„Die Menschenbühne“, das einzige deutschsprachige MigrantInnen

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THEATER ALS SOZIALE BEFINDLICHKEIT
Zum Stellenwert der Kulturarbeit in Wien
Christian Baier
Migranten-Kultur ist keine spezielle Kunstsparte, auch kein
spezifisches Genre. Wäre die Gesellschaft mit mehr Toleranz,
Offenheit und kreativer Neugier ausgestattet, bedürfte es weder
eines solchen Begriffes noch einer diesbezüglichen Diskussion.
Im polykulturell geprägten Wien vor dem ersten Weltkrieg und in der
Zwischenkriegszeit war es für die Einwanderer eine
Selbstverständlichkeit, ihre Kultur auch in der Fremde in Clubs und
Bünden zu pflegen. Das Kulturleben etwa der tschechischen
Migranten nach 1918 war vor allem in den Arbeiterbezirken Favoriten
und Simmering straff organisiert und bewegte sich auf hohem
künstlerischem Niveau. Kulturarbeit von Zuwanderern war keine
Kompensation von Heimweh, sondern die Manifestation des HierSeins.
Im Wien der Gegenwart sind Zuwanderer größtenteils dazu verurteilt,
in einem kulturellen Vakuum zu leben. Kulturelle Bedürfnisse haben
– geht es nach den zuständigen politischen Verantwortlichen – an
unterster Stelle ihrer Bedürfnisskala zu rangieren.
„Die Menschenbühne“, das einzige deutschsprachige MigrantInnenTheater Wiens, wurde 1996 gegründet. Es war die Zeit der
legendären „Kopftuchbescheide“. Grundgedanke war, ein Forum für
das kreative Potential von MigrantInnen in Wien zu schaffen, in dem
künstlerische und kulturelle Fähigkeiten adäquat umgesetzt und
neue Theaterformen entwickelt werden können.
Vor zehn Jahren fand polykulturelle Theaterarbeit inmitten eines
mentalen Brachlandes statt. Wohl gab es Theater, das in ethnischen
Ghettos stattfand und mehr folkloristische Arbeit denn kulturellen
Transfer leistete, und es gab Theater, das sein laienhaftes Niveau
hinter einer auf Boal sich berufenden Prseudo-Ästhetik verbarg, doch
künstlerische Visionen und ästhetische Zukunftsaussichten gab es
damals nicht.
Daran hat sich bis heute wenig geändert. Die hiesige
Sprechtheaterszene ist in sich hermetisch geschlossen. Transparenz
findet sich in ihr kaum. Die existierenden Gruppierungen stehen
DarstellerInnen nicht-deutscher Muttersprache kaum offen. Ihre
künstlerische Konzeption und ästhetische Ausrichtung lassen eine
Integration von DarstellerInnen nicht-deutscher Muttersprache nicht
zu. Verwendung finden EinwanderInnen lediglich als Statisten oder
als „Paradeausländer“.
Die Reaktion der Förderstellen vor 10 Jahren war signifikant für die
Geisteshaltung der Zeit. Die Verantwortlichen der „Menschenbühne“
mussten sich von Seiten der zuständigen Beamten anhören: „Die
Fördermittel sind lediglich für professionelle Theaterschaffende
reserviert. Ausländer können kein professionelles Theater machen.“
Aufforderungen wie „Es wäre doch besser, wenn sich die Darsteller
wieder in ihre Heimatländer begeben“ waren Refrain.
Das gewaltige kulturelle Potential, das durch Migranten „importiert“
wird, lag und liegt nach wie vor brach. Ausländische KünstlerInnen in
artfremden und ihren Fähigkeiten nicht entsprechenden Berufen sind
hierorts keine Seltenheit. Eine gezielte Förderung der künstlerischen
Kompetenzen findet nicht statt, sodaß diese über kurz oder lang
verkümmern.
Der hiesigen Kulturpolitik mangelt es an der grundsätzlichen
Bereitschaft, eine tragfähige Infrastruktur für die Entfaltung und
Etablierung einer „Migranten-Kultur“ zu schaffen. Multikulturell
ausgerichtete Events gerieren zu Veranstaltungen mit
Jahrmarktscharakter, bei denen künstlerisch tätige Migranten wie
dereinst Exoten ausgestellt werden. Sie dürfen zeigen, was sie
können, dürfen zur Unterhaltung und zum Amüsement beitragen. An
ihnen wird die Toleranz der Inländer bewiesen. Es ist symptomatisch
für solche Initiativen, daß wesentliche Bereiche des künstlerischen
Ausdrucksspektrums (wie Literatur, bildende und darstellende Kunst)
dabei fast nicht vertreten sind. Das Übergewicht an folkloristischen
Darbietungen wirkt imageverzerrend. Die Vielfalt der kulturellen
Szene wird somit eingeschränkt, die Künstler zu Handlangern und
Hofnarren einer selbstgefälligen, pseudo-liberalen Politik, die in
einem feudalistischen „Gnadenakt des Gewährens und Duldens“ sich
und ihre angebliche Offenheit und Toleranz feiern möchte.
In den letzten zehn Jahren trat immer deutlicher die
Kulturfeindlichkeit der derzeitigen „Integrations“politik zutage.
Ausreichende Mittel zur künstlerischen Artikulation von Einwanderern
wurden und werden nicht zur Verfügung gestellt. Unter dem Begriff
„Multikulturalität“ haben sich von ethnischen Lobbies gestützte
Personengruppen Positionen innerhalb von Entscheidungsstrukturen
verschafft und suchen, diese nun zu halten. Ethnische Interessen
stehen vor dem polykulturellen Gedanken, der Nationalität durch
Kulturalität ersetzt. Der mentale Transfer stockt dort, wo nicht der
Künstler als Individuum im Zentrum des Interesses, sondern der
Ausländer als Archetyp im Mittelpunkt des Events steht.
Ein Grund für eine solche kontraproduktive Haltung mag darin liegen,
daß offensive Kulturarbeit die Persönlichkeit des Einzelnen stärkt
und ihn dazu befähigt, über seine Situation kritisch nachzudenken.
Ziel der hiesigen Integrationspolitik ist jedoch nicht die Förderung der
Individualität von Einwanderer. Am Migranten als mündiges Mitglied
der Gesellschaft ist die Öffentlichkeit und sind die mit Integration
betrauten öffentlichen Stellen nicht interessiert. Zum Schutze der
Gesellschaft vor Überfremdung werden Migranten zur Assimilation
gezwungen, wobei sie wesentliche Komponenten ihrer Persönlichkeit
negieren müssen.
Die „Wiener Theaterreform“ sieht zwar explizit die Förderung von
interkulturellen Theaterformen vor, aus eigener Erfahrung muß ich
aber hier feststellen, daß eine tatsächliche Förderbereitschaft nicht
vorhanden ist. Das von Stadtrat Mailath-Pokorny eingesetzte
Kuratorium – bestehend aus drei Experten für Performance- und
Tanzkunst – bekrittelt bei Theaterprojekten mit MigrantInnen die
Sprechtheaterlastigkeit und übersieht dabei – bewusst oder
unbewusst, das bleibe dahingestellt -, daß der Akt des Sprechens für
MigrantInnen ein Akt der Mündigkeit und der Artikulation ihrer
Befindlichkeit ist. Während wortlose Tanz- und Performanceprojekte
bis zu 150.000,- Euro Jahresförderung erhalten, musste sich
beispielsweise Wiens 1. deutschsprachiges MigrantInnen-Theater
„Die Menschenbühne“ für die Durchführung eines drei
Uraufführungen und 11 Veranstaltungen umfassendes
Theaterfestival mit der Summe von Euro 6000,- begnügen.
Kuratoren, die in ihrer bisherigen Tätigkeit mit der Kulturarbeit von
MigrantInnen nichts zu tun hatten und diesbezügliche
Veranstaltungen mit ihrer Abwesenheit beehrten, haben nun die
Entscheidungsgewalt über die Verteilung von ausgelobten
Fördermitteln, deren Dimensionen an symbolische Kopfgeldbeträge
gemahnen und die langfristige Ausbildung einer tragfähigen
Infrastruktur nicht sicherstellen.
