel fruchtbareres Klima entstehen.
Um das, was ich hier so gemeint habe, Herr Landesrat, zu konkretisieren, müßte ich klar sagen, daß
für mich zum Beispiel Ihr Kulturbericht sozusagen die Inkarnation des kulturpolitischen
Mißverständnisses in diesem Land ist; der Kulturbericht, auf den Sie sich, Herr Landesrat, so oft
berufen und der so oft bejubelt wird, was sagt dieses Wort alles aus! Wenn hier ein unbefangener
Beobachter kommt, dann glaubt er, damit werden Dinge zur Diskussion gestellt, hier gibt es also jene
Kulturpolitik, von der ich spreche. Wenn man dann genauer hinschaut, ist hinter dem hochtrabenden
Namen eigentlich nichts anderes als die detaillierte Auf Zählung aller Förderungsmaßnahmen, die Sie
im Bereich Ihres Referates hier setzen. Und, Herr Landesrat, nicht einmal im Vorwort, was ich
besonders bedauere, haben Sie den Mut, Provokationen auszusprechen. Ich gebe schon zu, man
muß, um Kulturpolitik in diesem Sinne zu machen, den Mut haben für Provokationen, man muß den
Mut haben, hier ein paar Denkanstöße mit hineinzugeben. Sie geben nicht einmal eine grundsätzliche
Erklärung, einfach aus Ihrer Sicht, zur Problematik Kultur, zur Problematik Kunst in diesem Lande.
Herr Landesrat, um die Erstellung dieses Kulturberichtes, wie Sie ihn vorlegen, bewerkstelligen zu
können, brauche ich wirklich nicht die Faszination eines engagierten Kulturpolitikers, dazu genügt die
Pedanterie eines Oberbuchhalters.
Ich empfinde dabei am tragischesten, daß das, was hier im Kulturbericht zum Ausdruck kommt, auch
symptomatisch ist für die Kulturarbeit, wie Sie sie offensichtlich verstehen. Ich empfinde es, Herr
Landesrat, an sich als sehr positiv, daß junge Künstler - das wird mir allenthalben bestätigt -, junge
Kulturschaffende von Ihrem Referat immer wieder finanziell gefördert werden, wenn sie kommen,
wenn sie ein Anliegen haben, wenn sie sich irgend etwas schaffen, aber das ist mir eigentlich ein
bißchen zu wenig. Denn mir fehlt dabei die Förderung der Kunst, der Kunst als Anliegen, die
Förderung des kulturellen Selbstverständnisses in diesem Land. Sie administrieren, Herr Landesrat,
die Kulturförderung, Sie geben Geld, wenn es jemand von Ihnen verlangt. (Abg. Wedl: Wenn er eines
hat!) Er hat es offensichtlich in genügendem Ausmaß, denn diesen Vorwurf, muß ich sagen, habe ich
bei Gesprächen mit vielen jungen Niederösterreichern nicht gehört. Man kriegt in Niederösterreich
also Geld aus dem Landestopf, wenn man als schöpferisch Tätiger hier beim Kulturreferat anklopft;
das ist aber auch schon alles. Die geistige Konzeption jener Kulturpolitik, die Sie hier machen, Herr
Landesrat, vergißt, wie mir scheint, einen Hauptmerksatz jedes kulturpolitischen Wirkens. Den
Hauptmerksatz nämlich, daß Kunst nicht nur den Künstler braucht, sondern vor allem, Herr Landesrat,
braucht sie Publikum. Daß junge Künstler gefördert werden, einverstanden. Aber ein Schriftsteller, ein
Komponist oder ein Maler, will nicht nur Geld; ein Schriftsteller will gelesen, will aufgeführt werden, ein
Komponist will gespielt werden und ein Maler will ausgestellt werden. Das sind die echten Anliegen
dieser jungen Leute und es wäre, meine ich, auch eine Aufgabe der Kulturpolitik dieses Landes, dies
auf breitester Basis zu bewerkstelligen. Auf eine viel selbstverständlichere Art und Weise, damit es
uns nicht weiterhin immer wieder passiert, daß Kunst als etwas angesehen wird, was nur für elitäre
Gruppen da ist, daß einer sagt, es seien Spinner, die hier Kunst machen, es wären nur ein paar
Außenseiter, die sich das Ganze ansehen und es gelänge uns also nicht, Kunst und diese
schöpferische Tätigkeit einfach als einen selbstverständlichen Bestandteil unseres täglichen Lebens
darzustellen.
Ich glaube, es müßte durchaus ein Anliegen der Kulturpolitik dieses Landes sein, eben hier ein Klima
zu schaffen, in dem diese schöpferische Atmosphäre möglich ist, in dem diese schöpferischen Kräfte
auch tatsächlich mit einer breiten Publikumswirkung zum Tragen kommen. Herr Landesrat, ich komme
vielleicht zu einer sehr zentralen Aussage in diesem Zusammenhang. Es kann nämlich sehr viel von
dem, was ich gesagt habe, durchaus nur mit ein paar Ideen bewerkstelligt werden, und ich verlange
von Ihnen, Herr Landesrat - man höre und staune, nicht jeder Abgeordnete ist in derselben
glücklichen Lage, wenn er etwas verlangt -, gar kein Geld, das wird auch dem Herrn Finanzreferenten
gefallen. Ich verlange von der Kulturpolitik in diesem Lande ein paar Ideen, ein paar Maßnahmen, um
diesen jungen engagierten Leuten ein bißchen zu helfen. Herr Landesrat, es würde schon sehr viel
bedeuten und eine wertvolle Hilfe sein, wenn Sie lediglich die bestehenden Kulturinstitutionen in
Niederösterreich in einem verstärkten Maße diesen jungen engagierten Niederösterreichern zur
Verfügung stellen. Daß Sie Ihren Einfluß als Kulturlandesrat geltend machen, um zum Beispiel die
Niederösterreichischen Tonkünstler, die doch einen sehr gewaltigen Etat von Seiten des Landes
bekommen, einfach durch Gespräche davon zu überzeugen versuchen, neben den Klassikern und
allen möglichen Aufführungen doch vielleicht auch einmal das Werk eines lebenden
niederösterreichischen Komponisten zu spielen. Es werden sich Dirigenten finden, die das sicherlich
gerne übernehmen, und Sie haben damit erreicht, daß ein junger lebender niederösterreichischer
Komponist vor ein breites Publikum kommt und dadurch die Möglichkeit erhält, mit seiner
schöpferischen Leistung auf Resonanz zu stoßen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich könnte mir das gleiche,
Herr Landesrat, auch bei den beiden Theatern in St. Pölten und Baden durchaus vorstellen, bei der
Subvention, die von Landesseite gegeben wird. Ich weiß schon, daß hier ein paar Dinge gegeben
werden, aber 15.000 Schilling allein, Herr Landesrat, dürften kein Alibi sein. Wenn man hier versucht,
in dieser Frage wirklich engagiert mit den verantwortlichen Leuten zu reden, müßte es doch möglich
sein, wenigstens einmal im Jahr zu erreichen, daß diese beiden Theater Uraufführungen bringen, die
von jungen lebenden niederösterreichischen Schriftstellern und Dramaturgen gestaltet werden. Es gibt
ja hervorragende Beispiele, wie man in diesem Land schon bereit und in der Lage ist,
bedauerlicherweise aber nicht von seiten des Kulturreferates, diese jungen schöpferischen Kräfte aus
der Reserve zu locken. Ich verweise auf den Wettbewerb des Wiener Neustädter Kreises, der auf
Anhieb 60 Einsendungen gebracht hat; 60 Beiträge, 60 Theaterstücke, die augenblicklich gespielt
werden können. Herr Landesrat, da ist ein ganz gewaltiges Kapital dahinter, das bedauerlicherweise
durch die Art Kulturpolitik, die Sie derzeit vertreten, nicht ganz herangezogen wird.
In diesem Zusammenhang muß man auch einmal
dem neuen Intendanten des österreichischen Rundfunks, Landesstudio Niederösterreich, dem Kurt
Bergmann, danken. Er war der erste, der diesen lebenden jungen Kulturschaffenden sein Medium zur
Verfügung gestellt hat, der zum Beispiel dem Sieger des Wiener Neustädter Bewerbes die Möglichkeit
eröffnet hat, sein Stück im Rundfunk präsentieren zu können, um hier an das Publikum zu kommen
und das wesentlichste Kriterium des kulturpolitischen Wollens zu verwirklichen, nämlich Resonanz bei
einem breiten Publikum zu finden. Herr Landesrat, ich habe Ihnen ja schließlich schon vorhin gesagt,
es ist durchaus denkbar, daß viele Dinge nicht sofort realisierbar sind. Ich sehe aber ein
Hauptkriterium der Kulturpolitik darin, daß ich hier vielleicht doch ein bißchen weitergehen kann, daß
wir diskutieren können darüber, daß sich allein aus dieser Diskussion einiges ergibt. Ich könnte mir
auch vorstellen, daß diese Möglichkeiten, an ein breites Publikum zu kommen, ohne viel Aufhebens
durchaus auch bei den bildenden Künstlern erreicht werden könnten, indem man einfach die
Schultore, vor allem der höheren Schulen, für die bildenden Künstler öffnet. Dabei sollte man nicht in
den Fehler verfallen, hier eine Wanderausstellung zu organisieren, diese in einem eigenen Saal
unterzubringen und die Klassen da durchzuschleifen. Damit wäre ja wiederum ein besonderes
Zeremoniell verbunden, so daß jeder, der mit Kultur und Kunst konfrontiert wird, den Eindruck erhält,
er wird jetzt in eine besondere Abteilung geführt. Nein, Herr Landesrat, dazu brauchen wir auch
überhaupt keine Administration von seiten des Referates, nur ein wenig Aufgeschlossenheit. Einfach,
daß Sie es diesen jungen Künstlern ermöglichen - die würden das von sich aus tun, die brauchen das
Referat gar nicht und auch kein Geld dazu -, in diese Schulen zu gehen, um hier auf Schulgängen ihre
Bilder, ihre Exponate auszustellen. Nach ein paar Wochen tun sie diese wieder weg und stellen
andere hin. Herr Landesrat, allein durch diesen Wechsel der Exponate entsteht ganz
selbstverständlich eine Diskussion, ein Klima, das es besser möglich macht, Kultur als etwas viel
Selbstverständlicheres darzustellen, als dies heute da oder dort der Fall ist. Ebenso könnte ich es mir
durchaus vorstellen, daß man die Schultore einmal öffnet für junge niederösterreichische Schriftsteller,
etwa am Tag der Lyrik, am Tag der Prosa; ich könnte mir durchaus vorstellen, daß dies gelingt. Wir
erreichen damit eines, ein viel lebendigeres Kulturbewußtsein in unserem Land, Herr Landesrat, das
ist es ja, was diese Engagierten in diesem Land so schmerzlich vermissen. Und die Kritik, noch
einmal, soll sich ruhig daran entzünden, es ist eines erreicht, ein Klima, in dem über Kunst und Kultur
auch einmal diskutiert wird, das zu kulturpolitischem Engagement ein bißchen herausfordert und das
auf breitester Ebene in diesem Land endlich ein wenig mehr Verständnis für diese wichtigen Anliegen
schafft. Sie helfen damit den Künstlern und der Kunst weit mehr, Herr Landesrat, als nur mit der
nackten finanziellen Förderung.
Wenn ich mir in diesem Zusammenhang einen Vergleich gestatten darf, Herr Landesrat, dann
kommen Sie mir mit Ihrer Kulturpolitik vor wie ein Vater, der seinem Kind zwar, wenn es etwas
braucht, immer Geld gibt, aber sich sonst im wesentlichen nicht um die Entwicklung dieses seines
Kindes kümmert, und der dann, wenn man vielleicht einmal auf die Verwahrlosung dieses Kindes
hinweist, sagt, er habe ja ohnehin alles getan. Der gedruckt vorliegende Kulturbericht besagt auch
nur: Ich habe ihnen ja ohnehin Geld gegeben. Herr Landesrat, sorgen Sie für dieses Kind, das Ihnen
übertragen ist, sorgen Sie für eine gute Entwicklung in diesem Land, sorgen Sie für ein besseres
kulturpolitisches Klima in Niederösterreich. Lassen Sie sich diese Anliegen wirklich etwas wert sein.
Sorgen Sie für eine bessere, schöpferische Atmosphäre. (Beifall bei der ÖVP.) Werden Sie, wenn ich
so sagen darf, Herr Landesrat, für Ihr Kind ein besserer Vater. (Heiterkeit im Hause. - LR Grünzweig:
Der Präsident des Landesschulrates!)
Ich darf aber vielleicht eines noch tun, selbst auf die Gefahr hin, meine Damen und Herren, daß ich
Sie damit vielleicht mehr aus der Reserve locke, als mir das bei einer Jungfernrede lieb sein könnte.
Das eine war mir also ein echtes persönliches Anliegen, das ich hier vorzubringen hatte, und das
zweite, Herr Landesrat, ergibt sich aus einem, wie mir scheint, bedauerlichen Anlaß, der in
Niederösterreich wirklich hohe Wellen geschlagen hat. Wir reden zwar nicht mehr über Schulen, aber
Sie können es durchaus auch hier verstanden wissen. Ich möchte und ich will es Ihnen auch nicht
ersparen, Herr Landesrat, daß Sie zu einem Punkt Stellung nehmen. (Abg. Ing. Kellner: Laß Dich nicht
schrecken!) Nein, ich sage ja, ich möchte es Ihnen auch nicht ersparen, weil ich glaube, daß es
wesentlich ist. (LR Grünzweig: Der Präsident des Landesschulrates heißt Maurer!) Herr Landesrat, so
leicht kann man sich diese Dinge, glaube ich, nicht machen, auch wenn sie vielleicht unangenehm
sind, zugegeben. Aber es ist egal, ob ich Schulskandal dazu sage oder Kunstskandal. Sie wissen ja
noch gar nicht, was ich sagen will und können die Frage also noch gar nicht weitergeben. (Beifall bei
der ÖVP.) Herr Landesrat, ich habe Ihnen als dem schulpolitischen Exponenten der Sozialistischen
Partei eine Frage zu stellen. Diese Frage ist nicht weiterzugeben an den Vorsitzenden des
Landesschulrates, Landeshauptmann Maurer, sondern ich konfrontiere Sie damit, als den führenden
Schulpolitiker Ihrer Partei und als den Schullandesrat dieses Landes, mit dieser Sache. (Abg. Kosler:
Nur polemisch!) Und zwar geht es um den Skandal, der entfacht wurde - Sie haben es in den
Zeitungen gelesen - (Abg. Blochberger: Na, wenn das polemisch sein soll!) im Musischpädagogischen Realgymnasium in Wiener Neustadt, unter der Anleitung des Renner-Preisträgers
Prof. Hoffner und unter der Oberaufsicht - die hat er ja wohl in dieser Schule - des Direktors dieser
Anstalt, des Herrn Hofrates Dr. Emanuel Bialonczyk, der zugleich auch sozialistischer Vizepräsident
des Landesschulrates ist. Herr Landesrat, ich möchte Ihnen und dem gesamten Forum hier ersparen,
auf Details dieses, wie mir scheint, ungeheuerlichen Vorkommens einzugehen. Dieses Vorgehen ist
Anlaß für eine Disziplinaruntersuchung, es befassen sich Gerichte damit, es wird der Staatsanwalt
damit beschäftigt. Ich sehe keinen besonderen Grund und so gustiös ist die Sache auch nicht, daß ich
sie hier in diesem Kreis besonders breittrete. Es geht mir um eine konkrete Äußerung des Direktors
dieser Anstalt und zugleich Vizepräsident des Landesschulrates, der in mehreren Zeitungserklärungen
gesagt hat, daß er zu dem Begriff der Pietät keine persönliche Beziehung habe.
(Dritter Präsident Reiter übernimmt den Vorsitz.)
Daß er von Pietät nichts verstehe, er wisse mit diesem Begriff nichts anzufangen, und daß er vielleicht
noch akzeptiert, daß es ein paar Leute geben könnte, die sich unter Pietät etwas vorstellen. Wenn
diese Leute das damals schmerzlich empfunden hätten, na bitte, dann bedaure er es. Er selbst, einer
der führenden Schulleute dieses Landes, sagt aber: „Ich persönlich habe zu dem Begriff Pietät
keinerlei Beziehung.“ Diese Einstellung eines Mannes, meine Damen und Herren, der berufen ist,
Lehrer auszubilden, der ein Vorbild sein sollte und der geistige Leitlinien in unserer Erziehung angibt,
halte ich persönlich schlechthin für ungeheuerlich. Ich würde meinen, Herr Landesrat, daß auch Sie
als zuständiger Referent diese Erklärung nicht überhören sollten und nicht überhören können. Es
kommt dazu, daß es sich bei diesem, wie gesagt, Schulmann um den Vizepräsidenten des
Landesschulrates und um einen führenden sozialistischen Schulmann handelt. Ich fordere Sie daher
auf, Herr Landesrat, Stellung zu beziehen. Sich zu identifizieren mit all diesen Dingen, oder sich klar
davon zu distanzieren. Wohlgemerkt, es geht mir vielleicht gar nicht so sehr um den Vorfall als
solchen, der ist Gegenstand von Untersuchungen, es geht hier, meine Damen und Herren, um dieses
gewaltige pädagogische Mißverständnis, das hier in Wiener Neustadt offenkundig geworden ist. Und
um die demonstrierte Geisteshaltung eines Mannes, der immerhin als Vizepräsident des
Landesschulrates tärig ist. (Beifall bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren, die niederösterreichische
Bevölkerung, würde ich glauben, hat ein Recht auf eine Antwort, denn Herr Dr. Bialonczyk ist nicht
irgendwer, er ist ein engagierter sozialistischer Funktionär, er ist einer Ihrer führenden Schulleute,
meine Damen und Herren. (Abg. Lechner: Deshalb ist er auch schon schlecht?) Nein, nein, das sage
ich nicht, aber die niederösterreichische Bevölkerung hat ein Anrecht, zu wissen, ob es sich hier um
einen Einzelfall handelt, oder ob dahinter das schulpolitische Wollen Ihrer gesamten Partei steht.
(Beifall bei der ÖVP.) (Abg. Kosler: Macht nur SO weiter! - Unruhe im Hause.) Ich will ja gar nichts
anderes, als daß Sie herauskommen. (Zwischenruf von Abg. Stangl.) Aber, meine Herren, aber Herr
Kollege Stangl, ich will ja gar nichts anderes. (Abg. Lechner: Eine Zumutung ist so etwas!) Ich bin der
glücklichste Mensch, wenn Sie herausgehen und sagen, wir distanzieren uns mit aller Schärfe von
diesen Vorfällen. (Abg. Kaiser: Nur so weiter!) Ich würde ja eines sagen... (Zahlreiche unverständliche
Zwischenrufe.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER (nachdem er das Glockenzeichen gegeben hat): Vielleicht meldet
man sich zu Wort und redet dann vom Pult aus als Gegenredner.
Abg. ZIMPER: Ja, ja, melden Sie sich zu Wort und klären Sie hier die Frage (zahlreiche Zwischenrufe
- Unruhe im Hause), ob es sich hier um die bedauerliche Entgleisung eines einzelnen handelt, oder ob
dahinter ... (Zwischenruf vom Abg. Litschauer.) Es ist halt sehr schwer, hier wirklich eine Aussage
tätigen zu können. Herr Dr. Litschauer, ich habe jetzt nicht die Absicht, mich mit Ihren Zwischenrufen
zu beschäftigen, ich spreche von wesentlichen Dingen dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn Sie
anderer Auffassung sind, kommen Sie her und sagen Sie das in aller Offenheit. Ich würde glauben,
daß die niederösterreichische Bevölkerung, meine Damen und Herren, ein Recht darauf hat zu
wissen, ob dieser Fall ein Einzelfall, eine Entgleisung ist, oder ob dahinter, weil es sich hier um
gewisse Leute und engagierte Leute handelt, irgendwo ein schulpolitisches Wollen der gesamten
Sozialistischen Partei steckt. Und das zu klären (Beifall bei der ÖVP), werden Sie also hier
aufgefordert. (Abg. Kosler: Sogar der Klubobmann lacht schon!) Meine Damen und Herren, ich würde
diese Vorfälle nicht verniedlichen, denn solche Dinge werden in der Schule als linke Experimente
gehandhabt, das ist gar nicht so von der Hand zu weisen. Und ich würde Sie wirklich im Interesse
dieses Landes und seiner schulpolitischen Atmosphäre darum bitten, diese Dinge nicht zu
verniedlichen. Diese Vorfalle haben eine gewaltige Verunsicherung der Eltern, Lehrer und Studenten
ausgelöst. Und Sie, meine Damen und Herren, könnten mit einer klaren Erklärung das im Zuge dieser
Vorfälle in Wiener Neustadt und in ganz Niederösterreich abhanden gekommene Vertrauen in die
Ausbildungsanstalt unserer Lehrer in Wiener Neustadt wieder herstellen. (Beifall bei der ÖVP.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Wedl.
Abg. WEDL: Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, über
Kultur zu reden, aber wenn das, was hier jetzt gesprochen ist, Kultur sein soll, dann muß ich doch
etwas dazu sagen. Wir wollen uns sicherlich distanzieren; wir wollen uns von einem distanzieren, von
der Art und Weise, wie Sie das Hohe Haus hier mißbrauchen, Herr Abg. Zimper, um einen verdienten
Schulmann in Niederösterreich hier fertigzumachen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir vermissen aber, lieber
Herr Kollege Zimper, eines. (Abg. Ing. Kellner: Er macht es sich immer billig, auch in Alberndorf!) Ich
mache es Ihnen nicht billig, ich hätte nur gerne eine Distanzierung vom Kollegen Zimper in der Weise
erreicht, daß er sich von einem Artikel distanziert, den er seinerzeit noch in seiner Eigenschaft im
Volksblatt geschrieben hat, der nach unserer Meinung schon ganz knapp an der Schwelle der
Aufforderung ist, den Extremismus in Osterreich einzuführen. Von diesem Artikel hätten Sie sich
distanzieren sollen, Herr Kollege Zimper. (Abg. Zimper: Landeshauptmannstellvertreter Czettel hat vor
wenigen Tagen eine Entschuldigung dafür abgegeben.) Ich kenne ja den Artikel. Moment, aber macht
ja nichts ... (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Das weiß er noch nicht!) Lieber Kollege Zimper,
Sie werden mir ja doch nicht unterstellen wollen, daß ich den Artikel nicht gelesen habe.
Aber eines: Wenn Sie den Landesrat Grünzweig als den Vater bezeichnen, dann sind Sie, glaube ich,
nicht einmal der Stiefsohn von ihm. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn man heute hier sagt, man soll eine
Trennung zwischen den Künstlern und den Spinnern vornehmen, dann müßte man, glaube ich, auch
hier in diesem Hause eine Trennung vornehmen zwischen den Scharlatanen und den Politikern. Ich
glaube, alles, was Sie hier gesagt haben, ist auch eine Beleidigung aller derjenigen Beamten, die hier
in diesem Hause auf dem Sektor der Kultur tätig sind. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, auch das ist
eine Beleidigung. Gerade Sie in der Österreichischen Volkspartei sind immer wieder so wehleidig,
wenn man hier einmal etwas über einen Beamten sagt.
Ich kehre jetzt zurück zu meinem Thema, zum Naturschutz. Nur eines verspreche ich Ihnen jetzt
schon, als Naturdenkmal werden wir Sie nicht hier in diesem Hause betrachten. (Abg. Blochberger:
Wer macht denn die Politik? - Abg. Buchinger: Aha, über den Vizepräsidenten darf man nichts sagen!)
