John Fiske - Thomas A. Bauer

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John Fiske
„Die Überwachung der Stadt: Weißsein, der schwarze Mann und demokratischer
Totalitarismus“
( aus „Der John Fiske Reader, Die Fabrikation des Populären“, hrsg. von Rainer Winter.
Bielefeld 2001 )
Abstrakt:
In dem von uns ausgewählten Artikel wird die derzeitige Situation in US- amerikanischen
Städten auf Grund der immer stärker zunehmenden Videoüberwachung beschrieben.
Wie der Titel schon voraussagt sind in Amerika Bürger schwarzer Hautfarbe eher vermehrt
davon betroffen als der Bevölkerungsanteil weißer Hautfarbe. Der Reader greift das Problem
des legitimierten Rassismus in den Vereinigten Staaten auf und erläutert die Unterschiede
zwischen Schwarzen und Weißen in Hinblick auf die heutige „Überwachungsgesellschaft“.
Es werden aktuelle Themen in Betracht gezogen auf differenzierte Stereotype und Vorurteile
zwischen dem schwarzen und weißen Amerika aufgegriffen und anhand von
Forschungsergebnissen dokumentiert und erläutert.
Weiteres werden die Mankos im amerikanischen Rechtssystem teilweise aufgedeckt und
inwiefern sich jenes System die Regeln in solch einer Art und Weise zurechtbiegt dass der
kompletten und konformen Überwachung der Stadt nichts im Wege steht.
Schlagwörter:
Videoüberwachung
Totalitarismus
Rassismus
Panoptikum
Lawyers Reform Association
Habermas “Theorie der Öffentlichkeit”
Eva-Maria Breibert, Matr.-Nr.: 0305993
Antje Bartnik, Matr.-Nr.: 0347410
696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur
Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, , WS 2004/2005
2) Zusammenfassung des Textes
Der Text bezieht sich, wie schon oben erwähnt, hauptsächlich auf die legitimierte
Videoüberwachung der US-amerikanischen Stadt, obwohl auch Beispiele aus Australien und
England angeführt werden, bei welchen aber die Unterschiede in der Kontrolle von schwarz
und weiß nicht so deutlich ans Licht kommen wie bei der amerikanischen Version.
Denn in Übersee ist der dort installierte Kontrollmechanismus hauptsächlich auf den
schwarzen Bevölkerungsanteil ausgerichtet.
Weiteres werden erhebliche Unterschiede in der Art und Weise der Kontrolle zwischen
Bürgern dunkler und heller Hautfarbe registriert. So gibt es beispielweise eine systematische
Unterteilung der Stadt in Zonen wo sich bestimmte „Rassen“ aufhalten, welche auch
unterschiedlich überwacht werden. Beispiele dazu werden später genannt.
So liegt es auf der Hand dass die Kontrolle von öffentlichen Räumen eine Einschränkung auf
die Meinungsfreiheit, Freizügigkeit und das Vereinigungsrecht für den nicht kriminellen
Durchschnittsbürger bedeutet. Denn schließlich wird jener auch nicht um Erlaubnis gebeten,
ganz im Gegenteil: öffentliche Dienste müssen nicht um Genehmigung zur Anbringung von
öffentlichen Überwachungsapparaten ansuchen noch bekannt geben dass jene folglich
installiert und in Betrieb genommen wurden.
Giddens beschreibt im Artikel dass jene Videokontrolle eine weitere „totalitäre
Unterströmung der Demokratie“ darstellt, wobei er die Beschleunigung dieser nach Totalität
strebenden Tendenzen direkt mit der Ausbreitung von Videoüberwachung in Beziehung setzt.
Denn offiziell steht die Videokontrolle unter dem schützendem Siegel des „sozialen Nutzens“,
so werden Argumente wie die öffentliche Sicherheit, also Verbrechensbekämpfung oder
Verkehrsregelung herangezogen um sie zu legalisieren. Man kann nicht abstreiten dass jene
Kontrolle für den sozialen Nutzen aus der Luft gegriffen ist, doch wird die repressive und
somit unbeeinflussbare Seite gut vertuscht oder einfach nicht in Betracht gezogen.
Harmlose Autonormalverbraucher haben im Endeffekt kein Mitspracherecht ob sie von den
Teleobjektiven auf öffentlichen Straßen oder Plätzen verfolgt werden wollen oder nicht.
Fiske nennt jene publik gemacht Ignoranz in Sachen totale Überwachung eine „absichtliche
Blindheit“ die man ebenfalls als „nicht- rassistischer Rassismus“, sozusagen als versteckten
Rassismus bezeichnen könnte.
