Alfred Döblin

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OBSAH
Alfred Döblin ....................................................................................................................................................................................... 1
Anna Seghers ....................................................................................................................................................................................... 2
Bertold Brecht ...................................................................................................................................................................................... 3
BRD Lit. in den 40er und 50er Jahren ...................................................................................................................................................... 3
BRD-Lit. in den 60er Jahren ..................................................................................................................................................................... 5
BRD-Lit. in den 70er,80er und 90er Jahren .............................................................................................................................................. 7
Lit. in der ehemaligen DDR in den 40er, 50er und 60er Jahren ................................................................................................................ 9
DDR-Lit. in den 70er und 80er Jahren .................................................................................................................................................... 11
Deutschsprachige Erzählkunst im 20. Jahrhundert ................................................................................................................................. 13
Deutsche Lyrik im 20. Jh. ....................................................................................................................................................................... 14
Deutsches Drama im 20. Jh.................................................................................................................................................................... 16
Deutsche Lit. in den Jahren 1918 – 1933 ................................................................................................................................................ 19
Deutsche Lit. 1933 – 1945 im nationalsozialistischen D. sowie im Exil ................................................................................................ 20
Erich Kästner ...................................................................................................................................................................................... 22
Der Expressionismus als Schreibweise und Richtung ............................................................................................................................ 23
Expressionistische lyrische, dramatische und epische Dichtungen ......................................................................................................... 23
Frank Wedekind ................................................................................................................................................................................. 25
Franz Kafka ........................................................................................................................................................................................ 26
Friedrich Dürrenmatt .......................................................................................................................................................................... 27
Gottfried Benn (1886-1956) ............................................................................................................................................................... 27
Günter Grass ...................................................................................................................................................................................... 28
Hans Fallada (Rudolf Ditzen) ............................................................................................................................................................ 28
Hans Magnus Enzensberger ............................................................................................................................................................... 29
Heinrich Böll ...................................................................................................................................................................................... 29
Heinrich Mann ................................................................................................................................................................................... 30
Hermann Broch .................................................................................................................................................................................. 30
Hermann Hesse .................................................................................................................................................................................. 31
Christa Wolf (1929 bis heute) ............................................................................................................................................................ 32
Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) .................................................................................................................................................... 32
Johannes Bobrowski (1917 – 1965) ................................................................................................................................................... 32
„Klassische“ Moderne ............................................................................................................................................................................ 33
Deutsche Lit. und der 2. Weltkrieg ......................................................................................................................................................... 37
Max Frisch (1911) .............................................................................................................................................................................. 38
Naturalismus als Schreibweise und Richtung ......................................................................................................................................... 39
Österreichische Literatur nach 1945 ....................................................................................................................................................... 41
Österreichische und schweizerische Lit. in den Jahren 1918-1945 ......................................................................................................... 42
Die österreichische Literatur vor 1918 .................................................................................................................................................... 43
Probleme der Periodisierung der deutschsprachigen Lit. ................................................................................................................... 45
Peter Handke (1942 bis heute) ........................................................................................................................................................... 46
Prager deutsche Literatur ........................................................................................................................................................................ 46
Rainer Maria Rilke ............................................................................................................................................................................. 47
Robert Musil ...................................................................................................................................................................................... 47
Schweizerische Literatur nach 1945 ....................................................................................................................................................... 48
Lit. Situation und lit. Leben in dt. Ländern nach 1945 ........................................................................................................................... 49
Stefan Zweig ...................................................................................................................................................................................... 50
Thomas Mann .................................................................................................................................................................................... 51
Volker Braun (1939 in Dresden) ....................................................................................................................................................... 52
Alfred Döblin
AD wurde in Stettin geb., war ein Arzt, Dichter, Naturwissenschaftler und Phantast, dt. Jude und preußischer Sozialist. Er stammte aus einer Familie
mit fünf Kindern. Als er 10 Jahre alt war, verließ Vater seine Familie und seine Frau blieb mit den Kindern im sozialen Elend. Die Mutter zog mit
den Kindern 1888 nach Berlin, der Stadt, wo AD bis 1933 lebte. Hier hatte er in der Schule seine erste Begegnung mit dem preußischen
Obrigkeitsstaat, sowie mit der Philosophie und Kunst. Er las Werke von Friedrich Hölderlin, Heinrich von Kleist, Friedrich Nietzsche, Arthur
Schopenhauer. Nach dem Abitur 1900 studierte er Medizin, v.a. Neurologie und Psychiatrie. Nach dem Doktorexamen arbeitete er in den Jahren
1905 – 1910 als Assistenzarzt in den Irrenanstalten in Regensburg und Berlin.
In diesen Jahren entstanden seine ersten lit. Arbeiten, darunter der Roman Der Schwarze Vorhang, eine psychographische Studie über
Triebunterdrückung und sexuelle Befallenheit, sowie seine zwölf Erzählungen, die er 1913 unter dem Titel Die Ermordung einer Butterblume
veröffentlichte. Er wurde zum Bahnbrecher des E. in D., 1910 war Mitbegründer der express. Zeitschrift „Der Sturm“. Sein Erzählen prägt die
Erkenntnisse der Naturwissenschaften und die Erfahrungen der modernen Psychiatrie. Seine Schreibweise ähnelt einem „Kinostil“, der in harten,
abgehackten Fügungen verfährt, ein Prinzip, das seine Parallelen in der gleichzeitig entstehenden abstrakten Malerei und der atonalen Musik fand. Er
wollte keine Verschönerung, keinen Schmuck, keinen Stil, sondern Härte, Kälte und Feuer, Weichheit und Transzendentales darstellen. Als
Hauptwerk dieser Ästhetik ist der Roman Die drei Sprünge des Wang-lun zu nennen.
1912 heiratete er eine Medizinstudentin, nachdem er ein Jahr zuvor Vater des unehelichen Kindes geworden ist. 1915 wurde er als Militärarzt
eingezogen. Nach dem Krieg wurde er zum entschiedenen Kriegsgegner und Sozialisten. Während der Weimarer Republik trat er mit Wort und Tat
für die Demokratie und Freiheit der Künste ein.
Sein umfangreicher Roman aus dem Jahr 1924 Berge, Meere und Giganten spielt im 24. bis 27 Jh. ab und zeigt die grausamen Folgen technischer
Erfindungen, sowie eine Rettung des Menschen nur in der Rückbesinnung auf ein naturverbundenes Leben.
1929 erschien der Roman Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf, der AD berühmt machte.
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Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand floh AD im März 1933 in die Schweiz, und dann nach Paris. Der sesshafte Großstädter wurde aus seiner
Heimat vertrieben. Er musste dann 1940 nach USA fliehen, aber als einer der ersten Exilanten kehrte er 1945 nach der Befreiung vom Nazismus
nach D. zurück.
1937 begann er den Roman November 1918. Eine deutsche Revolution, den er erst 1943 beendete und der Manuskript blieb.
Er wollte aktiv mitwirken am geistigen Wiederaufbau und an der Demokratisierung. Aber er fand keinen Anschluss mehr an die dt. Lit. Er fühlte
sich verurteilt. Der bereits 1946 abgeschlossene Roman Hamlet, für den sich kein westdt. Verleger interessiert, erschien erst 1956 in Ostberlin. AD
starb nach langer, schwerer Krankheit vergessen.
Berlin – Alexanderplatz:
Der Roman erschien im Jahre 1929, 1933 wurde zusammen mit vielen anderen Büchern von den NS verbrannt. In dieser kurzen Zeit erreichte das
Buch einen solchen Erfolg, dass es 50 Ausgaben hatte, und in viele europäische Sprachen übersetzt wurde.
AD war in seiner Jugend ein aktiver Sozialist, noch vor dem Beginn der Arbeit an diesem Roman trat er aus der SPD für ihre Paktierung mit der
Bourgeoisie im Jahre 1920 aus. Seitdem glaubte er den polit. Parteien nicht mehr. Kurz vor dem Eintritt des NS veröffentlichte er ein Manifest, in
dem er alle „frei denkenden Deutschen davor warnte.
Der Roman ist interessant damit, weil er die bis dahin nicht dargestellte Tatsache einer Großstadt in sich einschloss. Zu einem raschen Wachstum der
Großstädte kam es v.a. nach dem 1.WK, zusammen mit der Entwicklung der Technik, des Unternehmens, was die psychische sowie physische Seite
deren Bewohner und ihre Ansichten beeinflusste. AD war selbst ein Großstadtbürger und diese Tatsache erlebte intensiv auf eigener Haut. Das
Leben des Berliner Unterwelt stellte er nicht, um die Spannung zu leisten, sondern er suchte darin den Menschen und den Sinn seiner Existenz. Er
beobachtet das Leben des Helden – eines Arbeiters, später Sträflings, Straßenverkäufers, Diebes und Zuhälters (pasáka). Sein Held ist nicht für ihn
ein fremder Mann, er unterbricht häufig das Erzählen, um ihn zu tadeln oder loben.
Franz Biberkopf leidet unter dem Bösen dieser Welt, das gegen ihn 3mal eingreift, um seine Bemühung ein anständiger Mensch zu sein, zerstören zu
wollen. 1. Lüders betrügt ihn, 2. Reinhold versucht ihn zu töten, 3. Reinhold tötet seine Geliebte und stellt es so an, dass Franz beschuldigt wird. Für
Franz ist es zuviel, ließ sich verhaften und will sterben. In einer Irrenanstalt rechnet mit sich selbst ab, spricht mit dem Tod, der zu ihm die bekannten
Menschen, die geliebten und auch die gehassten führt. Aus der Irrenanstalt kommt ein völlig anderer Mensch, mit einem anderen Namen – Franz
Karl Biberkopf.
Im Roman hat seinen Platz die Natur. Der Mensch kommt in diese Welt durch sein Ich und dieses Ich ist ein Bestandteil der Natur. Deswegen
versteht Franz beim Kampf mit dem Tod den Mäusen, deswegen begleitet das Knistern der Bäume im Sturm sein Leiden über Mickas Tod.
Ganzes Roman ziehen sich die Sprüche aus der Bibel durch – es geht um das biblische Motiv des Babylons – der Mutter der Laster, um weitere
Motive: Abrahams Opfern des geliebtesten Sohnes, Jobs Leiden, die Engels...
Ähnlich wie Brecht reiht auch AD die Lieder in den Roman ein und jedes Buch beginnt mit kurzer Einleitung. Der Leser weißt noch voraus von dem
Schicksal der Protagonisten. AD benutzte in dem Roman bis dahin ungewohnte Möglichkeiten des Erzählens. Durch eine Montagetechnik, die
Werbesprüche, Bibelzitate, Wetterberichte, Statistiken, Tagebucheintragungen, Zeitungsabschnitte, Straßenbahnfahrpläne und Liedertexte
kombiniert, wird der bedrohliche und chaotische Charakter der Großstadt deutlich gemacht. Um die Fülle der Vorstellungen des Franz Biberkopf
darzustellen, benutzte AD die aus der englischen Lit. übernommene „Assoziationstechnik“. Das bewirkt ein verwirrendes Bild der Großstadt,
wodurch das Scheitern von Franz Biberkopf noch überzeugender wirkt.
Anna Seghers
AS, mit eigenem Namen Netty Reiling, stammte aus einer jüdischen Familie, wurde in Mainz 1900 geb. An der UNI in Heidelberg studierte sie die
Kunstgeschichte, die Geschichte und Philologie, an der sie 1924 promovierte. In Heidelberg lernte sie politische Flüchtlinge aus Osteuropa kennen,
darunter den ungarischen Kommunisten Laszlo Radvanyi, den sie 1925 heiratete. In dieser Zeit wurde sie politisch bewusst. Bereits als
Zwanzigjährige wusste sie, dass sie schreiben möchte. 1928 trat sie in die KPD ein, im selben Jahr veröffentlichte sie die mit Kleist-Preis
ausgezeichnete Erzählung Aufstand der Fischer von St. Barbara. 1929 wurde sie Mitglied im Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller.
1933 wollte sie Gestapo verhaften und sie floh nach Paris. Während des franz. Exils engagierte sie sich weiterhin politisch und publizistisch für den
antifaschistischen Kampf. Dort entstand auch ihr Roman Der Kopflohn. Roman aus einem dt. Dorf im Spätsommer. Sie schrieb über die Geschichte
der Länder, in denen sie war. An anderer Seite sie wandte sich auch den nationalen Themen zu, sie widmete sich leidenschaftlich den Unterdrückten
und Verfolgten. Sie litt unter Heimweh und Sehnsucht, welche das Deutschlands-Bild der im Exil geschriebenen Prosa und Essays prägt: in ihrer
programmatischen Rede Vaterlandsliebe, in dem Bergarbeiterroman Die Rettung und v.a. in dem Roman Das siebte Kreuz, der sie weltberühmt
machte.
Ihre Lebensverhältnisse in Paris verschlechterten sich, sie hatte Sorgen um das tägliche Brot für sie und ihre zwei Kinder. Deswegen schrieb sie an
den Schriftsteller Johannes R. Becher und bat um Hilfe. Nach der Besetzung von Paris wechselte AS auf der Flucht vor der Gestapo allnächtlich ihr
Quartier, ihre Kinder waren bei Freunden, mit deren Hilfe die Flucht ins unbesetztes Gebiet gelingt, in die Nähe des Lagers Le Vernet, wo ihr Mann
interniert war. Ihre Briefe dokumentieren ihre tiefe Depression. Nur die Arbeit an einem weiteren Roman hat ihr vermutlich das Leben gerettet. Es ist
der Roman Transtit. Transit steht für absolute Heimatlosigkeit, während Das Siebte Kreuz eine Heimatbeschwörung ist. Sie verarbeitet die
Erlebnisse in Marseille, bevor sie mit einem Frachtschiff nach Mexiko fahren durfte. Der Paß, ohne den der Mensch keine Identität mehr zu haben
scheint, wird hier zum Motiv. Es zeigt die Situation der Emigranten, die in Marseille für ein Schiffticket kämpften, um dem sicheren Tod zu
entgehen. Die wachsende Entfremdung von der Heimat, die Bürokratie der Ausreisebehörden und die Ungewissheit ergeben ein düsteres Bild der
Sinnlosigkeit.
1941 emigrierte sie nach Mexico. Der, im Jahre 1937 begonnene Roman Siebte Kreuz wurde in Mexico 1942 veröffentlicht und brachte AS großen
Erfolg. Die Zeit materieller Not ist vorbei. Sie engagierte sich weiterhin im Kampf gegen den Faschismus. In diesem Moment bekommt sie
Nachricht von der Ermordung ihrer Mutter und Vernichtung der Stadt, wo sie lebte. Von einem Auto angefahren, schwebte sie wochenlang zw.
Leben und Tod. Unmittelbar danach schrieb sie die Erzählung Ausflug der toten Mädchen, es ist eine autobiographische Erzählung, in der sie den
Abschied von der Mutter nahm und über der Heimfahrt dachte. Im Zeichen dieser Rückkehr entsteht der große Roman Die Toten bleiben jung. Es ist
eine Chronik dt. Geschichte von 1917 bis 1945, die an vielen Schicksalen exemplarisch geschildert wird. Sie verwendete das Erzählprinzip, in dem
aus episodenhaften Schilderungen von Einzelcharakteren ein Gesamtbild entsteht.
Im Frühjahr 1947 fuhr sie über Paris, wo ihre Kinder studierten, nach Berlin. Sie lebte zusammen mit ihrem Mann, der 1952 in die DDR kam. Ihre
Entscheidung für die DDR war bestimmt durch ihre Parteinahme, sie wollte in „den Teil des Landes , der den Weg in eine sozialistische Zukunft
gehen konnte“. Sie engagierte sich in der Weltfriedensbewegung und lange Jahre war Vorsitzende des Schriftstellerverbands, wurde zu einer der
wichtigen Repräsentantin der DDR. In der Entscheidung stellt sie die Entwicklung zweier Stahlwerke dar, die nach dem Krieg durch die Grenze so
getrennt werden, dass eines in der BRD, das andere in der DDR liegt. Das Vertrauen ist die Fortsetzung dieses Themas. Beide Romane sollen zeigen,
dass sich unter veränderten Produktionsverhältnissen auch die Menschen ändern. Beide Romane befolgen konsequent die Linien des Bitterfelder
Wegs.
Hier schrieb sie einfache, didaktische Kurzprosa (Friedengeschichten), mythische Erzählungen (Das Argonautenschiff) und die beiden großen DDRRomane (Die Entscheidung und Das Vertrauen).
Mit zunehmendem Alter und aus Gesundheitsgründen entzog sie sich seit 1968 immer mehr der öffentlichen Aufgaben, nach dem Tod ihres Mannes
ist ihre Entziehung noch deutlicher.
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Bertold Brecht
Bertold Brecht wurde 1898 in Augsburg in der Familie eines Prokuristen geb. Er studierte an der Volksschule, dann am Augsburger
Realgymnasium. Bereits während des Studium begann er Gedichte zu schreiben, die er zuerst in einer Schulzeitung veröffentlichte. Ab 1917 begann
er die Medizin in München zu studieren. Er lernte dort L. Feuchtwanger kennen. 1918 musste er den Militärdienst eintreten. In diesem Jahr beendete
er sein Stück Baal und schrieb das Gedicht Legende von einem toten Soldat. Während des Krieges wirkte er im Lazarett für Infektionskrankheiten.
1919 veröffentlichte er den Baal und zeigte Feuchtwanger sein weiteres Spiel Spartakus, das ihn sehr begeisterte (später nannte BB das Spiel Die
Trommeln in der Nacht um). Ein Jahr später begann er die Arbeit an Galgei (Mann ist Mann).
1922 bekam BB den Kleistpreis für sein dramatisches Frühwerk.
Anfänge waren expressionistisch. Sein erstes Spiel Baal (entstanden 1918/19) besteht aus vielen einzelnen Szenen, die von Bänkelliedern
unterbrochen werden. Seine Komödie Trommeln in der Nacht spielt in Berlin vor dem Hintergrund des Spartakus-Aufstandes 1919 ab. (Der
Spartakus war eine linksradikale, revolutionäre Vereinigung unter Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die beide während dieses
Aufstandes ermordet wurden.) Der Soldat Kragler kehrt aus dem Krieg heim. Seine Braut Anna hat inzwischen geheiratet, weil ihr Vater sich
dadurch wirtschaftliche Vorteile versprach. Anna verlässt jedoch ihren Mann und kehrt zu Kragler zurück, der sich jetzt vor der Revolution
zurückzieht. Aus diesem Stück stammt die berühmte Aufforderung „Glotzt nicht so romantisch“, was die Technik der Illusionszerstörung verrät.
1924 ging BB nach Berlin. Ein Jahr arbeitete er mit Zuckmayer im Dt. Theater, 1926 vollendete das Spiel Mann ist Mann und veröffentlichte die
Sammlung Bertold Brechts Hauspostille. Nach den express. Anfängen suchte Brecht neben Volksstück und Zeitstück auch seine eigene Form, die er
im Lehrstück der späten 20er Jahre entwickelte. Um 1929 arbeitete er an einer Dramenform, die den Schauspielern durch nichteinfühlende
Darstellung eine kritische Erkenntnis ermöglichte. In diesem Geist entstanden zw. 1928 – 1930 Stücke wie Der Jasager und der Neinsager, Der
Ozeanflug, Die Maßnahme und die Regel. Sein Stück Mann ist Mann (1927) heißt im Untertitel Die Verwandlung des Packers Galy Gay in den
Militärbaracken von Kilkoa im Jahre 1925. Brecht benutzte hier erstmals die Parabelform. Er ließ die Handlung auf verschiedenen Ebenen spielen
und kommentierte sie mit Songs und Selbstvorstellungen der auftretenden Personen. Er zeigt den Menschen in der gesellschaftlichen Realität, er ist
von der Technik abhängig, vereinzelt, entfremdet, anonym.
Seit 1928 wirkte als Regisseur im „Theater am Schiffbauerdamm“, wo er viele seiner Spiele inszenierte. Internationalen Erfolg für Brecht brachte
Die Dreigroschenoper, die sich der Theaterdirektor Aufricht zur Eröffnung dieses Theaters bestellte. Es ist eine moderne Version der Bettleroper des
Engländers John Gay ist. Die Musik für sie schreib Kurt Weill. Hauptfigur ist der Gauner Macheath, genannt Mackie Messer, und sein Gegenspieler,
der Bettlerkönig Peachum. Als Macheath Peachums Tochter Polly heiratet, lässt dieser ihn bald bei einem seiner regelmäßigen Bordellbesuche
verhaften. Macheath kann mehrere Male aus dem Gefängnis gliehen, bis er zuletzt gehängt werden soll. Als er den Kopf schon in der Schlinge hat,
erscheint ein reitender Bote der englischen Königin mit der Begnadigung. In der Dreigroschenoper verband Brecht sentimentale und groteske Züge.
Die Songs trugen zum angestrebten Verfremdungseffekt bei. Der Zuschauer sollte nicht die Partei für diese oder jene Figur ergreifen, sondern seine
eigene gesellschaftliche Position erkennen.
1929 heiratete er die Schauspielerin Helene Weigel. 1933 nach der Reichstagbrandung verließ er D. – ging er mit Frau und seinem Sohn zuerst nach
Prag, dann Wien, Zürich, Paris und schließlich in Dänemark. Im dänischen Exil im Jahre 1938 entstand sein Werk Furcht und Elend des Dritten
Reiches, das zeitbezogen ist. Die 24 Szenen sind thematisch nicht miteinander verbunden, sondern stellen modellhaft und detailgetreu die Situation
in D. dar, die nur noch Ekel, kein Mitleid weckt. Die Szenen hießen ursprünglich Deutschland – ein Greuelmärchen in Anlehnung an Heines D. – ein
Wintermärchen. In Dänemark lebte er bis 1939, hier entstand auch der Dreigroschenroman, BB arbeitete an Leben des Galilei, Der gute Mensch von
Sezuan und Mutter Courage und ihre Kinder.
1941 emigrierte er nach Amerika, wo er bis 1946. Dort entstanden seine wichtigsten Stücke, v.a. seine Theorie des epischen Theaters, die er unter
dem Titel Kleines Organon für das Theater veröffentlichte. Hier wünscht er sich, dass seine Stücke eine wirksame Verbindung von Lehre und
Unterhaltung sein sollten. Er wollte jede Illusionsbildung vermeiden und den Zuschauer zum kritischen Betrachten und v.a. zur kritischen
Stellungnahme herausfordern. Er nannte das Instrument, mit dem er die Illusion brechen und eine Distanz aufbauen wollte, den
Verfremdungseffekt: Seine Stücke werden durch Zwischentitel und Lieder unterbrochen, oft bestehen aus lose verbundenen Szenen, die zeitlich
voneinander entfernt sind (Mutter Courage und ihre Kinder, Leben des Galilei). Die Schauspieler sollten eine bewusste Distanz zu ihrer Rolle haben.
Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg (1941 in Zürich uraufgeführt) stellte in 12 Szenen das Schicksal der
Marketenderin Courage und ihrer drei Kinder (Schweizerkas, Eilif und Kattrin) dar. Vor jeder Szene wird ein Überblick gegeben, was in dieser
Szene passiert um so die Spannung zu nehmen und das Nachdenken zu erregen. Mutter Courage will ihre Kinder aus dem Krieg heraushalten, aber
es gelingt ihr nicht. Gleich am Anfang wird Eilif eingeworben. MC gerät in einen Konflikt zw. Mutter und Händlerin. Ihr Plan, sich aus dem Krieg
rauszuhalten und vom Krieg zu verdienen, kann sie nicht verwirklichen, sie muss ihm auch etwas geben. Während andere sich über den Frieden
freuen, bedeutet er für sie ein Ruin, sie kann nur vom Krieg leben. Schließlich bezahlt sie ihre ökonomischen Interessen mit dem Verlust ihrer drei
Kinder und am Ende auch mit ihrem persönlichen Ruin, doch sie lernt nichts dazu. Brecht ging es darum, dass v.a. Zuschauer etwas lernt und nicht
die auftretenden Personen. Die Songs erhellen und kommentieren die Handlung und machen das Geschehen auf der Bühne deutlicher.
1943 wurde in Zürich auch das zweite Stück Leben des Galilei uraufgeführt. In freier Behandlung des historischen Stoffes um den italienischen
Physiker Galileo Galilei thematisierte er die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaften gegenüber der Menschheit. Galileo entdeckt durch
Versuche, dass die von Kopernikus formulierte These richtig ist. Er gerät damit in Widerspruch zu der Auffassung der Kirche, dass die Erde der
Mittelpunkt des Universums sei. G. widerruft schließlich seine Behauptung, um der Inquisition zu entgehen und in Ruhe zu forschern. Brecht
parallelisierte die Situation Galileis mit der Situation der dt. Wissenschaftler nach Hitlers Machtergreifung.
Der gute Mensch von Sezuan hatte Brecht schon 1930 konzipiert, wurde erst 1943 in Zürich uraufgeführt. Drei Götter wollen auf der Welt den guten
Menschen finden. Die Prostituierte Shen Te ist dieser einzige gute Mensch. Die Götter geben ihr etwas Geld, damit sie einen Tabakladen eröffnen
kann. Shen Te kann nur gütig bleiben gegenüber ihrer Umwelt, indem sie ein zweites Ich erfindet. Dieses erfundene ich ist der grausame Vetter Shui
Ta, der sie vor anderen schützt. Am Schluß ruft sie in einer von den Göttern geleiteten Gerichtsverhandlung: Ja, ich bin es, Shui Ta und Shen Te, ich
bin beides. Gut zu sein und doch zu leben zerriss mich wie ein Blitz in zwei Hälften. Ich weiß nicht, wie es kam: gut sein zu andern und zu mir konnte
ich nicht zugleich...
1948 kehrte er nach D. zurück. In Ost-Berlin gründete er 1949 das „Berliner Ensemble“, mit dem er bis zu seinem Tod 1956 arbeitete. 1953 wurde er
Vorsitzender des Dt. PEN-Zentrums.
BRD Lit. in den 40er und 50er Jahren
40.Jahre: Nach dem Kriegsende erhielt die dt. Literatur wieder neue, lang unterdrückte Wirkungsmöglichkeiten. Während der nationalsoz.
Herrschaft waren viele bekannte dt. Autoren emigriert, einige waren in D. geblieben und zählten zur „inneren Emigration“, viele wurden von den
Nationalsozialisten ermordet oder nahmen sich aus Verzweiflung selbst das Leben.
Das dt. Publikum war 1933-45 völlig isoliert von der literarischen Entwicklung anderer Länder. Auch die Werke der Exilautoren waren im Ausland
erschienen und in D. nicht bekannt. Das Werk der Expressionisten und der Schriftsteller 20er Jahre war auch kaum erschienen, da auch diese
Literatur von den Nationalsozialisten zum großen Teil verboten oder verbrannt wurde.
Trotz zerstörter Städte und damit auch Theater, trotz Papierknappheit und vielen Beschränkungen im täglichen Leben begann sich schnell ein neues
kulturelles Leben zu entwickeln. Die Lit., die unmittelbar nach Kriegsende erschien, war zutiefst beeinflusst vom Erlebnis des Krieges, von dem
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Versuch, das Grauen in Sprache zu fassen. Bald wurde auch die Frage nach der Schuld und Verantwortung dargestellt und bis heute nicht aus der
dt. Lit. wegzudenken.
Nach dem Krieg gab es drei Literaturlinien: Lit. der zurückkehrenden Emigranten, die Lit. derer, die in der „inneren Emigration“ gelebt hatten und
die Lit. der jungen Generation – sie bestimmten noch bis in die 50er Jahre das Bild der Lit.
Vor dem Krieg wurde ein überwiegender Teil dt. Schriftsteller von den NS ins Exil vorgejagt. Nach dem Krieg öffnete sich die Möglichkeit der
Rückkehr. Die Schriftsteller, die in D. geblieben sind, riefen sie zurück. W. von Molo und F. Thieß schrieben „offene Briefe“, in denen sie Th. Mann
zur Rückkehr aufforderten. Thieß ging noch weiter, indem er dem Exil eine innere Emigration gegenüberstellte, deren Vertretern ein „innerer Raum
zur eigentlichen Welt geworden ist.“ Wiechert, Edschmid, Kästner nannte er als Beispiele. Er sagte: Ich glaube, es war schwerer, sich hier seine
Persönlichkeit zu bewahren, als von drüben Botschaften an das dt. Volk zu senden.
Nach Th. Manns öffentlicher Antwort, in der es u.a. hieß: zw. einem, der den Hexensabbat von außen erlebte, und euch, die ihr mitgetanzt habt...
wurde die Atmosphäre zw. den Exilanten und inneren Emigranten auf mehrere Jahre vergiftet. Th. Mann kam erst 1949 besuchsweise nach D.,
Hesse, O.M. Graf blieben fern.
Zu den ersten Themen des Nachkriegslit. gehörte die Ankunft – von Soldaten, die in der Gefangenschaft waren, Leuten, deren Häuser vernichtet
wurden, Vertriebenen, die im Westen lebten.
Prosa: Wolfgang Weyrauch spricht vom sog. Kahlschlag in der dt. Lit. (Lit. studenej sprchy). Die Zeiten haben sich völlig geändert, alles, was
früher war, war jetzt unaktuell, schlecht. Verwandt mit dem Kahlschlag ist der Begriff Stunde Null. Mann musste von Null beginnen, einen neuen
Anfang machen. Dieser Konzept wurde von vielen realisiert. Trotzdem zeigte sie sich als ungenügend, denn die Vergangenheit konnte man nicht
leugnen, sie war immer da.
In der BRD gab es weniger ältere Autoren, es aktivierte sich die jüngere Generation.
Zwei Schriftsteller: Alfred Andersch und Hans Werner Richter gaben die Literaturzeitung Der Ruf für die Gefangene in den Lagern heraus, die
erfolgreich war. Sie hatten immer mehr Mitarbeiter und waren auch außerhalb der Lager verbreitet. Das passte den Amerikanern nicht, es war linke
Zeitung und wurde von Behörden verboten. Richter hat alle Mitarbeiter 1947 zu einer Tagung in Allgäu geladen, wo sie die Gruppe 47 gründeten.
Man las aus unveröffentlichten Manuskripten vor, diskutierte und kritisierte. Die Gruppe hatte keine eigenen Zeitschriften, aber jedes Jahr wurde die
Tagung veranstaltet, an der die neuen Manuskripte gelesen wurden und am Ende wurde dem besten Manuskript der Preis der Gruppe 47 verliehen.
Wer diesen Preis hatte, war schon jemand. Die Tagungen organisierte man jedes Mal an einem anderen Ort. Ihre Mitglieder waren zuerst Leute aus
Westdt., später auch aus der Schweiz – Dürrenmatt und aus Österreich – Peter Huchel, Johannes Bobrowski. Sie erfüllte bis in die späten 60er Jahre
die wichtigste Rolle für die Lit. Richter blieb sog. „spiritus rector“ Richter bis zu ihrer Auflösung 1967. In diesem Jahr war die letzte Tagung, die
nächste sollte in der Tschechoslowakei stattfinden, aber 1968 kam es zur Prager Besetzung durch Armee des Warschauer Paktes. 1990 in Dobřiš
wurde eine Erinnerungstagung veranstalltet.
Die Jahre nach dem Krieg und die 50er Jahre werden auch als Jahrzehnt der Kurzgeschichte genannt. Eine Reihe von Zeitschriften (Das Karussell,
Horizont) konzentrierten sich auf diese Gattung. Soz. Realismus bot kein Vorbild, aber auch zur Sprache der Emigrationslit. gab es wenig
Anknüpfung. Die Kurzgeschichte bot den Ausweg in mehrfacher Hinsicht: die bewusst einfache Stilisierung, der Verzicht auf sinnstiftende
Konstruktionen entsprachen dem desillusionierten Bewusstsein der Nachkriegsautoren. Die Wirklichkeit wurde nicht nur abgebildet, sondern
durchdrungen. Schnurres charakterisierte die Kurzgeschichte so: grob gesprochen, sie ist ein Stück herausgerissenes Leben. Böll sprach vom
Röntgenblick des Schriftstellers. Zu den bedeutendsten Darsteller dieser Gattung gehörten Schnurre, Böll, Borchert, Hildesheimer und Schnabel,
dazu kamen auch andere: Andersch, Rinser, Langgässer. In den 50er Jahren erweiterte sich die Kurzgeschichte inhaltlich und formal um
surrealistische, satirische und groteske Momente. Diese Vielfalt war Ursache für eine Krise der Gattung. Auch in den 60er Jahren wurden die
Kurzgeschichten noch geschrieben, aber sie traten zugunsten anderer Formen zurück. Die Anthologie Tausend Gramm von Wolfgang Weyrauch
versammelte ausschließlich Kurzgeschichten.
Zu den ersten Nachkriegsromanen gehört Kreuders Roman Die Gesellschaft vom Dachboden (1946), dessen Kennzeichen der Weg nach innen ist.
Die Phantasie bietet den Raum, den die zerstörte Wirklichkeit verweigert. Innerlichkeit befindet sich auch im Roman Elisabeth Langgässers mit dem
Titel Das unauslöschliche Siegel (1946). Die Wirklichkeit und Innerlichkeit verbindet sie mit katholischem Glauben, mit dem sie den Sinn in einer
chaotisch gewordenen Welt sucht. Hermann Kasacks früher Roman Die Stadt hinter dem Strom (1947) versucht diesen Sinn aus der fernöstlichen
Philosophie gewinnen: Krieg, Faschismus und Zerstörung rücken so ein in die „metaphysische Ordnung“ eines historischen Kreislaufs, in dem die
Welt ihren Sinn in Gleichgewicht, der einzelne in Nirwana findet. Der Roman enthält viele Allegorien und Rätsel, er schrieb ihn in einer Sprache, die
von den Machthabern nicht verständlich wäre – die sog. Sklavensprache. Ernst Weichert – der Roman Totenwald. Er war ein christlicher
Schriftsteller, der wegen seiner illegalen Tätigkeit einige Monate im KZ Buchenwald (Totenwald) war. Nach der Entlassung schrieb er über diesem
Lager, 1945 gab er den Roman heraus. Die Deutschen erfuhren zum ersten Mal die Details über KZs.
Alfred Andersch berichtet in seinem Roman Sansibar oder der letzte Grund exemplarisch an fünf Personen über das Verhalten von Menschen
während der Hitlerzeit. Es geht um eine Plastik, die als „entartete Kunst“ vernichtet werden soll, die aber durch Zusammenspiel von fünf Menschen
in einer Kleinstadt an der Ostsee gerettet werden kann. Alle fünf Menschen sind unterschiedliche Charaktere, es verbindet sie die Sehnsucht nach
einem freien Leben.
Eine Sonderstellung in den 50er Jahren nehmen Nossack, Koeppen und Schmidt ein. Sie gehören in dieser Zeit zu der mittleren Generation, die
jünger als die meisten Emigranten war, jedoch nicht mehr zu der jungen Generation zählte.
Hans Erich Nossacks Romame thematisieren häufig Situationen an der Grenze zw. Leben und Tod. 1943 waren beim Bombenangriff auf Hamburg
alle seine Manuskripte verbrannt. Seine Werke der frühen Nachkriegsjahre sind vom Bewusstsein geprägt, etwas verloren zu haben und neu
anfangen zu müssen. Sein Roman Der jüngere Bruder dokumentiert die Heimatlosigkeit und die Spaltung einer Persönlichkeit.
Wolfgang Koeppen hatte ähnlich wie Nossack den Krieg in D. erlebt. Weiter das Thema N.9
Arno Schmidt war ein Außenseiter der Lit., der jedoch eine kleine Gemeinde von Anhängern hatte. Auch er war auf der Suche nach einer neuen
Ausdrucksmöglichkeit. Er verwendete Neologismen, eine oft irreführende Orthographie und war bemüht „eine konkrete Abbildung von
Gehirnvorgängen“ zu geben. Das zeigte sich in seinen Werken Leviahthan (1949) und Zettels Traum (1970).
Das Drama: Nach dem Krieg begann eine erstaunliche theatralische Tätigkeit. Man erwartete ein neues Theater. Diese Erwartung erfüllte sich
jedoch nicht. Es dominierte Zerstreuung vor Klassikeraufführungen. Nur einige Stücke gewannen regionale Resonanz:
Wolfgang Borchert repräsentiert die junge Generation. Ihre Autoren mussten am Krieg Tei nehmen und hatten in jungen Jahren solche Erfahrungen,
die anderen Generationen erspart blieben. Sein Spiel aus dem Jahr 1947 Draußen vor der Tür ist ein bitterer Bericht eines heimkehrenden Soldaten.
Der Protagonist Beckmann kommt zurück nach Hamburg - mit Brillen aus einer Gasmaske. Er geht in seine Wohnung, die schon besetzt ist – man
dachte, der Besitzer sei tot. Niemand versteht ihn – auch nicht sein Kommandant, der ihm im Krieg Befehle gab, auch nicht der General und sogar
Gott. Er versucht in der Elbe zu ertrinken, das gelingt ihm nicht. Er findet kein Zuhause, gelingt nirgendwohin. Es knüpft stilistisch und formal an
die Dramen des Expressionismus an. Reale und irreale Elemente mischen sich. Das Stück gehört zur später als Trümmer- oder auch Kahlschlag
genannten Literatur.
Das Widerstandsstück Die Illegalen von Günther Weisenborn (1946). Während des NS blieb er in D. – innerer Emigrant. Er war am Kampf und
illegalen Widerstand gegen die NS beteiligt. Mehrere Jahre im Gefängnis. Ähnlich wie Brecht führt er einzelne Bilder von jeder Szene vor, die den
Widerstand gegen die Tyrannei darstellen, auch wenn der Widerstand aussichtslos erscheint.
Carl Zuckmayer war 1945 aus dem amerikanischen Exil in die Schweiz zurückgekehrt. 1946 wurde in Zürich sein Drama Des Teufels General
uraufgeführt, das einen großen Erfolg beim Publikum hatte (3000 Aufführungen). Protagonist Flieger Harras. Er liebte sehr das Fliegen. Als Hitler
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an die Macht kam, er entschied sich, ihm zu dienen. Dafür bekam er Möglichkeiten in seiner Karriere des Fliegers. Aber er war kein NS. Erst spät
kam er zur Wissen, dass es unmoralisch war und starb einen heldenhaften Tod. Viele Deutschen erkannten sich in ihm.
Lyrik der Nachkriegszeit:
Natur- und Landschaftslyrik. Zu den bekanntesten Lyrikern gehörten Marie Luise Kaschnitz (Sammlung Totentanz und Gedichte zur Zeit) und
Elisabeth Langgässer (Der Laubmann und die Rose). Langessärs Gedichte tragen – in der Nachfolge O. Loerkes und W. Lehmanns – einen
naturmystischen Ton, der sich in den späteren Gedichten zu einer christlichen Aussage wandelte.
Nelly Sachs 1892 – 1970. Mit 17 unglücklich verliebt, seitdem lebte sie in der Einsamkeit. 1930 starb ihr Vater. Mit der Mutter reiste sie nach
Schweden und auch während des Krieges blieb sie im Exil. Nach dem Krieg schrieb gute Gedichte. 1947: Sammlungen Niemand weiß weiter, Flucht
und Verwandlung. 1966 Nobelpreis. Ihr einziges Thema: Holokaust.
Gottfried Benn veröffentlichte nach dem Krieg seine Gedichtsammlungen Statische Gedichte, Destillationen und Apréslude. Sie zeigen die
„formfordernde Gewalt des Nichts“. Benn sah in der Form, das heißt in der Kunst, einen möglichen Schutz gegenüber dem Chaos, dem
Dämonischen, dem Nichts. Er bemühte sich um den Neoexpress. Er ging von dem Dualismus zw. Wirklichkeit und Kunst aus. Kunst ist eine
virtuelle Welt, die mit der realen nichts zu tun hat.
Zwei weitere wichtige Lyriker, die bereits zw. den Kriegen publizierten sind Peter Huchel und Günter Eich. Eich studierte Volkswirtschaft in Berlin
und Paris. Seit 1932 arbeitete er als freier Schriftsteller. Er nahm am Krieg teil und war ein Jahr ein Kriegsgefangener. 1950 erhielt er den „Preis der
Gruppe 47“. Außer den Hörspielen schrieb er vor dem 2.WK auch Natur- und Landschaftsgedichte, doch nach dem Krieg mied er alles Romantische.
Er schrieb über Alltagsdinge und tat dies häufig mit nüchternen Bestandaufnahmen, so auch in seinem Gedicht Inventur aus den Abgelegenen
Gehöften, in dem er die Inventur in seinen Sachen macht: Dies ist meine Mütze, / dies ist mein Mantel, / hier mein Rasierzeug / im Beutel aus
Leinen... Seine Konservenbüchse – ist sein Teller und sein Becher, im Brotbeutel sind ein Paar wollene Socken, am liebsten hat er den Bleistift, der
tags Verse schreibt, die er nachts erdenkt. Gedicht Latrine.
Karl Krolow, geb. 1915, nahm nach 1945 das lyrische Ich zurück, wandte sich dem antiromantischen Konzept. Galt als einer der wichtigsten Dichter
in der BRD. Gedicht Elegie von den Soldaten. Natur- und Landschaftslyrik.
Bekannte Lyriker: Marie Luise Kaschnitz (Sammlung Totentanz und Gedichte zur Zeit) und Elisabeth Langgässer (Der Laubmann und die Rose).
Langessärs Gedichte tragen – in der Nachfolge O. Loerkes und W. Lehmanns – einen naturmystischen Ton, der sich in den späteren Gedichten zu
einer christlichen Aussage wandelte.
50er Jahre: drei Tendenzen: Nonkonformismus, konkrete Poesie, absurdes Theater
Nonkonformismus: konform sein – einverstanden, angepasst sein. N. ist ein Gegenteil. Er war allgemeine Haltung der Intelligenz in der BRD. Die
Vertreter waren gegen alle Institutionen, welche die Freiheit des Individuums beschränkten (Staat, Familie, Kirche...). Böll schrieb: für ihn gäbe es
nur eine Institution, er selbst. Die 50er Jahre kennzeichnet eine Zwiespalt: einerseits wurde alles aufgebaut, man nennt diese Jahre – Jahre des
Wirtschaftswunders und andererseits der N. als Polemik gegen sich selbst. N. waren alle bedeutenden Schriftsteller, sie sprachen von sog. drittem
Weg, sie waren gegen den Kapitalismus auch gegen den Soz., es muss ein anderer Weg sein. Später zeigte sich, das es ein Irrweg war. G. Grass,
Siegfried Lenz, H.M. Erzensberger, Heinrich Böll, Wolfgang Koeppen...
Heinrich Böll – Biographie
Günter Grass - Biographie
Absurdes Theater: entstand in Frankreich, Begründer Samuel Beckett, er war irischer Herkunft. Das Stück Das Warten auf Godot. Zwei Männer
warten auf den dritten, der nicht kommt. Sie führen Gespräche, welche die Welt als etwas Unsinniges, Absurdes zeigen. D. war kein Land des
Absurden Theaters, trotzdem entstanden dort einige Stücke, v.a. von Wolfgang Hildesheimer. Spiele, in denen es dunkel wird. Einige Stücke auch G.
Grass (Das Hochwasser), Martin Walser.
Konkrete Poesie: Diesen Begriff hat der Schweizer Eugen Gomringer eingeführt. Kennzeichnend war die Konzentration auf Funktionen der Sprache,
die neben den Inhalt des Gesprochenen lagen. In den Vordergrund traten Typologie und lautliche Artikulation, die Oberflächenstruktur des
Gedichtes verschob sich ins Graphische oder ins Musikalische. Es gibt also drei Gestalten: visuelle, akustische und sprachexperimentelle Gedichte.
Visuelle Gedichte: die Hauptidee war, dass die Schrift mit den bildenden Künsten verbunden werden kann. Ein Text war gleichzeitig ein graphisches
Bild. Oft waren die Buchstaben ohne Sinn, wichtiger war die Form, die sie darstellte. Aber es gab auch Gedichte mit einem Sinn:
Hunger Hunger Hunger
Hunger Brot
Hunger
Hunger Hunger Hunger.
Autoren nannten ihre Gedichte Texte, nicht Poesie Vertreter: R. Döhl und K. B. Schäuffelen. (Döhl – Apfel mit Wurm). Krivet schrieb Gedichte in
der Form von Schneckhaus.
Akust. Gedichte: best. Kombinationen von Lauten – sog. Permutationen, teilweise mit Mathematik verbunden, die geschrieben keinen Sinn hatten,
den gewannen sie, wenn sie gesprochen wurden. Max Bense (auch Mathematiker), Ernst Jandl – Gedichtbuch Laut und Luise – statt u/e: leise.
Gedicht über die ös. Fahne: rot / ich weiß / rot, weiteres Gedicht: Schutzgrabengedicht. Diese Ged. wurden mit konkreter Musik verwandt – es
waren Kompositionen von konkreten Geräuschen, die nicht durch musikalische Instrumente hergestellt waren.
Sprachexp. Gedichte: Helmuth Heissenbüttel gab versch. Bücher heraus: Kombinationen 1944, Topographien 1946, unter dem Titel Textbücher gab
er seine Poesietexte heraus. Bekannte Gedichte: Politische Grammatik, Verfolger verfolgen Verfolgte.
Sie hatten Verbindungen zur Dada-Bewegung. Am Anfang hatte die konkrete Poesie einen eng begrenzten Interessentenkreis, mit der Zunahme der
Textproduzenten hat er sich erweitert (Artmann, Rühm, K. Bayer und O. Wiener – Wiener Gruppe, Stuttgarter Gruppe um Max Bense).
BRD-Lit. in den 60er Jahren
In den 60er Jahren gab es in D. die ersten Arbeitslosen, die Herrschaft der CDU (Bundeskanzler Erhardt). Der Wirtschaftswunder der 50er Jahre war
gestoppt, Intellektuelle waren irritiert, viele Nonkonformisten traten in die Politik, einige agierten für die SPD, z.B. H.M. Enzensberger, G. Grass.
Enzensberger behauptete: die Zeit der Gedichte ist vorbei, es kommt die Zeit der Politik. Erst nach 10 Jahren schrieb er wieder Gedichte.
Große Koalition CDU-CSU-SPD, Bundeskanzler Willi Brandt. Nach einer Wahlperiode siegte die SPD. Am Ende 60er Jahre gab es eine
spektakuläre Studentenbewegung – sie wollten mit ihren Vätern abrechnen, dabei wurden sie von Intellektuellen unterstützt. Joschka Fischer –
wichtiger Vertreter – er verprügelte sich auf den Straßen während der Demonstrationen. Heute Außenminister der BRD.
Es gab drei Tendenzen: das dokumentarische Theater, Lit. der Arbeiterwelt, Kölner Schule des neuen Realismus
Das dokumentarische Theater: Man war zu der Auffassung gekommen, dass nicht Fiktion auf der Bühne den Menschen verändern konnte, sondern
dass dies nur möglich sei in der Konfrontation mit historisch-politischen Fakten. Zu dieser Zeit begannen die zahlreichen NationalsozialistenProzesse, auch die Angst vor einem neuen Krieg wuchs wieder.
Rolf Hochhuths Stück Der Stellvertreter. Ein christliches Trauerspiel (1963) wirkte sehr provozierend und war schon vor der Uraufführung
umstritten. Es behandelt die Haltung der katholischen Kirche und des Papstes gegenüber dem Dritten Reich und klagt Papst Pius XII. an, dass er
trotz Kenntnis von den Verbrechen der Nationalsozialisten geschwiegen hatte. Der Papst hätte durch entschiedeneres Handeln den Judenmord
hindern oder vermindern können. Hochhuth verwendete bei der Schreibung dieses Stückes ein ausführliches Quellenmaterial und untermauerte auch
einige Dialoge mit dokumentarischen Anmerkungen. Dieses Verfahren war ein wichtiges Kennzeigen des Dokumentartheaters. Der Angriff auf die
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Kirche war Anfang 60er Jahre ähnlich wie Tabuverletzung. Die Resonanz des Stücks war groß – es gab Demonstrationen vor und in den Theatern.
Hier wurde literarisch Anklage erhoben. In den folgenden Jahren verarbeitete er weitere Fälle Soldaten (1967) über W. Churchill, Juristen (begonnen
1972, erschienen 1979), über die Rolle der Juristen im Dritten Reich, welche die Bühne tatsächlich zum Tribunal machten. Das Monodrama Tod
eines Jägers ist Stück für einen Schauspieler: Jäger ist E. Hemingwai – es werden die letzten Stunden seines Lebens vor dem Freitod dargestellt.
Nach der Wende kaufte er das Gebäude des Berliner Ensenbles.
Heinar Kipphardt (1922-1982) schrieb auch ein dokumentarisches Stück In der Sache J. Robert Oppenheimer. Ei szenischer Bericht. In der Form
einer Gerichtsszene wird der Wissenschaftler Oppenheimer vorgeführt, der von den Amerikanern 1954 verhört wurde, weil er den Bau der
Wasserstoffbombe verzögert haben soll. In 9 Szenen schildert Kipphardt die Verhandlung gegen Oppenheimer, in der das Problem der
Verantwortung des Wissenschaftlers gegenüber der Menschheit mit dem Problem der Loyalität gegenüber einem Staat verbunden ist.
Oppenheimer ist der Vater der Atombombe, ist ein Physiker, der nach Amerika emigrierte. In New Mexiko arbeitete er mehrere Jahre an der
Atombombe, die am Ende des Krieges fertig war – LITTLE BOY – in Japan auf Hiroshima und Nagasaki geworfen. Nach dem Krieg solle er noch
bessere – Wasserstoffbombe entwickeln. Er lehnte es ab und wurde beschuldigt, dass er ihre Entwicklung verzögert hat. thematisch ähnelt das Stück
Brechts Leben des Galilei und Dürrenmatts Die Physiker.
Peter Weiss wurde in Berlin in einer jüdischen Familie geb., 1933 emigrierte nach Prag, dann nach Schweden, wo er als schw. Bürger bis zu seinem
Tod lebte. Er schrieb das dokumentarische Stück, das die Bühnen ganzer Welt eroberte: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marrats. Ganzer
Titel: dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospitzes Charenton (šarenton) unter Einleitung des Herrn de Sade (said). Marrat liegt während der
ganzen Handlung in einer Wanne – er hat Juckreize, deswegen muss er sich im kalten Wasser abkühlen. Es erscheint die Attentattäterin, welche ihn
beobachtet und in der Wanne ermordet – es ist absurd. Er kann sich überhaupt nicht wehren. Schauspieler sind Patienten einer Irrenanstalt und der
Regisseur ist auch der Patient – der Herr de Sade, nach ihm wurde der Sadismus benannt. Alles in Versen.
Die Ermittlung. Oratorium in elf Gesängen. Diesem Stück liegen die Protokolle des Auschwitz-Prozesses gegen die SS-Leute zugrunde, der 196365 in Frankfurt stattfand und der dt. Bevölkerung einen grauenhaften Einblick in die eigene Vergangenheit gab. Weiss konzentrierte das Material auf
wenige Szenen, in denen Kläger und Angeklagte zu Wort kommen. Dieses Stück ähnlich wie Rolf Hochhuths Stück Der Stellvertreter und Heinar
Kipphardts Stück In der Sache J. Robert Oppenheimer wurden in Berlin von Erwin Piscator uraufgeführt.
Weiss wuchs in Berlin und Bremen auf. 1934 emigrierte die Familie über London nach Prag, dann über die Schweiz nach Schweden. Seit 1945 war
Weiss ein schwedischer Staatsbürger. Er arbeitete zunächst als Maler, später auch als Schriftsteller in schwedischer und dt. Sprache. In den 60er
Jahren hatte er Erfolg mit seinen Experimental- und Dokumentarfilmen. Er erhielt zahlreiche Preise und Ehrungen, starb 1982.
Zu den Dokumentarstücken gehört auch sein Stück Diskurs über...Viet Nam... aus dem Jahr 1968, das Stücke Trotzki im Exil 1970 und Hölderlin
1971.
Reinhold Schneider mit seinem Stück Prozess in Nürnberg und H. M. Enzensberger mit seinem Verhör von Habana brachten Prozesse auf die
Bühne.
Lit. der Arbeiterwelt: sie ging von der These aus, dass der Mensch eine beträchtliche zeit seines Lebens in seinem Beruf verbringt. Diese Zeit wurde
von der Lit. nicht betrachtet, sie schien nicht interessant zu sein. So entstand diese Bewegung. Jede Arbeit sollte in der Lit. ihren Platz finden. In
jeder größeren Stadt wurden die Werkstätten gegründet, in denen sich die Interessenten versammelten und ihre Werke produzierten. In ein paar
Monaten waren sie sehr populär. In Dortmund wurde die Gruppe 61 gegr. , in der sich die Interessanten versammelten.
Max von der Grue begann als Bergmann, später verarbeitete seine Erlebnisse in Romanen Männer in zweifacher Nacht, Irrlicht und Feuer, Zwei
Briefe an Pospischil, Stellenweise Glatteis (miestami poladovica). Populär als Romancier.
Günter Wallraff 1940 geb. Er ging in Betriebe und beobachtete, wie es gearbeitet wird. Dabei stellte er solche Sachen fest, welche v.a. von den
Arbeitern nicht erwünscht waren. 1960 veröffentlichte 13 unerwünschte Reportagen. Er schrieb auch andere Reportagen. Er ging nah Griechenland
zur Zeit der Unruhen, ließ sich dort verhaften, wurde auch gefoltert und dann schrieb darüber die Reportage. Dasselbe tat er auch in Portugal.