So, und nun zu meinem eigentlichen Thema. Der Herr Landeshauptmannstellvertreter Czettel hat dem
Niederösterreichischen Landtag den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz und Pflege der Natur,
Niederösterreichisches Naturschutzgesetz 1975, vorgelegt. Dieses enthält in Abänderung des bisher
geltenden Rechts, Landesgesetzblatt Nr. 450/1968, wesentliche Änderungen in folgenden Belangen:
1. Der Naturschutz erhält die Zielvorstellung, daß der Schutz und die Pflege der heimatlichen Natur in
allen ihren Erscheinungsformen erfolgen soll, um die Natur als gemeinsamen Lebensraum für
Mensch, Tier und Pflanze zu erhalten und zu gestalten.
2. Die Einführung eines neuen Schutzgebiettypus, und zwar jenen des Vegetationsschutzgebietes.
Damit soll erreicht werden, daß Vegetationsbestände, die für die Bildung des Klimas geschlossener
Siedlungsräume von Bedeutung sind, erhalten werden. Hierzu stützt man sich sehr eng auf die
Untersuchungen, die Universitätsdozent Dr. Bernhard Lötsch vom Boltzmann-Institut für Umwelt,
Wissenschaft und Naturschutz angestellt hat und die die Wichtigkeit der Pflanze für die Klimabildung
geschlossener Siedlungsräume nachweisen.
3. Die Kriterien für die Erklärung als Landschaftsschutzgebiet werden sehr sachlich. Vor allem wird der
Begriff „Landschaftliche Schönheit“ abgeschafft und durch die Bezeichnung „Besondere
landschaftliche Eigenart“ ersetzt; damit wird mit dem subjektiven Werturteil „Schönheit“ aufgeräumt.
4. Es soll auch mit Unterteilung in Voll- und Teilnaturschutzgebiete Schluß gemacht werden.
5. Es wird die gesetzliche Vermutung ausgesprochen, daß Verordnungen über die Schaffung von
Vegetationsschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten oder Naturschutzgebieten rechtswirksame
überörtliche Planungen im Sinne des § 17 Abs. 5 des Nö. Raumordnungsgesetzes sind. Dadurch soll
erreicht werden, daß jede Widmung oder Nutzung von Grundstücken, die dem Zweck des
Schutzgebietes zuwiderläuft, schon im Stadium der Flächenwidmung durch die Gemeinde
unterbunden wird.
6. Die Voraussetzungen für die Erklärung von Naturgebilden zu Naturdenkmälern werden erweitert.
Dadurch können Naturgebilde, die als gestaltende Elemente des Landschafts- und Ortsbildes oder
aus wissenschaftlichen oder kulturellen Gründen besondere Bedeutung haben, zum Naturdenkmal
erklärt werden.
Ferner soll der Ausbau der bisherigen Vorschriften über die Errichtung des Naturschutzbeirates
durchgeführt werden, um diese wertvolle Institution zu aktivieren. Die Einrichtung der Naturwacht
erfolgt mit dem Ziel, daß diese Organe den Gedanken des Naturschutzes verbreiten und in der
Bevölkerung aufklärend winken.
Im Lichte des jüngsten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes soll die Wahrung des Ortsund
Landschaftsbildes im Bauland Aufgabe der örtlichen Baupolizei sein, während die
Naturschutzbehörde in Hinkunft bei Bauten im Bauland, die Lage im Landschaftsschutzgebiet
natürlich vorausgesetzt, nur prüfen können wird, ob durch die Baumaßnahmen eine Beeinträchtigung
des Erholungswertes zu befürchten ist oder eine Schädigung des inneren Gefüges des
Landschaftshaushaltes eintreten könnte. Es soll den Gemeinden auch Hilfestellung bei der
Ortsbildpflege und Ortsbildgestaltung gegeben werden.
Die bisherigen Strafen wegen Verletzung der Naturschutzbestimmungen waren sehr gering und sollen
daher angehoben werden. Ich gebe aber zu, daß auch die jetzigen Sätze noch viel zu gering sind und
von einem Übertreter von vornherein schon ins Kalkül gezogen werden könnten, weil man weiß, daß
es sowieso nie zur Verhängung von Höchststrafen kommt.
Schließlich soll das neue Gesetz auch dem Laien eine bessere Lesbarkeit gewährleisten. Ich hoffe,
daß es sehr bald möglich sein wird, zu einem neuen und moderneren Naturschutzgesetz zu kommen.
Wir mögen hier dem Beispiel des Landes Tirol folgen, welches am 28. November 1974 ein
Naturschutzgesetz beschlossen hat, dessen § 1 Absatz 1 grundsätzlich dem niederösterreichischen
Entwurf nahegekommen ist.
Der explosionsartig erfolgte Drang der Menschen, sich in den Erholungsgebieten im ländlichen Raum
neue Wohnstätten zu schaffen, bedroht sehr stark diese Erholungslandschaft. Daß es hier zur
Zersiedelung kommen kann, hat sich leider in der Vergangenheit oft bewiesen. Durch den großen
Fortschritt auf dem Bausektor, wie zum Beispiel den Bau neuer Autobahnen und Schnellstraßen oder
die Errichtung von Großbauten, Kraftwerken und Industriezentren kommt es auch zu gefährlichen
Nebenerscheinungen, wie die Bleivergiftung der Pflanzen durch Autoabgase auf einem Streifen von
ungefähr 150 m links und rechts der Straße. Diese Großbauwerke können sich aber für die
Landwirtschaft auch sehr positiv auswirken. Dies haben die Donaukraftwerke bewiesen, die bei den
bisher verwirklichten Anlagen vor Augen führen konnten, daß die Gewinnung von elektrischer Energie
aus dem Strom mit der Verschönerung der Landschaft Hand in Hand gehen kann. Im Zusammenhang
mit der Errichtung des Kraftwerkes Ybbs-Persenbeug wurden 16.000 neue Bäume und 60.000
Sträucher von der Donaukraftwerk-AG gepflanzt, die Steinbrüche arrondiert und wieder begrünt. Auch
beim jetzigen Bau des Kraftwerkes Altenwörth kann ein Erholungsgebiet von 30 km Länge geschaffen
werden, das für die Bewohner Niederösterreichs und auch Wiens eine echte Attraktion werden könnte.
Ich denke hier neben dem Erholungsuchenden auch an die Sportfischer und Wassersportler. Dieser
große Wasserstauraum kann aber auch zu einer Verbesserung der Weinqualität führen, und zwar
durch den Wärmeaufheizungseffekt bzw. die Milderung der gefürchteten Nachtfröste. (Abg. Wittig:
Haben Sie noch nichts vom Kältestau gehört?) Sehr positiv soll auch erwähnt werden... (Abg. Dr.
Bernau: Es ist nämlich genau umgekehrt!) Kollege Dr. Bernau, ich werde Ihnen den entsprechenden
Fachartikel dann zur Verfügung stellen, aus dem Sie diese Gedanken hier genau entnehmen können.
Ich würde bitten, daß man nicht sagt, es wäre gerade der gegenteilige Effekt. (Abg. Dr. Bernau:
Darum geht es ja auch in der Wachau, weil man dort auch eine Verschlechterung befürchtet.) Diese
Befürchtung wird eben durch Fachleute widerlegt, wobei ich weiß, daß es ja zweierlei Fachleute gibt,
solche und solche.
Sehr positiv soll erwähnt werden, daß die Brenner Autobahnbetriebsgesellschaft und auch ein
Großmarkt aus Anlaß von Eröffnungen und Feiern zehntausende Bäume pflanzen ließen. Die Gelder
sind hier sicherlich positiver angelegt als in großangelegten Feiern und könnte dies auch
niederösterreichischen Firmen als Anregung und Vorbild dienen. Die unter dem Motto „Wenn der Wald
stirbt, stirbt auch der Mensch“ initiierte Aktion „Lebensbaum“ hat ein großes Echo gefunden. Die
beiden großen Kraftfahrerorganisationen haben sich hier große Verdienste erworben, was auch hier
dankenswert vermerkt werden soll. Durch diese Aktion konnten bisher viele Hektar Wald gepflanzt
werden. Man muß auch wissen, daß ein Hektar Wald jährlich 21.000 t Sauerstoff selbst produziert und
300 kg Schwefeldioxyd und bis zu 30 t Staub bindet. In den Wurzeln dieses den Bau neuer
Autobahnen und Schnellstraßen einen Hektar Waldes können aber auch ca. 2 Millionen Liter
Trinkwasser gespeichert werden, welches dann langsam wieder an die Quellen für
Trinkwassergewinnung abgegeben wird.
Wir wollen durch die Errichtung von Erholungsräumen in bebauten Gebieten biologische Puffer- und
Regenerationszonen zwischen den industriellen Ballungsräumen und den neuen Wohngebieten
erreichen. Hierzu könnten Windschutzgürtel und Grünanlagen genauso zählen wie die Anlage von
Kleingärten. Wir müssen in Niederösterreich zu einer modernen Naturschutzarbeit unter Einbeziehung
aller ökologischen Grundlagen und Nebenprobleme kommen. Die Anlage von künstlichen und
weiträumigen Parks unter Einbeziehung von Teichen ist zum Beispiel im Laxenburger Schloßpark gut
gelöst worden, welcher jährlich zehntausende Menschen in diese Gemeinde bringt. Man hat hier auch
durch mancherlei Arten der Betätigung, wie Schwimmbad, Bootfahrten und Reitsport, ein Höchstmaß
an Erholung vermittelt. In den niederösterreichischen Naturparks steht das Erholungsmoment im
Vordergrund. Man will weder in den Naturparks Ötscher-Tormäuer, Leiser Berge noch in Geras, Hohe
Wand, Nord-Wald-Föhrenberge oder der Blockheide eine künstliche Wildnis schaffen.
Selbstverständlich muß durch die Planer die Natur etwas manipuliert werden. Vom Ausmaß dieser
Manipulation aber wird es abhängen, ob eine Naturparkanlage als gelungen angesehen werden kann
oder nicht. Sehr gut hat sich die Anlage von Lehrpfaden und Informationszentren vom erzieherischen
Sektor her erwiesen. Auch die im Naturpark Föhrenberge im Wienerwald errichteten Rastplätze,
verbunden mit Spielplätzen für Kinder, haben eine große Belebung dieses Gebietes gebracht. Sehr
viele Bewohner der Bundeshauptstadt nützen diese Gelegenheit nun mehr denn je aus, nach
Niederösterreich zu kommen, was eine wirtschaftliche Belebung dieses Raumes bringt, ohne
deswegen gleich in einen Massentourismus auszuarten. Es muß auch sehr ernstlich davor gewarnt
werden, durch Schaffung von Vergnügungsstätten einen pratermäßigen Betrieb zu installieren. Das
würde auf Zeit gesehen zu einer restlosen Zerstörung dieser Gebiete führen.
Dem Naturschutz obliegt im Gegensatz zum Umweltschutz die Gestaltung der freien Landschaft.
Hierzu gehören die Sicherung der Erholungsräume, die Schaffung von Naturparks und
Landschaftsschutzgebieten und auch der Schutz vor der Großraumvergiftung der freien Landschaft
durch Insektizide, Pestizide, Herbizide und Kunstdünger, wobei es auch hier manchmal zu
Überschneidungen kommen kann, vor allem, wenn man eben an die Vergiftung des Grünfutters
entlang den Autobahnen oder Autostraßen denkt. Es gehört aber auch dazu, mitzuhelfen, das
ökologische Gefüge in der Natur herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Als Beispiele möchte ich
hierzu anführen, daß man in einem von Versteppung bedrohten Gebiet nicht die letzten feuchten
Stellen drainagieren soll oder daß das Wild in der Natur nicht überhand nehmen soll, weil es dadurch
besonders in den Wäldern zu großen Schäden kommen könnte. Auf der anderen Seite ist es aber
heuer in Niederösterreich - ich glaube, besonders in dem Gebiet, aus dem ich komme - durch die
Spritzungen zu einem großen Wildsterben gekommen. Ich weiß es aus unserem Gebiet und aus
Nachbargebieten, daß man heuer fast mehr Wild eingegraben als geschossen hat. Auch durch die
Verpflasterung der Gerinne von Dachabwässern fließt in den wasserarmen Gebieten das Wasser sehr
rasch ab und es kann daher zu keiner Anreicherung des Grundwassers kommen. Wenn man zum
Beispiel im Waldviertel mit großen Kosten die Findelsteine gesprengt hat, um etliche Joch Grund
besser bearbeiten zu können, wird dadurch das Landschaftsbild in der Natur sehr verändert. Dieses
hierfür aufgewendete Geld hätte, vom Standpunkt des Naturschutzes aus gesehen, besser für die
Errichtung von modernen Fremdenverkehrsbetrieben mit Nächtigungsmöglichkeit verwendet werden
können.
Zur Erhaltung der Landschaft in Niederösterreich wird auch die Schaffung eines Steinbruchs- und
Schottergrubenkonzeptes gehören müssen. Natürlich muß hier neben den Geologen auch die
gewerbliche Wirtschaft beratend herangezogen werden. Lieber einige große Steinbrüche und
Schottergruben, als unzählige kleine, weil diese Landschaft dann einer Kraterlandschaft gleicht. Wenn
man bei der Naßbaggerung große Teiche schafft und diese auch dem Menschen dienlich bzw.
nutzbar macht, ist es sinnvoller, nach dem Beispiel von Zwentendorf einen solchen Teich nur zum
kleinsten Teil für Badezwecke auszunützen und die Restflächen als Schilfgürtel auszubauen, als
Teiche für Hofratssiedlungen oder sonstige Günstlinge des Landes oder des ÖAAB auszunützen.
(Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Ein alter Hut, was ist denn schon wieder mit dieser
Siedlung?) Herr Landesfinanzreferent, ich sage das noch einmal. Ich habe gesagt: Wenn man Teiche
so schafft, wie es in Zwentendorf geschehen ist, wo man von seiten des Landes Geld zur Verfügung
stellt, einen Teil davon der Bevölkerung nutzbar macht und das andere als Grünflächen und als
Schilfgürtel zur Verfügung stellt, ist es nützlicher, als wenn man einen Hofratsteich macht oder die
Grundstücke an die Günstlinge des Landes oder des ÖAAB vergibt; das habe ich gesagt und das
wiederhole ich hier. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: 370 Badeparzellen wurden in
Münchendorf von der Gemeinde vergeben, 350 davon bekamen Sozialisten!) Herr
Landeshauptmannstellvertreter, ich habe keine Untersuchung gemacht, wie die politische
Zusammensetzung dort ist, aber es ist doch im ganzen Land bekannt, daß es sich hier um diesen
Hofratsteich handelt. (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Auch wir tun etwas für unsere Leute.)
Das ist ja nicht wahr, man hat ja gerade gehört, wie man bei der Kulturpolitik auch Hofräte des
Kulturreferates, zum Beispiel Dr. Gründler, vielleicht nicht ganz so gut hat wegkommen lassen.
Ich bin aber nicht dazu da, um jetzt über die Hofratspolitik zu reden, sondern über den Naturschutz.
Daher begrüße ich es, daß das Land der Gemeinde Zwentendorf 70.000 Schilling zur Verfügung
gestellt hat, was sehr sinnvoll und sicherlich im Interesse des Naturschutzes gelegen war. Durch diese
großflächigen Naßbaggerungen wird nämlich auch eine Regenerations- und Stabilisationszone
geschaffen. Diese großen Teiche könnten auch sinnvoll für die Fischzucht, die Entenzucht oder was
es sonst hier gibt, Verwendung finden.
Ein anderes und sehr ernstes Problem ist die Verwertung des Strohs. Dieses verrottet wegen des
schon teilweise in Unordnung gekommenen biologischen Gefüges nicht mehr oder nicht mehr rasch.
Durch Anzünden werden jährlich eine große Anzahl von Gehölzen, von Windschutzgürteln,
niedergebrannt und die Wildgehege zerstört. Ebenso kommt es zu einer Zerstörung der
Bodenbakterien. Durch die große Anwendung des Kunstdüngers und die Anwendung der Spritzmittel
kommt es auch zu potentiellen ... (Abg. Mantler: Handelsdünger, nicht Kunstdünger!) Handelsdünger,
ist egal, das ist ja auch ein Kunstdünger. (Abg. Schober: So leichtfertig sollte man sich mit diesen
Dingen nicht befassen, ohne Sachkenntnis.) Kollege Schober, darf ich dazu folgendes sagen. Ich
habe mich wirklich mit dem Problem beschäftigt und ich habe mich mit Fachleuten darüber
unterhalten. Allerdings waren das nicht Fachleute, die jetzt hier auf ihren Abgeordnetenbänken sitzen,
das möchte ich schon sagen. Wir wissen ganz genau, daß man Spritzmittel verwenden muß, wir
wissen ganz genau, daß es einen Kunstdünger, also einen Handelsdünger, geben muß, daß es aber,
weil der Humus eben nicht mehr in der Art vorhanden ist, Eier zu einem gesamten Kippen des
ökologischen Gefüges kommen kann. Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie ebenfalls
Fachleute, wie ich sie eben befragt habe. Ich glaube, man müßte hier wirklich strengere Vorschriften
schaffen, um das Abbrennen dieser Windschutzgürtel und der Wälder zu verhindern. Mit dem allein
wäre es nicht getan, sondern ich glaube, man müßte sich auch Gedanken darüber machen, wie es zu
einer sinnvollen Ausnützung des wertvollen Rohstoffes Stroh, um es so zu sagen, kommen kann. Das
Einackern ist ... (Abg. Schober: Briketts erzeugen!) Leider, ich habe eine Elektroheizung, ich kann
Deine Strohbriketts jetzt leider sehr schwer brauchen. (Abg. Schober: Briketts geben viel aus!) Ich
glaube, daß man sich vielleicht auch einmal in Jugoslawien erkundigen könnte, weil man dort etwas
gefunden hat. In Jugoslawien hat man bereits ein generelles Verbot des Abbrennens des Strohs für
notwendig befunden. Mir tut es innerlich immer sehr weh, wenn ich sehe, wie gerade diese
wunderschönen Windschutzgürtel, die mit großen öffentlichen Mitteln aufgeforstet worden sind, dann
niedergebrannt werden. Tut das den Bauern nicht weh? (Abg. Mantler: Glauben Sie, daß es den
Bauern nicht wehtut?) Ich glaube, das tun ihnen schon weh.
Ich könnte noch sehr viele Beispiele anführen, wie man die Natur sehr verschandelt. Hierzu gehört
zum Beispiel auch das Problem der stehengelassenen Autowracks. Ich fahre jetzt seit 14 Tagen fast
täglich auf meiner Fahrt nach Wien bei der Autobahnauffahrt Wiener Neudorf vorbei. Ich weiß, daß
dies eine Autobahn ist, die dem Bund gehört, und so weiter. Seit 14 Tagen steht dort ein Pkw direkt
neben der Fahrbahn, total verdreckt, mit einer Nummerntafel. Keinem Menschen ist es bis heute noch
eingefallen, dieses Auto von dort wegzuräumen. Auch in unseren Wäldern stehen so alte Vehikel, die
man dort hinstellt; auf den Feldwegen läßt man sie liegen, man montiert die Nummerntafeln ab und
damit ist also das ganze erledigt. Auch hier, glaube ich, müßte man sehr rasch eingreifen, viel rascher,
als das bis jetzt geschieht. Es ist bekannt, daß der gesetzliche Instanzenzug derzeit halt sehr lange
dauert. Dasselbe könnte auch bei der Abstellung auf Campingplätzen in den
Landschaftsschutzgebieten passieren, auch das greift immer mehr um sich. Damit wird die
Bauordnung umgangen und es kann natürlich passieren, daß Wohnwagensiedlungen entstehen.
Meine Damen und Herren, die Pflege der Landschaft und der Schutz der Natur gehört zu den
wichtigsten Aufgaben unserer Zeit, obwohl die moderne Naturschutzarbeit in weiten Kreisen der
Bevölkerung noch wenig bekannt ist. Es wäre kurzsichtig und verantwortungslos, wollte man die
progressive Verarmung unserer heimischen Fauna und Flora mit einem geringschätzigen
Achselzucken abtun. Wenn die Vernichtung der europäischen Tierwelt - selbst in Niederösterreich
zählen zum Beispiel der Habicht und der Sperber, viele Singvögel und zahlreiche Tagfalter,
Schlangen und Kröten zu den potentiell gefährdeten Arten - im gleichen Tempo wie bisher weitergeht,
werden wir vielleicht schon in einem knappen Jahrzehnt jenen Punkt erreicht haben, an dem weite
Gebiete unserer Kulturlandschaft neben dem Menschen nur noch von Haustieren, Tauben und Ratten
sowie anderem Ungeziefer bewohnt werden, was gewiß alles andere als erstrebenswert ist. Aus
diesem Grund kommt auch dem Artenschutz heute noch vielfach gewichtigere Bedeutung zu als
früher. Denn eine der Vielfalt entbehrende Landschaft ist auf lange Sicht auch als Lebensraum des
Menschen psychisch und physisch ungeeignet.
Zum Abschluß noch ein Dank an die bei der niederösterreichischen Berg- und Naturwacht tätigen
Männer. Die niederösterreichische Bergwacht hat ständig 150 Männer im Einsatz, während die
niederösterreichische Naturwacht in 72 Stützpunkten über 350 nach dem Feldschutzgesetz beeidete
Organe hat. Beide Vereinigungen sind im Naturschutz aktiv tätig und leisten wertvolle Aufsichts- und
Aufklärungstätigkeit.
Und zum Schluß noch ein Appell an uns alle: Sorgen wir dafür, daß im Interesse der
niederösterreichischen Bevölkerung, im Interesse der Erhaltung unserer Landschaft bald hier im
Hohen Haus ein neues und modernes Naturschutzgesetz beschlossen werden kann. (Beifall bei der
SPO.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Rabl.
Abg. RABL: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir ganz
kurz zuerst ein persönliches Wort an meinen Vorredner, Herrn Kollegen Wedl.
Herr Abgeordneter, ich darf Dir vielleicht eines sagen: Du wirst sicherlich auch in der Presse, in der
Agrarpresse, in Fachzeitungen und in der Aussendung einer politischen Interessenvertretung der
Bauernschaft im Herbst dieses Jahres gelesen haben, daß ein großer niederösterreichischer Politiker,
ja ich möchte sagen, ein großer österreichischer Staatsmann, im September dieses Jahres 70 Jahre
alt geworden wäre, nämlich unser leider so früh verstorbener Landeshauptmann und früherer
Landwirtschaftsminister Dipl.-Ing. Eduard Hartmann. Wir wissen, daß er der Schöpfer des
Landwirtschaftsgesetzes für die Bauernschaft ganz Österreichs war, wir wissen aber auch, daß er der
Mann war, der immer die Verbundenheit mit allen Menschen, mit allen Bevölkerungskreisen, mit allen
Berufssparten in unserem Lande gesucht und der auch die sogenannte offene Tür des Bauernhofes
offen proklamiert hat. Du, Herr Kollege Wedl, hast in Deinen Ausführungen jetzt über den Naturschutz
und Landschaftsschutz gesprochen und bist bei der Problematik der Landwirtschaft, der
Umweltverschmutzung vielleicht irgendwie auch auf diesen Gedanken eingegangen, rein persönlich,
ich weiß. Ich habe des öfteren hier gehört, ebenso die Kolleginnen und Kollegen, daß Du Dich als
Mandatar, als Bürgermeister, vielleicht auch persönlich als Mensch, auch sehr viel für andere Gebiete
unseres Heimatlandes interessierst, auch über die Grenzen unserer Heimat hinaus; ich darf Dich
deshalb auch herzlichst einladen, zu mir als Bauer auf Besuch zu kommen, vielleicht ergibt es sich in
den nächsten Wochen, in einer doch auch für Dich leichteren Zeit. Ich glaube, gerade dabei kann man
auch diese Probleme besprechen. Vielleicht wäre es heute wieder sehr, sehr angebracht, in einer Zeit,
wo wir leider feststellen müssen und es auch irgendwie offensichtlich geworden ist, daß man die
Probleme der Landwirtschaft und des Bauern nicht erkennen will. So viele Deiner Kollegen haben
dafür kein Verständnis, wohl aus einem gewissen Desinteresse oder auch einer Situation des
Nichtverstehens heraus. Ich glaube, daß in erster Linie eine solche gegenseitige Aussprache dazu
führen könnte, über diese Probleme, die landwirtschaftlich sind, aber sicherlich auch in alle
Bevölkerungskreise hineinspielen, Strohabbrennen, Kunstdünger nach Deiner Aussage - es ist ja in
Wirklichkeit Handelsdünger -, Unkrautspritzung und dergleichen, mehr Klarheit zu schaffen. Dadurch
glaube ich, könnte man dies hier bereinigen. Diese Einladung darf ich persönlich aussprechen. (Abg.
