Recht: "International gesehen nicht neutral" von Benedikt Kommenda (Die Presse) 04.12.2003 Österreichs Neutralität wurde im Laufe der Jahre scheibchenweise verkleinert. UN- und EUVerpflichtungen gehen vor. Eine militärische Beistandspflicht würde die Neutralität weiter einschränken. WIEN. "Mit einer Beistandsverpflichtung in der EU wäre Österreichs immerwährende Neutralität auf internationaler Ebene endgültig erledigt." Innerösterreichisch bliebe allerdings ein Rest an Neutralitätspflichten aufrecht. So beurteilt der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger Österreichs Situation, sollte eine Beistandspflicht in der EU Wirklichkeit werden. Diese wäre ein weiterer Schnitt der Salami-Taktik, mit der die Neutralität über die Jahre verkleinert worden ist. [*] Als Österreich nach dem Krieg seine Souveränität wiedererlangt hatte, wurde der Beitritt zu den Vereinten Nationen 1955 noch unter der Annahme gesehen, dass die UNO das Land zu nichts verpflichten würde, was seiner allseits bekannten Neutralität widersprechen würde. Die Neutralität wurde also gedanklich den Pflichten aus der UN-Mitgliedschaft übergeordnet. [*] Seit dem ersten Golfkrieg (1991), in dem Österreich den westlichen Alliierten den Durchmarsch Richtung Golf erlaubte, ist dieses Verhältnis auf den Kopf gestellt: Seither gelten vom Sicherheitsrat gedeckte Aktionen als vorrangig gegenüber der Neutralität, gilt das, was die UNO erlaubt, als neutralitätsrechtlich unproblematisch. [*] Ein Beitritt zur EG wurde lange Jahre als mit der Neutralität unvereinbar angesehen. Denn die Gemeinschaft konnte Wirtschaftssanktionen gegen Drittstaaten verhängen, und die vertragen sich nicht mit den Pflichten eines Neutralen. Aus dem anfangs geplanten Neutralitätsvorbehalt wurde bei Österreichs Beitritt 1995 allerdings nichts; vielmehr wurde die in der Verfassung festgeschriebene Neutralität um die (nicht-militärische) Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik verringert. [*] Das nächste Scheibchen der N-Salami: Im Gefolge des Vertrags von Amsterdam wurde 1998 auch die Teilnahme an "Petersberger Aufgaben" per Verfassungsänderung legitimiert: Das sind - auch militärische - Maßnahmen, um Frieden zu erhalten oder zu schaffen (siehe Kosovo). [*] Eine militärische Beistandspflicht, wie einige Länder sie nun fordern, würde die Neutralität noch weiter einschränken (und bedürfte einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament). Einem solchen Pakt anzugehören und sich zugleich neutral zu nennen, gilt laut Öhlinger als völkerrechtlich undenkbar. [*] Was allerdings bleibt, ist die innerstaatliche Verfassungspflicht zur Neutralität in Konflikten a) unter Drittstaaten, solange eine Beteiligung nicht durch die UNO legitimiert ist, und b) mit Drittstaaten, solange kein EU-Land angegriffen ist. "Kurier" vom 06.10.2003 /Ressort: Innenpolitik Albert Bach war der einzige General der Zweiten Republik, der aus Protest zurücktrat. Sein Vermächtnis sei Zilks Bundesheer-Reformkommission ins Stammbuch geschrieben Endlose Soldatenspielerei von Otto Klambauer "Die Unsicherheit der Österreicher über die Gestaltung ihrer zukünftigen Sicherheitspolitik ist die Folge der jahrzehntelangen unzulänglichen Information der Österreicher über die tatsächlichen Erfordernisse der Sicherheit Österreichs." Nein, dies ist nicht das Eröffnungs-Statement von Altbürgermeister Helmut Zilk zum Arbeitsbeginn der Bundesheer-Reformkommission, deren Vorsitz er führt. Es stammt auch nicht aus der Feder der Offiziers-Gesellschaft. Es ist der Leitsatz eines Vermächtnisses, das der einzige Bundesheer-General hinterlassen hat, der jemals in der Zweiten Republik aus Protest von seinem Kommando zurückgetreten ist. Ex-General