In einer solchen Situation, in der sich die Kulturförderung der Stadt
Wien ihrer Verantwortung für ein Sechstel der Stadtbevölkerung
entziehen will, ist es besonders tragisch, daß die Kulturförderung
selbst in den Statuten der neugegründeten Magistratsabteilung 17,
die den „Wiener Integrationsfonds“ abgelöst hat, überhaupt nicht
mehr vorgesehen ist.
Kultur hat Rückhaltfunktion. Sie ist für den Menschen die mentale
„Nabelschnur“ zu einer Vergangenheit, die über seine eigene
Biographie hinausreicht. Wird diese Verbindung gekappt, bleibt dem
somit Heimatlosen und seines letzten persönlichen Refugiums
Beraubten nur noch, sich den herrschenden gesellschaftlichen
Strukturen anzupassen. Dies geht in vielen Fällen nicht ohne
psychische Deformationen ab. Der kulturlose Mensch, wie ihn die
Wirtschaft als Konsument und die Politik als Stimmvieh oder NichtWähler benötigt, ist ein zerbrochener Mensch. Wer zum Zwecke des
Überlebens Selbstverrat begangen hat, ist leicht zu lenken, zu
instrumentalisieren und zu regieren, denn er wird mit allen Mitteln
versuchen, die Gewalt, die er seinem eigenen Ich angetan hat, zu
legitimieren. Mit jeder Lüge begeht die Seele Selbstmord.
Die „Menschenbühne“ ist angetreten, um dem kulturellen Potential
der Zuwanderer ein kreatives Forum zu bieten. Oberste Prämisse ist,
durch polykulturelle Projekte, bei denen KünstlerInnen
unterschiedlichster nationaler und ästhetischer Herkunft mitwirken,
die bisher praktizierte Form des ethnischen Ghettotheaters zu
verabschieden und durch den Aufeinanderprall verschiedener
Kulturen dem Theater neue künstlerische Sprengkraft zuzuführen.
Zwischen 1996 und 1999 initiierte „Die Menschenbühne“ jährlich ein
Theaterprojekt mit nicht-österreichischen DarstellerInnen, seit 2000
veranstaltet sie jährlich ein Theaterfestival mit zwei bis drei Ur- und
österreichischen Erstaufführungen.
Nach der Phase der sozial-kulturellen Arbeit zwischen 1996 und
1998 (mit Aufbau eines Ensembles, Ausbildungsangebot,
Durchführung von Untersuchungen der Effizienz theatraler Arbeit
hinsichtlich der sozio-kulturellen Integration) hat sich „Die
Menschenbühne“ 1999 mit der österreichischen Erstaufführung von
Slawomir Mrozek’s „Haus an der Grenze“ als Forum der Entdeckung
hierorts wenig bekannter oder beachteter DramatikerInnen und
Stücke etablieren können.
2000 folgte die Uraufführung von zwei Dramen der frühverstorbenen
slowakischen Dramatikerin Zofia Chudá, 2001 die erste
internationale Zusammenarbeit der „Menschenbühne“ mit der
amerikanischen KünstlerInnen-Vereinigung „Careless Women’s
School“, 2002 die Zusammenarbeit mit dem rumänischen Ensemble
„gendeRhasody“. 2003 beschritt „Die Menschenbühne“ erstmals den
Weg der künstlerischen Auseinandersetzung mit der
österreichischen Gegenwartsliteratur (Uraufführung von Elisabeth
Wäger). 2004 präsentierte das Ensemble im Rahmen des Festivas
„Warum verstehst du das nicht?“ Uraufführungen zeitgenössischer
österreichischer DramatikerInnen und schuf eine Plattform für neue
Ausdrucksformen heimischen Theaters.
Bisher wurden 15 Produktionen, davon drei österreichische
Erstaufführungen und neun Uraufführungen, mit DarstellerInnen aus
insgesamt 13 Nationen (Europa, Amerika, Südamerika) realisiert.