Wedl: Ich komme aus einer ländlichen Gemeinde, meine Urahnen, kommen aus dem Bauernstand.
Ich nehme daher Deine Einladung bei nächster Gelegenheit gerne an, um die Probleme der
Landwirtschaft zu erörtern.} Wenn Du sagst, daß Deine Ahnen Bauern waren, bestätigt mir das, daß
doch irgendwie eine Verbindung gegeben sein kann. Zu dieser Einladung möchte ich abschließend
sagen, daß auch die anderen Kollegen das praktizieren mögen. Vielleicht würden wir uns bei den
harten Problemen, die heute die Landwirtschaft hat, viel besser verstehen, vielleicht würden Sie die in
der Landwirtschaft vorhandene Härte und Problematik anders erkennen.
Ich darf nun zur Gruppe 3 kommen. Wenn wir den Landesvoranschlag, nicht nur den heurigen,
sondern einen Landesvoranschlag überhaupt, durchsehen, so bemerken wir bei allen anderen
Gruppen, bei 0 beginnend, über 1 und 2, dann weiter von 4 bis 9, daß die Ausgaben eigentlich
irgendwie verpflichtend sind, ob es nun für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Verwaltung, für die
öffentliche Ordnung oder Sicherheit ist, für das Schulwesen - um die jungen Menschen in diesem
Lande heranzubilden, für die Sorge um jene Menschen, die selbst nicht mehr das Ihre dazu beitragen
können, und auch um die jungen Menschen, das heißt für die Sozialhilfe und die Jugendhilfe, auch
das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen, die öffentlichen Einrichtungen, die Wirtschaftsförderung,
ob es nun wirtschaftliche Unternehmungen und Beteiligungen sind, und letzten Endes eben dann die
Finanz- und Vermögensverwaltung. Man könnte vielleicht der Ansicht sein, daß in der Gruppe 3 beim
Kulturwesen diese notwendigen Verpflichtungen nicht vorhanden sind, um Voraussetzung zu sein,
dafür eine Voranschlagspost erstellen zu lassen. Ich glaube aber, daß die Bevölkerung dieses
Landes, ja unserer gesamten Republik Usterreich, durch die große geschichtliche Vergangenheit
unseres Heimatlandes und auch unseres Staates eigentlich verpflichtet ist, die Denkmäler, die heute
stumme Zeugen einer frühen Besiedelung dieses Raumes sind, zu erhalten, dies um so mehr, als wir
heute sozusagen vor dem Jahr der Europäischen Denkmalpflege stehen. Aber auch die Baulichkeiten
draußen im weiten ländlichen Raum, ob es nun Wegkreuze sind, Marterln, Gedenkstätten, Marktplätze
und dergleichen - Kollege Sulzer hat sie heute angeführt - künden in so mancher Art von Zeiten, die
dieses Volk und dieses Land über sich ergehen lassen mußte. Vielleicht erinnern wir uns gerade in
diesen Tagen, daß vor genau dreißig Jahren leider auch im niederösterreichischen Raum durch die
Kriegsereignisse eine große Zerstörung von Kulturdenkmälern, Baudenkmälern erfolgt ist. Vielleicht
war es aber gerade die große geschichtliche und kulturelle Vergangenheit des niederösterreichischen
Volkes und seines Landes, die die Bevölkerung verpflichtet und ihr den Glauben an die Zukunft des
Landes gegeben hat, um so in den ersten Nachkriegsjahren die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß
dieses Land Niederösterreich mit all seinen Baudenkmälern, mit all seinen Einrichtungen und
Institutionen, möchte ich sagen, heute ein Bundesland ist, das sich nicht nur im Rahmen der Republik
Österreich, sondern auch über die Grenzen unseres Staates hinaus sehen lassen kann. Dazu, glaube
ich, haben auch der Landesfinanzreferent und die zuständigen Abteilungen beigetragen. Wir wissen,
daß vom Land eine Erhöhung der Mittel gerade auf dem Gebiete der Denkmalpflege und des
Denkmalschutzes vorgenommen worden ist, um auch hier den Notwendigkeiten Rechnung zu tragen.
Es wurde heute bereits ausgeführt, daß für nächstes Jahr ein Großvorhaben geplant ist; die
Restaurierung des Turmes und des Daches des Stiftes in Herzogenburg, aber vor allem auch der
Baulichkeiten der Stiftsgebäude in Altenburg und Lilienfeld, weil in diesen beiden Stiften ja zwei große
Landesausstellungen, im ersteren „Groteske in der Kunst“, im zweiten „Die Babenberger“, stattfinden
sollen. Ich habe bereits erwähnt, daß diese Baudenkmäler eigentlich stumme Zeugen einer großen
Vergangenheit sind. Um aber in Niederösterreich lebendiges Kulturleben zu schaffen, sind andere
Einrichtungen, wie es unser Landesverband der Trachten- und Heimatvereine oder der Verband der
Blasmusikkapellen Niederösterreichs sind, notwendig.
Denken wir doch zurück an das dritte niederösterreichische Trachtentreffen in St. Pölten, das im
vergangenen Jahr stattgefunden hat; denken wir daran, daß es in Niederösterreich 371 Musikkapellen
mit 10.500 aktiven Musikern gibt, die in Niederösterreich in fast 14.000 Ausrückungen Aufführungen
dargeboten haben, nicht allein für die niederösterreichische Bevölkerung, sondern auch für den Gast,
ganz gleich, ob er aus der Bundeshauptstadt, ob er aus anderen Ländern oder aus anderen Staaten
nach Niederösterreich gekommen ist. Denken wir daran, daß sich hier die Kapellmeister bemüht
haben, damit echte Verbundenheit zu dokumentieren, die der österreichische Mensch bereit ist, auch
allen jenen Menschen, die nach Österreich kommen, entgegenzubringen. Voraussetzung dafür ist
selbstverständlich, daß gerade auf dem Bereich der Musikkapellen entsprechend viele Musiker
ausgebildet werden. Wenn wir wissen, daß im vergangenen Jahr 140 Musiker den Kapellmeisterkurs
besucht haben und ca. 500 Jungmusiker Jungbläserseminare, so erkennen wir daraus, daß es in
erster Linie notwendig ist, daß die öffentliche Hand, eben das Land Niederösterreich, durch sein
Kulturreferat echte Taten setzt, daß aber auch eine Bereitschaft und eine Eigeninitiative der
Bevölkerung notwendig sind. Ob es nun die Musiker, ob es nun die Menschen sind, die aktiv im
Landesverband der Trachtenvereine mitarbeiten, oder jene, wie ich sagen möchte, zahllosen
Menschen sind, die ohne Entschädigung, ohne direkte materielle, Belohnung, draußen dazu
beitragen, daß auch alte Kulturgüter, wie die Baudenkmäler, erhalten bleiben, ihnen allen, glaube ich,
gebührt ganz besonderer Dank, denn sie tragen mit dazu bei, daß auch das Landschaftsbild, das
österreichische Landschaftsbild, in seiner Form erhalten bleibt.
Wenn Kollege Abg. Wedl hier auch geglaubt hat, daß es gerade in meinem engeren Heimatbereich,
im Waldviertel, günstiger gewesen wäre, zuerst mit einem entsprechenden finanziellen Aufwand,
Pensionen oder Übernächtigungsmöglichkeiten - so habe ich es verstanden - einzurichten, als
Findlingsteine zu sprengen, dann muß ich selbstverständlich die Frage stellen, was wären diese
Pensionen, was wären diese Übernächtigungsmöglichkeiten, was wären die Fremdenheime und
dergleichen, wenn dort nicht auch Menschen leben würden - in diesem Land, das klima- und
bodenmäßig so harte, für den Landwirt, für den Bauern, oft ungünstige Voraussetzungen mit sich
bringt und diese Menschen dort nicht auch ihre Existenz fanden. Und zu dieser Existenzberechtigung
hat auch die Aktion der Findlingsteinsprengung beigetragen. Sie hat dazu beigetragen, nicht allein
dem Bauern, dem hauptberuflichen Bauern, dem existenzgesicherten Bauern, bessere und günstigere
Arbeitsbedingungen zu verschaffen, sie hat auch in sehr vielen Fällen vor allem dem
Nebenerwerbsbauern, dem Handwerker, dem Unselbständigen, der dort eben in einem
Industriebetrieb, in einer Fabrik tätig ist, geholfen, seinen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb auch mit
Maschinen zu bearbeiten, was vorher nicht möglich war. So glaube ich, daß diese Maßnahme, gerade
im Grenzland - denn es ist dort echtes Grenzland - notwendig war. Die Menschen dieses Grenzlandes
haben auch auf diesem kulturellen Sektor dazu beigetragen, daß in diesem Grenzland noch Leben ist.
Darf ich vielleicht zwei Eigeninitiativen aus diesem Grenzland, aus dem Thayatal, erwähnen. Die eine
betrifft die Burg Thaya, die andere die größte Ruine in Österreich beziehungsweise, glaube ich, im
mitteleuropäischen Raum, nämlich Kollmitzgraben an der Thaya. Bezüglich der Burg Thaya hat ein
Privater eine Initiative ergriffen, um diese vor dem Verfall zu retten, und bei der Ruine Kollmitzgraben
ein sogenannter Ruinenerhaltungsverein, der sich in diesem Bezirk mit Unterstützung der Gemeinden
aus privaten Personen und Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren des dortigen Gebietes gebildet
hat, die hier einen freiwilligen Arbeitseinsatz getätigt haben. Vor allem hat auch die zuständige
Lokalpresse, die NÖN, die Niederösterreichischen Nachrichten, in einem Aufruf sehr wesentlich dazu
beigetragen, daß hier Initiativen gesetzt worden sind, um diese Ruine vor dem restlosen Verfall zu
bewahren.
Gerade heuer, im großen Europäischen Jahr der Denkmalpflege, wollen wir auch hier im
Niederösterreichischen Landtag klar und deutlich aussprechen, daß Denkmalschutz und
Denkmalpflege Bundessache sind, und daß, wie ich hier angeführt habe, sehr viele Menschen privat
zum Denkmalschutz beigetragen haben, daß auch die Gemeinden bereit sind, hier finanziell
einzuspringen und ihre Hilfe angeboten haben. Ich möchte ferner erwähnen, daß das Land ebenfalls
bereit ist, seine Mittel zu erhöhen und daß es ganz besonders auch für den Bund verpflichtend wäre,
durch weitaus größere finanzielle Mittel auch im Land Niederösterreich die Denkmalpflege und den
Denkmalschutz zu unterstützen. Wir wissen alle gemeinsam, daß in der harten Tagespolitik sehr oft
eine Konfrontation erfolgt. Es ist nun einmal so im Leben und selbstverständlich auch in einer
Demokratie.
Man hat gerade zu Beginn dieses Kapitels; das mit den Ausführungen der Kollegen Wiesmayr und
Wallner eingeleitet worden ist, entnehmen können, daß es hier vielleicht ruhigere Aussagen geben
wird. Wenn es aber in der Mitte der Diskussion über dieses Kapitel vielleicht etwas bewegter
geworden ist, dann darf ich auch zu einer Aussage des Abg. Wedl - ich habe die Ehre, auf Grund des
Vertrauens niederösterreichischer Wähler diesem Landtag seit 1964 anzugehören - Stellung nehmen.
Ich kann mich noch erinnern, daß des öfteren ein sozialistischer Mandatar und Politiker, eben der
leider verstorbene Landeshauptmannstellvertreter Dr. Tschadek, an das Rednerpult getreten ist und
die Redefreiheit der gewählten Mandatare immer wieder herausgestrichen hat. Und wenn man
Kollagen Zimper aufgefordert hat, er möge dieses Hohe Haus nicht mißbrauchen, so darf ich dazu
sagen, Kollege Zimper ist genauso ein freigewählter Abgeordneter, wie es der große Politiker Ihrer
Partei, Dr. Tschadek, gewesen ist. Er hat den Auftrag des niederösterreichischen Volkes, die
Probleme, die an ihn vor allem in seinem engeren Gebiet herantreten, hier im großen Hause des
Niederösterreichischen Landtages öffentlich auf zuzeigen und die Bevölkerung darauf aufmerksam zu
machen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich glaube, das ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht eines
gewählten Mandatars.
Ich möchte aber doch dieses Kapitel mit einem ruhigen Wort ausklingen lassen. Ich glaube, die
Kulturarbeit in Niederösterreich bringt uns auch eines: daß wir uns nämlich gemeinsam in dieser
Arbeit finden, auch wenn es auf anderen Ebenen und bei anderen Problemen in der harten
Tagespolitik Konfrontationen gibt und wir nicht immer derselben Meinung sind. Hier finden sich nicht
nur die gewählten Mandatare, sondern auch die Menschen, die draußen wirken, auch wenn sie
verschiedener politischer Weltanschauung sind, im kulturellen Leben des Landes Niederösterreich zur
gemeinsamen Arbeit. So erweisen wir unserer niederösterreichischen Heimat einen echten Dienst.
(Beifall bei der ÖVP.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Bernkopf.
Abg. BERNKOPF: Herr Präsident! Hoher Landtag! Meine Damen und Herren! Seit ich dem
Niederösterreichischen Landtag angehöre, befasse ich mich mit dem Kapitel Theater und
Bühnenwesen. Genauso lange, meine Damen und Herren, richte ich von dieser Stelle aus Appelle an
die beiden Theaterstädte Baden und St. Pölten, ihre vielleicht städtischen Interessen den
künstlerischen Interessen unterzuordnen und eine breite Basis der Zusammenarbeit zu finden. Herr
Kollege Wallner, ich darf Ihnen - das möchte ich ehrlich sagen - danken. Ich habe mit großer
Aufmerksamkeit Ihren heutigen Ausführungen zugehört und hoffe, daß sich also doch irgendwo eine
Gesprächsbasis finden wird, die vielleicht eines schönen Tages zur künstlerischen Zusammenarbeit
der beiden Stadttheater führen könnte. Es tut mir persönlich leid, das sage ich auch offen und ehrlich
in diesem Hause, daß dieses Referat in den nachfolgenden Ausführungen untergegangen ist. Ich
sage auch aufrichtig und stehe selbstverständlich dafür ein, daß die Redefreiheit eines Abgeordneten
jederzeit gewahrt sein muß und gewahrt bleiben muß. Das ist eine Selbstverständlichkeit - ich glaube,
darüber brauchen wir überhaupt nicht diskutieren.
Meine Damen und Herren - das entspricht vielleicht meiner Mentalität -: Ich sage halt immer, der Ton
macht die Musik. Ich darf heute meine Redezeit so reduzieren, daß Sie, meine Damen und Herren,
wenn Sie gestatten, vielleicht den Rest meiner Redezeit Kollegen Wallner zugute halten wollen (Abg.
Prof. Wallner: Ich bedanke mich, ich habe sie schon genützt) und hoffe nur, daß es ihm nicht einmal
so geht, wie es mir in diesem Hause schon ergangen ist, daß man dann in der Zeitung lesen mußte:
Na der hat geredet - wie hat es doch so schön geheißen - zur Langeweile der im Hause anwesenden
Abgeordneten. (Abg. Kurzbauer: War das die Arbeiter-Zeitung?) Nein, das war nicht die ArbeiterZeitung. Ich mache hier für keine Zeitung Propaganda, weder im positiven noch im negativen Sinne.
(Heiterkeit.)
Nur eines, bitte, möchte ich hier anmerken. Wir wissen, daß es ohne Landessubventionen keinen
künstlerischen Betrieb der beiden Stadttheater geben kann und die Qualität der Produktionen und die
Spielfähigkeit des Theaters überhaupt nur aufrechterhalten werden können, wenn das Land die
notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. Gerade aus dieser Sorge heraus hoffe ich doch, daß eines
schönen Tages auf einer breiteren Basis, vielleicht auch auf einer breiteren finanziellen Basis, für
Niederösterreich etwas entsteht, das man in Zukunft als Niederösterreichisches Landestheater
ansprechen kann. Ich darf das zuständige Regierungsmitglied bitten, den beiden Gemeinden
weiterhin seine bisherigen guten Dienste zur Verfügung zu stellen, damit, wie gesagt, vielleicht doch
eine gemeinsame Basis für eine Arbeit gefunden werden kann, die nicht nur zum Wohle der beiden
Theaterstädte und der an diesen Theatern Beschäftigten, sondern auch zum Wohle des Landes
Niederösterreich Platz greifen wird.
Meine Damen und Herren! Es gibt manche in diesem Haus, die sich immer von mir hier so
zwischendurch ein Späßchen erwarten. Ich möchte, wenn es geht, noch so ein Späßchen anbringen,
weil ich glaube, daß es vielleicht auch zur Kunst in diesem Lande gehört. Ich möchte dabei auf den
vergangenen Landtagswahlkampf zurückkommen, weil mir aufgefallen ist, daß die Plakate der
wahlwerbenden Parteien eine, wie soll ich sagen, Form angenommen haben, die irgendwie schon in
das Künstlerische hineinschlägt. Vor allen Dingen könnte ich mir das etwa in der Kinowerbung
vorstellen. Ich denke an das Plakat mit der Pfeife. Da könnte man doch darunterschreiben: „Maigret
sein letzter Fall“ oder so was ähnliches. (Heiterkeit im Hause.)
Oder ich denke an die Plakate des Herrn Landeshauptmannes mit dem Ziegel, einmal vorm Bauch
und einmal oben. Diese erinnern ja buchstäblich an Zyklopenkämpfe. Bitte, ich muß dazu ehrlich
sagen, zuerst habe ich den Stein, den Ziegel ... (Zwischenruf bei der ÖVP: Ein Zyklope hat aber nur
ein Auge!) Na, vielleicht gibt es einen Zyklopen mit zwei Augen, das weiß man ja nicht so genau, es ist
ja keiner unter den Damen und Herren des Hauses, der einmal so einen Zyklopen in natura gesehen
hat. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Aber wie gesagt, ich habe diesen Ziegel gar nicht erkannt, ich habe
geglaubt, es ist ein Emmentaler aus der Milchwerbung.
Aber am meisten, meine Damen und Herren, hat mir ein Plakat mit Dr. Mock imponiert. Das war ja ein
echtes Filmplakat „Zu neuen Ufern“. Ich habe zuerst gedacht, daß es sich tatsächlich um eine
Neuauflage des seinerzeitigen Zarah-Leander-Filmes handelt, habe mir aber nur eines nicht vorstellen
können, daß nämlich der Dr. Mock drauf ist und vielleicht singt: „Ich steh' im Regen und wart' auf
dich.“
Und noch ein Plakat, meine Damen und Herren. Das Plakat der Könner! Ich habe mir gedacht, das
wäre ein Plakat vielleicht über ehrenwerte Gesellschafter, den Film „Die ehrenwerte Gesellschaft“. Ein
gutes Plakat. Gebe ich ohne weiteres zu. Nur eines, und das möchte ich zum Abschluß dazu sagen:
Nach den Wahlen bin ich an einem solchen Plakat noch einmal vorbeigefahren. Dabei ist mir ein
Kinderreim eingefallen. Gestatten Sie, ich habe diesen etwas abgewandelt und möchte ihn Ihnen zur
Kenntnis bringen: „Fünf schwarze Könner, die schaukelten auf Gewinn oder Verlier. Einer bekam das
Obergewicht, da waren es nur mehr vier!“ Meine Damen und Herren! (Ruf bei der ÖVP: Das war
alles?) Ein Schuft, der mehr gibt, als er hat. (Heiterkeit. - Beifall bei der ÖVP.) Es soll allerdings auch
Leute geben, die trotzdem mehr geben.
Meine Damen und Herren! Ein erfreuliches Kapitel - ich möchte doch noch auf ein paar Dinge
eingehen - ist der Niederösterreichische Theatersommer. In einer Arbeitsgemeinschaft von
niederösterreichischen Gemeinden, die im Jahre 1974 um ein weiteres Mitglied, und zwar um das
Niederösterreichische Kammerschauspiel im Kurtheater Reichenau, erweitert wurde, hat die
Zusammenarbeit Früchte getragen - das nehmen wir mit Freude zur Kenntnis -, denn die gemeinsame
Werbeaktion mit Plakaten und Flugblättern hat sich als sehr günstig und werbewirksam erwiesen.
Wenn ich in Betracht ziehe, daß die Aufführungen in Krems, die in einer einmaligen Naturkulisse
stattgefunden und bestes Theater geboten haben, könnte ich mir vorstellen, daß man vielleicht auch
diese Stadt einladen könnte, der Arbeitsgemeinschaft beizutreten, sofern sie natürlich überhaupt die
Absicht hat, ihre Bemühungen fortzusetzen. Ich glaube, daß Krems als alte Stadt mit Tradition, mit
einer Theatertradition und Bemühungen, die auf diesem Gebiet gemacht wurden und die ich
persönlich schon seit 30 Jahren kenne, das Sommertheater in Niederösterreich wesentlich beleben
könnte.
Das Musikwesen, in den Voranschlagssätzen 326-611 und 326-62 zusammengefaßt, erfährt im
Voranschlag 1975 eine Steigerung von 4,86 Millionen Schilling. Den Hauptanteil bekommen die
Niederösterreichischen Tonkünstler, und zwar im Ausmaß von 2,9 Millionen Schilling. Auf Grund der
allgemeinen Dienstvertragsbestimmungen müssen ja die Bezüge der Mitglieder des
Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters im selben Ausmaß wie die der Landesbediensteten
erhöht werden. Daß dieses Orchester beste österreichische Musiktradition pflegt, glaube ich, ist jedem
der hier Anwesenden bekannt. Die Nö. Tonkünstler - und das ist auch erfreulich - haben ihre Konzerte
in Niederösterreich ausgebaut. Wenn man diesen Katalog betrachtet, sieht man, daß von den Proben
bis zu den Produktionsaufnahmen für den ORF 433 Dienste geleistet wurden.
Neben dem Tonkünstlerorchester spielen in Niederösterreich auch noch die unzähligen Gesang- und
Musikvereine, die auch heuer wieder ihr Bestes geleistet haben. Sie haben in zahlreichen Konzerten
und Mitwirkungen bei offiziellen Feiern wirklich beste österreichische Tradition dargebracht. Auch im
Rahmen der Wiener Festwochen wurden seitens des Landes Veranstaltungen in Baden,
Perchtoldsdorf und Rohrau sowie eine Matinee anläßlich der Wiederkehr des 100. Geburtstages von
Arnold Schönberg in Mödling durchgeführt. Erfreulich, daß diese Veranstaltungen fortgesetzt werden
sollen. Ich erwähne auch die Internationalen Musiktage, die in Breiteneich Stift Altenburg, und die
Internationalen Tage der Kirchenmusik, die in Lilienfeld, St. Pölten und nunmehr auch in
Herzogenburg abgehalten wurden.