Jene zuletzt genannte „Fremdenfeindlichkeit“ hat sich in den USA hauptsächlich in von
Weißen, welche sich als nicht- oder gar anti-rassistisch bezeichnen, dominierten Gegenden
entwickelt und sich dort erfolgreich etabliert. Dabei handelt es sich um eine Einstellung die
von Vorurteilen und Abneigung geprägt ist, welche aber nicht als solche angesehen werden.
In Amerika besteht einfach die Tatsache dass Weiße gegenüber Schwarzen nicht nur von sich
selbst bevorzugt, sondern auch physisch abgegrenzt werden. Man braucht als weißer Mann
die Gewissheit sich in Sicherheit zu befinden, und die wird ihm nur gegeben wenn er sich
unter Seinesgleichen befindet.
Als Resultat jener fest verankerten Angst kommt hervor dass jener nicht rassistische
Rassismus auch in so genannte „rasseneutralen“ Angelegenheiten des Alltags einbezogen
wird, wie zum Beispiel in Sachen Wohnungsbeschaffung, Wirtschaft und besonders
ausgeprägt im Rechtssystem der Vereinigten Staaten.
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In jenen Breichen gibt es unterschiedliche Auswirkungen und Annahmen die von den
Verantwortlichen ohne weiteres als Zufall hingestellt werden können, bei denen rassistische
Hintergedanken erst gar nicht in Betracht gezogen werden brauchen. Eine schwarze Familie
hat zum Beispiel einfach Pech gehabt in Sachen Wohnungssuche, und mit jener Begründung
ist das Problem abgetan.
Die unterschiedliche Anschauungsweise über die Aktualität des Rassismus in Amerika
zwischen dem schwarzen und weißen Bevölkerungsanteil kommt nicht von Ungefähr. So ist
der Großteil der Mitbürger weißer Hautfarbe der Meinung dass die Fremdenfeindlichkeit seit
der Bürgerrechtsbewegung zu Zeiten Martin Luther Kings so gut wie ausgestorben und somit
nicht mehr bedrohlich und aktuell sei.
Im Gegenteil zu jener Anschauung ist das schwarze Amerika ganz anderer Meinung, welche
nicht nur auf unterschiedlicher Lebenserfahrung beruht sondern ganz konkret bezeugt werden
kann. Denn erwiesenermaßen nimmt der Rassismus gegen Schwarze von der Warte der
Weißen aus in den USA nicht ab, sondern zu.
Jene immer mehr vorranschreitende „Rassenkrise“ folgt einem komplett unterschiedlichen
Wissen beziehungsweise Einstellung gegenüber dem amerikanischen Rechtssystem.
Die hellhäutige Bevölkerung ist von der Vorstellung von einem gerechten und objektiven
Staatsapparat geprägt, wohingegen die Afroamerikaner davon überzeugt sind dass eben jener
von einem weißen Rassismus durchsetzt ist, welcher in der Öffentlichkeit aber tabu ist. Jene
komplett unterschiedliche Anschauung über die derzeitige Lebenssituation in den USA
machte sich auch in Befragungen nach der Verhaftung von O.J. Simpson bemerkbar:
Ein Großteil der weißen Probanden waren der Meinung dass Simpson schuldig war,
wohingegen schwarze Amerikaner, in Anbetracht auf ihre Diskriminierung rückschließend,
der festen Überzeugung waren dass er unschuldig war und ihm „die Sache“ von der Polizei in
die Schuhe geschoben wurde.
Aus dieser „weißen“ Angst vor dem schwarzen Mann resultiert letztendlich auch die immer
weiter sich ausbreitende Videoüberwachung an die unsere Gesellschaft nach und nach
gewöhnt worden ist.
Anfängliche Überwachung von einzelnen Gebäudekomplexen hat im Laufe der Zeit um sich
gegriffen und eine Kontrolle des gesamten öffentlichen Raumes bewirkt. Jene perfekt als
öffentlicher Vorteil getarnte Kontrollchance lässt der „große Bruder“ für seine Intentionen
natürlich nicht ungenutzt.
Handlungsweisen welche bei Weißen als banal und normal gelten, können eine schwarze
Person als auffällig und verdächtig einstufen, wie zum Beispiel abruptes Anhalten auf der
Straße oder ein spontanes Händeschütteln.
Und jene Schikanen gegenüber Afroamerikanern bewirken dass sich die Hauptintention der
oberen weißen Gesellschaftsschicht von selber erledigen, und zwar die Ausgrenzung der
Schwarzen aus dem weißen Gebiet.
Forschungsergebnisse belegen dass eine vermehrte Videoüberwachung bestimmter Gebiete
Verbrechen und diverse andere kriminelle Tätigkeiten nicht verhindern, sondern jene lediglich
in nicht überwachte Gegenden verschieben.