Inkognito wurde er in eine Filialredaktion einer Zeitung in Hannover. Dann schrieb über die Praktiken dieser Redaktion unter dem Titel Aufmacher
(das, was die Zeitung aufmacht. Leute konzentrierten sich, jeden Tag guten Aufmacher zu bringen, damit sich die Zeitung gut verkauft). Mit diesem
Buch hatte er große Probleme. Sein Höhepunkt stellt das Buch Ganz unten dar. Zwei Jahre hörte man von ihm nichts. Er lebte als Türke in D.,
maskierte sich, war inkognito zusammen mit seinem Kamerastab. Das Buch erreichte eine Ausgabe von Million Stücken.
Angelika Mechtel 1943 geb., begann mit Gedichten, schrieb auch Erzählungen und Romane, z.B. Hochhausgeschichten über alltägliches Leben oder
Die andere Hälfte der Welt. Frauengedichte: Wird in den Wohnsilos.
Dazu gehören auch Erika Runges Bottroper Protokolle, es sind authentische Berichte aus dem Arbeitsleben.
Die Gruppe 61 hatte zahlreiche Mitglieder, u.a. auch Gluchowski, Reding, Mechtel und Kosters. Trotz dem Erfolg sah von der Grue und die Gruppe
61 die zunehmende Kritik aus der Arbeiterschaft und der linken Intelligenz. 1970 spaltete sich der „Werkkreis Lit. der Arbeitswelt“ von der Gruppe
61 ab, da für einige Autoren die politischen Diskussionen wichtiger waren als die Lit. selbst.
Kölner Schule des neuen Realismus: ist Richtung, die an den franz. neuen Roman (roman novo) anknüpfte. Sie entstand in den 50er Jahren in
Frankreich, Urheber war Allain Robber Grillet (robgrije). Er kam mit neuer Art und Weise der Romanschreibung, in der der Erzähler sich wie eine
Kamera verhält. Er kann nur das wissen, war er sieht. Im Roman Die Eifersucht schildert er die Eifersucht nur aufgrund dessen, was der Erzähler
sieht. Auch in D. fand diese Bewegung ihre Vertreter. Sie waren keine organisierte Gruppe, der bedeutendste Schriftsteller war Dieter Wellershoff.
Mitte der 60er Jahre eine Prosa, die „immanent durch genaues Hinsehen“ kritisiert. Als Lektor des Kölner Verlages Kiepener and Witsch war er in
der Lage, unter diesem Programm Autoren zu fördern. Mit Anthologien wie „Ein Tag in der Stadt“ oder „Wochenende“ gründete er Kölner Schule,
zu der neben ihm auch G. Seuren, G. Herburger, N. Born oder R. Rasp gehörten. Zu seinen eigenen Romanen gehören Ein schöner Tag,
Schattengrenze, Einladung an alle, in denen es um eine möglichst realitätsnahe Schreibweise geht. Er zeigte das Interesse für die Randgruppen, den
Untergrund. Die Werke der Kölner Schule waren in einer Opposition zur früheren Generation der Nonkonformisten (die weiter lebten). Diese Schule
war jedoch atypisch und bei uns blieb unbekannt.
Günter Herburger; Werke Die Messe 1966, Jesus in Osaka 1970, Kinderbuch Birne kann alles
Nikolas Born Kultbuch Die erdabgewandte Seite der Geschichte, Roman die Fälschung über Kämpfe in Libanon. Er ist früh gestorben.
Rolf Dieter Brinkmann war der größte dieser Gruppe. Lebte aber nur 35 Jahre, ist bei einem Autounfall in London ums Leben gekommen. Schrieb
Gedichte, Prosawerke.
Gabrielle Wohmann ist auch in der Slowakei bekannt, ins Slowakische wurde ihr Werk Abschied für länger übersetzt. Weiteres Werk: Frühherbst in
Badeweiler – Badeweiler ist ein Kurort in D., in dem sich auch der russische Dichter A.P. Tschechow kurierte und dort starb. Sie beschreibt sein
Zimmer. Sie berichtet von dem Komponisten Hubert Frey, der in den Kurort Badenweiler fährt, um hier seinen seelischen Zusammenbruch zu
ertragen. Frei sagte einmal: ich fürchte, Unlust an meiner Produktion als Komponist... Die Unlust ist in Wahrheit die Unfähigkeit. Ich bin in
Wahrheit befallen von der Krankheit Langeweile.
Sie schreibt ähnlich wie Walser eine realistische Prosa. Sie erzählt aus dem Alltag von „Durchschnittsmenschen“ und von Versuchen einer
Emanzipation, die oft in fast gleichmütiger Verzweiflung enden, z.B. in den Erzählungen Ländliches und Sonntag bei den Kreisands.
Hubert Fichte ist v.a. Repräsentant der Randgruppe, stellte den Untergrund dar. Roman über die Kindheit Das Waisenhaus. Werk Die Palette.
Das Konzept, Lit. als „Spielfeld für ein fiktives Handeln“ zu verstehen, genügte aber den Kölner nicht mehr, so dass die Gruppe nicht mehr so stark
verbunden war.
Lyrik: am Anfang 60er Jahre spiegelte sich die bemerkende Politisierung der Lit. auch in der Lyrik ab. Zu den wichtigen Vertretern gehört Hans
Magnus Enzensberger – Biographie.
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Seit dem Ende 60er Jahre bekam die Lyrik neue Funktionen. Die Vollkommenheit der ästhetischen Form trat immer mehr zurück, Metrum, Reim
und Strophenform waren nicht mehr so wichtig. Die Themen stammten aus dem Alltag, die Lyrik war so weniger politisiert.
BRD-Lit. in den 70er,80er und 90er Jahren
Prosa der 70er Jahre: Die Lit. 70er Jahre waren etwas ruhiger und wandte sich dem Individuum zu, es entstand der Begriff neue Innerlichkeit. Als
Mustertext der neuen Inn. hält man die Novelle Fliehendes Pferd von Peter Walser. In der Novelle treffen sich zwei Ehepaare auf dem Bodensee.
Der eine Mann ist ein Professor auf einem Gymnasium. Er glaubt, er hat in seinem Leben nur wenig erreicht, solches Leben ist langweilig, er ist
unzufrieden mit seiner Existenz. Sein Mitschüler – der zweite Mann, sieht glänzend aus, ist souverän, mit frisch junger Frau. Der Professor beneidet
ihn, er ist seiner Ansicht ein glücklicher Mensch. Es zeigt sich, dass alles in der Wahrheit umgekehrt ist, der souveräne Mann ist der gescheiterte.
Martin Walsers wuchs am Bodensee auf und 1946 bestand das Abitur. Krieg und Gefangenschaft hatten seine Schulzeit unterbrochen. Später
studierte er bis 1951 Literatur, Geschichte und Philosophie und promovierte mit einer Arbeit über Kafka. Nach dem Studium arbeitete er beim
Süddeutschen Rundfunk und reiste in verschiedene europäische Länder. Seit 1957 lebt er wieder am Bodensee. Er ist ein Mitglied mehrerer
Künstlervereinigungen. Der umfangreiche Ich-Roman Halbzeit erschien schon 1960. Der Protagonist ist Anselm Kristlein, er taucht auch in den
Romanen Das Einhorn und Der Sturz auf. Er arbeitet sich vom Werbefachmann zum Schriftsteller empor, ist eine Symbolgestalt für die
Aufsteigergeneration der Nachkriegszeit. Zu seinen weiteren Werken gehören Romane Brandung, Ohne einander sowie die Novelle Dorle und Wolf,
u.a.
In der Prosa 70er Jahre gab es drei Tendenzen:
Lit. Aufbereitung der Studentenbewegung: Uwe Timm 1940 geb., 1968 war er 28. Roman Heißer Sommer über das Ende 60er Jahre, erschien 1974.
Der Protagonist ist der Germanistikstudent Ulrich Krause. Der Roman hat zwei Charakterzüge, er verkörpert die Politik und Erotik in sich. Ulrich
Krause ist in seinen erotischen Beziehungen freizügig, im politischen Bereich ist für ihn am Wichtigsten die Solidarität.
Weitere Romane: Morenga über das dt. Afrika und Aufstände der dort lebendigen Völker wie Zulus, Hottentotten. Morenga ist Führer dieser
Aufstände. Der Roman ist chronikhaft bearbeitet.
Der Schlangenbaum, Der Kopfjäger, der Roman 2001: Rot – er kehrt zu den Studentenunruhen zurück und schildert die utopische Energie dieser
Jahre. Es ist ein nostalgisches Buch.
Dieter Schneider veröffentlichte 1973 den Roman Lenz, in dem er Gründe des Scheiterns der Studentenbewegung analysiert. Die Hauptfigur ist ein
politisch engagierter Student, der sich in einer persönlichen Existenzkrise befindet. Es war Kultbuch dieser Generation. Romane: Der Mauerspringer,
Vati. 1991 gab er den Roman Paarungen aus, in dem er ins Jahr 1968 zurück kehrt. Er zeigt, was aus den Leuten geworden ist, die damals an dieser
Bewegung engagiert waren. Im Mittelpunkt stehen drei Freunde: Eduard Hoffmann, Teo und Andre sitzen in einer Kneipe und kämpfen gegen den
„Trennungsvirus“. Sie kommen nicht zurecht in ihrem Leben.
Frauenliteratur: Auch in die Frauenlit. rückt das Private in den Vordergrund, es wird hier jedoch zum politischen Thema. Nachdem man in den 60er
Jahren die Unterdrückungen in der ganzen Welt literarisch kritisiert und bekämpft hatte, wurden nun auch die Unterdrückung der Frau in der
Gesellschaft, die Probleme und der Lebensumkreis der Frau zum Thema. Das tradierte Bild der verführerischen Frau wurde nun in Frage gestellt.
Die Schweizerin Verena Stefan veröffentlichte 1975 ihren Roman Häutungen – Autobiographische Aufzeichnungen, Gedichte, Träume, Analysen.
Es ist ein Dokument der Suche nach einer neuen Sprache der weiblichen Selbstempfindung, das zu einem der bekanntesten Werke der Frauenlit.
wurde. Sie schildert ihre Erfahrungen mit Männern im Sinne des Feminismus, sie schreibt schlechte Dinge über ihnen.
Karin Struck schrieb über die Probleme der Frauen mit Frauenaugen und weiblichen Sensibilität. Klassenliebe, ihr erster Roman erschien 1973.
Enthält Tagebuchaufzeichnungen und Briefe einer jungen Frau, die Schwierigkeiten mit ihrer Identität hat. K. Struck schrieb sehr aufrichtig, direkt,
ohne Tabus. Zweiter Roman heißt Die Mutter. Es ist über die Schwangerschaft. Dritter bekannter Roman ist Lieben (es kann entweder Infinitiv oder
die Mehrzahl von Liebe sein). Die Protagonistin probt alle Formen der Liebe, sowohl mit Männern, als auch mit Frauen, mit treuen und untreuen. Es
ist trauriges Buch über sex. und erotische Erfahrungen einer Frau.
Gisela Elsners Roman Abseits aus dem Jahr 1982 behandelt deutlicher die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Sie schildert gesellschaftskritisch
und realistisch den Abstieg Lilo Bessleins, einer modernen Madame Bovary, die sich in ihrer Ehe langweilt, nachdem sie wegen der kleinen Tochter
den Beruf aufgegeben hat. Nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben, endet sie im Selbstmord.
Eva Demski ist heute eine erfolgreiche Schriftstellerin. 1979 gab sie den Roman Goldkind aus. Protagonist ist ein Einzelkind und schildert die
Nachkriegsjahre. Essays Unterwegs.
Zu diesem Thema schrieb auch Günter Grass einen Beitrag: 1977 schrieb er sein Roman Der Butt.
Vaterbücher: über die Vätergeneration. Sie sind äußerst kritisch, Väter waren die schuldigen, dagegen die Großväter wurden oft idealisiert. Es war
Konfrontation zwei Generationen.
Paul Kersten veröffentlichte den Roman Der alltägliche Tod meines Vaters, in dem er die Vergangenheit während des 2.WK und nach dem Krieg
darstellt. Man sprach von der „Gnade der späten Geburt“, man musste nicht in den Krieg und das alles erleben.
Peter Härtling verfolgt diese Frage in Nachgetragene Liebe (oneskorená láska) aus dem Jahr 1980. Im Roman sind deutlich die Enttäuschung und
Unverständnis über das Verhalten des Vaters im NS und über die Beziehung zu seinem Sohn. Die gleiche Thematik behandelt auch Christoph
Meckel in Suchbild. Über meinen Vater.
Solche autobiographische Tendenzen sind auch im Werk Ludwig Harigs. Er wurde 1927 geb. Er schrieb mehrere Romane über die Vergangenheit.
Autobiographischer Bericht Ordnung ist das ganze Leben ist über die Lebenskraft. Dankbar zeichnet er das Porträt seines Vaters, der als junger
Mann im 1.WK schlimme Erfahrungen machte und von da an seinem Leben durch Ordnungsliebe, Disziplin und Marschmusik die
Überlebensenergie zu sichern sucht.
Dieter Kühn 1935 geb. Thema: Erfahrung der Menschenmöglichkeiten. Schrieb die Hochstaplerbiographie Siam Siam über eine am. Tänzerin
Josephine Backer, die in der Revue Moulin Rouge in Frankreich tanzte. Sein Buch über Oswald von Wolkenstein – Ich Wolkenstein.
Ein immer wiederkehrendes Thema ist die sog. Vergangenheitsbewältigung. Die Frage, wie der einzelne während des NS zum Täter und wie er zum
Opfer wurde, die Frage nach der Schuld und Leiden waren Anlass vieler Texte.
Es ist auch im vierbändigen „Gedächtnis-Roman“ Jahrestage. Aus dem Leben der Gesine Cresspahl von Uwe Johnson. Johnson war bis 1945
Schüler eines nationalsoz. Internats. Er studierte in Rostock und Leipzig Germanistik. Er lebte in Berlin, in den Jahren 1966-68 lebte in New York
und ging anschließend nach England, wo er zurückgezogen lebte und an seinem Hauptwerk, an diesem Roman, arbeitete. Gesine Cresspahl
Lebensgeschichte spielt sich im Raum zw. Jerichow/Mecklenburg und New York ab. In der Form des Tagebuches berichten die Kapitel vom Leben
Gesines und ihrer Tochter Marie in New York, wo sich die Tagespolitik (Verwicklung USA im Vietnam-Krieg, Attentate auf Martin Luther King
und Robert F. Kennedy) mit Erinnerungen an die Kindheit auf dem Land in Mecklenburg während des Dritten Reichs und an die Aufbauphase in der
DDR und einigen Jahren in der BRD vermischen. Johnson kombiniert die Zitate aus New York Times mit Maries Fragen und Gesines antwortenden
Erinnerungen. Ob aus der Vergangenheit zu lernen ist, bleibt in diesem Roman eine offene Frage.
1959 sein erster Roman Mutmaßungen über Jakob. Johnson wurde als „Dichter der beiden Deutschland genant“. Im Roman stellt er das Thema des
geteilten D. dar, das exemplarisch an fünf Personen gezeigt wird, deren Schicksal von den politischen Verhältnissen bestimmt wird. Ein
Bahnbeamter in der DDR, Jakob Abs, verunglückt tödlich. Der Roman beginnt mit dem zweifelnden Satz: Aber Jakob ist immer quer über die
Gleise gegangen. Die wirklichen Hintergründe des Todes erfährt der Leser nicht. Er muss beim Lesen aktiv mitwirken und aus den Gedanken,
Monologen und Dialogen seine eigenen Mutmaßungen zusammenstellen. Jakobs Freundin Gesine ist aus der DDR in die BRD umgezogen und
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arbeitet für NATO. Dazu kommt ein Spionageabwehr-Agent der DDR und Dr. Blach, ein westdeutscher Universitätsassistent, der Gesine liebt und
während einer Diskussion mit Ost-Berliner-Studenten von diesem Agenten verhaftet wird.
Diese Frage versucht auch Peter Weiss in seinem umfangreichen dreibändigen Prosatext Die Ästhetik des Widerstands (1975,78,81) zu klären. Ihm
geht es um eine Darstellung der NS-Zeit aus dem proletarisch-kommunistischen Blickwinkel und um die Darstellung des Widerstandes gegen
menschenverachtende Ideologien und Systeme. Zur Veranschaulichung dienen ihm z.B. der Pergamonaltar in Berlin, die Architektur des spanischen
Künstlers Gaudi und Picassos Anti-Krieg-Gemälde Guernica. Die Diskussionen entfalten sich zw. einem namenlos bleibenden Erzähler und dessen
Freunden Coppi und Heilmann und umfassen die Jahre von 1937 bis in die frühe Nachkriegszeit. Zu seinen weiteren Werken gehören auch
dokumentarische Werke 60er Jahre.
Siegfried Lenz (1926) nahm als Marinesoldat am Krieg Teil, dann studierte Philosophie und Anglistik in Hamburg. 1950/51 arbeitete er als
Feuilleton-Redakteur der Welt, seit 1951 lebt er als vielfach ausgezeichneter Funkautor und Schriftsteller in Hamburg.
1968 erschien sein Roman Deutschstunde, der noch einmal die NS-Zeit darstellte. Aus der Sicht eines Insassen in einer Besserungsanstalt, der Siggi
Jepsens hieß, wird der Kampf geschildert, den Siggis Vater als Polizist im Dritten Reich gegen einen Maler aus der Nachbarschaft führte. Dieser
Maler hat von den Nationalsozialisten Malverbot, arbeitet aber weiter, was Siggis Vater verhindern soll. Dies alles wird in einem Aufsatz deutlich,
den Siggi als Teil der Therapie in der Besserungsanstalt zu schreiben hat. Es ist nicht nur für ihn, sondern auch für die Leser Arbeit mit und an der
Vergangenheit. Seine weitere Werke: der Roman Es waren Habichte in der Luft, den er 1951schrieb, aus den 70er Jahren stammen Romane Das
Vorbild und Heimatmuseum, in den 80er Jahren schrieb er Werke: Elfenbeinturm und Barrikade. Erfahrungen am Schreibtisch und Exerzierplatz
(Roman).
Walter Kempowski schrieb zeitgeschichtliche Darstellungen aus der Mittelschicht in der NS-Zeit, die aus Kempowskis eigenem Erleben in Rostock
entstanden sind: Tadellöser und Wolff (1971) und Uns geht´s ja noch gold (1972).
Horst Bienek gehört mit seiner Tetralogie Die erste Polka, Septemberlicht, Zeit ohne Glocken und Erde und Feuer zu diesem selben Thema. Auch
diese Romane wollen eine schlimme Zeit vor dem Vergessen retten.
Dieter Kühn sein Buch über Oswald von Wolkenstein – Ich Wolkenstein.
Heinrich Böll - Novelle Die verlorene Ehre der Katharina Blum aus dem Jahr 1974 dar.
Lyrik 70er Jahre: thematisch geht es auch um die neue Innerlichkeit, die politisch engagierte Lyrik wurde privat, der lyrische Held war der Alltag.
Rolf Hauf veröffentlichte sein Gedichtband Die Geschwindigkeit eines einzigen Tages.Ludwig Fels – Alltagslyrik über die einfachsten Dinge,
bekannt ist sein Gedichtband Der Anfang der Vergangenheit. Er verließ D., zur Zeit lebt in Wien. Schrieb auch den Roman Unding der Liebe.
Weitere Lyriker: Ernst Meister, Christoph Meckel, Jürgen Becker. Ch. Meckels Geschichten und Gedichte erzählen von phantastischen Figuren, die
den Menschen zu neuen Ansichten zwingen, z.B. Erzählungen: Tullipan, Der wahre Muftoni.
Drama der 70er Jahre: Im Theater wurden die Traditionen fortgesetzt. Mitte 60er Jahre wurden die Volksstücke Ö. von Horváths und v.a. der noch
lebenden Marieluise Fleißer wiederentdeckt. Franz Xaver Kroetz regte 1972 die Herausgabe ihrer „Gesammelten Werke“ an und erneuerte das
Volksstück. Er machte Stücke, die auf der Sprache beruhen. Er stammt aus Bayern und seine Spezialität ist die bayrische Mundart, die er
literaturfähig machte. Bekannte Stücke sind Oberösterreich, Wildwechsel oder Das Nest. Die Fleißer nannte die drei in einem Aufsatz Alle meine
Söhne. Neben Kroetz schrieben die neuen Volksstücke noch Martin Sperr und Rainer Werner Fassbinder. Marieluise Fleißer nannte die drei in einem
Aufsatz Alle meine Söhne. Von Sperr stammt Bayrische Trilogie, die aus den Teilen Jagdszenen aus Niederbayern, Landshuter Erzählungen und
Münchner Freiheit besteht. Sie zeigt grausam-intime Szenen menschlicher Niedertracht, die Jagd nach Außenseiter, die rücksichtslose Verfolgung
wirtschaftlicher Interessen. Sperr sagte: Ich ...will nicht zeigen, was gut oder schlecht ist an unserer Zeit, beziehungsweise an unserer Gesellschaft,
sondern was zu verändern ist, was man verändern muss und kann. Sperr hat nach einem Unfall 1972 lange nichts geschrieben, seit 1976 begann er
seine früheren Werke zu überarbeiten. Kroetz hatte bis in die 80er Jahre atemlos produziert und etablierte sich auch als Journalist. Fassbinder schrieb
Stücke, Drehbücher, leitete Theater, machte Filme und Fernsehserien. Im Fernsehen sah er die Möglichkeit für die zentrale Absicht des
„Volksstücks“: Bewusstsein beim Volk, also bei einem Massenpublikum zu verändern. Fassbinder schrieb das Stück Katzelmacher.
Botho Strauß ist heute 58 Jahre alt, er begann in den 70er Jahren mit Theaterstücken, heute schreibt er auch Prosawerke. Sein Stück Bekannte
Gesichter, gemischte Gefühle stellt das Spießertum mit grotesk wirkenden Metaphern für die Kälte unter den Menschen dar. 1977 erschien Die
Trilogie des Wiedersehens. Es ist ein erfolgreiches Stück über eine Vernissage, an der verschiedene Leute aus dem Künstlermilieu Teil nehmen. Er
zeigte, wie sich diese Leute benehmen – nicht sehr gut. In Groß und klein ist die Protagonistin das Mädchen Lotte. Geschildert wird ihr Weg durch
die Welt. Sie wandert allein, macht kurze Aufenthalte bei verschiedenen Leuten, deren Verhalten nicht sehr gut ist. Es ist ein Stationendrama.
Typisch für B. Strauß ist, dass er nie auf der Premiere seiner Stücke war. Man weiß von ihm nicht viel, aber jedes Jahr überrascht er mit einem neuen
Werk. Seine Prosawerke: Paare, Passanten – das erzählende Ich beobachtet die Passanten und überlegt. Diese kurze Überlegungen sind gut pointiert,
mit philosophischen Zügen. Der junge Mann. 1994: Wohnen Dämmern Lügen – er zeigt die Brutalitäten des Lebens. Es gibt hier vier Leute: ein
Ehepaar, dazu kommt die Verliebte des Gatten und später ein ehemaliger Geliebte der Gattin.
Tankred Dorst 1925 geb., 1960 erstes Stück Die Kurve, dann Mohrin, große Schmeerede auf der Mauer – absurde Stücke. 70-80er Jahre: mehr
klassische Stücke, z.B. Eiszeit über die Wahrheit einer Person; Merlin oder das wüste Land; Ich, Feuerbach. 1992: Stück Fernando Knapp hat mir
diesen Brief geschrieben. Mit dem tschechischen Kritiker Ondřej Černý hatte er ein Gespräch, in dem er sagte: Über jedes Stück versuchte ich eine
neue Form zu finden.
80-90 Jahre werden auch als Postmoderne genannt. Merkmale der Postmoderne:
1. Verlust der Historizität, d.h. Chronologie ist nicht mehr bedeutend.
2. Das Ende der Geschichte
3. Das Zerreißen der Signifikantenkette
4. Fragmentierung u. Diskontinuität – Gegenteil zu Kontinuität
Es gab zwei Fragen: Wann beginnt die Postmoderne? 70er Jahren waren die Moderne, die P. begann in den 80er Jahren. Was ist eigentlich die P.?
Sie ist etw. Neues, eine Fortsetzung der Moderne mit anderen Mitteln, in der alles möglich ist. Die Aussagen über die Qualität der Werke sind
ambivalent, manchmal reicht die Antwort: es ist für mich interessant oder es spricht mich an. Die Werke sind für verschiedene Adressaten
geschrieben – Frauenlit., Lit. für die Randgruppen... Die Leser interessieren sich mehr für non-fiction und Tatsachenlit.
Patrick Süßkind schrieb 1985 als 34-jähriger das einzige dt. Buch Das Parfüm, das weltbreit als erster dt. Bestseller rezipiert wurde. Es ist die
Geschichte eines autistischen Monsters Jean Baptist Grenouille (grenüe). Die Handlung spielt während der franz. Revolution in Frankreich ab. JB
war als uneheliches Kind geboren, seine Mutter verkauft Fische auf dem Fischmarkt. Er lernt beim Meister, der Parfüme entwickelt, und der bei ihm
seine Begabung, einen absoluten Geruchsinn entdeckt. JB will das beste Parfüm entwickeln. Die Suche danach führt ihn dazu, dass er schreckliche
Taten begeht – ermordet junge Frauen. Dann wird er hingerichtet. Süßkind schrieb das Werk ohne eigenen Standpunkt – er kommentiert es nicht. Er
hat die Fähigkeit, die Vorgänge zu schildern. Der Protagonist handelt ohne zu überlegen.
Ingomar von Kieseritzky 1944 geb., berühmt erst in den 80er Jahren mit den Werken: Das Buch der Dessaster (kniha pohrôm), Der Frauenplan und
Etuden für Männer, die für konkrete Adressaten geschrieben wurden.
Sten Nadolny 1942 geb. Roman Die Entdeckung der Langsamkeit im Jahre 1983. Er hatte die These: dass wir Menschen alles sehr schnell tun und
dabei vergessen eine der größten Tugenden – die Langsamkeit. Wenn man etw. langsam tut, man tut es besser. Der Protagonist John Franklin ist eine
hist. Figur. Am Anfang steht: „J.F. war schon 10 Jahre alt, und immer so langsam, dass er dem Bau nicht anfangen könnte“. Er wurde zum
berühmten Polarforscher.
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Brigitte Kronauer lässt die Frau in den Kissen erzählen, was ihr, der die Liebe abhanden gekommen ist, durch den Kopf geht, da nichts mehr von
Bedeutung zu sein scheint. Bevor sie die Erzählungen und Romane zu schreiben begann, veröffentlichte sie literaturwissenschaftliche Arbeiten und
kleine Prosastücke in Zeitschriften. Zu ihrer weiteren Werken gehören Romane: Frau Mühlenbeck im Gehäus, Rita Münster oder Berittener
Bogenschütze.
Hans Joseph Ortheil gab in zwei umfangreichen Romanen, Schwerenöter und Agenten gründliche Zeitanalysen, die zugleich auch
Rechenschaftsberichte sind. Die Spiegelaffäre in 1962, die Ermordung Robert F. Kennedys in 1968, die Notstandsgesetze, große Koalition und
Studentenunruhen kennzeichnen die Lebensstationen zweier ungleichen Brüder in Schwerenöter.
Botho Kirchhoff hat sich in den 80er Jahren durchgesetzt. Sein Roman Infanta (Frauenname) spielt in einem exotischen Land, wo die Missionäre
eine Station haben. Der Protagonist besucht sie und erlebt einige Episoden mit den Einheimischen. Es ist davon, wie die moderne Welt die
traditionelle Landschaft zerstört. BK erzählt in seinem Prosastück Ferne Frauen von der nicht mehr möglichen Verständigung zw. Mann und Frau,
vom Verschwinden der Individualität und Subjektivität.
Botho Strauß veröffentlichte nach einigen dramatischen Stücken wieder Prosa. Zu seinen Prosawerken gehört der Roman Niemand anderes, der bei
der Kritik auf ein sehr zwiespältiges Echo stieß. Er erzählt in elegischem Ton von misslungenen oder gar nicht erst zustande kommenden
Paarbeziehungen. Er fasst die trostslosen Situationen so präzise in eine glatte Sprache, dass die Personen dahinter fast verschwinden und der
Eindruck vom Schreiben als Verkünden entsteht. 1989 enthielt er den Georg-Büchner-Preis.
Auf die Ereignisse in Tschernobyl reagierten mehrere Schriftsteller: Gabriele Wohmann mit ihrem Roman Der Flötenton, Christa Wolf mit der
Erzählung Störfall oder Ernst Jünger in seinen Reiseaufzeichnungen Zwei Mal Halley (1987), wo er über seiner Reise nach Südostasien berichtet.
Der 91-jährige Schriftsteller, der zum zweiten mal den Halleyschen Kometen sah, stellte die Reaktorkatastrophe in sezierenden, oft mythologischen
Bildern fest.
Auch Günter Grass reagierte darauf fern von Europa mit Erschütterung. 1986 veröffentlichte er den Roman Die Rättin. Es ist ein apokalyptischer
Roman, in dem er seinen Alptraum vom Selbstmord der Menschheit und vom Untergang der Welt darstellte. Danach zog er für eine Weile nach
Indien. Er schrieb den Werk Zunge zeigen. Ein Tagebuch in Zeichnungen, Prosa und einem Gedicht. Zunge zeigen bedeutet in Indien ein Zeichen
der Scham, die GG angesichts des Reichtums in Europa und des grenzenlosen Elends in Teilen Indiens empfand.
1986 veröffentlichte Hans Joachim Schädlich, der 1977 vom Osten in den Westen übersiedelte, seinen Roman Tallhover. Die Kunstfigur Tallhover
lebt zw. 1819 und 1955 und wird zum Spitzel, Geheimpolizist und Denunziant. In oft tragikomischen Zügen schildert Schädlich mit nüchternlakonischer Sprache historisch präzise Taten Tallhovers von der Zeit der Restauration bis zum Aufstand am 17. Juni 1953 in Ostberlin. Tallhover,
der ewige Spitzel, fordert zum Schluss die gerechte Strafe für sich: ...das Ergebnis der Geschichte ist, dass ich, der ich mir historische Schuld
zuschreiben muss, noch als ein bewährter Mitarbeiter angesehen werde, der stets seine Pflicht erfüllt hat.
Auch in den 80er Jahren bearbeiteten Autoren individuelle Schicksale, erneut wurde der Konflikt zw. Väter und deren Söhnen dargestellt. Jurek
Becker, der zu dieser Zeit mit einem DDR-Visum in West-Berlin lebte, veröffentlichte 1986 den Roman Bronsteins Kinder. Der 19-jährige Jude
Hans entdeckt, dass sein Vater und zwei weitere Juden ihren ehemaligen KZ-Aufseher in einem abgelegenen Holzhaus gefangen halten. Aus dieser
Entdeckung entstehen Gespräche darüber zw. Sohn und Vater, aber auch zw. Sohn und dem Gefangenen. Der Vater kommt am Ende an
Herzversagen.
Im gleichen Jahr erschien ein zweites Vater-Buch, Ludwig Harigs autobiographischer Bericht Ordnung ist das ganze Leben. Dankbar und
kontrolliert zeichnet er das Porträt seines Vaters, der als junger Mann im 1.WK schlimme Erfahrungen machte und von da an seinem Leben durch
Ordnungsliebe, Disziplin und Marschmusik die Überlebensenergie zu sichern sucht.
Auch Martin Walser beschäftigt sich immer wieder mit bundesdeutschen Ereignissen und mitmenschlichen Beziehungen. In seinem 1985
erschienenen Roman Brandung ist der Protagonist der Stuttgarter Studienrat Helmut Halm (bekannt schon aus dem Fliehenden Pferd), den das
Angebot eines Gastsemesters aus dem tristen Alltag und langweiligen Ehe nach Kalifornien lockt. Dort trifft er die junge Studentin Fran und kann
sich zw. Lebensgier und Lebensangst nicht so recht entscheiden.
Bernhard Schlink gab 1994 den Roman Der Vorleser. Sein erfolgreichster Roman, der in 29 Sprachen übersetzt wurde. Nach Süßkind war er 2.
Schriftsteller, der Bestseller schrieb. Das Thema ist die grausame Liebe eines jungen Mannes zu einer alten Frau. Die Liebe, die auch körperlich
keine ästhetische ist, wird hervorragend erzählt. Die Kritiker lobten den Autor.
Georg Klein gab voriges Jahr den Roman Barbar Rosa (Anspielung an Barbarossa), eine Detektivgeschichte mit einem Antihelden und einer
Antiaufklärung (das Verbrechen wird getuscht) aus. Es hat eine absurde Handlung, der Text erzählt, dass er der Text ist.
Doris Dörrie – eine Filmregisseurin, schreibt auch Erzählung mit dem Thema: Beziehungen zw. Mann und Frau. Keiner liebt mich – 1994
herausgegeben, erfolgreich.
Thomas Hettche begann mit dem Roman Ludwig muss sterben im Jahre 1989. 1992 Erzählband Inkubation, 1995 Nox – Roman über dem 9.
November 1989 – Fall der Berliner Mauer – gestaltete sie mit Grausamkeit.
Lit. in der ehemaligen DDR in den 40er, 50er und 60er Jahren
Die am 7.10.1949 gegründete DDR profilierte sich als Staat, der 40 Jahre lang existierte (bis 8. Oktober 1990). Der Kulturleben in der sowjetischen
Besatzungszone entwickelte sich anders als in anderen 3 Zonen. Sie wurde von der Roten Armee besetzt, alle Macht hat die sowj. Administrative
übernommen. Es ging ihr auch darum, das Kulturleben zu erneuern. Bald wurden Theater geöffnet, es gab erste Versuche die Bücher herauszugeben.
Die Orientierung dieses Kulturlebens war anders – stärker auf die sowj. Literatur orientiert. Einer der größten Bestsellers war die Übersetzung von J.
Fučík einer Reportage. Man orientierte sich auch auf die dt. Klassik – sie sollte die humanistischen Traditionen repräsentieren. Mit moderner Lit. war
es komplizierter. Georg Lukác hatte die Ansicht, dass sie nicht verbreitet werden sollte.
Die aus der Emigration zurückkehrenden Autoren mussten sich entscheiden, in welchem Teil D. sie leben möchten. Arnold Zweig, Anna Seghers,
Bertold Brecht und Stefan Hermlin kehrten aus westlichen Ländern in die DDR zurück. Heinrich Mann hatte den gleichen Entschluss gefasst, starb
aber noch in Amerika, Johannes R. Becher (er wurde später der Kulturminister der DDR) und Peter Huchel kamen aus russischem Exil wieder nach
Ost-Berlin. Zu einer Auseinandersetzung zw. den Schriftstellern der Emigration und den Schriftstellern des inneren Exils ist es kaum gekommen.
SED kümmerte sich auf ihren Sitzungen auch um die Literatur. Berühmt ist die Tagung 1965, auf der viele Künstler scharf kritisiert wurden, einige
Filme wurden zu sog. Tresorfilmen, Schriftsteller mussten mit vielen Schwierigkeiten kämpfen. Es war Streit zw. den Behörden und den Literaten.
Andererseits man brauchte die Schriftsteller wegen der Rivalität mit der BRD. Es war wichtig die Intelligenz zu haben, die den NS überwinden
könnte. Es wurde der Kulturbund gegründet und vereinigte die ganze antifaschistische Intelligenz. Auf der ersten Bitterfelder Konferenz 1956 stellte
man fest, dass die Schriftsteller wenig über die Arbeit schreiben. Die Arbeiter sollten die Federn ergreifen und selbst ein Werk schreiben. (zu dieser
Zeit gab es in der BRD die Arbeiterlit. auch). Es wurden Schriftsteller in die Betriebe geschickt, in der BRD gingen sie freiwillig. Daraus entstanden
nur einige interessante Texte. In der DDR waren die Lit. und die staatliche Beurteilung dieser Lit. eng zusammen verbunden. Die Lit. wurde als
Waffe im Klassenkampf betrachtet. Dementsprechend hatten alle Künstler den gesellschaftlichen Auftrag, in diesem Kampf unterstützend
mitzuwirken.
Auf der zweiten Bitterfelder Konferenz 1965 stellte man fest, dass nach der Schließung der Grenze 1961 verloren die meisten DDR Bürger den
Zugang in die BRD, was stark kritisiert wurde. Deswegen erhielten auf der Konferenz die Schriftsteller die Möglichkeit auszufahren – so wurden sie
gegenüber den einfachen Bürgern privilegiert.
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Bedeutend in den 70er Jahren war der Fall Biermann. Er war ein Liedermacher, der aus Westdt. In die DDR kam und suchte dort sein
Wirkungsfeld. Er war ein Kommunist, aber die Verhältnisse in der DDR gefielen ihm nicht. Er lebte mit der Rocksängerin Eva Maria Hager, die
seine Lieder sang und die in der BRD auf den Schallplatten erschienen. Sie durften nicht in der DDR veröffentlicht werden, trotzdem wurde
Biermann nicht bestraft. Die Behörden wollten ihn aus DDR ausschmeißen. Biermann durfte ausreisen, um in der BRD einen Konzert zu machen,
dann durfte nicht zurück, wurde ausgebürgert. Es entstand eine riesige Protestaktion, 1976 wurde von berühmten Persönlichkeiten eine Petition
unterschrieben – Ch. Wolf, Jurek Becker, Karl Heinz Jakobs, Manfred Krug, die Schauspielerin Angelika Dormröse.... Aus Protest verließen viele
mit der Genehmigung der DDR diese Republik, aber durften ihre Werke weiter dort veröffentlichen – J. Becker.
Die Gebliebenen solidarisierten mit ihnen (größter Teil), waren gegen die Regierung oder unterstützen die Regierung. Es kam zur Spaltung der
Kultur, die sich in den 80er Jahren vergrößerte. Die Regierung geriet in die Minderheit, es war die Frage der Zeit, wann sie fällt.
Johannes R. Becher war der erste Kulturminister der DDR. Er war eine problematische Persönlichkeit: im Westen wurde kritisiert und im Osten hatte
auch Probleme. Er war auch Morfinist. Bekannt wurde dadurch, dass sein Sohn nach Westen abgehauen ist und einen offenen Brief an Vater schrieb,
in der er ihn scharf kritisierte. Seine Antwort: er hielt es für eine politische Kampanie gegen ihn. Gedichtband Schritt der Jahrhundertmitte aus dem
Jahre 1958 enthält Gedichte, die vom neuen, sozialistischen Menschen handeln, schon der Titel klingt pathetisch. Die Gedichte entsprechen in ihrer
Parteilichkeit ganz der offiziellen politischen Linie.
Bertold Brecht gründete 1949 seinTheater, das „Berliner Ensemble“. Brecht inszenierte dort viele seiner eigenen, im Exil entstandenen Stücke.
Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg. Das Berliner Ensemble gewann unter seiner Leitung internationalen
Ruf, seine Methoden wurden überall diskutiert. Innerhalb der DDR wurde seine Arbeit aber nicht immer gelobt, er selbst war mit der politischen
Entwicklung unzufrieden. 1951 richtete er an alle dt. Künstler und Schriftsteller ein Manifest mit der Warnung. Nach dem 17.Juni 1953 schrieb er
Bukower Elegien., die kurz, aber stark sind. Er äußert sich sarkastisch über den Mangel an Demokratie. (Wäre es da / nicht doch einfacher, die
Regierung / löste das Volk auf und / wähle ein anderes?) Der Text geht in die westdt. Lesebücher. Brecht ist zwar kritisch, aber loyal gegenüber der
DDR.
Anna Seghers fuhr im Frühjahr 1947 über Paris, wo ihre Kinder studierten, nach Berlin. Sie lebte zusammen mit ihrem Mann, der 1952 in die DDR
kam. Ihre Entscheidung für die DDR war bestimmt durch ihre Parteinahme, sie wollte in „den Teil des Landes , der den Weg in eine sozialistische
Zukunft gehen konnte“. Sie engagierte sich in der Weltfriedensbewegung und lange Jahre war Vorsitzende des Schriftstellerverbands, wurde zu einer
der wichtigen Repräsentanten der DDR. Hier schrieb sie einfache, didaktische Kurzprosa (Friedengeschichten), mythische Erzählungen (Das
Argonautenschiff) und die beiden großen DDR-Romane (Die Entscheidung und Das Vertrauen). Mit zunehmendem Alter und aus
Gesundheitsgründen entzog sie sich seit 1968 immer mehr der öffentlichen Aufgaben, nach dem Tod ihres Mannes ist ihre Entziehung noch
deutlicher.
Die weiter Generation war die Gen. der Heimkehrenden aus dem Front, die Gen. der ehemaligen Hitlersoldaten:
Franz Fühmann – war in Nordböhmen geb., absolvierte eine Klosterschule und Gymnasium. Nachdem Nordböhmen besetzt wurde, wurde er
einberufen und geriet in die russische Gefangenschaft. 1949 kehrte er heim. Er war kein Kommunist. Schrieb zunächst Gedichte, dann Prosawerke.
Seine erste Novelle hieß Kammeraden und wurde in viele Sprachen übersetzt. Drei Kammeraden – Soldaten, die an russischer Grenze stationiert
waren, haben am Vorabend der Überfalls der SU wenig zu tun. Sie spielen die Jagd und dabei erschießen die Tochter des Kommandanten und wollen
es auf die Russen geben. Fühmann schrieb Werke über dem 2.WK: König Oidipus – die dt. Soldaten in Griechenland entscheiden sich dieses antike
Drama aufzuführen, proben es, dabei führen Gespräche. Der Kommandant ist ein Deutschlehrer und übernimmt die Regie. Es wird aber nie
aufgeführt, es kommen griechische Partisanen und alle Deutsche werden ermordet. Dt. Mythos Hitler mit dem antiken Mythos Oidipus.
Günter Kunert ist heute über 70 Jahre alt. Er ist ein Halbjude und es gelang ihm in D. zu überleben. Er schrieb Lyrik, die sich auf dt. Geschichte
vollzog, v.a. auf den NS, dann bearbeitete Existenzprobleme. Es kam zur Diskrepanz zw. seiner Persönlichkeit und dem, was die DDR proklamierte,
wurde kritisiert. Nach Biermanns Affäre ging in die BRD.
Ervin Strittmatter war ein berühmter Schriftsteller, begann mit 37 Jahren. 1950 erschien die überarbeitete Fassung des Romans Der Ochsenkutscher,
der die Jahre 1918 bis 1933 umfasst und autobiographisch gefärbt ist. ES war im Sorbischen geb., seine Großeltern und Mutter waren Sorben, sein
Vater Deutscher. Er hatte mehrere Berufe: erlernter Bäcker, dann Chofeur, Tierzüchter, während des Krieges war in der Armee, nach dem Krieg war
kurze Zeit der Gemeindevorsteher und daneben schrieb. In den 50er Jahren erschien sein Roman Der Wundertäler. Der Protagonist Stanislaw kann
die Tiere hypnotisieren, aber auch Mädchen. Der Autor verfolgt seine Schicksale auch im 2. und 3. Teil dieser Trilogie, die autobiographisch ist. Der
2. Teil erschien anfangs 70er, der 3. anfangs 80er Jahre. Im 2. Teil desertiert Stanislaw aus der Hitlerarmee und wird zu einem Mönch. Im 3. Teil
wird zum berühmten Schriftsteller und schildert, wie eine dt. Frau von einem russischen Soldaten vergewaltigt wurde – ein Tabu in DDR. Seitdem
musste er alle Funktionen aufgeben und arbeitete als Briefträger.
Anfang 60er Jahre der Roman Ole Bienkopf. Ole – alte. Von einem Menschen, der die Landwirtschaft reformieren will und eine andere Vorstellung
davon hat als die Behörden.
Günter de Bruyn ist heute über 70, nahm als Soldat den Teil im Krieg. Roman Buridans Esel. Buridan ist ein mittelalterlicher Autor von
Kleingeschichten. Eine schreibt er über dem Esel. Der Esel ging geraden Weg auf dem kein Gras wuchs, links und rechts gab es Gras, aber er ging
gerade und verhungerte. Der Protagonist des Romans ist ein Bibliothekdirektor, glücklich verheiratet. Einmal begegnet er einer Praktikantin, verliebt
sich und verlässt seine Frau und bequeme Verhältnisse. Er geht zur Praktikantin in ein schmutziges Haus. Das gefällt ihm nicht, will zurückkehren,
aber seine Frau empfängt ihn nicht mehr – er bleibt wie Esel zw. beiden. Märkische Forschungen – über Mark Brandenburg. Es ist über einem
Amateurhistoriker, der einen Historiker trifft, der die Monographie über einem Mann schreibt. Der Amateur stellt fest, dass dieser Historiker mit
seiner Monographie gelogen hat, schrieb das, was verlangt wurde. Er versucht sich durchzusetzen, trifft aber auf einen starken Widerstand. Nach der
Wende veröffentlichte er 2 Bände der Memoaren.
Heiner Müller war der größte Dramatiker der Nachkriegszeit. Nach den Schwierigkeiten mit den Gegenwartsstoffen entschied sich über Geschichte
zu schreiben. Er knüpfte an antike Tragödien, schrieb keine Komödien. Er konzentrierte sich auf scharfe Konflikte zw. Leben und Tod. Damit hatte
er Schwierigkeiten, denn es wurde ein Optimismus verlangt, und seine Stücke waren pessimistisch. Fast alle wurden in der BRD aufgeführt. Sein
Satz: „Was ist die dt. Lit.? Zentraldeutschland ist literarisch steril. Was interessant ist, kommt aus Österreich, aus der Schweiz und BRD. Er wurde
aus dem Schriftstellerverband entlassen, was kompliziert war, denn er war ein Mitglied der Akademie der Künste und wer dort war, konnte nicht aus
dem Verband entlassen werden. Stücke: Hamletmaschine, Germania Tod in Berlin – auf die Motiven der Erzählung von A. Seghers „Aus
Karibischen Geschichten“. Als Dramatiker hat er viel von Brechts Arbeitsweise gelernt: sein Gegenwartsstück Der Bau ist nach Motiven von Erik
Neutschs Roman Spur der Steine geschrieben. Das Stück handelt von einer Baubrigade, deren Mitglied Barka allmählich ein sozialistisches
Bewusstsein entwickelt. Der langsame Prozess dieses Umdenken wird in vielen Stationen gezeigt. Eine eigentliche Handlung gibt es nicht, das
Publikum muss nachdenken. Arbeiter, Bürokraten, Ingeneure und Parteisekretäre kommen in diesem Stück zu Wort und äußern nicht immer lobend
über die DDR.
In seiner Neufassung des Philoktet von Sophokles geht es um Odysseus, Philoktet und Neoptolemos. Odysseus braucht Hilfe im Kampf um Troja
und Schickt Neoptolemos zu Philoktet, um ihn aus dem „Exil“ zurückzuholen. Besonders interessant für Odysseus sind seine Waffen. Lüge und
Mord sind die wichtigsten Hilfsmittel in dieser Auseinandersetzung. Odysseus vertritt Hass, Lüge und Mord, Neoptolemos ist ein Unentschiedener
und gerät zw. die Fronten, Philoktet kann nur noch hassen.
Müller bearbeitete außerdem Stücke von Aischylos (Prometheus). Mit Germania Tod in Berlin kommt wieder die jüngste Vergangenheit auf die
Bühne. Es sind Fragmente von Szenen, die im 1. und im 2.WK spielen, aber mit grausamen Bildern aus der Vergangenheit vermischt werden. So
entsteht eine Collage ohne konkreten Zeitbezug, wodurch ihre Wirkung aber nicht verringert wird.
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Die Methode des soz. Realismus war nicht nur auf die Lit. beschränkt. In der Lit. wurde ein positiver Held benötigt, der aus dem Arbeitermilieu
kommt oder Verbindung zu ihm hat und auch eine optimistische Grundhaltung, die mit dem Weltbild des Kommunismus übereinstimmt. Die Helden
können unter gehen, aber im Bewusstsein, für eine bessere Zukunft zu sterben. Experimente, Mystisches und religiöse Themen sollten vermieden
werden. Das Vorbild: Maxim Gorkis Roman Die Mutter. In den 60er Jahren wurde der soz. Realismus als Waffe gegen die kulturelle Moderne
benutzt. Doch die Lit. der 70er und 80er Jahre rezipiert mehr und mehr die Moderne und setzt sich über den soz. Realismus.
60er Jahre:
Es entwickelte sich neue Lyrikergeneration, die auch Lyrikwelle genannt wird: Rainer Kirsch, Sarah Kirsch, Karl Mickel, Heins Tschechowski,
Volker Braun...
Sarah Kirsch gab Das Gespräch mit dem Saurier heraus. Das lyrische Ich ist eine Hexe. Die Autorin identifiziert sich mit ihr, spricht in der lyrischen
Sprache über die Wirklichkeit. Es hatte einen riesigen Erfolg. Ende 70er Jahre verließ sie DDR und lebte im Westen, heute ist 67 Jahre alt und gilt
als große Lyrikerin.
Volker Braun ist ein Lyriker, Dramatiker und Prosaist. Er lebte bis zu Ende in der DDR. Sein erster Gedichtband heißt Provokation für mich. Seine
Gedichte sind Provokationen. Er arbeitete mit Phrazeologie, verarbeitete sie. In seinem Band Gegen die symetrische Welt zeigt er, wie die Welt
schön in den Osten und Westen geteilt ist – er war dagegen. Mit den Existenzfragen beschäftigte sich in dem Band Trainig des aufrechten Gangs
(tréning vzpriamenej chodze). Zu seinen Dramen gehört das Stück Der große Frieden aus dem Jahr 1979, der den Stoff aus der chinesischen
Geschichte behandelt. Es geht um die Fragen nach der Gleichheit und Gerechtigkeit und Beziehung zw. ihnen. Unvollendete Liebe: die Tochter eines
Funktionär verliebt sich in einen Mann, der keinen guten Ruf hat. Ihre Liebe soll von den Eltern des Mädchens verhindert werden. Es ist also die
Bez. zw. Ungleichen. Hinze und Kunze ist ein Roman von den Herren und Knechten. Die Namen sind die häufigsten Namen wie Dvorak und Novak.
Das Drama Lenins Tod war sein Abschied vom Leninismus. Er sagte: „Ich bin ein Kommunist und Sozialist, aber ich kritisiere jetzige Regierung“.
Uwe Großmann war ungebildet, aber schrieb wunderschöne, einfache Gedichte. Er hatte keinen Beruf – im Sozialismus! Starb sehr früh.
Jurek Becker schrieb Roman Jakob der Lügner, der von einem polnischen Ghetto zur NS-Zeit erzählt. Jakob Heym gibt seinen Schicksalsgenossen,
die von der Außenwelt völlig isoliert sind, Mut zum Durchhalten. Durch positive Nachrichten aus einem angeblich verstecken Radio macht er allen
Gefangenen Hoffnung. Dem Besitzer eines Radios droht die Todesstrafe, so dass Jakob ständig die Mutproben bestehen muss für etwas, was gar
nicht existiert. Der Erzähler ist ein Überlebender, der dem Leser am Ende des Romans zwei Schlüsse anbietet. Der ins Utopische gewendete Schluss
erzählt vom Überleben des Jakob, der realistischere deutet dessen Tod an.
Christa Wolf. In ihrer Erzählung aus dem Jahr 1963 Der geteilte Himmel werden zwei äußerst aktuelle Themen in einer ab und zu etwas
sentimentalen Liebesgeschichte miteinander verbunden. Rita kommt vom Land und entwickelt sich als Schülerin eines Lehrerbildungsinstituts und
als Ferienarbeiterin in einem Waggonwerk zu einem vollwertigen Mitglied der sozialistischen Gesellschaft. Ihr Freund Manfred ist Chemiker und
stammt aus einer bürgerlichen Familie. Rita kann nicht verhindern, dass er eines Tages die DDR verlässt und in den Westen geht. Ein letztes Treffen
in West-Berlin bestärkt in Rita ihren Beschluss im Osten zu bleiben.
Roman Nachdenken über Christa T. 1968 stellt eine Akademikerin in den Mittelpunkt. Die Ich-Erzählerin nimmt sich vor, die Lebensgeschichte
ihrer 1963 gestorbenen Freundin Christa T. zu erzählen. Das Erzählen wird zum Nachdenken über sie und auch zum Nachdenken über ihr eigenes
Leben. Beide Figuren lassen sich im Verlauf des Romans nicht immer voneinander unterscheiden. Das Leben der Dichterin gleicht viel dem Leben
von Christa T. Christa T. hat nach dem Germanistikstudium geheiratet und ist mit ihrer Familie auf das stille Land gezogen. Sie ist sensibel, oft
abwesend und melancholisch. Sie stirbt an Leukämie. Mehr als an der Krankheit hat sie an ihrer Umgebung, an den Verhältnissen in der DDR
gelitten, die sich anders entwickelten, als sich die junge Generation nach dem Krieg vorgestellt hatte. Da dieser Roman weit von dem sozialistischen
Realismus entfernt war, wurde CHW für ihn häufig kritisiert.
Johannes Bobrowski
Viele Autoren waren am Ende 60er Jahren überzeugt, dass die Phase des Bitterfelder Wegs beendet ist. Sie schrieben Romane, die häufig in der
Vergangenheit abspielten, was die Partei kritisierte und einige Autoren Schwierigkeiten mit der Veröffentlichung ihrer Werke in der DDR hatten.