Einer der rührigsten Verbände auf dem musikalischen Sektor - mein Freund Kollege Rabl hat das hier
schon lobend erwähnt - ist der Blasmusikverband, dessen Aufschwung, wie man sieht, nicht
aufzuhalten ist. In 371 Musikkapellen musizieren derzeit ca. 10.500 aktive Musiker. Vor allen Dingen
ist der Katalog dieser Leistungen sehr imposant.
Auf dem gleichen Wege der Expansion befinden sich die Musikschulen. Es bestehen derzeit 89
Musikschulen mit ca. 23.000 Schülern, wobei rund 18.000 Schüler Jugendliche unter 14 Jahren sind.
Im heurigen Jahr wurden 6 Neugründungen und 6 Filialgründungen durchgeführt, und 10 weitere neue
Schulen sind in Gründung begriffen. So erfreulich das ist, so bringt es aber auch ganz erhebliche
Probleme mit sich. Die ständig zunehmende Zahl der Musikschüler bewirkt langsam einen immer
größer werdenden Mangel an Lehrkräften. Die weiteren Neugründungen von Musikschulen ergeben
die Notwendigkeit einer wesentlichen Erhöhung der Subventionsmittel. Es ist damit zu rechnen, daß
eine Anzahl von musikschulerhaltenden Gemeinden Musiklehrer einstellen werden, so daß sich die
Landesbeiträge für jeden hauptamtlich verpflichteten Musiklehrer ebenfalls erhöhen werden. Ich
glaube jedoch, meine Damen und Herren, daß diese Beträge gut investiert sind, was ja durch die
Leistungen dieser Schulen bestätigt wird. Es war daher die 1974 im Budget erstmals aufgenommene
Post „Förderung des Musikschulwesens“ voll gerechtfertigt.
Meine Damen und Herren! Kunst ist etwas Lebendiges, sich immer Erneuerndes. Kunst ist eine
permanente Revolution. Kommende Generationen werden unsere Leistungen auch daran messen,
welches Verständnis wir für die Kunst Lind für die Pflege der Kunst aufgebracht haben. Ich glaube, wir
in Niederösterreich sind auf dem richtigen Weg. Lassen Sie uns diesen Weg zusammen weitergehen.
(Beifall im ganzen Hause.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Stangl.
Abg. STANGL: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Debatten
und die Diskussionsbeiträge zum Kapitel 3, welches die kulturellen Angelegenheiten,
Bildungsangelegenheiten, Erwachsenenbildung und natürlich auch die wissenschaftlichen Arbeiten
unseres Landes finanziell umfaßt, waren, wenn ich mich richtig erinnere, in den letzten Jahren immer
sehr sachlich. Ich glaube, wenn ich auf meine Tätigkeit in diesem Hohen Haus zurückblicke, daß
heute zum ersten Mal in diesem Kapitel doch eine, ich möchte fast sagen, etwas gespannte, manche
könnten es auch als etwas polemische Aussage bezeichnen, hereingetragen worden ist. Ich bin der
Meinung, daß der Abgeordnete das Recht und die Pflicht hat, Dinge aufzuzeigen. Ich bin auch der
Meinung, daß man hierbei nicht unbedingt zimperlich sein muß, aber nicht so wie es andere, fast
namensgleich mit zimperlich, machen. Aber ich glaube auch, Hohes Haus, daß man gewisse Dinge
eben anregen muß. Dazu haben wir in den Ausschüssen die Möglichkeit, Resolutionsanträge zu
stellen. Und was mich persönlich sehr betrübt hat, ist, daß man einer Person die Verantwortung für,
mögen Sie sagen, die Nichtdurchführung von Denkanstößen, die Nichtdurchführung von Anstößen zu
gewissen Aktivitäten in unserem Lande zuschreibt. Ja, Hand aufs Herz, wie wäre es um Bildung und
Kultur bestellt, wenn nicht alle, die sich interessieren, gemeinsam diese Verantwortung auch
gegenüber unserer Bevölkerung tragen würden, und wenn man es sich so leicht machen würde, daß
man in einer Rede nur den zuständigen Landesrat anspricht und sonst überhaupt keine Stellen.
Das hat mich persönlich getroffen, und ich muß auch sagen, ich habe es fast für um, die wir uns mit
diesen Dingen, Herr Kollege Zimper, auch schon sehr lange beschäftigen, als Armutszeugnis
empfunden: daß wir alle nur warten, bis jemand pfeift so wie beim Fußballspielen; dann bleiben wir
stehen oder führen einen Freistoß aus. In der Kulturarbeit, glaube ich, ist das doch etwas anders. Ich
möchte es Ihnen verzeihen, daß Sie manche Dinge gebracht haben, die nach meiner Ansicht nicht
gänzlich in die Kompetenz des zuständigen Regierungsmitgliedes gehören, wail die
Zusammensetzung verschiedener Einrichtungen eben anders ist. Ich denke hier zum Beispiel - Sie
haben es genannt - an das Tonkünstlerorchester. Sie wissen, daß es dort einen eigenen Vorstand
gibt, und ich erinnere mich, daß einer Ihrer Vorgänger ich in diesem Hohen Haus immer gerühmt hat,
auch in diesem Vorstand zu sitzen. Es wäre daher auch, glaube ich, in der Eigenprogrammgestaltung,
in der Eigeninitiative des Tonkünstlerorchesters gelegen, neue Kompositionen aufzuführen. Ich glaube
nicht, daß man diesbezüglich unbedingt den zuständigen Landesrat verantwortlich machen kann. Ich
werde mir dann noch eine Frage erlauben, und wenn Sie dieser positiv gegenüberstehen, glaube ich,
werden wir im Ausschuß auch in dieser Hinsicht dem Herrn Landesrat Richtlinien geben können.
Dasselbe haben Sie bezüglich der beiden Stadttheater Baden und St. Polten gesagt. Ich nehme hier
niemanden aus, sondern möchte das nur der Sachlichkeit halber feststellen: Hat das zuständige
Regierungsmitglied Einfluß auf die Programmgestaltung dieser Theater? Wäre es nicht auch im
Wirkungsbereich der für diese Theater Verantwortlichen, außer den für die Subvention
Verantwortlichen, oder den „sogenannten“ Verantwortlichen, möglich, diese Aspekte zu
berücksichtigen? Verstehen Sie, deswegen hat mich Ihre Rede innerlich ein bisserl negativ bewegt.
Jedes dritte Wort hieß: Herr Landesrat, das sollen Sie und sonst niemand!
Ich glaube, man müßte such daran denken, daß gerade das Beispiel Ausstellungen an höheren
Schulen keineswegs zutreffend ist. Hier müssen wir sogen, für die höheren Schulen ist der Bund
zuständig, und was in diesen höheren Schulen außerhalb des Unterrichts geschieht, fällt in die
unmittelbare Verwaltung des Landesschulrates. Ich kann mich nicht erinnern, daß der Schulreferent
noch Mitglied des Landesschulrates ist, denn auch dort wären einige Dinge zu erledigen, das gebe ich
zu. Aber ich möchte zu den Ausstellungen im allgemeinen folgendes sagen: Ich denke jetzt nicht an
den von Ihnen zitierten Fall, unter Anführungszeichen „Wiener Neustadt“, wo Sie an das Gewissen
aller sozialistischen Lehrer und Schulmänner in diesem Land appellieren, um sich mit diesen, ich
möchte sagen, Vorgangsweisen einverstanden zu erklären. Ich bin persönlich der Überzeugung, daß
sich auch der Vizepräsident mit Ausstellungen an AHS für einverstanden erklärt, aber bitte, Sie
können ihn selbst befragen. Bei gewissen Dingen muß man halt Toleranz üben. In der allgemeinen
Nervosität werden Ausdrücke gebraucht, meine sehr verehrten Damen und Herren. wir machen das
auch in den Ausschüssen mit. die man verschieden auslegen kann oder die einem nachher vielleicht
auch ein bisserl leid tun. Ich bin zwar nicht der genannte Vizepräsident, aber mir passiert es auch
manchesmal. Und was die Presse daraus macht, Herr Zimper, das müssen Sie am besten wissen,
denn Sie haben ja auch aus vielen Dingen etwas gemacht, das dann im Grunde genommen ganz
anders ausgesehen hat als es gemeint war.
Ich bitte also, diese Dinge doch etwas sachlicher zu betrachten und bekenne mich dazu, daß wir für
die Situation, die Sie gezeichnet haben, gemeinsam verantwortlich sind. Diesen Dingen müssen wir,
wenn nicht als Künstler oder Ausübender, so doch als Funktionär mit Verständnis großes Augenmerk
schenken. Es soll eine Diskussion für uns alle sein. Es ist die billigste Art, eine Person in
Niederösterreich schuldig werden zu lassen. Ich glaube, der Inhalt ist zu bejahen, nur die Adresse
wurde an den Falschen gerichtet.
Nun lassen Sie mich doch zu einigen Punkten Stellung nehmen, die zwar nicht so attraktiv sind, und
ich werde auch nicht versuchen, diese Dinge sehr heftig und lautstark zu untermalen, sondern möchte
sie ernst zur Oberlegung stellen. Wir neigen heute dazu, immer zu besonderen Anlässen besondere
Dinge besonders in den Vordergrund zu stellen. Schauen Sie, wir beachten gewisse Kunstdenkmäler
der Vergangenheit oft nur dann, wenn gerade irgendein Anlaß besteht. Wir werden oft erst dann
darauf aufmerksam - ich denke jetzt nicht nur an die Abgeordneten, sondern auch an die Bevölkerung
-, wenn diese Dinge zu einem besonderen Anlaß von der Presse oder durch die Medien an und für
sich, durch Großplakatierung oder aber bei Eröffnungen zur Kenntnis gebracht werden.
Mich freut es daher, daß die verschiedenen Vorhaben des Kulturreferates hinsichtlich der Erhaltung,
ich möchte fast sagen der Ausgrabung bzw. der Sichtbarmachung von Dingen in unserem Land durch
die Budgetansätze gesichert sind. Ich weiß schon, Sie könnten mir entgegenhalten, mit 430.000
Schilling genauso wie 1974 wird man nicht allzuviel anfangen können, und bei Petronell wurden diese
Ansätze von 440.000 auf 500.000 Schilling, also lediglich um 60.000 Schilling, erhöht. Ich glaube
aber, wir müssen bedenken, daß nicht alle diese Ausgrabungen oder Freilegungen von der
Kulturabteilung direkt durchgeführt werden, sondern daß wir hier hinsichtlich der Finanzierung und
Auftragsgebung zwei Arten der Ausgrabungen unterscheiden müßten. Die eine Art, die im Auftrag der
Kulturabteilung erfolgt, und die zweite Art, wo die Kulturabteilung subventioniert. Ich möchte jetzt nicht
über die verschiedenen Zeiten einen Vortrag halten, ich möchte auch nicht auf die Besonderheiten der
diversen Ausgrabungen oder die besonderen Funde eingehen. Sie werden wahrscheinlich gleich
bemerken, warum ich dieses Thema gewählt habe. Ich möchte vielleicht nur die zwei Arten der
Ausgrabungsdurchführung erwähnen.
Es werden im Auftrag des Kulturreferates in Gars-Thunau und Böheimkirchen Ausgrabungen
durchgeführt. Wir beteiligen uns aber an einer Menge anderer Ausgrabungen. Ich denke an
Kaiserbrunn, Mödling, Stillfried, Pitten usw. Jetzt entsteht für uns eine Aufgabe, der wir in der Zukunft
unser besonderes Augenmerk zuwenden müssen. Es ist die Erhaltung dieser Kulturstätten. Gerade
unser Land ist auf Grund der historischen Begebenheiten und der Besiedelung mit derartigen
Fundstätten, ich möchte fast sagen, bevorzugt. Ich glaube aber, daß auch hier die Forschung schon
etwas andere Wag geht und selbst in der historischen Instandhaltung noch andere Aspekte
hinzukommen. Ich weiß - und bin als Niederösterreicher stolz darauf -, daß wir nicht nur in Österreich,
sondern auch international eine bedeutende Rolle spielen. Ich denke hierbei an verschiedene Stätten,
wie in England, Dänemark, in der Bundesrepublik, aber auch in der Schweiz, wo ebenfalls gewisse
Forschungsergebnisse, Restaurierungsergebnisse, international zur Kenntnis genommen werden.
Wenn Sie mich nach dem Grund fragen, so glaube ich, daß dieser aus drei Komponenten besteht. Die
eine Komponente ist die Grundlage, nämlich die historische Vergangenheit, die zweite, offen
gestanden, die Förderung - inwieweit diese vom Land oder vom Bund erfolgt, sei hier unbestritten -,
und last not least sind es die bedeutenden Historiker und Wissenschaftler, die wir hier in diesem Land
haben. Wenn Sie die Fachliteratur lesen, werden Sie mir zustimmen. Ich erwähne das mit
besonderem Stolz, weil ich ein Mistelbacher bin. Aber auch Univ.-Prof. Dr. Felgenhauer, Herr Hofrat
Hampel und alle unsere Landesbeamten, die auf diesem Gebiet beschäftigt sind, sollen genannt
werden.
Jetzt beginnt aber die Schwierigkeit der Erhaltung der Funde. Wie einige der Anwesenden wissen,
habe ich die Ehre, mit den Kollegen Rohrböck und Gindl im Vorstand eines Vereines zu sitzen, der
sich mit diesen Gegebenheiten eben beschäftigt. Es passiert, daß auf einmal zu den damals wohl
groß genug befundenen Depoträumen und Restaurierungswerkstätten 3-5-t-Lastautos voll mit Funden
kommen und dort abgeladen werden. Man fragt sich, was mit diesen wertvollen Dingen geschehen
soll. Ich glaube, hier müßten wir ebenfalls einsetzen, um die Funde zu erhalten, zu restaurieren oder
wiederzugestalten und in räumlicher, aber auch in personeller Hinsicht den genannten Aspekten
Rechnung zu tragen.
Zu den neuen Forschungseinrichtungen. Ich habe gelesen oder gehört, daß die Absicht besteht, in
Petronell ein Römerhaus zu errichten. Ich weiß über die Problematik Bescheid, daß nämlich solche
Neuanlagen wissenschaftlich sehr gut durchdacht werden müssen, bevor sie errichtet werden können.
Auf der anderen Seite beweist uns das Freilichtmuseum in Aspang an der Zaya, daß hier bei
wissenschaftlicher Durchleuchtung auch etwas Gutes - ich möchte jetzt den Zusammenhang mit dem
Fremdenverkehr, also die wirtschaftliche Belebung, nicht nennen - entstehen kann. In diesem
Zusammenhang, glaube ich, müßte man neben der Finanzierung bzw. Zurverfügungstellung von
Räumen, Freiplätzen sowie des Personals auch an die technologische Forschungsarbeit denken. Ich
darf nur als Beispiel nennen: In Aspang an der Zaya hat im Jahr 1974 das Fladenbrotbacken nach
wissenschaftlichen Forschungen, wie es seinerzeit gebräuchlich war, begonnen. Man beabsichtigt
auch, das Verfahren mit den damaligen technischen Einrichtungen und Möglichkeiten dort
technologisch zu demonstrieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun vielleicht ein kleiner Sprung in die Jetztzeit. Ich habe
eingangs erwähnt, daß wir gerade im Kapitel 3 auch den wissenschaftlichen Dingen etwas unser
Augenmerk schenken müssen. Es wird für das Zusammenleben der Menschen in Zukunft sehr
entscheidend sein, wie die verschiedenen Institute - Gott sei Dank sind auf niederösterreichischem
Boden bedeutende Institute - arbeiten und was sie erarbeiten werden. Ich brauche hier ebenfalls nicht
auf die Aufgabenstellungen eingehen. Ich denke an das Institut für Biologie in Seibersdorf, das sich
mit seinen modernen Geräten und Instrumenten hinsichtlich der Zielrichtung einen sehr breiten Bogen
gespannt hat; von der Untersuchung der Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf den Menschen bis,
wie ich zuletzt gelesen habe, sogar zur Erforschung der vielen Spielarten der rheumatischen
Erkrankungen. Ich möchte fast sagen, das klingt etwas medizinisch. Wir ersparen den Menschen viel,
Herr Landesrat Bierbaum, wenn die Krankheitsursachen rasch gefunden werden, so daß diese von
ihren rheumatischen Erkrankungen geheilt werden können. Aber auch volkswirtschaftlich haben diese
Arbeiten, vor allem in bezug auf das Zusammenleben der Menschen, eine sehr große Bedeutung.
International gesehen, ist natürlich das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse in
Laxenburg besonders zu beachten. Es sagt zwar wenig, wenn man hört, daß bis Mitte 1974 dort allein
Aufträge im Werte von 46 Millionen Schilling vergeben wurden. Wir wissen, daß hier der Rund mit
60% und das Land Wien bzw. das Land Niederösterreich mit je 30% an der Kostenaufbringung
beteiligt sind, und es war ein langer Weg von der Rede des damaligen amerikanischen Präsidenten
Johnson im Jahre 1967 bis zur Entscheidung im Jahre 1972. Wir wissen auch, daß es eine sehr große
internationale Konkurrenz gab. Noch in den letzten Monaten haben sich vor allem England und
Frankreich um dieses Institut bemüht, und es war eine besondere Verhandlung am Ursprungsort des
Gedankens notwendig. Frau Minister Firnberg hat in New York durch Verhandlungen mit den
betreffenden Stellen sozusagen den Grundstein gelegt, daß Laxenburg, daß Niederösterreich, und
wenn Sie wollen Österreich, für dieses Institut als Standort gewählt wurde.
Dazu muß ich sagen: Erkennen wir doch heute schon die Bedeutung dieser Arbeiten neben dem
Umstand, daß Laxenburg das Zentrum eines Netzes von Forschungsinstituten werden soll, die über
die ganze Welt verstreut sind. Auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse oder Forschungen sind sehr
bedeutend. Die systematischen Untersuchungen über Wertkompensationen, Unsicherheitsfaktoren,
dynamische Wechselwirkung und anderes mehr werden das Zusammenleben der Menschen
beeinflussen. Daneben natürlich auch die verschiedenen Projekte der angewandten Forschung für die
Energiesysteme, Regionalentwicklung und biologisch medizinische Systeme. Das Internationale
Institut für angewandte Systemanalyse hat man bei einer Konferenz in New York und Moskau als
Experiment der internationalen Zusammenarbeit bezeichnet. Möge das Experiment dieser
internationalen Zusammenarbeit positiv gedeihen. Ich glaube, das wünschen wir Österreicher und
Niederösterreicher uns besonders. Ich darf an die Worte des Herrn Abg. Wallner anknüpfen. Auch ich
bin seiner Meinung: Man soll jenen danken, denen Dank gebührt. Es wäre vielleicht auch hier
angebracht, nicht nur gegen den Bund zu polemisieren, sondern diesem für die Aufwertung
Niederösterreichs durch dieses Institut auch einmal ein Dankeschön zu sagen.
Und nun zum Schluß. Ein besonderes Anliegen hinsichtlich der Erhaltung der verschiedenen Dinge,
die man heute vielleicht nicht mehr als Gebrauchsgegenstände oder als Gebrauchsakten verwenden
kann, ist unser Landesarchiv. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich, daß wir
uns im Jahre 1969 im Rahmen des Finanzkontrollausschusses die Archivräume angesehen haben.
Ich darf jetzt niemanden auf der Galerie ansprechen, da ich einen gestrengen Präsidenten hinter mir
sitzen habe. Der Finanzkontrollausschuß stellte fest, daß das Archiv wegen Raummangels infolge der
Obernahme neu anfallenden Archivmaterials seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.
Es wurde auch festgestellt, daß Wien, Vorarlberg und Burgenland bereits neue Archivbauten errichtet
haben und Oberösterreich und Salzburg damals im Jahre 1969 vor der Errichtung von
Archivneubauten standen. Zum Schluß heißt es in diesem Bericht: „Die Abteilung III/3 hat seit Jahren
immer wieder auf das dringend zu lösende Raumproblem des Archivs hingewiesen und zwecks
geeigneter Unterbringung der Archivbestände außer der Sanierung der in den Amtsgebäuden
Teinfaltstraße 8 und Herrengase 11 für Archivzwecke vorgesehenen Räumlichkeiten den Bau eines
Zentraldepots angeregt.“
Nun stellt sich die Frage, wie ist die Situation heute? Allein der Umstand, daß in anderen
Bundesländern dieses Problem vorläufig gelöst erscheint, ist uns eine Verpflichtung zur
Durchleuchtung. Ich will jetzt nicht das zuständige Bundesgesetz aus dem Jahre 1923 zitieren, da ich
sonst meine Zeit überschreiten würde. Aber auch hier wird uns ein Gesetzesauftrag gegeben. Dieser
hat zwar dazu geführt, daß wir die Archivräume in der Herrengasse 11 und 13 und auch in der
Teinfaltstraße 8 baulich saniert und die Neueinrichtung abgeschlossen haben. So weit, so gut. Ist aber
dieser Raum ausreichend? Hat sich die Situation geändert, daß wir trotz der damaligen Feststellungen
kein Zentraldepot brauchen?
Gestatten Sie mir, noch auf einige Umstände hinzuweisen. Die Bezirkshauptmannschaften leiden in
dieser Hinsicht ebenfalls unter Raumnot. Zugegeben. Aber auch das Landesarchiv kann die älteren
Bestände der Bezirkshauptmannschaften leider nicht übernehmen, und derartige Ansuchen mußten
bis jetzt immer negativ beschieden werden. Die Bestände der Außendepots. Was geschieht mit
ihnen? Ich denke an die Bestände der Gebietsbauämter, der Personalabteilung, ja es war sogar seit
dem Jahre 1955 noch nicht möglich, aus dem Wiener Staatsarchiv Bestände von verschiedenen
Gerichtsbezirken, die nach dem Gebietsabtrennungsgesetz 1954 in das Eigentum des Landes
Niederösterreich übergegangen sind, zu übernehmen.
Eine neue Situation ergibt sich - der Herr Kollege Buchinger kennt sie auf Grund seiner beruflichen
Tätigkeit vielleicht noch besser als ich - durch die Umstellung bei den Vermessungsämtern auf
transparente Katastralmappen. Wie mir von Berufskollegen berichtet wurde, hat das Bundesamt für
Eich- und Vermessungswesen die alten Feldmappen angeboten, die für sämtliche topographischen
und landeskundlichen Forschungen sehr wichtig wären. Die Vermessungsämter leiden wie alle
anderen Ämter ebenfalls unter Raumnot. Von zuständiger Seite wurde erklärt, daß man in einzelnen
Vermessungsämtern wogen Platzmangels eben diese Feldmappen vernichten müßte. Im Jahre 1969
hat sich bei der Kontrolle folgendes ergeben: Man hat damals die Mikroverfilmung als letzten Schrei
sozusagen als den Stein des Weisen bezeichnet. Internationale Erfahrungen zeigen jetzt, daß die
Mikroverfilmung, also die Verfilmung von Akten und ihre Rückkopierung, teurer kommt als die
Zurverfügungstellung von geeigneten Räumlichkeiten. Das wurde mir von Fachleuten erklärt, die mit
diesen Dingen sehr viel zu tun haben, und ich würde bitten, daß sich auch die Zuständigen mit
Fachleuten darüber besprechen.
Da dieses Problem für das Land Niederösterreich, aber auch für die Wissenschaft und Forschung und
damit auch für die Kultur von großer Bedeutung ist, erlaube ich mir, einen Resolutionsantrag zu
stellen:
Resolutionsantrag
zur Gruppe 3 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975,
Landtagszahl 12.