Albert Bach hat in seinen letzten Lebensjahren Bilanz des Bundesheeres in der Zweiten Republik gezogen. Im Sommer 2003 ist er 93. Lebensjahr verstorben. Sein Vermächtnis, das er dem Autor hinterließ, wirkt angesichts der aktuellen Debatte um Auftrag und Zielsetzung der neuen Bundesheer-Reformkommission wie eine Grundsatzanalyse der Zilk-Kommission. Vor 31 Jahren, am 6. Oktober 1972, erschien der KURIER mit der Schlagzeile: "Ein General nimmt den Hut - Protest gegen BH-Reform". General Albert Bach, einer der ranghöchsten Bundesheer-Offiziere, legte sein Kommando als Befehlshaber der Gruppe II zurück. Grund: die Aufstellung einer Bereitschaftstruppe als eigener, nicht integrierter Truppenkörper. Bach befürchtete die Aushöhlung des Bundesheeres. Verteidigungsminister Lütgendorf nahm den Rücktritt an. Bereits im Vorfeld hatte Bach die Folgen von Kreiskys Bundesheer-Reform so kritisiert: "Das ist keine Armee, das ist Soldatenspielerei!" In seiner Lebensbilanz dehnte Bach als General im Ruhestand und Zeitzeuge seinen Vorwurf auf die gesamte Zweite Republik aus. Für Bach stand das Bundesheer stets im Spannungsfeld der Politik. Immer setzte die Politik halbherzige Maßnahmen durch, alle Reformen blieben auf halbem Weg stecken. Schon in der Bundesheer-Gründung aus der B-Gendarmerie war der Keim der Halbherzigkeit gelegt. Nach dem Staatsvertrag 1955 musste rasch ein Heer aufgestellt werden. Die vier Besatzungmächte wollten mit Kriegsmaterial helfen. Bach: "Engländer, Franzosen und Sowjets gaben nur wenig. Die USA aber erklärten sich bereit, Österreich die gesamte harte Ausrüstung für ein Heer von 60.000 Mann zur Verfügung zu stellen." Zielsetzung: "Nach Vorstellung der USA sollte Österreich mit Hilfe der USA ein voll motorisiertes, stehendes Heer von 60.000 Mann aufstellen." Doch diese Stärke wurde nie erreicht. Bach: "Von Anfang an war von österreichischer Seite zu erkennen, dass es auch personell schwierig sein wird, ständig ein Heer von 60.000 Mann zu unterhalten. Es ergab sich die Frage, ob es für Österreich nicht zweckmäßiger wäre, im Frieden ein kleineres Heer zu bilden und dieses bei Bedarf durch Mobilmachung rasch zu vergrößern." Zwar begann man das Bundesheer "mit großem Elan" aufzubauen. Doch bald zeigte sich, dass der weitere Ausbau "keineswegs gesichert, sondern sehr gefährdet war." Ursache war, "dass das Bundesheer von Anfang an bei weitem die für den Aufbau notwendigen Mittel und Möglichkeiten von den zuständigen Gremien, insbesondere Nationalrat und Bundesregierung, nicht zur Verfügung gestellt bekam." Schon von 1956 bis 1961 war das Heeresbudget rückläufig. "Die Ursache dieser Mängel lag vor allem in der Einstellung der Masse der für die Landesverteidigung verantwortlichen Politiker zur Landesverteidigung." Bach sah "keine ernsthafte Befassung mit den tatsächlichen Erfordernissen der österreichischen Landesverteidigung durch die hiefür zuständigen politischen Gremien Nationalrat und Bundesregierung. Die Landesverteidigung geriet auch immer wieder in kleinliches politisches Parteien-Gezänke." Wie reagierte das Militär? "Zunächst hoffte die militärische Führung auf allmählich vermehrte Einsicht der Politiker für die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Landesverteidigung. Eine Hoffnung, die in großem Umfang bis zur Gegenwart nicht erfüllt wurde." Besonders wurde dies, so Bach, in den 70er-Jahren sichtbar: Zwar setzte Kreisky eine "breit gegliederte Bundesheer-Reformkommission ein". Diese leistete auch "gute Arbeit", aber "es zeichnete sich bald ab, dass die Bundesregierung nur gewillt war, diese Empfehlungen zum Teil durchzuführen." Seit der Heeresgliederung 1978 wurden zwar bei der personellen Heeresstärke "quantitativ und qualitativ beträchtliche Fortschritte erzielt. Auf materiellem Gebiet hingegen waren die Fortschritte gering." Daran änderte sich auch nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 nichts. Dazu kam, dass nun auch die neue Kernfrage österreichischer Sicherheitspolitik - Bewahrung der Neutralität oder Teilnahme an einer europäischen Sicherheitspolitik - ebenfalls nicht beantwortet wurde: "In Österreich bestehen Unklarheiten und große Meinungsverschiedenheiten, wie Österreich in Zukunft am besten seine Sicherheit schützen soll." Bach ortet in seinem Vermächtnis "ein ernstes Versäumnis der österreichischen Politiker". Sein Appell, den man der neuen Bundesheer-Reformkommission unter Helmut Zilk ins Stammbuch schreiben muss: "Eine eingehende, baldige Befassung der Politiker und des österreichischen Volkes mit dieser wichtigen Materie ist notwendig!" Copyrighthinweis: © Kurier - Wien, 2003. Alle Inhalte dienen der persönlichen Information. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet. 31.10.2003 Eurofighter: Popanz, Zielscheibe und ein politisches Lehrstück von Dietmar Neuwirth (Die31.10.2003 Eurofighter: Popanz, Zielscheibe und ein politisches Lehrstück VON DIETMAR NEUWIRTH (Die Presse) 31.10.2003 Only bad news are good news: Selten war dieser Satz so treffend wie beim Kauf von 18 Kampfjets für das Bundesheer. Die Aufregung war groß. Bei der Staatsanwaltschaft lang te Ende Mai eine umfangreiche Sachverhaltsdarstellung betreffend "Verwirklichung von Straftatbeständen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Abfangjägern" ein. Absender: Hobby-Politiker Rudolf Fußi. Monate später erfuhr die nach Sensationen gierende Öffentlichkeit, dass das Bundeskriminalamt mit polizeilichen Ermittlungen beauftragt wurde. Am Montag dieser Woche lag dann das Ergebnis der eingehenden Prüfung vor. Diesmal kaum eine Sekunde Sendezeit, kaum eine Zeile darüber, keine echauffierte Presseaussendung der Opposition. Weshalb? Offenbar weil nicht sein kann, was nicht sein darf. "Die Behauptungen des Herren Fußi haben sich als reine Luftblasen erwiesen", erklärte nämlich der mit dem Fall betraute Staatsanwalt Erich Müller der Austria Presseagentur. Zur Behauptung, ein Offizier des Bundesheeres wäre in der Begutachtungskommission genötigt worden, stellt Müller trocken fest: Die angebliche Nötigung solle darin bestanden haben, dass in der Bewertungskommission vier der fünf Mitglieder für den Eurofighter gestimmt haben. Der Staatsanwalt unmissverständlich: "Darin eine Nötigung zu sehen, dass einer überstimmt wird, ist rechtlich gesehen ein Blödsinn." Die Sache sei umfassend und auch die Gegeng eschäfte betreffend in jede Richtung geprüft worden, der Bestbieter sei zum Zug gekommen. So der Staatsanwalt. Only bad news are good news. Aufregung allerorts herrschte auch, als vor zwei Wochen der erste nach Spanien ausgelieferte Eurofighter am Boden b leiben musste. Hersteller EADS hatte wegen technischer Probleme bei einem Testflug in Bayern dringend zu einem Startverzicht bei einer Militärparade am Nationalfeiertag in Madrid geraten - dasselbe galt für alle Flüge in Deutschland. Die Rücknahme des Flugverbots wenige Tage später und die Tatsache, dass das aufgetretene Problem sich als singulär, nicht systembedingt, herausgestellt hatte, war wieder kaum eine Zeile wert. Dann ist da noch der genussvoll ausgeweidete deutsche Rechnungshof -Rohbericht. Stichworte: Der Eurofighter sei teurer als angenommen, er sei im Winter einsatzuntauglich, fliege weniger hoch, weniger rasch als versprochen und weise eine Reihe anderer gravierender Mängel auf. Nun wird aber gerne verges sen, in diesem Zusammen hang auf dreie rlei hinzuweisen: [*] Angebliche oder tatsächliche Mängel betreffen