Ziele der künstlerischen Arbeit der „Menschenbühne“ sind:
-
die Schaffung eines Forums für polykulturelle Theaterarbeit
-
die Präsentation von Ur- bzw. österreichische Erstaufführung
von dramatischen Werken zeitgenössischer DramatikerInnen,
die sich abseits des des gängigen Theaterrepertoires
bewegen und thematisch, inhaltlich stilistisch und ästhetisch
neue Wege abseits des Herkömmlichen beschreiten
-
die Präsentation hierorts wenig bekannter theatraler
Ausdrucksformen aus anderen Kulturkreisen
-
die Etablierung einer Plattform zur intensiven
Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten polykulturellen
Arbeitens im Theaterbereich und der Zielsetzung einer
Erweiterung des theatralen Ausdrucksrepertoires
-
die Entwicklung multinationaler und multiligualer
Ausdrucksformen im Sprechtheater und die daraus
resultierende Entabsolutierung des sprachlichen
Einheitsgedankens, wie er dem zeitgenössischen
Sprechtheater nach wie vor anhaftet
-
die Untersuchung der Möglichkeiten polykultureller
Dramaturgie im nonverbal-gestischen Bereich im Sinne einer
Dramaturgie des kulturellen Unterschieds hinsichtlich von
kulturkonnotierter und nationaler Verhaltensmustern
-
Schaffung multikultureller Kooperationen im Bereich des
Sprechtheaters
-
Kooperation mit ausländischen Kulturvereinen und Schaffung
einer internationalen kulturellen Plattform zur Präsentation
multikultureller und multiligualer Ausdrucksformen im Bereich
des Sprechtheaters sowie zur Einbindung ausländischer
KünstlerInnen in das Kulturleben Wiens
-
die Schaffung von Auftrittsmöglichkeiten für in Österreich
lebende DarstellerInnen nicht-deutscher Muttersprache
Zwischen 2000 und 2003 erhielt die Menschenbühne von Seiten der
Stadt Wien eine Jahressubvention von 12000 Euro für
Theaterfestivals mit 2 – 3 Uraufführungen. Zuvor bekam sie keinerlei
Unterstützungen aus dem Kulturbudget. Im Jahr 2004 wurde die
Förderung auf 6000 Euro gekürzt, die Entscheidung über die
Subvention 2005 ist bis jetzt ausständig. Aufgrund von
hinausgezögerten Kuratoriumsentscheidungen konnte das
Unternehmen seine künstlerischen Vorhaben für das Jahr 2005 nicht
in Angriff nehmen.
Für viele in Wien lebende ausländische KünstlerInnen war die
„Menschenbühne“ in den vergangenen Jahren die einzige
Möglichkeit, ihren erlernten Beruf in der Fremde auszuüben.
Die Arbeit der Menschenbühne hat mit dem herkömmlichen
Betroffenheitstheater nichts zu tun, das die Gesellschaft von
MigrantInnen erwartet und ihnen indirekt und oftmals unbewußt
abfordert.
Es ist entwürdigend, wenn Menschen, die oft nur mit dem nackten
Leben in ein fremdes Land gekommen sind, auch noch ihr eigenes
Schicksal vor Publikum zeigen und inszenieren sollen. Aufgabe einer
progressiven Migranten-Kultur ist es nicht, das persönliche Schicksal
zur Schau zu stellen und damit für mehr Toleranz beim Publikum zu
werben. Ebenso wenig hat Migranten-Kultur etwas mit
„Beschäftigungstherapie“ für Fremde und Leistungsschau fremder
Kulturen zu tun. Es ist höchste Zeit, die Kulturarbeit von und mit
Migranten als eine künstlerische Ausdrucksform jenseits der politisch
wie medial ausgeschlachteten Ausländer-Thematik zu begreifen.
Gerade in polykultureller Ausprägung bietet sie Möglichkeiten der
Erweiterung der künstlerischen Ausdrucks- und des inhaltlichen
Spektrums.
Im herkömmlichen Theaterbetrieb gehen die Mitwirkenden von einem
gemeinsamen „Nenner“ aus. Dieser ist durch die gemeinsame
Sprache, die gemeinsame Ausbildung und die gemeinsame kulturelle
Tradition festgelegt. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich dieser
gemeinsame „Nenner“ jedoch als Hemmschuh, denn es muß ein
hohes Maß an Kreativität investiert werden, um aus diesem engen
mentalen Rahmen auszubrechen und das persönliche
Ausdrucksspektrum in verschiedene Richtungen zu erweitern.