Die Archivbestände des Landes sind unzulänglich untergebracht. Die hierfür verwendeten
Räumlichkeiten sind zum Teil nicht geeignet, wie zum Beispiel in der Herrengasse 14, Bankgasse 2
oder Muthgasse, und fehlen zum überwiegenden Teil überhaupt, so daß gesetzlichen Verpflichtungen
hinsichtlich der Übernahme neu anfallenden Archivmaterials gar nicht nachgekommen werden kann.
Die Errichtung eines Zentraldepots ist daher unumgänglich notwendig, damit die in den Außendepots
gelagerten Archivalien unter Bedachtnahme auf die ständig anwachsenden Bestände der
Verwaltungs- und Gerichtsstellen untergebracht werden können.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert, Vorsorge zu treffen, daß die vorhandenen
Archivbestände in geeigneten Räumlichkeiten untergebracht und neu anfallende Archivalien
übernommen und ordnungsgemäß aufbewahrt werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Behandlung der Gruppe 3 wurde sowohl umfassend
über alle wissenschaftlichen Arbeiten als auch über die kulturellen Bestände diskutiert. Hier zieht sich
ein breiter Bogen von der Erwachsenenbildung oder überhaupt von der Weiterbildung des Menschen
nach der Pflichtschule bis zur Freilegung von bestimmten historischen Werten und Erhaltung und
Instandsetzung historischer Werke. Ich glaube auch, daß es sehr notwendig ist, das Verständnis der
Menschen für die kulturellen Einrichtungen zu wecken, um ihnen klarzumachen, daß hier eine geistige
Wertschöpfung vorhanden ist. Ich bin der Meinung, daß den Menschen neben den materiellen Werten
vor allem das Kulturverständnis und das Kulturempfinden Inhalt und Lebensglück bieten. (Beifall bei
der SPÖ.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Zum Wort gemeldet ist der Herr Landesrat Grünzweig. Ich erteile es
ihm.
Landesrat GRÜNZWEIG: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! An und für sich habe ich mich darauf eingestellt
gehabt, auf die mehr oder minder erfrischende Art, die der Herr Abg. Zimper zunächst an den Tag
gelegt hat, einzugehen und darüber zu reden, wie es sich mit der Kulturpolitik in Niederösterreich
verhält und ob tatsächlich der absurde Gedanke auf die Spitze getrieben werden kann, daß das
Ganze von einem Mann abhängt. Denn dann müßte eigentlich auch alles, was an Rühmenswertem
hier geschieht, auf diesen einen Mann zugespitzt werden, was ich aber überhaupt nicht für mich in
Anspruch nehmen will. Ich bin nur ein Teil eines großen Betriebes und hoffe, daß ich meinen Teil dazu
beigetragen habe und noch beitragen kann, um das, was wir als niederösterreichische
Kulturlandschaft bezeichnen, wirklich lebendig zu erhalten und den Menschen in diesem Land das
Leben lebenswerter zu machen.
Es ist mein Grundsatz, meine Damen und Herren, daß ich die unangenehmen, wenn Sie wollen, die
schmutzigen Dinge am Beginn mache, damit ich sie hinter mir habe. Nun habe ich eine solche
Aufgabe vor mir, und wer mich kennt, weiß, daß ich alles andere als Vergnügen daran habe. In der
Politik muß man für die Öffentlichkeitsarbeit aufgeschlossen sein und sich immer wieder auch der
Presse zur Verfügung stellen, den Journalisten. Ich habe das immer so gehalten und habe, seitdem
ich politischer Funktionär bin, eigentlich nur zwei Ausnahmen gemacht: eine dieser Ausnahmen war
der Journalist Zimper, weil er nach meinem Dafürhalten - das ist Geschmackssache - die moralische
Qualifikation eines Journalisten nicht gehabt hat. (Beifall bei der SPÖ. - Abg. Buchinger: So
herunterkanzeln braucht man ihn auch nicht! - Unruhe bei der SPÖ. - Abg. Blabolil: Es ist
ungeheuerlich, wenn man sich in seiner Jungfernrede so benimmt!)
Nun ist es, meine Damen und Herren, in der Politik allerdings so, daß man sich als Funktionär seinen
politischen Gegner und Gesprächspartner nicht aussuchen kann, und ich nehme also zur Kenntnis,
daß der Herr Abg. Zimper von diesem Pult aus so ungeheuerliche absurde Dinge behauptet hat, die
nicht unwidersprochen bleiben können und einfach nicht im Raum stehen bleiben dürfen. (Abg. Dr.
Bernau: Das bat er ja verlangt!) Es ist selbstverständlich das Recht eines freien Abgeordneten, frei zu
sprechen, und wir sind wirklich nicht angerührt, nicht wehleidig, und, was meine Person und die Kritik
an meinem Wirken in dem Hause betrifft, absolut jeder Kritik und jeder Diskussion offen. Das möchte
ich hier klarstellen.
Wenn es aber darum geht, meine Damen und Herren, hier die Ehre eines Dritten in den Schmutz zu
ziehen, dann werden Sie mich zur Stelle finden, und ich muß im Zusammenhang mit den
Andeutungen - mehr war es ja nicht -, die hier im Zusammenhang mit den Vorgängen am
Musischpädagogischen Realgymnasium in Wiener Neustadt gemacht wurden, einiges klarstellen. Da
es ein anhängiger Fall ist, darf und will ich darüber hier nicht ausführlich berichten, obwohl ja der
Sachverhalt aus den verschiedenen Zeitungen bekannt ist. Es geht aber darum, daß ein
hochverdienter Schulmann, der Vizepräsident des Landesschulrates und Direktor des Musischpädagogischen Realgymnasiums, hier mit allen Mitteln, mit allen Mitteln verfolgt und auf ihn eine
politische Hexenjagd veranstaltet wird. (Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Genau! Die Wiener
Neustädter Zeitung!) Und da, meine Damen und Herren, werden Sie uns auf der Bühne finden und bei
solchen Methoden unsere Gegnerschaft zur Kenntnis nehmen müssen.
(Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Kopfjagd!) Es ist bekannt, daß die Zeitung, die diese Art der
Berichterstattung gepflogen hat, gerichtlich beschlagnahmt worden ist. Es ist auch bekannt, daß sich
sowohl die Personalvertretung des Musisch-pädagogischen Realgymnasiums, also die gesamte
Lehrerschaft, als auch die Studentenvertretung von dieser Art distanziert.
Und jetzt möchte ich doch wissen, wenn ich immer wieder als zuständiger Landesrat angeredet
werde, wer in dem Haus für diese Dinge zuständig ist. Der Herr Direktor des Musisch-pädagogischen
Realgymnasiums hat nicht nur in seiner Schule die erforderlichen Maßnahmen getroffen, das heißt, er
hat dafür gesorgt, daß diese inkriminierte Sache abgestellt worden ist, sondern die Angelegenheit
auch dem zuständigen Landesschulrat als Schulbehörde gemeldet. Ich frage nun, was tut denn der
Herr Landeshauptmann als Präsident des Landesschulrates? (Landeshauptmannstellvertreter Czettel:
Gar nichts!) Sie bringen die Dinge in dieses Haus, um einen Menschen zu diskriminieren,
herabzusetzen. Erwarten Sie von uns, daß Sie auf Grund von Äußerungen, die Sie dem Herrn
Vizepräsidenten unterstellen, unterschieben, zur Sache eine Stellungnahme bekommen? Das, was
von der Pietät gesagt wurde, stammt doch von Ihnen (Abg. Zimper: Machen Sie mich für alles
verantwortlich?), und wir haben es nicht verbürgt. Machen Sie sich das mit dem Herrn
Vizepräsidenten aus, denn das können wir hier doch gar nicht beantworten. (Abg. Zimper: Für
Veröffentlichungen in der Kommunistenzeitung bin ich nicht zuständig! - Große Unruhe bei der SPÖ. Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Auf das haben wir in diesem Hause gewartet: Der Geist der
Wiener Neustädter Zeitung! - ZWEITER PRÄSIDENT BINDER gibt das Glockenzeichen: Herr
Landesrat Grünzweig ist beim Wort, bitte. - Abg. Anzenberger: Warum sich der Czettel so aufregt? - Abg. Zimper: Wollen Sie es vom Tonband haben? - Abg. Kosler: Nein, von der
Volksstimme! - Landeshauptmannstellvertreter Czettel: Das können Sie in Wiener Neustadt aufführen!)
Ich darf nun auf die übrigen Debattenbeiträge zur Gruppe 3 eingehen, weil ich glaube, daß damit der
Sachverhalt von hier aus klargestellt ist und der Verlauf des Verfahrens ja noch zeigen wird, wer recht
hat und wo die wahren Urheber der ganzen Affäre sind. Es hat der Herr Abg. Wiesmayr - ich komme
nun wiederum auf jene Dinge zurück, wo ich also angesprochen wurde bzw. wo eine Auskunft
erforderlich ist - in der Frage einer zusätzlichen Ausstellung für das Jahr 1976 im Stift Melk interpelliert
und von einer kleinen Ausstellung gesprochen, die dort im Zusammenhang mit dem Babenbergerjahr
stattfinden soll. Mir ist das Anliegen ja bekannt. Wir werden uns die Dinge natürlich anschauen, es
wird aber nicht möglich sein, daß wir die Landesausstellung in Lilienfeld in irgendeiner Form
konkurrenzieren. Wenn eine solche Lösung, ein solcher Weg möglich ist, dann ist das Kulturreferat
sicher sehr gerne bereit, dem Anlaß gemeinsam mit dem Stift Melk auch in dieser Form Rechnung zu
tragen.
Ich möchte auch auf ein Ersuchen des Herrn Landesfinanzreferenten Bezug nehmen, wo er von der
Subventionierung der Tonkünstler gesprochen hat. Obgleich ich es eigentlich schon wiederholt getan
habe, darf ich dem Hohen Haus vielleicht noch folgende Zahlen unterbreiten, die ich dem Kunstbericht
des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst 1973 entnehme, wo die Subventionen für die
Orchester enthalten sind. Hierin heißt es für das Jahr 1973: Wiener Symphoniker 7,6 Millionen
Schilling, Philharmoniker 8,64 Millionen Schilling, Wiener Kammerorchester 90.000 Schilling,
Niederösterreichisches Tonkünstlerorchester 3,720.000 Schilling. Nun darf ich Sie bitten, die
folgenden Zahlen zu beachten: Das Bruckner Orchester in Linz 630.000 Schilling, das Mozarteum
Orchester in Salzburg 700.000 Schilling, das Grazer Philharmonische Orchester 630.000 Schilling und
das Innsbrucker Symphonieorchester 315.000 Schilling.
Hier liegen die Probleme; alle diese letztgenannten Orchester erhalten durch den Bund eigentlich
Minimalbeträge an Unterstützung. Der Beitrag des Landes Oberösterreich zum Bruckner Orchester ist
höher als der, den das Land Niederösterreich dem Tonkünstlerorchester gibt, obwohl die
Bundessubvention nur eine geringe Dimension hat. Jetzt werden Sie verstehen, daß ich, nachdem ich
gerade diese Frage, immer wieder durch den Landtag initiiert, bei der Kulturreferentenkonferenz
wiederholt zur Debatte gebracht habe, in dem Kreis der Kulturreferenten wenig Gegenliebe gefunden
habe. Hier wird natürlich gesagt, na höre, wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn ihr mehr
bekommt, aber zuerst müssen unsere Subventionen in die Relation des Niederösterreichischen
Tonkünstlerorchesters gebracht werden. Hierin liegt die eigentliche Problematik.
(Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Herr Kollege, ich habe auch nicht kritisiert, ich habe mir
gesagt, ich neide niemandem etwas, aber vielleicht bekommen wir doch ein bißchen mehr!) Ja, ich
stelle es ja nur sachlich fest und bin also gerne bereit, gemeinsam mit allen jenen, die sich zur
Verfügung stellen - auch der Finanzreferent selbstverständlich -, mich zu bemühen, daß dieser
Subventionsansatz nicht versteinert (Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Jawohl, das ist das
Problem. Daß er nicht versteinert, darum ist es mir gegangen!), weil er in den letzten drei Jahren
immer gleichgeblieben ist. Hier werden wir uns also, wie gesagt, gemeinsam bemühen, unter diesen
schwierigen Umständen doch eine Erhöhung zu erreichen. Herr Prof. Abg. Wallner hat die ganze
Kulturszenerie in seinen Ausführungen nicht nur gestreift, sondern zum Teil sehr gründlich, wie das
seine Art ist, und mit hoher Rhetorik behandelt. Es ist mir ganz unmöglich, auf alle Probleme
einzugehen. Zur Theaterfrage muß ich allerdings Stellung nehmen, weil das zur Zeit ja unser
gemeinsames Hauptproblem ist. Bitte, verlangen Sie von mir nicht, authentisch zu machen und
nachzuprüfen, ob die Meldungen, die dem Kulturreferat in bezug auf die Frequenz der Theater
zugehen, richtig sind oder nicht. Wenn das nun so deutlich in den Raum gestellt wird, werde ich
versuchen, hier die Dinge klarzustellen. Ich werde also darauf Bezug nehmen und verlangen, daß wir
doch eine Klärung dieser Frage bekommen. Sie haben gesagt, vor zwei Jahren seien die
Verhandlungen zur Bildung einer Theatergemeinschaft deswegen abgebrochen worden, weil erstens
ein Defizit von 6 Millionen Schilling vorlag und zweitens die Belastungen noch nicht klar abzuschätzen
waren.
Nun, Herr Bürgermeister, Herr Abgeordneter, möchte ich dazu schon bemerken, daß die Unterlagen,
die für die Beurteilung der finanziellen Situation maßgeblich waren, ja von den beiden Städten, von
der Stadt Baden und von der Stadt St. Pölten, erarbeitet worden sind. Nur hätte ich gewünscht, daß
sie für ausreichend befunden worden wären, um die Situation entsprechend beurteilen zu können. Es
ist klar, daß man auf dem Theatersektor die Belastungen für die Zukunft nie hundertprozentig
abschätzen kann, denn hier geschieht jedes Jahr einiges, womit man nicht rechnen kann, das wissen
Sie ja genauso gut wie ich. Und wegen der fehlenden 6 Millionen Schilling: Sie wissen, daß das
Kulturreferat bzw. der Finanzreferent bereit war, für eine gemeinsame Lösung einen nicht
unerheblichen Zuschuß zu leisten. Diese 6 Millionen Schilling hätten sich nicht unwesentlich
verringert. Man ist dann leider auseinandergegangen. Ich habe in einem Gespräch schon einmal
versucht, Sie zu animieren, wenn Sie in den Landtag kommen und für. die Kulturpolitik dieses Landes
Mitverantwortung tragen, den Einstand mitzubringen, Herr Bürgermeister, daß sich das Stadttheater
nun doch mit St. Pölten arrangiert, damit wir die Probleme etwas besser lösen können, als dies zur
Zeit möglich ist. (Abg. Wallner: Nicht mit einer Kapitulation, Herr Landesrat! - Abg. Kellner: Das ist ja
fast schon eine Unterwerfung!) Ja, sicher, man wird also die Gespräche, so hoffe ich, in nächster Zeit
wieder aufnehmen. Ich stalle mich sehr gerne zur Verfügung. Daß es notwendig ist, ein
Zusammengehen zu erreichen, darüber sind sich, glaube ich, die Damen und Herren des Hohen
Hauses im klaren.
Über die Begrenzung der Anzahl der Sommerspielorte sind wir uns ja einig; man kann sie nicht
willkürlich erhöhen, wobei ich aber anderseits einer Versteinerung auch nicht das Wort reden kann.
Wenn es jetzt da und dort potente neue Aufnahmewerber gibt, die durch ihre Leistung, aber auch ihre
Trägerschaft bewiesen haben, daß sie imstande sind, tatsächlich attraktives Sommertheater zu bieten,
so glaube ich, wird man sich damit zu beschäftigen haben. Einen solchen Fall haben wir in der
Zwischenzeit erledigt, und ich denke, zu viele wird es wohl nicht geben. Ich gebe Ihnen aber
vollkommen recht, daß man nicht planlos, daß man nicht ziellos vorgehen kann, weil man dadurch die
bestehenden Standorte sehr entwertet.
Ich würde sehr bitten, Herr Professor, die Anregung, daß es zu einer Förderung der
wissenschaftlichen Eigenständigkeit innerhalb der Beamtenschaft des Kulturreferates kommen soll,
mir gegenüber - von mir aus unter vier Augen - gelegentlich zu präzisieren, damit wir die Dinge
absprechen können. Sie wissen ja, daß die Zuständigkeit in personeller Angelegenheit woanders liegt.
Der Herr Landeshauptmann ist ja Personalreferent, die führenden Positionen in den Abteilungen usw.
sind ja besetzt, und ich maße mir nicht an, hier irgend etwas zu entscheiden, was nicht in meine
Kompetenz fällt. Ich glaube, das muß man sich auch von dieser Seite überlegen.
Den Appell des Kollegen Stangl, daß es endlich zur Errichtung eines Zentraldepots kommen möge,
würde ich von der Sache her sehr unterstreichen. Sie wissen, daß wir schon vor zwei Jahren nach
Linz und nach Salzburg gefahren sind und uns die vorbildlichen Einrichtungen, die es dort gibt,
angesehen haben. Ich muß sagen, es ist großartig, wie dort diese Fragen gelöst wurden.
Niederösterreich ist hier noch etwas zurück. Die Notwendigkeiten wachsen uns fast über den Kopf,
und wir sind in vielen Dingen im Verzug. Ich mochte also sehr ersuchen, daß das Finanzreferat
gemeinsam mit der Gebäudeverwaltung in nächster Zeit aktiv wird, um diese Frage einer positiven
Lösung zuzuführen.
Nur noch ein paar Sätze, meine Damen und Herren, über die wichtigsten Vorhaben. Es ist ja so viel
gesagt worden, daß ich das absolut nicht ergänzen und nicht kommentieren möchte. Für die
Vorbereitung der Landesausstellung im Stift Altenburg sind alle Weichen gestellt. Wir hoffen, daß wir
im nächsten Jahr Mitte Mai mit den Arbeiten beginnen können. Auch die Fragen der Werbung sind
nun schon geklärt, was ja bei solchen Veranstaltungen eines der wichtigsten Probleme ist. Auch für
das Jahr 1976 läuft alles planmäßig. Diesbezüglich hat der Herr Professor Wallner etwas gesagt, was
ich durchaus unterstreiche. Ich darf bitten - er hat von der Anpassung des Tempos gesprochen -, doch
zu bedenken, daß diese Walle, diese Ausstellungsserie, mit 1976 abschließt. Es ist uns schon klar,
daß das Kulturreferat mit dem vorhandenen Personal nicht ;zu sehr überlastet werden kann, denn
diese Riesenausstellungen gehen, personell gesehen, weit über die Kräfte des Kulturreferates hinaus.
Bisher war es, Gott sei Dank, möglich, in allen Bereichen, vor allem in der Wissenschaft, erstklassige
Mitarbeiter zu finden, um diese Ausstellungen, auch in wissenschaftlicher Hinsicht zu fundieren und
unbestritten zu machen. Daß es dann aber wiederum einer schöpferischen Pause bedarf, um die
Dinge zu regenerieren und sie reifen zu lassen, ist klar, und zwar auch deswegen, weil ja eine Reihe
von Städten ähnliche Absichten haben. Daher muß schon aus Termingründen Platz gemacht werden,
damit sich hier auch andere große Ausstellungsträger einschalten können.
Im kommenden Jahr wird es in Langenzersdorf eine Ausstellung über Anton Hanak anläßlich seines
100. Geburtstages geben mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Veranstaltungen. Eine sehr
interessante Sache, nämlich das Freimaurermuseum, wird zu Ostern in Rosenau eröffnet. Ich möchte
mit aller Anerkennung die Stadtgemeinde Zwettl erwähnen. Hier ist ein Problem, das dem Landtag vor
Zeiten sehr große Sorgen bereitet hat, in beispielhafter Form gelöst worden. Das großartige
Seminarzentrum soll als internationale Attraktion ein Freimaurer-Museum bekommen, was vom
Standpunkt des Fremdenverkehrs in diesem Gebiet sicherlich nicht uninteressant ist.
Zum Jahr des Denkmalschutzes wurde hier schon Verschiedenes bemerkt. Im Mittelpunkt - der
Schwerpunkt dieses Jahres - wird selbstverständlich Krems stehen mit dem Symposium. Die Stadt
Krems wurde ja dafür vom Europarat ausgewählt. Eine Ausstellung über Denkmalpflege und
Althaussanierung soll ebenfalls in Krems stattfinden. Darüber hinaus ist geplant, aus diesem Anlaß
eine Broschüre herauszugeben. Eine ganze Reihe von Großprojekten auf dem Gebiete der
Renovierung von Denkmälern wurde zum Teil schon aufgezählt, zum Teil könnte ich sie ergänzen. Sie
erfordern aber eine ungeheure Anspannung der für die Denkmalpflege zur Verfügung stehenden
Mittel. Es wird, Herr Landesfinanzreferent - das möchte ich betonen -, nicht möglich sein, alle diese
Notwendigkeiten mit diesen Mitteln auch nur einigermaßen zu erfüllen. Vielleicht ist es aber doch
möglich, im Laufe des nächsten Jahres in einem Nachtrag hier noch etwas zu tun.
Das Land Oberösterreich hat aus diesem Anlaß eine separate Budgetpbst ins Budget aufgenommen.
Vielleicht könnte auch noch von uns eine solche Aktion gesetzt werden. Wir haben eine Aktion - sie ist
bereits eingeleitet und zum Teil auch schon durchgeführt - zur Restaurierung von Kleindenkmälern
vor. Das anonyme Denkmalgut soll also im Jahr des Denkmalschutzes in besonderem Maße
berücksichtigt werden. Was den Prioritätenkatalog, Herr Professor Wallner, anbelangt, dieser ist ein
jahrelanger Wunsch des Kulturreferates. Nur zur Klarstellung: Im Kulturreferat gibt es keinen einzigen
Beamten, der das machen könnte. Es ist nicht Sache des Landeskulturreferates (Abg. Wallner:
Denkmalamt!), weil wir keine Kompetenz und aus dem Grund auch kein Personal haben. Ich weiß
genau, daß man im Denkmalamt einen solchen Katalog schon seit einer Reihe von Jahren erarbeitet,
kann aber nicht sagen, wie weit man damit gekommen ist. Ich möchte das also zum Anlaß nehmen,
um es wieder zu urgieren. Derzeit ist der Denkmalschutz in Vollziehung und Gesetzgebung
Bundessache. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß es zwischen Bund und Ländern eine
Auseinandersetzung gibt, bei der die Länder als Kompromißlösung zumindest die Kompetenz in der
mittelbaren Bundesverwaltung beantragt haben. Diese Forderung ist zur Zeit noch offen. Davon aber
nicht erfaßt wird die Kompetenz der Denkmalpflege, die ja privatrechtlicher Natur ist, wodurch das
Land berechtigt ist, auf diesem Gebiet beliebig viel - also nach seinen Kräften - zu tun. Es ist
selbstverständlich, daß der Bund und die Gemeinden, aber auch die Privaten dazu heranzuziehen
sind.