Neben der Prosawerke entstanden in der dritte Phase der Lit. der DDR auch dramatische Stücke und Gedichte mit. Peter Hacks ist ein Schüler
Bertold Brechts. Der Dramatiker sei der Herr des Stoffes, der das Stoff in die Form verwandelt. Form ist bei ihm die Wiedergewinnung von Vers,
Fabel, Charakter und Schönheit. Mit diesem Kunstverständnis begründete Hacks das Konzept einer „soz. Klassik“. Nicht die Klage soll dominieren,
sondern die Versicherung, das Ganze sei sinnvoll und das Subjekt geschichtsmächtig. Die Schlacht bei Lobositz handelt von Ulrich Bräker einem
Schweizer Autor, der gegen seinen Willen am Siebenjährigen Krieg (1756-1763) Teil nehmen musste und desertierte deshalb. Die Sorgen und die
Macht steht ganz im Sinne des Bittergelder Wegs. Es spielt in der Gegenwart, in einem Braunkohlewerk ab. Die Arbeiter stellen mehr Briketts her,
als die Norm von ihnen verlangt. In der Eile geraten jedoch die Briketts so schlecht, dass die Glasfabrik, die sie benötigt, kein gutes Glas produziert
und dadurch ihre eigene Norm nicht erfüllt. Es wird der Widerspruch zw. hoher Qualität und Quantität dargestellt. Das Stück führte zu langen
Diskussionen, die verursachten, dass Hacks als Dramaturg des Dt. Theaters in Ost-Berlin zurücktrat.
In den nächsten Jahren schrieb er v.a. historische Stücke, z.B. Margarete in Aix, Adam und Eva. Er schrieb auch mythologische Stücke und Stücke,
in denen Gestalten aus der Literaturgeschichte selbst auftreten, z.B. Rosie träumt – nach der Figur der Dichterin Hrosvith von Gandersheim (um 935
geb.). Goethe diente ihm als Anlass für das Stück Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe. Charlotte Stein hält hier
einen langen Monolog über ihre Beziehung zu Goethe, über ihre Enttäuschung und Hoffnungen.
DDR-Lit. in den 70er und 80er Jahren
In den 70er Jahren kam es zum Wechsel in der Politik – Walter Ulrich ist abgetreten und der neue Chef des Staates war Erich Honecker. Er sagte,
das die DDR-Schriftsteller schreiben können, was sie wollen. Es hörte sich gut, aber war nicht sehr wahr. Am Anfang 70er Jahre entstanden einige
Werke, die repräsentativ waren:
Ulrich Plenzdorf veröffentlichte das Werk Die neuen Leiden des jungen W. W. heißt Wibeau (wibó) – ein Nachkomme der Hugenotten in Berlin. Er
stirbt beim Unfall, experimentierte mit der Elektrizität. Nach seinem Tod will sein Vater wissen, was für einen Sohn er hatte und besucht alle Orte,
an denen sich der Sohn vor dem Tod befand. Vater spricht mit Leuten und der Tote erscheint dabei und kommentiert die Gespräche –
bühnenwirksam. W. war ein unangenehmer Mensch, er konnte sich nicht anpassen, hatte viele Konflikte und wurde ausgeschmissen. Übernachtete in
einem Garten. Auf der Toilette fand er ein Buch, wusste nicht von wem und identifizierte sich völlig mit dem Helden. In der Nähe war ein
Kindergarten und er verliebte sich in die Kindergärtnerin – eine moderne Lotte. UP war auch Szenarist, schrieb das Drehbuch zum Film Legende
von Paul und Paula. Roman Legende von Glück ohne Ende erzählt weiter ihre Geschichte. Paul verliebt sich in Paula, sie will ihn nicht. Er
übernachtet 2 Wochen vor ihrer Tür auf den Treppen, bis sie ihn rein lässt. Er repariert ein Auto, das auf ihn fällt und wird Invalide.
Sarah Kirsch schrieb Naturgedichte, die in dem Lyrikband Landaufenthalt aus dem Jahre1967 enthalten sind. Der Band enthält aber auch Gedichte
um Freundschaft und Liebe. Sie sind auch von J. Bobrowski und den Russen Majakowski beeinflusst. Die Autorin selbst bekennt ihre Nähre zu
Anette Droste-Hülshoff, wenn sie in der Sammlung Zaubersprüche (1973) schreibt: Der Droste würde ich gern Wasser reichen.
Sarah Kirsch (geb.1935) hieß eigentlich Ingrid Bernstein. Ab 1968 wirkte sie als freie Schriftstellerin in Ost-Berlin. Obwohl sie verschiedene Preise
bekam, wurde sie aus der SED ausgeschlossen, als sie gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann protestierte. In dem Band
Zaubersprüche findet man auch versteckte Hinweise auf ihre Hassliebe zur Heimat, die für sie schmerzhaft ist. 1977 übersiedelte sie nach West-
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Berlin. Die Künstlerin, die auch malt, gehört zu bedeutenden Lyrikerinnen der dt. Gegenwartslit. Ihre Werke: lyrische Prosa La Pagerie,
Gedichtbände Erlkönigs Tochter und Ich Crusoe, usw.
Jürgen Fuchs, geb.1950, geriet ebenfalls in den Westen, wo er abgeschoben wurde. In seinen Werken beschrieb er den DDR-Alltag, Mikroprozesse
der Bedrohung und der Unterwerfung. Er hat in Jena Psychologie studiert, absolvierte die Militärausbildung, wurde wegen öffentlicher Lesung seiner
Texte auch aus der SED und der FDJ ausgeschlossen und von der Uni relegiert. Mit seinen Texten versuchte er den Spiegel der Gesellschaft
vorzuhalten. Nach der Ausbürgerung Biermanns wurde Fuchs in Untersuchungshaft genommen und 1977 in den Westen abgeschoben.
Frauenliteratur:
Frauenliteratur hat sich ganz stark entwickelt. Sie bearbeitete v.a. das Model alleinstehender Frau mit Kind und ohne feste Bindung. Maxie Wander
war eine Österreicherin, die in der DDR lebte. Sie ließ verschiedene Frauen auf einem Tonband sprechen und daraus entstand der Roman Guten
Morgen du Schöne – es ist Zitat aus einem Zigeunerlied. Jede Frau sprach sehr aufrichtig über ihr Leben und Beruf, die Autorin verletzte viele
Tabus, war sehr populär. Helga Königsdorf war Mathematikprofessorin und bearbeitete das gleiche Thema.
Intraut Morgner schrieb Romane über Frauen: Leben und Abenteuer der Trubadure Beatrix nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laure. Trubaduren
waren normal die Männer. B. lebt in mehreren Jahrhunderten, erlebt mehrere Reinkarnationen. 2. Roman Amanda hat den Untertitel „Ein
Hexenroman“ – ist über eine echte Hexe. Auch die Frau von Erwin Strittmatter Eva Strittmatter war Lyrikerin, schrieb über das Privatleben der Frau
und über die Liebe sehr aufrichtig. Veröffentlichte mehrere Gedichtbände Die eine Rose überwältigt alles. Sie kehrte zur Romantik, in der BRD war
deshalb nicht erfolgreich. Brigitte Reimann wird auch enfant teribble der Lit. Sie hatte 4-5 Ehen, unzählige Geliebte, jahrelang schrieb sie einen
Roman über eine Architektin, der nicht vollendet war. Er erschien unter dem Titel Franziska Linkerhand erst nach ihrem Tod – sie starb jung an
Krebs. Die Sensation war aber die Veröffentlichung ihrer Tagebücher in den 90er Jahren in 2 Büchern: Ich bedaure nichts (die Jahre 1955-1963,es ist
eine Zitat von Edith Piaf) und Alles schmeckt nach Abschied (die Jahre 1964-1970). Man erfährt, dass sie Alkoholikerin, Nymphomanin war.
Bedeutend in den 70er Jahren war der Fall Biermann. Er war ein Liedermacher, der aus Westdt. In die DDR kam und suchte dort sein Wirkungsfeld.
Er war ein Kommunist, aber die Verhältnisse in der DDR gefielen ihm nicht. Er sah die Ungerechtigkeit in seinem Land und kritisierte es in seinen
Liedern. Er sing z.B. Das Kollektiv liegt schief, oder Im Neuen Deutschland finde ich / tagtäglich eure Fressen / Und trotzdem seid ihr morgen schon
/ Verdorben und vergessen....
Er lebte mit der Rocksängerin Eva Maria Hager, die seine Lieder sang und die in der BRD auf den Schallplatten erschienen. Sie durften nicht in der
DDR veröffentlicht werden, trotzdem wurde Biermann nicht bestraft. Die Behörden wollten ihn aus DDR ausschmeißen. Biermann durfte ausreisen,
um in der BRD einen Konzert zu machen, dann durfte nicht zurück, wurde ausgebürgert. Es entstand eine riesige Protestaktion, 1976 wurde von
berühmten Persönlichkeiten eine Petition unterschrieben – Ch. Wolf, Jurek Becker, Karl Heinz Jakobs, Manfred Krug, die Schauspielerin Angelika
Dormröse.... Aus Protest verließen viele mit der Genehmigung der DDR diese Republik, aber durften ihre Werke weiter dort veröffentlichen – J.
Becker.
Günter Kunert (geb.1929) veröffentlichte nach dem Krieg in verschiedenen Zeitschriften kurze Erzählungen. In den 70er Jahren gastierte er in Texas
und England. Wegen seiner Protesten gegen die Ausbürgerung Biermanns wurde er aus der SED ausgeschlossen, lebt seit 1979 als freier
Schriftsteller in Westdeutschland.
In seinem Gedicht Belagerungszustand (1980) spricht er vom Westdeutschland als von einem Land, wo keiner einem die Sprache verschlägt. Seine
Lyrik vom Bewusstsein von der bedrohten Natur und damit verbundener Selbstvernichtung des Menschen geprägt. Das gilt schon für seine
Gedichtsammlung Unterwegs nach Utopia. Nur noch Natur ist uns geblieben oder was von ihr geblieben ist.
Ein Vertreter der jüngeren Generation, für den sich Franz Frühmann einsetzte, ist Uwe Kolbe. Er veröffentlichte 1980 in der DDR Gedichte unter
dem Titel Hineingeboren. Sie benennen das Lebensgefühl der jungen Generation, die sich der realen, ideologischen und ökologischen Begrenzung
ihres Lebensraumes immer bewusster wird und darüber nicht schweigen will.
In den 80er Jahren greifen die Lyriker andere Autoren auf, die als Vorbilder für sie gelten. Es sind neben direkten Autoren wie Huchel und
Bobrowski auch Dichter wie Klopstock, Hölderlin, Kleist und Mörike. (H. Tschechowiz in seinen Gedichten Hölderlin – ohne Feiertag, Mörike – zu
den Akten).
Prosa: Auch Christa Wolfs 1979 erschienene Erzählung Kein Ort. Nirgends orientiert sich an den Dichtern der Romantik. Sie erzählt von einer
fiktiven Begegnung zw. Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist im Jahre 1804. Beide haben später Selbstmord begangen. Sie gab einen
Einblick in die vom Leben enttäuschten Seelen. Es geht nicht um das Jahr 1804, sondern in der Vergangenheit sollen Tendenzen sichtbar gemacht
werden, die man auf die Gegenwart übertragen kann. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Individuum, nach seinem Verhältnis zur Gesellschaft,
nach seiner Nützlichkeit für die Gesellschaft.
Nach dieser Erzählung wandte sich CHW dem Kassandra-Mythos zu. In der Erzählung Kassandra verknüpft sie Kassandra, die vergeblich warnende
im Trojanischen Krieg, mit unserer bedrohten Gegenwart und Zukunft, in der warnende Kassandra-Rufe genauso wenig gehört werden wie in der
Antike. 1987 veröffentlichte sie die Erzählung Störfall. Nachrichten eines Tages. In der Form der Tagebuchsabschnitten parallelisiert sie zwei
Störfälle: Die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 und die Hirnoperation, de sich ihr Bruder unterziehen muss. Sie berichtet vom Leben, das nur
noch von der Möglichkeit der Wissenschaft abhängig ist und so zum Alptraum wird. Alles liegt unter dem Diktat der Technik, sogar auch die
Sprache. Ihre weitere Erzählung Sommerstück ist vom melancholischen Gedanken gekennzeichnet, dass etwas zu Ende geht. Ein erzählendes Ich
erinnert sich an den Sommer 1977, der dem Jahr der Ausbürgerung Wolf Biermanns folgte, und in dem Sarah Kirsch umsiedelte und Maxie
Wanders starb.
Die Prosa der späten 80er Jahre gibt Auskünfte über das Leben in der DDR. In den detaillierten Schilderungen individueller Probleme werden
gleichzeitig die historischen und gesellschaftlichen Perspektiven gezeigt und einer kritischen Beurteilung unterworfen.
1985 erschien Christoph Heins erster Roman Horns Erde. Hier beginnt jedes Kapitel mit den Worten Erinnere dich! Fünf Personen erzählen Anfang
der 80er Jahre ihre Version eines Ereignisses, das 1957 stattfand und seine Wurzeln in den verdrängten Jahren vor 1945 hat: Der Selbstmord des
Museumsdirektors Horn drängt die Überlebenden, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. 1989 erschien sein Roman Der Tangospieler.
Mit der Methode eines realistischen Erzählens, die mit kühner Präzision alles benennt, ohne selbst zu urteilen, erzählt er von dem Tangospieler
Dallow, der nur deswegen einen Tango spielt, weil er einigen Studenten einen Gefallen tun wollte. Dallow ist eigentlich Historiker an der UNI und
wird wegen seines nicht gesellschaftsfähigen Tangospiels inhaftiert. Der Roman handelt von der Zeit seiner Haftentlassung, von seinen
Schwierigkeiten als eigensinnigen Intellektuellen und ehemaligen Häftling. Im gleichen Jahr, dem Jahr des Mauerfalls, erschien auch Heins Stück
Die Ritter der Tafelrunde. Er zeigt eine Gesellschaft, die sich selbst überlebt hat, im Konzept der Artus-Sage. Er zeigt die Krise des Sozialismus
König Artus – Marx?, Lenin?, Honecker? Wir haben den Gral nicht gefunden.
Helga Schütz stellt in ihrem Roman In Annas Namen ein individuelles Schicksal in der soz. Provinz dar, das seinen Anfang in den Tagen der
Bombardierung Dresdens 1945 hat. Anna wächst als Findelkind auf, führt ein verhältnismäßig privilegiertes Leben in der DDR und scheint in einer
Liebenbeziehung an der Rivalin aus dem gelobten Westen zu scheitern. Sie fällt nach einem Autounfall in ein tiefes Koma, das als Ergebnis einer
allmählichen Entfremdung interpretiert werden kann, sowohl im persönlichen Leben, als auch in der Entwicklung der polit. Situation in der DDR.
Zensur: Erich Loest, nach dem sein Roman „Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene (1978) verboten wurde, dokumentiert in seinem
Bericht Entstehen und Sterben eines Romans in der DDR von dem Korrekturprozess zw. Autor, Lektor, Verlagsleiter und Ministerium. Es beginnt
mit der Selbstzensur des Autors, der zweite Zensor ist der Verlag, also der Lektor, der das Buch betreut, der dritte ist das Ministerium und der vierte
ist die oberste Parteileitung. Alle Verlage müssen der „Hauptverwaltung Verlage und Buchhandlungen im Ministerium für Kultur“ jährlich alle
Manuskripte übergeben. In der DDR darf keine Publikation ohne Staatsgenehmigung nicht erscheinen. Die Partei kann dem Autor das Verbot
aussprechen, ohne ihm die Rechenschaft ablegen zu müssen. Deshalb forderte eine 1987 in der Akademie der Künste gebildete Gruppe von
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Theaterfachleuten (darunter Hacks und Müller) ironisch den Erlass einer Zensurprozessordnung und Begründungspflicht seitens verantwortlichen
Zensors.
Die Hauptverwaltung hat auch Westpublikationen vermieden. Wie schwer es v.a. für junge Dichter war, die noch keinen Namen hatten, beschrieb
nach seiner Haftentlassung der Liedersänger Karl Winkler in Made in DDR. Jugendszenen aus Ost-Berlin. Wegen „staatsfeindlicher Hetze“ war
Winkler verurteilt und nach dreizehnmonatiger Haft in den Westen abgeschoben. Auf dem X. Schriftstellerkongress der DDR 1988 verlangte
Christoph Hein die Abschaffung der Zensur.
In den späten 80er Jahren wird die DDR-Lit. immer experimentierfreudiger. Sie praktiziert alle Formen des Komischen, schwarzen Humor, Satire
und Groteske. Sie desillusioniert die Revolution, den Anspruch „Sozialismus“ zu verwirklichen. Sie bezieht sich auf Geschichte, auf die Abrechnung
mit dem Stalinismus.
Deutschsprachige Erzählkunst im 20. Jahrhundert
Romane 1918 – 1933: In den Romanen der NS (v.a. bei Döblin und Kästner ) findet man Tatsachenberichte, Reportagen und Montagen. Dieser Stil
wurde aber auch in Theaterstücken von Brecht und Zuckmayer benutzt, ebenso wie in der Lyrik von Brecht, Kästner und Tucholsky. Als Beispiele
dieser Tendenz lassen sich einige Romane der zweiten Hälfte 20er Jahre gruppieren. Sachlich, nüchtern und genau beobachtend sprachen viele
Autoren ihre Kritik an der Zeit aus. Sie beklagten den Verfall moralischer Werte. Ihr Kennzeichen ist die möglichst genaue, authentische Darstellung
zeitgenössischer Realität, die Fragmente des alltäglichen Lebens, die Gegenstände ebenso wie die Menschen, erschienen passiv, unbewegt, wie unter
Glas in ein starres Stilleben gepresst. Typisch ist die kühle Distanz s, Ablehnung des gefühlsmäßigen Pathos, Isolation sowie die
Kommunikationslosigkeit. Die Figuren sind scharf abgegrenzt, jede wirkt einheitlich für sich, kann aber auch zerbrechlich sein.
Heinrich Manns (Lit. 20er Jahre und im Exil) Romane sind von Anfang an gesellschaftskritischer als die Werke seines Bruders. Bedeutend war seine
essayistische und publizistische politische Tätigkeit, mit der er seine Unterstützung der Republik und Kritik an den Missständen im Sinne einer
sozialistischen Umgestaltung äußerte. Seine Gesellschaftskritik in der Weimarer Republik suchte eine Fortsetzung des Wilhelminismus ähnlich wie
C. Sternheim.
Thomas Mann (Lit. 20er Jahre und im Exil)war im Unterschied zu seinem Bruder ein konservativer Monarchist und unpolitischer Literat, was seine
„Betrachtungen eines Unpolitischen“ gegen Kriegsende eindrücklich belegten. Mitte 20-er Jahre blieb seine Wirkung, verglichen mit der seines
Bruders Heinrich, beschränkt. Erst mit dem Roman „Der Zauberberg“ und dem spektakulären Bekenntnis zur Republik 1922 gewann er an
Wirkungsbreite.
Ricarda Huch (Lit. der DDR) war erste Frau, die an den deutsprachigen UNI promovierte, also den Doktortitel erhielt. Sie wurde zur Doktorin der
Philosophie, arbeitete als Bibliothekarin und Lehrerin in Zürich, Bremen und Wien. 1893 als 43-jährige Frau heiratete R. Huch einen Italiener und
lebten zusammen in Triest. Bereits 1905 kam die Scheidung und 1907 heiratete sie ihren Vetter. Ihre Ehe dauerte nur drei Jahre. R. Huch war
berühmte dt. Schriftstellerin. 1933, als Hitler zur Macht kam, trat sie aus der preußischen Akademie der Künstler aus. Trotzdem wurde sie nicht
verfolgt – war bereits 70 Jahre alt. Seit 1934 lebte sie in Jena und verfasste Gedichte gegen Hitler, die illegal verbreitet wurden. Sie starb 1947 in
Frankfurt am Main.
Ihr dichterisches Schaffen bilden Prosawerke, die zum Teil impressionistisch, zum Teil neuromantisch sind, historische Arbeiten, impressionistische
Gedichte.
Das erste bekannteste Werk sind Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren. Das Thema ist die Liebe unter den Verwandten und die
Nichtachtung ehelicher Verbindungen. Die Liebesbeziehungen werden hier wie Naturereignisse dargestellt. „Das Leben ist grundloses und uferloses
Meer“. Der Roman ist autobiographisch gefärbt, die Personen stammen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis von Ricarda Huch, die unter
anderen Namen auftreten. Der Erzähler ist ein gewisser Ludolf Ursleu, der in einem schweizerischen Kloster endet. Seine Erinnerungen bilden
diesen Roman, den man auch als Familienroman nennen kann – es geht um die Liebesbeziehungen innerhalb einer Familie.
1902 Roman Aus der Triumphgasse – spielt sich in Triest ab. Der Erzähler ist Hugo Belwatsch. Hugo besitzt ein Haus zum Heiligen Antonius und
macht dieses Haus durch verschiedene Mieter bekannt. Die zentrale Figur ist aber der junge Ricardo, der verknüppelt ist. Trotz diesem Handicap ist
er vital, menschlich, alle ihn lieben. Als er stirbt, beschreibt es R. Huch so: „Nach seinem Ableben ist es so, als die ganze Triumphgasse ein Grab
wäre.“ Er ist eine neuromantische Figur.
Roman Vitasomnium breve – es bedeutet: das Leben ein kurzer Traum. Später wurde der Roman nach dem Protagonisten Michael Unger genannt. Er
ist mit seinem Leben nicht zufrieden und stellt sich die Frage: „Dies also, dies ist das Leben?“ Die Antwort findet er in der leidenschaftlichen Liebe
zur jungen Malerin Rose. Er selbst wird zum Künstler – eine romantische Geschichte.
Bekannt sind zahlreiche historische Romane: Die Geschichte des Garibaldi, Der Kampf um Rom – in beiden ist der Hauptprotagonist Giuseppe
Garibaldi als Gründer des modernen italienischen Staates. Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri – war italienischer Befreiungskämpfer, der
lange im Kerker saß. Der große Krieg in D. – Darstellung des 30-jährigen Krieges. 1912 – 1914 erschienen in drei Bänden Deutsche Gedichte.
Hermann Hesses (dt. Lit. 20er Jahre und im Exil) wichtige Werke entstehen alle zw. 1918 und 1933 (die Dichtung „Siddharta“, der Roman „Der
Steppenwolf“ und die Erzählung „Narziß und Goldmund“). Hesses romantische, nach innen gerichtete, Perspektive thematisiert die Suche nach dem
Selbst und Leben, seine Bücher sind sog. Seelenbiographien für das Bürgertum. Auch er ist ähnlich wie andere Autoren (H. und TM) den
Traditionen der Vorkriegsgesellschaft stärker verhaftet als dem Leben der Republik.
Eine Sonderstellung nehmen Franz Kafkas (Lit. 20er Jahre) Erzählungen und Romane ein, die zum Teil erst nach seinem Tod erscheinen. Seine
Werke sind fast immer autobiographisch gefärbt (er litt unter der Autorität des Vaters) und von eigenwilligem Stil geprägt. Im Unterschied zu
anderen Autoren scheinen seine Werke von der politischen Geschichte der Weimarer Republik unberührt.
Alfred Döblin (dt. Lit. 20er Jahre und im Exil) , Hermann Broch (Lit. 20er Jahre), Robert Musil (Lit. 20er Jahre)
W. Koeppen gehörte zu den Vertretern der Lit. in der BRD, wie Alfred Andersch, Hans Erich Nossack oder Heinrich Böll, die kritisch den
Gegenstand der Nachkriegsdemokratie entdecken. Er wurde 1906 in Greifswald geb. Einen Teil seiner Kindheit lebte er im ehemaligen Ostpreußen.
Jung floh er aus dem Familienhaus, hatte verschiedene Berufe, besuchte mehrere europäische Länder, studierte die Theaterwissenschaft,
Literaturgeschichte und Philosophie zuerst in Greifswald, dann in Hamburg, Berlin und Würzburg. Längere Zeit blieb er im Ausland, arbeitete als
Journalist, Schauspieler, Dramaturg. Lit. tätig wurde er in 30-en Jahren mit seinen Romanen Unglückliche Liebe und Die Mauer schwankt, die in
ihrer Erstausgabe keinen auffallenden Interesse weckten. Während des Faschismus blieb er lit. inaktiv. Es führten ihn dazu v.a. politische Gründe.
Nach dem Krieg entstand eine neue Situation, die ihm neue Anstöße zum Schreiben gab. Es entstanden seine drei Romane Tauben im Grass, Das
Treibhaus und Der Rod in Rom, in denen er den Nachkriegschaos, die Formierung eines neuen Staates sowie die Reste des Faschismus dargestellt
hatte. Sie kennzeichnen sich durch ihren kritischen Ton, Skepsis und Nichtzustimmung mit der politischen Entwicklung in der Nachkriegszeit (auch
als Trilogie bezeichnet). Nach längerer Pause folgten Serien der Reportagen aus verschiedener Länder, die unter den Titeln Nach Russland und
anderswohin, Amerikafahrt, Reisen nach Frankreich erschienen sind. Zu späten Koeppens Werken gehören der Roman In Staub mit allen Feinden
Brandenburgs und Prosa Die Jugend mit autobiographischen Tendenzen.
Der erste Roman Unglückliche Liebe schöpft auch aus den autobiographischen Erfahrungen. Das Thema ist die unerfüllte Liebe des jungen Mannes
Friedrich zu Sibylle, einer zweitklassigen Kabarettsängerin. Ihr gegenseitiges Gefühl mündet ins Leere. Wichtig ist das Motiv der Ab- und
Rückfahrten in die Heimat, der auch in anderen seiner Werke zu finden ist. Komplizierter als die geografische Grenze ist die Mauer zw. den
Menschen, die sich lieb haben und doch diese Kluft nicht überwinden können. Die Mauer schwankt stellt die Situation in einer kleinen Stadt auf
dem Lande nach dem 1.WK dar. Der Protagonist – ein Baumeister – kehre vom Nahen Osten zurück und will die alten Häuser nach den
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ursprünglichen Planen wieder aufbauen. Dabei ist er sich seiner vergeblichen Tat bewusst, es ist ihm klar, dass die Epoche des alten
kleinbürgerlichen Lebens vorbei ist. Das Treibhaus ist als Linearerzählung stilisiert, es gibt hier eine Zentralfigur, die sich von ihrer Umgebung
unterscheidet. Die zeitliche Dauer beträgt zwei Tage, das Ort ist Bonn 1952. Die ersten zwei Kapitel zeigen retrospektiv das bisherige Leben
Keetenheuves. Während des Faschismus lebte er in der Emigration, nach dem Krieg ist er nach D. zurückgekommen, um bei der Erneuerung des
Lebens zu helfen. In der Emigration lebte er in der Einsamkeit, er kann sich nicht den Verhältnissen einstellen. Er führt einen gleich am Anfang
verlorenen Kampf gegen die heuchlerische Moral im Parlament, diplomatische Zweiseitigkeit und Trennung von den demokratischen Grundsätzen.
Die Maschinerie ist stärker als er, sein Kampf gerät in die Groteske, den Höhepunkt bildet die Stelle des Botschafter in Guatemala, die ihm
angeboten wurden, um ihn aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben fern zu halten. Der Abschied vom Leben scheint ihm die letzte
freiwillige Entscheidung und Tat zu sein. Der Autor kritisiert die offizielle Politik, die Tätigkeit des Bundestages und der Abgeordneten, die schwere
Atmosphäre des polit. Lebens in Bonn vertritt die ganze BRD und er vergleicht es zum Leben im Treibhaus, wo im heißen und schwülen Klima
absurde Menschentypen mit einem absurden Denken und Handeln wachsen. Obwohl der Roman fiktiv ist, enthält er auch realistische Züge, man
kann die Gestalten des Kanzlers Adenauer und des Präsidenten Heuss erkennen, konkret ist auch die Abstimmung über die Neubewaffnung des
Staates im Bundestag.
Heinrich Böll (Lit. der BRD)
Günter Grass (Lit. der BRD)
Ingeborg Bachmann (Lit. Ö seit 1945)
Bei Thomas Bernhard (Lit. Ö seit 1945) und Peter Handke kann man eine Entwicklung hin zur autobiographischen Literatur beobachten. Beide
Autoren waren in Graz am „Forum Stadtpark“ beteiligt, Handke jedoch weit engagierter als Bernhard. Er begann zwar mit düsterer Lyrik, wandte
sich aber bald zu den Romanen und verschiedenen Theaterstücken zu. Er selbst bezeichnete sich als „Geschichtenzerstörer“. Sein erster Roman Frost
wurde zunächst als „negativer Heimatroman“ interpretiert. Für die Figuren in diesem Werk kann es eigentlich nirgends „Heimat“ geben, deswegen
ist diese Behauptung nicht sehr passend. Es ist in der Ich-Form geschrieben. Ein Medizinstudent soll in einem abgelegenen Dorf bei Salzburg einen
als verrückt geltenden Maler beobachten. Sein Bericht (Frost ist ein Bericht) gibt die sich steigernden Ausbrüche des Malers wieder, der an der
Atmosphäre des Frosts, an der eiseigen Kälte und unter den Menschen leidet. Eines Tages verschwindet der Maler, sein Ende bleibt ungewiss.
Die Themen bei B. waren häufig negativ: Krankheit und Tod, Selbsthass und Selbstmord, Verstörung und Verbrechen. Die monotone Erzählhaltung
stellt ein positives Weltbild in Frage und wirkt provozierend. Die Romane Die Ursache. Eine Andeutung (1975), Der Keller (1976) und Der Atem
(1978) stellen Österreich als das Negative dar.
Biografie: B. wuchs bei seinen Großeltern auf, 1942 kam er in ein Salzburger Internat, er machte eine kaufmännische Lehre und arbeitete als freier
Mitarbeiter bei einer Salzburger Zeitung. Er studierte Musik und Schauspiel am Mozarteum in Salzburg. Er unternahm viele Reisen, erhielt
zahlreiche Preise, darunter auch den Georg-Büchner-Preis.
Peter Handke (Lit. Ö seit 1945), J. Bobrowski (Lit. der DDR), Ch. Wolf (Lit. der DDR)
Christoph Hein (Lit. der DDR) geb. 1944. 1985 erschien sein erster Roman Horns Ende. Jedes Kapitel beginnt mit der eindringlichen Aufforderung
„Erinnere dich!“. Fünf Personen erzählen Anfang der 80-er Jahre ihre Version eines Ereignisses, das 1957 stattfand und seine Wurzeln in den
verdrängten Jahren vor 1945 hat: Der Selbstmord des Museumsdirektors Horn drängt die Überlebenden, sich mit der Vergangenheit auseinander zu
setzen. 1989 erschien sein Roman Der Tangospieler. Mit der Methode eines realistischen Erzählens, die mit kühner Präzision alles benennt, ohne
selbst zu urteilen, erzählt er von dem Tangospieler Dallow, der nur deswegen einen Tango spielt, weil er einigen Studenten einen Gefallen tun
wollte. Dallow ist eigentlich Historiker an der UNI und wird wegen seines nicht gesellschaftsfähigen Tangospiels inhaftiert. Der Roman handelt von
der Zeit seiner Haftentlassung, von seinen Schwierigkeiten als eigensinnigen Intellektuellen und ehemaligen Häftling. Im gleichen Jahr, dem Jahr des
Mauerfalls, erschien auch Heins Stück Die Ritter der Tafelrunde. Er zeigt eine Gesellschaft, die sich selbst überlebt hat, im Konzept der Artus-Sage.
Botho Strauß (Lit. der BRD) geb.1944. Studierte Germanistik, Theatergeschichte und Soziologie, war Redakteur der Zeitschrift Theater heute und
dramaturgischer Mitarbeiter an der Schaubühne in Berlin. Er schrieb Dramen und Prosastücke. Zu seinen Prosawerken gehört der Roman Niemand
anderes, der bei der Kritik auf ein sehr zwiespältiges Echo stieß. Er erzählt in elegischem Ton von misslungenen oder gar nicht erst zustande
kommenden Paarbeziehungen. Er fasst die trostslosen Situationen so präzise in eine glatte Sprache, dass die Personen dahinter fast verschwinden
und der Eindruck vom Schreiben als Verkünden entsteht. 1989 enthielt er den Georg-Büchner-Preis.
Deutsche Lyrik im 20. Jh.
Express. Lyrik: Die wichtigste Leistung des E. lag vor dem 1.WK in der Lyrik. Sie konnte die Gefühlflut am besten zum Ausdruck bringen. So
entstanden bekannte Gedichte von Georg Trakl, Georg Heym, Franz Werfel, Ernst Stadler und Gottfried Benn. Es fanden Autorenabende und lit.
Veranstaltungen statt, die die neue Lit. bekannt machten. Im „Neopathetischen Cabaret“ des 1909 in Berlin gegründeten „Neuen Clubs“ hatten
Heym, Hoddis und andere ihre Gedichte und Provokationen vorgelesen. Irgendwelche verbindliche theoretische Prinzipien für die Lyrik gab es nicht,
im Vordergrund stand die Idee vom „neuen Menschen“.
Lyrik 1918 – 1933: Von der express. Lyrik hat sich eine andersartige Lyrik abgelöst, die eine unpolitische Haltung hatte, was ihr auch vorgeworfen
wurde. Sie bemühte sich um eine nüchterne Betrachtung. Durch die Darstellung der Landschaft und der Natur wollte man die Ordnung hinter den
Dingen wieder sichtbar machen.
Arno Holz (Naturalismus) wurde in Rastenburg in Ostpreußen 1863 geb. Er gehörte zu den wichtigen Vertretern den dt. Naturalismus. 1875 kam er
nach Berlin. Gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf schrieb er Musterbeispiele nat. Dichtung. Der von ihm 1886 erschienene Lyrikband
Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen begeisterte an seinen kämpferischen Versen gegen die herrschende Literatur, an seinen politischen
Bekenntnisgedichten und Großstadtgesängen nicht nur die Jüngstdeutschen, sondern auch die Kritik. Sie lobte Holz als Lyriker von hinreißenden
Feuer, und stellte ihn in eine Reihe mit Heine und Freiligrath. AH lässt einen Dachstubenpoeten seine Lage in Gedichten schildern. Themen sind:
die Großstadt, das Fabrikleben, das Elend.
Von der Lyrik im Stil dieser Sammlung hat sich Holz später distanziert und auf diese Phase als auf einen historisch gewordenen „Kampf“
zurückgeblickt. Statt dessen versuchte er in seinen Dramen, Prosa und Lyrik ein Konzept zu entwickeln, in dem es um die restlose Erfassung der
Dinge und sinnlicher Wahrnehmungen im Medium der Sprache geht. 1899 publizierte er die Streitschrift „Revolution der Lyrik“, die eine
theoretische Begründung für dieses Konzept darstellt. Holz war ein Theoretiker des Nat. er suchte nach der Form, die den neuen Forderungen nach
Modernität, Wirklichkeitsnähe und der Loslösung von traditionellen Normen entsprechen konnte.
Stefan Georges (lit. Moderne) besuchte das Gymnasium in Darmstadt, dann studierte Romanistik in Berlin, in Paris bewegte sich in der Nähe der
symbolistischen Dichter. 1829 gründete die Zeitschrift Blätter für die Kunst, in der er seine Gedichte, Prosawerke auch programmatische Schriften
veröffentlichte. Er kritisierte die älteren Dichter, die die Dichtung nur für Äußerung ihrer Meinungen und Ansichten benutzt hatten und lehnte auch
die moralisierende Lit. der früheren Zeit ab. S. G. bildete einen Kreis von Freunden, der auf der Literaturbühne auftrat: Hugo von Hofmannstahl, der
Philosoph Ludwig Klages, Dichter Karl Wolfskehl, später der Literaturwissenschaftler Friedrich Grendolf und der junge Maximilian Grundberger,
der 1904 als 17-jähriger gestorben ist. In ihm sahen sie die Inkarnation des Göttlichen.
St. Georges schrieb seine Werke planmäßig, alle Gedichte sind zyklisch geordnet. Er verwendete die Kleinschreibung, eigene Schrift und
Interpunktion, teuren Papier.
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Seine frühen Gedichtzyklen Hymnen und Algabal erschienen zum Teil als Privatdrucke. Er war davon überzeugt, dass nur wenige Menschen
Zugang zur Kunst haben konnten und sollten. Die neue Kunst sollte frei von allen Bezügen zu der alltäglichen, rationalen Wirklichkeit sein, sie sollte
eine eigene poetische Wirklichkeit schaffen, die letztlich nur wenigen Auserwählten zugänglich sein konnte. Seine Gedichte tragen einen feierlichen
Ton, kostbare Bildhaftigkeit und stilisierte Schönheit, die nur den Eingeweihten verständlich ist. Es ist ein aus der technischen Vollkommenheit und
formaler Meisterschaft gewonnener Ästhetizismus.
1897 erschien Das Jahr der Seele, das von vielen als das bedeutendste Gedichtwerk Georges angesehen wird. Der strenge und feierliche Ton, der
typisch für seine Gedichte ist, ist hier zurückgetreten zugunsten einer lebendigeren Lyrik, die Natur- und Seelenstimmungen miteinander verbindet.
Aber schon der nächste Band Der Teppich des Lebens und die Lieder von Traum und Tod, der in ornamentaler Verknüpfung Elemente aus früheren
Werken aufgreift, entspricht wieder dem Thema des Verkündens von kultureller Erneuerung Deutschlands.
1907 erschien sein umfangreichster Gedichtzyklus Der siebente Ring. Die sieben Bücher sind um das Buch Maximin gruppiert. In Maximim, einem
früh verstorbenen Freund, verherrlichte George eine neue Jugend. Sein hymnischer, oft weihevoller Stil entsprach später einem Bedürfnis der
Nationalsozialisten. Sie forderten ihn auf, aus der Schweiz, wo er seit 1933 lebte, zurückzukehren. Doch George widersetzte sich dieser falschen
Interpretation seiner Werke und blieb in der Schweiz, wo er im selben Jahr starb. Weitere Gedichtbände: Das neue Reich, Der Stern des Bundes – er
stellt sich hier als Prophet, der seine kulturpolitische Sendung erfüllt. Sein ästhetisches geistiges neues Reich basiert auf der Ablehnung der
gesellschaftlichen Realität im Wilhelminischen Deutschland.
Rainer Maria Rilke (lit. Moderne) Wie bei Hoffmannstahl und Schnitzler war auch Rilkes frühe Lyrik von der Stimmung des fin de siécle geprägt.
Wie George legte er Wert auf eine kunstvolle Form. Das Ergebnis der Reise nach Russland ist das dreiteilige Stunden-Buch. Rilke begibt sich in der
Gestalt eines jungen Mönches auf die Suche nach Gott. Es enthält Gedichte, die man als lyrische Gebete bezeichnen kann.
Du,
Nachbar Gott, wenn ich dich manchesmal
Sie kreisen um einen sehr persönlichen
In langer Nacht mit hartem Klopfen störe, Gott, er duzt dem Gott, zw. ihm und Gott
So ists, weil ich dich selten atmen höre
Entsteht eine intime Beziehung:
Und weiß: Du bist allein im Saal.
In Paris veröffentlichte Rilke das Igor-Lied und entwickelte das Konzept der Dinggedichte. Er wollte seine Gedichte so schreiben, wie der Bildhauer
Rodin seine Statuen macht. Das Ergebnis sollte ein sprachliches Bildhauergedicht sein. Solches Gedicht enthält kein lyrisches Ich In den
Vordergrund tritt die Betonung der Arbeit und des Handwerklichen, die an die Stelle des Wartens auf die Eingebung treten, die auf einer genauen
Beobachtung eines Gegenstandes beruhen. Diese Gegenstände können Pflanzen, Tiere oder Kunstwerke sein, die als Beweis göttlicher Existenz
verstanden werden. Diese Gedichte sind in der Sammlung Neue Gedichte und in Der neuen Gedichte anderer Teil enthalten (ein Panther, Leopard,
die Gazelle, Karussell, Spätherbst in Venedig, Römischer Brunnen...)
In späteren Gedichten löste sich Rilke von der Gebundenheit an die Welt der Dinge. Auf dem Schloss Duino bei Triest erlebte er noch eine
produktive Phase (1911 – 1912). Die Duineser Elegien sind 10 längere Gedichte über die Liebe, Mutter, Frau in verschiedenen Gestalten. Sie sind en
hymnischer Weltgesang. Aus der immer gegenwärtigen Sehnsucht nach einem sinnerfüllten Dasein erwächst eine leidenschaftliche Bejahung der
irdischen Existenz. Rilke war Gegner des Krieges, er war ein Dichter der Liebe (christlichen oder erotischen). Im 1.WK musste er einrücken,
arbeitete auf dem Kriegsministerium und sollte die Propagandaliteratur schreiben, was er ablehnte. Nach dem Krieg entstand der Zyklus Die Sonette
an Orpheus (orfojs), der eine ruhigerer Gegenstück zu den Elegien bildet. 50 Sonette. Spirituelle Dichtung. Orpheus begleitet den Dichter in das
Totenreich.
Christian Morgenstern (lit. Moderne) ist einer der weniger bekannten Dichter der lit. Moderne. Er schrieb impressionistische Gedichte, die heute fast
alle vergessen sind, lebendig sind seine Grotesken, er wirkte auch als Kabarettdichter in Münchner Kabarett „Elf Scharfrichter“, schrieb zu den
Tagesereignissen Texte, die am Abend vorgelesen wurden. Bekannt wurde er durch seine Sammlung Galgenlieder 1905, über deren Entstehung er
schrieb: Die Galgenpoesie ist ein Stück Weltanschauung. Von Galgen sieht man die Welt anders aus. Sein Motto war: In jedem Manne steckt ein
Kind, das will spielen (Zitat aus Nietzsche). Seine grotesken Gedichte sind vital, geistreich und humorvoll (Fisches Nachtgesang, Gedicht über
einem Seufzer). Weitere Zyklen Ginganz, Paumakukel.
Bertold Brecht schrieb neben seinen zahlreichen Dramen auch Gedichte. Zu seinem Leben publizierte er in einer komplexen Fassung nur einen
kleinen Teil seiner Gedichte: die Sammlungen Bertold Brechts Hauspostille, Lieder Gedichte Chöre, Svenborger Gedichte, Steffin Sammlung,
Bukower Elegien. Eine Reihe seiner Gedichte publizierte er in verschiedenen Zeitschriften und einige Zyklen blieben nur als Fragmente. 1950
bereitete er zusammen mit W. Herzfeld eine kleine Auslese 100 Gedichten. Seine frühe Gedichte waren anarchisch-expressiv und metaphorisch.
Später nahmen sie neusachliche Elemente auf, benannten Gegenstände direkt und verfremdeten sich so von der zu gleicher Zeit erschienenen
Naturlyrik. Die Symbolik der Poesie verschob sich aus der Ebene des Wortes auf die Ebene des Textes als Ganzes. In seinen Gedichten befinden sich
verschiedene Stilhaltungen, Gattungen von Chronik, Song, Ballade, Brecht bekannte sich zu Villon, Rimbaud, Kipling, zur Jahrmarktspoesie, zum
Arbeiterlied, zur Tradition der alten chinesischen Lyrik usw. Brecht zielte mit seinen Gedichten nicht auf politische Tagesereignisse, sondern eher
auf exemplarische Begebenheiten, die er kritisierte (Legende vom toten Soldaten). Seine Hauspostille veröffentlichte Brecht mit den Anweisungen
zum Lesen. Den Titel (das Buch der Predigten für den Bedarf der Gläubigen) sollte man ironisch lesen – „die Gedichte dürfen nicht kopflos
verschlingen werden“. Apfelböck oder die Lilie auf dem Feld – ist ein grotesk-komisches Gedicht auf die mittelalterlichen Moritaten. Die Lilie ist ein
biblisches Bild der Unschuldigkeit. Das Thema ist ein wirkliches Ereignis. Spürbar ist seine Stellung zur „Unschuldigkeit des Kindermörders“. Die
Legende vom toten Soldaten – entstand unter dem Einfluss des Krieges. Es ist ein sarkastisches Gelächter über den Militarismus.
In den Gedichten, die zw. den Jahren 1926-1933 entstanden sind, entdeckte er die Welt der Unterdrückten und Ausgebeuteten. Steffin Sammlung
entstand in der Zeit der größten Not. M. Steffen war Brechts langjährige Freundin. Sie starb 1941in Moskau an TBC. Hier ist sichtbar die
beginnende Intimität seiner Gedichte.
Erich Kästner (Die neue Sachlichkeit, Lit. der 20er Jahre) wandte sich in seinen Romanen und Gedichten gegen das Spießertum, gegen Militarismus
und Faschismus. Mit Humor und Ironie verband er das Anliegen eines „Moralisten“, die Missstände zu zeigen. In der Gebrauchslyrik, die für den
Alltag, für einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Lebenssituation geschrieben wurde, verwendete er ähnlich wie Tucholsky eine saloppe,
nüchterne und ironische Sprache mit einfachen Versen und Reimen. Er schrieb z.B. 12 Gedichte über jedem Monat im Jahr, dann schrieb er das
Gedicht über den 13. Monat, den es nicht gibt, Gedichte für Sekretärinnen usw. alle diese Gedichte sind im Band Doktor Erich Kästners lyrische
Hausapotheke versammelt. Viele Gedichte sind satirisch, er wendet sich in ihnen gegen die apolitischen Lyrikidyllen, z.B. Kennst du das Land, wo
die Kanonen blühen. Es ist eine Parodie an Goethes Gedicht Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen. Es ist gegen die dt. Kleinbürgertum und
Nationalsozialismus gerichtet. Im Gedicht Kurt Schmidt, statt einer Ballade beschreibt er das tägliche Leben eines Fabrikarbeiters, der am Tag 9
Stunden in einer Gasfabrik arbeiten muss, 4 Stunden braucht er für Fahrt und Essen, 10 Stunden schlief er und nur ein Stündchen blieb im für
„höhere Interessen“. Das allemal außer Sonntag. In der dritten Strophe wiederholt Autor diese Zahlen und Tätigkeiten und als er zur letzten
einzelnen freien Stunde für die Selbstentwicklung des Menschen kommt, schreibt er folgendes: und in dem Stündchen, das ihm übrig blieb, brachte
er sich um.
(1928)
(1946)
EK veröffentlichte auch weitere Lyrikbände: Lärm im Spiegel, Ein Mann gibt Auskunft. In Herz auf Taille und Gesang zwischen den Stühlen greift
er Militarismus und reaktionäre Politik an, gibt aber gleichermaßen desillusionistische Skizzen menschlicher Probleme, die nicht frei von
Sentimentalität sind.
Oskar Loerke (Lit. der 20er Jahre) schrieb Gedichte über die Landschaft und die Natur, in denen er den einheitsstiftende Ordnungsprinzip suchte.
Diese Naturlyrik entstand als ein Gegenbild zu der Tendenzlyrik, sie ist bewusst apolitisch. Seine Magie der Einbildungskraft enthält in sieben
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Gedichtbänden die ahistorische Naturhaftigkeit, die sogar auch das Großstadtdasein betrifft. Es wird sowohl das Schöne als auch das
Dämonische der Natur dargestellt. Neben den Landschaftsgedichten entstanden auch Gedichte über die Großstadt, z.B. Blauer Abend in Berlin.
Wilhelm Lehmann (Lit. der 20er Jahre) Loerke übte großen Einfluss auf W. Lehmann aus, dessen Gedichte von einer tiefen Naturverbundenheit
geprägt sind. Bei ihm schließt die Wirklichkeit das Traumhafte und Magische mit ein. Sein erst 1948 veröffentlichte Band Bukolischen Tagebuch
aus den Jahren 1927 – 1932 enthält die Naturlyrik, die von einem sinnlichen Erleben der Welt ausgeht. Die Sprache ist reich an Symbolen. Seine
Gedichtsammlungen konnte er sogar in der Zeit des Nationalsozialismus veröffentlichen (Antwort des Schweigens 1935).
Nach dem 2.WK erfuhren die Gedichte von Loerke und Lehmann eine neue Rezeptionsphase. Beide Dichter hatten großen Einfluss auf die nach dem
Krieg entstandene Naturlyrik.
Paul Celan (Lit. Ö seit 1945) hieß eigentlich Paul Antschel, wurde 1920 in Bukowina geb., starb 1970 in Paris. Er begann ein Studium an der UNI in
Czernowitz, kam 1942 in ein rumänisches Arbeitslager. Nach dem Krieg kam er 1948 über Wien nach Paris, wo er Germanistik studierte. Hier
arbeitete er als Sprachenlehrer und Übersetzer (Rimbaud, Shakespeare, Valéry). 1970 setzte er seinem Leben das Ende. 1952 erschien seine
Gedichtsammlung Mohn und Gedächtnis, mit der die deutschsprachige Nachkriegslyrik einen ersten Höhepunkt erreichte. Celan ist stets ein
Einzelgänger geblieben. Seine Gedichte sind geprägt von Ernüchterung und Melancholie. Das Gedicht Todesfuge aus dieser Sammlung, das die
Grausamkeiten in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches in außerordentlich schöner und musikalischer Sprache thematisiert, löste eine
heftige Diskussion aus. Theodor Adorno fasste sie in der Frage zusammen, ob man „nach Auschwitz“ überhaupt noch ein Gedicht schreiben könne,
ob man diese Schrecken überhaupt in Sprache fassen könne. (In Auschwitz befand sich das größte Vernichtungslager der Nationalsozialisten.) Celan
verwendete in seinen Gedichten die Sprache so, dass der Leser sich auf ihre neuen Bedeutungsmöglichkeiten einlassen muss, um den Gehalt der
Gedichte näher zu kommen. 1955 folgte der Gedichtband Von Schwelle zu Schwelle, dann Die Niemandsrose. Sein letzter Gedichtband Schneepart
erschien erst nach seinem Tod.
Ingeborg Bachmann (Lit. Ö seit 1945) Als ihr erster großer Gedichtband Die gestundete Zeit erschien, erhielt sie den Preis der Gruppe 47. diesem
Gedichtband folgte ein zweiter mit dem Titel Anrufung des Großen Bären., den sie 1956 veröffentlichte. Man findet bei ihr eine Symbiose von
Tradition und Aktualität, von Poesie und Intellekt und eine Bereitschaft, alles in sich aufzunehmen. Das lyrische Ich fasst die nicht
zufriedenstellende Realität in Worte. Sie erprobte stets neue Formen: benutzte strenge Reimmuster, aber auch sehr kunstvolle freie Rhytmen,
experimentierte mit der Sprache, Inspiration fand im Romanischen und Musik. Sie stellte hier ihre eigenen Geste des Warnens und der prophetischen
Vorsausschau, die Beschwörung der Natur und Liebe. Als geistige Landschaft, als seelische Heimat nannte sie den Süden. 1956 erschien ihr
Gedichtband Anrufung des großen Bären.
Günter Eich (Lit. der BRD) studierte Volkswirtschaft in Berlin und Paris. Seit 1932 arbeitete er als freier Schriftsteller. Er nahm am Krieg teil und
war ein Jahr in der amerikanischen Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg lebte er zuerst in verschiedenen Städten Bayerns, dann zog er in die Nähe
von Salzburg um. 1950 erhielt er den „Preis der Gruppe 47“. 1953 heiratete er die Schriftstellerin Ilse Eichinger. Starb 1972 mit 65 Jahren. Sein
erstes Lyrikband gab er 1930 unter dem Titel Gedichte aus. Bereits hier meldet er sich zur Tradition der magischen Naturlyrik. Außer den Hörspielen
schrieb er nach dem 2.WK auch Natur- und Landschaftsgedichte, und versuchte bald, die Gegenwart ganz direkt in seine Gedichte einzubeziehen
und tat dies häufig mit nüchternen Bestandaufnahmen, so auch in seinem Gedicht Inventur aus den Abgelegenen Gehöften, in dem er die Inventur
in seinen Sachen macht: Dies ist meine Mütze, / dies ist mein Mantel, / hier mein Rasierzeug / im Beutel aus Leinen... Seine Konservenbüchse – ist
sein Teller und sein Becher, im Brotbeutel sind ein Paar wollene Socken, am liebsten hat er den Bleistift, der tags Verse schreibt, die er nachts
erdenkt. Gedichte widerspiegeln seine Gefühle der Einsamkeit und Verzweiflung, sie konfrontieren zwei Welten: über die trostlose nackte
Wirklichkeit steht die Schönheit der Poesie. Daraus entstehen Gedichte mit vollkommenen Formen und disharmonischen Inhalten. In den
Mittelpunkt treten die unpoetischen, hässlichen Sachen und Ekel. Dies entwickelte er auch in seiner weiteren Sammlung Untergrundbahn.
H. Heissenbüttel
H. M. Enzensberger (Lit. Der BRD) Die Anfang der 60er Jahre zu bemerkende Politisierung der Lit. spiegelt sich auch in der Lyrik H.M.