jedenfalls nur die 38 Deutschland vertraglich zustehenden Flugzeuge aus dem allerersten Baulos. Österreichs Bestellung bezieht sich auf eine spätere Tranche. Bis dahin sollten erste "Kinde rkrankheiten", die bei einem neu entwickelten hochtechnisierten Produkt unweigerlich auftreten, auskuriert sein, hoffen die Militärs in Wien. [*] Darüber hinaus weist das Verteidigungsministerium Günther Platters darauf hin, dass die Einhaltung sämtlicher Leistungsstandards vertraglich garantiert sei. Im Extremfall könnte es nach erfolgloser Aufforderung zur Sanierung eines Problems zu einer "Ersatzvornahme" kommen. Das heißt, Österreich könnte/müsste unter Verrechnung aller dadurch entstehenden Kosten an EADS andere Abfangjäger bestellen. Ein Ausstieg Österreichs aus dem Vertrag wäre - ohne dass die andere Seite wesentliche Teile nicht erfüllt - mit Pönalezahlungen verbunden, wie im Verteidigungsressort bestätigt wird. Über die Höhe der Summe schweigt man sich aus. [*] Abgesehen davon sorgen Kritikpunkte aus dem Rohbericht des deutschen Rechnungshofs (ohne Stellungnahme des Verteidigungsministeriums), die die Leistung des Eurofighters generell in Zweifel ziehen, für Kopfschütteln unter Militärexperten. Es gibt tatsächlich teilweise erhebliche Verzögerungen im Zeitplan des Eurofighter-Projekts. Bei Basisfähigkeiten (beispielsweise Fliegen im Winter) fehlt daher noch die staatliche Zertifizierung. Prototypen sind aber natürlich längst auch bei Minusgraden geflogen. Es fehlt eben bis dato das Siegel der deutschen Luftfahrtbehörde, dass diese Leistung auch unter strenger amtlicher Kontrolle erbracht wurde. Bis 2005 sei der Eurofighter jedenfalls voll einsatzfähig - schreibt nicht Verkäufer EADS, sondern das deutsche Verteidigungsministerium in einer Stellungnahme. Österreich werden 2007 erste Jets geliefert. Der mit Abstand teuerste Kauf für das Bundesheer zieht Vorwürfe aller Art nachgerade magisch auf sich. Ein Grund liegt wohl auch darin, dass sich die Regier ung nicht der Mühe unterzogen hat, genauer zu erklären, weshalb die Typenentscheidung so und nicht anders erfolgt ist. Fortsetzung folgt daher. Mit Garantie. Presse) 31.10.2003 Only bad news are good news: Selten war dieser Satz so treffend wie beim Kauf von 18 Kampfjets für das Bundesheer. Die Aufregung war groß. Bei der Staatsanwaltschaft lang te Ende Mai eine umfangreiche Sachverhaltsdarstellung betreffend "Verwirklichung von Straftatbeständen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Abfangjägern" ein. Absender: Hobby-Politiker Rudolf Fußi. Monate später erfuhr die nach Sensationen gierende Öffentlichkeit, dass das Bundeskriminalamt mit polizeilichen Ermittlungen beauftragt wurde. Am Montag dieser Woche lag dann das Ergebnis der eingehenden Prüfung vor. Diesmal kaum eine Sekunde Sendezeit, kaum eine Zeile darüber, keine echauffierte Presseaussendung der Opposition. Weshalb? Offenbar weil nicht sein kann, was nicht sein darf. "Die Behauptungen des Herren Fußi haben sich als reine Luftblasen erwiesen", erklärte nämlich der mit dem Fall betraute Staatsanwalt Erich Müller der Austria Presseagentur. Zur Behauptung, ein Offizier des Bundesheeres wäre in der Begutachtungskommission genötigt worden, stellt Müller trocken fest: Die angebliche Nötigung solle darin bestanden haben, dass in der Bewertungskommission vier der fünf Mitglieder für den Eurofighter gestimmt haben. Der Staatsanwalt unmissverständlich: "Darin eine Nötigung zu sehen, dass einer überstimmt wird, ist rechtlich gesehen ein Blödsinn." Die Sache sei umfassend und auch die Gegengeschäfte betreffend in jede Richtung geprüft worden, der Bestbieter sei zum Zug gekommen. So der Staatsanwalt. Only bad news are good news. Aufregung allerorts herrschte