Abschließend nur noch zwei Sätze über die Schallaburg. Diese wurde heute ebenfalls sehr ausführlich
besprochen und gewürdigt und das, was hier geschehen ist, sehr breit dargestellt. Zunächst ist richtig,
daß eine Entscheidung über die Trägerschaft fehlt, was eine wichtige Grundlage ist. Es wurde schon
erwähnt, daß man ein Kuratorium im Auge hat, eine Geschäftsführung, die wendig genug ist, um die
Dinge möglichst unbeamtet zur Durchführung zu bringen. Das ist, glaube ich, für ein solches
Unternehmen von besonderer Bedeutung. Neben dem kurzfristigen Konzept, das schon vorhanden
ist, und uns instand setzt, das nächste Jahr vollständig auszufüllen, so daß die Schallaburg für die
Besucher nicht nur offensteht, sondern auch sehr attraktiv sein wird, ist auch ein langfristiges Konzept
in Ausarbeitung. Es hat sich in der letzten Sitzung auch der Kultursenat damit beschäftigt. Die dafür
vorliegenden Vorschläge gehen in die Dutzende. Es ist erfreulich festzustellen, wie groß das Interesse
ist. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir müssen alles tun, um die Attraktivität der Schallaburg
auch in Hinkunft als niederösterreichisches Kulturzentrum zu gewährleisten, denn nur dann hoben
sich die ungeheuren Summen, die der Landtag zur Verfügung gestellt hat, wirklich gelohnt und sind zu
verantworten. Die Schallaburg hat über das Materielle und das Kulturelle hinaus auch symbolischen
Charakter. Es ist Zeichen eines Gesinnungswandels, einer nicht nur platonischen Hinwendung zum
Kulturellen, sondern des Bewußtseins, daß die Erhaltung unserer Kulturschätze, ihre Belebung und
Konsumation den Einsatz ganz enormer Mittel erfordert.
Als Kulturreferent wünsche ich mir, daß dieser Geist, der für die Beschlüsse zum Projekt Schallaburg
Pate gestanden ist, im Landtag und darüber hinaus in der Bevölkerung Niederösterreichs lebendig
bleibt, damit die Bemühungen zur kulturellen Aufschließung dieses Landes weiterhin auf fruchtbaren
Boden fallen. (Beifall bei der SPÖ, und einigen Abgeordneten der ÖVP.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Die Rednerliste ist erschöpft, der Berichterstatter hat das
Schlußwort.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Ich verzichte.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Zur Abstimmung liegen vor die Gruppe 3, Kulturwesen, sowie die
Resolutionsanträge der Abg. Wallner und Stangl. Ich lasse zunächst über die Gruppe selbst und zum
Schluß über die zu dieser Gruppe vorliegenden Resolutionsanträge abstimmen.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, nunmehr seinen Antrag zur Gruppe 3, Kulturwesen, ordentlicher
und außerordentlicher Voranschlag zu stellen.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Herr Präsident! Hoher Landtag! Ich stelle den Antrag, die Gruppe 3,
Kulturwesen, mit Einnahmen im ordentlichen Teil von 3,545.000 Schilling und Ausgaben von
116,114.000 Schilling sowie Ausgaben im außerordentlichen Teil von 3,625.000 Schilling zu
genehmigen.
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Abstimmung vorzunehmen.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER (nach Abstimmung über die Gruppe 3, Kulturwesen, ordentlicher und
außerordentlicher Voranschlag in Erfordernis und Bedeckung): Angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Resolutionsanträge. (Nach Abstimmung über den
Resolutionsantrag des Abg. Wallner, betreffend Tagungs- und Arbeitseinrichtungen für
Kulturschaffende und wissenschaftlich Tätige im Lande Niederösterreich): Angenommen.
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Abg. Stangl, betreffend die Unterbringung der
Archivbestände und neu anfallender Archivalien in geeigneten Räumlichkeiten): Angenommen.
Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abg. Reischer, zur Gruppe 4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe,
ordentlicher Voranschlag und außerordentlicher Voranschlag zu berichten.
Berichterstatter Abg. REISCHER: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Gruppe 4, Fürsorgewesen und
Jugendhilfe, sieht ordentliche Ausgaben von 947,532.000 Schilling vor, die Einnahmen betragen
767,492.000 Schilling. Das Nettoerfordernis beträgt daher 180,040.000 Schilling.
In dieser Gruppe sind Ausgaben und Einnahmen für Sozialhilfe, sonstige Wohlfahrts- und
Fürsorgemaßnahmen, Einrichtungen des Fürsorgewesens, Jugendhilfe sowie Einrichtungen der
Jugendhilfe und Fürsorgeerziehung vorgesehen.
Der prozentuelle Anteil am Ausgabenvolumen des ordentlichen Teiles des Voranschlages beträgt
8,54%. Die Ausgabenkreditsumme erhöht sich gegenüber dem Vorjahr um rund 461,5 Millionen
Schilling. Hiervon entfallen rund 84,5 Millionen Schilling auf den Personalaufwand und rund 377
Millionen Schilling auf den Sachaufwand.
Die annähernde Verdoppelung des bisherigen Ausgabenvolumens der Gruppe 4 ist auf die
gesetzliche Neuordnung des Sozialhilferechtes in Niederösterreich zurückzuführen. Der größte Teil
der Ausgaben entfallt auf den neuen Abschnitt Sozialhilfe. Im Abschnitt Einrichtungen des
Fürsorgewesens wurden die auf Grund des Nö. Sozialhilfegesetzes auf das Land übergegangenen 34
Altersheime aufgenommen.
Die Einnahmenseite dieser Gruppe zeigt eine Erhöhung von rund 469,3 Millionen Schilling. Der
Hauptteil der Einnahmen dieser Gruppe ergibt sich im Abschnitt Sozialhilfe, wo nach den
Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes Hilfsempfänger, Wohnsitzgemeinde und schließlich alle
Gemeinden nach Maßgabe ihrer Finanzkraft Ersätze bzw. Beiträge an das Land zu leisten haben.
Im außerordentlichen Teil sind Ausgaben von 134,063.000 Schilling bei Einnahmen von 63,506.000
Schilling vorgesehen.
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Debatte einzuleiten.
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als erste Rednerin dieser Gruppe 4 ist die Frau Abg. Tribaumer zum
Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
Abg. TRIBAUMER: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn man die
Gruppe 4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe, des Voranschlages für das Jahr 1975 einer näheren
Betrachtung unterziehen will und versucht, nun Vergleiche mit dem Voranschlag 1974 durchzuführen,
so ergeben sich einige Schwierigkeiten. Die Begründung liegt darin, daß der Niederösterreichische
Landtag in seiner Sitzung vom 21. Februar dieses Jahres ein modernes, umfassendes
Sozialhilfegesetz beschlossen hat, dessen Auswirkungen im Budget 1975 den Niederschlag finden
werden, und zwar erstmals in zwei verschiedenen Referaten. In der Gruppe 0 unter dem Abschnitt 03
Bezirkshauptmannschaften, wo das Verwaltungspersonal der ehemaligen Bezirksfürsorgeverbände zu
finden ist, und in der üblichen Gruppe 4, wo die Heime und das Heimpersonal budgetmäßig geführt
werden.
Wenn man die Stenographischen Protokolle der letzten Jahre zum Budget der Gruppe 4 nachliest, so
kann man feststellen, daß sich beide Parteien in diesem Hohen Hause schon immer mit dem alten
Problem beschäftigt und festgestellt haben, daß die Betreuung von alten Menschen ein vorrangiges
Anliegen von uns allen ist. Warum vorrangig, meine Damen und Herren? Weil die Zahl der alten
Mitbürger in unserer Gesellschaft ständig wächst, und sie wird in den nächsten Jahrzehnten
wahrscheinlich auf 20% ansteigen. Manche betrachten das Alter als eine Krankheit und fürchten sich
fast davor. In Wirklichkeit ist es eine Lebensphase wie andere Lebensphasen auch, und es besteht
nicht der geringste Grund, sich ihrer nicht zu freuen. Die entscheidende Frage ist natürlich, ob man
krank oder gesund ist. Aber diese Frage ist auch wieder in jedem Alter entscheidend, und die
Gesundheit ist wohl das wertvollste Gut der Menschen, nämlich des Menschen in jedem Lebensalter.
Ich glaube, jeder Mensch muß sich bewußt sein, daß, wenn man in den Ruhestand tritt, ein neuer
Abschnitt, ich möchte sagen, der dritte Lebensabschnitt beginnt. Diese Zeit ist der Lohn für ein
arbeitsreiches und sorgenreiches Leben, und ich behaupte, auf alle größeren Änderungen im Leben
wird man vorbereitet. Auf die Schule durch Eltern und Kindergarten, auf den Beruf durch Schule und
Lehre, aber auf die Pension oder auf das Pensionistenleben wird man nicht vorbereitet. Der Übergang
vom Arbeits- zum Pensionistenleben ist äußerst abrupt. Es geschieht meistens so, daß man freitags
noch arbeitet, und Montag bereits ein Pensionist ist. Die wesentlichen Kontakte gehen verloren trotz
vieler Versprechungen.
Ich glaube, es ist unsere Pflicht, immer neue Anstrengungen auf dem Gebiete der Vorsorge für das
Alter zu unternehmen, und neue Ideen und Einrichtungen sollten eigentlich der Dank an jene
Generation sein, der wir die Gegenwart verdanken. Der Fortschritt der Medizin hat es mit sich
gebracht, daß die Zahl der alten Menschen ständig steigt und daß auch viele chronisch Kranke länger
überleben als früher. Nur kann die Betreuung und Pflege dieser Menschen vielfach nicht mehr von
den Angehörigen durchgeführt werden, weil es entweder die Wohnungsverhältnisse nicht zulassen,
oder die Berufstätigkeit der Kinder dem entgegensteht. Aus diesem Grunde müssen wir trachten, daß
in allen Landesteilen Altenheime zur Verfügung stehen. Daher begrüße ich es, daß im
außerordentlichen Teil des Voranschlages für das Jahr 1975 die präliminierten Neuerrichtungen oder
die Endfinanzierung von Landesaltenheimen in Preßbaum, Bad Vöslau und Stockerau zu finden sind.
(Landeshauptmannstellvertreter Ludwig: Das ist keine Bürgermeisterin!) Oh doch, ich bin
Vizebürgermeisterin, Herr Landeshauptmannstellvertreter. Bei der ersten Sitzung des
Sozialhilfebeirates, die am vergangenen Freitag stattfand, wurde der Beirat bereits informiert über die
nächsten diversen Planungen von Um-, Ausbauten bzw. Erweiterungen von Landesaltenheimen,
wobei es sich um keine Vollständigkeit handelt, sondern das sind ja Planungen, wo bereits
Beschlüsse in den Bezirksfürsorgeverbänden vor dem 30. Juni 1974 stattgefunden haben und wo
auch zum Teil Rücklagen vorhanden sind. Aber ich möchte jenes Gremium bitten, das dann über
diese Vorlagen, über diese Planungen zu bestimmen hat, doch Prioritäten zu setzen, denn ich kann
mir nicht vorstellen, daß wir das alles auf einmal verkraften können. Es ist im Sozialhilfebeirat bereits
aufgezeigt worden, daß es das Land vielleicht leichter verkraften wird als die Gemeinden. Wir haben
von dieser Stelle schon gehört, daß alle Gemeinden überrascht waren, daß die Vorschreibungen für
die Sozialhilfe so angestiegen sind. Auch der Herr Landeshauptmannstellvertreter hat von dieser
Stelle erklärt: „Lassen wir einmal ein Jahr verstreichen, dann werden wir uns das Ganze ansehen.“
Daher bitte ich dieses Gremium, wirklich zu trachten, daß nicht alles auf einmal durchgeführt wird.
Ich glaube, daß wir bei der Planung von Altenheimen darauf Bedacht nehmen müssen, daß sie nach
Möglichkeit in Städten gebaut werden oder bei Randgemeinden im engeren Siedlungsgebiet. Meine
Damen und Herren, warum sage ich das? Wir haben voriges Jahr in meinem Bezirk, in
Scheiblingkirchen, ein wunderschönes Altenheim seiner Bestimmung übergeben. Die Insassen haben
sich lobend über das Heim ausgesprochen, aber nur sind viele mit der Lage nicht zufrieden, weil es
etwas abseits liegt und die Verbindung zur nächstgelegenen Stadt sehr ungünstig ist. Ich habe sogar
wiederholt gehört, daß der Wunsch vorherrscht, nach Gloggnitz in das weniger moderne Heim zu
kommen, das auch in meinem Bezirk liegt, mit der Begründung: dort hat man die Möglichkeit des
Auslagenbummels und dort fühlt sich der ältere Mensch von der Außenwelt nicht so isoliert, wie dies
eben in Scheiblingkirchen der Fall ist. Ja, es fällt sogar auf, daß bei verschiedenen Altenheimen, wo
die Balkone zum Beispiel den Blick auf eine Straße oder auf einen Haupteingang haben, diese von
den alten Menschen lieber in Anspruch genommen werden, als etwa Balkone mit dem Blick in ein
schönes landschaftliches Panorama. Es ist ja ganz verständlich, daß der ältere Mensch eine
Ablenkung, eine Zerstreuung sucht und sich dort lieber aufhält, wo er glaubt, diese zu finden.
Bei Eröffnung des Heimes in Scheiblingkirchen sind durchwegs, ich möchte fast sagen, rüstige
Pensionisten auf genommen worden. Aber es zeigen sich jetzt schon Schwierigkeiten und diese
werden natürlich in den nächsten Jahren sogar größer werden. Daher, meine Damen und Herren,
werden wir bei der Planung von Altenheimen in Zukunft nicht vergessen dürfen, auch Pflegebetten
miteinzubauen. Dieses Problem ist sehr schwierig, und wir sehen das in Scheiblingkirchen, wenn ein
Fall zum Pflegefall wird. Dann muß der Patient in das nächstgelegene Krankenhaus, und es muß
gewartet werden, bis ein freies Bett in einem Pflegeheim zur Verfügung steht. Aber wie schwierig es
ist, einen älteren Menschen an eine neue Umgebung anzugewöhnen, das, glaube ich, brauche ich
hier nicht besonders erwähnen. Daher müssen wir bei den Planungen allen diesen Gesichtspunkten
Rechnung tragen.
Eines habe ich im vorliegenden Voranschlag für das Jahr 1975 vermißt, und zwar eine Ansatzpost für
die Planung oder Errichtung eines Landespflegeheimes. Ich habe bereits im Sozialhilfebeirat auf die
Dringlichkeit von Pflegebetten in Niederösterreich hingewiesen und festgestellt, daß es hier einen
echten Engpaß gibt. Wir haben in Niederösterreich 230 Pflegebedürftige, die für eine Aufnahme in
unseren Pflegeheimen vorgemerkt sind. Meine Damen und Herren! Hier gibt es Wartezeiten von
einigen Monaten. Jeder von uns wird schon einmal einen dringenden Fall gehabt haben, und er mußte
dann plötzlich feststellen, daß es gar nicht möglich ist, von heute auf morgen in einem Pflegeheim ein
freies Bett zu bekommen. Ich glaube, jene Fälle, die an uns Abgeordnete herangetragen werden, sind
immer sehr, sehr dringend. Es ist dann oft schwierig, dem Betreffenden sagen zu müssen, er müsse
sich etwas gedulden, in absehbarer Zeit werde sich bestimmt eine Möglichkeit ergeben. Aber auch
unsere Spitäler schalten uns öfter ein, weil ein Akutbett durch einen Pflegefall längere Zeit blockiert ist
und dieses Bett dringend benötigt wird.
Meine Damen und Herren, die Praxis sieht doch so aus, daß ein alter Mensch für immer seine Augen
schließen muß, damit wir über ein freies Bett verfügen. Ich bin der Meinung, daß dieser Engpaß, den
es nicht erst seit heute gibt, nicht immer vor uns hergeschoben werden darf, sondern daß wir trachten
müssen, ihn einer ehesten Lösung zuzuführen. Einer Dokumentation, die sich betitelt „Altenhilfe in
Österreich“, zusammengestellt vom Arbeitskreis Altenbetreuung des Österreichischen Komitees für
Sozialarbeit und des Österreichischen Städtebundes, konnte ich entnehmen, daß die Statistik zeigt,
daß die Versorgung von Pflegebetten in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Tirol und
Vorarlberg, bezogen auf die Wohnbevölkerung, am schlechtesten ist. Auf 100 Einwohner kommen
jeweils nur rund 0,4 Pflegebetten. Es mag sein, daß hier eine Änderung eingetreten ist, denn diese
Statistik wurde laut Unterlagen aus dem Jahre 1972 zu Beginn des Jahres 1973 erstellt. Wir dürfen
aber nicht übersehen, daß uns viele Akutbetten durch das Nichtvorhandensein von Pflegebetten in
unseren Krankenanstalten verlorengehen.
Meine Damen und Herren! Im Sozialhilfebeirat hat Herr Primarius Dr. Riegler vom
Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Mauer bei Amstetten aufgezeigt, daß einige
seiner Patienten seine Anstalt bereits verlassen könnten, doch scheitert dies an freien Plätzen in
Pflegeheimen. Außerdem hat er aufgezeigt, daß solche Fälle im Krankenhaus natürlich viel, viel teurer
kommen, als dies in einem Pflegeheim der Fall wäre. Besonders viele Vormerkungen gibt es auf der
Südbahnstrecke, obwohl dort das Landespflegeheim Wiener Neustadt mit der größten Bettenkapazität
von 265 Betten besteht und obendrein noch Hochegg mit 36 Betten vorhanden ist. Aber hier scheint
sich nach Aussage des Herrn Landesfinanzreferenten im Sozialhilfebeirat eine Aussicht anzubahnen,
und zwar durch die Erweiterung des Heimes in Hochegg um weitere 70 Betten. Aber auch in den
anderen Landesteilen, meine Damen und Herren, gibt es einen Engpaß. Wenn wir bedenken, daß der
medizinische Fortschritt das Leben der Menschen verlängert, die Menschen jedoch nicht rüstig und
gesund bleiben, so müssen wir damit rechnen, daß diese Zahl in den nächsten Jahren noch ansteigen
wird.
Ich möchte Ihnen hier ein paar Vergleichsziffern geben, immer bezogen auf Dezember des Jahres. Es
sieht ja so aus, daß sie sich von Monat zu Monat ändern. Im Jahre 1971 gab es 111 Vormerkungen,
1972 116, 1973 182 und 1974 222. Meine Damen und Herren! Damit aber alle Menschen in unserem
Lande einem gesicherten und menschenwürdigen Lebensabend entgegensehen können, ist es eine
Verpflichtung der Gesellschaft, ich möchte sagen, unserer Gesellschaft, die Voraussetzungen dafür zu
schaffen, daß die dringenden fehlenden Pflegebetten geschaffen werden. Ich erlaube mir, dazu einen
Resolutionsantrag zu stellen:
Resolutionsantrag
der Abg. Tribaumer
zu Gruppe 4 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Derzeit stehen den pflegebedürftigen Menschen in Niederösterreich 577 Betten in den Pflegestationen
der Landesaltenheime und 912 Betten in den Landespflegeheimen zur Verfügung. Das bedeutet, daß
gegenüber dem im Raumordnungsprogramm für das Gesundheitswesen festgestellten Bedarf von
1930 Betten noch immer 441 Betten fehlen.
Es bestehen bereits Bemühungen, durch den Ausbau der Landesaltenheime weitere Betten in
Pflegestationen zu schaffen. Es muß aber festgehalten werden, daß in diesen Pflegestationen nur
jene Personen aufgenommen werden, die in diesen Heimen wohnen und deren körperlicher Zustand
Pflege mit geringerer Intensität und kurzer Dauer notwendig macht. In den Landespflegeheimen
hingegen sollen Menschen untergebracht werden, deren chronisch-somatisches Leiden eine intensive
Pflege auf Dauer erfordert, welche weder im häuslichen familiären Rahmen noch in einer Pflegestation
geboten ist.
Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Zahl dieser intensiven Pflegebedürftigen steigt und ständig
mehr als 200 Vormerkungen bestehen, ergibt sich eine Wartezeit von drei bis sechs Monaten. Es
treten oftmals nicht nur schwere Härtefälle für die Angehörigen der Pfleglinge auf, sondern es kommt
auch immer wieder vor, daß diese leidgeprüften Menschen das Freiwerden eines Pflegeplatzes nicht
mehr erleben.
Die Landesregierung wird daher aufgefordert, den Ausbau oder Neubau von Landespflegeheimen
entsprechend dem festgestellten Bettenbedarf an geeigneten Standorten insbesondere in Gemeinden,
die Sitz einer Krankenanstalt sind, zu veranlassen.
Ich bitte Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Und nun ein paar Gedanken zur Behindertenhilfe in unserem Lande. Ich weiß, wir haben auf diesem
Gebiet sehr viel geleistet und sind ständig dabei, uns zu verbessern. Wir haben in Niederösterreich so konnte ich es vor kurzem aus einer Zeitung lesen und auch meine beiden Vorrednerinnen haben
es in ihren Reden bereits aufgezeigt - einen Geburtenrückgang zu verzeichnen, jedoch die Zahl der
behindert geborenen Kinder ist im Ansteigen begriffen. Wir bemühen uns um die Früherfassung und
Frühbehandlung des Behinderten, weil wir nach dem Grundsatz handeln, der Behinderte ist ein
gleichwertiger Bürger in unserem Lande, und wir müssen ihm die Möglichkeit der Anpassung geben.
Wir subventionieren und fördern alle jene Einrichtungen, die dazu dienen, den Behinderten in allen
Lebenslagen Hilfe zu bieten.
Ich möchte hier zum Beispiel das Behindertenförderungsdorf in Sollenau erwähnen, welches vor
kurzem feierlich eröffnet worden ist. Eine einmalige Idee von Direktor Rycker, in Sollenau ein Dorf für
geistig behinderte Kinder zu bauen, damit sie nach der Schule einen Arbeits- und einen Wohnplatz
haben. Und manche mögen von der Idee des Herrn Direktor Rycker nicht begeistert gewesen sein,
oder haben vielleicht seine Idee als Utopie hingestellt. Doch Direktor Rycker hat seine Pläne
verwirklicht. Heute wird diese Einrichtung als einmalig hingestellt, und wir Niederösterreicher freuen
uns, daß wir sie in unserem Lande haben.
Trotz der vielen Maßnahmen, die wir als Land setzen, mußte ich erst kürzlich erfahren, daß Eltern von
behinderten Kindern gar nicht wissen, welche Möglichkeiten ihnen das Land bietet. Ich möchte sagen,
hier herrscht ein echter Informationsmangel. Vor vier Wochen fand in meinem Bezirk die
konstituierende Sitzung des Vereines der Eltern geistig und körperlich behinderter Kinder statt, wozu
ich eingeladen worden bin. Es war mir zum Beispiel unverständlich, als ich dort hörte, daß ein
Großvater, der für ein behindertes Kind aufkommt, gar nicht weiß, daß er die Möglichkeit hat, für
dieses behinderte Enkelkind die doppelte Kinderbeihilfe zu bekommen. Aber ich glaube, der
Informationsmangel ist auch oft dadurch hervorgerufen, daß sich Eltern einfach schämen, ein
behindertes Kind zu haben und sich daher scheuen, Informationen einzuholen. Ich begrüße es daher,
daß sich ein Arbeitskreis des Österreichischen Komitees für Sozialarbeit gebildet hat, der beabsichtigt,
eine Dokumentation, wie die der Altenhilfe, herauszugeben, und zwar eine solche für rehabilitierbare
und nichtrehabilitierbare Behinderte. Hier soll ein Katalog über sämtliche Einrichtungen in ganz
Österreich erstellt werden. Darin soll auch der Bedarf, den wir hier noch haben, festgehalten sein. Ich
glaube, daß diese Dokumentation allen jenen eine sehr große Hilfe sein wird, die mit
Rehabilitationsmaßnahmen konfrontiert werden.