Enzensbergers. Er trennte sich von der lange Zeit vorbildhaften Lyrik G. Benns und fasste seine Gedichte als Gebrauchsgegenstände auf. Seine
Gedichtsammlungen verteidigung der wölfe (1957), landessprache (1960) und blindenschrift (1964) enthalten politisch engagierte, oft kämpferische
Gedichte, die sich zum Teil an Brecht orientieren. In seiner Zeitschrift Kursbuch veröffentlichte er 1971 einen Lyrikband Gedichte, der neben den
alten auch 30 neue Gedichte präsentiert. Lakonisch und bissig nimmt er darin Abschied von den Illusionen der „Kulturrevolution“ der späten 60er
Jahre. In seinen weiteren Werken, in der Ballade Mausoleum, im Versepos Untergang der Titanic und im Gedichtband Die Furien des Verschindens
nach langen Jahren der politischen Lit. und Publizistik zu den lyrischen Formen zurück. Auch hier zeigt sich der Autor als trendsetzend und
vorausschauend: die apokalyptischen Visionen und die Lust am Untergang, die sich in den 80er Jahren in der Öffentlichkeit verbreiteten, nahm er
gerade in der Titanic-Dichtung ironisch vorweg.
Johannes Bobrowski (Lit. der DDR) 1961 wurde der erste Lyrikband Sarmatische Zeit in einem westdeutschen Verlag veröffentlicht, der den
Durchbruch für ihn bedeutete. Diesem Gedichtband folgten zwei weitere: Schattenland Ströme 1962 und Wetterzeichen 1967. Seine Sammlung
Schattenland Ströme (1962) enthält Gedichte, aus denen Trauer und Melancholie, aber auch hin und wieder verhaltene Freude klingt. Bobrowski
setzt bei seinen Lesern literarische Kenntnisse voraus, es muss Anspielungen auf andere dt. Dichter (Klopstock, Hölderlin) selbst erkennen. Wie in
seinen Romanen auch in den Gedichten spielt die Landschaft des östlichen Europa eine große Rolle. Die Sowjetunion ist hier nicht in der
agitatorischen Lyrik Johannes R. Bechers das ideologische Vorbild, sondern nur eine weite Landschaft (Gedicht Russische Lieder).
Ernst Jandl (Lit. Ö seit 1945) studierte nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Germanistik und Anglistik in Wien, 1950 promovierte er
über A. Schnitzlers Novellen. Bis 1978 war er Lehrer an einem Gymnasium, seitdem freier, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller. Er gehört zu den
bekannten experimentellen Autoren der Gegenwart. Er wurde mit dem Georg-Büchner-Preis und dem Kleist-Preis ausgezeichnet. Sein erster
Gedichtband ist Laut und Luise, es ist ein Spiel mit den Wörtern laut und leise, dann erschienen Sprechblasen (beide in den 70er Jahren). Bei seinen
lautmalenden Sprechgedichten wird schon im Titel angedeutet, dass die graphische Gestalt die jeweiligen Aussagen unterstützt: z.B. Gedicht ottos
mops, in dem es heißt: ottos mops trotz / otto: fort mops fort / ottos mops hopst fort / otto: soso... Er schrieb Gedichte auch auf Englisch, 1976
erschien das Band My right hand, my writting hand, my handwritting. In den 1989 Idyllen, 1992 Stanzen bringen die Sprachartistik und Witz einen
bitteren, manchmal sarkastischen Beigeschmack in das Trauer über das Altern. Jandl war erfolgreich auch als Dramatiker (Aus der Fremde).
Deutsches Drama im 20. Jh.
Gerhard Hauptmann (Naturalismus) 1889 erschien sein soziales Drama Vor Sonnenaufgang. G. H. brachte das Manuskript zuerst ins Verlag der
„Gesellschaft“ in Leipzig, wo es von K. Bleibtreu nur oberflächig durchgesehen war. Danach zeigte er es O. Brahm, dem Leiter der Freien Bühne,
der sich entschloss, das Stück auszuführen. Während der Premiere am 20. Oktober 1889 im Lessingstheater entstand eine Schlacht zw. den
Anhängern und Gegnern, die den Autor über Nacht berühmt machte. Hier werden alle Themen des Nat. angesprochen: das Elend der Arbeiter,
Probleme der Sexualität, der Alkoholismus und seine Auswirkungen. Eine arme Familie findet auf ihrem eigenen Landbesitz Kohle, wodurch sie
reich wird. Helene, religiös erzogene Tochter dieser Familie leidet unter der Trunksucht ihres Vaters. Loth, ein Jugendfreund ihres Schwagers, ist
hier „ein Bote aus der Fremde“. Mit den Kenntnissen über alle wichtigsten soziologischen und wirtschaftlichen Theorien will er am Ort eine Arbeit
über das schlesische Kohlengebiet schreiben. Für Helene verkörpert er die Hoffnung, sich aus ihrer Familie lösen zu können. Vom Arzt der Familie
erfährt Loth, dass diese durch Alkoholmissbrauch tief gesunken ist, er erschließt sich sofort, sie zu verlassen. Das Risiko, dass der Alkoholismus
vererbt wird, will er nicht eingehen. Als Helene das erfährt, ersicht sie sich.
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Die Erstausgabe des Dramas widmete G. Hauptmann „Bjarne P. Holmsen“. Th. Fontane sagte über das Drama: Hauptmann hat ein sehr großes,
ein seltenes Talent...vor allem spricht sich in seinem Stück ein stupendes Maß von Kunst aus.
Daneben wurde das Stück auch scharf kritisiert: Der Kot wurde in Kübeln auf die Bühne getragen, das Theater zur Mistgrube gemacht.
1890 erschien ein zweites Drama Hauptmanns Das Friedensfest. Es ist Darstellung einer unter dem Einfluss von Erbanlagen und
Umweltbedingungen ausbrechenden Familientragödie.
1891 ging G. Hauptmann zurück nach Schlesien, von dort aus unternahm er viele Auslandsreisen. 1891 wurden Einsame Menschen aufgeführt. Es ist
ein Stück über dem Zusammenprall christlichen Moralbegriffe mit der Weltanschauung der positivistischen Natur- und Sozialwissenschaften.
G. Hauptmanns Drama Die Weber über den Weberaufstand von 1844 hatte am 25. September 1894 im Dt. Theater in Berlin endlich seine öffentliche
Premiere. Ihr waren schon eine Reihe von Inszenierungen vorausgegangen, die aber aus Zensurgründen alle nur im privaten Rahmen stattfinden
könnten. 1891 war die Dialektfassung des Stücks abgeschlossen worden und 1892 war auch ihre hochdeutsche Fassung fertig. Beide mussten dem
Berliner Polizeipräsidium vorgelegt werden, dass die öffentliche Vorstellung verbot. Die Behörden richteten sich v.a. gegen die Deklamation des
Weberliedes, die Plünderung bei dem Fabrikbesitzer und die Darstellung des Aufstandes selbst, denn dass könnte einen Anziehungspunkt für den zu
Demonstrationen geneigten Teil der Berliner Bevölkerung bedeuten. Das Drama behandelt die Unruhen der notleidenden Webern, die im Juni 1844
im schlesischen Langenbielau und den naheliegenden Ortschaften entstanden. Durch die Einführung von Webmaschinen wurden viele Weber
arbeitslos. Sie hungerten und probten den Aufstand. Hauptmann folgt streng dem Ablauf der historischen Ereignisse. Dabei fand er die Aktualität der
dargestellten sozialen Probleme und machte sie zum Spiegel der Gegenwart. Er schrieb auch die Komödie Der Biberpelz. Die Mutter Wolff versucht,
sich und ihre Familie nach oben zu bringen, indem sie listig die Schwächen der Gesellschaft zu ihrem Vorteil ausnutzt.
Arno Holz kannte Johannes Schlaf seit 1885, beide sind an den Sitzungen des Vereins Durch teilgenommen. Ihre Zusammenarbeit begann erst im
Winter 1887/88. Um diese Zeit versuchte Holz einen Roman zu schreiben und dabei kam zur Überzeugung, dass das traditionelle Erzählen für ihn
nicht mehr möglich sei. Er suchte neue Form und neue Stoffe und dabei hoffte er auf die Unterstützung von Johannes Schlaf, den er zu sich
eingeladen hat. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit war eine Sammlung von drei kurzen Erzählungen Papa Hamlet, die 1889 erschien und großen
Erfolg hatte.
Ihren zweiten Erfolg feierten Holz und Schlaf mit dem 1890 veröffentlichten Drama Die Familie Selicke. Sie behandeln alle naturalistische Themen:
Armut, Verfall, Alkoholismus, Hoffnungslosigkeit. Der Schauplatz bleibt auf das ärmlich eingerichtete Wohnzimmer der Familie Selicke begrenzt,
zeitlich dauert die Handlung von einem Weihnachtsabend über die folgende Nacht bis zum Morgen. Eine Frau wartet mit ihren Kindern auf den
Mann, die Tochter lehnt den Heiratsantrag eines Logiergastes ab, eines der Kindern kränkelt und stirbt. An die Stelle der Handlung kommt die
Situationsschilderung, die Milieustudie.
In Papa Hamlet wurde zum ersten mal der sg. Sekundenstil angewendet. Die Autoren wollten jede Sekunde beschreiben, die Schilderung eines
Vorgangs dauert so lange wie der Vorgang selbst. Es werden auch jede Geste und jeder Laut registriert. Der alte Fontane schrieb er über das Spiel,
dass sich das alte und das neue trennen, die beiden am härtesten angefochtenen Stücke dieser Zeit G. Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ und Leo
Tolstojs „ Die Macht der Finsternis“ sind auf ihre Kunstart und Technik keine neuen Stücke, die Autoren haben nur Mut gehabt, in einigen Themen
über die bis dahin traditionelle Grenze zu gehen, aber „Familie Selicke“ ist etwas Neues auf dem Gebiet der Kunst selbst. Konservative Kritiker
bezeichneten es für ein Stück„zu schlecht für ein Affentheater“, sie wollten nicht „einem Trunkenbold zuschauen, der eine halbe Stunde auf der
Bühne rumpelt und stinkt“.
Frank Wedekind übersiedelte 1891 nach Paris, wo er bis 1895 das Leben eines Bohémien führte 1891 entstand sein Werk Frühlings Erwachen. Eine
Kindertragödie. Er handelt vom Unverständnis der Erwachsenen gegenüber der erwachenden Sexualität der Kinder, von Tod und Selbstmord und
von einem Herrn, der den Schüler Melchior an Wendlas Grab an die Hand nimmt und ins Leben führt. Wedekind klagte die Moral der Eltern an, die
die Kinder in den Tod treibt: Unter Moral verstehe ich das reele Produkt zweier imaginärer Größen. Die imaginären Größen sind Sollen und
Wollen. Das Produkt heißt Moral und lässt sich in seiner Realität nicht leugnen. . Drei junge Gymnasiasten Berta Bergmann, Melchior Gabor und
Moritz Stiefel werden mit ihrer biologischen Reife konfrontiert, ohne Informationen darüber von den Eltern zu bekommen. Berta und Melchior (der
beste Schüler) lieben sich und ihre Liebe bleibt nicht ohne Folgen. Moritz (einer der schlechtesten Schüler) erschießt sich, weil er nicht in diese Welt
passt. Melchior wird nach der Entdeckung aus der Schule ausgewiesen und in die Besserungsanstalt geschickt. Berta wird schwanger, stirbt an einen
Eingriff. M. flüchtet, versteckt sich auf dem Friedhof, wo er ihr Grab entdeckt. M. möchte nicht mehr leben. Es erscheint ein Herr (Autor), der ihn
zum Leben überzeugt. Zum erstenmal wurde das Stück verboten, heute oft gespielt.
In Paris begann er die Arbeit an Die Büchse der Pandora. Eine Monstertragödie in fünf Akten, die er später zu dem zweiteiligen Lulu-Drama Der
Erdgeist und Die Büchse der Pandora erweiterte. Die beiden Teile zeigen den Sexualtrieb als zerstörende Kraft. Lulu ist eine völlig ungehemmte und
leidenschaftliche Frau, eine Inkarnation des „ewigen Weiblichen“. Die Männer ihrer Umgebung verstehen sie nicht und gehen an ihr zugrunde. Als
Lulu ihre Triebhaftigkeit aufgibt, wird selbst ermordet. FW kritisiert die gesellschaftliche Unmoral.
Man kann sich nicht wundern, dass seine Werke häufig zu den Theaterskandalen und Problemen mit Zensur führten.
Er wurde zum ständigen Mitarbeiter an der Zeitschrift Simplicissimus, sein Geld verdiente auch als Dramaturg, Regisseur und Schauspieler. Seine
Gedichte zur Palästina-Reise Wilhelms II, die er in dieser Zeitschrift veröffentlichte, führten zur Anklage wegen Beleidigung der kaiserlichen
Majestät. Er wurde verurteilt und erst nach einem halben Jahr Festungshaft im März 1900 entlassen. Stets in Geldnot arbeitete er weiter als
Schauspieler und 1901 schließt sich dem gerade gegründeten Münchener Kabarett „Elf Scharfrichter“ an.
In dem satirischen Einakter Der Kammersänger und dem Hochstapler-Drama Der Marquis von Keith analysierte er das Verhältnis von Kunst und
Kommerz. In den Tragikomödien So ist das Leben und Hidalla stellt er die Diskrepanz zw. dem weltverbessernden Anspruch seiner Bühnenwerke
und dem Missverständnis der Öffentlichkeit dar.
Aus seiner Theater-Erfahrung entsteht ein dramaturgisches Konzept, das sich gegen den naturalistischen Stil der Stücke G. Hauptmanns wendet.
Nach der Berliner Erstaufführung des Erdgeistes 1902 schrieb Friedrich Kayssler begeistert: Sie haben die naturalistische Besie der
Wahrscheinlichkeit erwürgt und das spielerische Element auf die Bühne gebracht. Obwohl er bei seinen Stücken aus der Ästhetik des 19. Jh.
herauskam, weist er mit den schräg überschnittenen Dialogen auf das absurde Theater der Surrealisten voraus. Nicht immer gelang ihm dieses
Verfahren, doch Karl Kraus und der Regisseur Max Reinhardt setzten sich für ihn ein. Nach der Heirat mit einer Schauspielerin nahm er seinen
Wohnsitz in München und galt dort als einer der Protagonisten des lit. Lebens.
Während des 1.WK entstanden Dramen Bismarck und Herakles, in denen er das Thema des Kampfes der Geschlechter, der vitalisierenden und
zugleich tödlichen Kraft des Eros darstellte.
Arthur Schnitzlers Stücke zeichnen ein Bild, das aus vielen subjektiven Eindrücken besteht. Die Menschen kreisen um sich herum und versuchen,
sich über ihre wechselnden Stimmungen und Gefühle klar zuwerden, was jedoch oft nicht gelingt. Er war ursprünglich ein Nervenarzt, wandte sich
immer mehr der Lit. zu, wurde zu einem dialoggewandten Diagnostiker. Über seine Spielen schrieb er selbst: „Ich schreibe Diagnosen.“ In den
sieben Szenen des Anatol erzählt Anatol seinem Freund Max von seinen Liebschaften mit verschiedenen Frauen. In dem Dialog, der durch Max´
Zuhörerrolle eigentlich fast ein Monolog ist, zeigt Anatol sein egoistisches und völlig auf den eigenen Sexualtrieb reduziertes Leben. Die Frauen
sind für ihn nur Reize, die er braucht, um sich selbst empfinden zu können. Sch. Schauspiel in drei Akten Liebelei kann man als bürgerliches
Trauerspiel bez. Während Mizi und Theodor ihre Liebe als spielerisches Abenteuer betrachten, macht Christine ihrem Fritz deutlich, dass sie mehr
ist als das „süße Mädl“. Sie sucht keine Liebelei, sonder Liebe. Alle reden aneinander vorbei, das tragische Ende ist unaufhaltsam: Franz wird bei
einem Duell wegen einer vergangenen Affäre erschossen, die unglückliche Christine begeht Selbstmord. Der leichte Ton der Konversation und die
wachsende Verzweiflung von Christine stehen in einem deutlichen Kontrast. Sch. hatte wegen seiner zu dieser Zeit als unmoralisch empfundenen
Werke oft Probleme mit Zensur gehabt. Sein Stück Reigen entstand 1896/97, wurde aber erst 1920 aufgeführt. In Reigen, einer Serie von 10
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Einaktern, hat jeder Einakter den Dialog nach dem Geschlechtsakt zum Inhalt. Die Erotik stand jedoch nicht im Vordergrund, sondern wurde als
Motiv benutzt, den Niedergang – die Dekadenz deutlich zu machen. Die Novelle Leutnant Gustl, Fräulein Else. Autobiographie Meine Jugend in
Wien.
Als Jude war Sch. dem Antisemitismus in Wien aufgesetzt. Die Situation des jüdischen Intellektuellen und der jüdischen Bourgeoisie beschrieb er in
dem Schauspiel Professor Bernhardi und im Roman Der Weg ins Freie. Sch. starb 1931 in Wien. Prof. Bernhardi war Leiter Wiener Privatklinik,
berühmter Arzt und ein Jude. Einer todkranken Patientin gibt er eine Spritze, und diese fällt eine Stunde vor dem Tod in Euphorie. Zu ihr kommt der
kath. Priester, um seine Pflicht auszuüben, aber Professor verhindert es. Wenn sie den Pfarrer erblickt, begreift sie, dass sie sterben muss. Aus
diesem Ereignis wird ein Skandal. Der Professor wird angeklagt, geht ins Gefängnis. Es entsteht antisemitische Hätzerei.
Georg Kaiser Er schrieb über 60 express. Dramen. Seine Dramen entwickelten sich nicht zum bloßen Schau-Spiel, sondern zum Denk-Spiel, er
fördert nicht bloße Schau-Lust, sondern Denk-Lust. Seine Kariere begann er 1911 mit der Veröffentlichung der Jüdischen Witwe. Berühmt wurde er
1917 durch die Uraufführung des Dramas Die Bürger von Calais. Kaiser bearbeitete die Eroberung der franz. Stadt Calais durch Edward III. 1347.
Die Engländer belagern Calais und der englische König stellt die Bedingung für den Frieden: 6 Bürger sollen sich freiwillig ausliefern. Als sich aber
7 Bürgern opfern wollen, begeht einer von ihnen, Eustache de Saint-Pierre, den Selbstmord, um jedem die sinnvolle Selbstaufgabe zu ermöglichen.
Die unnütze Tat wird Beispiel für die Tat an sich, die zum existentiellen Neubeginn führt. Dieses Ereignis bewegt den Kaiser zum Verzicht auf seine
Forderung. Der „neue Mensch“, der bei Kaiser von Nietzsche beeinflusst war, wird hier in seinem Entwicklungsprozess in der symbolischen
Gestalt des alten Eustache de Saint-Pierre gezeigt (häufiger sind es junge Menschen bei anderen Autoren). Es wird in diesem Ideendrama die
Selbstaufopferung zugunsten der Allgemeinheit und nicht aus persönlichen Gründen demonstriert. Neu ist dabei die knappe Sprache, die sich auf das
Wesentliche beschränkt, Sätze sind nicht beendet, Verben stehen oft allein.
Kaisers Trilogie Die Koralle, Gas und Gas. Zweiter Teil beschreibt die Tragik dieser neuen Identität. Der Untergang der Menschheit ist
unvermeidlich. Der einzelne versinnbildlicht diese Tatsache mit seinem Opferbewusstsein. Auch die Komödien Von Morgen bis Mitternacht,
Kanzlist Krehler und Nebeneinander verweisen auf diese Problematik. Der wandlungsfähige einzelne scheitert an einer unwandelbaren Welt. 1933
wurden seine Stücke von Hitler verboten. 1938 emigrierte er in die Schweiz, starb 1945 in Ascona.
Bertold Brechts
Ödon von Horvath (Lit. 20er Jahre und Exillit.) wurde in Ungarn in Rijeka , in der Familie eines Diplomaten 1901 geb., sein Namen ist kroatischungarisch, wuchs in München, Pressburg und Wien auf. In Berlin setzte er sich als Autor durch. Seine Volksstücke hatten einen schnellen Erfolg und
wurden auch in 70er Jahren wieder aufgeführt. Sie behandeln von den Außenseitern der Weimarer Republik, von Arbeitslosen und Kleinbürgern.
Horvath versuchte, die Gefahren des Nationalsozialismus, darzustellen, z.B. in Italienische Nacht. Geschichten aus dem Wiener Wald verfolgt die
Geschichte eines Mädchens, das in einer Welt der oberflächlichen Gemütlichkeit untergeht, weil es die verharmlosende Tarnung der schrecklichen
Wirklichkeit nicht durchschaut. Die Handlung spielt am Rande Wiens, in einem Vorort. Marianne ist in den Fischer Oskar verliebt. An einem Tag
erscheint Alfred, der sie verführt und sie verlässt Oskar. Später wird sie von Alfred verlassen und arbeitet in einem Nachtbar, hat ein Kind. Als Ihr
Vater das erfährt, ist erschrocken und bekommt ein Schlaganfall. Das Kind wird in eine Familie zur Erziehung gegeben. Diese sorgt aber um es nicht
und es ertrinkt in der Donau. Leute sind nicht sehr traurig, das Kind ist nicht mehr da und sie können ein neues Leben beginnen. Kasimir und
Karoline, Figaro lässt sich scheiden – weitere Stücke. Roman Jugend ohne Gott (Geschichte des Lehrers, der das faschistische Verhalten einer
Schulklasse gegenüber einem Mitschüler beobachtet und schließlich resigniert nach Afrika auswandert)
Nach Hitlers Machtergreifung musste er fliehen und führte in den folgenden Jahren ein unruhiges Leben ohne festen Bezugspunkt. 1938 wurde er in
Paris während eines Gewitters von einem Baum erschlagen.
Wolfgang Hildesheimer
Thomas Bernhard (Lit. Ö seit 1945) Biographie: das Thema N. 8. er eroberte sich seinen Platz im österreichischen Drama der Gegenwart Anfang
70er Jahre. Seine Prosa und seine Dramen schaffen eine trostlose Atmosphäre, eine Welt der Kälte, in der Krankheit, Wahnsinn und Tod auf
makabre Art zu Themen mit Variationen werden. Nach seinem ersten Stück Ein Fest für Boris (Uraufführung 1970) verging bis zu seinem Tod 1989
kaum ein Jahr, in dem nicht ein neues Stück uraufgeführt wurde. Der Ignorant und der Wahnsinnige 1972, Die Jagdgesellschaft 1974, Über allen
Gipfeln ist Ruh´1981, und sein letzter großer Erfolg ist Heldenplatz 1988. Während es bei Handke um eine „Publikumsbeschimpfung“ ging, bei ihm
war es die „Österreichbeschimpfung“ im Sinn: Dass ich ein Österreicher bin, ist mein größtes Unglück. – sagt die Hauptfigur in diesem Stück. Es
wird hier eine jüdische Familie dargestellt, die nach der Rückkehr aus dem englischen Exil nach Wien am alten und neuen Antisemitismus zugrunde
geht. Zu Beginn des Stücks ist der Held bereits tot. Er hat sich aus dem Fenster eines Hauses am Wiener Heldenplatz gestürzt, dem Platz, auf dem
Hitler 1938 von vielen Österreichern jubelnd begrüßt wurde. Die Angehörigen erinnern sich in Monologen an die Ereignisse, die zu dem Selbstmord
führten.
Immer wieder macht Bernhard das Theater zum Ort der Reflexion über sich selbst und über die Kunst. Die Theaterwelt wird zu einem
Zeichensystem, das auf sich selbst verweist.
Peter Handke seine frühen Stücke, wie Publikumsbeschimpfung und Kaspar beleuchten Ordnungs- und Zerstörungsfunktion der Sprache. Es sind
sog. Sprechdramen. Die Publikumsbeschimpfung, auf die man mit „Autorenbeschimpfung“ reagierte, hat keine Handlung im herkömmlichen Sinn.
Die sich steigernde Beschimpfung des Publikums ist ein Angriff auf die Institution des Theaters, das den Zuschauer in der Rolle des passiven
Konsumenten lässt. Die Bühne wird zu einem künstlichen Sprach- und Sprechraum. Kaspar baut auf der Vorlage des historischen Kaspar Hauser
auf, der als Kind verschleppt wurde, die ersten Lebensjahre isoliert in einem Gefängnis verbrachte, und die menschliche Sprache erst mühsam im
Erwachsenenalter erlernte. Das Stück zeigt, wie jemand „durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann“. Es könnte auch Sprechfolterung
heißen. Distanzierte sich PH in seinen frühen Stücken von der traditionellen Handlung, in seinen späteren Stücken verzichtete er sogar auf das
Sprechen (Die Stunde da wir nichts voneinander wussten besteht nur aus Regieanweisungen).
Heiner Müller (Lit. der DDR) in den 50er Jahren war er als Journalist und Autor in Berlin tätig. Er arbeitete im Schriftstellerverband der DDR mit,
aus dem er 1961 ausgeschlossen wurde. Seit 1964 bearbeitete er antike Stoffe und beschäftigte sich vielfach mit Shakespeare. Müller beschäftigte
sich oft über lange Zeiträume hinweg mit seinen Werken und verstand die einzelnen Versionen als verbesserbare Stufen. 1970-76 war er Dramaturg
am Berliner Ensemble, das er nach der Wende bis zu seinem Tod mit vier weiteren Regisseuren leitete. Er wurde auch mit Georg-Büchner-Preis
ausgezeichnet.
Als Dramatiker hat er viel von Brechts Arbeitsweise gelernt: sein Gegenwartsstück Der Bau ist nach Motiven von Erik Neutschs Roman Spur der
Steine geschrieben. Das Stück handelt von einer Baubrigade, deren Mitglied Barka allmählich ein sozialistisches Bewusstsein entwickelt. Der
langsame Prozess dieses Umdenken wird in vielen Stationen gezeigt. Eine eigentliche Handlung gibt es nicht, das Publikum muss nachdenken.
Arbeiter, Bürokraten, Ingeneure und Parteisekretäre kommen in diesem Stück zu Wort und äußern nicht immer lobend über die DDR.
In seiner Neufassung des Philoktet von Sophokles geht es um Odysseus, Philoktet und Neoptolemos. Odysseus braucht Hilfe im Kampf um Troja
und Schickt Neoptolemos zu Philoktet, um ihn aus dem „Exil“ zurückzuholen. Besonders interessant für Odysseus sind seine Waffen. Lüge und
Mord sind die wichtigsten Hilfsmittel in dieser Auseinandersetzung. Odysseus vertritt Hass, Lüge und Mord, Neoptolemos ist ein Unentschiedener
und gerät zw. die Fronten, Philoktet kann nur noch hassen.
Müller bearbeitete außerdem Stücke von Aischylos (Prometheus). Mit Germania Tod in Berlin kommt wieder die jüngste Vergangenheit auf die
Bühne. Es sind Fragmente von Szenen, die im 1. und im 2.WK spielen, aber mit grausamen Bildern aus der Vergangenheit vermischt werden. So
entsteht eine Collage ohne konkreten Zeitbezug, wodurch ihre Wirkung aber nicht verringert wird.
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Botho Strauß (Lit. der BRD) sein Stück Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle mischt Darstellung des Spießertums mit zunächst grotesk
wirkenden Metaphern für die Kälte unter den Menschen. Die Trilogie des Wiedersehens ist ein schonungsloser Angriff auf das mondäne und
inhaltsleere Kulturleben.
Deutsche Lit. in den Jahren 1918 – 1933
Das Ende des 1.WK bis zur Machtergreifung durch Hitler ist die Zeit der Weimarer Republik. Es war eine Zeit wissenschaftlicher Innovationen:
geistige Erneuerung, soziale Gerechtigkeit, nationale Einheit und Souveränität waren die Aufgaben des neuen Staates. Besonders auf dem Gebiet der
Medien gab es viele Fortschritte. In diese Jahre fiel der Anfang von Film und Hörfunk. 1923 wurde das erste öffentliche Rundfunkprogramm
ausgestrahlt. Gleichzeitig wuchs aber auch der Nationalsozialismus als eine Gegenbewegung zum parlamentarisch-demokratischen System.
Berlin war das politische und kulturelle Zentrum dieser Jahre. Nach dem Krieg ging die Zeit des lit. Expressionismus allmählich zu Ende. Die
Autoren wurden nüchterner, aber auch entschiedener in der Ablehnung oder Befürwortung politischer Programme und Richtungen. . In Thomas
Manns Rede Von deutscher Republik, die er 1922 hielt, sprach er davon, dass sie alle ein Staat sind und dieser ist in wichtigen Teilen der Jugend und
des Bürgertums in tiefster Seele verhasst, sie wollen von ihm nicht wissen, weil er sich nicht auf dem Wege des freien Willens, der nationalen
Erhebung, sondern auf dem der Niederlage und des Kollapses hergestellt hat.
In der Zeit der WR entstand eine Menge von Zeitschriften, die von linsorientierten Blättern wie Die Aktion, Die Linkskurve oder Die Weltbühne
über linksrepublikanische (Das Tagebuch) bis zu den reaktionären, konservativen und christlichen reichte (Deutscher Volkssturm, Die Tat). Nicht
nur Zeitschriften, sondern auch Zeitungen die zeitkritischen Essays und Reportagen, z. B. Frankfurter Zeitung. In ihren verteidigten Tucholsky und
Döblin die WR, indem sie ihre Entwicklungsmöglichkeiten und Fehlentwicklungen polemisch analysierten, sie enthielten scharfe Kritik am
Weiterleben nach wilhelminischer Ordnungsweise, Roth veröffentlichte in ihnen seine Feuilletons und Reiseberichte, Kisch wiederum
Sozialreportagen usw. Es entwickelte sich starke Essayistik, di sich philosophisch-ästhetisch mit der zeitgenössischen Problemen auseinander setzte.
Die 1905 gegründete Zeitschrift Schaubühne, die ab 1918 als Weltbühne genant wurde, profilierte sich am Anfang als ein führendes Organ der
Theaterkritik, das sich zunächst gegen die Naturalisten und G. Hauptmann wendete, und das neue Drama des „großen Stils“ forderte, später öffnete
sich die Weltbühne mehr und mehr gesellschaftskritischen Fragen. Die Hauptpunkte ihres Engagements betrafen die Reform des Sexualstrafrechts,
Antimilitarismus, Justizkritik, Pazifismus, die Stellung der Juden in der dt. Gesellschaft usw. In der Zeit des Nationalsoz. trat sie zurück, spätere
Versuchungen sie wieder zu beleben blieben relativ erfolglos.
Die Lit. dieser Jahre wird als Lit. der Zwanziger Jahre oder als Lit. der Weimarer Republik bezeichnet. Etwa ab 1925 kann man in Romanen,
Theaterstücken und Gedichten eine neue Art der Darstellung erkennen, die man als Neue Sachlichkeit bezeichnet. In den Romanen der NS (v.a. bei
Döblin und Kästner ) findet man Tatsachenberichte, Reportagen und Montagen. Dieser Stil wurde aber auch in Theaterstücken von Brecht und
Zuckmayer benutzt, ebenso wie in der Lyrik von Brecht, Kästner und Tucholsky. Als Beispiele dieser Tendenz lassen sich einige Romane der
zweiten Hälfte 20er Jahre gruppieren. Sachlich, nüchtern und genau beobachtend sprachen viele Autoren ihre Kritik an der Zeit aus. Sie beklagten
den Verfall moralischer Werte. Ihr Kennzeichen ist die möglichst genaue, authentische Darstellung zeitgenössischer Realität, die Fragmente des
alltäglichen Lebens, die Gegenstände ebenso wie die Menschen, erschienen passiv, unbewegt, wie unter Glas in ein starres Stilleben gepresst.
Typisch ist die kühle Distanz s, Ablehnung des gefühlsmäßigen Pathos, Isolation sowie die Kommunikationslosigkeit. Die Figuren sind scharf
abgegrenzt, jede wirkt einheitlich für sich, kann aber auch zerbrechlich sein. Beispiel ist Erich Kästners Roman Fabian. Die kurzen, faktenreichen
Sätze vermitteln das Pathos des Unberührtseins und der Souveränität gegenüber der als schlecht beschriebener Wirklichkeit. Der Held erfährt die
Welt als passives Medium universaler Skepsis. Hier gehören auch Hans Falladas Romane Bauern, Bonzen und Bomben, Kleiner Mann – was nun?
oder Wolf unter Wölfen. Hier befinden sich präzise Milieuschilderungen. Ödön Horvaths Romane Der ewige Spießer und Jugend ohne Gott.
Die Autoren: Prosa: Im Bereich der Prosa gab es zwei Linien. Es war die großstädtische (v.a. Berliner Lit.) und die Lit. der Provinz. Zw. den
beiden Lit. gab es keine Harmonie, man polemisierte gegeneinander, welche die bessere ist. Die großstädtische Lit. war v.a. von den linken Autoren
vertreten, darunter zählten auch viele jüdische Autoren. Die Lit. der Provinz war am meisten von den konservativen Autoren vertreten. Sie
entwickelte sich aus der früheren Heimatdichtung. Die wichtigste lit. Gattung war Heimatroman, oft konservativ, im reaktionären Sinne geschrieben.
Die Autoren nannten die städtische Lit. häufig kranke Lit. oder Asphaltliteratur (Berlin – Alexanderplatz ist ein typisches Beispiel der
Asphaltliteratur). Die Vertreter: Ludwig Thoma, Oskar Maria Graf. Die Lit. der Provinz wurde dagegen als Blut-und-Boden-Literatur genannt.
Boden steht hier für die Verbundenheit mit den einheimischen Schollen. Sie war konservativ und wurde später von den Nationalsozialisten
übernommen. Sicherlich, diese Gliederung galt nicht 100%.
Franz Kafka – Biographie – ganze, Thomas Mann – Biographie – bis zu seiner Emigration 1933, Alfred Döblin – Biographie - ganze,
Robert Musil – Biographie – ganze
Neben Robert Musil gestaltete auch der Österreicher Joseph Roth den Zusammenbruch der Monarchie in seinen Romanen. Radetzkymarsch (1932)
schildert diesen Zerfall am Schicksal der Familie von Trotta. Roth stellte ihn nicht als Gleichnis eines allgemeinen Wertzerfalls dar, sondern zeigte,
wie die eigene Vergangenheit und Tradition versank.
Hermann Broch – Biographie – ganze
Joseph Roth – begabter Erzähler, hatte Beobachtungsfähigkeit, war Alkoholabhängig, trank sich bis zum Tode. Erzählung: Legende von heiligem
Trinker.
Franz Werfel – war einer der populärsten Autoren, heute wenig. Werke: Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuldig, Der Abituriententag,
Barbara oder die Frömmigkeit.
Das Drama:
Mit dem Kriegsende und der Aufhebung der Theaterzensur wurden die Hoftheater verstaatlicht und eine Anzahl express. Stücke wurde erstmals
gespielt. Zu den wichtigsten Regisseuren gehörten Reinhardt und Piscator. Neben den express. Stücken gewannen immer mehr die Komödien den
Raum auf den Bühnen. C. Sternheim hatte großen Erfolg mit seiner Komödienreihe „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“, in der er die
berechnenden Kleinbürger und die Weimarer Verhältnisse unter Kritik stellte. W. Hasenclever machte mit seinen Stücken „Ein besserer Herr“ oder
„Ehen werden im Himmel geschlossen“ eine gute Unterhaltung, G. Kaisers Komödien „Nebeneinander“ und „Kolportage“ zeichneten ein
realistisches Bild der Gesellschaft. Es wurde das Konzept des epischen Theaters entworfen: kein Einfühlen, sondern Nachdenken des Publikums.
Im Berliner Theaterleben dominierten B. Brecht und Zuckmayer, auch Ödön von Horváth und Marieluise traten mit ihren Stücken an die
Öffentlichkeit.
Bertolt Brecht – Biographie
Carl Zukcmayers Der Hauptmann von Köpenick (1931) ist „ein dt. Märchen in drei Akten“, das satirisch die Bürokratie und den preußischen
Militarismus anklagt. Hier wird das Thema „Kleider machen Leute“ (Gottfried Keller) wieder aktuell: Der Berliner Schuster Voigt versucht mit
Hilfe einer ausgeliehenen Uniform, die ihm Autorität verleiht, zu seinem Recht zu kommen, nachdem er von einer Behörde zur anderen geschickt
worden ist, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Die Kritik wird durch den humoristischen Ton gemildert. Sein Volksstück Der fröhliche
Weinberg (1925 spielt im Rheingau und stellt derbe, unbeschwerte Lebenslust dar.
Marieluise Fleißer schrieb auch Volksstücke, doch anders als Zuckmayer, es fehlt in ihren Stücken die humoristische Komponente. Ihre Milieustücke
aus dem bayerischen Volksleben sind von Brecht beeinflusst, der ihrem zweiten Stück den Titel Fegefeuer in Ingolstadt (1926) gab. Sie zeigte die
Menschen, die dem Leben völlig hilflos gegenüberstehen und aus dieser Hilflosigkeit eine gegenseitige Aggressivität entwickeln.
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Ödön von Horváth (Lit. 20er Jahre und Exillit.) wurde in Ungarn in Rijeka , in der Familie eines Diplomaten 1901 geb., sein Name ist kroatischungarisch, wuchs in München, Pressburg und Wien auf. In Berlin setzte er sich als Autor durch. Seine Volksstücke hatten einen schnellen Erfolg und
wurden auch in 70er Jahren wieder aufgeführt. Sie behandeln von den Außenseitern der Weimarer Republik, von Arbeitslosen und Kleinbürgern.
Horvath versuchte, die Gefahren des Nationalsozialismus, darzustellen, z.B. im Stück in Italienische Nacht. Geschichten aus dem Wiener Wald
verfolgt die Geschichte eines Mädchens, das in einer Welt der oberflächlichen Gemütlichkeit untergeht, weil es die verharmlosende Tarnung der
schrecklichen Wirklichkeit nicht durchschaut. Die Handlung spielt am Rande Wiens, in einem Vorort. Marianne ist in den Fischer Oskar verliebt. An
einem Tag erscheint Alfred, der sie verführt und sie verlässt Oskar. Später wird sie von Alfred verlassen und arbeitet in einem Nachtbar, hat ein
Kind. Als Ihr Vater das erfährt, ist erschrocken und bekommt ein Schlaganfall. Das Kind wird in eine Familie zur Erziehung gegeben. Diese sorgt
aber um es nicht und es ertrinkt in der Donau. Leute sind nicht sehr traurig, das Kind ist nicht mehr da und sie können ein neues Leben beginnen.
Kasimir und Karoline, Figaro lässt sich scheiden – weitere Stücke. Roman Jugend ohne Gott (Geschichte des Lehrers, der das faschistische
Verhalten einer Schulklasse gegenüber einem Mitschüler beobachtet und schließlich resigniert nach Afrika auswandert)
Nach Hitlers Machtergreifung musste er fliehen und führte in den folgenden Jahren ein unruhiges Leben ohne festen Bezugspunkt. 1938 wurde er in
Paris während eines Gewitters von einem Baum erschlagen.
Neben den Romanen und Dramen entwickelten sich auch kleine Formen der lit. Zeitkritik.
Kurt Tucholsky drückte in seinen Satiren, Reportagen und Gedichten seine Kritik und Warnungen mit Berliner Humor und aggressiver Verzweiflung
aus. Er war Mitarbeiter und auch Mitherausgeber der bedeutenden Zeitschrift die Weltbühne. Wochenschrift für Politik, Kunst und Wissenschaft, die
1918 – 33 erschien. Er vertrat einen liberal orientierten Humanismus. T. studierte Jura, 1923 arbeitete als Bankangestellter, seit 1924 war er
Korrespondent in Paris. Ab 1927 lebte er in Schweden. 1933 wurde er aus dem D. ausgebürgert, seine Bücher wurden verbrannt. Aus Verzweiflung
über die Erfolge der Nationalsozialisten beging er 1935 in Schweden Selbstmord.
Sein „Bilderbuch“ Deutschland, Deutschland über alles, enthält eine leidenschaftliche Kritik am Nationalsozialismus. In seinen Gedichten
dominieren Ernüchterung und Skepsis angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen, sie sind auch nicht frei von kitschiger Sentimentalität. Zu
seinen bekannten Werken gehören: Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte, der Reisebericht Ein Pyrenäenbuch, sowie Schloss Gripsholm. Eine
Sommergeschichte.
Erich Kästner – Biographie
Lyrik:
Von der express. Lyrik hat sich eine andersartige Lyrik abgelöst, die eine unpolitische Haltung hatte, was ihr auch vorgeworfen wurde. Sie bemühte
sich um eine nüchterne Betrachtung. Durch die Darstellung der Landschaft und der Natur wollte man die Ordnung hinter den Dingen wieder sichtbar
machen.
Oskar Loerke (Lit. der 20er Jahre) schrieb Gedichte über die Landschaft und die Natur, in denen er den einheitsstiftende Ordnungsprinzip suchte.
Diese Naturlyrik entstand als ein Gegenbild zu der Tendenzlyrik, sie ist bewusst apolitisch. Seine Magie der Einbildungskraft enthält in sieben
Gedichtbänden die ahistorische Naturhaftigkeit, die sogar auch das Großstadtdasein betrifft. Es wird sowohl das Schöne als auch das Dämonische
der Natur dargestellt. Neben den Landschaftsgedichten entstanden auch Gedichte über die Großstadt, z.B. Blauer Abend in Berlin.
Wilhelm Lehmann (Lit. der 20er Jahre) Loerke übte großen Einfluss auf W. Lehmann aus, dessen Gedichte von einer tiefen Naturverbundenheit
geprägt sind. Bei ihm schließt die Wirklichkeit das Traumhafte und Magische mit ein. Sein erst 1948 veröffentlichte Band Bukolischen Tagebuch
aus den Jahren 1927 – 1932 enthält die Naturlyrik, die von einem sinnlichen Erleben der Welt ausgeht. Die Sprache ist reich an Symbolen. Seine
Gedichtsammlungen konnte er sogar in der Zeit des Nationalsozialismus veröffentlichen (Antwort des Schweigens 1935).
Nach dem 2.WK erfuhren die Gedichte von Loerke und Lehmann eine neue Rezeptionsphase. Beide Dichter hatten großen Einfluss auf die nach dem
Krieg entstandene Naturlyrik.
Daneben hat sich stark auch die sog. Kabarettlyrik entwickelt. In Berlin war zur Zeit der Weimarer Republik ein Haufen von Kabaretts, die sehr
beliebt waren. Viele Dichter ernährten sich dadurch, indem sie Lieder und Texte für diese Kabaretts schrieben. Sie waren Tagesgebrauch – nur an
einem Tag waren sie gültig, für jeden Tag schrieb man etwas Neues. Zu den Kabarettdichtern gehören auch Joachim Ringelnatz, Walter Mehring
oder Klabund. Eines der bedeutendsten Kabaretts war Berliner Kabarett Schall und Rauch, gegründet von Max Frisch 1902. Die drei waren seine
Mitglieder. Joachim Ringelnatz hieß eigentlich Hans Bötticher, seine Texte verstecken oft hintergründigen Humor.
Deutsche Lit. 1933 – 1945 im nationalsozialistischen D. sowie im Exil
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 geriet die dt. Lit. in völlig andere Dimension. Kulturelle Traditionslinien, gewachsene
Institutionen und Verbände wurden vernichtet, Schriftsteller und ihre Werke verboten, vertreibt und ermordet. Für zahlreiche Deutsche, zunächst v.a.
für die jüdischen Autoren bestand in D. eine unmittelbare Lebensgefahr. Viele von ihnen verließen das Land und hielten sich in der Nähe der dt.
Grenzen auf, um möglichst schnell wieder zurückkehren zu können. Das passierte aber nicht, im Gegenteil, sie emigrierten noch weiter.
Am 10. Mai 1933, ein Vierteljahr nach Hitlers Machtergreifung, wurden in Berlin und in vielen anderen dt. Universitätsstädten Bücher dt. Autoren
verbrannt, weil sie als „schädlich“ für das dt. Volk galten. Auf den „Schwarzen Listen“ waren u.a. auch solche Persönlichkeiten wie Marx, Freud,
Remarque, Tucholsky, Kästner, Heinrich Mann oder Heine, sie galten als Hauptfeinde des Regimes. Der Literaturhistoriker Alfred Kantorowicz,
der selbst im Exil war, schrieb 1947 über die Bücherverbrennung: 250 Schriftsteller einer Generation verstummen oder verlassen ihr Land... 250
Schriftsteller! Viele bedeutende und die bedeutendsten, viele berühmte und die weltberühmten Autoren dt. Zunge unter ihnen.
Es folgte die Neubesetzung kultureller Institutionen, wie in der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, systematische
Faschisierung von Schriftstellerorganisationen und physischer Terror gegen einzelne, wie Verhaftungen und Internierungen, z.B. A. Seghers, G.
Benn. Es wurden die kommunistische, sozialdemokratische und bürgerliche Presse ausgeschaltete. Alle diese Taten verursachten, dass im Sommer
desselben Jahres haben die Menschen auch die letzten Hoffnungen aufgegeben und es bedeutete einen massiven Exodus demokratischer, jüdischdeutscher und linksliberaler Schriftsteller. Für manche war es zu spät (Mühsam, Neukrantz, Ossietzky wurden in den Konzentrationslagern bereits
ermordet). 1936 erschien der erste Reichsindex die „Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, der ab 1939 regelmäßig weitere Listen
folgten, die streng vertraulich waren. Buchhändler, Bibliothekare und Verleger hatten keinen Einblick. 1934 und 1937 wurden die großen
Säuberungen von Leihbüchereien, Buchhandlungen und Bibliotheken gemacht.
In dieser Zeit existierten zwei dt. Lit.: Lit. des Dritten Reiches und Exilliteratur. Die Lit. des Nationalsozialismus hatte keine eigenständige Formen,
sondern hat bloß die längst existierten (Heimatkunstbewegung, konservative Balladendichtung, völkisch-nationale Massenlit. Oder Kriegsromane)
aufgegriffen und kulturpropagandistisch genutzt. Nach der neuen Literaturtheorie erfüllte der nationalsozialistische Autor sein „priesterliches Amt“,
er wird zum „Propheten der neunen dt. Lebensform“ und steht in seiner Dienerschaft dem Führer gegenüber.
Die nationalistischen Kriegsromane entwickelten sich bereits in den 20er Jahren inhaltlich wie formal zum nationalsozialistischen Weltbild: Kampf,
das Recht des Stärkeren, Wille zur Macht, Mut, Opferbereitschaft, unbedingter Gehorsam, Führertum wurden darin vorgeführt. ZU den
rechtsradikalen erfolgreichen Autoren gehörten Franz Tumler, Erwin Wittstock, Beumelburg, Schauwecker oder Dwinger, deren Werke wurden
propagiert. Männliche Rituale und religiös getönter Opfermythos im Dienst der gerechten nationalen Sache waren verknüpft mit antidemokratischen
Vorstellungen. Dies wurde nach 1933 weiter gerührt. Die Betonung lag auf dem Führerprinzip, der in hymnischer Rede und monumentalen Figuren
pathetisch gefeiert wurde. Das Ziel war eins: die Bereitschaft für den Krieg zu stärken.
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Historische Romane wurden im Dritten Reich intensiv gefördert. Man stellte den Germanenkult, den Ordensrittermythos oder die Barbarossaund Staufergeschichte dar, welche die nationalsozialistische Herrschaftspraxis und Politik historisch beglaubigen sollten. Beispiel dafür sind die
Romane von Hans Friedrich Blunck König Geiserich, Wolter von Plettenberg, von Jelusich Der Traum vom Reich. Auch hier verbindet sich die
Geschichtsschilderung mit Rassismus, Führerkult und Militarismus.
Neben diesen Romanen gewann immer mehr an Bedeutung der Mythos vom dt. Lebensraum. Hans Grimm hat in seinem erfolgreichen Roman Volk
ohne Raum koloniale Expansionsgelüste wieder erweckt (wie vor dem 1.WK), so dass sie zum nationalsoz. Parteipropaganda gehörten. A.
Kaempffer, E. L. Cramer oder M. Kahle verbanden ihre völkisch-imperialen Visionen mit rassistischen Vorstellungen der Vorherrschaft des „weißen
Mannes“.
Lyrik: die nationalsoz. Lyrik nach 1933 versuchte an klassische Traditionen anzuknüpfen. Dabei haben die nationalistisch-militanten Gedanken wie
Blut-und-Boden-Ideologie, Rassismus, Kampf- und Kriegsverherrlichung sprachlich und stilistisch die Oden, Hymnen und Epigramme bestimmt.
Neben bereits schreibenden Autoren debütierte neue „junge Mannschaft“ G. Schumann und H. Anacker. Das Gemeinschafts- und Kampfslied wurde
zur vorherrschenden Gattung im Bereich der Lyrik. Mit der Parole „Volk ans Gewehr“ agitierten für die dauernde Kriegsbereitschaft. 1939 hat E.
Lauer die Sammlung Das völkische Lied. Lieder des neuen Volkes aus dem ersten Jahrfünft des Dritten Reiches veröffentlicht.
Drama: im Drama entwickelte sich das sog. Thingspiel. Mit dem Begriff Thing wollte man an den Ursprung des deutschen Volkes, das
Germanentum, erinnern. Auch hier wurden zuerst die unterschiedlichsten Traditionslinien aufgegriffen – vom antiken Theater über die
mittelalterlichen Mysterienspiele bis zum Massentheater der Weimarer Republik. Es wurden Heldengeschichten, Eroberungsfeldzüge und ähnliches
gespielt, die auf aktuelle politische Situation anspielten. Andere Dramen hatten Struktur einer Gerichtsverhandlung mit Rede und Gegenrede, die in
der Richterfigur ihre letzte Instanz findet, wie z.B. E. W. Möllers Stück „Das Frankenburger Würfelspiel“. Nach 1937 wurde das Thingspiel nicht
besonders geschätzt, die von Goebbels bestimmte nationalsoz. Theaterpolitik zielte jetzt auf großes repräsentatives Theater, das sich lieber an die
originalen Klassiker hielt und in den Inszenierungen von Gründgens, Fehling und Hilpert in Berlin große Erfolge hatte. Fast alle diese Autoren sind
heute vergessen, die Deutschen möchten sich nicht zu ihnen bekennen.
Einige Autoren, die in D. blieben und gegen den Nationalsozialismus waren, gingen in innere Emigration. Die Autoren traten ins Schweigen aus
unterschiedlichen Gründen: Es war ein moralisches Schweigen E. Jüngers, R. Huchs, G. Benns, oder J. Kleppers bis zu E. Wiecherts mutigen
Widersetzung, die ihn kurzzeitig ins KZ brachte.
Viele Dichter gingen in Exil, in einen unfreiwilligen Aufenthalt in einem fremden Land. Anfangs, in der Zeit zw. 1933 – 38, flüchteten sie nur in die
Nachbarländer (deutschsprachige Schweiz, Frankreich, skandinavische Länder). Man wartete und hoffte, bis der Anschluss Österreichs im März
1938 sowie das Münchner Abkommen im September des gleichen Jahres den Grad der Gefährdung erhöhte. Die meisten Autoren konzentrierten sich
in Frankreich. Paris war Zentrum der politischen Debatten, der Dt. Kulturwoche 1938, hier hat G. Bernhard in den Jahren 1933-36 die „Pariser
Tageblatt“ herausgegeben. Im Fischerdorf Sanary-sur-Mer lebten und trafen sich unter anderem Feuchtwanger, Brecht, Ernst Toller, Franz Werfel,
Arnold Zweig, Thomas und Heinrich Mann mit Döblin. Der Sieg der Faschisten unter der Führung des Generals Franco im Spanischen Bürgerkrieg
1939 und das Einrücken der dt. Truppen 1940 in Frankreich ließen das gewählte Exil zur Falle werden, denn Spanien wurde als wichtiger Transitweg
in die Überseeländer versperrt. Man konnte nur durch Marseille entkommen. Schriftsteller wie C. Einstein, E. Weiß, W. Benjamin und W.
Hasenclever suchten in ihrer Verzweiflung den Tod.
Österreich und die Tschechoslowakei schienen nur auf ersten Blick sichere Zufluchtsländer zu sein. Trotzdem kehrten viele österreichische Autoren
nach der Machtübernahme von Hitler in aus den Kulturzentren Berlin und München in ihre Heimat zurück. Ihnen folgten dt. Autoren wie Frank,
Becher, Graf oder Zuckmayer, die dort bei ihren Freunden Unterkunft suchten. 1936 ging auch Bermann Fischer mit einem Teil des Samuel-FischerVerlags von Berlin nach Wien über. Der Anschluss führte zur zweiten Flucht der Autoren – diesmal aus Österreich. Für einige, z.B. für Friedel, der
Selbstmord begangen ist, oder Soyfer, der im KZ Buchenwald starb, war es schon zu spät. Die demokratische Tschechoslowakei, solange sie ihre
Souveränität bewahrte, war ein wichtiges Zufluchtsland. In Prag fanden Theaterabende, Vorträge und Diskussionen statt, wichtig waren die
Aktivitäten der Zeitschriften „Neue Dt. Blätter“, „Gegen Angriff“ oder des Malik-Verlags. In Prag versammelten sich z.B. Ottwalt, Hiller,
Wolfenstein. 1939 mussten sie in ein anderes Exil.
Exil in Skandinavien: Dänemark, Norwegen und Schweden waren ökonomisch und politisch stabil und hatten auch eine liberale Flüchtlingspolitik,
deswegen schienen sie als geeignete Zufluchtsländer sein. Im größeren Maße wurden sie nur von politischen Exilanten (Sozialdemokraten,
Kommunisten) gewählt. Hier fanden verschiedene deutsprachige Aufführungen statt, ab 1943 arbeitete in Stockholm Freie Bühne, man gründete
einen Freien Dt. Kulturbund. G. Bermann Fischer hatte nach dem Anschluss seinen Verlag nach Stockholm gerettet, von wo er die Autoren wie Th.