Da die DarstellerInnen der „Menschenbühne“ aus den
unterschiedlichsten Kulturen und differentesten stilistischen Ecken
des Theaters kommen, muß die künstlerische Energie nicht in die
Expansion nach außen, sondern kann in die Zentrierung und
Focusierung investiert werden. Durch die Konfrontation von
Menschen unterschiedlicher Sprache und kultureller Traditionen
kommt es nicht zu einer Schmälerung der künstlerischen Qualität
des Produktes, sondern zu deren Potentierung. (Umgelegt auf
soziale und nationale Strukturen bedeutet dies, daß sich eine
bestehende Gesellschaft durch die Aufnahme von und die
Vermischung mit Fremdem nicht notgedrungen auflösen muß, wie
dies rechtspopulistische Politiker als Horrorszenarium der
Überfremdung entwerfen, sondern gerade dadurch an Effizienz und
Kompetenz gewinnt.) Homogenität ist ein Nährboden für Verkrustung
und Verschorfung von Strukturen. Kreativität erstickt in Tradition,
Individualität verkommt zur Dienstleistung.
Zwischen 1996 und 1999 wurde auf freiwilliger Basis eine
Versuchsreihe unter den Mitwirkenden der „Menschenbühne“
durchgeführt mit dem Ziel der Erforschung von
integrationsfördernden Faktoren der Theaterarbeit. Der
Altersdurchschnitt der Teilnehmer an den Versuchsreihen war 25
Jahre, die durchschnittliche Zeit des regulären Spracherwerbs (im
Rahmen einer Kursmaßnnahme) vor der Teilnahme an den
Versuchsreihen der „Menschenbühne“ betrug eineinhalb Jahre.
Das Projekt war in vier Stufen aufgebaut:
a) Linguistischer Spracherwerb (Erwerb ausreichender
Deutschkenntnisse auf grammatikalischem, semantischem und
kommunikativem Sektor).
b) Kreative Reproduktion des erworbenen Wissens (Motto: "Ich lerne
auf ein Ziel hin.")
c) Kreative Reproduktion des erworbenen Wissens in öffentlichem
Rahmen (Motto: "Ich kann mit meinem Wissen selbständig
umgehen.")
d) Weitergabe des erworbenen Wissens an neu Hinzukommende
(Motto: "Nur was ich begriffen habe, kann ich auch weitergeben.")
Das Projekt führte bei den TeilnehmerInnen zu
- einer Steigerung der Kommunikationsfähigkeit im Umgang mit
anderssprachigen Menschen um 63%,
- einer Sicherung und Festigung der Sprechfähigkeit im
grammatikalischen und semantischen Bereich um 42%,
- einem Abbau von Hemmschwellen beim Spracherwerb,
- einer Bereicherung des Wortschatzes um mehr als 80%,
- einer Steigerung der Ausdrucksflexibilität um 45%,
- der Erlernung und praktischen Anwendung der fremdsprachlichen
Phraseologie und
- einer Festigung der Persönlichkeitsstruktur im Hinblick auf die
praktische Sprachanwendung.
Die Testreihen führten zu folgendem Ergebnis: Die Einbeziehung von
Kulturarbeit beim Spracherwerb führt innerhalb eines Jahres zu einer
Perfektionierung der Sprachkenntnisse von mehr als 100%
gegenüber der Ausgangsleistung. Weiters findet eine Steigerung der
kulturellen und sozialen Kompetenz durch den Abbau von
psychischen Hemmschwellen und durch die Schaffung von
Verständniszugängen zu fremden Kulturen statt, was positiv auf die
Integrationsbereitschaft auswirkt
In den Testreihen war bei den Mitwirkenden neben der Steigerung
der Sprachkompetenz auch ein starker Zuwachs an kultureller
Kompetenz und eine Sensibilisierung im Umgang mit
kulturkonstituierenden Faktoren des sozialen Lebens zu beobachten.
Kulturelle Kompetenz, also das Bewußtsein, Kulturträger und
Kulturtransmitter zu sein, ist die unabdingbare Voraussetzung für
soziale Kompetenz.