Meine Damen und Herren! Ich glaube aber auch, daß wir uns in Zukunft mehr um geschützte
Arbeitsplätze und um Beschäftigungstherapie für behinderte Kinder umsehen müssen. Wie mir
bekannt ist, gibt es bereits in einigen Bezirken Arbeitsämter, die mit den Betrieben ihres Bezirkes
einen sehr innigen Kontakt haben und die geeigneten Arbeitsplätze kennen und auch zur Verfügung
haben. Und ich glaube, wir sollten uns bemühen, daß das in allen Bezirken möglich ist. Unsere
Teamberatung ist eine sehr, sehr gute Einrichtung, denn sie stellt die jeweiligen
Rehabilitationsmaßnahmen fest. Eines jedoch vermisse ich. Das ist die Überwachung der durch das
Team angeordneten Maßnahmen. Hier, glaube ich, wäre die Einstellung eines Sachverständigen,
insbesondere auf medizinischem Gebiet, dringend notwendig. Diese Kontrolle wäre zum Beispiel
während eines Arbeitsversuches oder bei der Arbeitserprobung sowie während der ersten
Arbeitswochen erforderlich.
Noch ein Wunsch, den ich hier gerne anbringen möchte: Vielleicht besteht die Möglichkeit, daß wir alle
zwei Monate - ich weiß schon, jeden Monat wird es auf keinen Fall möglich sein - Sprechtage in den
Bezirken abhalten können, wobei natürlich Vertreter des Invaliden- und des Arbeitsamtes nicht fehlen
dürften. Mir ist bekannt, daß es nicht einfach ist, die entsprechenden Fachleute zu bekommen. Aber
mir ist es auf der einen Seite auch unverständlich, daß, wenn wir schon eine gute Kinderpsychologin
haben, diese vom Referat zwei- oder dreimal pro Woche abgezogen und als Amtsarzt bei der
Bezirkshauptmannschaft in Neunkirchen eingesetzt wird. Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß
die Sozialhilfe bzw. die Sozialarbeit nur durch eine sachkundige, gezielte und weit angelegte
Öffentlichkeitsarbeit ihr Image verbessern kann. Vielleicht ist es auch möglich, dadurch die
Personalnot zu überwinden und bestimmte Notstände in der Gesellschaft sichtbar zu machen.
Ich möchte zum Abschluß allen jenen Dank sagen, die sich das ganze Jahr echt bemühen, den
Behinderten in unserem Lande zu helfen. Nur dann, wenn wir tatkräftig mithelfen und gemeinsam an
die Arbeit gehen, können wir das schwere Los der Behinderten in unserem Lande lindern. (Beifall im
ganzen Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als nächster Redner zur Gruppe 4 kommt der Abg. Romeder zum
Wort. Ich erteile es ihm.
Abg. ROMEDER: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Gestatten Sie mir eingangs ein paar Bemerkungen zum Resolutionsantrag meiner
Vorrednerin Abg. Tribaumer. Die ÖVP-Fraktion freut sich, daß hier auch die SPÖ der gleichen
Meinung ist wie die ÖVP, die bereits seit jeher die Ansicht vertreten hat, daß die Sozialpolitik
schlechthin einen bedeutenden Platz in der Landespolitik Niederösterreichs einzunehmen hat und die
konkrete Forderung nach Schaffung von Fürsorgeheimen im Laufe der nächsten Zeit auf Grund der
finanziellen Möglichkeiten einer entsprechenden Realisierung zugeführt wird. Wie ich informiert bin,
hat der zuständige Referent, Herr Landeshauptmannstellvertreter Ludwig, seit er dafür verantwortlich
ist - das ist seit der letzten Landtagswahl -, entsprechende Initiativen ergriffen. So ist für das
Fürsorgeheim in Tulln bereits eine Vorplanung im Gange, und man erwartet sich, daß für Ende 1975,
spätestens aber im Jahre 1976, der Baubeginn ins Auge gefaßt werden kann. Auch sind für die
Schaffung eines Fürsorgeheimes in Hochegg Gespräche zur Vorbereitung der Realisierung im Gange.
Es sollen in dem bestehenden Kurhaus 60 bis 70 zusätzliche Betten untergebracht werden. Wir freuen
uns, daß vom zuständigen Referenten, Herrn Landeshauptmannstellvertreter Ludwig, bereits sehr
notwendige und daher sicherlich kräftige Initiativen ausgegangen sind, und wir hoffen, daß auf Grund
der finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes Niederösterreich in Zukunft eine
Verwirklichung möglich ist.
In der Südbahngegend besteht aber auch ein anderes entscheidendes Projekt, das hier sehr lobend
hervorgehoben werden muß. Und zwar hat Direktor Rycker in Sollenau ein Dorf geschaffen, das
speziell den körperbehinderten Kindern zur Verfügung steht. Hier wurde eine neue Idee verwirklicht.
Es wurden Menschen, die von der Gesellschaft praktisch ausgestoßen waren, wiederum in diese
Gesellschaft zurückgeführt und eingegliedert. Ich persönlich bin der Meinung, daß diese neue Idee
des Herrn Direktor Rycker in Sollenau genauso Zukunft hat wie die Überlegungen im Rahmen der
Kinderdörfer. Wir brauchen solche Einrichtungen, wenn wir Menschen, die von Natur aus unter ihrer
Behinderung schwerstens zu leiden haben, eine Heimat geben sollen, wo sie die Möglichkeit haben,
auf breiterer Basis eine entsprechende Berufsausbildung zu genießen.
Aber gestatten Sie mir zum Kapitel 4 einige grundsätzliche Bemerkungen. Der Landesfinanzreferent
Ludwig hat bereits genauso wie beide Generalredner und auch ein Großteil der Spezialredner zu
anderen Kapiteln darauf hingewiesen, daß ein Schwerpunkt dieses Budgets sicher auch die
Sozialhilfe ist. Ich bin daher der Meinung, daß sich auf Grund des neugeschaffenen
Sozialhilfegesetzes, das wir in diesem Hause einstimmig beschlossen haben, bei der heutigen
Budgetdebatte im Rahmen der Sozialpolitik sicher kaum Meinungsverschiedenheiten ergeben werden,
weil alle Intentionen, die wir in den letzten Jahren angestrebt und für die wir gekämpft haben, mit
Überzeugung gekämpft haben, in diesem Sozialhilfegesetz, größtenteils, vom heutigen Standpunkt
aus gesehen, möchte ich fast sagen, zur Gänze verwirklicht werden konnten. Es ist ja nur eine
Angelegenheit finanzieller Natur, dieses Gesetz zur Gänze auszuschöpfen sowie alle Möglichkeiten,
die das Gesetz der Verwaltung gibt, entsprechend durchzuführen.
Nur eines hat mich erstaunt. Wir haben dieses Landesgesetz bei seiner gemeinsamen
Beschlußfassung als Niederösterreichische Sozialcharta bezeichnet. Bereits heute wurden vor allem
von Seiten der Gemeinden Beschwerden laut. Obwohl wir alle gewußt haben, welche Konsequenzen
der Beschluß auch für die Gemeinden mit sich bringt - ich kann es auch als Bürgermeister sagen,
denn wir leiden ja genauso darunter -, haben wir diesen Passus einstimmig beschlossen. Man sagte
sich dabei, alles recht nett und schön, nur kosten soll es nichts, zahlen soll eigentlich niemand
müssen. Diese Konsequenz ist natürlich nicht ganz logisch, denn wir waren uns auch über die
Aufteilung im klaren, obwohl wir alle sicherlich der Meinung sind, daß sich die Auswirkungen erst im
Laufe der Jahre ergeben werden und dann auch über die Finanzierung neue Überlegungen
anzustellen sind. Daß aber die Konsequenzen aus diesem Gesetz sehr viel Geld kosten werden,
darüber brauchten wir uns bei der Beschlußfassung keinerlei Illusionen hingeben oder sonstige nicht
zielführende Oberlegungen anstellen. Ich sage daher ganz bewußt, daß der Zuschuß des Landes
Niederösterreich von 30% zu den Unkosten sehr erfreulich ist, weil anläßlich der Beschlußfassung des
Sozialhilfegesetzes durchgeführte Berechnungen ergeben haben, daß bei Zugrundelegung der
damaligen Fakten der Anteil der Gemeinden noch höher gewesen wäre. Sicher, eine Ausweitung der
materiellen Leistungen war zu erwarten und somit auch eine Kostenexplosion, die sich bereits jetzt
einstellt. Diesbezüglich bin ich auch der Meinung meiner Vorrednerin, daß daher in Zukunft neue
Oberlegungen der Finanzierung notwendig sein werden. Sicherlich werden auch im Rahmen des
Finanzausgleiches Überlegungen in bezug auf die Gemeinden anzustellen sein. Denn wenn sowohl
von den Gemeinden als auch vom Land entsprechende Kosten für die behinderten Menschen oder für
Arbeiten, die zu leisten sind, aufgebracht werden müssen, dann sind diese in die kommenden
Finanzausgleichsverhandlungen einzubeziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn heute davon gesprochen wurde, daß der Bau von
neuen Altenheimen speziell eine Aufgabe für die Zukunft ist, dann glaube ich, sind wir uns darüber im
klaren, daß dies in einer Zeit erfolgt, wo sich die gesellschaftlichen Aufgaben schlechthin ändern und
somit auch die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten. Wie bereits meine Vorrednerin ausgeführt hat,
können wir auf Grund der medizinischen Erkenntnisse feststellen, daß in der heutigen Zeit Gott sei
Dank die Menschen älter werden können, daß die Lebenserwartung steigt, aber auf der anderen Seite
damit verbunden ist, daß diese alten Menschen immer mehr der Vereinsamung ausgesetzt sind. Auch
hier eine Konsequenz der heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten: Von der Großfamilie der
Vergangenheit sind wir zur Kleinfamilie der Gegenwart gekommen. Diese Kleinfamilie hat meist auch
räumlich kaum die Möglichkeit, für die Eltern oder Schwiegereltern zu sorgen, bzw. ist die Verbindung
zwischen Eltern und Kindern oft so abgerissen, daß Besuche und Kontaktnahmen oft nur mehr bei
Familienfesten erfolgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch dieser Vereinsamung ist in Zukunft entsprechend zu
begegnen. Ich glaube, das ist eine Aufgabe und eine Verpflichtung, die wir alle gemeinsam zu
übernehmen haben, sind es doch die Menschen, die in der Vergangenheit in ihrem Berufsleben
entscheidend dazu beigetragen haben, daß wir heute den Lebensstandard haben, dessen wir uns
erfreuen. Daher, glaube ich, ist es unsere zukünftige Aufgabe, als Dank an diese Menschen im
Rahmen der Sozialpolitik, im Rahmen der Sozialhilfe entsprechend vorzusorgen. Wie der
Generalredner der ÖVP, Abg. Kellner, zu diesem Budget angeführt hat, wird man sicherlich neue
Wege suchen müssen, nämlich im Hinblick auf die echte psychologische Betreuung der alten
Menschen, die oft sehr empfindlich und nicht mehr so flexibel sind, um sich umstellen zu können.
Auch merken wir sehr oft, wenn sie in Heime eingewiesen werden, in sehr neue moderne Heime, die
alle Raffinessen bieten, daß sie kaum in der Lage sind, sich einzugewöhnen und daß man es diesen
Menschen sehr oft erleichtern würde, wenn sie ein Stück Heimat, die eigene Wohnungseinrichtung,
mitnehmen könnten. Gott sei Dank ist ja in manchen Heimen diese Möglichkeit gegeben. Aber ich
möchte wie der Abg. Kellner noch einmal anregen, ob man einerseits nicht doch die psychologische
Betreuung verbessern könnte und andererseits in baulicher Hinsicht durch entsprechende
Altenappartements vorsorgen sollte. Ich bin überzeugt, daß auch die Jugend, die den alten Menschen
sehr viel verdankt, Verständnis dafür hat, daß dies nur durch entsprechende finanzielle Leistungen
realisiert werden kann. Das Abgabenrecht gibt dem Gesetzgeber hierzu die Möglichkeiten, auf die ich
hier nur ganz kurz verweisen wollte.
Nun, wie schlägt sich die soziale Einstellung des Landes Niederösterreich nach einem halben Jahr
des Bestehens des Sozialhilfegesetzes - wir können sagen, daß wir, verglichen mit den übrigen
Bundesländern, vielleicht das modernste haben - budgetmäßig nieder? Budgetmäßig zeigt sich, daß
die Sozialhilfe einen echten Schwerpunkt im gesamten Landesbudget - ich sagte es bereits eingangs darstellt. Allein der neu eröffnete Abschnitt 43, Sozialhilfe, umfaßt heuer einen Ausgabenrahmen von
608 Millionen Schilling gegenüber den aufgelassenen Abschnitten Offene und Geschlossene Fürsorge
im Jahre 1974 von rund 142 Millionen Schilling. Hierzu kommen noch die neu übernommenen 34
Altenheime, eine notwendige Zukunftsaufgabe, auf die ich bereits hingewiesen habe, die ebenfalls
einen Ausgabenrahmen von 123 Millionen Schilling aufweisen. Dazu kommen zwei neu
übernommene Jugendheime, ebenfalls mit einem Ausgabenrahmen von fast 11 Millionen Schilling.
Außerdem werden im Voranschlag 1975, auf der Sozialhilfe basierend, für den Aus- und Neubau der
Landesaltersheime ca. 90 Millionen Schilling ausgewiesen.
Ich persönlich bin der Meinung, daß hier für unsere alten und älteren Menschen eine kräftige Initiative
ausgeht. Ich begrüße diese Initiative, die sich in Neubauten, Zu- und Umbauten äußert, und darf
nochmals darauf verweisen, daß sie notwendig ist und einen echten Schwerpunkt im Budget darstellt.
Nur eines zeigt sich, und darauf hat bereits auch meine Vorrednerin Tribaumer hingewiesen: Man soll
bei den Baumaßnahmen mit entsprechender Oberlegung vorgehen, weil sie ja sehr viel Geld kosten.
Sowohl das Land Niederösterreich, das auch andere Aufgaben zu erfüllen hat, braucht entscheidende
Mittel, um in Zukunft die gesellschaftlichen Anforderungen zu meistern, aber auch den Gemeinden
wird sehr viel Geld abverlangt, um die zukünftigen Aufgaben in den Griff zu bekommen. Daher leiden
wir gemeinsam auch bei allen Maßnahmen, wie bei Bauvorhaben auf dem Kindergarten- und
Schulsektor, unter der ungeheuer großen Baupreiskostensteigerung und der Inflation, die sich auch
hier niederschlägt. Zusätzlich haben wir gemeinsam die Schwierigkeit der Geldaufbringung zu
meistern, wo doch die Kreditrestriktion genauso wie beim Schul- und Kindergartenbau die größten
Probleme mit sich bringt und es uns sehr schwer macht, die Baumaßnahmen so voranzutreiben, wie
wir es gerne hätten. Hoffen wir nur, daß von der Bundesregierung auch über das Budget endlich
Maßnahmen gesetzt werden, um die Kosteninflation am Baupreissektor, die es uns in den letzten
Jahren so schwer gemacht hat, doch langsam in den Griff zu bekommen. Wollen wir uns dies
gemeinsam wünschen, denn sonst werden wir trotz weitaus höherer Mittel, als sie im Budget 1975
vorgesehen sind, auch in Zukunft nicht in der Lage sein, unsere Aufgaben auf diesem Sektor zu
erfüllen.
Schwerpunkte im Sozialbudget selbst. Hier ist die Ausbezahlung des Pflegegeldes ein wichtiger
Punkt. Ich darf auch hier noch einmal wiederholen, daß wir gerade im ländlichen Raum sehr stolz
darauf sind, daß wir durch unsere Initiativen den Boden vorbereitet haben, im Rahmen des
Sozialhilfegesetzes das Pflegegeld im heute notwendigen Ausmaß einer Verwirklichung zuzuführen.
Speziell viele alte Frauen, die, weil sie auf Grund der rechtlichen Situation von ihrer
Sozialversicherungsanstalt keine Pension oder Rente beziehen oder keinen Hilflosenzuschuß erhalten
können, haben die Möglichkeit, über die zuständige Gemeinde und die Bezirkshauptmannschaft ein
Pflegegeld zu beantragen. Hier konnten wir bereits in sehr vielen echten Härtefällen diesen Menschen
eine entsprechende finanzielle Hilfe gewähren. Ich glaube, daß sich gerade die Einführung des
Pflegegeldes in Zukunft sehr positiv und vorteilhaft auswirken wird.
Aber auch der eingesetzte Sachverständigendienst, der heute bereits erwähnt wurde, ist meines
Wissens sehr erfolgreich am Werk. Arzte, Psychologen und Juristen beraten die Eltern. 22 Sprechtage
konnten in den ersten neun Monaten des heurigen Jahres abgehalten werden. Und wenn man sich
vor Augen hält, daß die Eltern von 790 Kindern eine Beratung erhielten, dann sieht man auch hier
eine entsprechende Breitenwirkung. Zusätzlich wurden noch an 20 Tagen 142 Kinder und teils auch
erwachsene Behinderte zu Hause an Ort und Stelle besucht, um sie entweder über eine
entsprechende Schulbildung oder eine zumutbare Beschäftigung zu beraten, und wo bzw. wie eben
diese Dinge verwirklicht werden können.
Auch die Rehabilitationskontrollen, durch die in den ersten neun Monaten 317 Behinderte erfaßt
wurden, haben sich sehr positiv ausgewirkt, genauso wie die medizinische Heilbehandlung im
Zusammenhang mit der logopädischen Behandlung von Kindern, mit der Durchführung von
Sommersprachheilkursen, Sprachheimen und dergleichen mehr. Auch die orthopädische Versorgung,
wie die Anschaffung von Körperersatzstücken und anderen Hilfsmitteln, hat sich sehr positiv
ausgewirkt und beweist, daß wir im heurigen Jahr gemeinsam ein der Zeit angepaßtes, modernes
Gesetz, das Sozialhilfegesetz, verabschieden könnten, das uns in Zukunft sicher in die Lage versetzt,
den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Als weiteren Schwerpunkt möchte ich noch ganz kurz auf die Hilfe für einen geschützten Arbeitsplatz
verweisen. Auch hier leistet das Land Niederösterreich einen entsprechenden Zuschuß an den
Arbeitgeber, damit er überhaupt in die Lage versetzt wird, diesen geschützten Arbeitsplatz zu schaffen
und zur Verfügung zu stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen ja, daß der
geschützte Arbeitsplatz den Arbeitgeber sehr viel Geld kostet, denn dieser muß auch in der
wirtschaftlichen Konkurrenz bestehen. Daher bildet dieser Landeszuschuß die Voraussetzung, um in
Zukunft den Unternehmer zu animieren, diese geschützten Arbeitsplätze zu schaffen und sie zur
Verfügung zu stellen.
Abschließend einige Bemerkungen zu den Altenheimbauten. 32 Altenheime und zwei Kinderheime
sind seit 1. Juli dieses Jahres in das Eigentum des Landes Niederösterreich übergegangen. Circa
4000 Betten, hiervon ca. 577 Pflegebetten, stehen zur Verfügung. Wie ich bereits vorhin erwähnt
habe, hat der Herr Landeshauptmannstellvertreter weitere Initiativen ergriffen, um die Pflegebetten in
Zukunft entsprechend zu vermehren. Er hat auch darauf hingewiesen, daß es notwendig ist, die
kommende Entwicklung genau zu untersuchen, um sie vorherschaubar zu machen. Das ist deswegen
sehr wichtig, weil wir wissen müssen, wie viele Kosten zum Beispiel so ein Pflegebett mit sich bringt,
wie viele Kosten diese Altenheime dem Land und den Gemeinden auf Grund der heutigen
Gesetzeslage überhaupt aufladen.
Ich hoffe daher, daß die angekündigte notwendige Sozialstrukturerhebung ehebaldigst durchgeführt
wird, denn nur dann, wenn entsprechende Unterlagen zur Verfügung stehen, kann auch hier geplant
und gezielt gebaut werden. Ich glaube aber, daß es auch notwendig ist, in unserer Bevölkerung
entsprechendes Verständnis für die Maßnahmen zu wecken, die das Land Niederösterreich auf
diesem Gebiete trifft, bzw. auf Grund der gesetzlichen Möglichkeiten treffen kann. Daher ist es
notwendiger denn je, die Bevölkerung Niederösterreichs auf breitester Basis aufzuklären und über alle
Möglichkeiten, die das Sozialhilfegesetz gibt, zu informieren. Denn was nützt es unserer Bevölkerung,
wenn diese gesetzlichen Möglichkeiten wohl bestehen, aber die Menschen dieses Landes über ihre
Möglichkeiten nicht im entsprechenden Ausmaß informiert sind. Ich begrüße daher die angekündigte
Herausgabe eines Informationsdienstes sehr, weil ich der Meinung bin, daß dies der richtige Weg ist,
der sicherlich helfen wird, unsere niederösterreichische Bevölkerung entsprechend aufzuklären und
auf die Möglichkeiten hinzuweisen.
In Niederösterreich, glaube ich, hat seit heuer auch für die behinderten und älteren Meschen die
Zukunft begonnen. Wir sind bereit, entsprechend mitzuhelfen und Vorsorge zu treffen, daß man auch
in den kommenden Jahren die älteren und behinderten Menschen nicht vergißt. Sie brauchen unsere
Unterstützung, und ich bin überzeugt, daß sich gerade bei diesem Problem unsere Wege wieder
finden werden. Wenn wir auch hie und da Kritik üben, so hoffe ich doch, daß diese Kritik dazu
beitragen wird, den älteren Menschen und den Behinderten in diesem Lande zu helfen. Sie brauchen
unsere Hilfe, ja, sie sind auf diese angewiesen. Sie haben in der Vergangenheit beim Aufbau unseres
Landes Entscheidendes geleistet, und es ist eine moralische Verpflichtung, sie nicht zu vergessen und
sie wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch nicht im Stich zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als nächster Redner gelangt der Abg. Bieder zu Wort. Ich erteile es
ihm.
Abg. BIEDER: Herr Präsident! Hohes Haus! Verehrte Damen und Herren! Ich erlaube mir heute, ein
ganz spezielles Problem herauszugreifen, welches dem Vernehmen nach schon von Amts wegen ein
wenig strittig ist. Die einen vertreten die Auffassung, es gehöre in die Gruppe 4, Fürsorgewesen, die
anderen meinen, und dazu gehöre auch ich, es in der Gruppe 5 etablieren zu müssen. Obwohl es
weder da noch dort exakt aufscheint, bin ich in meiner Auffassung tolerant genug, es dennoch in
diesem Kapitel zu behandeln. Es kommt mir wirklich nicht darauf an, ob jetzt, streng juristisch
gesehen, die eine Abteilung, nämlich VII/1, oder die andere Abteilung VI/3 zuständig ist. Mir kommt es
wirklich nur darauf an, daß meine Aussage ein echter Anstoß sein möge, daß auf diesem Gebiet nun
endlich gezielt ein weiterer fachlicher Schritt gemacht wird.
Es handelt sich, meine Damen und Herren, um die bedeutende Frage der psychiatrischen
Nachbetreuung. Ohne diese Nachbetreuung gibt es nach überzeugenden Aussagen prominentester
Fachleute heute in der modernen Psychiatrie auf weite Sicht gesehen einfach keinen großen
zielführenden Erfolg. Diese Erkenntnis ist keinesfalls neu. Ich möchte gar nicht den Blick ins Ausland
wenden; dort gäbe es in den nördlichen und westlichen Staaten sehr viele Beispiele. Im Lande
Salzburg zum Beispiel, das uns ja näher liegt, ist die Nachbetreuung psychisch Kranker seit mehr als
10 Jahren fix in die psychiatrische Behandlung integriert. Die Erfolge, die in solchen psychiatrischen
Krankenanstalten gegeben sind, lassen sich am Salzburger Beispiel einzigartig darstellen. Der Leiter
des Psychiatrischen Krankenhauses in Salzburg-Lehen, Herr Professor Harrer, wird uns gerne, meine
Damen und Herren, bestätigen - was übrigens auch Statistiken eindeutig beweisen -, daß die kürzeste
Verweildauer von psychisch Erkrankten, die in Salzburg seit Jahren mit Abstand gegeben ist, sehr
bedeutend auf die vorzüglich eingerichtete psychiatrische Nachbetreuung zurückzuführen ist.