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Da weitgehend nur von Weißen besiedelte Bezirke und öffentliche Räume auf solch eine Art
und Weise überwacht werden, folgt eine weitere „Ghettoisierung“ der US-Städte. Denn in
jenen unbewachten Gebieten findet letztendlich eine kollektive Ansammlung von Verbrechen
statt, die unbeachtet und ohne weiteres ignoriert werden können.
Die Stadt ist laut Fiske ein „umgekehrtes Panoptikum“: jenseits des Schandflecks namens
Ghetto muss alles transparent und nachvollziehbar sein. Jene gewünschte Einsichtigkeit zur
absoluten Kontrolle wird auch ohne Zweifel in die Tat umgesetzt. Denn die Tätigkeiten von
Personen, egal welcher Hautfarbe sie zugehören, die sich in einem bewachten Gebiet befinden
können so gut wie nahtlos verfolgt werden.
Neue technische Entwicklungen wie Satellitenaufnahmen und Systeme zur automatischen
Gesichtsidentifizierung lassen der Experimentierfreudigkeit der Kontrollmechanismen freien
Lauf. Eine auffällige Person kann in manchen Städten bis zu drei Kilometer weit verfolgt
werden, da man von einem und vom darauffolgenden Teleobjektiv unter die Lupe genommen
wird.
In juristischen Kreisen ist eine Diskussion am Aufbruch ob öffentliche Videokontrolle nicht
gegen die Verfassung verstoßen könnte. Jennifer Granholm hat die Befürchtung dass durch
permanente Videokontrolle die „Spontanität der sorglosen Bürgerschaft“ zerstört werden
könnte, da man sich nicht mehr unbeobachtet und sich dadurch eingeschränkt fühlt.
Im Endeffekt geht die Privatheit an der erzwungenen Obszönität verloren, welche der
Gesellschaft aufgedrängt worden ist.
Manche Unternehmen gehen mit Behauptungen dass nur Aufnahmen von primären und
sekundären Geschlechtorganen bzw. Merkmalen die Privatsphäre verletzt wird an die
Grenzen der Zumutbarkeit.
In jener gezwungen obszönen Macht liegt laut Fiske „ die Fähigkeit die Grenzen zwischen
dem Öffentlichen und dem Privaten aufzuheben“. Was soviel heißt dass jedermann das Recht
besitzen muss um selbst zu entscheiden ob er seine Privatheit an das Licht der Öffentlichkeit
tragen will oder nicht.
Denn heutzutage besteht die Möglichkeit das Leben jedes Einzelnen nachzuvollziehen.
Anhand von diversen banalen Tätigkeiten die uns selbstverständlich erscheinen (wie zum
Beispiel Bankomat- Zahlungen, E-mails, Ausleihaktionen und andere alltägliche Situationen
bei denen wir unsere Daten bekannt geben) kann man theoretisch jederzeit festlegen wo man
sich wann in welcher Absicht als Privatperson befunden hat.
Nur wie kann man nun feststellen ob jene Person eine potentielle Gefahr darstellt oder nicht?
Für jene Definition müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, indem man das
„Normale“ vom „Anormalen“ abhebt und unter bestimmten Kriterien auskristallisiert.
Die „Drug Enforcement Agency” hat in Sachen der Ausfindigmachen von Drogendealern
bestimmte Merkmale festgelegt nach denen sich die Fahnder zu orientieren haben, um einige
zu nennen: Person gilt als verdächtig wenn sie „einer ethnischen Gruppe angehört die mit
Drogenhandel assoziiert wird“, Goldketten trägt und einen schwarzen Overall trägt.
Die schwarze Aktivistin Zears Miles beschreibt jene Merkmale zurecht als unzumutbar und
einschränkend für das tägliche Leben von afroamerikanischen Mitbürgern.
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Auf Grund jener immensen Diskriminierung gegenüber den schwarzen Mitbürgern und
Angehöriger anderer ethnischer Minderheiten wurde in Kalifornien eine Organisation ins
Leben gerufen die den Polizeifunk abhört und das Verhalten der Staatsgewalt gegenüber
Schwarzen so gut wie möglich aufzeichnet und publik macht.
Der ausschlaggebende Grund dafür war dass die Polizei von Kalifornien die einzige Instanz
war die sich gegen die Videoüberwachung öffentlicher Zonen ausgesprochen hat. Vermutlich
deshalb, um unangebracht Verhaltensweisen der Polizeibeamten undokumentiert zu lassen.
Dies ist ein typisches Beispiel für eine „Gegenüberwachung“, die laut Fiske unbedingt
notwendig ist da es sich dabei um „ die einzige und unmittelbare Möglichkeit ist um
Widerstand zu leisten“.