Als Ausländer befindet man sich hierorts in einem ständigen
Rechtfertigungszwang. Von rührigen Organisationen wird gerne
vorgerechnet, wie viele Geistesgrößen Österreichs Zuwanderer
waren. Das ist der falsche Weg, denn es wird damit unbewußt auf
fremdenfeindliche Argumentationsweisen und nationalistisches
Leistungsdenken eingegangen. Wenn eine Nation nicht in die
emotionale Bereitschaft besitzt, Menschen aus anderen Ländern und
Kulturen zu akzeptieren, macht empirisches Wissen allein nicht
toleranzfähiger.
Österreich ist seit 1918 von einem nationalen
Minderwertigkeitskomplex geprägt, den es mit dem freiwilligen
Anschluß an Nazideutschland 1938 ebenso wie mit seinem Beitritt
zur Europäischen Union zu kompensieren suchte. Durch den
Rückhalt bei übergeordneten Machtsystemen fühlt sich Österreich
legitimiert, gegen wirtschaftlich schwächere Länder – vor allem des
ehemaligen Ostblocks – und gegen Minderheiten vorzugehen. Kaum
ein anderes Land der Union hat das Schengener Abkommen so
rigoros auf alle Bereiche des sozialen und nationalen Lebens
ausgedehnt wie Österreich.
Die Haltung eines Teiles der Bevölkerung und der Politiker
gegenüber Migranten ist von Persönlichkeitsdefiziten entscheidend
geprägt. Der Zugriff auf andere Kulturen ist stets ein imperialistischer
und kolonialistischer. Daher ist das Ziel der hiesigen
Integrationspolitik, Zuwanderer zur Assimilation zu zwingen.
Kulturelle Äußerungen, die über das folkloristische Event
hinausgehen, sind nicht erwünscht. Kultur als geistiger und
organisatorischer Zusammenschluß verschiedener Nationen würde
eine Gefährdung der hiesigen Machtstrategien bedeuten.
Die derzeitige Förderungspolitik im Bereich Kultur zielt auf eine
Aufsplitterung der Szene und auf die Schaffung einer permanenten
Neid- und Konkurrenzsituation ab, die ein gemeinsames Einstehen
für die in der Bundesverfassung verankerten Rechte verhindert.
Jeder ist ein Einzelkämpfer im Streit um den Platz am Futtertrog.
Wir kennen das darwinistische Prinzip aus der Natur. Im
Management hat es sich über Clausewitz als Strategie eingebürgert.
Es ist an uns zu erkennen, daß sich mittlerweile auch die Politik
seiner immer unverhohlener bedient: Wölfe isolieren ihre Opfer von
der Herde, ehe sie sie reißen.
Mir fällt der Ausspruch des interimistischen Leiters der MA 17 aus
dem vergangenen Jahr ein, der bei der Vorstellung der neuen
Förderungspolitik auf die Frage aus dem Publikum, wie es in der
neuen Magistratsabteilung mit der Unterstützung von MigrantenKultur stünde, im Brustton der Überzeugung zur Antwort gab: „Kultur
wird es ohnehin bald nicht mehr geben.“
Kunst ist ein Schlüssel zur menschlichen Persönlichkeit und
Individualität. Sie befähigt den Menschen zur Artikulation seiner
Befindlichkeit innerhalb eines sozialen Gefüges.
Unter diesem Aspekt entlarvt sich die fadenscheinige
„Integrations“politik dieses Landes immer mehr als Kulturkampf,
betrieben von einer Nation, die aufgrund ihres Identitätsdefizits kaum
noch über eine eigenständige kulturelle Gegenwart verfügt, und von
Menschen, die zu einem Großteil zu Sachwaltern ihrer eigenen
engen Horizonte geworden sind.
Kultur macht den Menschen mündig und mental unantastbar. In ihr
wahrt sich die Würde jedes einzelnen. Durch die Kunst gibt das
Individuum Zeugnis seiner Existenz. Menschen daran zu hindern,
unauslöschliche Spuren in der Zeit zu hinterlassen, heißt, sie schon
zu Lebzeiten für tot zu erklären.
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