Sie sehen daraus, daß dies nicht nur ein sehr wichtiger sozialer Faktor ist, sondern daß man sogar
den Rechenstift anlegen könnte. In Erkenntnis der Bedeutung dieser Tatsache, habe ich seit vielen
Jahren immer wieder versucht, die mir dafür zuständig erscheinenden Stellen auf diese Frage
hinzuweisen. Ich habe mit großer Beharrlichkeit immer wieder versucht, die da und dort verantwortlich
Tätigen von der unbedingt notwendigen aktiven Nachbetreuung psychisch Erkrankter zu überzeugen.
Immer wieder hatte ich, das sage ich gerne, nach solchen Gesprächen den Eindruck, daß vor allem
die Frau Landesrat, aber auch der beamtete Referent, der Herr Landessanitätsdirektor, den
Durchbruch bewerkstelligen würden, doch kann ich mich nicht ganz des Eindruckes erwehren, daß
der politische und in gleichem Maße auch der beamtete Referent irgendwie an dem
Paragraphengestrüpp gescheitert ist.
Ein tragischer Fall, der uns vor wenigen Wochen schockierte und der begreiflicherweise in der Presse
starkes Echo in Form von härtester Kritik gefunden hat, forderte vier Menschenleben. Unter anderem
hat eine Zeitschrift am 2. 10. dieses Jahres unter dem mir allerdings nicht ganz verständlichen Titel
„Zwangsjacke für den Todesengel“ noch dazu in der Rubrik „Kriminalität“ die Betreuung psychisch
Kranker sehr schockartig zur Diskussion gestellt. Als Beispiel, meine Damen und Herren, nur ein paar
konkrete Angaben. Der Maler und Dichter Erich Postenrieder war seit langem an Schizophrenie
erkrankt. Er wurde unter anderem im Psychiatrischen Krankenhaus Klosterneuburg behandelt und ca.
15 Monate zuvor geheilt entlassen. Ein paar Schlaglichter dazu. Ich möchte nichts aus dem
Zusammenhang reißen; ich zitiere das Profil vom 2. 10. 1974. Dort wird unter anderem geschrieben:
„1000 Menschen auf einem Raum für höchstens 800. Dreistöckige Betten zusätzlich in den 40-BettSälen. Klosett im Schlafsaal. Langjährig Internierte zusammengepfercht mit leichten Fällen.
Kloakegeruch in der Anstaltskleidung und in den Gängen, in denen sie auf- und abgehen wochenlang, jahrelang. Der Anstaltswagen mit den Gummirädern, auf dem jeden Morgen um 6.30 Uhr
und jeden Abend um 17.30 Uhr die gebrauchte Tages- und Nachtkleidung gestapelt wird. Eine jener
Anstalten, in denen den Hilfesuchenden das Menschsein mehr aberkannt wird als sonstwo.“ Ende des
Zitats. Das ist das Bild des Krankenhauses, wo diese kranken Menschen behandelt werden.
Erfreulicherweise, meine Damen und Herren, kann ich dazu sagen, daß wir vor kurzem den Plan, die
Zielplanung, für den Ausbau dieses Krankenhauses beschlossen haben, so daß angenommen
werden kann, daß diese Aussage nicht mehr sehr lange Gültigkeit hat. Ein zweites Zitat aus dem
gleichen Artikel: „Nach Gugging wäre er, nämlich Postenrieder, also dieser kranke Mensch, da
Nawratil nicht da war, nur mehr mit Gewalt gegangen. Nawratil, das ist ein bekannter Primarius des
Psychiatrischen Krankenhauses. Der Leiter des Psychiatrischen Krankenhauses, Herr Direktor
Primarius Dr. Lorenz, sagte dazu lediglich: Unsere Sache war es nicht, andere wären zuständig,
nämlich jene, die uns den Patienten von der Klinik Hoff zugewiesen hatten.“ Dazu möchte ich mich
jeder Bemerkung aus Ihnen sicher verständlichen Gründen enthalten. Der Leiter der
Fürsorgeabteilung des Landes erklärt: „Ich bin nicht zuständig, zumindest nicht direkt.“ Durchaus
richtig, ich könnte auch nichts anderes, so meine ich, sagen. Der Amtsarzt des Bezirkes sagt: „Ich
habe in meinem Bereich mehr als 100.000 Einwohner. Ich kann nicht jeden Geisteskranken“, ich
zitiere wieder wörtlich, „vorladen.“ Womit er natürlich auch recht hat. Und zum Schluß noch ein kurzes
Zitat aus dieser schon genannten Zeitschrift: „Er mußte töten und sterben, weil niemand da war, um
seine Notsignale zu erkennen und ihn zu betreuen. Was er tat, ist ebenso furchtbar wie das, was
andere unterließen. Somit muß gefragt werden, ob sein Verhalten nicht Teil eines viel größeren
Netzes von gestörtem Verhalten ist.“
Meine Damen und Herren! Aus dieser kurzen Abfassung von verschiedenen Zitaten können Sie
entnehmen, was hier wirklich los ist, welch verzweifelte Zustände hier leider noch immer gegeben
sind. Meiner Oberzeugung nach hat ein einziger Mann, nämlich unser Landessanitätsdirektor, Hofrat
Grubmüller, offen und ehrlich auch in der zitierten Zeitschrift das gesagt, was zu diesem Fall zu sagen
ist. Ich glaube, er ist auch der Mann, den man dazu befragen kann und natürlich auch befragen soll.
Herr Dr. Grubmüller sagt: „Nur durch eine exakte Beobachtung und Beratung wäre der
Zusammenbruch Postenrieders“, also dieses Patienten, „zu verhindern gewesen.“ Was heißt das in
der Praxis? Erstens das Fehlen von echten psychiatrischen Ambulatorien in unseren Psychiatrischen
Krankenanstalten. Zweitens das Fehlen der psychiatrischen Nachbetreuung. Demzufolge müßten in
den Psychiatrischen Krankenanstalten sehr rasch Ambulanzen unter Leitung eines dazu sicher
besonders geeigneten Psychiaters eingerichtet werden und diesem auch die psychiatrische
Nachbetreuung durch geeignetes psychiatrisches Krankenpflegepersonal überantwortet werden. Der
zitierte tragische Fall in Baden und hundert andere beweisen es, meine Damen und Herren, eindeutig,
daß ein Ausweg aus dieser Sackgasse - und ich glaube, daß Sie mit mir übereinstimmen - gefunden
werden muß. Diese angedeuteten Einrichtungen wären meiner Überzeugung nach der so notwendige
Ausweg, Nur so - dies wird auch unmißverständlich vom Herrn Sanitätsdirektor gesagt - kann dieses
Unglück für die Kranken und deren Umgebung verhindert werden. Ich bin sicher, daß man mir
erwidern wird, daß in Gugging für die nachgehende Betreuung bereits eine Fürsorgerin aufgenommen
wurde und daß man im Krankenhaus Mauer einen Vertrag mit der Caritas abgeschlossen hat, die
diese Aufgaben erfüllen soll.
Meine Damen und Herren! Mein voller Respekt vor diesen Institutionen und Personen, die sich hier
anbieten und sicher Gutes wollen. Da es sich aber um ein ganz spezielles Anliegen, ich meine um ein
fachliches Anliegen, handelt, muß dies auch beim besten Willen dieser Menschen und dieser
Institutionen - davon bin ich ehrlich überzeugt - dennoch danebengehen. In diesem Fall ist der gut
ausgebildete Sozialarbeiter, die bestausgebildete Fürsorgerin nicht in der Lage, diese Aufgabe
fachlich zu bewältigen. Die Betreuung dieser Kranken kann nur, wenn sie erfolgreich sein soll, von
diplomiertem psychiatrischem Krankenpflegepersonal unter Leitung eines Facharztes für Psychiatrie
erfolgen. Alles andere ist und bleibt, auch bei bester Absicht, wias ich nochmals unterstreiche,
Machwerk, das sicher auch Geld kostet, in Wirklichkeit aber wenig oder vielleicht gar nichts bringt. Ich
wollte in meiner Darstellung niemandem nahetreten. Ich sage das noch einmal, weil ich glaube, daß
nirgendwo eine böse Absicht, sondern überall guter Wille vorhanden ist. Das zeigen ja die gegebenen
Ansätze, die ich zitiert habe. Mein Appell richtet sich an alle, die damit zu tun haben, endlich jenen
Weg einzuschlagen, den ich versucht habe aufzuzeigen, weil er mir als der einzig erprobte und
richtige erscheint. Ich ersuche Dich, Frau Landesrat, Deine Bemühungen in dieser Richtung wenn
möglich noch intensiver zu gestalten. Nachdem mir bekannt ist, daß der Herr Landessanitätsdirektor er ist ja Arzt und daher besonderer Fachmann, das betone ich besonders - auch meinen Standpunkt
weitgehend teilt, weiß ich Dich, Frau Landesrat, in diesem Zusammenhang in bester Gesellschaft, in
bester fachlicher Gesellschaft. Die Herren beamteten Referenten ersuche ich auch von dieser Stelle,
eventuell juristische Barrieren, so sie gegeben sind, zu beseitigen, so daß schließlich der Herr
Landeshauptmann auch die personellen Voraussetzungen schafft, die notwendig sind, um dieses
Problem zu lösen. Damit, meine Damen und Herren, wäre den Ärmsten der Armen und unserem
gesamten Lande der beste Dienst erwiesen. Fälle wie jener in Baden könnten - da teile ich die
Auffassung mit dem Herrn Sanitätsdirektor - durch solche Maßnahmen weitestgehend vermieden
werden. (Beifall Gei der SPÖ.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Der Abg. Buchleitner ist der nächste Redner zur Gruppe 4. Ich
erteile ihm das Wort.
Abg. BUCHLEITNER: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Landtages! Ich bin heute
vielleicht schon der letzte Redner, aber auch der letzte Redner der neu in dieses Hohe Haus
eingezogenen Abgeordneten. Ich habe mich zum Kapitel 4 deshalb gemeldet, weil auch in diesem
Rahmen einmal über die bäuerliche Sozialpolitik, über die bäuerlichen Zuschußrentner und einige
andere Probleme gesprochen werden soll. Nun bin ich nicht so wortgewaltig wie die Herren und
Damen aus der Kultur, die in herrlichen Solis, in langen Reden (Abg. Wallneu: vor allem langen!),
untermalt von einem leisen oder aber auch aufbrausenden Chor, ihr Kapitel in einer Symphonie, in
Dur oder in Moll abhandeln. Ich glaube, ich muß doch zuerst einmal bei Moll bleiben und über die
bäuerlichen Zuschußrenten sprechen.
Vorher möchte ich doch einige Feststellungen treffen und in jenes Kapitel einsteigen, das mit Wirkung
vom 1. Jänner 1956 das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz gebracht hat, für die Dienstnehmer
ein System der vollen sozialen Sicherheit. In der Landwirtschaft haben wir damit stufenweise
begonnen. Mit Wirkung vom 1. Jänner 1958 wurde zunächst die landwirtschaftliche Zuschußrente,
dann die Krankenversicherung für die bäuerliche Bevölkerung eingeführt, und am 12. Dezember 1969
wurde vom Nationalrat unter der ÖVP-Alleinregierung das Bauern-Pensionsversicherungsgesetz mit
Wirkung ab 1. Jänner 1971 beschlossen.
In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem auf das allseits bekannte Altrentenproblem, das
heute schon verschiedentlich angezogen wurde, also auf die Umwandlung der Zuschußrenten in
Bauern-Pensionen, eingehen. Vorweg weise ich aber darauf hin, daß es auch ein Altenrentenproblem
im Bereich des ASVG gegeben hat, dieses aber mit der 8. Novelle zum ASVG endgültig bereinigt
wurde, und zwar sowohl mit den Stimmen der ÖVP als auch mit den Stimmen der SPÖ. Bei
Beschlußfassung des Bauern-Pensionsversicherungsgesetzes aus dem Jahre 1969 hat ein Redner
der ÖVP ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Umwandlung der Zuschußrenten in
Bauernpensionen genauso wie im ASVG-Bereich in baldiger Zukunft durchgeführt werden müsse.
Sie alle wissen nun, meine Damen und Herren, daß der Entschließungsantrag der ÖVP vom 11.
Dezember 1970 über die etappenweise Anpassung der landwirtschaftlichen Zuschußrenten an die
Bauernpensionen mit den Stimmen der SPÖ und der FPÖ abgelehnt wurde. Alle weiteren Versuche,
eine Umwandlung zu erreichen, scheiterten am Widerstand der sozialistischen Parlamentsmehrheit.
Mit erschreckender Geschwindigkeit dreht sich die Todesspirale im Bereich der
Zuschußrentenempfänger. Allein in Niederösterreich verfingerte sich die Zahl der Zuschußrentner
zwischen Juli und Oktober 1974 von 37.746 auf 37.086, also um 660 Personen, die die Umwandlung
der Zuschußrenten in Bauernpensionen nicht mehr erleben konnten. Die Notwendigkeit der
Umwandlung wird durch diese Zahlen eindeutig dargestellt. Es ist eines Sozialstaates unwürdig,
einem Zuschußrentnerehepaar zuzumuten, mit knapp 1000 Schilling, wobei dieser Betrag
Zuschußrente und Ausgleichszulage umfaßt, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Dieser Betrag wurde
im Juli 1974 als durchschnittliche Zuschußrente an die niederösterreichischen Zuschußrentner
ausbezahlt.
Von den 37.086 Empfängern einer Zuschußrente warten 20.000 auf die Angleichung der
Ausgleichszulagenrechte an jene der Pensionisten. Obwohl bereits beim Bundesministerium für
soziale Verwaltung die Verfassungswidrigkeit des Ausgleichszulagenrechtes der Zuschußrentner im
Vergleich zu den Bestimmungen des Bauern-Pensionsversicherungsgesetzes bekannt ist, hat der
Herr Vizekanzler Minister Ing. Häuser am 24. September nach der Ministerratssitzung
bekanntgegeben, daß eine Verbesserung für Zuschußrentner ab 1. Jänner 1975 wegen des
sogenannten Sparbudgets wieder nicht möglich ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wovon sollen denn nun die Zuschußrentner leben? Womit
sollen sie ihren Unterhalt bestreiten? Das hat der Herr Vizekanzler eigentlich nicht beantworten
können. Ich mochte Ihnen hier an Hand eines einzigen Falles klar und deutlich vor Augen führen, wie
es um diese Personen steht. Ein 81jähriger Mann mit einer Zuschußrente von 389 Schilling bittet, weil
er schwer magenleidend ist, um eine Unterstützung in der Höhe von ganzen 500 Schilling. Dieser
Mann ist hilflos und bekommt einen Hilflosenzuschuß in der Höhe von 839 Schilling. Insgesamt erhält
er also 1229 Schilling. Dazu bezieht er eine Leibrente von 300 Schilling, so daß er über ein
Einkommen von 1529 Schilling verfügen kann. Wenn Sie den Richtsatz für die Mindestpensionen
betrachten, der über 2100 Schilling liegt, dann wird Ihnen das Problem mit einem Schlag klar.
Während nun aber in einer Broschüre, die ich bei mir habe, und zwar im Agrarjournal, über das
Problem Soziales vermerkt wird, daß Herr Sozialminister Häuser zu den Altbauern sagte, daß jeder,
der wirklich nur diese Rente erhält, zu ihm kommen solle, erklärte er, als ihm bei einer Demonstration
von Altbauern vom ÖVP-Bauernbund ein Transparent mit der Aufschrift „Ich bekomme 334 Schilling“,
„Ich bekomme 380 Schilling“ in die Hand gedrückt wurde, der Bauernbund vergaß halt wieder einmal
das anrechenbare Ausgedinge, und verschwieg wohlweislich, daß es eine Ausgleichszulage gibt, die
die Mindestgrenze garantiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es waren vor kurzer Zeit Zuschußrentner beim Herrn
Sozialminister im Parlament. Ich durfte damals als Vertreter der Landwirtschaftskammer, die für die
Bauern sicherlich sehr viel leistet, mit den Zuschußrentnern beim Herrn Sozialminister vorsprechen
und kann Ihnen sagen, daß der Herr Sozialminister Häuser dort vor Journalisten erklärt hat, daß alle
Zuschußrentner, die eine Landwirtschaft mit einem Einheitswert bis zu 100.000 Schilling übergeben
haben, ohnehin eine Ausgleichszulage bekommen. Ich darf feststellen, daß der Herr Sozialminister
leider falsch oder überhaupt nicht informiert war. Denn in Niederösterreich sind es 29% der
Zuschußrentner, die keine Ausgleichszulage bekommen und die, selbst wenn sie vielleicht 300
Schilling Leibrente haben, mit 380 oder 334 Schilling ihr Leben fristen müssen.
Aus diesem Grunde stelle ich hier folgenden Resolutionsantrag:
Resolutionsantrag
des Abg. Buchleitner
zu Gruppe 4 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975, Ltg. 12.
Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Bundesregierung dahin zu wirken, daß durch
entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen ehestens die Umwandlung der landwirtschaftlichen
Zuschußrenten in Bauernpensionen bewirkt wird.
Meine Damen und Herren! Mit großer Besorgnis müssen wir heute die wirtschaftliche Entwicklung der
letzten Monate und auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt beobachten. Manche Betriebe müssen
teilweise auf Kurzarbeit umstellen, manche Betriebe sind sogar gezwungen, Arbeitskräfte freizustellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein weiteres verfassungsrechtlich bedenkliches Problem
hinweisen.
Gemäß § 12 Absatz 3 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes gilt nämlich ein Arbeitnehmer dann als
nicht arbeitslos, wenn er einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, dessen
Einheitswert einen Betrag von 40.000 Schilling übersteigt. Wenn ich behaupte, daß diese Bestimmung
verfassungswidrig ist, dann verweise ich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16.
Jänner 1960, Zl. 3.670/1960, womit festgestellt wurde, daß bei Auseinanderfallen von
Beitragspflichtigen und Leistungsberechtigten das Versicherungsprinzip verlassen wird und daß es
sich in solchen Fällen in Wahrheit um eine Abgabe handelt.
Wir wissen alle, daß viele Landwirte als Nebenerwerbslandwirte in Industrie und Gewerbe tätig sind,
aber nach wie vor ihren landwirtschaftlichen Betrieb führen. Diese Personen zahlen als Arbeitnehmer
auf Grund ihres Lohnes Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, und, wie ich bereits vorher erwähnt
habe, erhalten sie im Falle der Arbeitslosigkeit dann kein Arbeitslosengeld, wenn ihr Betrieb einen
höheren Einheitswert als 40.000 Schilling ausweist. Diese Bestimmung ist nicht nur unsozial, sondern
stellt für diese Personen den Verlust eines Versicherungsschutzes dar. Somit zahlen unsere
Nebenerwerbslandwirte unsere Arbeitslosenversicherungsbeiträge, erhalten aber keine
Gegenleistung, wenn der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit eingetreten ist. Mit einem Wort:
Beiträge dürfen sie von ihrem Lohn zahlen, Anspruch auf ein Arbeitslosengeld haben sie nicht. Das
kommt, wie der Verfassungsgerichtshof ja schon seinerzeit in einem anderen ähnlich gelagerten Fall
festgestellt hat, einer Abgabenleistung gleich. Allerdings kann eine solche Bestimmung nicht im
Rahmen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes erfolgen.
Ich stelle daher auch diesbezüglich folgenden Resolutionsantrag:
Resolutionsantrag
des Abg. Buchleitner
zu Gruppe 4 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Bundesregierung dahin zu wirken, daß diese
gesetzgeberische Maßnahmen mit dem rechtspolitischen Ziel einleitet, den s 12 Absatz 3 lit. d des
Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1958, BGBl. Nr. 199, in der derzeit geltenden Fassung
aufzuheben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein heutiger Beitrag wäre unvollständig, wenn ich gerade
im Sozialbereich nicht auch noch auf ein Problem hinweisen würde, das vor allem jene Frauen betrifft,
die in der Land- und Forstwirtschaft unter schwierigsten Bedingungen arbeiten, nämlich die
Bäuerinnen. Hoher Landtag! Es wird Ihnen allen bekannt sein, daß es für unsere Jungbauern immer
schwieriger wird, eine Bäuerin ins Haus zu bekommen, da jedes Mädchen von der hohen
Arbeitsbelastung abgeschreckt wird. Es ist richtig, daß die Bäuerin weder Sonn- noch Feiertag kennt.
Ruhe, Urlaub und Erholungsaufenthalte bedeuten für sie nur wirklich selten erfüllbare Wünsche. Im
Falle einer Schwangerschaft gibt es mit Ausnahme der Mutterschaftsleistungen aus der
Bauernkrankenversicherung keinen Mutterschutz. Es wäre daher dringend erforderlich, daß auch die
Bäuerin durch geeignete Mutterschutzbestimmungen in ihrer schweren Zeit unterstützt wird.
Insbesondere müßte der Bäuerin vor und nach der Entbindung eine Ersatzarbeitskraft zur Verfügung
stehen. Damit sie sich besser um ihre Kinder kümmern kann, wäre in weiterer Folge zumindest für die
Dauer eines Jahres eine finanzielle Zulage erforderlich. Wenn es schon nicht gelingt, das Ausmaß der
Arbeitszeit in großem Umfange zu verkürzen, so müssen wir doch trachten, daß die Bäuerin durch
eine entsprechende gesetzgeberische Maßnahme jenen Schutz erfährt, den Dienstnehmerinnen
schon längst als Mutterschutz erhalten.
Aus diesem Grunde darf ich auch hier einen Resolutionsantrag stellen:
Resolutionsantrag
des Abg. Buchleitner
zu Gruppe 4 des ordentlichen Voranschlages des Landes Niederösterreich für das Jahr 1975.
Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Bundesregierung dahin zu wirken, daß durch
entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen der Bäuerin in der Landwirtschaft ein Karenzgeld
gewährt wird, und zwar für die Zeit acht Wochen vor der Entbindung und nach der Entbindung,
zumindest aber in jenem Ausmaß, als für diese Zeit Kosten für eine Dorfhelferin anfallen könnten.
(Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere meine ich jetzt jene der sozialistischen
Fraktion! Hohe Lebensqualität zeichnet sich dadurch aus, daß man den Alten hilft. Darauf wurde auch
heute im Beitrag der Abgeordneten Tribaumer hingewiesen. Im Protokoll der vorjährigen
Landtagssitzung über das Kapitel 4 habe ich in einem Beitrag der Abg. Kirchmair gelesen, daß man
die Gesellschaft so beurteilen soll, wie diese ihre Alten behandelt. Stimmen Sie meinen
Resolutionsanträgen zu, damit diese Gesellschaft wirklich als sozial bezeichnet werden kann.
Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)
ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Ich unterbreche die Beratung über den Voranschlag des Landes.
Es werden sogleich nach dem Plenum der Bauausschuß, der Kommunalausschuß, der
Landwirtschaftsausschuß, der Rechtsausschuß und Wirtschaftsausschuß ihre Nominierungssitzungen
im Herrensaal abhalten.
Die nächste Sitzung des Landtages findet morgen, den 5. Dezember 1974, um 9.00 Uhr, statt. Die
Beratung über den Voranschlag des Landes wird mit der Spezialdebatte über die Gruppe 4
fortgesetzt.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluß der Sitzung um 20.55 Uhr.)
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