Mann, F. Werfel, C. Zuckmayer, St. Zweig und Hofmannstahl publizierte. Hier waren u.a. Brecht, Tucholsky, der junge Weiss, N. Sachs, H.H.
Jahnn. Die Okkupation 1940 verursachte die weitere Flucht – Brecht durchlief von Dänemark über Schweden in die USA, Tucholsky blieb aber bis
zu seinem Freitod 1935 in der Nähe von Göteborg.
Exil in der Schweiz: Die neutrale Schweiz zählte in der ersten Phase des Exils zu den wichtigsten Zufluchtstätten. Es kamen ungefähr 300 000
Verfolgte in das Land. Die Exilanten, u.a. G. Kaiser, sammelten sich v.a. in Zürich. Das Zürcher Schauspielhaus, der verlag von E. Oprecht und das
Café Odeon bildeten dort Zentren. E. Manns 1933 in München gegründetes Kabarett „Die Pfeffermühle“ wurde im selben Jahr nach Zürich
verlagert. Neben Familie Mann nahmen auch Hesse und Ludwig zu dortigen Exilanten.
Exil in der Sowjetunion: Die Sowjetunion war nicht so bevorzugtes Land wie z.B. Schweiz. Die Mitgliedschaft in der KPD oder zumindest
tiefempfundene Sympathie stellte die unerlässliche Prämisse für die Aufnahme dar. Man spricht aber von keiner Massenemigration in die SU. KPDMitglieder wie J.R. Becher, E. Weinert oder H. Zinner fanden ideale Arbeitsbedingungen in den dortigen Staatsverlagen und -medien. Ihre Werke
erschienen in hohen Auflagen. Hier organisierten sie den internationalen antifaschistischen Widerstand und planten im Auftrag der allmächtigen
Partei den Aufbau des „neuen D.“ Brecht, Feuchtwanger und Willi Bredel veröffentlichten in Moskau die Zeitschrift Das Wort. Über allem schwebte
aber wie ein Damoklesschwert die Willkür des stalinistischen Systems, das auch solche wie Lukács und Huppert zeitweilig ins Gefängnis brache und
Walden, Ottwalt oder Günther das Leben kostete.
Exil in Großbritannien: GB zählte bis 1938 zu den bevorzugten Asylländern. Hier wurden der PEN-Klub der dt. Autoren 1934 und der Freie dt.
Kulturbund mit O. Kokoschka und St. Zweig an der Spitze 1938 gegründet. Der Kulturbund organisierte Ausstellungen, Konzerte, Kabarett und
Leseabende. Der 2.WK brachte Veränderungen in die britische Einwanderungspolitik. Besserte sich anfangs die Lage vieler Exilierter, weil BBC, die
Nachrichtenagentur Reuters und die Telegraphenagenturen dt. Mitarbeiter brauchten, ab Mai 1940 änderte sich die Situation. Je nach Einstufung in
A, B oder C- Grad drohten Internierung und sogar Deportation nach Neuseeland oder Kanada. Die Mehrzahl der deutschsprachigen Schriftsteller
erhielt aber den C- Grad und galt damit als freundlich, was ihnen v.a. gegen Kriegsende die Arbeit bei der BBC sicherte.
Exil in Palästina: Zu den in Palästina im Exil lebenden Schriftstellern gehörten u.a. A. Zweig, M. Brod, L. Fürnberg und E. Lasker-Schüler. Viele
publizistische und verlegerische Bemühungen scheiterten an politisch-religiösen Spannungen zw. Juden und Deutschen, war zur sprachlichenkulturellen Isolation der Exilanten führte.
Exil in den Niederlanden: N. war ein bedeutendes Exilland der dt. Exilliteratur. E. Querido und Allert de Lange hatten nach den
Bücherverbrennungen ihren Verlagen deutschsprachige Exilverlage angeschlossen und die Weiterentwicklung einer nichtnationalsoz.
Antifaschistischen Lit. außerhalb Deutschlands geschaffen. Querido-Verlag sorgte für ein Programm mit Namen wie Feuchtwanger, Zweig, H.
Mann, E. Toller, Remarque, Döblin, Landshoff bemühte sich um die „verbrannten Autoren“, deren Werke bei den Bücherverbrennungen vernichtet
wurden. Die dt. Okkupation kostete Querido, G. Hermann und viele andere das Leben in den Gaskammern der KZ.
Exil in den USA: Erst nach 1938 und mit dem Beginn des 2.Wk wurden die USA zum wichtigsten Exilland, in das mehr als 100 000 dt. Flüchtlinge
einreisten, darunter etwa 7500 Wissenschaftler, Publizisten und Künstler. Als Zentren bildeten sich die Ostküste mit New York, weiter San
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Francisco und Los Angeles. Die dt. Exilanten bedrückten aber finanzielle Probleme, aber noch stärker die völlig anders strukturierte Kulturszene,
die rein privatwirtschaftlich organisiert und den Marktgesetzen unterworfen war. Sie erreichten bei keinem Periodikum oder Verlag eine größere
Resonanz, ebenso wenig gelang einem Schriftsteller der Durchbruch als Drehbuchautor in Hollywoods Filmindustrie. Zu den wenigen erfolgreichen
gehörten Th. Mann, V. Baum, E. M. Remarque, v.a. L. Feuchtwanger.
Exil in Südamerika: Zu den Zentren der politisch Verfolgten galten v.a. Mexiko, Argentinien, Chile und Uruguay. Hier fanden v.a. die versprengten
sozialistischen und kommunistischen Spanienkämpfer unbürokratische und großzügige Aufnahme. A. Seghers, L. Renn, B. Uhse, E.E. Kisch.
Prosa:
Heinrich Mann verließ 1933 zusammen mit seiner jungen Frau Nelly Deutschland und ging zuerst in die Tschechoslowakei, dann nach Frankreich.
1940 mussten sie weiter nach Pyreneyen gehen, weil Hitler Frankreich okkupierte. Damals war er 70 Jahre alt. Zu Fuß musste er durch die Bergen
nach Spanien und Portugal. Thomas besorgte ihm das amerikanische Visum. In Amerika (Kalifornien) lebte er bis zu seinem Tod. 1961 wurde seine
Urne in Ost-Berlin beigesetzt.
Thomas Mann TM emigrierte 1933 mit seiner Familie in die Schweiz, 1938 in die USA, wo er 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb.
1952 kehrte er nach Europa zurück und lebte bis zu seinem Tod in der Schweiz.
Lion Feuchtwanger schrieb den Romanzyklus Der Wartesaal, der aus den Teilen Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz (1930), Die
Geschwister Oppenheim (1933) und Exil (1940) besteht. Er war 1933 von einer Vortragsreise nicht nach D. zurückgekehrt und lebte bis 1940 in
Frankreich, von wo er nach der Flucht aus dem Internierungslager über Spanien und Portugal nach Amerika emigrierte. Die Figuren seiner drei
thematisch abgeschlossenen Romane sind z.T. verschlüsselte Personen des Zeitgeschehens. Ironisch und Boshaft beschrieb er in Erfolg die Anfänge
des Nationalsoz. Die Folgen für die Juden in D. stellte er in dem 2. Teil dar. Der letzte Teil spielt in Paris im Frühjahr 1935 und berichtet nach dem
Urteil vieler Betroffener authentisch von der Situation dt. Emigranten in Paris. Der Exil wurde hier an individuellen Einzelschicksalen verdeutlicht.
Anna Seghers wollte Gestapo 1933 verhaften und sie floh nach Paris. Während des franz. Exils engagierte sie sich weiterhin politisch und
publizistisch für den antifaschistischen Kampf. Dort entstand auch ihr Roman Der Kopflohn. Roman aus einem dt. Dorf im Spätsommer. Ihre
Lebensverhältnisse in Paris verschlechterten sich, sie hatte Sorgen um das tägliche Brot für sie und ihre zwei Kinder. Deswegen schrieb sie an den
Schriftsteller Johannes R. Becher und bat um Hilfe. Nach der Besetzung von Paris wechselte AS auf der Flucht vor der Gestapo allnächtlich ihr
Quartier, ihre Kinder waren bei Freunden, mit deren Hilfe die Flucht ins unbesetztes Gebiet gelingt, in die Nähe des Lagers Le Vernet, wo ihr Mann
interniert war. Ihre Briefe dokumentieren ihre tiefe Depression. Nur die Arbeit an einem weiteren Roman hat ihr vermutlich das Leben gerettet. Es ist
der Roman Transit. 1941 emigrierte sie nach Mexico. Im Frühjahr 1947 fuhr sie über Paris, wo ihre Kinder studierten, nach Berlin. Sie lebte
zusammen mit ihrem Mann, der 1952 in die DDR kam.
Ernst Toller veröffentlichte im Amsterdamer Emigrantenverlag Querido seine fragmentarische Autobiographie Eine Jugend in Deutschland, in der
er sich zur Mitverantwortung am Geschehen in D. bekennt.
Bertold Brecht: Im dänischen Exil im Jahre 1938 entstand sein Werk Furcht und Elend des Dritten Reiches, das zeitbezogen ist. In Dänemark lebte er
bis 1939, hier entstand auch der Dreigroschenroman, 1941 emigrierte er nach Amerika. Dort entstanden seine wichtigsten Stücke, v.a. seine Theorie
des epischen Theaters, die er unter dem Titel Kleines Organon für das Theater veröffentlichte.
Hermann Hesse lebte in der Schweiz seit 1912.
Drama:
Bertold Brecht – Mutter Courage und ihre Kinder, Leben des Galilei
Carl Zukcmayer emigrierte 1939 über Kuba nach Amerika, wo er sich auf eine Farm, fern vom lit. Betrieb, zurückzog. Sein Aufruf zum Leben, in
dem er sich und anderen Emigranten Mut zum Durchhalten machte, steht im Gegensatz zu St. Zweig Abschiedsbrief, den dieser vor seinem Freitod
im brasilianischen Exil verfasste. Beide schildern den persönlichen Lebensweg der Autoren von der erzwungenen Heimatlosigkeit.
Erich Kästner
EK war Satiriker, Moralist, Journalist, Kabarett- und Drehbuchautor und Schriftsteller für Kinder und Erwachsene. In seinem Werk trifft sich der
moralische Grundton mit dem Antimilitarismus. Ursprünglich wollte er Lehrer werden, aber die hochgehaltene autoritäre Pädagogik auf dem
Lehrerseminar in Leipzig und „Untertaneneinübung“ des wilhelminischen Obrigkeitsstaates lehnten ihn von seiner Absicht ab. Auch seine üblen
Erfahrungen während einer menschenwürdigen Rekrutenausbildung 1917 machten ihn zum Gegner aller autoritären Systeme und zu einem
überzeugten Pazifist und Republikaner.
Der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Musterschüler studierte in Leipzig, Rostock und Berlin Germanistik, Geschichte, Philosophie
und Theatergeschichte. Als Journalist arbeitete er in verschiedenen Zeitungen. Schnell bekannt wurde er durch seine Theaterrezensionen und sein
lyrisches Schaffen: Herz auf Taille, Lärm im Spiegel, Ein Mann gibt Auskunft. Weil EK in erster Linie „Zweckliteratur“ schrieb, weil er eine leicht
verständliche, sachliche Alltagssprache pflegte und eine Welt aus bürgerlicher sicht darstellte, gelang es ihm wie kaum einem anderen Schriftsteller
der 20er Jahre nicht nur eine literarisch interessierte Minderheit, sondern ganze Volksschichten, die bis dahin von Lyrik nichts gewusst hatten, für
seine Verse zu begeistern.
Seit 1927 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin.
1929 debütierte er mit dem Roman Emil und die Detektive als Kinderbuchautor, 1939 erschienen Pünktchen und Anton und Der 35. mai oder
Konrad reist in die Südsee. Seine Bücher für Kinder kennzeichnen sich durch Humor, Klugheit, Besonnenheit und Mitmenschlichkeit.
Doch trotz oder wegen seiner lit. Erfolge blieb EK gerade bei der linksbürgerlichen Intelligenz umstritten. Sein schärfster Kritiker war Walter
Benjamin, der ihn und seine Zeitgenossen Mehring und Tucholsky im Essay Linke Melancholie kritisierte.
1931 schrieb er den Roman Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. Es ist eine in leicht verständlicher Sprache erzählte Satire auf das Ende 20er
Jahre, als die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt erreichte. Fabian ist ein kleiner Mensch. Wenn er einen Jungen retten möchte, ertrinkt er mit ihm,
weil er vergisst, dass er nicht schwimmen kann.
Bei den politischen Rechten und den Moralisten war und blieb EK wegen seiner Offenheit, auch in Dingen der Sexualmoral, ein Dorn im Auge. Im
Mai 1933, als die Nationalsozialisten bei der Macht waren, musste er die Verbrennung seiner Bücher erleben. Trotz der gefährlichen Situation, der
Verhaftungen und Verhöre emigrierte er nicht, sondern versuchte, sich mit seinen Kinderbüchern und humoristischer Literatur (Drei Männer im
Schnee, Die verschwundene Miniatur, Der kleine Grenzverkehr), die nur im deutschsprachigen Ausland erschienen, über Wasser zu halten. Als die
Nazis erfuhren, dass er unter einem Pseudonym das Drehbuch für eine Verfilmung der Abenteuer des Barons von Münchhausen geschrieben hatte,
wurde er 1942 mit dem totalen Schreib- und Publikationsverbot belegt.
Innerhalb 12 Jahre blieb er in der inneren Emigration und Isolation. Nach dem 2.WK schrieb er Die Schule der Diktatoren und Konferenz der Tiere,
die seine lit. Abrechnung mit dem autoritären Staat und Nationalsozialismus sind. Sie hatten keinen großen lit. Erfolg. Er setzte sich für
Demokratisierung und Entmilitarisierung D. ein.
Er schrieb Tagebuchaufzeichnungen Notabene 45, ein Tagebuch. Er blieb auch der Jugend treu, indem er die Zeitschrift für die Jugendliche Pinguin
herausgab. V.a. für seine Kinderbücher wurde er in vielen Ländern der Welt mit verschieden Preisen belohnt. Trotzdem musste er 1965 zum zweiten
Mal erleben, dass in Düsseldorf seine Bücher öffentlich verbrannt wurden, dieses Mal von der dortigen Jugendgruppe des Bundes entschiedener
Christen.
23
Der Expressionismus als Schreibweise und Richtung
Die Epoche in den Jahren 1910 – 1925 nennt man E. Diese Richtung entstand in D. und verbreitete sich nach ganz Europa. Als Vorläufer kann man
Georg Büchner und Frank Wedekind betrachten. Der Begriff E. – Ausdruckskunst – stammt aus der bildenden Kunst, wo die Gruppen Der blaue
Reiter (Klee, Kubin, Kandinsky) in München und Die Brücke (Nolde, Kirschner) in Dresden von Bed. waren. 1911 wurde der Bergriff erstmals
von Kurt Hiller auf die dt. Dichter und ihre Werke übertragen.
Den E. kann man dem Impressionismus (der Eindruckskunst) entgegen stellen. Von dem Naturalismus mit seiner detaillierten Nachahmung der
äußeren Wirklichkeit unterscheidet sich der E. durch seine Beschränkung auf das „Wesentliche“. Es war eine Bewegung der jungen Autoren, die
meistens aus dem bürgerlich-intellektuellen Milieu stammten. Sie standen dem technischen Fortschritt, aber auch dem Positivismus der
Wissenschaften kritisch gegenüber und beobachteten misstrauisch den wachsenden Militarismus und Patriotismus. Es entstand das Gefühl der
Bedrohung, das im 1.WK zur Wirklichkeit wurde.
Die letzte Chance, die Menschen und die Welt vor dem Untergang zu retten, sahen die Expressionisten in einer Veränderung des Individuums. Es
muss eine Katastrophe kommen, aus der ein neuer Mensch entsteht: Die Welt kann nur gut werden, wenn der Mensch gut wird. Die Verwandlung
des Menschen ist nicht moralisch oder sozial, sondern einfach biologisch und allgemein. Visionen von Krieg und Untergang prägten die Kunst und
Lit. und spiegelten die Stimmung der Zeit. Die häufigsten Themen waren Apokalypse, Sintflut und Gerichtstag. Die Darstellung wurde bis zur
Ekstase gesteigert. Die bestehende Welt sollte ein Ende finden. Man suchte neue Humanität. Der Krieg und Gewalt wurden abgelehnt.
Philosophische Ausgangspunkte: Von den Philosophen beeinflusste den E. am meisten Friedrich Nietzsche. Mein Schatten ruft mich? Was liegt an
meinem Schatten! Mag er mir nachlaufen! Ich laufe ihm davon. So heißt es in Nietzsches Also sprach Zarathustra. Das Bild vom verlorenen Schatten
steht für den Verlust der Identität, des Sinnzusammenhangs von Mensch und Welt. Er kündigt die Zersetzung oberster Wertbegriffe an, die sich
besonders in der express. Prosa, z. B. bei Kafka, Benn, Heym widerspiegelt. Neben Nietzsche ist M. Stirner wichtiger Wegbereiter der express.
Theorie.
In wenigen Jahren des E. erschienen ziemlich viele Manifeste und programmatische Schriften, die sich um eine möglichst umfassende Vermittlung
express. Anschauungen bemühten. Ganz allgemein gesehen bestimmen diese Theorien den E. als vorwiegend emotionale Reaktion auf
philosophische, politische, religiöse und kulturelle Fragen seiner Zeit.
Einheitliche express. Stilformen kann man kaum ermitteln. Es gab einen ungewöhnlichen Chaos von Stilelementen: Jugendstil, Symbolismus,
Allegorismus, Elemente historischer Stile wie Spätgotik, Rokoko, Romantik, Sturm und Drang vermischt mit dem Exotischen und Mythologischen.
Das Typische ist gerade die atypische Verbindung bekannter Stilformen. Die Literatur- und Kunstwissenschaft spricht von einem Stilchaos oder
Stilpluralismus. In der Lyrik findet man z.B. Elemente moderner Lyrik, Die Deformation, das Groteske, Absurdität, starke Symbolik, in der Prosa
gibt es solche Konzepte wie Vitalismus, Aktionismus, Dadaismus.
Express. Zeitschriften: der Ton der express. Zeitschriften war pathetisch und radikal, ganz auf die Expressivität – Ausdrucksstärke – gerichtet. Sie
sorgten für die Verbreitung der express. Programme und warnten schon früh vor dem naheliegenden Krieg. Der Sturm und die Aktion erschienen seit
1910 bzw. 1911 in Berlin, in einem Zentrum der Expressionisten. War „Der Sturm“ des Herausgebers Walden relativ unpolitisch und mehr an die
Ästhetik als an die Ideologie gerichtet, so kämpfte „Die Aktion“ gegen Militär, Krieg und Imperialismus. Sie erschien bis zu Hitlers Zeit. Unter dem
Titel Ich schneide die Zeit aus reihte Pfemfert (Aktion) ausgewählte Pressezitate aneinander, die einen konzentrierten Eindruck von dem Greuel des
Krieges hinterließen. Das Zitieren war eine Möglichkeit, die Zensur zu hintergehen. Neu und modern waren auch Die Revolution, Das neue Pathos,
Die Weltbühne, Die weißen Blätter. „Die weißen Blätter“ wurden seit 1915 in Zürich von René Schikele herausgegeben. In den Zeitschriften wurde
das geschriebene Wort durch Illustrationen ergänzt. Das Bild „Der Schrei“ von Edvard Munch wurde zu einem berühmten Ausdruck der express.
Empfindungen (Seite 190). Die bildenden Künstler lieferten nicht nur Gemälde, Holzschnitte und Lithographien für die Zeitschriften, sondern
äußerten sich auch in den kunsttheoretischen Abhandlungen, wie z. B. Wassily Kandinski, Oskar Kokoschka. Zu den wichtigsten express. Verlagen
gehörte Kurt Wolff Verlag in Leipzig. Er erfand eine geniale Form zur Verbreitung der express. Lit. – er gab die sog. Groschenhefte heraus, die
billig waren und Leute sie kaufen konnten. Es entstanden erste Anthologien. Die erste war Der Kondor. Die Anthologie der express. Lyrik entstand
1920 und hieß Menschheitsdämmerung. Der Titel war programmatisch, es ging um die Morgen- und Abenddämmerung. Nach der Katastrophe wird
etwas Neues kommen. Der Autor war Kurt Pinthus. Nach dem 2.WK bat er alle lebenden Autoren ihm zu schreiben, was sie über das express.
Jahrzehnt denken, was sie gemacht haben und was aus ihnen geworden ist. Ludwig Rubiner gab die Anthologie Kameraden der Menschheit heraus,
in der er auch ausländische Beiträge hatte.
Der E. hatte groteske und abstrakte Richtung. Bei der grotesken Richtung hatte die Autoren zwar die Gegenstände dargestellt, diese wurden aber
deformiert. In ihrer Deformation war der Ausdruck des Inneren (Grimassen, deformierte Landschaften...). Die abstrakte Richtung war nicht mehr
gegenständlich. Die Hauptrolle spielten die inneren Gefühle und Stimmungen des Autors.
Die wichtigste Leistung des E. lag vor dem 1.WK in der Lyrik. Sie konnte die Gefühlflut am besten zum Ausdruck bringen. So entstanden bekannte
Gedichte von Georg Trakl, Georg Heym, Franz Werfel, Ernst Stadler und Gottfried Benn. Es fanden Autorenabende und lit. Veranstaltungen statt,
die die neue Lit. bekannt machten. Im „Neopathetischen Cabaret“ des 1909 in Berlin gegründeten „Neuen Clubs“ hatten Heym, Hoddis und andere
ihre Gedichte und Provokationen vorgelesen. Irgendwelche verbindliche theoretische Prinzipien für die Lyrik gab es nicht, im Vordergrund stand die
Idee vom „neuen Menschen“.
Der E. hatte drei Perioden: der frühe E. 1910 – 1914, Blütezeit des E. 1914 – 1918, Verfall des E. 1918 – 1920.
Auflösung des E.: Die Nationalsozialisten versuchten, den E. als „entartete Kunst“ gewaltsam zu verdrängen, so dass seine Bedeutung erst nach
1945 klarer wurde. Die Schriftsteller des E. schlugen bald getrennte Wege ein. Einige starben schon im 1.WK, die anderen entwickelten sich unter
dem Einfluss politischer Umstände völlig unterschiedlich: zahlreiche E. flüchteten nach 1933 ins Exil (Kaiser, Lasker-Schüler, Sternheim, Toller,
Werfel). Döblin wandte sich im Exil dem Christentum zu, Gottfried Benn sympathisierte vorübergehend mit dem Nationalsozialismus und Werfel
zog sich ganz in seine Dichtung zurück, war aber sehr produktiv. Um 1920 las man bereits: Der Ex ist tot. Auch die meisten express. Zeitschriften
existierten nicht lange, ihre Zahl sank von 36 auf 8.
Expressionistische lyrische, dramatische und epische Dichtungen
Lyrik: Die wichtigste Leistung des E. lag vor dem 1.WK in der Lyrik. Sie konnte die Gefühlflut am besten zum Ausdruck bringen. So entstanden
bekannte Gedichte von Georg Trakl, Georg Heym, Franz Werfel, Ernst Stadler und Gottfried Benn. Es fanden Autorenabende und lit.
Veranstaltungen statt, die die neue Lit. bekannt machten. Im „Neopathetischen Cabaret“ des 1909 in Berlin gegründeten „Neuen Clubs“ hatten
Heym, Hoddis und andere ihre Gedichte und Provokationen vorgelesen. Irgendwelche verbindliche theoretische Prinzipien für die Lyrik gab es nicht,
im Vordergrund stand die Idee vom „neuen Menschen“.
Die von Kurt Pinthus 1920 herausgegebene Anthologie der expressionistischen Lyrik Menschheitsdämmerung kann den besten Überblick über die
Lyrik von 23 Autoren geben. Der Titel war programmatisch, es ging um die Morgen- und Abenddämmerung. Zu den bedeutendsten Dichtern
gehörten Werfel, Heym, Trakl und van Hoddis, die Ausweglosigkeit, Melancholie und apokalyptische Visionen des Weltuntergangs malten.
Franz Werfel stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die in Prag lebte. Er absolvierte eine Kaufmannslehre in Hamburg und wurde danach
zum Lektor des Kurt Wolffverlags in Leipzig. Er nahm an dem ersten WK Teil, lebte dann als freier Schriftsteller in Wien. 1938 emigrierte nach
Frankreich, 1940 nach Portugal und Amerika. F. W. war ein Musikliebhaber. Er liebte besonders die Musik G. Verdis, dem er 1924 sogar einen
Roman (Verdi) widmete. Die treibende Kraft seiner Dichtung war gerade elektrisierende Melodie. Auffallend in seiner Dichtung ist häufige
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Verwendung religiöser Motive (der Kampf zw. Gut und Böse, das Verhältnis von Schuld und Sünde), der Motive der Trennung,
Wiedervereinigung, Tod, Geburt und Wiedergeburt. Er stellte den Generationskonflikt, Die Vater-Sohn-Beziehung dar.
Zu seinen bekannten Gedichtsammlungen gehört Sammlungen: Der Weltfreund, Wir sind, Der Gerichtstag. Im „Weltfreund“ verkündete F.W. in
pathetischen Versen weltweite Bruderschaft und allesverbindende Liebe. Auch die zwei Jahre später erschienene Sammlung „Wir sind“ ist im
hymnischen Ton geschrieben. Express. Stilelemente beinhalten auch seine Dramen: Der Besuch aus dem Elysium, Die Troerinnen, Die
Mittagsgöttin, die Novelle Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig.
Obwohl F.W. einer der ersten Protagonisten der express. Bewegung war, hatte er ein auffallend gespaltetes Verhältnis zu ihr. Den dramatischen E.
nannte er später eine „haltlose Verbeugung vor der Sketsch- und Kinotechnik“. Die endgültige Abkehr vom E. vollzog er 1929 mit seinem Roman
Barbara oder Die Frömmigkeit. Entscheidenden Einfluss auf diese Wendung hatte seine Frau Alma Mahler, die Witwe des Komponisten Gustav
Mahler. Werfels größer Erfolg war der Roman über die Vergewaltigung eines freien Volkes Die vierzig Tage des Musa Dagh. Der Roman über die
Verfolgung der Armenier durch den jungtürkischen Staat wurde in Amerika von den Immigranten auch als ein Buch über die Judenverfolgung durch
den Hitlerstaat gelesen.
Werfel floh 1938 über Frankreich, Spanien und Portugal nach New York. Er lebte in Kalifornien und starb 1945 in Beverly Hills.
Jakob van Hoddis bekannte Gedicht ist Weltende, es steht als erstes in der Menschheitsdämmerung. Das 1911 erschienene Gedicht traf genau die
Stimmung der Zeit, als die Expressionisten das Ende der bürgerlichen Welt kommen sahen. Das Weltende wurde sowohl als ein ernstes als auch
groteskes Ereignis dargestellt. Mit. Seinem grotesken Humor führte van Hoddis einen neuen Ton in der Lyrik ein.
Georg Heym studierte Jura in Würzburg, Berlin und Jena. In Berlin gehörte er 1910 als einer der ersten dt. Expressionisten dem „Neopathetischen
Cabaret“ von Kurz Hillers „Neuem Club“ an. Heym ertrank als 25-jähriger beim Schlittschuhlaufen auf der Havel. Heym war bedeutender
frühexpressionistischer Lyriker. Seine erste Sammlung Der ewige Tag erschien 1911. Der Dichter Stadler schrieb zu dieser Sammlung: „Heym ist
ein Priester der Schrecken. Ein Visionär des Grauenerregenden und Grotesken.“ Er war sehr sprachbegabt. Ebenfalls auch sein zweiter Band der
Gedichte Umbra Vitae (Schatten des Lebens) erreichte großen Erfolg. Die dämonischen Bilder von Berlins Häusermeer machten Fluch und
Grausamkeit der Großstadt lebendig. In den letzen zwei Jahren vor dem Tod schrieb Heym über 400 Gedichte, bekannt sind z.B. Der Krieg, Der Gott
der Stadt.
Gottfried Benn stammte aus einer protestantischen Pfarrerfamilie. Seine Mutter Caroline war eine Erzieherin aus der romanischen Schweiz und
Vater Gustav stammte aus Preußen. Er ist in Sellin (Neumark) aufgewachsen. Der autoritäre und orthodoxe Vater hinderte ihn, der qualvoll an Krebs
sterbenden Mutter beizustehen. Sein Liebesleben war auch unglücklich: 1922 starb seine erste Frau, 1929 stürzte sich die Schauspielerin Lili Breda,
mit der er befreundet war, in den Tod, 1938 nahm sich seine zweite Frau Herta von Wedemeyer aus Angst vor den Russen das Leben. Gottfried
Benn studierte Theologie und Philologie, später Medizin in Berlin. In Berlin hat er bis auf wenige Jahre sein Leben zugebracht, als abgebrochener
Theologe an der Militärärztlichen Akademie, dann als Psychiater, Pathologe in Charlottenburg, ab 1917 bis 1935 als Facharzt für Haut- und
Geschlechtskrankheiten. Im 1.WK und 2.WK war er Militärarzt. Eine Wende für ihn war 1932 die Berufung in die Preußische Akademie der Künste.
Zunächst sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, doch bald zog er davon ab und kehrte in die innere Emigration. Im Winter 1933 wurde er von
der Liste attestberechtigter Ärzte gestrichen, 1938 erhielt er Schreibverbot. Benns express. Gedichte waren am radikalsten nihilistisch und destruktiv.
Seine schockierenden Themen Krankheit, Zerfall und Tod wurden im provozierenden Stil aus einer Verbindung von pathetischem Worten mit kalter
Wissenschaftssprache und banalem Alltagswortschatz gestaltet. Seine express. Gedichtsammlungen Morgue und Fleisch veröffentlichte er 1912 und
1917. Man nennt sie auch Patologielyrik. Sie enthalten Gedichte aus der Welt des Arztes, die tiefen Ekel an der Welt ausdrücken (Mann und Frau
gehen durch die Krebsbaracke, Negerbraut, Kleine Aster).
Außer der Lyrik schrieb Benn auch Novellen. 1916 erschien sein Novellenband Gehirne. Ein Mediziner versucht auf dem Weg der anatomischen
Untersuchung von über zweitausend Gehirnen das Geheimnis des menschlichen Bewusstseins zu lösen. Sein Scheitern führt zur Ich-Auflösung, zum
Zerfall des individuellen Bewusstseins, zur völligen Apathie. In der Novelle Diesterweg führt der Zwiespalt zw. Arzt- und Dichterberuf ebenfalls zu
einem selbstzerstörenden Zweifel an Gott und den Menschen.
Mit dem Beginn 20-er Jahre wandte sich GB anderen Ausdrucksformen zu. In den Sammlungen Schutt und Betäubung spiegelt sich das Thema der
Ich-Isolierung, der Entpersönlichung und der Identitätserfahrung wider.
Seine späteren Essays setzten sich v.a. für Hitler und Nationalsozialismus, in denen er eine neue Ordnung sah. Dann erkannte er diesen Irrtum. Zum
europäischen Ansehen gelangte er doch noch, 1951 wurde ihm der Georg-Büchner-Preis verliehen, 1952 vertrat er D. auf der Biennale Internationale
de Poésie. Starb 1956.
Georg Trakl wurde 1887 in Salzburg geboren. Starb 1914 als 27-jähriger an die Überdosis Drogen. Trakl war ein Genie der Lyrik, ein angeborener
Lyriker. Neben seinen dramatischen Versuchen „Totentag“ und „Fata Morgana“ verfasste er hauptsächlich Gedichte. Seine frühe Lyrik war stark an
die Franzosen Rimbaud und Baudelaire orientiert. Die späteren Gedichte waren stark express. Kennzeichnend sind düstere, prophetische Bilder,
apokalyptische Visionen, magische Formeln. Seine Werke spiegeln den verzweifelten Kampf gegen die dämonischen Mächte wider - ein Kampf,
der, nach Trakl, zum Untergang führt. Leben ist Leiden, ausweglos, ohne Möglichkeit der Erlösung.
Trakl liebte in seinem Leben nur eine Frau – seine Schwester. Auch in den Gedichten erscheint nur sie. Gedichtsammlungen : Sebastian im Traum,
Gedichte. Letztes Gedicht: Grodek (eine polnische Stadt). Im 1.WK erlebte er die Schlacht bei Grodek mit und war als Sanitäter für fast 100
Schwerverletzte verantwortlich.
Ernst Stadlers typische Themen waren Katastrophe, Weltende, der neue Mensch. Er schrieb Gedichte, die sog. Langzeilen. War Opfer des 1.WK.
Gedicht: Fahrt über die Kölner Reichsbrücke bei der Nacht.
Else Lasker-Schüler wurde 1869 geboren, also war etwa 20 Jahre älter, als die meisten Expressionisten. Sie war dt. Jüdin, eine bedeutenden express.
Dichterin. Hatte Beziehungen mit vielen express. Dichtern (Benn, Werfel, Trakl). Zusammen mit Walden, ihrem zweiten Ehemann, begründete sie
die Zeitung „Der Sturm“. Ihre lit. Kariere begann sie mit ihren Gedichtsammlungen Styx und Der siebente Tag. In diesen Sammlungen treten
jüdische Religiosität und express. Experimentierlust in den Vordergrund. Gedichte: Mein Volk, Weltflucht – es ist ganz im dadaistischen Sinne
geschrieben. Sie war auch Kaffee-Literatin im „Kaffee des Westens“. 1911erschienen ihre Briefe nach Norwegen, 1919 wurde ihr Schauspiel Die
Wupper uraufgeführt, 1920 erschienen die Gedichtbände Hebräische Balladen. Die Heimat für sie war das alte Ägypten, das zeitlich und
geographisch entfernt war. Darüber schrieb sie im Gedicht „Heimweh“. 1933 emigrierte sie in die Schweiz. Vor dort aus unternahm sie mehrere
Reisen nach Palästina. Während der letzten Reise kam es zum Ausbruch des 2.WK, welcher ihr die Rückkehr verhinderte. Sie lebte in Jerusalem, wo
sie auch starb.
Ludwig Rubiner verband in seinem Werk die Abstraktheit mit der Groteske. Gedicht „Geburt“.
August Stramm war der zweitälteste Expressionist. Er wurde 1874 geb., starb 1915 als Opfer des 1.WK. Im Zivil war Postbeamter. Bekannt als
Experimentator mit der Sprache – Lexik, Syntax. Einige jungen Autoren ahmten ihm nach. Gedicht „Schwermut“.
Johannes R. Becher – der Beginn seines literarischen Schaffens war von ähnlichen Themen und Motiven geprägt wie bei anderen express. Autoren:
einerseits Vorstellungen und Empfindungen von Lebensekel und Weltende, andererseits Protest und Aufbruchwille. Er war davon überzeugt, dass
die eigenen Leiden und Wünsche mit denen seiner Zeit identisch waren. Das Gedicht hatte Funktion, das eigene Erleben inhaltlich aufzunehmen, es
zu erklären und schließlich zur Selbstbefriedigung zu führen. In seiner Lyrik ging es um folgenden Prozess: Erlebnis, Formulierung, Tat, also vom
subjektiven Erlebnis des Dichters, über die Formulierung der Gedichte bis zur im Werk dargestellten Tat, die zur Veränderung führen sollte.
Drama: Durch den Einfluss des 1.WK wurde die Dichtung der express. Schriftsteller zunehmend politisch-revolutionär. Diese Tendenz konnte am
besten im Drama Ausdruck finden, das gegen Ende des Krieges die Lyrik überholte. Die Expressionisten entwickelten eine neue Form von Drama im
Sinne der Forderung: Wandlung der Welt durch Wandlung der Menschen. Wichtig waren nicht nur die Theaterstücke, sondern auch detaillierte
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Regieanweisungen, die Einstellung von symbolischen Farben und Lichteffekten, Pantomime und Darstellung von Visionen, die als wirkungsvolle
szenische Mittel dienten. Das Drama wurde zu einem Bühnenkunstwerk.
Der express. Held war meist ein junger Mensch. Reife wurde oft negativ gesehen. Er revoltierte gegen das Schicksal und die einschränkende
Umwelt, die durch den eigenen Vater repräsentiert wird. Der Vater-Sohn-Konflikt war im E. ein beliebtes Thema, z.B. Franz Werfel – Nicht der
Mörder, der Ermordete ist schuldig, Arnolt Bronnen – Vatermord, Walter Hasenclever – Der Sohn.
Eines der frühesten express. Dramen ist das lyrisch-dramatische Werk Der Bettler von Reinhard Johannes Sorge. Die namenlosen auftretenden
Personen werden in „Menschen“, „Gruppenpersonen“, „Nebenpersonen“, „stumme Personen“ und „Gestalten des Dichters“ eingeteilt.
Ernst Barlach studierte seit 1888 an der Kunstgewerbeschule in Hamburg, seit 1891 an der Dresdner Akademie und anschließend in Paris. Danach
lebte er in Berlin und unternahm viele Reisen nach Russland und Italien. Lit. Kariere begann er 1906 nach einer Russlandreise. Erlebnisse dieser
Reise schrieb er in seinem Tagebuch „Russische Tagebuch“. Ein Jahr später begann er an dem Drama Blutgeschrei zu arbeiten, das 1912 unter dem
Titel „Der tote Tag“ verlegt wurde. Motiv für dieses Drama war angeblich ein gerichtlicher Streit: Barlach kämpfte in jenen Jahren um die
Vormundschaft für seinen Sohn. Die Hauptfigur seines zweiten Dramas Der arme Vetter ist Hans Iver. Er verzweifelt an seiner Existenz und wählt
durch das inszenierte Selbstmord den Weg des Märtyrers in der Hoffnung auf die Erlösung. Sein drittes Drama ist Die echten Sedemunds. Im
Zentrum dieses Dramas steht der Versuch des einzelnen, in einer ihm feindlich gegenüberstehenden Umweilt, zurechtzukommen. Grude, der Held,
will zeigen, dass jeder Mensch eine Doppelexistenz führt, Doppelgänger seines transzendenten Ich ist. Weitere Dramen: Die Sündflut, Die gute Zeit.
Georg Kaiser wurde 1878 in Magdeburg geb. Er war Kaufmann in Buenos Aires, Spanien und Italien, bevor er 1901 nach D. zurückkehrte und als
freier Schriftsteller in Magdeburg lebte. Die Jahre 1911 – 1920 waren seine lit. Blütezeit. In Hitler Ära erhielt er Schreibverbot und emigrierte in die
Schweiz. Er schrieb über 60 express. Dramen. Seine Dramen entwickelten sich nicht zum bloßen Schau-Spiel, sondern zum Denk-Spiel. Seine
Kariere begann er 1911 mit der Veröffentlichung der Jüdischen Witwe. Berühmt wurde er 1917 durch die Uraufführung des Dramas Die Bürger von
Calais. Kaiser bearbeitete die Eroberung der franz. Stadt Calais durch Edward III. 1347. Die Engländer belagern Calais und der englische König
stellt die Bedingung für den Frieden: 6 Bürger sollen sich freiwillig ausliefern. Als sich aber 7 Bürgern opfern wollen, begeht einer von ihnen,
Eustache de Saint-Pierre, den Selbstmord, um jedem die sinnvolle Selbstaufgabe zu ermöglichen. Die unnütze Tat wird Beispiel für die Tat an sich,
die zum existentiellen Neubeginn führt. Dieses Ereignis bewegt den Kaiser zum Verzicht auf seine Forderung. Der „neue Mensch“, der bei Kaiser
von Nietzsche beeinflusst war, wird hier in seinem Entwicklungsprozess in der symbolischen Gestalt des alten Eustache de Saint-Pierre gezeigt
(häufiger sind es junge Menschen bei anderen Autoren). Es wird in diesem Ideendrama die Selbstaufopferung zugunsten der Allgemeinheit und nicht
aus persönlichen Gründen demonstriert. Neu ist dabei die knappe Sprache, die sich auf das Wesentliche beschränkt, Sätze sind nicht beendet, Verben
stehen oft allein.
Kaisers Trilogie Die Koralle, Gas und Gas. Zweiter Teil beschreibt die Tragik dieser neuen Identität. Der Untergang der Menschheit ist
unvermeidlich. Der einzelne versinnbildlicht diese Tatsache mit seinem Opferbewusstsein. Auch die Komödien Von Morgen bis Mitternacht,
Kanzlist Krehler und Nebeneinander verweisen auf diese Problematik. Der wandlungsfähige einzelne scheitert an einer unwandelbaren Welt. 1933
wurden seine Stücke von Hitler verboten. 1938 emigrierte er in die Schweiz, starb 1945 in Ascona.
Ernst Toller stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, studierte Jura. In den 1. WK ging er als Freiwilliger, 1916 wurde er schwerverletzt und
entlassen. Er war eine der führenden Persönlichkeiten der Münchner Räterepunblik. Nach der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten 1919
wurde er zum Vorsitzenden der bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Nach dem Sturz der Rätereupblik wurde er zu 5 Jahren Gefängnis
verurteilt. Anschließend lebte er in Berlin. Toller emigrierte 1933 nach Amerika, nahm sich 1939 in New York das Leben.
In der Nachkriegszeit vollendete er sein erstes Drama Die Wandlung. Das Ringen eines Menschen. Eine gegen Krieg, Elend und Hass gerichtete
geistige Tat vereint die Völker in seiner Visionen. Seine wichtigen Dramen: Masse Mensch, Der entfesselte Wotan, Hinkemann. In Masse Mensch
kommen das Erlebnis des Krieges und die Kritik am menschenfeindlichen Geschehen zum Ausdruck. Die Hauptfiguren sind der Namenlose - der
Mann und eine Frau. Sie müssen entscheiden, ob soziale Veränderung durch unblutigen Streik (Frau) oder durch Revolution (Namenloser) erreicht
werden kann. Dabei zeigt Toller, dass er jede Gewaltanwendung ablehnt. Stationendrama.
Carl Sternheim schrieb sozialkritische Dramen, die alle satirischen Unterton haben. Er hatte versucht dem philisterhaften Bürgertum den Spiegel
vorzuhalten. Die Helden der Stücke sind die gelassenen Einzelnen, die stolz auf die eigene Person sind. Die Figuren werden bei ihm typenhaft
charakterisiert, sie sprechen eine oft bruchstückhafte Sprache. Die Tetralogie Aus dem bürgerlichen Heldenleben enthält Die Hose, Die Kassette,
Bürger Schippel und Der Snob.
Wichtig für Sternheim war seine Freundschaft mit Wedekind und Hofmannsthal. In der Nachkriegszeit lebte er in D. und in der Schweiz. Nach einer
schweren Nervenkrankheit und der Scheidung mit seiner zweiten Frau heiratete er Pamela Wedekind und zog nach Brüssel, wo er auch starb.
Walter Hasenclever arbeitete zusammen mit Werfel und Pinthus im Kurt-Wolff-Verlag. Dort erschienen 1913 seine Gedichtsammlung Der Jüngling
und 1914 sein Drama in fünf Akten Der Sohn. Hasenclever schrieb zur Erstaufführung dieses Spiels in Prag „es sei die Menschwerdung“. 1917
erhielt H. für seine im selben Jahr erschienene Antikriegstragödie Antigone den Kleist-Preis. Sie wurde noch 1917 in Leipzig uraufgeführt. Thema
des Stückes ist die „Rebellion des Herzens“ für ein befreites Menschentum. Auch im Schauspiel Die Menschen appelliert H. an die Logik des
Herzens. Der Zuschauer müsse versuchen, sich in das Stück zu verwandeln, müsse am eigenen Leib die magische Kette von Blut und Wahnsinn,
Liebe, Hass, Hunger, Geld und Gewalt empfinden. So verliere er die Logik des Jahrhunderts und gewinne die Logik des Herzens. Besonders
erfolgreich waren seine Komödien, die er nach 1926 schrieb: Ein besserer Herr, Napoleon greif an. H. nahm sich 1940 im Internierungslager bei
Aix-en-provence das Leben
Prosa: Der Roman spielte im E. eine nicht sehr bedeutende Rolle. Die express. Prinzipien aplizierten sich schlecht in der Epik. Trotzdem entstanden
berühmte epische Werke dieser Zeit: Alfred Döblins Die Ermordung einer Butterblume, Franz Kafkas Erzählungen Das Urteil, Die Verwandlung
und In der Strafkolonie. Die Romane, die kaum noch bekannt sind, schrieben Carl Einstein und Alfred Kubin.
Frank Wedekind
FW wurde in Hannover 1864 geb. Sein Vater, Ersatz-Abgeordneter im Frankfurter Parlament war 1849 als Arzt in die Vereinigten Staaten
ausgewandert und hatte dort die Schauspielerin Emilie Kammerer geheiratet. Ihr Vater als politischer Verschwörer wurde 1830 in einer Festung
geschlossen, wo er die Phosphorstreichhölzer erfunden hatte, dann eine chemische Fabrik gründete und in „vollkommener Geistesumnachtung“ im
Irrenhaus starb.
Benjamin Franklin W. wuchs auf dem Schloss Lenzburg in der Schweiz aus. Bereits als Gymnasiast schrieb er Gedichte und szenische Entwürfe.
Nach dem Abitur begann er an der UNI in Lausanne und München nach dem Wunsch des Vaters Jura studieren. Er neigte aber immer mehr zur Lit.,
bildenden Künsten und Musik und studierte die Germanistik. Hier wurde er mit den naturalistischen Programm bekannt gemacht. 1886 sperrte der
Vater die finanziellen Zuweisungen für den „Bummelstudenten“, der sich sein Geld in der Züricher Firma Maggi verdienen muss.
1887 knüpfte FW Kontakte zu Gerhart Hauptmann. Nach dem Tod des Vaters 1888 kann W. über sein Erbteil verfügen. Er vertieft die
Verbindungen zu anderen Schriftstellern. Es entstehen seine ersten Werke, die im bewussten Gegensatz zum Naturalismus stehen. Sein Hauptthema
ist die Befreiung er natürlichen sinnlichen Liebe. Er kämpfte gegen die körperfeindliche Pseudomoral, gegen alle Versuche, das Triebhafte zu
zähmen. Berühmt ist sein Satz: „ Das Fleisch hat seinen eigenen Geist.“ FW war ein Anarchist, Provokateur, machte Skandale, wegen der
Majestätsbeleidigung geriet er sogar ins Gefängnis, verteidigte die Außenseiter der Gesellschaft. Schrieb Theaterstücke, Erzählungen, groteske
Gedichte, Liedertexte für das Kabarett.
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1891 übersiedelte nach Paris, wo er bis 1895 das Leben eines Bohémien führte 1891 entstand sein Werk Frühlings Erwachen. Eine
Kindertragödie. Er handelt vom Unverständnis der Erwachsenen gegenüber der erwachenden Sexualität der Kinder, von Tod und Selbstmord und
von einem Herrn, der den Schüler Melchior an Wendlas Grab an die Hand nimmt und ins Leben führt. Wedekind klagte die Moral der Eltern an, die
die Kinder in den Tod treibt: Unter Moral verstehe ich das reele Produkt zweier imaginärer Größen. Die imaginären Größen sind Sollen und
Wollen. Das Produkt heißt Moral und lässt sich in seiner Realität nicht leugnen. Drei junge Gymnasiasten Berta Bergmann, Melchior Gabor und
Moritz Stiefel werden mit ihrer biologischen Reife konfrontiert, ohne Informationen darüber von den Eltern zu bekommen. Berta und Melchior (der
beste Schüler) lieben sich und ihre Liebe bleibt nicht ohne Folgen. Moritz (einer der schlechtesten Schüler) erschießt sich, weil er nicht in diese Welt
passt. Melchior wird nach der Entdeckung aus der Schule ausgewiesen und in die Besserungsanstalt geschickt. Berta wird schwanger, stirbt an einen
Eingriff. M. flüchtet, versteckt sich auf dem Friedhof, wo er ihr Grab entdeckt. M. möchte nicht mehr leben. Es erscheint ein Herr (Autor), der ihn
zum Leben überzeugt. Zum erstenmal wurde das Stück verboten, heute oft gespielt.
In Paris begann er die Arbeit an Die Büchse der Pandora. Eine Monstertragödie in fünf Akten, die er später zu dem zweiteiligen Lulu-Drama Der
Erdgeist und Die Büchse der Pandora erweiterte. Die beiden Teile zeigen den Sexualtrieb als zerstörende Kraft. Lulu ist eine völlig ungehemmte und
leidenschaftliche Frau, eine Inkarnation des „ewigen Weiblichen“. Sie ist das „wahre Tier, das wilde, schöne Tier“. Lulu denkt nicht nach, sondern
handelt. Die Männer ihrer Umgebung verstehen sie nicht und gehen an ihr zugrunde. Als Lulu ihre Triebhaftigkeit aufgibt, wird selbst ermordet. FW
kritisiert die gesellschaftliche Unmoral.
Man kann sich nicht wundern, dass seine Werke häufig zu den Theaterskandalen und Problemen mit Zensur führten.
Er wurde zum ständigen Mitarbeiter an der Zeitschrift Simplicissimus, sein Geld verdiente auch als Dramaturg, Regisseur und Schauspieler. Seine
Gedichte zur Palästina-Reise Wilhelms II, die er in dieser Zeitschrift veröffentlichte, führten zur Anklage wegen Beleidigung der kaiserlichen
Majestät. Er wurde verurteilt und erst nach einem halben Jahr Festungshaft im März 1900 entlassen. Stets in Geldnot arbeitete er weiter als
Schauspieler und 1901 schließt sich dem gerade gegründeten Münchener Kabarett „Elf Scharfrichter“ an.
In dem satirischen Einakter Der Kammersänger und dem Hochstapler-Drama Der Marquis von Keith analysierte er das Verhältnis von Kunst und
Kommerz. In den Tragikomödien So ist das Leben und Hidalla stellt er die Diskrepanz zw. dem weltverbessernden Anspruch seiner Bühnenwerke
und dem Missverständnis der Öffentlichkeit dar.
Aus seiner Theater-Erfahrung entsteht ein dramaturgisches Konzept, das sich gegen den naturalistischen Stil der Stücke G. Hauptmanns wendet.
Nach der Berliner Erstaufführung des Erdgeistes 1902 schrieb Friedrich Kayssler begeistert: Sie haben die naturalistische Bestie der
Wahrscheinlichkeit erwürgt und das spielerische Element auf die Bühne gebracht. Obwohl er bei seinen Stücken aus der Ästhetik des 19. Jh.
herauskam, weist er mit den schräg überschnittenen Dialogen auf das absurde Theater der Surrealisten voraus. Nicht immer gelang ihm dieses
Verfahren, doch Karl Kraus und der Regisseur Max Reinhardt setzten sich für ihn ein. Nach der Heirat mit einer Schauspielerin nahm er seinen
Wohnsitz in München und galt dort als einer der Protagonisten des lit. Lebens.
Während des 1.WK entstanden Dramen Bismarck und Herakles, in denen er das Thema des Kampfes der Geschlechter, der vitalisierenden und
zugleich tödlichen Kraft des Eros darstellte. Das Ende des Krieges erlebte er nicht, er starb an die Folgen einer Operation.
Franz Kafka
Sein tschechisch-jüdische Vater stammte aus der Provinz und hatte nach der Heirat mit einer wohlhabenden Deutsch-Jüdin in Prag ein Geschäft für
Kurzwaren und Modeartikel gegründet. Kafkas Leben stand unter dem gefürchteten Einfluss seines Vaters. Er studierte am humanistischen
Gymnasium dann studierte Jura. 1907 hatte FK mit Examen und Doktordiplom alle Voraussetzungen für den Staatsdienst. Im Gegensatz zu anderen
Autoren des sog. Prager Kreises (Max Brod, Oskar Baum, Willy Haas) hat FK noch nichts veröffentlicht.
Als er zu schreiben beginnt, bring es ihm Glück. Aber seine Werke sind fast immer autobiographisch – er litt unter der Autorität seines Vaters.
Daraus folgen Widerwille und Widerstand gegen ihre Veröffentlichung, die bis zur Vernichtung des Geschriebenen führen. Deswegen wurde das
Werk Kafkas erst nach seinem Tod im vollen Maße bekannt. Schon seine älteste erhaltene Erzählung Beschreibung eines Kampfes formt seine
späteren Themen: Isolation, Misslingen, Scheitern, Rettungsversuche, Verwandlungen und Tiermetaphern. Es geht um die Verlorenheit und
Einsamkeit eines Menschen.
Von seiner ersten Stelle in einer privaten Versicherungsgesellschaft wechselte er 1908 zur halbstaatlichen Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt in
Prag, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Bald erhielt er leitende Stellung in ihrer wichtigsten technischen Abteilung. In diesen Jahren begegnete
er der polnisch-jüdischen Theatergruppe, die mehrmals in Prag gastierte. FK faszinierten ihre jiddische Sprache, östjüdische Religiosität. Die
jiddischen Schauspiele bereiten den Durchbruch zum eigentlichen Schreiber vor.