auch, als vor zwei Wochen der erste nach Spanien ausgelieferte Eurofighter am Boden bleiben musste. Hersteller EADS hatte wegen technischer Probleme bei einem Testflug in Bayern dringend zu einem Startverzicht bei einer Militärparade am Nationalfeiertag in Madrid geraten - dasselbe galt für alle Flüge in Deutschland. Die Rücknahme des Flugverbots wenige Tage später und die Tatsache, dass das aufgetretene Problem sich als singulär, nicht systembedingt, herausgestellt hatte, war wieder kaum eine Zeile wert. Dann ist da noch der genussvoll ausgeweidete deutsche Rechnungshof-Rohbericht. Stichworte: Der Eurofighter sei teurer als angenommen, er sei im Winter einsatzuntauglich, fliege weniger hoch, weniger rasch als versprochen und weise eine Reihe anderer gravierender Mängel auf. Nun wird aber gerne verges sen, in diesem Zusammen hang auf dreierlei hinzuweisen: [*] Angebliche oder tatsächliche Mängel betreffen jedenfalls nur die 38 Deutschland vertraglich zustehenden Flugzeuge aus dem allerersten Baulos. Österreichs Bestellung bezieht sich auf eine spätere Tranche. Bis dahin sollten erste "Kinderkrankheiten", die bei einem neu entwickelten hochtechnisierten Produkt unweigerlich auftreten, auskuriert sein, hoffen die Militärs in Wien. [*] Darüber hinaus weist das Verteidigungsministerium Günther Platters darauf hin, dass die Einhaltung sämtlicher Leistungsstandards vertraglich garantiert sei. Im Extremfall könnte es nach erfolgloser Aufforderung zur Sanierung eines Problems zu einer "Ersatzvornahme" kommen. Das heißt, Österreich könnte/müsste unter Verrechnung aller dadurch entstehenden Kosten an EADS andere Abfangjäger bestellen. Ein Ausstieg Österreichs aus dem Vertrag wäre - ohne dass die andere Seite wesentliche Teile nicht erfüllt - mit Pönalezahlungen verbunden, wie im Verteidigungsressort bestätigt wird. Über die Höhe der Summe schweigt man sich aus. [*] Abgesehen davon sorgen Kritikpunkte aus dem Rohbericht des deutschen Rechnungshofs (ohne Stellungnahme des Verteidigungsministeriums), die die Leistung des Eurofighters generell in Zweifel ziehen, für Kopfschütteln unter Militärexperten. Es gibt tatsächlich teilweise erhebliche Verzögerungen im Zeitplan des Eurofighter-Projekts. Bei Basisfähigkeiten (beispielsweise Fliegen im Winter) fehlt daher noch die staatliche Zertifizierung. Prototypen sind aber natürlich längst auch bei Minusgraden geflogen. Es fehlt eben bis dato das Siegel der deutschen Luftfahrtbehörde, dass diese Leistung auch unter strenger amtlicher Kontrolle erbracht wurde. Bis 2005 sei der Eurofighter jedenfalls voll einsatzfähig - schreibt nicht Verkäufer EADS, sondern das deutsche Verteidigungsministerium in einer Stellungnahme. Österreich werden 2007 erste Jets geliefert. Der mit Abstand teuerste Kauf für das Bundesheer zieht Vorwürfe aller Art nachgerade magisch auf sich. Ein Grund liegt wohl auch darin, dass sich die Regierung nicht der Mühe unterzogen hat, genauer zu erklären, weshalb die Typenentscheidung so und nicht anders erfolgt ist. Fortsetzung folgt daher. Mit Garantie. 15.09.2003 Profil Interview: „Wehrsprecher verstehen wenig“ Der Luftfahrtexperte Georg Mader verweist die Kritik des deutschen Bundesrechnungshofes am Eurofighter ins Reich der Fantasie. profil: Ist die Aufregung um angebliche Mängel der Eurofighter berechtigt? Mader: Nicht in dieser niedrigsten Art, wie sie Oppositionspolitiker derzeit an den Tag legen. Das ist erschreckend und nur möglich, weil so viele so wenig vom Thema verstehen – selbst Wehrsprecher. profil: Laut Bericht des deutschen Bundesrechnungshofes dürften die Eurofighter im Winter gar nicht abheben. Mader: Niemand unterscheidet da zwischen Können und Dürfen und zwischen Prototypen und