Seiner Meinung nach befinden sich triviale Boulevardmedien ebenfalls in der Sparte der
Widerstandsleistenden. Schließlich dreht jene den Spieß der Beobachtung kurzfristig um.
Der Voyeurismus ist der ausschlaggebende Punkt weshalb die Boulevardpresse so einen
Erfolgsanstieg vermerken kann. Die Paparazzi dringen in die Privatsphäre der Reichen und
Berühmten ein um obszöne Details ans Licht zu bringen.
Diese Information befriedigt wiederum unser Verlangen nach Skandal und Sensation und die
Prominenz kommt in die Medien.
Habermas weist in seiner Theorie der Öffentlichkeit darauf hin dass die „Sphäre der
Öffentlichkeit“ womöglich bald verloren gehen könnte. Gemeint ist damit jene Äußerungsund Meinungsfreiheit die nicht vom Staat kontrolliert werden kann, welche laut Fiske eine
„öffentliche Opposition zur Überwachungsgesellschaft“ darstellt.
Seiner Meinung nach ist solch ein mit Abstand durchgeführter Überblick essenziell für unsere
Gesellschaft um wahrzunehmen was der „Große Bruder“ vornimmt um die ohnehin schon
geschwächte Privatheit noch mehr einzuschränken.
3) Auswertung und Besprechung des Artikels
Das Thema der Obszönität hängt in der Pädagogik untrennbar mit der Moralpredigt
zusammen, die bekanntlich die Urform jedes erzieherischen Handelns darstellte. Sie legt
schroff und ohne zu zögern alle Anforderungen und moralischen Intentionen auf den Tisch,
bedient sich also dem „tabula rasa“ Prinzips. Die Wertewelt des Erziehers, in unserem Fall
des Mediums wird dem Rezipieten obszön und plump eröffnet. Und jene
„Geschmacklosigkeit“ und Direktheit hat eine enorme Wirkung auf unser Denken und
Fühlen.
Da die Medien genauso an der Erziehung beteiligt sind wie andere äußere Einflüsse ( Eltern,
Lehrer, Freunde), führen Berichterstattungen über allgegenwärtige Videoüberwachung,
punktgenaue Satellitenüberwachungsbilder usw. und deren Folgen für Betroffene sicherlich
zu einem erhöhtem Angstpotential.
Es wurde durch Untersuchungen und Beobachtungen herausgefunden dass bestimmte
Erziehungsstile zu bestimmten Verhaltensweisen führen. Es ist erwiesen dass „Vielseher“ ein
höheres Angstpotential aufweisen als Menschen die wenig Fernsehen konsumieren. Da man
als amerikanischer Autonormalverbraucher über die städtische Videoüberwachung und ihre
Folgen bescheid weis, wird man auch versuchen sich so unauffällig wie möglich zu verhalten
um nicht auch „Opfer“ ihrer Linsen zu werden.
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Aus dieser Angst heraus resultiert ein Verhalten das zur totalen Konformität neigt, um den
Regeln der vorgeschriebenen Normen zu entsprechen.
Also könnte man die durch die Medien vermittelte Information über die Videoüberwachung
als die moderne Moralpredigt an die Gesellschaft des 20.Jahrhunderts ansehen, welche sich
auf den Gemütszustand der gesamten Bevölkerung auswirkt.
Weiteres werden durch die Vermittlung, dass hauptsächlich Schwarze auf solchen
Videoaufnahmen als Kriminelle aufgezeichnet sind, stereotype Einstellungen und Vorurteile
verstärkt, welche in der Mentalität der US-amerikanischen Bevölkerung meist schon
verwurzelt sind.
Man könnte dies wiederum als eine Art Irrlehre zur Reduktion von Komplexität ansehen,
durch die man verleitet wird weniger nachzudenken und sich den Informationen aus dem TV
einfach hinzugeben.
Kritik:
John Fiske erläutert in seinem abschließenden Artikel beeindruckend direkt und eindeutig wie
die allgemeine Videoüberwachungspraxis in den USA nicht nur den Sicherheitsaspekten
dienen kann, sondern auch im Hinblick auf bestehende oder intendierte Ressentiments
gegenüber Minderheiten missbraucht werden kann.
Bei mir persönlich haben die zahlreichen Beispiele und Tatsachen über die immense
Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es ist
erschreckend welche Frechheiten und Ausgrenzungen im US-amerikanischen Rechtssystem
als konform und legitim gelten.
Ich empfand den Artikel als hoch interessant und Medienpädagogisch sehr wertvoll.
Bibliographie
) Vo von Professor Schirlbauer „Klassiker der Bildungstheorie“
) Vo von Professor Vitouch „ Medienpsychologie“
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