1912 entsteht in einer Nacht das Urteil. Es wird nach einer öffentlichen Lesung sofort erkannt als Durchbruch eines überraschend großen,
leidenschaftlichen und disziplinierten Talents. Gewidmet ist es Felice Bauer, mit der er eine ihm zerreißende Beziehung hatte. Juni 1914 kam es zur
Verlobung, im Juli wurde sie gelöst, 1917 erfolgte eine zweite Verlobung, im Dezember endgültige Trennung, vorgeblich wegen seiner ErkrankungDen Ausbruch einer offenen Lungentuberkulose sah FK selbst als befreiende Folge der Auseinandersetzung mit Felice. Kurz nach dem Urteil
entstanden Erzählungen Die Verwandlung und Der Heizer. In diesen Novellen führt der Schuldspruch des Vaters zum Tod des Sohnes.
In der Verwandlung erwacht der Sohn, der als Ernährer der Familie die Rolle des Oberhaupts übernommen hat, eines Morgens als „ungeheures
Ungeziefer“. Der Vater kann seine Autorität zurückgewinnen, der Sohn wird allmählich eins mit seiner Mistkäfer-Gestalt und weiß, dass er
verschwinden muss. Eine Putzfrau wirft seine Überreste in den Müll. Es ist weitgehend autobiographisch, es hängt mit der Position Kafkas in seiner
Familie, mit der er nicht kompatibel war. Die Familienmitglieder sind Bürger, er ist ein Künstler. Kafka, der einzige Sohn der Familie war, sollte die
Familienfirma übernehmen, aber er war nicht fähig dazu. Das führte zu den Konflikten mit dem Vater. Die Novelle ist eine Art der Abrechnung mit
ihm. Die Mutter liebte ihn, das widerspiegelt sich auch in dieser Novelle, aber sie hatte Angst vor dem Vater und gab früh auf. Am liebsten hatte ihn
seine jüngere Schwester ( er hatte mehr Schwester), deswegen kommt in die Novelle nur sie als Geschwister. Die plötzliche Verwandlung Georg
Samsas in den Käfer, dieses radikale Anderssein ist eine Parodie auf die express. Verwandlung in einen neuen Menschen (FK wurde geirrt mit
seinen Verwandlungen und Tiermetaphern als Expressionist bezeichnet). Seit seiner Wandlung gilt Georg nicht mehr als Subjekt, sondern als
Objekt, zu dem jeder seine Stellung einnimmt. Georg verhungert, das widerspiegelt Kafkas Verhungerung durch den Kehlkopfkrebs. Er wird in den
Müll geschmissen, nicht wie normale Menschen beerdigt.
Der Roman Der Verschollene, dessen erstes Kapitel als Fragment Heizer erscheint, bleibt unvollendet wie viele seiner Werke.
Im 1.WK wurde FK vom Kriegsdienst freigesprochen. 1914 vollendet er die zeitkritische Novelle In der Strafkolonie. Es entsteht ein neuer Roman
Der Prozess und bleibt bis 1925 liegen. Er entstand während der Zeit der Trennung mit Felice. Er stellt den Bankbeamten Josef K. dar, der im
Auftrag eines imaginären Gerichts verhaftet und schließlich ohne erkennbaren Grund zum Tod verurteilt wird. „Fräulein Bürstner“, Ursache der
Verhaftung K., verweist hier mit ihrn Initialen auf Felice Bauer. Josef K. ist aus seiner gewohnten Umgebung gerissen und beginnt verzweifelt die
Selbstrechtfertigung, die misslingt. FK benutzt die Technik der „erlebten Rede“, die dem Leser die Möglichkeit zur Identifikation bietet.
Als seine Landarzt-Erzählungen 1919 als Buch mit der Widmung „Meinem Vater“ erschienen, sind sie eine Art positiver Abrechnung mit dem
Vater. FK hatte keinen Glück mit den Frauen, seine dritte Ehe scheiterte.
1922 entstand sein dritter Roman Das Schloss.
Sofort nach der frühzeitigen Pensionierung arbeitete er an der Erzählung Forschungen eines Hundes. Wiederholt erwägt er die Übersiedlung nach
Palästina. 1923 trifft er an der Ostsee die etwa zwanzig Jahre alte Ostjüdin Dora Diamant. Mit ihr verbrachte er sein letztes Halbjahr, fühlte sich gut
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und zart behütet. Mit hier geht er nach Berlin. Die sich verschlimmernde Krankheit lässt ihn mitten im wilden Berlin wie auf einer Insel leben.
Hier entstehen Bau und späteste Erzählung Josefine die Sängerin. 1924 geht er zurück nach Prag und im derselben Jahr stirbt.
Friedrich Dürrenmatt
FD stammt aus der Familie eines protestantischen Pfarrers, studierte in Zürich und Bern Literatur, Philosophie und Naturwissenschaften. Er bildete
sich zum Hobby-Philosophen, las Werke von Kierkegaard, Schopenhauer und Nietzsche. Er schwankte zw. dem Beruf eines Malers und eines
Schriftstellers und malte und zeichnete ein Leben lang. Theater war für ihn eine „Verbindung zw. Malerei und Schreiben“.
Er hat kritisch das Weltgeschehen verfolgt, das für ihn auch das gesamte kosmische Geschehen einschließt und schleudert seine einfallsreichen, aber
stets bösen Beschimpfungen in Form von Theaterstücken, Romanen, Hörspielen und Erzählungen unter die Leute, um sie aus ihrem Alltag
aufzuschrecken. Er versucht der Welt den Spiegel vorzuhalten. Die Astronomie, eines seiner wichtigsten Hobbys, beweist nur, dass der Kosmos aus
lauter Katastrophen besteht. Und wenn schon der Kosmos nur aus Chaos besteht, vermag er nicht einzusehen, warum die Menschen mit ihrer
schönen Erde nicht behutsamer umgehen, warum sie nicht den blauen Planeten als die große Ausnahme unter kosmischen Wüsteneien erkennen.
Sein Frühwerk steht unter dem Eindruck des gerade vergangenen Faschismus als „Ergebnis“ einer sich human und zivilisiert entwickelnden
Kulturnation. Und diese hinterließ nichts anderes als die Atombombe, die zusammen mit der Überrüstung niemanden mehr aus lässt. Deshalb spielen
fast alle Stücke FD auch im globalen Rahmen und mit kosmischen Ausblicken, z.B. Physiker, Meteor, Porträt eines Planeten. D. fordert den
„mutigen Menschen“, der die Welt aushält, wie sie ist, und nur noch im „Kleinen“ wirken will, wie der König Augias in der Komödie Herkules und
der Stall des Augias, der auf dem Mist, der die Welt bedeutete, einen Garten „Eden“ für sich selbst angelegt hat, indem er den Mist als Humus nutzt.
1947 , in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, heiratete er die Schauspielerin Lotti Geißler, mit der er drei Kinder hatte. Er arbeitete gelegentlich im
Kabarett, schrieb Kriminalromane, die sein notwendiger Gelderwerb erzwungen. Später arbeitete er am Theater, zuerst in Basel, dann in Zürich.
1981 lies er sich – zum Anlass seines 60. Geburtstages – mit einer 30-bändigen Werkausgabe als Klassiker ehren. 1982 starb seine Frau, 1985
heiratete er die Filmmacherin Charlotte Kerr, die einen Vierstunden-Film über ihn gedreht hatte.
FD begleiteten auch Skandale, sporadisch machte er Angriffe gegen Kollegen und v.a. gegen Kritiker, z.B. 1970 nannte er Hans Habes Kritik an
Harry Bukowitz Schweinerei, Carl Zuckmayers Werk für Scheiße, Günter Grass für zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben oder Max
Frisch für einen Autor der Fehlleistungen. Dabei lies er sich selbst ansonsten gut, trotz Diabetes und zweier Herzinfarkte war er ein gewaltiger
Rotweintrinker und guter Esser. Sein bester Freund war Hotelier und Koch, er selbst war ein guter Koch.
Seine Komödie Die Ehe des Herrn Missisippi wurde 1952 in München uraufgeführt. Sie benutzt Elemente der Kriminalkomödie, spielt in einem
Biedermeierzimmer und behandelt die Gegenwart. Florestan Missisippi ist ein fanatischer Kämpfer für die Gerechtigkeit, für die er sogar Verbrechen
begeht. Dürrenmatts Romane Der Richter und sein Henker (1952) und Der Verdacht (1953) sind leicht lesbare und spannungsgeladene
Kriminalromane. Beide haben einen aktuellen Hintergrund. Der Verdacht thematisiert die Vermutung des Detektives Bärlach, der Leiter eines
Zürcher Sanatoriums sei Arzt in einem Konzentrationslager gewesen.
1956 erschien Der Besuch der alten Dame, eine „tragische Komödie in drei Akten“. In diesem Stück spielt die Gemeinde, der „Kleinstaat“, eine
wichtige Rolle, deswegen hat man es als ein sehr schweizerisches Stück bezeichnet. Das verarmte Dorf Güllen wird von einer amerikanischen
Milliardärin besucht, die in diesem Dorf geboren wurde. Sie bietet der Gemeinde finanzielle Hilfe, fordert dafür aber den Tod ihres Jugendgeliebten.
Er schickte sie vor vielen Jahren fort, als sie ein Kind von ihm erwartete. In Güllen wird dieser Handel zunächst mit Schrecken abgelehnt, dann siegt
aber doch das Geld über die Moral. Der Geliebte ist zum Schluss derjenige, der sich opfert.
1962 erschienen Physiker - eine „Komödie in zwei Akten“. Das Thema ist die Verantwortung der Wissenschaftler vor der Menschheit. Der Physiker
Möbius, ein naturwissenschaftliches Genie, hat sich in eine Irrenanstalt zurückgezogen und hat die Aufzeichnungen seiner Entdeckungen auf dem
Gebiet der Kernphysik verbrannt, damit sie nicht zur Vernichtung der Menschheit missbraucht werden könnten. Zwei Agenten, in Wahrheit auch
Physiker, sind Möbius auf der Spur, sie gelangen ebenfalls in Wahnsinn. Der eine ist Newton, der andere Einstein. Die Krankenschwestern, die
Verdacht haben, werden ermordet. Zum Schluss erklärt die Leiterin der Anstalt, sie habe alle Unterlagen kopiert, bevor Möbius sie verbrannte, die
Physiker seien ihre Gefangenen. Sie können den Missbrauch ihrer Forschungsergebnisse nicht mehr verhindern. Die wirklich Verrückte ist also die
Leiterin der Irrenanstalt.
FD schrieb den 1989 veröffentlichten Roman Durcheinandertal. Zwiesprache mit Gott, der einen zweiten Gott neben sich hat, und der mörderische
Konflikt zw. Gut und Böse, Erschaffung und Vernichtung sowie die Verknüpfung von entlegensten Schauplätzen ergeben ein monströses
Weltpanorama, in dem die Suche nach Gott mit dem Untergang des Protagonisten Moses ebenfalls als Vision untergeht. Im Roman Justiz aus dem
Jahr 1985 geht es um den unauflösbaren Konflikt zw. der Gerechtigkeit und der Pragmatik der Justiz. Ein Jahr später erschien die Novelle in 24
Sätzen Der Auftrag oder Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter. Die Handlung spielt in der nordafrikanischen Wüste ab, wo Agenten
waffenexportierender Länder sich bei den Tests gegenseitig nicht aus den Augen lassen, keiner bleibt unbeobachtet.
Gottfried Benn (1886-1956)
Gottfried Benn stammte aus einer protestantischen Pfarrerfamilie. Seine Mutter Caroline war eine Erzieherin aus der romanischen Schweiz und
Vater Gustav stammte aus Preußen. Er ist in Sellin (Neumark) aufgewachsen. Der autoritäre und orthodoxe Vater hinderte ihn, der qualvoll an Krebs
sterbenden Mutter beizustehen. Sein Liebesleben war auch unglücklich: 1922 starb seine erste Frau, 1929 stürzte sich die Schauspielerin Lili Breda,
mit der er befreundet war, in den Tod, 1938 nahm sich seine zweite Frau Herta von Wedemeyer aus Angst vor den Russen das Leben. Gottfried
Benn studierte Theologie und Philologie, später Medizin in Berlin. In Berlin hat er bis auf wenige Jahre sein Leben zugebracht, als abgebrochener
Theologe an der Militärärztlichen Akademie, dann als Psychiater, Pathologe in Charlottenburg, ab 1917 bis 1935 als Facharzt für Haut- und
Geschlechtskrankheiten. Im 1.WK und 2.WK war er Militärarzt. Eine Wende für ihn war 1932 die Berufung in die Preußische Akademie der Künste.
Zunächst sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, doch bald zog er davon ab und kehrte in die innere Emigration. Im Winter 1933 wurde er von
der Liste attestberechtigter Ärzte gestrichen, 1938 erhielt er Schreibverbot. Benns express. Gedichte waren am radikalsten nihilistisch und destruktiv.
Seine schockierenden Themen Krankheit, Zerfall und Tod wurden im provozierenden Stil aus einer Verbindung von pathetischem Worten mit kalter
Wissenschaftssprache und banalem Alltagswortschatz gestaltet. Seine express. Gedichtsammlungen Morgue und Fleisch veröffentlichte er 1912 und
1917. Man nennt sie auch Patologielyrik. Sie enthalten Gedichte aus der Welt des Arztes, die tiefen Ekel an der Welt ausdrücken (Mann und Frau
gehen durch die Krebsbaracke, Negerbraut, Kleine Aster).
Außer der Lyrik schrieb Benn auch Novellen. 1916 erschien sein Novellenband Gehirne. Ein Mediziner versucht auf dem Weg der anatomischen
Untersuchung von über zweitausend Gehirnen das Geheimnis des menschlichen Bewusstseins zu lösen. Sein Scheitern führt zur Ich-Auflösung, zum
Zerfall des individuellen Bewusstseins, zur völligen Apathie. In der Novelle Diesterweg führt der Zwiespalt zw. Arzt- und Dichterberuf ebenfalls zu
einem selbstzerstörenden Zweifel an Gott und den Menschen.
Mit dem Beginn 20-er Jahre wandte sich GB anderen Ausdrucksformen zu. In den Sammlungen Schutt und Betäubung spiegelt sich das Thema der
Ich-Isolierung, der Entpersönlichung und der Identitätserfahrung wider.
Seine späteren Essays setzten sich v.a. für Hitler und Nationalsozialismus, in denen er eine neue Ordnung sah. Dann erkannte er diesen Irrtum. Zum
europäischen Ansehen gelangte er doch noch, 1951 wurde ihm der Georg-Büchner-Preis verliehen, 1952 vertrat er D. auf der Biennale Internationale
de Poésie. Starb 1956.
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Günter Grass
GG wurde durch seinen Roman Blechtrommel 1959 über Nacht zu einer nationalen, bald auch zu eine internationalen Berühmtheit. Wie er 13 Jahre
später schrieb, war er ein Ereignis, das ihm sein Leben so drastisch veränderte.
GG wurde in Danzig 1927 geb., besuchte das Gymnasium, bis er nach dem Ausbruch des 2. WK als Luftwaffenhelfer und später als Panzerschütze
einberufen wurde. 1945 geriet er in amerikanische Gefangenschaft. Nach dem Krieg studierte er Bildhauerei und Graphik in Düsseldorf und Berlin.
Daneben schrieb er seine ersten Gedichte und Kurzprosa. Auch später, als er längst freier Schriftsteller war, kehrte er in Vorbereitungsphasen seiner
Großwerke wie Butt und Rättin immer wieder zu Graphik und Bildhauerei.
1954 heiratete er Schweizer Ballettstudentin, mit der er später zwei Kinder hatte. Seit 1955 war er Mitglied der Gruppe 47. Ein Jahr später zog er
nach Paris, wo er die Hauptarbeit am Blechtrommel-Manuskript leistete. Er machte mehrere Polenreisen, während deren er diesen Roman
vollendete. Der Protagonist Oskar Matzerath schreibt in einer westdeutschen Irrenanstalt seine Erlebnisse zw. 1930 und 1950 auf. Er ist in Danzig
aufgewachsen und hat mit drei Jahren beschlossen, nicht mehr zu wachsen. Seine Kennzeichen sind die Blechtrommel, von der er sich auch später
nicht trennen kann, und die Fähigkeit, mit seiner Stimme Glas zu „zersingen“. Oskar beobachtet seine kleinbürgerliche Umwelt aus der
Froschperspektive, ist weder am Tod seiner Mutter, noch am Tod seiner „mutmaßlichen Väter“ unschuldig und geht nach dem Krieg verschiedenen
Berufen nach, bis er in einer Irrenanstalt landet. GG macht im Roman Angriffe auf moralische, religiöse und sexuelle Tabus und stellte aus der
verzerrten Perspektive Oskars die groteske und verzerrte Wirklichkeit während der Kriegs- und Nachkriegszeit dar. Er verwendete häufig den
ostpreußischen Dialekt.
1960 kehrte das Ehepaar zurück nach Berlin. Auf Blechtrommel folgten die Novelle Katz und Maus und der Roman Hundejahre. Zusammen ergeben
sie die Danziger Trilogie. Hundejahre stellen die Vorkriegszeit, Kriegszeit und Nachkriegszeit dar. Den Rahmen bildet der Werdegang von vier
jugendlichen Freunden, der in immer groteskere Schilderungen ausgeht. Der barocke Sprachstil wechselt mit Dialektszenen, zeitkritischen
Allegorien und Parodien.
Die Angriffe an Brandt, den Kanzlerkandidaten der SPD und Bürgermeister von GGs neuer Heimat führten zum ersten politischen Engagement im
Jahre 1961. In folgenden Wahlkämpfen hat er in eigener Regie und auf eigene Kosten über 50, später weit über 100 Wahlveranstaltungen für die
SPD in ganz D. durchgeführt – gegen die „Restauration“, für mehr Demokratie, soziale Gerechtigkeit, für eine Aussöhnung mit Polen und Israel.
Wenn er sein schriftstellerisches Werk und ein politisches Handeln bisher säuberlich voneinander trennte, seit dem Wahlkampf 1969 vermischte sich
beides. Seine Werke wie Die Plebejer proben den Aufstand, Örtlich betäubt oder Aus dem Tagebuch einer Schnecke sind stark von den
gleichzeitigen politischen Auseinandersetzungen geprägt.
Nach 1972 zog GG aus der Öffentlichkeit zurück. Gründe waren mehrere: das Scheitern seiner Ehe, die Geburt eines Kindes, die intensive Arbeit an
Butt, sowie seine Heirat mit einer Organistin. Während er in den 60er und 70er Jahren optimistisch für die Demokratie und soziale Gerechtigkeit
eintrat, in den 80er Jahren ersetzte dies eine tiefe Skepsis. Bereits Butt 1977 gestaltete das Ende aller positiven Zukunftsperspektiven. Er geht aus
von dem Märchenmotiv des Fisches (Butt), der Wünsche erfüllen kann und nun im 20.Jh. vor einem „Frauentribunal“ erklären muss, warum er bis
jetztausschließlich den Männern die Macht gab. Zeitlich spielt der Roman innerhalb der 9 Monate ab (die Zeit der Schwangerschaft), aber inhaltlich
umfasst er die ganze Menschheitsgeschichte. 1986 veröffentlichte er den Roman Die Rättin. Es ist ein apokalyptischer Roman, in dem er seinen
Alptraum vom Selbstmord der Menschheit und vom Untergang der Welt darstellte. Danach zog er für eine Weile nach Indien. Er schrieb den Werk
Zunge zeigen. Ein Tagebuch in Zeichnungen, Prosa und einem Gedicht. Zunge zeigen bedeutet in Indien ein Zeichen der Scham, die GG angesichts
des Reichtums in Europa und des grenzenlosen Elends in Teilen Indiens empfand.
Hans Fallada (Rudolf Ditzen)
Er wächst auf als ältester Sohn eines wilhelminischen Beamten, der Kariere machen will und schließlich zum Reichsgerichtsrat wurde. Die Familie
zog im Schatten seiner Kariere mit – über Berlin nach Leipzig. Die Erwartungen des Vaters ruhten auf seinem Ältesten, der aber kränklich, schwach
war, lernte schlecht, galt als Pechvogel und Versager. Kurz vor der Aufnahmeprüfung auf das Leipziger Gymnasium, die ihm die väterliche
Annerkennung bringen sollte, verunglücke er im April 1919 mit seinem Fahrrad und wurde schwer verletzt. Ein Vierteljahr musste er in der Klinik
verbringen. Er las die franz. Und russischen Realisten des 19.Jh., die er in der Bibliothek seines Vaters gefunden hat, heimlich auch Werke von
Friedrich Nietzsche und Oskar Wilde. Der ihn behandelnde Arzt stellte Anzeichen einer manifesten Hysterie fest.
Statt am Gymnasium zu studieren schließt er sich der Wandervogelbewegung an, sucht darin einen Ausweg, kommt aber mit einer schweren
Typhusinfektion nach Hause. Während er sich erholt, schreibt er obszöne Briefe an die Tochter eines Kollegen seines Vaters. Wird erwischt und man
verhindert sein Selbstmordversuch – er wollte sich mit dem Revolver erschießen.
Er will Schriftsteller werden, soll aber Jura studieren – wie sein Vater. Der 17-jährige wird nach Rudolstadt in Pension gegeben. Dort, im Oktober
1911, unter ungeklärten Umständen schießt er seinen Schulfreund ab und sich selbst mit zwei Schüssen schwer verletzt. Nach dieser Tat wird er in
die geschlossenen Anstalt Tannenfeld bei Jena gegeben, wo er die Bekanntschaft mit der Psychiatrie seiner Zeit, mit Streckbett, Isolationshaft und
starken Beruhigungsmitteln macht. 1913 wird er entlassen.
Nach dem Kriegsausbruch meldete er sich zum Stolz des Vaters als Freiwilliger, wurde aber schon nach wenigen Tagen entlassen. Er arbeitete sich
zum tüchtigen und kenntnisreichen Speziallisten für Kartoffelanbau, der in diesen Jahren wichtig war und es brachte ihm viel Geld. Er fuhr dann
nach Berlin, pumpte sich mit Alkohol und Morphium voll, bis er kein Geld mehr hatte. 1917 absolvierte die Entziehungskur.
Seitdem begann er zu schreiben, unterstützt durch ein kleines Stipendium seines Vaters. im Roman Der junge Goedeschal will er die Leiden seiner
Jugend loswerden. Der Roman erschien 1920 im Rowohlt-Verlag, nach dem Wunsch des Vaters unter dem Pseudonym, weil er nicht wider ins
Gerede kommen wollte. Seitdem schrieb er unter dem Namen HF. Der Roman war ein Misserfolg. Es folgten weitere Sanatorienaufenthalte, er zog
als Buchhalter vom Gut zu Gut, Abhängigkeit von Alkohol und Morphium blieb. Sein 2. Roman Anton und Gerda war wieder ein Misserfolg. Er
stahlt Geld und saß zwei und halb Jahr im Gefängnis. 1928 wurde er entlassen.
Er begegnete Anna Margarethe Issel, heiratete sie und sein Leben wenigstens nach Außen eine Ordnung bekam. Er wurde bei Rowohlt-Verlag
eingestellt und schrieb wie besessen. Als sein Roman Bauern, Bonzen und Bomben erscheint, wird er von der Kritik als bedeutender realistischer
Roman einer ziellos treibenden Republik bezeichnet.
1932 erschien Kleiner Mann – was nun?, der Roman, der das Elend der Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise darstellte und HF
weltberühmt machte.
Inzwischen kam der Nationalsozialismus zur Macht. Als 1934 der Roman über Patalien der Leute, die aus dem Gefängnis kommen mit dem Titel
Wer einmal aus dem Blechnapf frisst erscheint, dem im selben Jahr Wir hatten einmal ein Kind folgt, wird er angegriffen. Er denkt nicht daran, ins
Exil zu gehen, er will mit seiner Familie überleben und schreibt Kinderbücher und Märchen (Hoppelpoppel – wo bist du?), Drehbüchern und
Filmvorlagen. Als 1937 der Roman Wolf unter Wölfen von der Weltwirtschaftskrise von 1923 erscheint, war der damalige
Reichspropagandaminister bereit, das Buch verfilmen zu lassen. Rudolf Ditzen trankt und spritze Morphium weiter, lief hinter den Frauen hin. 1944
wurde seine Ehe geschieden. Während einer Entziehungskur schrieb er in kaum mehr als zwei Wochen Der Trinker, ein Dokument des menschlichen
und seinen eigenen Zerfall. Die Protagonisten sind Inneberg und Lähmchen, die ein Ehepaar sind. Er wird von einem Laden entlassen, weil dort nur
die Ledigen arbeiten können, weil der Besitzer seine Tochter heiraten will. Beide gehen nach Berlin. Er findet Arbeit in einem Kaufhaus, aber ist so
ungeschickt, das er ausgeschmissen wird. Sie ziehen in eine Wohnung am Rande Berlins, er ist arbeitslos, die Frau verdient für die ganze Familie.
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1945 heiratete er Ursula Losch, die ihm ähnlich war – Alkoholikerin, Morphinistin, lebenslustige und leichtfertige Frau und schrieb Werke auch
mit den antifaschistischen Themen (dieNovelle Jeder stirbt für sich allein). Der aus dem sowj. Exil zurückkehrende Johannes R. Becher fordert von
ihm die Mitarbeit an der demokratischen Erneuerung D., besorgt ihn mit Wohnung und Geld. Das alles geht sofort in die gewohnten Bahnen –
Alkohol und Morphium. 1947 ist er gestorben.
Hans Magnus Enzensberger
HME verbrachte seine Kindheit in Nürnberg, nach dem Krieg studierte er in Hamburg, Freiburg und Paris Literaturwissenschaften, Sprachen und
Philosophie. Das Studium beendete er mit einer Arbeit über Clemens Brentano. Er arbeitete im Rundfunk als Literaturkritiker. In seinem Essay Die
Sprache des „Spiegel“ untersuchte er die Moral und Masche eines dt. Nachrichtenmagazins. Typisch für diesen streitbaren Autor ist, dass er diese
Essay paradox in jener Zeitschrift veröffentlichte. Sein Essayband Einzelheiten stellt den Zusammenhang von Poesie und Politik dar und gilt als
wichtigste theoretische Arbeit des Autors. Wie sein romantisches Vorbild C. Brentano ist auch HME polyglott, gewandt, beherrscht sieben Sprachen
nahezu perfekt, übersetzte mehrere Autoren.
HME unternahm viele Reisen: nach Norwegen, Südamerika, USA. Sein schöpferisches Interesse verschob sich zu Mitte der 60er Jahre weiter von
der Lit. zur Politik. Sein Essayband mit dem bezeichnenden Titel Politik und Verbrechen beschäftigt sich mit einer menschenfeindlichen,
verbrecherischen Politik. Ebenfalls auch seine Gedichtsammlungen Verteidigung der Wölfe, Landessprache, Blindenschrift enthalten politisch
engagierte, kämpferische Gedichte. Mit Gründung seiner Zeitschrift Kursbuch ließ er sich in Berlin nieder, widmete sich ganz der politischen
Publizistik. Seine Zeitschrift entwickelte sich zur wichtigsten Z. der Neuen Linken. Während eines Kuba-Aufenthalt schrieb er das
Dokumentartheaterstück Das Verhör von Habana.
Zur Überraschung des Publikums veröffentlichte er in seiner Zeitschrift 1971 einen Lyrikband Gedichte, der neben den alten auch 30 neue Gedichte
präsentiert. Lakonisch und bissig nimmt er darin Abschied von den Illusionen der „Kulturrevolution“ der späten 60er Jahre. In seinen weiteren
Werken, in der Ballade Mausoleum, im Versepos Untergang der Titanic und im Gedichtband Die Furien des Verschindens nach langen Jahren der
politischen Lit. und Publizistik zu den lyrischen Formen zurück. Auch hier zeigt sich der Autor als trendsetzend und vorausschauend: die
apokalyptischen Visionen und die Lust am Untergang, die sich in den 80er Jahren in der Öffentlichkeit verbreiteten, nahm er gerade in der TitanicDichtung ironisch vorweg.
1980 gründete er in München, wo er dann lebte, die Zeitschrift TransAtlantik, seit 1985 gab er Andere Bibliothek heraus, in der er seine
Lieblingsbücher der Weltliteratur veröffentlichte.
Heinrich Böll
HB wurde als achtes Kind des Schreinermeisters Viktor Böll und seiner zweiten Frau Maria geb. Der Vater war beruflich erfolgreich. Seine Kindheit
charakterisiert HB als relativ heil, sehr frei und verspielt. Also ein „Kafka-Erlebnis“ hat er nie gehabt. 1930 wird seine heile Welt durch die
Weltwirtschaftskrise bedroht, die auch D. erreichte. Vaters Firma ging in Bankrott, die Familie musste danach in ständiger finanziellen Not leben.
Die Kinder wurden klassisch-katholisch erzogen und aufs Gymnasium geschickt. HBs beliebte Autoren sind deswegen nicht Bertold Brecht, Kurt
Tucholsky oder Heinrich Mann, sondern Friedrich Hölderlin und Heinrich von Kleist oder Paul Claudel.
HB hatte Glück, das sowohl seine Eltern als auch die Lehrer seiner Schule antifaschistisch besonnen waren. Er war nicht besonders guter Schüler,
1937 beendete er die Schule mit Abitur und begann die Buchhändlerlehre in Bonn, die er nicht beendete. 1939 entschied sich Germanistik und
klassische Philologie an der UNI zu studieren, als der Beginn des 2.WK seine Studienpläne zerstörte. HB leitstet den Kriegsdienst in verschienen
Ländern – in Frankreich, Sowjetunion, Rumänien, Ungarn und in Rheinland. Kurz vor Kriegsende entfernte er sich unerlaubt von der Truppe und
versteckte sich bei seiner Frau Annemarie, die er 1943 heiratete. Er geriet nach dieser Tat in die Kriegsgefangenschaft, nach dem Ende des Krieges
hat man ihn entlassen.
Zurück in Köln ging es HB sehr elend. Zwei Jahre war er unfähig, ein neues Leben zu beginnen. Seine Frau musste die Familie allein ernähren. In
dieser Zeit war er als Gelegenheitsarbeiter tätig und begann zu schreiben. Man hat ihm und seiner Generation die politische Inaktivität nach dem
Krieg oft vorgeworfen. Er währte sich dagegen. Seine, erste Nachkriegsgeneration musste sich, wollte sie ihren Ideen leben, aus dem Gebiet der
Politik auf das der Literatur begeben. Ihre Angehörigen – neben HB auch Alfred Andersch, Hans Werner Richter, Wolfdietrich Schnurre – nannten
sich das „junge D.“, sie unterschieden sich von der ästhetizistischen Lit. der „innerer Emigranten“ und auch von der Lit. der Exilierten, welchen die
Erfahrung von Diktatur und Krieg fehlte. Ihr Programm war festgehalten in der Zeitschrift Der Ruf, welche dazu dienen sollte, die Wiederkehr des
Faschismus zu verhindern. Ihr Programm bestimmte auch das Werk HBs:er bekannte sich zur „Trümmerliteratur“ und sah es als moralische
Pflicht, über die Kriegs- und die nachkriegszeit realistisch zu schreiben. Dieser Realismus zeigt sich in seinen zw. 1947 und 1950 entstandenen
Kurzgeschichten. Mit der Währungsreform 1948 begann, was HB mit Erschrecken feststellte: die Rückkehr des bürgerlichen Besitzdenkens. Seine
Lit. am Anfang 60er Jahre bewegte sich zw. Verzweiflung und Verantwortung, weil statt der sozialen Gebundenheit der Menschen eine Mentalität
des „Hast du was, dann bist du was“ herrschte.
1951 mit der satirischen Geschichte Die schwarzen Schafe begann er als Schriftsteller. Ein Jahr zuvor erschien noch sein Sammelband Wanderer,
kommst du nach Spa...Es sind kurze Geschichten, welche die Sinnlosigkeit des Krieges, die positiven Erfahrungen von Menschlichkeit in der Kriegsund Nachkriegszeit darstellen. Spa... soll Sparta heißen. Es ist ein Spruch aus einer griech. Geschichte. Es sagt ein Soldat, der inmitten des Satzes
getötet wird. Bekannt sind seine weiteren Werke: Gruppenbild mit Dame – Dame ist keine Dame. Es ist eine Frau, welche alle verachten. Ihr erstes
Fau paux war, dass sie sich im Krieg in einen russischen Gefangenen verliebte. Sie blieben in D., hatten einen Sohn. Das konnten die Deutschen
nicht ertragen. Nach dem Tod ihres Mannes verliebte sie sich in einen Türken!
Billard um halbzehn – über 3 Generationen der dt. Architekten. Am Anfang des Jahrhunderts baut der Großvater ein schönes Kloster. Sein Sohn
zerstört es im Krieg. Der Enkel soll es wieder aufbauen, aber er lehnt es ab – er ist ein Nonkonformist. Die Handlung spielt in einem Tag. Um
halbzehnt spielt der Großvater immer Billard.
Ansichten eines Clowns- der Protagonist ist ein Schauspieler Hans Schmier, der die Pantomime macht. Er ist krank und in seiner Wohnung
empfängt er Gäste. Er ist mit seinem Vater zerstritten. Der Vater ist ein reicher Mann und Hans hat Existenzprobleme. Obwohl ihm der Vater helfen
will, er lehnt ihn ab, weil der Vater solche Bedingungen hat, die er nicht erfüllen kann.
Seine Erfahrungen der Nachkriegszeit spiegeln sich in seinen Romanen. 1953 veröffentlichte er den Roman Und sagte kein einziges Wort. Hier
stellt er das von Kriegsfolgen, Wohnungsnot, Armut und Verzweiflung durchkreuzte Leben eines Elternpaares. In Haus ohne Hüter behandelt er das
Schicksal von Kindern, die im Krieg ihre Väter verloren und das Schicksal der Frauen, die ihre Männer verloren. Im Mittelpunkt stehen zwei jungen,
die verzweifelt versuchen, ihre Mütter zu verstehen und das eigene Leben zu begreifen. Gruppenbild mit der Dame ist dokumentarisches Bild von
der dt. Gesellschaft der 30er und 40er Jahre. Roman Wo warst du Adam über dem 2.WK. Adam ist der Symbol – es ist Jedermann. Antwort: Im
Krieg.
Seine Themen erweiterten sich: er protestierte gegen die Wirtschaftswundereuphorie, gegen politische Restauration und die Verbindung von
kirchlichen und staatlichen Machtinteressen. Seine Kritik ist urchristlich-konservativ. Die Werte wie Wahrheits-, Nächsten- und Friedensliebe
wurden durch den Totalitarismus der Konsum- und Mediengesellschaft zerstört. Die Bedrohung der individuellen Freiheit durch die Gewalt der
Massenmedien stellte er in der Novelle Die verlorene Ehre der Katharina Blum aus dem Jahr 1974 dar. Katharina Blum verliebt sich im Kölner
30
Karneval spontan in einen jungen Mann, von dem sie noch nicht weiß, dass er ein gesuchter Verbrecher ist. Sie schweigt bei zahlreichen
Verhören über den Aufenthaltsort ihres Freundes und erschießt zum Schluss einen allzu neugierigen und dienstbeflissenen Journalisten.
Er setzt sich auch für Minderheiten und Außenseiter der bundesdeutschen Gesellschaft ein, machte Reisen nach Irland, Rom, in die Sowjetunion und
in die USA. Böll war Mitglied verschiedener Künstlervereinigungen. 1972 wurde er bis dahin als einziger Deutscher mit dem Literaturnobelpreis
ausgezeichnet. Trotzdem warf man ihm seinen anachronistischen Moralismus, kleinbürgerlichen Provinzialismus und die Nichtbeherrschung der
formalen Errungenschaften des modernen Roman vor.
Heinrich Mann
Heinrich Mann war Bruder von Thomas Mann. Er wurde 1871 in Lübeck geb... Er sollte die Firma übernehmen, wollte es nicht, er war nicht fähig
das Abitur abzulegen. Er absolvierte die Buchhändlerlehre in Dresden und arbeitete danach im Samuel-Fischer-Verlag.
Nach dem Tod seines Vaters lebte H.M. als freier Schriftsteller 5 Jahre in München, Paris und Italien: 1893 – 1898. er studierte das italienische
Leben und bearbeitete es literarisch. Ähnlich wie andere Intellektuelle seiner Generation auch er war von Nietzches nihilistischen Philosophie
beeinflusst und vergeblich suchte den Ausweg aus dem dt. Imperialismus. Für eine kurze Zeit fand er die Befriedigung im Reisen in fremde Länder,
v.a. Italien. Es interessierte ihn die Welt der dämonischen Mächte, erotischen Motive und Romantik. Die Widerspiegelung dieser Periode sind seine
Romane: Die Göttinnen, Die Jagd nach der Liebe. Allmählich formte er sich zu einem Demokraten und Republikaner, während sein Bruder eher
konservativer Monarchist und unpolitischer Schriftsteller blieb. Das Vorbild für ihn war Frankreich. Er befasste sich mit der Frage der Macht.
Dabei ging er von der These: „Die Macht hat keinen Geist, die Geistigen haben keine Macht“ aus. Man sollte es umkehren: die Leute des Geistes
sollten in die Politik eingreifen. Er selbst engagierte sich im politischen Leben, nach 1918 wurde zum Vertreter der paneuropäischen Bewegung. Der
Hauptgedanke dieser Bewegung war das einheitliche Europa. Nach dem 1.WK kam es zur Bruderzwist zw. ihm und TM...Nach 1925 lebte H.M.
wieder in Berlin. 1930 wurde er zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste.
Als Hitler zur Macht kam, kämpfte H.M. gegen ihn und gegen den Nationalsozialismus. 1933 verließ er zusammen mit seiner jungen Frau Nelly
Deutschland und ging zuerst in die Tschechoslowakei, dann nach Frankreich. 1935 trat er auf dem Internationalen Kongress der Schriftsteller für die
Rettung der Kultur auf. 1940 mussten sie weiter nach Pyreneyen gehen, weil Hitler Frankreich okkupierte. Damals war er 70 Jahre alt. Zu Fuß
musste er durch die Bergen nach Spanien und Portugal. Thomas besorgte ihm das amerikanische Visum. In Amerika (Kalifornien) lebte er bis zu
seinem Tod. Er starb 1950, kurz vor der Rückkehr nach D. 1961 wurde seine Urne in Ost-Berlin beigesetzt.
H.M. schrieb Romane, Erzählungen, Essays und Theaterstücke. Seine ersten Versuche schrieb er im Geist des franz. Psychologismus. Die franz. Lit.
war für ihn das Vorbild. Sein erster berühmter Roman erschien 1900 und hieß In Schlaraffenland. Ein Roman unter feinen Leuten. (V krajine
hojnosti). Es spielt in Berliner Künstlerwelt ab. Der Protagonist Andreas zum See ist in seiner Provinz als guter Dichter bekannt und wird populär. Er
begibt sich nach Berlin, um dort die Kariere zu machen. Er kontaktiert sich mit Berliner Künstlern, findet eine Mezinin und wird berühmt, ohne
etwas zu schreiben. Bald wird diese Mezinin für ihn zu alt und findet eine jüngere Frau. Seitdem wird er niemand. Dieser Romans hat einige
Berührungspunkte mit Balzacs Werk „Die verlorenen Illusionen“. Balzac schildert ebenfalls einen jungen Menschen, der nach Paris geht und
scheitert. Andreas wird zum Belarmé (miláčik) und scheitert.
1903 erschien seine Trilogie Die Göttinnen. Oder die drei Romane der Herzogin von Assy. Diesem Werk liegt ein italienischer Stoff zugrunde. Im
Mittelpunkt stehen drei Göttinnen: Diana – die Göttin der Jagd und ungebundenes Lebens, Minerva – die Göttin der Künste und Wissenschaft und
Venus – die Göttin der Liebe.
1903 erschien auch sein Roman Die Jagd nach der Liebe, in dem er seine Schwester Karla, die Schauspielerin war, abgebildet hatte. Sie hat es
gelesen und es gefiel ihr.
Der Roman, der H.M. weltberühmt machte, hieß Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen und erschien 1905. es ist eine Schulgeschichte aus
der Wilhelminischen Zeit. Professor Rat, von seinen Schülern „Unrat“ genannt, will die Schüler bei etwas Schlechtem fassen. Er findet im Notizbuch
eines Schülers ein Gedicht, in dem der Name eines Lokals erscheint. Den Nachforschungen wegen geht er in dieses Lokal, wo er der Sängerin Lola
begegnet. Fasziniert von der „Halbwelt“ verlässt er seinen gesellschaftlichen Kreis und heiratet Lola. Es führt zu einem Skandal. Er muss das
Gymnasium verlassen, wird von der Gesellschaft verachtet und endet schlecht. Der Roman war eine scharfe Kritik des damaligen Schulsystems.
Andere Romane H.M. hatten keinen großen Erfolg. Erst sein Roman Untertan, den er noch vor dem 1.WK schrieb, aber erst 1918 veröffentlichte,
wurde weltberühmt. Er schließt die Reihe von Romanen aus Wilhelminischen Zeit ab. Es ist ein Roman gegen die dt. Kaiserei. Eine Ausgabe
gelangte während des Krieges nach Russland, wo er in Massen publiziert wurde. Der Protagonist Diederich Hessling ist ein Tyrann und Untertan
zugleich. Aus einem kränklichen Kind entwickelt er sich zu einem mit Kaiserorden geschmückten Mann. Er ist einerseits feige und kriecherisch
gegenüber den höher stehenden, er hat Ehrfurcht vor der Macht. Andererseits ist er grausam gegenüber den unten stehenden, denen er seine Macht
zeigt.
HM konzipierte den Roman als einen autobiographischen Roman. Er verfolgt die einzelnen Entwicklungsstufen des Lebens D. Hesslings, des
typischen Vertreter des Wilhelminischen Deutschlands. DH ist sich dessen bewusst, dass das Geld die soziale Stellung des Individuum bestimmt.
Deshalb kümmert er sich v.a. um seinen eigenen Profit und seine Interessen. Ohne irgendwelche moralische Hindernisse simuliert er die Krankheit,
damit er nicht einrücken muss, obwohl er die preußische Armee blind bewundert.
HM zeigt, dass in D. alles reguliert war: das Schulwesen, die Kirche, die Presse, das politische und kulturelle Leben, um die blind untertanen
Menschen zu erziehen. So war auch D. Hessling. Seine Amoralität äußert sich, als er als Hauptzeuge im Prozess gegen den liberalen Fabrikanten
Lauer zeugt. Für seine nationale Überzeugung bekommt er die Fabrik in Gausenfeld, wodurch sich ihm der Weg zur Macht eröffnet. In der
Ermordung eines jungen Arbeiters sieht er die heroische, nationale Tat. Für solche Einstellung mach HM das damalige Schulsystem verantwortlich.
Im Exil schrieb H.M. zwei Romane über dem franz. König Heinrich IV. : Die Jugend des Königs Henri Quatre, Die Vollendung des Königs Henri
Quatre. Heinrich IV. als historische Person gefiel sehr H.M. Er bemühte sich um ewigen Frieden in Europa. Das erreichte er nicht, wurde ermordet.
Der erste Roman über ihn ist ein moderner Ritterroman mit vielen Abenteuern, die dieser Mann absolvierte. Der zweite Roman ist ein Staatsroman.
H.M. wird auch als Novellist und Essayst geschätzt. Seine Essays erschienen im Buch Geist und Tat.
Hermann Broch
HB wurde 1886 in Wien geboren, nach dem Wunsch seines Vaters, eines jüdischen Textilgroßhändlers, absolvierte er ein Ingenieurstudium, nach
dem er als Assistenzdirektor in die väterliche Fabrik eintrat, die er ab 1915 leitete. Gleichzeitig begann er mit einem Studium der neukantianischen
Philosophie und Phänomenologie, publiziert erste literaturkritische und wertphilosophische Abhandlungen und verkehrt in den Literatenkreisen
Wiens, wo er Robert Musil und Georg Lukács kennen lernt. Allmählich zieht er aus dem Industriellenleben zurück und beginnt, 1925 an der UNI die
Fächer Mathematik und Philosophie zu studieren. In der Zeit des Studiums verkauft er die Fabrik und entscheidet sich endgültig für die Literatur.
1930/32 schreibt er sein erstes Werk, die Trilogie Die Schlafwandler welche die Teile Pasenow oder die Romantik, Esch oder die Anarchie und
Huguenau oder die Sachlichkeit umfasst.
1. Teil – es ist die Neuromantik am Ende des19.Jh gemeint
2. Teil – soziale Unruhen am Anfang des 20.Jh.
3. Teil – Situation nach dem 1.WK, die Ernüchterung
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Das Thema sind die Gründe der Entstehung des 1.WK und seine Wirkungen im menschlichen Denken und Handeln. Seiner Meinung nach, ist es
das Problem des Absolutheitsverlustes, das Problem des Relativismus, dür den es keine absolute Wahrheit, keinen absoluten Wert gibt. Der Prozess
des Wertverlustes hat mit dem 1.WK nur einen Höhepunkt, nicht seinen Abschluss erreicht. Die Protagonisten sind Menschen von unterschiedlichen
Charaktere: Pasenow ist ein Offizier in Berlin. Sein Vater ist ein Landbesitzer in Pommern, der mit seinem Sohn auch in Zukunft rechnet. P. verliebt
sich in Ružena, tschechisches Dienstmädchen. Große romant. Liebe, P. ist überzeugt, dass ihre Liebe ewig ist. Sein Vater hat für ihn eine reiche Frau
ausgesucht, welche er schließlich in Pommern heiratet – die Hochzeit bedeutet das Ende der Romantik. Esch ist ein Revolutionärer, organisiert
Unruhen in den Fabriken. Hugenau ist Fabrikant, der sich mit den Schwierigkeiten des Unternehmers auseinandersetzt.
Nach dieser Trilogie verfasste HB einen kürzeren Roman für den Samuel-Fischer-Verlag (Die Unbekannte Größe), ein Drama und mehrere
Vorträge, die literaturtheoretische Themen behandeln. Nach der Verhaftung 1938 musste er in die Emigration: nach Amerika. Die Unsicherheit, die
Arbeit für verschiedene Flüchtlingskomitees und wachsende Arbeitsüberlastung unterbrechen seine lit. Produktion. 1934/35 und 1951 schrieb er den
Romanfragment Die Verzauberung, der eine lit. Darstellung massenpsychologischer Phänomene ist. B. beschreibt unter Verwendung mythischer
Bilder die zerstörerische, sich bis zum Ritualmord steigernde Wirkung einer regressiv-irrationalistischen Ideologie, mit der ein Einzelner die
Bewohner eines Dorfes seinem demagogischen Einfluss unterwirft. Der Roman kann auch als Typ eines antifaschistischen Romans bezeichnet
werden.
Im weiteren Roman Der Tod des Vergil werden die letzten 48 Stunden des Lebens des römischen Dichter Vergilius reproduziert. Er ist todeskrank
und wird auf einer Barke gefahren. Er ist nicht beim Bewusstsein, sondern im Koma, hat Haluzinationen, die vom Autor reproduziert werden – in der
Form eines riesigen inneren Monologs.
Starb 1951 in New Haven.
Hermann Hesse
HH verbrachte seine Kindheit in Calw (Württemberg) und Basel. Das Elternhaus war durch den Pietismus christlich und idealistisch geprägt. Auch
der junge Hesse sollte Theologe werden. Aber der frühreife, hochbegabte Knabe, der bereits mit dreizehn Jahren wusste, dass er „Dichter oder gar
nichts“ werden will, hat mit fünfzehn Jahren die Ausbildung zum Theologen verlassen. Er floh aus dem evangelischen Seminar, verbrachte eine
Nacht bei 7 Grad ohne Mantel und Geld im Freien und am nächsten Tag wurde er zurück gebracht. Es folgten Monate physischer und psychischer
Schwäche, er dachte sogar an Selbstmord, bis er endgültig den Seminar im Mai 1892 verließ. Die hilflosen Eltern schickten ihn zu ihrem
befreundeten Exorzisten und nach einem Selbstmordversuch aus der Liebesschwärmerei in eine Anstalt für Schwachsinnige und Epileptische nach
Stetten. HH reagierte erbittert darauf , wohl bewusst seiner Absage an Glaube und Elternliebe: „Wenn Ihr mir schreiben wollt, bitte nicht wieder
Euren Christus. Ich glaube, wenn der Geist des verstorbenen Christus, des Juden Jesus sehen könnte, was er angerichtet, er würde weinen.“
Obwohl er noch ein halbes Jahr während seiner Ausbildung zum Turmuhrenmechaniker bei seinen Eltern lebte, musste er sich bald von ihnen
trennen, die Eltern verstanden ihn überhaupt nicht. Nach seiner Ausbildung erfolgt seine Hinwendung zur Weimarer Klassik, zum Schönheitsideal
der Antike, später zu den Romantikern. Das alles geht ein in das Werk Unterm Rad, 1906, autobiographischer Reflex. Von 1895 bis 1899 wirkte er
als Buchhändler in Tübingen. Während dieser Zeit entstanden seine ersten Gedichte und die Sammlung von Erzählungen Eine Stunde hinter
Mitternacht. Bis 1903 lebte er in Basel als Buchhändler und Antiquar. Hier kam es zum schriftstellerischen Durchbruch. 1904 erschien der Roman
Peter Camenzind, den Samuel Fischer zuerst 1903 in der Zeitschrift „Die neue Rundschau“ veröffentlichte und dann in seinem Verlag herausgab.
Der Roman mach HH über eine Nacht berühmt. Das Thema ist die psychologische Persönlichkeitsbildung, die sich in einem zivilisations- und
bildungskritischen „Zurück zur Natur“ vollzieht. Peter Camenzind strebt von der Welt und Gesellschaft zur Natur, führt eine halb tapfere, halb
sentimentale Revolte und auf diesem Wege wird zum Dichter.
Die folgenden Jahre verbrachte HH am Bodensee in einem gemieteten Bauernhaus. Später lebte er zusammen mit seinen drei Söhnen und seiner
Frau, die er auf seiner zweiten Italienreise 1904 kennen gelernt hat, im eigenen Bauernhaus bis 1912. er ist ruhelos, die Schwierigkeiten seiner Ehe
gehen in die Romane Gertrud und Rosshalde ein. Auch die zweite Ehe dauert nur von 1924 bis 1927, erst die Altersbeziehung mit Nina Dolbin bleibt
bis zum Tod.
HH zeigte in seinen Romanen häufig die Einzelgänger und die Krise der bürgerlichen Werte. Dies ist typisch für Knulp, 1915, einen mönchischen
Askesen und Doppelgänger. Man kann ihn zum Bruder der romantischen Sternbald, Schlemihl und Taugenichts nennen. HH schildert hier die
Geschichte eines Wanderers, Landstreichers. Sein Leben ist eine Existenz am Rande der Gesellschaft. Er hat kein Zuhause, verdient nichts, arbeitet
nur für das Essen und Unterkunft. Man könnte einen schmutzigen, unrasierten und groben Mann erwarten. Doch Knulp ist ein Gegenteil: anständig,
mit guten Manieren, begabt, spricht sehr schön und erfindet sogar Gedichte. Seine Sauberkeit verrät auch sein Wanderbuch, der nach vielen Jahren
so sauber ist wie neu. Den Frauen imponiert so ein kultivierter Mensch (Frau Rothfuss, die ihn ständig mit ihrem schwerfälligen, groben Mann mit
harten Händen vergleicht). Aber sie weiß nicht, dass ihr Mann ihr ein Zuhause geben kann, aber Knulp hat nichts, er kann sie nicht besorgen.
Einerseits ist er frei, von niemandem und nichts beschränkt, er wandert durch die Welt (eigentlich Süden D. und Norden der Schweiz), Leute haben
ihn gern. Andererseits ist er ständig allein. In den ersten zwei Teilen erfährt man sein Leben nur aus der schönen Seite, fast idealistisch. Erst im
dritten Teil wird die dunkle Seite gezeigt. Nach vielen Jahren des Wanderlebens ist sein Gesundheitszustand sehr schlecht, aber er weigert sich ins
Krankenhaus zu gehen und stirbt einsam auf der Straße im Schnee. Vor dem Tod führte er ein imaginäres Gespräch mit Gott. Sein Ich ist gespalten:
einerseits denkt er, dass er sinnlos gelebt hat, andererseits findet er den Sinn. Er wurde zum Lebenskünstler, sein Leben war eine Kunst.
Nach dem Ausbruch des 1.WK meldete er sich freiwillig zum Militärdienst, wurde jedoch wegen der hochgradigen Kurzsichtigkeit entlassen. Unter
dem Eindruck der Kriegsereignisse weigert sich HH 1915 Kriegsnovellen und Schlachtgesänge zu verfassen. Dadurch wurde er als „vaterlandsloser
Geselle“ beschimpft, er bricht die letzte Brücke zu D. ab und bewirbt sich um die schweizerische Staatsbürgerschaft. , die er 1923 enthält. 1919
veröffentlichte er den Roman Demian. Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend, der deutlich den Einfluss der Kriegsereignisse zeigt. Die
Freunden Sinclair und Demian stehen für das Verhältnis von Kunst und Leben. Der mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattete Demian taucht in
entscheidenden Augenblicken im Leben Sinclairs auf, dieser versucht das eigene Schicksal zu finden.
Mit seinen weiteren Werken Zarathustras Wiederkehr und Sinclairs Tagebuch, mit denen er die Deutschen zu inneren Einkehr, zu Pazifismus und
Humanität bewegen wollte. Zu seinen Freunden werden TM, Elliot, Remarque u.a.