Serienmaschinen. profil: Die Leute interessiert, ob die Flugzeuge im Winter flugtauglich sind. Mader: Die sechs Prototypen haben bereits alle im Leistungskatalog angeführten Punkte erfüllt, also auch Flüge bei minus 20 Grad. profil: Wieso dürfen die Flugzeuge dann nicht fliegen? Mader: Die Prototypen gehören den Firmen des Herstellerkonsortiums, und die Serienmaschinen, die jetzt ausgeliefert werden, sind Staatsluftfahrzeuge. profil: Das wird doch für die Frage der Flugtauglichkeit unerheblich sein? Mader: Stimmt. Es geht ja dabei nicht um technische Flugtauglichkeit, sondern um die nationale Zertifizierung dieser Tauglichkeit. profil: Aber die Diskussion der letzten Tage hat den Eindruck erweckt, als ginge es um operationelle Fähigkeiten des Geräts. Mader: Erflogene Leistungsdaten nutzen Ihnen nichts, solange sie nicht von den Zulassungsbehörden geprüft und für den Friedensbetrieb abgenommen werden. profil: Wollen Sie damit sagen, es ginge nur um einen bürokratischen Akt? Mader: Jedes einzelne Land, welches Eurofighter bestellt hat, stellt ein Luftfahrttüchtigkeitszeugnis aus. Um jeweils den amtlichen „Stempel“ zu bekommen, muss jedes im Bericht kritisierte Flugdetail genau erflogen und von den Behörden abgenommen werden. profil: Und da gehört auch der Winterflugbetrieb dazu? Mader: Ja, aber im Gegensatz zu Prototypen und Vorserienflugzeugen haben die ersten Seriengeräte, die vor wenigen Wochen ausgeliefert wurden, noch keinen Winter gesehen. profil: Im Rechnungshofbericht heißt es aber auch, dass die Flugzeuge keine Zusatztanks tragen und auch nicht in der Luft betankt werden könnten. Mader: Auch hier ist das Zertifizierungsprozedere gemeint und nicht, dass die Flugzeuge das alles nicht könnten. profil: Woher wissen Sie das? Mader: Ich selbst habe Prototypen unter winterlichen Bedingungen und mit Außentanks fliegen gesehen. Das Tanken in der Luft ist mehrfach dokumentiert. Diese Flugzeuge haben ja bisher schon 2800 Flüge mit 2400 Stunden absolviert. profil: Warum dann die ganze Aufregung? Mader: Tagespolitik. Übertragen auf die Autosprache, geht es jetzt darum, dass die Flugzeuge jeweils die nationale Zulassung und das „Pickerl“ bekommen. profil: Heißt das, auf Österreich hat diese Kritik keine Auswirkungen? Mader: Die Deutschen bekommen Flugzeuge aus der ersten, wir ab 2007 aus der zweiten Tranche. Daher betrifft uns die Kritik des deutschen Rechnungshofs überhaupt nicht. profil: Aber die Zertifizierung müssen dann ja wohl auch die von Österreich bestellten Flugzeuge durchlaufen? Mader: Ja, aber die wird nur noch einige von der österreichischen Luftbehörde geforderte Spezifika betreffen, bei den übrigen Erfordernissen wird man sich auf die Zertifizierung anderer Staaten stützen können. profil: Hat die Opposition mit ihrer Kritik nicht insofern Recht, als es sich beim Eurofighter um eine Neuentwicklung mit Kinderkrankheiten handelt? Mader: Neu ist schlecht? Die Luftwaffe aus zweiter Hand hatten wir 50 Jahre lang. Ich selbst war ursprünglich kein Freund des Eurofighters. Aber dieses Flugzeug wurde sogar unterbewertet. Das Pflichtenheft, das der Ausschreibung zugrunde lag, hat zum Teil mit einem so entwickelten Flugzeug noch gar nicht gerechnet. Der SPÖ sei auch entgegnet: EADS hätte 2005 liefern können, wir aber wollten Tranche zwei. Das System reicht jedenfalls 30 oder 40 Jahre. Alle Parteien wollen, dass Österreich künftigen europäischen Sicherheitsstrukturen angehört. Und keiner kann voraussagen, wie die aussehen werden, der Eurofighter passt aber in jede Struktur. profil: Sie halten den Ankauf dieses Flugzeugtyps also für richtig? Mader: Das System Eurofighter hat enormes Aufwuchspotenzial. Aus meiner Sicht ist die Entscheidung noch immer richtig.