In der Zwischenkriegszeit hat HH in der Öffentlichkeit unermüdlich vor Nationalsozialismus, Rassismus und Kriegshetzerei gewarnt. Als diese
Zeichen in D. offensichtlich werden, beginnt er eine der erstaunlichsten Korrespondenz der dt. Lit. – jährlich schreibt er etwa 1000 Briefe an junge
Deutsche, um persönlich auf sie einzuwirken. Der Nachlass umfasst etwa 35 000 Briefe.
1927 entstand sein Roman Der Steppenwolf. Er stellt hier einen Menschen dar, der im Konflikt zw. Künstlertum und bürgerlicher Welt eine
gespaltene Existenz führt und sich selbst als schizophren bezeichnet. Sein letzter großer Roman ist Das Glasperlenspiel. Versuch einer
Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften. Herausgegeben von Hermann Hesse. Er schildert in
diesem Roman, an dem er seit 1931 gearbeitet hat, den Lebenslauf Josef Knechts, der als Novize in dem heroisch-asketischen Orden der
Glasperlenspieler heranwächst. Der begabte Knecht wird schließlich Meister des Spiels. In Knechts vollendetem Umgang mit allen Inhalten und
Werten der Weltkultur scheint sich der Kreis zw. Schüler und Meister wieder einmal geschlossen zu haben, aber er erkennt, dass Kastalien
(utopische Ordensprovinz des Jahres 220 in der italienischen Schweiz) keine Existenz an sich selbst, sondern nur eine geschichtliche und damit
vergängliche Gestalt der christlich-abendländischen Kultur ist. Er bricht aus dieser Welt aus und ertrinkt in einem See.
Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustand, v.a. der zunehmenden Sehschwäche, hat HH in den letzten Lebensjahren keine größeren Werke
mehr geschrieben. Er schrieb Gedichte und Prosaskizzen. Er lebte in Montagnola, wo er 1961 an Leukämie starb.
32
Christa Wolf (1929 bis heute)
Christa Wolf stammte aus Landsberg, aus heutigem Polen. Sie studierte Germanistik in Leipzig und Jena. 1953-59 war sie Mitarbeiterin beim Dt.
Schriftstellerverband in Ost-Berlin und arbeitet anschließend als Redakteurin bei der Zeitschrift Neue deutsche Literatur. 1964 erhielt sie den
Nationalpreis für Kunst und Lit. der DDR, 1978 den Bremer Literaturpreis. Sie war im Osten wie im Westen gleichermaßen anerkannt. Nach der
Wende 1989 entfachte ihre Rolle im SED-Staat eine heftige Auseinandersetzung über ihre politische Glaubwürdigkeit und die ästhetische Qualität
ihrer Bücher.
Mit der Erzählung Störfall reagierte sie auf die Ereignisse in Tschernobyl.
In ihrer Erzählung aus dem Jahr 1963 Der geteilte Himmel werden zwei äußerst aktuelle Themen in einer ab und zu etwas sentimentalen
Liebesgeschichte miteinander verbunden. Rita kommt vom Land und entwickelt sich als Schülerin eines Lehrerbildungsinstituts und als
Ferienarbeiterin in einem Waggonwerk zu einem vollwertigen Mitglied der sozialistischen Gesellschaft. Ihr Freund Manfred ist Chemiker und
stammt aus einer bürgerlichen Familie. Rita kann nicht verhindern, dass er eines Tages die DDR verlässt und in den Westen geht. Ein letztes Treffen
in West-Berlin bestärkt in Rita ihren Beschluss im Osten zu bleiben.
Ihr Roman Nachdenken über Christa T. 1968 stellt eine Akademikerin in den Mittelpunkt. Die Ich-Erzählerin nimmt sich vor, die Lebensgeschichte
ihrer 1963 gestorbenen Freundin Christa T. zu erzählen. Das Erzählen wird zum Nachdenken über sie und auch zum Nachdenken über ihr eigenes
Leben. Beide Figuren lassen sich im Verlauf des Romans nicht immer voneinander unterscheiden. Das Leben der Dichterin gleicht viel dem Leben
von Christa T. Christa T. hat nach dem Germanistikstudium geheiratet und ist mit ihrer Familie auf das stille Land gezogen. Sie ist sensibel, oft
abwesend und melancholisch. Sie stirbt an Leukämie. Mehr als an der Krankheit hat sie an ihrer Umgebung, an den Verhältnissen in der DDR
gelitten, die sich anders entwickelten, als sich die junge Generation nach dem Krieg vorgestellt hatte. Da dieser Roman weit von dem sozialistischen
Realismus entfernt war, wurde CHW für ihn häufig kritisiert.
In der 1979 erschienenen Erzählung Kein Ort. Nirgends erzählt CHW von einer fiktiven Begegnung zw. Karoline von Günderrode und Heinrich von
Kleist im Jahre 1804. Beide haben später Selbstmord begangen. Sie gab einen Einblick in die vom Leben enttäuschten Seelen. Es geht nicht um das
Jahr 1804, sondern in der Vergangenheit sollen Tendenzen sichtbar gemacht werden, die man auf die Gegenwart übertragen kann. Im Mittelpunkt
steht die Frage nach dem Individuum, nach seinem Verhältnis zur Gesellschaft, nach seiner Nützlichkeit für die Gesellschaft.
Nach dieser Erzählung wandte sich CHW dem Kassandra-Mythos zu. In der Erzählung Kassandra verknüpft sie Kassandra, die vergeblich warnende
im Trojanischen Krieg, mit unserer bedrohten Gegenwart und Zukunft, in der warnende Kassandra-Rufe genauso wenig gehört werden wie in der
Antike.
1990 erschien die Erzählung Was bleibt und löste sofort heftige Diskussionen aus. Kurz nach der Wende veröffentliche sie einen 1979 entstandenen
und im November 1989 überarbeiteten Text über eine in der DDR lebende Schriftstellerin, die bemerk, dass sie von Leuten der Staatssicherheit
überwacht wird. Der Text handelt davon, wie dies ihr Leben, Denken und Fühlen beeinflusst. Man warf Christa vor, Konflikte vermieden und sich
allzu affirmativ verhalten zu haben und verknüpfte so moralische Integrität mit lit. Qualität.
Ingeborg Bachmann (1926 – 1973)
IB ist zusammen mit zwei Geschwistern im kleinbürgerlichen Haus eines Lehrers in Klagenfurt aufgewachsen, besuchte die Volksschule, das
Bundesrealgymnasium. Im Wintersemester 1945/46 begann sie das Studium der Philosophie, das sie mit den Nebenfächern Psychologie und
Germanistik 1950 in Wien abschloss. Während des Studiums wurden ihre ersten Gedichte veröffentlicht. Anfang 1951 las sie in London bei einer
Veranstaltung der „Anglo-Austrian.Society aus ihren Gedichten vor, ein Jahr später folgte die Ursendung ihres Hörspiels Ein Geschäft mit Träumen
durch den Wiener Sender Rot/Weiß/Rot, bei dem sie inzwischen als Redakteurin angestellt wurde. Noch im selben Jahr wurde ihr Gedichtzyklus
Ausfahrt veröffentlicht.
Inmitten einer männlichen Schriftstellergeneration, die kaum älter, verhärtet, verzweifelt durch den vielfältigen Schrecken des Dritten Reiches,
haben ihre im Namen der Liebe ausgesprochenen Untergangs- und Auferstehungsvisionen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie sprach mutig,
unbeirrt über die Verletzbarkeit und Heilung des menschlichen Herzens.
Als ihr erster großer Gedichtband Die gestundete Zeit erschien, erhielt sie den Preis der Gruppe 47. diesem Gedichtband folgte ein zweiter mit dem
Titel Anrufung des Großen Bären., den sie 1956 veröffentlichte. Man findet bei ihr eine Symbiose von Tradition und Aktualität, von Poesie und
Intellekt und eine Bereitschaft, alles in sich aufzunehmen. Das lyrische Ich fasst die nicht zufriedenstellende Realität in Worte. Sie erprobte stets
neue Formen: benutzte strenge Reimmuster, aber auch sehr kunstvolle freie Rhytmen, experimentierte mit der Sprache, Inspiration fand im
Romanischen und Musik. Sie stellte hier ihre eigenen Geste des Warnens und der prophetischen Vorsausschau, die Beschwörung der Natur und
Liebe. Als geistige Landschaft, als seelische Heimat nannte sie den Süden.
1952 hat sie den gleichaltrigen Komponisten Hans Werner Henze kennen gelernt und sich in ihn verliebt. Sie schrieb Opernlibretti für ihn (Der Prinz
Friedrich von Homburg, Der junge Lord) und suchte mit ihrer Liebe zu Henze einen Ausweg aus der Verzweiflung an der Sprache, die sie bis zum
gefühlsgeladenen Verstummen trieb. Doch sie scheiterte an Henze wie später an Max Frisch, der seine verletzte Eitelkeit als Schriftsteller sogar
dokumentierte. Dass eine Frau nicht nur schrieb, was sie dachte, sondern damit radikal ernst zu machen suchte, war für die selbst schreibende
Männerwelt der 50er und 60er Jahre offensichtlich ein Schritt, auf den sie nicht vorbereitete waren.
Seit 1953 hat IB mit einigen Unterbrechungen in Rom gelebt. Sie ist viel gereist, übersetzt, schrieb Essays, Hörspiele (Der gute Gott von Manhattan
– der gute Gott ist von der verderblichen Kraft der Liebe überzeugt, deshalb hat er Jennifer getötet und dadurch das Liebespaar Jan und Jennifer
getrennt. Wie in einem analytischen Drama ist die Katastrophe bereits geschehen. Neu ist, dass in wechselnden Szenen die Zeitebenen vor und nach
der Katastrophe und der Prozess um die Schuldfrage dargestellt werden). Im Wintersemester 1959/60 war sie erste Gastdozentin an der UNI in
Frankfurt am Main und hielt eine Vorlesung über die Probleme zeitgenössischer Dichtung. 1961 veröffentlichte sie die Sammlung mit sieben
Erzählungen Das dreißigste Jahr. Alle Erzählungen kreisen um die Suche nach Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit. In der Erzählung Unter
Mördern und Irren hat sie die Frage nach dem Sinn von Opfer und Widerstand erörtert, im Dreißigsten Jahr stellt die Folgenlosigkeit des
persönlichen Widerstands dar. Alles.
Danach hat sie lange Jahre geschwiegen. Erst nach fast 10 Jahren veröffentlichte sie 1971 ihren Roman Malina. Sie schrieb dazu: „Ich wollte zeigen,
dass unsere Gesellschaft so krank ist, dass sie auch das Individuum krank macht. Man sagt, es stirbt. Doch das ist nicht wahr: Jeder von uns wird
letzten Endes ermordet. Das weibliche ich meines Buches wird fortwährend in vielen Todesarten ermordet. Doch fragt niemand, wo dieses Töten
beginnt.“ Der Roman ist eine Anklage gegen die Ohnmacht der Frauen in der Männergesellschaft.
Nach diesem Roman, bei dem sie sich von ihrem Vater/Geliebten in die „Größte Gaskammer der Welt“ eingeschlossen fühlt, sollten als Fortsetzung
nach dem Erzählungsband Simultan 1972, der Fall Franza und Requiem für Fanny Goldmann folgen. Sie sind nur in Fragmenten geblieben und
zusammen mit ihrem Roman Malina den Zyklus „Todesarten“ bilden. 1973 ist sie plötzlich gestorben – an Folgen eines Brandunfalls. Sie nahm
zunächst ein Beruhigungsmittel, dann legte sie sich mit einer brennenden Zigarette ins Bett.
Johannes Bobrowski (1917 – 1965)
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JB war ein bedeutender Lyriker und Prosaist der DDR. Wie er selbst erklärte, zu schreiben begann er am Illmensee 1941, über russische
Landschaft, aber als Fremder, als ein Deutscher. Daraus ist ein Thema geworden: ungefähr: Die Deutschen und der europäische Osten. Weil er um
die Memel herum aufgewachsen ist, wo Polen, Litauer, Russen, Deutsche miteinander lebten.
Aufgewachsen war er in Tilsit, nahe der litauischen Grenze. 1928 zog die Familie nach Königsberg um, wo er das humanistische Gymnasium
besuchte, er lernte Orgel spielen und studierte nach dem Abitur 1937 Kunstgeschichte. Nach dem Ausbruch des 2.WK trat er in den
Militärpflichtdienst ein, er wurde zuerst in Frankreich, dann am Illmensee und an anderen Stellen der Ostfront eingesetzt. 1943/44 wurden seine
ersten 8 Gedichte in die Zeitschrift Das innere Reich aufgenommen. Von 1945 bis 1949 war er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach der
Entlassung lebte er in Friedrichshagen bei Berlin (Ost), wo er als Lektor für Belletristik im Union-Verlag arbeitete.
1961 wurde der erste Lyrikband Sarmatische Zeit in einem westdeutschen Verlag veröffentlicht, der den Durchbruch für ihn bedeutete. Diesem
Gedichtband folgten zwei weitere: Schattenland Ströme 1962 und Wetterzeichen 1967. Schattenland Ströme enthält Gedichte, aus denen Trauer und
Melancholie, aber auch hin und wieder verhaltene Freude klingt. Bobrowski setzt bei seinem Publikum lit. Kenntnisse voraus, es muss Anspielungen
auf andere dt. Dichter (Klopstock, Hölderlin) selbst erkennen und deuten. Eine große Rolle spielt hier die Landschaft des östlichen Europa.
Prosa zu schreiben hatte JB ursprünglich nicht geplant. Nach Abschluss der ersten beiden Lyrikbände merkte er jedoch, dass so viele Charaktere,
Situationen und Ereignisse Sarmatiens in seinem Gedächtnis aufbewahrt waren, so dass der Gebrauch der Prosa unumgänglich wurde. In kurzer Zeit
entstanden die Romane Levins Mühle. 34 Sätze über meinen Großvater und Litauische Claviere sowie die Erzählungsbände Boehlendorff und
Mäusefest und Der Mahner. Der Roman Levins Mühle geht in die Vergangenheit zurück, spielt um 1870 im westpreußischen Grenzland zw. D. und
Polen ab. Levin ist Jude und wird, wie die Polen und Zigeuner, vom Großvater zutiefst verachtet. Dieser Nationalist kämpft auf seine Art gegen die
„andersrassigen Minderheiten“. Er öffnet die Schleuse und lässt Levins Mühle durch Wasser überfluten, nachdem er vergeblich versucht hat, Levin
die Mühle abzukaufen. Die Spannungen zw. verschiedenen Nationalitäten sind auch das Thema des Romans Litauische Claviere.
Am Tag nach dem Manuskriptabschluss der Litauischen Claviere Ende August 1965 wurde JB, der in seinen letzten Jahren ein hektisches, stark
beanspruchtes Leben geführt hatte, in eine Ostberliner Klinik eingeliefert, fünf Wochen später starb er an den Folgen eines Blinddarm- Duchbruchs.
„Klassische“ Moderne
Am Ende des 19. Jh. wurde die Kultur von vom Pessimismus und tiefem Weltschmerz ergriffen (Einfluss der Philosophie von Arthur Schopenhauer
und von Friedrich Nietzsche.) In D. war 1890 der Reichskanzler Bismarck zurückgetreten, es begann die Regierung des Kaisers Wilhelms II., die bis
1918 dauerte (Wilhelminische Zeit). Der Naturalismus hat sich überlebt, man wollte die nat. Schilderungen des ärmlichen proletarischen Milieus
nicht mehr hören. Die klassische Moderne war in Geltung von 1890 bis 1910. Es war nicht eine Kunstrichtung, sondern es entwickelten sich mehrere
Tendenzen: Impressionismus, Symbolismus, Neuromantik, Neuklassizismus, Dekadenz und Jugendstil. Und diese Tendenzen geben der Lit. um die
Jahrhundertwende den Begriff Klassische Moderne.
Impressionismus – entstand in Frankreich in der Malerei. Es war die sog. Eindruckskunst. Das Objekt wurde subjektiv wahrgenommen und
dargestellt. H. Bahr betonte das subjektive Empfinden. Nicht „wie die Welt wirklich ist, sei für die impressionistische Kunst entscheidend, sondern
der Eindruck, der Moment, die Illusion. Nicht die Sachlichkeit, sondern Empfindungsfähigkeit stand im Programm der lit. Moderne.
Anders als die imp. Maler, waren die imp. Literaten. Während sich die Maler darauf verlassen konnten, was sich in kurzen Momenten auf ihrer
Netzhaut abbildete, waren die Literaten auf Augenblicke sinnlicher Intensität angewiesen, um sich als Medium eines Bündels wechselnder Eindrücke
erleben zu können. Zum zentralen Begriff des Imp. wird daher die Stimmung. Dieser Stimmungskunst entspricht die Vorliebe für lit. Kurzformen
wie Einakter, Prosaskizze und Gedicht. Selbst in den lit. Großformen setzt sich das Prinzip der Reihung von wechselnden Stimmungsmomenten
durch. So wird der geschlossene Dramenaufbau in eine Folge von Einaktern aufgelöst oder die traditionelle Handlung in den Romanen wird durch
eine Folge innerer Vorgänge, Eindrücke und Reflexionen ersetzt. Hofmannsthal charakterisierte seine frühen Werke: „es sind Stücke ohne Handlung,
dramatisierte Stimmungen.“
Nicht der Sinn, sondern das Melodische war das Wichtigste, die Autoren bevorzugten die Zwischentöne und das bloß Angedeutete. Zu den
Vertretern gehören Schnitzler, Hoffmanstahl, der junge Rilke, Kraus. (Verlaine, I. Krasko)
Arthur Schnitzler wurde in Wien 1862 geb. Als Sohn eines angesehenen Medizinprofessors hatte er – wie S. Freud – an der Wiener Uni Medizin
studiert. Für die Zeitschrift seines Vaters, die „Internationale Klinische Rundschau“, hatte der Student als Medizinjournalist gearbeitet. Er widmete
sich v.a. der Psychoanalyse und ihrer Vorgeschichte. Hypnose und Suggestion wurden von ihm experimentell angewandt. Sch. wandte sich immer
mehr der Lit. zu. Er erkannte die Bedeutung von S. Freuds Wissenschaft und übertrug dessen Erkenntnisse der Psychoanalyse auf die Lit. Aus einem
beobachtenden Nervenarzt wurde ein dialoggewandter Diagnostiker der Feder. „Ich schreibe Diagnosen“, erklärte Sch. kategorisch zu seinen lit.
Arbeiten. Als Vertreter des Wiener Imp. kritisierte er die dekadente bürgerliche Gesellschaft. Seine Stücke zeichnen ein Bild, das aus vielen
subjektiven Eindrücken besteht. Die Menschen kreisen um sich herum und versuchen, sich über ihre wechselnden Stimmungen und Gefühle klar
zuwerden, was jedoch oft nicht gelingt. In den sieben Szenen des Anatol erzählt Anatol seinem Freund Max von seinen Liebschaften mit
verschiedenen Frauen. In dem Dialog, der durch Max´ Zuhörerrolle eigentlich fast ein Monolog ist, zeigt Anatol sein egoistisches und völlig auf den
eigenen Sexualtrieb reduziertes Leben. Die Frauen sind für ihn nur Reize, die er braucht, um sich selbst empfinden zu können. Sch. Schauspiel in
drei Akten Liebelei kann man als bürgerliches Trauerspiel bez. Während Mizi und Theodor ihre Liebe als spielerisches Abenteuer betrachten, macht
Christine ihrem Fritz deutlich, dass sie mehr ist als das „süße Mädl“. Sie sucht keine Liebelei, sonder Liebe. Alle reden aneinander vorbei, das
tragische Ende ist unaufhaltsam: Franz wird bei einem Duell wegen einer vergangenen Affäre erschossen, die unglückliche Christine begeht
Selbstmord. Der leichte Ton der Konversation und die wachsende Verzweiflung von Christine stehen in einem deutlichen Kontrast. Sch. hatte wegen
seiner zu dieser Zeit als unmoralisch empfundenen Werke oft Probleme mit Zensur gehabt. Sein Stück Reigen entstand 1896/97, wurde aber erst
1920 aufgeführt. In Reigen, einer Serie von 10 Einaktern, hat jeder Einakter den Dialog nach dem Geschlechtsakt zum Inhalt. Die Erotik stand
jedoch nicht im Vordergrund, sondern wurde als Motiv benutzt, den Niedergang – die Dekadenz deutlich zu machen. Die Novelle Leutnant Gustl,
Fräulein Else. Autobiographie Meine Jugend in Wien.
Leutnant Gustl – satirische Prosa, das Objekt der Satire ist die ö. Armee, sie wird als unseriös dargestellt. Die Novelle ist in der Form des inneren
Monologs geschrieben – eine moderne Technik. Vorteil: die Authentizität. Über die Gedanken Gustls erfahren wir direkt, ohne irgendwelche
Vermittlung. Der Monolog ist chaotisch, die Gedanken und Assoziationen können auch unvollendet sein. Nachteil: Der Autor muss seinen Helden
stets vor den Augen halten. Der Held hat einen bestimmten Horizont – Gustl ist ein primitiver Mensch – und der Autor darf diesen Horizont bei
seiner Darstellung nicht übertreten. Gustl nimmt sich sehr ernst – er repräsentiert die Armee. Wichtig für ihn ist der Ehrenkodex – ohne Ehre war
man in der Armee verloren. Die verlorene Ehe konnte musste man durch einen Duell zurückgewinnen. Er duellierte sich gerne. Die Entschuldigung
kam nicht in Frage. Im Mittelalter hatte der Ehrenkodex seine Bedeutung, im 19.Jh. war es nur eine Heuchelei.
Gustl kann den Bäckermeister nicht zum Duell herausfordern, weil er ein Zivilist ist. Deswegen muss er den Selbstmord begehen. Die Spannung löst
sich von sich selbst. Der B. stirbt und Gustl muss sich nicht erschießen.
Als Jude war Sch. dem Antisemitismus in Wien aufgesetzt. Die Situation des jüdischen Intellektuellen und der jüdischen Bourgeoisie beschrieb er in
dem Schauspiel Professor Bernhardi und im Roman Der Weg ins Freie. Sch. starb 1931 in Wien. Prof. Bernhardi war Leiter Wiener Privatklinik,
berühmter Arzt und ein Jude. Einer todkranken Patientin gibt er eine Spritze, und diese fällt eine Stunde vor dem Tod in Euphorie. Zu ihr kommt der
kath. Priester, um seine Pflicht auszuüben, aber Professor verhindert es. Wenn sie den Pfarrer erblickt, begreift sie, dass sie sterben muss. Aus
diesem Ereignis wird ein Skandal. Der Professor wird angeklagt, geht ins Gefängnis. Es entsteht antisemitische Hätzerei.
34
Symbolismus – entstand auch in Frankreich, sein Gründer war der Lyriker Mallarmé. Zu den Hauptvertretern dort gehörten auch Paul Verlaine
und A. Rimbaud. Jedes Wort und Satz erscheint in zweifacher Bed., die erste ist die tatsächliche Bed. (Rose), die zweite ist viel breiter und
übertragen (Rose = Schönheit...). Jeder Dichter hatte neben traditionellen Symbolen wie z.B. die Jahreszeiten, Nummer oder Farben, seine eigene
Symbolik. Zu jedem symb. Dichter muss man deshalb einen anderen Schlüssel suchen. In der freien Fügung von Metaphern, Bildern und
Assoziationen verschlüsselten die Dichter das Thema und Aussage ihrer Gedichte so weit, dass der Sinn nicht mehr unmittelbar zu finden war. Die
Lyrik sollte eine Poésie pure sein, eine reine, zweckfreie und von der gewöhnlichen Wirklichkeit abgelöste Dichtung. Vertreter: Stefan George,
Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannstahl. Sie legten großen Wert auf die graphische Ausstattung ihrer Gedichtzyklen – besondere Schrifttypen,
gutes Papier, außergewöhnliches Format.
Stefan Georges besuchte das Gymnasium in Darmstadt, dann studierte Romanistik in Berlin, in Paris bewegte sich in der Nähe der symbolistischen
Dichter. 1829 gründete die Zeitschrift Blätter für die Kunst, in der er seine Gedichte, Prosawerke auch programmatische Schriften veröffentlichte.
Er kritisierte die älteren Dichter, die die Dichtung nur für Äußerung ihrer Meinungen und Ansichten benutzt hatten und lehnte auch die
moralisierende Lit. der früheren Zeit ab. S. G. bildete einen Kreis von Freunden, der auf der Literaturbühne auftrat: Hugo von Hofmannstahl, der
Philosoph Ludwig Klages, Dichter Karl Wolfskehl, später der Literaturwissenschaftler Friedrich Grendolf und der junge Maximilian Grundberger,
der 1904 als 17-jähriger gestorben ist. In ihm sahen sie die Inkarnation des Göttlichen.
St. Georges schrieb seine Werke planmäßig, alle Gedichte sind zyklisch geordnet. Er verwendete die Kleinschreibung, eigene Schrift und
Interpunktion, teuren Papier.
Seine frühen Gedichtzyklen Hymnen und Algabal erschienen zum Teil als Privatdrucke. Er war davon überzeugt, dass nur wenige Menschen Zugang
zur Kunst haben konnten und sollten. Seine Gedichte tragen einen feierlichen Ton, der nur den Eingeweihten verständlich ist. 1907 erschien sein
umfangreichster Gedichtzyklus Der siebente Ring. Die sieben Bücher sind um das Buch Maximin gruppiert. In Maximim, einem früh verstorbenen
Freund, verherrlichte George eine neue Jugend. Sein hymnischer, oft weihevoller Stil entsprach später einem Bedürfnis der Nationalsozialisten. Sie
forderten ihn auf, aus der Schweiz, wo er seit 1933 lebte, zurückzukehren. Doch George widersetzte sich dieser falschen Interpretation seiner Werke
und blieb in der Schweiz, wo er im selben Jahr starb.
Hugo von Hofmannstahl und George verband eine kurze Freundschaft. 1906 kam es zum endgültigen Bruch. H. stammte aus Wien und schrieb
schon mit 16 Jahren seine ersten Gedichte. Er studierte Romanistik und nach dem Studium unternahm viele Reisen. H. schrieb zunächst Gedichte im
schwermütigen und skeptischen Stil. Die Darstellung von Stimmungen und Eindrücken entsprach dem Zeitgefühl viel mehr als die Manifeste oder
Dramen. Aus diesem Grund kann man die in dieser Zeit entstandenen Theaterstücke als lyrische Dramen nennen. Solche Dramen sind z.B. Der Tod
des Tizian und Der Thor und der Tod. Es ist in den gereimten Jamben geschrieben und zeigt die Isolation des ästhetischen, des künstlerischen
Menschen. Claudio, ein Tor, erkennt erst in der Gegenwart des Todes, dass er immer auf das Leben gewartet hat, nie aber wirklich lebte. Der Glanz
des Lebens wird erst im Tod deutlich. Er schrieb auch die Novellen Märchen der 672. Nacht und Reitergeschichte. Das Thema ist die
Auseinandersetzung mit dem Ästhetizismus. Nur der Kunst und Ästhetik gewidmete Dasein ist ein Lebensfluch. H. erlebte um die Jahrhundertwende
eine Krise, einige Jahre veröffentlichte er nichts mehr. 1902 schrieb er den Brief des Lord Chandos, in dem er sein Verstummen erklärte: er hatte
keine Sprache gefunden, die die immer komplizierter werdende Wirklichkeit ausdrücken konnte. Ein gewisser Chandos in England schreibt einen
fiktiven Brief an den Philosophen Franzis Bacon. H. griff später antike, mittelalterliche und barocke Traditionen auf. Nach dem lyrischen
Jugendwerk wandte er sich der Tragödie zu: Elektra. Tragödie in einem Aufzug. Frei nach Sophokles zeigt die von Rache besessene Elektra, die
jedoch lange unfähig bleibt, die Rache zu verwirklichen. Sein Spiel hatte großen Erfolg und Richard Strauss bat ihn es in ein Opernlibretto
umzuschreiben. So entstand eine lange Zusammenarbeit zw. beiden Künstlern, zu deren Ergebnissen u.a. auch Rosenkavalier und Salome gehören.
Gemeinsam mit dem Regisseur Max Reinhardt gründete H. 1917 die Salzburger Festspiele. H. schrieb zwei Stücke: Jedermann. Das Spiel vom
Sterben des reichen Mannes. Er veränderte den mittelalterlichen Charakter des Stücks nicht. Der Mensch Jedermann wird im Augenblick des Todes
von allen Freunden verlassen, von Schönheit, Reichtum und Macht. Seine „Guten Werke“ begleiten ihn zu Gottes Richterstuhl. Doch sie sind zu
schwach, um ihn zu retten. Nur der „Glaube“ ermöglicht Jedermann die Einsicht in die göttliche Gnade.
Ein zweites Mysterienspiel ist Das Salzburger Große Welttheater, dass nach Calderóns spanischer Vorlage Das große Welttheater entstanden ist. H.
Lyrik ist symbolistisch und impressionistisch.
Rainer Maria Rilke – Bibliographie
Neuromantik – es ist ein Versuch, die klassische Romantik wieder zu aktualisieren. Die N. geriet in eine Polemik mit dem Naturalismus wegen
ihren irationallen und heroischen Figuren. Sie verbindet sich mit den antizivilisatorischen Tendenzen. Die Zivilisation wurde als etwas Antihumanes
gesehen, der Humanismus wurde in der Romantik gesucht. Rilke
Neuklassizismus war Tendenz den klassischen Klassizismus zu erneuern – war nicht sehr erfolgreich. Es gab nur einen großen Vertreter – Paul
Ernst.
Dekadenz wurde urspr. als Bezeichnung kultureller „Verfallserscheinungen“ abwertend verwendet. Erst von Ch. Baudelaire wurde sie als Ehrentitel
für eine avantgardistische Lit. gebraucht. Seine Sammlung Die Blumen des Bösen erhielt zugleich das Programm der Epoche. Es ist die
Ästhetisierung des Hässlichen. Was im Allgemeinen als hässlich gemeint wurde, wurde hier schön gezeigt. Mit Vorliebe wurden die Endphasen der
Kulturen dargestellt, wobei die verfallende Lagunenstadt Venedig zu einer Art mythischen Hauptstadt des Fin de siécle wurde. Bei fast allen Autoren
findet man die Themen des Vergänglichen, Kranken und Sterbenden. Es gibt die Melancholie und Resignation, aber auch Bewusstsein, im
Untergang das Besondere empfinden zu können.
Jugendstil – dieser Begriff verweist auf die seit 1896 in München erscheinende Zeitschrift „Jugend“, in der sich die sezessionistischen bildenden
Künstler zusammengeschlossen haben, um der erstarrten Malerei und Architektur ihren Programm entgegenzusetzen. Der Jugendstil war reich an
Ornamente, Pflanzen- und Tiermotive, unnatürliche Farben. Das vereinigende Kennwort war die „Jugend“ – Bezeichnung des Neuen, Lebenden,
Unverbrauchten. Es war in erster Linie ein Stil in den bildenden Künsten. Aber auch die Dichtung fühlte sich mit der Malerei verwandt, man
verwendete auch hier Pflanzen- und Tiermotive, die in der Poesie noch tragbar sind, aber in der Prosa wirken sie zurückhaltend. Es gibt keinen
Schriftsteller, dessen Werk völlig im Geist des Jugendstils steht, andererseits ist kaum ein Autor von diesem Stil unberührt geblieben. Am
deutlichsten zeigt es sich bei R. Dehmel, R. Beer-Hofmann, in der Lyrik von Rilke und Hofmannstahl.
Richard Dehmel – arbeitete in Versicherungswesen. Hauptthema: Freiheit des Individuums. Gedichte: Heimat, das Gedichtband Erlösungen, das
Poem Weib und Seele. 1903 erschien das Gedicht Zwei Menschen, 1913 erschien Schöne wilde Welt.
Maximilian Danthendey 1867 – 1918 – Vertreter des Impress. Typisch für ihn sind die Farben in seinen Dichtungen und kosmische Vorstellungen,
die er hatte. Er schrieb G. für das Kabarett. Gedichtband Ultraviolett.
Peter Hille – war ewiger Wanderer, hatte kein Zuhause, Obdachsloser. Er schrieb viel, aber verlor seine Texte. Nur die, die von seinen Freunden
gerettet wurden, wurden veröffentlicht. Bekannt ist sein Vers: Wo ich bin, ist die Schönheit. Ein Genie.
Christian Morgenstehn – impress. Gedichte, die heute fast alle vergessen sind. Lebendig sind seine grotesken Gedichte, die vital, geistreich und
humorvoll sind (Fisches Nachtgesang). Er war ein Kabarettdichter, in München gründete er das Kabarett „Elf Scharfrichter. 1905 erschienen seine
Galgenlieder (šibeničné piesne). Sein Prinzip: von Galgen sieht man die Welt anders aus.
In der Prosa waren von Bedeutung Ricarda Huch, Heinrich Mann, Franz Kafka sowie Hermann Hesse.
Ricarda Huch war erste Frau, die an den deutsprachigen UNI promovierte, also den Doktortitel erhielt. Sie wurde zur Doktorin der Philosophie,
arbeitete als Bibliothekarin und Lehrerin in Zürich, Bremen und Wien. 1893 als 43-jährige Frau heiratete R. Huch einen Italiener und lebten
zusammen in Triest. Bereits 1905 kam die Scheidung und 1907 heiratete sie ihren Vetter. Ihre Ehe dauerte nur drei Jahre. R. Huch war berühmte dt.
Schriftstellerin. 1933, als Hitler zur Macht kam, trat sie aus der preußischen Akademie der Künstler aus. Trotzdem wurde sie nicht verfolgt – war
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bereits 70 Jahre alt. Seit 1934 lebte sie in Jena und verfasste Gedichte gegen Hitler, die illegal verbreitet wurden. Sie starb 1947 in Frankfurt am
Main.
Ihr dichterisches Schaffen bilden Prosawerke, die zum Teil impressionistisch, zum Teil neuromantisch sind, historische Arbeiten, impressionistische
Gedichte.
Das erste bekannteste Werk sind Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren. Das Thema ist die Liebe unter den Verwandten und die
Nichtachtung ehelicher Verbindungen. Die Liebesbeziehungen werden hier wie Naturereignisse dargestellt. „Das Leben ist grundloses und uferloses
Meer“. Der Roman ist autobiographisch gefärbt, die Personen stammen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis von Ricarda Huch, die unter
anderen Namen auftreten. Der Erzähler ist ein gewisser Ludolf Ursleu, der in einem schweizerischen Kloster endet. Seine Erinnerungen bilden
diesen Roman, den man auch als Familienroman nennen kann – es geht um die Liebesbeziehungen innerhalb einer Familie.
1902 Roman Aus der Triumphgasse – spielt sich in Triest ab. Der Erzähler ist Hugo Belwatsch. Hugo besitzt ein Haus zum Heiligen Antonius und
macht dieses Haus durch verschiedene Mieter bekannt. Die zentrale Figur ist aber der junge Ricardo, der verknüppelt ist. Trotz diesem Handicap ist
er vital, menschlich, alle ihn lieben. Als er stirbt, beschreibt es R. Huch so: „Nach seinem Ableben ist es so, als die ganze Triumphgasse ein Grab
wäre.“ Er ist eine neuromantische Figur.
Roman Vitasomnium breve – es bedeutet: das Leben ein kurzer Traum. Später wurde der Roman nach dem Protagonisten Michael Unger genannt. Er
ist mit seinem Leben nicht zufrieden und stellt sich die Frage: „Dies also, dies ist das Leben?“ Die Antwort findet er in der leidenschaftlichen Liebe
zur jungen Malerin Rose. Er selbst wird zum Künstler – eine romantische Geschichte.
Bekannt sind zahlreiche historische Romane: Die Geschichte des Garibaldi, Der Kampf um Rom – in beiden ist der Hauptprotagonist Giuseppe
Garibaldi als Gründer des modernen italienischen Staates. Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri – war italienischer Befreiungskämpfer, der
lange im Kerker saß. Der große Krieg in D. – Darstellung des 30-jährigen Krieges. 1912 – 1914 erschienen in drei Bänden Deutsche Gedichte.
Karl Kraus – lebte in Wien, war eine Autorität in Wien. Er war Kritiker der Gesellschaft, seinen Unterhalt verdiente er in der Form von Vorträgen,
die er in der Monarchie hielt. Überall fand er ein begeistertes Publikum, das Eintrittsgeld gerne bezahlte. War eigentlich ein großer Rhetor. Das
wichtigste Thema seiner Vorträge waren: Sprache – er vertrat die These, dass die verdorben ist. Die Verderber sind Journalisten – er kämpfte gegen
sie. Er schrieb unzählige Glossen, Epigramme, Aphorismen. Seine Texte veröffentlichte er in der satirisch-kritischen Zeitschrift Fackel, die er selbst
von 1899 bis 1936, bis zu seinem Tode herausgab. Er schrieb ein 800-seitiger Drama Die letzten Tage der Menschheit, das zeit- und
gesellschaftskritisch ist. Eigentlich ist es ein Drama, das nicht zu spielen ist. Es ist in Wiener Mundart geschrieben, enthält Szenen aus dem 1.WK
und zeigt die Reaktion der Österreicher an den Krieg.
Deutsche Lit. und der 1. Weltkrieg (Positionen der Literatur und Literaten während des Krieges)
In der Wilhelminischen Zeit (1890 – 1918, Wilhelm II.) kam es zum Aufschwung der dt. Wirtschaft auf allen Gebieten, es änderte sich die soziale
Struktur. Die kleinen Städte wurden zu großen Wirtschaftszentren. Die moderne Industrie war in Großbetrieben konzentriert, das Bankwesen zu
einem bedeutenden wirtschaftlichen Faktor geworden, Kleinbetriebe und Handwerker waren in großer Zahl in Konkurs gegangen.
In den politisch stabilen Jahren nach der Jahrhundertwende blickten die jungen Intellektuellen hinter die Fassade einer Gesellschaft, deren Moral
fragwürdig geworden war und deren Wohlstand sich oft auf industrielle Ausbeutung zurückführen ließ. Sie standen dem technischen Fortschritt, aber
auch dem Positivismus der Wissenschaften kritisch gegenüber und beobachteten misstrauisch den wachsenden Militarismus und Patriotismus und
deren gesellschaftliche Auswirkung. Sie fürchteten des 1.WK, der auch kurz nach ihren Warnungen ausgebrochen ist. D.h. mit dem 1.WK sind
sowohl die Literaten verbunden, die nach seinem Ende ihre schrecklichen Erlebnisse aufgeschrieben hatten, als auch diejenigen, die vor ihm
warnten. Es waren die Expressionisten.
Die letzte Chance, die Menschheit und die Welt vor dem Untergang zu retten, sahen sie in einer Veränderung des. K. Pinthus sagte: Die Welt kann
nur gut werden, wenn der Mensch gut wird.
Die Bedrohung des Krieges bewirkte ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl der express. Autoren, doch man darf deshalb nicht von einer
thematischen oder formalen Einheit in der express. Lit. sprechen.
Visionen vom Krieg und Weltuntergang prägten die Kunst und Lit. und spiegelten die Stimmung der Zeit. Immer wiederkehrende Themen sind
Apokalypse, Sintflut und Gerichtstag. Die Darstellung wurde bis zur Ekstase gesteigert. Die Autoren suchten nach einer neuen Humanität, die aus
der Apokalypse, aus der Ekstase entsteht. In Manifesten und programmatischen Aufrufen lehnten sie den Krieg und alle Gewalt ab und forderten die
Besserung der Welt und äußerten ihr pazifistisches Denken. Ebenfalls auch ihre Zeitschriften, die außerordentlich sprechende Namen trugen,
warnten vor dem nahenden Krieg: Der Sturm, Die Aktion, Die Revolution, Das neue Pathos, die Weißen Blätter...
Zu Beginn der express. Epoche war die Lyrik zur bevorzugten Form, weil sie am besten geeignet war, den anklagenden, aufrufenden und
verkündenden Gefühlsüberschwang zum Ausdruck zu bringen. Mit der zunehmenden Politisierung der Literaten während des 1.WK trat das Drama
in den Vordergrund. Die Forderung nach dem wahrhaften Ausdruck menschlicher Gefühle von Not, Leiden und Versagung verband sich mit dem
Kampf gegen den Krieg. Der Pazifismus wurde zum hervorstehenden Merkmal der express. Gedankenwelt, die sich vom nationalistischen
Patriotismus abkehrte und die Forderung aufstellte, menschheitlich zu denken.
Die Erfahrungen mit dem Krieg, die viele express Schriftsteller in persönliche Krisen brachten, eröffneten ihnen neue Dimensionen der Wirklichkeit.
Sie appellierten an Menschlichkeit, Völkerversöhnung, Frieden und Menschenliebe und waren gegen Krieg und Völkerhass. Die pazifistische
Grundhaltung, die angesichts der Kriegsleiden sich bei den meisten Literaten spontan herausgebildet hatte, entwickelte sich im Laufe der Kriegsjahre
zu einer antiimperialistischen Einstellung weiter.
Die geeignetste Form zur Darstellung dieser Einstellungen war das Drama. Die express. Szenenfolgen zeigten eine Abkehr von den klassischen
dramatischen Bauformen, orientierten sich stilistisch an Vorbildern wie Büchners Woyzeck. Sie verzichteten auf die naturalistische Darstellung des
Milieus, im Zentrum stand als Hauptfigur oft ein junger Mensch, namenlos und typologisch konzipiert, der gegen die übermächtigen Gewalten des
Schicksals und die Umwelt revoltierte.
Viele Dichter waren im Krieg gestorben, z.B. Georg Trakl, August Stramm, Ernst Stadler oder Johannes R. Sorge.
Das Ende des Krieges war ein Schock für die Deutschen. Man musste schnell reagieren. Die Schriftsteller, die im Krieg waren, gestalteten ihre
Erlebnisse. Im allgemeinen kann man sagen, es gab zwei Tendenzen:
1 den Krieg zu entschuldigen.
2. die Antikriegsliteratur
1.
Das Leitmotiv dieser Tendenz war, dass die Soldaten tapfer waren, aber die Leitung war schlecht. Der Krieg wurde mehr begrüßt, als abgelehnt.
Ernst Jünger, der im 1.WK ein Offizier war, schrieb nach dem Krieg seine Erlebnisse im Tagebuch Im Stahl gewittern auf, das 1920 erschien und im
Roman Der Kampf als inneres Erlebnis. Er behauptete, die Männer, die im keinen Krieg waren, sind keine Männer. Ohne den Krieg entsteht die
Generation der Feiglinge. Er wirkte als rechter (politisch) Schriftsteller, aristokratischer Pflegung. War berühmter Käfersammler, hervorragender
Stilist. Mit Hitler war er in manchen Sachen ähnlicher Meinung, aber Hitler war Plebejer, kein Aristokrat, deshalb lehnte er die Zusammenarbeit mit
ihm ab. Er schrieb eine feine antifaschistische Lit. unter dem Titel Auf den Marmorklippen.
Nach dem 2.WK beschuldigte man ihn des Nationalsozialismus. Er bewohnte er bis zu seinem Tod ein Schloss in Baden-Württemberg. Der Herzog
gratulierte ihm zu seinem 100. Geburtstag auf diesem Schloss.
Hans Grimm war ein Vertreter der sog. Kolonialen Lit. Bis 1918 gab es ein dt. koloniales Reich in Afrika. ER schrieb das Buch Volk ohne Raum.
36
2.
Die Antikriegslit. sieht den Krieg als etwas Unsinnliches, Unmenschliches.
Georg Trakl verfasste neben seinen dramatischen Versuchen „Totentag“ und „Fata Morgana“ e er hauptsächlich Gedichte. Seine frühe Lyrik war
stark an die Franzosen Rimbaud und Baudelaire orientiert. Die späteren Gedichte waren stark express. Sie formulieren ein Weltgefühl von
Ohnmacht, Fatalismus und Verzweiflung, Bedrohung und Zerstörung. Kennzeichnend sind düstere, prophetische Bilder, apokalyptische Visionen,
magische Formeln. Seine Werke spiegeln den verzweifelten Kampf gegen die dämonischen Mächte wider - ein Kampf, der, nach Trakl, zum
Untergang führt. Leben ist Leiden, ausweglos, ohne Möglichkeit der Erlösung.
Jakob van Hoddis bekannte Gedicht ist Weltende, es steht als erstes in der Menschheitsdämmerung. Das 1911 erschienene Gedicht traf genau die
Stimmung der Zeit, als die Expressionisten das Ende der bürgerlichen Welt kommen sahen. Das Weltende wurde sowohl als ein ernstes als auch
groteskes Ereignis dargestellt. Mit. Seinem grotesken Humor führte van Hoddis einen neuen Ton in der Lyrik ein.
Johannes R. Becher – der Beginn seines literarischen Schaffens war von ähnlichen Themen und Motiven geprägt wie bei anderen express. Autoren:
einerseits Vorstellungen und Empfindungen von Lebensekel und Weltende, andererseits Protest und Aufbruchwille. Er war davon überzeugt, dass
die eigenen Leiden und Wünsche mit denen seiner Zeit identisch waren. Das Gedicht hatte Funktion, das eigene Erleben inhaltlich aufzunehmen, es
zu erklären und schließlich zur Selbstbefriedigung zu führen. In seiner Lyrik ging es um folgenden Prozess: Erlebnis, Formulierung, Tat, also vom
subjektiven Erlebnis des Dichters, über die Formulierung der Gedichte bis zur im Werk dargestellten Tat, die zur Veränderung führen sollte.
Ernst Stadlers typische Themen waren Katastrophe, Weltende, der neue Mensch. Er schrieb Gedichte, die sog. Langzeilen. War Opfer des 1.WK.
Gedicht: Fahrt über die Kölner Reichsbrücke bei der Nacht.
Ernst Toller stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, studierte Jura. In den 1. WK ging er als Freiwilliger, 1916 wurde er schwerverletzt und
entlassen. Er war eine der führenden Persönlichkeiten der Münchner Räterepublik. Nach der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten 1919
wurde er zum Vorsitzenden der bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Nach dem Sturz der Räterepublik wurde er zu 5 Jahren Gefängnis
verurteilt. Anschließend lebte er in Berlin. Toller emigrierte 1933 nach Amerika, nahm sich 1939 in New York das Leben.
In der Nachkriegszeit vollendete er sein erstes Drama Die Wandlung. Das Ringen eines Menschen. Eine gegen Krieg, Elend und Hass gerichtete
geistige Tat vereint die Völker in seiner Visionen. Seine wichtigen Dramen: Masse Mensch, Der entfesselte Wotan, Hinkemann. In Masse Mensch
kommen das Erlebnis des Krieges und die Kritik am menschenfeindlichen Geschehen zum Ausdruck. Die Hauptfiguren sind der Namenlose - der
Mann und eine Frau. Sie müssen entscheiden, ob soziale Veränderung durch unblutigen Streik (Frau) oder durch Revolution (Namenloser) erreicht
werden kann. Dabei zeigt Toller, dass er jede Gewaltanwendung ablehnt. Stationendrama.
Walter Hasenclever arbeitete zusammen mit Werfel und Pinthus im Kurt-Wolff-Verlag. Dort erschienen 1913 seine Gedichtsammlung Der Jüngling
und 1914 sein Drama in fünf Akten Der Sohn. Hasenclever schrieb zur Erstaufführung dieses Spiels in Prag „es sei die Menschwerdung“. 1917
erhielt H. für seine im selben Jahr erschienene Antikriegstragödie Antigone den Kleist-Preis. Sie wurde noch 1917 in Leipzig uraufgeführt. Thema
des Stückes ist die „Rebellion des Herzens“ für ein befreites Menschentum. Auch im Schauspiel Die Menschen appelliert H. an die Logik des
Herzens. Der Zuschauer müsse versuchen, sich in das Stück zu verwandeln, müsse am eigenen Leib die magische Kette von Blut und Wahnsinn,
Liebe, Hass, Hunger, Geld und Gewalt empfinden. So verliere er die Logik des Jahrhunderts und gewinne die Logik des Herzens.
Nach dem 1.Wk ging die Zeit des lit. Expressionismus allmählich zu Ende. Die Autoren wurden nüchterner, aber auch entschiedener in der
Ablehnung oder Befürwortung politischer Programme und Richtungen. In Thomas Manns Rede Von deutscher Republik, die er 1922 hielt, sprach er
davon, dass sie alle ein Staat sind und dieser ist in wichtigen Teilen der Jugend und des Bürgertums in tiefster Seele verhasst, sie wollen von ihm
nicht wissen, weil er sich nicht auf dem Wege des freien Willens, der nationalen Erhebung, sondern auf dem der Niederlage und des Kollapses
hergestellt hat.
Hermann Hesse war auch vom Krieg betroffen. Nach seinem Ausbruch meldete er sich freiwillig zum Militärdienst, wurde jedoch wegen der
hochgradigen Kurzsichtigkeit entlassen. Unter dem Eindruck der Kriegsereignisse weigert sich HH 1915 Kriegsnovellen und Schlachtgesänge zu
verfassen. Dadurch wurde er als „vaterlandsloser Geselle“ beschimpft, er bricht die letzte Brücke zu D. ab und bewirbt sich um die schweizerische
Staatsbürgerschaft. , die er 1923 enthält. 1919 veröffentlichte er den Roman Demian. Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend, der deutlich den
Einfluss der Kriegsereignisse zeigt. Die Freunden Sinclair und Demian stehen für das Verhältnis von Kunst und Leben. Der mit übernatürlichen
Fähigkeiten ausgestattete Demian taucht in entscheidenden Augenblicken im Leben Sinclairs auf, dieser versucht das eigene Schicksal zu finden.
Mit seinen weiteren Werken Zarathustras Wiederkehr und Sinclairs Tagebuch, mit denen er die Deutschen zu inneren Einkehr, zu Pazifismus und
Humanität bewegen wollte. Zu seinen Freunden werden TM, Elliot, Remarque u.a.
In der Zwischenkriegszeit hat HH in der Öffentlichkeit unermüdlich vor Nationalsozialismus, Rassismus und Kriegshetzerei gewarnt. Als diese
Zeichen in D. offensichtlich werden, beginnt er eine der erstaunlichsten Korrespondenz der dt. Lit. – jährlich schreibt er etwa 1000 Briefe an junge
Deutsche, um persönlich auf sie einzuwirken. Der Nachlass umfasst etwa 35 000 Briefe.
Alfred Döblin wurde 1915 als Militärarzt eingezogen. Nach dem Krieg wurde er zum entschiedenen Kriegsgegner und Sozialisten. Et trat mit Wort
und Tat für die Demokratie und Freiheit der Künste ein.
Sein umfangreicher Roman aus dem Jahr 1924 Berge, Meere und Giganten spielt im 24. bis 27. Jh. ab und zeigt die grausamen Folgen technischer
Erfindungen, sowie eine Rettung des Menschen nur in der Rückbesinnung auf ein naturverbundenes Leben.
Franz Kafka wurde Im 1.WK vom Kriegsdienst freigesprochen. 1914 vollendete er die zeitkritische Novelle In der Strafkolonie.
Heinrich Mann formte sich zu einem Demokraten und Republikaner, während sein Bruder eher konservativer Monarchist und unpolitischer
Schriftsteller blieb. Das Vorbild für ihn war Frankreich. Er befasste sich mit der Frage der Macht. Dabei ging er von der These: „Die Macht hat
keinen Geist, die Geistigen haben keine Macht“ aus. Man sollte es umkehren: die Leute des Geistes sollten in die Politik eingreifen. Er selbst
engagierte sich im politischen Leben, nach 1918 wurde zum Vertreter der paneuropäischen Bewegung. Der Hauptgedanke dieser Bewegung war das
einheitliche Europa.
Hermann Broch schrieb 1930/32 sein erstes Werk, die Trilogie Die Schlafwandler welche die Teile Pasenow oder die Romantik, Esch oder die
Anarchie und Huguenau oder die Sachlichkeit umfasst.
1. Teil – es ist die Neuromantik am Ende des19.Jh gemeint
2. Teil – soziale Unruhen am Anfang des 20.Jh.
3. Teil – Situation nach dem 1.WK, die Ernüchterung
Das Thema sind die Gründe der Entstehung des 1.WK und seine Wirkungen im menschlichen Denken und Handeln. Seiner Meinung nach, ist es das
Problem des Absolutheitsverlustes, das Problem des Relativismus, dür den es keine absolute Wahrheit, keinen absoluten Wert gibt. Der Prozess des
Wertverlustes hat mit dem 1.WK nur einen Höhepunkt, nicht seinen Abschluss erreicht. Die Protagonisten sind Menschen von unterschiedlichen
Charaktere: Pasenow ist ein Offizier in Berlin. Sein Vater ist ein Landbesitzer in Pommern, der mit seinem Sohn auch in Zukunft rechnet. P. verliebt
sich in Ružena, tschechisches Dienstmädchen. Große romant. Liebe, P. ist überzeugt, dass ihre Liebe ewig ist. Sein Vater hat für ihn eine reiche Frau
ausgesucht, welche er schließlich in Pommern heiratet – die Hochzeit bedeutet das Ende der Romantik. Esch ist ein Revolutionärer, organisiert
Unruhen in den Fabriken. Hugenau ist Fabrikant, der sich mit den Schwierigkeiten des Unternehmers auseinandersetzt.
Rainer Maria Rilke war ein Gegner des Krieges, er war ein Dichter der Liebe (christlichen oder erotischen). Im 1.WK musste er einrücken, arbeitete
auf dem Kriegsministerium und sollte die Propagandaliteratur schreiben, was er ablehnte. Nach dem Krieg entstand der Zyklus Die Sonette an
Orpheus (orfojs). 50 Sonette. Spirituelle Dichtung. Orpheus begleitet den Dichter in das Totenreich.
37
Steffan Zweig schloss sich während des 1.WK einer Gruppe von Intellektuellen an, die von Zürich aus für den Frieden kämpften. Zu ihr gehörten
auch Hermann Hesse, James Joyce, Romain Rolland u.a. Aus dieser neuen Stimmung entstand während des 1.WK sein Antikriegsdrama Jeremias,
dessen Grundlage ein biblischer Stoff ist.
Zu den Vertretern der „scheinbaren Authentizität“ gehört Erich Maria Remarque. Er nahm am Krieg nicht Teil. Er war einige Wochen hinter dem
Front, trotzdem ist sein Roman Im Westen nichts Neues ein erschütternder Bericht von der jungen Generation der Gymnasiasten, die in den 1.WK
geschickt werden und alle sterben. Weitere Werke: Drei Kameraden, Der Weg zurück – er kritisiert die Nachkriegszeit, das Schicksal der
zurückkehrenden Soldaten.
Deutsche Lit. und der 2. Weltkrieg
BRD: Nach dem Kriegsende und der Kapitulation des Dt. Reiches am 8. Mai 1945 erhielt die dt. Literatur wieder neue, lang unterdrückte
Wirkungsmöglichkeiten. Während der nationalsoz. Herrschaft waren viele bekannte dt. Autoren emigriert, einige waren in D. geblieben und zählten
zur „inneren Emigration“, viele wurden von den Nationalsozialisten ermordet oder nahmen sich aus Verzweiflung selbst das Leben.
Trotz zerstörter Städte und damit auch Theater, trotz Papierknappheit und vielen Beschränkungen im täglichen Leben begann sich schnell ein neues
kulturelles Leben zu entwickeln. Die Lit., die unmittelbar nach Kriegsende erschien, war zutiefst beeinflusst vom Erlebnis des Krieges, von dem
Versuch, das Grauen in Sprache zu fassen. Bald wurde auch die Frage nach der Schuld und Verantwortung dargestellt und bis heute nicht aus der dt.
Lit. wegzudenken.
Die Besatzungsmächte konzentrierten sich auf die Umerziehung der Deutschen, denn die meisten doch glaubten an Hitler. Die Amerikaner nannten
es Reedukation. Sie wollten solche dt. Eigenschaften wie Herrschaftssucht, Unterwürfigkeit und Agressivität ablernen. Nach 50 Jahren ist es ihnen
gelungen. Zu diesem Zweck halfen auch Zeitschriften, die links-orientiert waren, z.B. Merkur.
Gegründet wurden mehrere Verläge:
Rowohlt-Verlag in Hamburg: jetzt ist es Reinbek-Verlag
Samuel-Fischer-Verlag in Berlin
DTV – Dt. Taschenbuchverlag: nur Taschenbücher und Broschuren
Suhrkamp-Verlag: Peter Suhrkamp, bei ihm haben die repräsentativen dt. Autoren ihre Werke veröffentlicht (Frisch, Handke, Erzensberger).
Hanser-Verlag in München
Wagenbach-Verlag in Berlin: klein aber gut. Wagenbach ist heute 70 Jahre alt
Jedes Verlag gab auch die Zeitschriften heraus: Rowohlt-Verlag gab Kursbuch heraus, bei Wagenbach erschien die Zeitschrift Freibeuter. 1981
gab es 2044 Verlage in der BRD.
Nach dem Krieg gab es drei Literaturlinien: Lit. der zurückkehrenden Emigranten, die Lit. derer, die in der „inneren Emigration“ gelebt hatten und
die Lit. der jungen Generation – sie bestimmten noch bis in die 50er Jahre das Bild der Lit.
Das Ende des Krieges war ein Schock für die Deutschen. Man musste schnell reagieren. Die Schriftsteller, die im Krieg waren, gestalteten ihre
Erlebnisse, sowohl in der BRD, als auch in der DDR. Nach dem Krieg entstand die sog. Antikriegsliteratur. Einerseits waren es Autoren, die selbst
im Krieg Teil genommen hatten, sie schrieben aus ihrer eigenen Erfahrung und andererseits waren es Autoren, deren Bücher nicht aus eigenem
Erlebnis schöpften. Es ging um die „scheinbare Authentizität“.
Zu den ersten gehört Wolfgang Borchert, der die junge Generation in der BRD repräsentiert. Ihre Autoren mussten am Krieg Tei nehmen und hatten
in jungen Jahren solche Erfahrungen, die anderen Generationen erspart blieben. Sein Spiel aus dem Jahr 1947 Draußen vor der Tür ist ein bitterer
und gequälter Bericht eines heimkehrenden Soldaten. Es knüpft stilistisch und formal an die Dramen des Expressionismus an. Reale und irreale
Elemente mischen sich. Kennzeichnend sind der apokalyptische Traum vom General, der auf einem Riesenxylophon aus Knochen spielt und die
Gespräche des Soldaten mit „dem Anderen“, seinem tatkräftigen und optimistischen zweiten „Ich“. Das Stück gehört zur später als Trümmer- oder
auch Kahlschlag genannten Literatur.
Prosa: Viele Romane 50er und 60er Jahre beschäftigen sich weitgehend mit dem Kriegserlebnis oder der mit dem Leben in der BRD unmittelbar
nach dem Krieg. Zu den ersten Nachkriegsromanen gehört Kreuders Roman Die Gesellschaft vom Dachboden (1946), dessen Kennzeichen der Weg
nach innen ist. Die Phantasie bietet den Raum, den die zerstörte Wirklichkeit verweigert. Innerlichkeit befindet sich auch im Roman Elisabeth
Langgässers mit dem Titel Das unauslöschliche Siegel (1946). Die Wirklichkeit und Innerlichkeit haben den Treffpunkt im katholischen Glauben,
mit dem sie den Sinn in einer chaotisch gewordenen Welt zu stiften versucht. H. Kasacks früher Roman Die Stadt hinter dem Strom (1947) versucht
diesen Sinn aus der fernöstlichen Philosophie gewinnen: Krieg, Faschismus und Zerstörung rücken so ein in die „metaphysische Ordnung“ eines
historischen Kreislaufs, in dem die Welt ihren Sinn in Gleichgewicht, der einzelne in Nirwana findet.
Bei allen diesen Romanen ist typisch „der Weg nach innen“ als Suche nach einem höheren Sinn hinter der Erscheinungswelt.
Heinrich Böll, der auch zur Gruppe 47 gehörte, bekannte sich zur Trümmerlit. und sah es als seine moralische Pflicht, über die Kriegs- und die
Nachkriegszeit realistisch zu schreiben. Dieser Realismus zeigt sich in seinen zw. 1947 und 1950 entstandenen Kurzgeschichten. 1951 mit der
satirischen Geschichte Die schwarzen Schafe begann er als Schriftsteller. Ein Jahr zuvor erschien noch sein Sammelband Wanderer, kommst du nach
Spa...Es sind kurze Geschichten, welche die Sinnlosigkeit des Krieges, die positiven Erfahrungen von Menschlichkeit in der Kriegs- und
Nachkriegszeit darstellen. Bekannt sind seine weiteren Werke: Gruppenbild mit Dame, Billard um halbzehn, Ansichten eines Clowns. Seine
Erfahrungen der Nachkriegszeit spiegeln sich in seinen Romanen. 1953 veröffentlichte er den Roman Und sagte kein einziges Wort. Hier stellt er das
von Kriegsfolgen, Wohnungsnot, Armut und Verzweiflung durchkreuzte Leben eines Elternpaares. In Haus ohne Hüter behandelt er das Schicksal
von Kindern, die im Krieg ihre Väter verloren und das Schicksal der Frauen, die ihre Männer verloren. Im Mittelpunkt stehen zwei jungen, die
verzweifelt versuchen, ihre Mütter zu verstehen und das eigene Leben zu begreifen. Gruppenbild mit der Dame ist dokumentarisches Bild von der dt.
Gesellschaft der 30er und 40er Jahre.
DDR- Lit.: Erste Phase: Antifaschistische Lit.1945 - 1949:
Die erste Phase war antifaschistisch und demokratisch geprägt. Man plante einen Neuanfang nach dem NS, den man in der DDR „Hitlerfaschismus“
nannte. Im Juli 1945 wurde der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands gegründet, dessen Präsident J.R. Becher wurde. Doch das
Kulturleben in der sowj. Besatzungszone entwickelte sich anders als in den westlichen Zonen. Sie wurde von der Roten Armee besetzt, alle Macht
wurde von der sowj. Administrative übernommen. Sie bemühte sich um die Erneuerung des Landes und auch der Kultur. Bald wurden die Theater
eröffnet und die ersten Bücher herausgegeben. Das Kulturleben war stark an die sowj. Lit. orientiert. Deshalb galt als eines der größten Bestsellers
die Übersetzung einer Reportage von J. Fučík. Die Lit. der ersten Jahre nach dem Krieg war bestimmt von Autoren der älteren Generation, die alle
ihren Widerstand gegen den Faschismus lit. zeigten. Die Lit. beginnt mit Berichten aus dt. KZs. Solche Bücher erschienen auch im Westen. Aber in
der sowj. Besatzungszone gewinnt diese Lit. durch die Initiative seitens den Kulturbund programmatischen Charakter. Wichtige Titel sind E.
Wiechert – Der Totenwald. Ein Bericht (1947). Wiechert lebt in Bayern, aber sein Roman erscheint im Verlag in Ost-Berlin. Es zeigt Buchenwald
1938 als ein Vernichtungslager. Gefangene werden durch Hunger, durch extrem harte Arbeit und durch Misshandlungen systematisch zu Tode
gebracht. Weitere Titel: N. Rost – Goethe in Dachau, G. R. Lys´ Roman – Kilometer 12,6. Rost führte nach der Verhaftung ein Tagebuch in Dachau,
wo Hunderte auf Typhus starben. Er konfrontiert diese Situation mit der humanistischen Tradition. Was würde Goethe sagen, wenn er jetzt in
Dachau gesessen hätte.
38
Anna Seghers emigrierte 1941 nach Mexico. Der, im Jahre 1937 begonnene Roman Siebte Kreuz wurde in Mexico 1942 veröffentlicht und
brachte AS großen Erfolg. Die Zeit materieller Not war vorbei. 1944 wurde der Roman in Amerika verfilmt. Sie engagierte sich weiterhin im Kampf
gegen den Faschismus.
Die aus der Emigration zurückkehrenden Autoren mussten sich entscheiden, in welchem Teil D. sie leben möchten. Arnold Zweig, Anna Seghers,
Bertold Brecht und Stefan Hermlin kehrten aus westlichen Ländern in die DDR zurück. Heinrich Mann hatte den gleichen Entschluss gefasst, starb
aber noch in Amerika, Johannes R. Becher (er wurde später der Kulturminister der DDR) und Peter Huchel kamen aus russischem Exil wieder nach
Ost-Berlin. Zu einer Auseinandersetzung zw. den Schriftstellern der Emigration und den Schriftstellern des inneren Exils ist es kaum gekommen.
SED kümmerte sich auf ihren Sitzungen auch um die Literatur. Berühmt ist die Tagung 1965, auf der viele Künstler scharf kritisiert wurden, einige
Filme wurden zu sog. Tresorfilmen, Schriftsteller
Andererseits man brauchte die Schriftsteller wegen der Rivalität mit der BRD. Es war wichtig die Intelligenz zu haben, die den NS überwinden
könnte.
Österreich:
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das Deutsche Reich kam Ö unter die Herrschaft des NS. Auch österreichische Schriftsteller wurden zu
politischen Entscheidungen gezwungen. Viele sahen – wie ihre dt. Kollegen – in dieser Zeit den einzigen Ausweg in der Emigration: Hermann
Broch, Ödön von Horváth, Robert Musil, Joseph Roth und Stefan Zweig.
Nach dem 2.WK war Ö ähnlich wie D in vier Besatzungszonen geteilt. Durch die Zusicherung der strikten Neutralität erreichte Ö mit dem 1955
abgeschlossenen Staatsvertrag den Abzug aller vier Siegermächte (USA, Frankreich, England und Sowjetunion) aus seinem Territorium.
In Ö war man mit dem Trauma der nationalsoz. Herrschaft und mit der Schuldfrage schneller und problemloser fertig als in D. Die
Auseinandersetzung der jüngeren mit der älteren Generation in bezug auf das „Mitmachen“ im NS fand in der Lit. kaum einen Niederschlag. Viele
österreichische Autoren, die sich zur ö. Lit. bekannten, lebten nicht in Ö und publizierten zuerst in der BRD, wo ihre Werke daher häufig viel früher
als in Ö rezensiert und diskutiert wurden. In Ö gab es nur wenige große Verläge: Residenzverlag in Salzburg. Viele Autoren hatten eine eigenartige
Beziehung zu ihrer Heimat – die Hassliebe genannt. Sie liebten und hassten sie gleichzeitig. Bei den Deutschen und Schweizern gab es nicht.
In der Lit., die nach dem Krieg in Ö entstand, gab es von Anfang an zwei Entwicklungslinien. Auf einer Seite stehen die Werke der bereits vor dem
Krieg etablierten Autoren, die zum großen Teil im Exil waren. Auf anderer Seite sind es die Werke der Autoren, die 1920 und später geboren
wurden.
Das Publikationsorgan der Gruppe der älteren Autoren ist die Monatschrift Turm. Sie wurde im August 1945 von der neu entstandenen
Österreichischen Kulturvereinigung gegründet. Die Autoren beschäftigten sich hier mit Themen aus der Vergangenheit oder stellten Auszüge aus
ihren neu entstandenen Werken vor.
Die vorläufig einzige Zeitschrift der jungen Autoren nach dem Krieg war die Zeitschrift Plan, die Otto Basil ab Oktober 1945 in Wien herausgab, in
der sich die avantgardistischen Tendenzen der neueren öster. Lit. konsolidierten. Er hatte diese Zeitschrift noch 1938 herausgegeben, konkret waren
es nur 2 Hefte, bevor sie verboten wurde.
Die ersten Jahre nach 1945 waren der Wiederherstellung des Alten gewidmet als Vorbedingung der neuen ö. Identität. Dabei wirkten mehrere ältere
Schriftsteller: Elias Canetti, Heimito von Doderer, Erich Fried, Albert Drach usw.
Die Schweiz:
Die Lit. der Schweiz ist sehr reich und interessant. Bis 1945 blieb sie lange Zeit die provinzielle, regionale Literatur (mit ein paar Ausnahmen). Nach
1945 entwickelte sie sich zu einer bedeutenden europäischen Lit., und zwar v.a. dank M. Frisch und F. Dürrenmatt.
Nach 1945 war die Situation in der Schweiz völlig anders als in den übrigen europäischen Ländern. Die Schweiz hatte am 2.WK nicht Teil
genommen, sie war neutral geblieben.
Die Nachkriegslit. war v.a. von zwei Literaten vertreten: Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt. Beide gehörten zu der Generation, die die politische
Entwicklung in D. bis zum 2.WK bewusst verfolgte. Sie traten aber erst Ende der 50er Jahre mit politisch engagierten Werken an die Öffentlichkeit.
Weitere bedeutende Schriftsteller: Walter Mathias Diggelmann, Otto F. Walter, Adolf Muschg, Peter Bichsel, Hermann Burges, Erika Burkhard...
Max Frisch (1911)
In MF zeigte sich eine komplizierte Persönlichkeit, ein Mensch mit dem Bedürfnis nach Ich-Veränderung und Daseinsvariation im Leben.
Manchmal ist schwer festzustellen, ob seine Biographie auf sein Werk Einfluss nimmt oder umgekehrt – so steht es in den Biographien über MF.
Es lässt sich nicht leugnen, dass bei MF Lebensgang und intellektuelle Entwicklung sowie persönliche Daseinserfahrung eng miteinander verknüpft
sind. Nach Matura begann er 1931- 1933 Germanistik zu studieren, er beendigte es vorzeitig zugunsten des Journalismus, von dort ging er zum
Studium als Architekt 1936 bis 1941, schließlich arbeitete er als Angestellte, bis er endlich zum selbständigen Architekten wurde. 1954 gab er sein
eigenes Büro auf, weil er sich entschloss das Schriftstellerleben zu versuchen. Sein Werdegang weist auch auf ein Bedürfnis nach Verwandlung und
den häufigen Ortswechsel.
Er wurde in Zürich geb., wo er zunächst wohnte, später kaufte er eine Wohnung in Berlin, in Berzona baute er ein Haus, nachdem er von 1960 bis
1965 in Rom gelebt hat, später war häufig in New York, wo er ebenfalls eine Wohnung kaufte.
Die meisten Ortswechsel markieren innere Krisen und deren Lösungen. Seit 1942 wurde er mit einer Kollegin verheiratet, trennte sich von ihr 1954
ab – in der Zeit, als er sein Architektenbüro verließ. Im selben Jahr erschien Stiller. 1959 lebte er mit I. Bachmann in Zürich zusammen, dann waren
sie getrennt. Erst die Übersiedlung nach Rom brachte eine vorübergehende Beruhigung in diese verzehrende Beziehung. 1964 erschien Mein Name
sei Gantenbein. F. lebte inzwischen mit Marlies Oellers, die er 1968 heiratete und für die er das Haus in Berzona baute: „Jetzt möchte ich ein Haus
haben mit Dir heißt es in Montauk, jenem Werk, das am Ende dieser Beziehung steht.
Seine Werke schrieb er lange, obwohl er noch 1937 einen ernsthaften Versuch unternommen hatte, sein Leben aus dem Zusammenhang mit der Lit.
zu lösen. Er glaubte nicht an sein lit. Talent. Solches Misstrauen folgte dazu, dass F zunächst nichts Poetisches produzierte, sondern Tagebücher. Die
Blätter aus dem Brotsack enthalten Aufzeichnungen eines vom Krieg verschonten Soldaten. Diese Form hat nachgewirkt, später erschien das
Tagebuch 1946 – 1949, der nicht nur Zeit- und Lebensbeobachtungen, sondern auch Reflexionen und poetische Passagen enthielt. Es gibt Zeugnis
von seinen Erfahrungen aus den Reisen durch D., Polen, die Tschechoslowakei und Österreich, die er nach dem 2.Wk unternahm. 1972 publizierte er
das Tagebuch 1966 – 1971, in der er vier verschiedene Schrifttypen montiert: Nachrichten, persönliche, literarische und fiktive Aufzeichnungen.
Danach versuchte er Romane und Dramen zu schreiben. In rascher Folge entstanden und wurden aufgeführt Nun singen sie wieder (1945), die
Chinesische Mauer (1947), Als der Krieg zu Ende war (1949).
Sein erster Roman heißt Stiller. Das Thema ist die Frage, wie ein Mensch seine Identität finden und v.a. wie er sie bewahren kann. Gleich der erste
Satz „Ich bin nicht Stiller“ führt den Leser in die Problematik ein. Jim White kommt aus Amerika in die Schweiz zurück und wird an der Grenze
verhaftet, weil man ihn für den Bildhauer Anatol Stiller hält. Stiller wird seit einigen Jahren vermisst, er soll in eine Agentenaffäre verwickelt
gewesen sein. White leugnet, Stiller zu sein. Seine Frau und seine Freunde versuchen, ihm seine Identität als Stiller zu beweisen. Der Roman besteht
zum großen Teil aus Tagebuchaufzeichnungen Stillers/Whites.
Im weiteren Roman Homo Faber verliebt sich der Techniker Walter Faber, dem nichts auf der Welt ein Rätsel ist, der alles mathematisch berechnen
kann, in ein junges Mädchen und folgt ihm bis nach Griechenland, wo er ihren Tod verschuldet. Erst nach dem Unglücksfall erfährt er, dass das
Mädchen Sabeth seine Tochter war.
39
1964 erschien sein Roman Mein Name sei Gantenbein. Der Titel enthält den Konjunktiv. Gantenbein stellt sich blind und wird zum genauesten
Beobachter seiner Umwelt.
Sein spätes Drama Tryptychon. Drei szenische Bilder aus dem Jahr 1978 handelt vom Tod und damit nicht mehr von einer Zukunft, an die man nicht
denken will, sondern von einem totalen Verlust an Zukunft. F. führt eine Trauergesellschaft vor, in der selbst die Toten sich ihres Lebens nur als
eines vergeblichen Lebens erinnern. Seine 1979 veröffentlichte Erzählung Der Mensch erscheint im Holozän thematisiert die selbstgewählte
Isolation eines Rentners in einem abgeschiedenen Tal im Tessin, der sein Leben als nichtig betrachtet
F. wurde von den Kritikern wohl behandelt und mit Preisen reichlich geehrt. Außer dem Nobel-Preis, fehlt kaum ein wichtiger Preis, z.B. GeorgBüchner-Preis, Schiller-Preis, er wurde zum Dr.h.c. ernannt.
Naturalismus als Schreibweise und Richtung
Die Epoche der nat. Lit. in D. kann man nicht genau begrenzen. Es sind Jahre von etwa 1880 bis 1900. Während dieser Zeit schreiben nicht nur die
naturalistischen Dichter, sondern entstanden gleichzeitig noch die Alterswerke Th. Fontanes und W. Raabes, aber auch die ersten Werke von A.
Schnitzler, H. von Hofmannsthal, F. Wedekind. N. entstand in Frankreich und war eine europäische Bewegung, eine Epoche der „Moderne“, die sich
in D. relativ spät durchsetzte. Für den dt. N. waren v.a. Emile Zola, Henrik Ibsen, Fjodor Dostojewskij und Leo Tolstoj einflussreich. Populär war
auch die skandinavische Lit. (Henrich Ibsen, August Strindberg). E. Zolas zwanzigbändiger Familienroman-Zyklus Les Rougon-Macquart hatte
großen Erfolg. Er schildert die Geschichte einer Familie im zweiten franz. Kaiserreich. Zola hatte festgestellt: Das Kunstwerk ist ein Stück Natur,
gesehen durch ein Temperament. Entsprechend formulierte dann der Naturalist A. Holz seinen Satz: Die Kunst hat die Tendenz, wieder die
Natur zu sein. Formelhaft ausgedrückt: Kunst = Natur – x, wobei der Faktor x, die künstlerische Subjektivität und die Unvollkommenheit der
künstlerischen Mittel war, die möglichst klein zu halten waren, um die Differenzen zw. Realität und Abbild auszuschalten. Ibsen gab Impulse v.a.
durch seine zahlreichen Dramen (Nora, Gespenster, Die Wildente). Große Aufmerksamkeit fand auch die russische Lit., in der soziale Schicksale
ganzer Menschengruppen und seelische Zerrüttungen detailliert geschildert wurden. Nat. wurde als eine Revolution wahrgenommen.
In der Gesellschaft setzte sich die Industrialisierung mit ihren wachsenden sozialen Problemen sowie die Entdeckungen der modernen
Naturwissenschaft weiter fort. Anknüpfend an die Traditionen der Aufklärung, des Sturm und Drang, des Jungen Deutschland und der Revolution
1848 protestierten die sg. Jüngstdeutschen“, wie sie sich nannten, gegen kulturelle Stagnation, Schöngeisterei, Philistertum und Verlorenheit der
öffentlichen Moral. Zu ihnen gehörten: F. Dahn, E. Geibel, P. Heyse, J. Wolff u.a. Sie versammelten sich v.a. in Berlin und München. Fast alle
waren sie um 1860 geboren, hatten Kindheit und Jugend überwiegend in der Provinz verbracht und erlebten dann in den Großstädten, in die sie
kamen, um dort zu studieren, die wachsende Kluft zw. Arm und Reich als Schattenseite des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Zum Thema des N. wurde die Abhängigkeit des Menschen von seiner Umgebung, seiner sozialer Herkunft und seiner biologischen Abstammung.
Man knüpfte nicht nur an die europäischen Vertreter des N., sondern auch an die Theorien über die Menschenentwicklung. Grosse Bedeutung hatten
die Naturwissenschaften und Entdeckungen in solchen Bereichen wie Biologie, Mikrobiologie usw. Hier ist v.a. Charles Darwin zu nennen, dessen
Selektionstheorie zu dem Schlagwort „Kampf ums Dasein“ führte. Seine Lehre überarbeitete Nietzche in seiner Theorie von dem Übermenschen.
Ebenso wichtig war die positivistisch geprägte „Milieutheorie“ des Franzosen Hyppolyte Taines, der das Individuelle durch drei Faktoren
bestimmte: durch Rasse, Milieu und Epoche. Darunter versteht man die ethnologischen, soziologischen und historischen Elemente, die das
Individuum bestimmen, d.h. das Individuum ist ein Produkt aller drei Faktoren. Damit beschäftigte sich Taines in seiner Schrift Philosophie der
Kunst. Die Dichter bevorzugten die Umgangssprache, den Dialekt, den unvollständigen Satz, um so Natürlichkeit zu erreichen und näher an die
Wirklichkeit zu gelangen. Das Bemühen, natürliches darzustellen, führte zur Ablehnung außergewöhnlicher Vorlagen und „edler Helden“. Statt
dessen wurde Normalität gesucht. Dirnen, Alkoholismus, Geisteskranke, die unteren sozialen Schichten wurden zu Handlungsträger, deren Milieu
deshalb für die Naturalisten so interessant war, weil es am Rande, außerhalb der bürgerlichen Welt lag.
Die Zentren des N. waren München und Berlin. Hier wurden die lit. Zirkel gegründet und Zeitschriften herausgegeben. Zu dem wichtigsten Vereinen
gehörte Friedrichshagener Dichterkreis (1888 – 1896). In München wirkte M. G. Conrad, der die Fähigkeit hatte, junge Talente aufzuspüren und zu
fördern. In Berlin gab es eine starke Arbeiterbewegung und eine sozialdemokratische Parteiorganisation. Als erste kamen die Brüder H. und J. Hart
aus Münster nach Berlin. Dann waren es H. Conradi, J. Schlaf, G. Hauptmann, K. Alberti u.a. Trotz großer Übereinstimmung in den ästhetischen
Ansichten, fehlte es nicht an Reibereinen und Konkurrenz zw. den nord- und süddeutschen Literaten.
Die Zeitschriften und Vereine: Durch die Gründung der neuen Zeitschriften bot sich ein Weg, die neue Bewegung durchzusetzen. Die beiden
Brüder Julius und Heinrich Hart hatten in den Jahren 1882 bis 1884 in unregelmäßigen Abständen die sechs Hefte ihres erfolgreichen
Literaturorgans Kritische Waffengänge herausgegeben. Sie zogen in ihrer Zeitschrift gegen die konventionell erstarrte Sprache, gegen novellistische
Fabrikarbeit, maßlose Verflachung des Theaters. Es wurde eine volksnahe, realistische und von modernen Geiste erfüllte Dichtung gefordert. Von
M. G. Conrad wurde in München die Zeitschrift Gesellschaft herausgegeben Ab Januar 1885 erschien sie zuerst wöchentlich, später monatlich. Die
Autoren äußerten sich nicht nur über Literatur, Musik und Kunst, sondern auch über die Politik, Sozialwesen und Wirtschaft. Ihre zentrale Rolle
erfüllte diese Zeitschrift bis ins Jahr 1902.
1887 hatte sich in Berlin der Verein Durch gebildet. Die zehn Thesen dieses Vereins gehören zu den wichtigsten Grundlagen des Naturalismus. Sie
beinhalten eine scharfe Abrechnung mit der Antike, ein Bekenntnis zu den Naturwissenschaften und fordern eine moderne Dichtung. Wahrscheinlich
waren diese Thesen von E. Wolff verfasst worden, der zusammen mit dem Kritiker L. Berg und dem Arzt C. Küster zum Gründer dieses Vereins
gehörte.
Im Januar 1890 wurde der Theaterverein Freie Bühne mit einem eigenen Publikationsorgan gegründet. Das erste aufgeführte Stück war Ibsens
Gespenster. Da kurz danach aufgeführte Spiel Vor Sonnenaufgang von G. Hauptmann provozierte einen großen Theaterskandal. Außer diesem
Verein existierte noch die „Freie Volksbühne“ und später die „Neue freie Volksbühne“.
Ab 1890 erschien die Zeitschrift Freie Bühne für modernes Leben. Ihr Verleger war der junge Samuel Fischer. Gerhard Hauptmann, W. Bölsche,
Anna Holz, Johannes Schlaf u.a. waren Mitglieder der, durch Leo Berg, Eugen Wolf und Conrad Küster gegründeten Freien literarischen
Vereinigung.
Die Vertretern:
Michael Georg Conrad war eine der wichtigsten Persönlichkeiten im Kampf um die Anerkennung E. Zolas in D. Nach der Ausbildung zum
Pädagogen hielt er sich einige Jahre in der Schweiz und Italien auf. Dann übersiedelte er nach Frankreich und wurde in Paris mit E. Zola bekannt,
der für ihn ein Vorbild wurde. 1882 kehrte er nach D. zurück – nach München. Er kritisierte die dt. Lit. als „prüde und pedantisch, als akademisch
und ledern“. Nur die Romane von Gustav Freytag und Theodor Fontane und Wilhelm Raabe, sowie die Novellen von Gottfried Keller und Conrad
Ferdinand Meyer wurden verschont. Als Herausgeber der Zeitschrift „Die Gesellschaft“ wurde er bald der anerkannte Führer der Münchener
Naturalistenkreise.
Schon in Paris bekam er die Idee, ein dt. Gegenstück zu Zolas Romanzyklus „ Les Rougon-Macquart“ zu schreiben. Unter dem Titel Was die Isar
rauscht war ein zehnbändiger Romanzyklus geplant, der sich in München Ludwigs II. abspielen sollte. Man nennt ihn auch „Münchener Roman“.
Ausgeführt wurden nur drei Romane: Was die Isar rauscht, Die klugen Jungfrauen und Die Beichte des Narren. Inhaltlich vertraten die Romane den
naturalistischen Programm, formal und stilistisch brachten sie jedoch kaum Fortschritte gegenüber den von Conrad so heftig angegriffenen
traditionellen Schreibweisen.
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1902 erschien sein Werk Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Es sind sg. Erinnerungen zur Geschichte der Moderne und drücken das
ungebrochene Vertrauen in diese Bewegung aus.
Die Revolution der Literatur – unter diesem Titel erschien 1886 in Leipzig eine Schrift, die von den Naturalisten als Kampfmanifest begeistert
aufgenommen wurde. Ihr Verfasser, Karl Bleibtreu, war zu der Zeit einer der einflussreichsten Literaturkritiker in D. Er arbeitete an M.G. Conrads
„Gesellschaft“ und war Herausgeber des kaum weniger renomierten „Magazins für die Literatur des In- und Auslandes. Er warf den Schriftstellern
vor, sich in den meisten Fällen so zu verhalten, als wären die sozialen Probleme für sie gar nicht vorhanden, und formulierte seinen Gedanken: Es ist
daher die erste und wichtigste Aufgabe der Poesie, sich der großen Zeitfragen zu bemächtigen. Für solche Lit. waren einerseits Ibsen, Dostojevski
und Zola die Vorbilder, andererseits waren es die „Stürmer und Dränger“ – Jacob Michael Reinhold Lenz und Friedrich Maximilian Klinger.
Arno Holz kannte Johannes Schlaf seit 1885, beide sind an den Sitzungen des Vereins Durch teilgenommen. Ihre Zusammenarbeit begann erst im
Winter 1887/88. Um diese Zeit versuchte Holz einen Roman zu schreiben und dabei kam zur Überzeugung, dass das traditionelle Erzählen für ihn
nicht mehr möglich sei. Er suchte neue Form und neue Stoffe und dabei hoffte er auf die Unterstützung von Johannes Schlaf, den er zu ihm
eingeladen hat. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit war eine Sammlung von drei kurzen Erzählungen Papa Hamlet, die 1889 erschien. Sie besteht
aus drei kurzen Erzählungen: Papa Hamlet, Der erste Schultag und Ein Tod. Sie erschienen unter dem skandinavischen Pseudonym Bjarne P.
Holmsen, heute tragen sie den Namen beider Autoren. Papa Hamlet ist ein mittelmäßiger Schauspieler, der von den einmal auswendig gelernten
Rollen zehrt. Er haust mit Frau und Kind in einer armseligen Dachstube, wo er eines Tages im Zorn sein Kind tötet. Seine eigene Erschütterung kann
er nur mit rezitierten Monologen ausdrücken. In dieser Prosaskizze wird die Determiniertheit des Menschen deutlich, er kann nicht „aus seiner Rolle
heraus“ und bleibt in seiner Welt gefangen. In herber Alltagssprache wird das Elend der drei Menschen dargestellt.
Ihren zweiten Erfolg feierten Holz und Schlaf mit dem 1890 veröffentlichten Drama Die Familie Selicke. Sie behandeln alle naturalistische Themen:
Armut, Verfall, Alkoholismus, Hoffnungslosigkeit. Der Schauplatz bleibt auf das ärmlich eingerichtete Wohnzimmer der Familie Selicke begrenzt,
zeitlich dauert die Handlung von einem Weihnachtsabend über die folgende Nacht bis zum Morgen. Eine Frau wartet mit ihren Kindern auf den
Mann, die Tochter lehnt den Heiratsantrag eines Logiergastes ab, eines der Kindern kränkelt und stirbt. An die Stelle der Handlung kommt die
Situationsschilderung, die Milieustudie.
In Papa Hamlet wurde zum ersten mal der sg. Sekundenstil angewendet. Die Autoren wollten jede Sekunde beschreiben, die Schilderung eines
Vorgangs dauert so lange wie der Vorgang selbst. Es werden auch jede Geste und jeder Laut registriert.
Gerhart Hauptmann – wurde 1862 im schlesischen Bad Salzbrunn geb., war vielseitig talentiert. Er wurde zunächst zum Landwirt ausgebildet, später
besuchte die Breslauer Kunstschule. Nach Versuchen als Bildhauer und Zeichner gab er schließlich dem Schreiben den Vorgang. Ab 1884 lebte er
in Berlin, wo er Kontakt zu den Brüdern Hart aufgenommen hatte und den in verschiedenen Dichterkreisen Teil genommen hatte. 1888 erschien
seine erste Novelle Bahnwärter Thiel, eine überzeugende, psychische Vorgänge naturalistisch genau darstellende Geschichte über den seelischen
Verfall und die Mordtat eines Bahnwärters. Er wandelt wich von einem gewissenhaften Mann zum rächenden Mörder seiner Familie. Die moderne
Technik – Eisenbahn - wird zur Bedrohung und zerstört Thiels Leben.
1889 folgte das soziale Drama Vor Sonnenaufgang. G. H. brachte das Manuskript zuerst ins Verlag der „Gesellschaft“ in Leipzig, wo es von K.
Bleibtreu nur oberflächig durchgesehen war. Danach zeigte er es O. Brahm, dem Leiter der Freien Bühne, der sich entschloss, das Stück
auszuführen. Während der Premiere am 20. Oktober 1889 im Lessingstheater entstand eine Schlacht zw. den Anhängern und Gegnern, die den Autor
über Nacht berühmt machte. Hier werden alle Themen des Nat. angesprochen: das Elend der Arbeiter, Probleme der Sexualität, der Alkoholismus
und seine Auswirkungen. Eine arme Familie findet auf ihrem eigenen Landbesitz Kohle, wodurch sie reich wird. Helene, religiös erzogene Tochter
dieser Familie leidet unter der Trunksucht ihres Vaters. Loth, ein Jugendfreund ihres Schwagers, ist hier „ein Bote aus der Fremde“. Mit den
Kenntnissen über alle wichtigsten soziologischen und wirtschaftlichen Theorien will er am Ort eine Arbeit über das schlesische Kohlengebiet
schreiben. Für Helene verkörpert er die Hoffnung, sich aus ihrer Familie lösen zu können. Vom Arzt der Familie erfährt Loth, dass diese durch
Alkoholmissbrauch tief gesunken ist, er erschließt sich sofort, sie zu verlassen. Das Risiko, dass der Alkoholismus vererbt wird, will er nicht
eingehen. Als Helene das erfährt, ersicht sie sich.
Die Erstausgabe des Dramas widmete G. Hauptmann „Bjarne P. Holmsen“. Th. Fontane sagte über das Drama: Hauptmann hat ein sehr großes, ein
seltenes Talent...vor allem spricht sich in seinem Stück ein stupendes Maß von Kunst aus.
Daneben wurde das Stück auch scharf kritisiert: Der Kot wurde in Kübeln auf die Bühne getragen, das Theater zur Mistgrube gemacht.
1890 erschien ein zweites Drama Hauptmanns Das Friedensfest. Es ist Darstellung einer unter dem Einfluss von Erbanlagen und
Umweltbedingungen ausbrechenden Familientragödie.
1891 ging G. Hauptmann zurück nach Schlesien, von dort aus unternahm er viele Auslandsreisen. 1891 wurden Einsame Menschen aufgeführt. Es ist
ein Stück über dem Zusammenprall christlichen Moralbegriffe mit der Weltanschauung der positivistischen Natur- und Sozialwissenschaften.
G. Hauptmanns Drama Die Weber über den Weberaufstand von 1844 hatte am 25. September 1894 im Dt. Theater in Berlin endlich seine öffentliche
Premiere. Ihr waren schon eine Reihe von Inszenierungen vorausgegangen, die aber aus Zensurgründen alle nur im privaten Rahmen stattfinden
könnten. 1891 war die Dialektfassung des Stücks abgeschlossen worden und 1892 war auch ihre hochdeutsche Fassung fertig. Beide mussten dem
Berliner Polizeipräsidium vorgelegt werden, dass die öffentliche Vorstellung verbot. Die Behörden richteten sich v.a. gegen die Deklamation des
Weberliedes, die Plünderung bei dem Fabrikbesitzer und die Darstellung des Aufstandes selbst, denn dass könnte einen Anziehungspunkt für den zu
Demonstrationen geneigten Teil der Berliner Bevölkerung bedeuten. Das Drama behandelt die Unruhen der notleidenden Webern, die im Juni 1844
im schlesischen Langenbielau und den naheliegenden Ortschaften entstanden. Durch die Einführung von Webmaschinen wurden viele Weber
arbeitslos. Sie hungerten und probten den Aufstand. Hauptmann folgt streng dem Ablauf der historischen Ereignisse. Dabei fand er die Aktualität der
dargestellten sozialen Probleme und machte sie zum Spiegel der Gegenwart. Er schrieb auch die Komödie Der Biberpelz. Die Mutter Wolff versucht,
sich und ihre Familie nach oben zu bringen, indem sie listig die Schwächen der Gesellschaft zu ihrem Vorteil ausnutzt. 1912 wurde ihm der
Nobelpreis für Lit. verliehen.
Nat. Lyrik orientierte sich auf das soziale Mitleid mit schwachen, armen und kranken Menschen. Es entstanden sg. Sozialballaden. Zu den bekannten
Lyrikern des Naturalismus gehörte Richard Dehmel. Er arbeitete im Versicherungswesen. Sein Hauptthema war die Freiheit des Individuums.
Bekannt ist die Sammlung Erlösungen, das Poem Weib und Seele, Gedichte: Heimat, Zwei Menschen. Er war auch Vertreter der lit. Moderne.
Von Wilhelm Arent stammt die Lyrikantologie des dt. Naturalismus „Moderne Dichtercharaktere“.
Weitere Vertreter:
Max Kretzer, ein ehemaliger Fabrikarbeiter, schrieb einen Roman über die Folgen der skrupellosen Jagd nach dem Geld Bürger ihrer Zeit. Berliner
Sittenbilder. Die Schauplätze wurden beim richtigen Namen genannt, so dass sich die Leser fragten: ob das wirklich passiert sei, da die Strasse
genannt sei, in der er wohne, oder wie man alles so deutlich machen könne. Zwei Jahre später erschien Roman unter dem veränderten Titel
„Sonderbare Schwärmer“. Auf Wunsch des Verlegers waren alle direkten Berlin-Bezüge mit „Rücksicht auf das liebe Philistertum“ und aus „Furcht
vor der Konfiskation“ beseitig. Roman Meister Timpe. M. Kretzer widmete sich dem sg. Berliner Roman. Dieser entwickelte sich in 80er Jahren
als Spiegelbild des kontrastreichen Lebens in der Großstadt.
Hermann Conradi war ein nat. Romanschriftsteller. Er betonte die Notwendigkeit der individuellen Regeneration. Werke: Brutalitäten, Phrasen,
Adam Mensch.
Wilhelm von Polenz – Büttnerbauer, Max Haube – Theaterstück „Jugend“, Hermann Slidermann – „Die Ehre“, Otto Erich Hardtner,
Klara Viedig – der Roman „Weiberdorf“
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Österreichische Literatur nach 1945
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das Deutsche Reich kam Ö unter die Herrschaft des NS. Auch österreichische Schriftsteller wurden zu
politischen Entscheidungen gezwungen. Viele sahen – wie ihre dt. Kollegen – in dieser Zeit den einzigen Ausweg in der Emigration: Hermann
Broch, Ödön von Horváth, Robert Musil, Joseph Roth und Stefan Zweig.
Nach dem 2.WK war Ö ähnlich wie D in vier Besatzungszonen geteilt. Durch die Zusicherung der strikten Neutralität erreichte Ö mit dem 1955
abgeschlossenen Staatsvertrag den Abzug aller vier Siegermächte (USA, Frankreich, England und Sowjetunion) aus seinem Territorium.
In Ö war man mit dem Trauma der nationalsoz. Herrschaft und mit der Schuldfrage schneller und problemloser fertig als in D. Die
Auseinandersetzung der jüngeren mit der älteren Generation in bezug auf das „Mitmachen“ im NS fand in der Lit. kaum einen Niederschlag. Viele
österreichische Autoren, die sich zur ö. Lit. bekannten, lebten nicht in Ö und publizierten zuerst in der BRD, wo ihre Werke daher häufig viel früher
als in Ö rezensiert und diskutiert wurden. In Ö gab es nur wenige große Verläge: Residenzverlag in Salzburg. Viele Autoren hatten eine eigenartige
Beziehung zu ihrer Heimat – die Hassliebe genannt. Sie liebten und hassten sie gleichzeitig. Bei den Deutschen und Schweizern gab es nicht.
In der Lit., die nach dem Krieg in Ö entstand, gab es von Anfang an zwei Entwicklungslinien. Auf einer Seite stehen die Werke der bereits vor dem
Krieg etablierten Autoren, die zum großen Teil im Exil waren. Auf anderer Seite sind es die Werke der Autoren, die 1920 und später geboren
wurden.
Das Publikationsorgan der Gruppe der älteren Autoren ist die Monatschrift Turm. Sie wurde im August 1945 von der neu entstandenen
Österreichischen Kulturvereinigung gegründet. Die Autoren beschäftigten sich hier mit Themen aus der Vergangenheit oder stellten Auszüge aus
ihren neu entstandenen Werken vor.
Die vorläufig einzige Zeitschrift der jungen Autoren nach dem Krieg war die Zeitschrift Plan, die Otto Basil ab Oktober 1945 in Wien herausgab, in
der sich die avantgardistischen Tendenzen der neueren öster. Lit. konsolidierten. Er hatte diese Zeitschrift noch 1938 herausgegeben, konkret waren
es nur 2 Hefte, bevor sie verboten wurde.
Die ersten Jahre nach 1945 waren der Wiederherstellung des Alten gewidmet als Vorbedingung der neuen ö. Identität. Dabei wirkten mehrere ältere
Schriftsteller. Zu ihnen gehörte Elias Canetti.
Er wurde 1905 in Ungarn geb. und verbrachte seine Kindheit und Jugend in Bulgarien und zog mit der Familie nach England, Wien, Zürich und
Frankfurt. Er beherrschte viele Sprachen, schrieb aber seine Werke auf deutsch. 1938 emigrierte zuerst nach Paris, dann nach London, wo er lange
lebte. Erst ab Ende 80er Jahre lebte er vorwiegend in Zürich, starb 1994.
Canetti veröffentlichte schon vor dem Krieg (z.B. der Roman Die Blendung). Während des Exils konzentrierte sich v.a. auf die Essays. Sein
Hauptwerk ist die kulturphilosophische Schrift Masse und Macht, in der er die moderne Gesellschaft analysiert. Der andere Prozess mit dem
Untertitel Kafkas Briefe an Felice beschreibt diese Beziehung parallel mit der Entstehung des Romans Prozess. 1977 erschien sein
autobiographisches Werk Die gerettete Zunge, in dem er schrieb, wie er zur dt. Sprache kam. Diese wurde mit Die Fackel im Ohr fortgesetzt. Er
beschreibt seine Kindheit, das Leben in den 20er Jahren, die Begegnung mit Bertold Brecht usw. Er berichtet vom frühen Tod des Vaters und vom
Verhalten der Mutter, die ihm den Weg zur Weltlit. zeigte.
Heimito von Doderer gehörte auch zu den älteren Schriftstellern, war in beiden Kriegen als Offizier. Er veröffentlichte 1951 den Wienerroman Die
Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre. Der Roman enthüllt das gesellschaftliche Leben in Wien um 1910 (zur Zeit der Monarchie) und
um 1925 (Republik). Der Protagonist ist der ehemalige Major Melzer. Es gibt weder einen geordneten Handlungsablauf noch eine Konzentration auf
die Hauptfigur. Verbindendes Element durch die Jahre hindurch ist die Strudlhofstiege, eine Treppe, die zwei Wiener Straßen und damit zwei
verschiedene Welten miteinander verbindet. Doderer bezeichnete seinen zweiten 1956 erschienenen Wienerroman Die Dämonen als „Synopsis des
Lebens“. Auch hier überschneiden sich zahlreiche Handlungen, die Zahl der Figuren ist noch viel größer. Im Mittelpunkt steht wieder die Wiener
Gesellschaft. Der Titel weist auf eine kranke, von falschen Idealen geleitete Gesellschaft. Roman Die Merowinger oder die totale Familie.
Erich Fried blieb im Exil, schrieb politische Lyrik, lyrische Besprechungen aktueller Ereignisse. War originell. Er war auch als eine guter Leser
seiner Werke in allen deutschsprach. Ländern bekannt. Bis zum Tod lebte in London. Roman Ein Soldat und ein Mädchen (1960), Liebesgedichte
(1979) – sein erfolgreichstes lyrisches Buch. Weitere Gedichtbände: Österreich, die einen volksliedhaften Charakter haben. Die Sammlung Reich
der Steine, zyklische Gedichte stellt den Wortspiel in den Vordergrund. Er stellte die weltpolitischen Themen dar – Vietnam, Israel, Aufrüstung,
Frieden, aber auch das Thema der nationalsoz. Vergangenheit und die Warnung vor dem Krieg.
Albert Drach (1920 geb.) hatte 1964 großen Erfolg mit der Prosa Das große Protokoll gegen Zwetschgenbaum.
Schon 1946 erschien im Plan das Werk Aufruf zum Misstrauen von Ilse Aichinger. Sie fordert zur Suche nach der vollkommenen, klaren Wahrheit
in der Lit. Ihr einziger Roman Die größere Hoffnung erzählt das Schicksal eines halbjüdischen Mädchens in D. während des NS. Je häufiger ihre
Hoffnung auf ein anderes, besseres Leben enttäuscht wird, desto wunderbarer ihr diese Welt vorkommt. Die Autorin benutzt schon in diesem Werk
eine Erzählweise, die die lyrische Sicht der Ereignisse stärker betont als eine epische, chronologische Darstellung. Ihre lyrischen Kurztexte
erschienen erst nach 1978 unter dem Titel Verschenkter Rat. Der Realismus und Surrealismus laufen nebeneinander. Das lyrische Ich drückt aus,
was sich um ihn bewegt und verändert: die österreichische Landschaft, Dörfer, Alpen, das offene Land.
Die Lyrik: Um 1945 entstand die Wiener Gruppe, welche die jungen und experimentierfreudigen Schriftsteller vereinigte. Es gehörten hier auch
Gerhard Rühm und Hans Carl Artmann. Die Lyrik, die im Wiener Kreis und in seinem Umfeld entstand, hatte vielfache Form, um der Gefahr der
Wiederholung zu entgehen. Verwendet wurden Montage, das Possenhafte und auch das Groteske, sie sollten provozieren. Man trennte sich bewusst
von der traditionellen Lyrik, experimentierte.
Gerhard Rühm experimentierte mit der Sprache in dem Sinne, dass er sie auf die für das Verständnis wichtigsten Wörter verkürzte. Dadurch wurde
deren kausale Zusammenhang aufgelöst. Er experimentierte im Bereich der Lyrik, aber auch im Theater. Sein Einakter rund oder oval wurde 1961 in
Schweden uraufgeführt und gilt als Vorläufer des modernen Hörspiels.
Hans Carl Artmann veröffentlichte 1958 die Sammlung von Gedichten med ana schwoazzn dintn (mit einer schwarzen Tinte). Diese Sammlung
verbindet auf eine ganz neue Art den Wiener Dialekt mit der Lust am Experimentieren mit der Sprache.
Von der Wiener Gruppe beeinflusst ist auch Ernst Jandl. Er ist ein Sprachspieler und Wortverdreher, ein wichtiger Repräsentant der konkreten
Poesie. Ernst Jandl (Lit. Ö seit 1945) studierte nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft Germanistik und Anglistik in Wien, 1950
promovierte er über A. Schnitzlers Novellen. Bis 1978 war er Lehrer an einem Gymnasium, seitdem freier, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller. Er
gehört zu den bekannten experimentellen Autoren der Gegenwart. Er wurde mit dem Georg-Büchner-Preis und dem Kleist-Preis ausgezeichnet. Sein
erster Gedichtband ist Laut und Luise, es ist ein Spiel mit den Wörtern laut und leise, dann erschienen Sprechblasen (beide in den 70er Jahren). Bei
seinen lautmalenden Sprechgedichten wird schon im Titel angedeutet, dass die graphische Gestalt die jeweiligen Aussagen unterstützt: z.B. Gedicht
ottos mops, in dem es heißt: ottos mops trotz / otto: fort mops fort / ottos mops hopst fort / otto: soso... Er schrieb Gedichte auch auf Englisch, 1976
erschien das Band My right hand, my writting hand, my handwritting. In den 1989 Idyllen, 1992 Stanzen bringen die Sprachartistik und Witz einen
bitteren, manchmal sarkastischen Beigeschmack in das Trauer über das Altern. Jandl war erfolgreich auch als Dramatiker (Aus der Fremde).
Paul Celan (Lit. Ö seit 1945) hieß eigentlich Paul Antschel, wurde 1920 in Bukowina geb., starb 1970 in Paris. Er begann ein Studium an der UNI in
Czernowitz, kam 1942 in ein rumänisches Arbeitslager. Nach dem Krieg kam er 1948 über Wien nach Paris, wo er Germanistik studierte. Hier
arbeitete er als Sprachenlehrer und Übersetzer (Rimbaud, Shakespeare, Valéry). 1970 setzte er seinem Leben das Ende. 1952 erschien seine
Gedichtsammlung Mohn und Gedächtnis, mit der die deutschsprachige Nachkriegslyrik einen ersten Höhepunkt erreichte. Celan ist stets ein
Einzelgänger geblieben. Seine Gedichte sind geprägt von Ernüchterung und Melancholie. Das Gedicht Todesfuge aus dieser Sammlung, das die
Grausamkeiten in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches in außerordentlich schöner und musikalischer Sprache thematisiert, löste eine
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heftige Diskussion aus. Theodor Adorno fasste sie in der Frage zusammen, ob man „nach Auschwitz“ überhaupt noch ein Gedicht schreiben
könne, ob man diese Schrecken überhaupt in Sprache fassen könne. (In Auschwitz befand sich das größte Vernichtungslager der
Nationalsozialisten.) Celan verwendete in seinen Gedichten die Sprache so, dass der Leser sich auf ihre neuen Bedeutungsmöglichkeiten einlassen
muss, um den Gehalt der Gedichte näher zu kommen. 1955 folgte der Gedichtband Von Schwelle zu Schwelle, dann Die Niemandsrose. Sein letzter
Gedichtband Schneepart erschien erst nach seinem Tod.
Ingeborg Bachmann – Biographie
Celan, Aichinger und Bachmann wurden schon früh außerhalb Österreichs beachtet. Die jüngeren Autoren waren noch unbekannt, sie gruppierten
sich in mehreren Vereinen, damit sie und ihre Werke bekannt werden. 1959 wurde in Graz der Verein Forum Stadtpark gegründet. Im Verein waren
alle Künste vertreten, Literatur, Musik, Malerei und Plastik. Alle trafen sich in einem Haus in Graz. Dieser feste Punkt garantierte, dass die Grazer
Gruppe nicht so schnell auseinander fiel, wie andere Gruppierungen junger Autoren (z.B. Wiener Gruppe). Das Forum Stadtpark wurde sogar zur
wichtigsten Institution, an der alle bekannten zeitgenössischen Autoren Teil nahmen. Man war offen für alles Neue im Bereich der Kunst und Lit.
Heute ist aus dem Forum Stadtpark Steirische Herbst entstanden – eine über die Grenzen Ö hinaus bekannte Veranstaltung, die einmal jährlich im
Herbst in Graz stattfindet.
Peter Handke – Biographie
Thomas Bernhard begann zwar mit düsterer Lyrik, wandte sich aber bald zu den Romanen und Theaterstücken zu. Er selbst bezeichnete sich als
„Geschichtenzerstörer“. Seine Prosa und seine Dramen schaffen eine trostlose Atmosphäre, eine Welt der Kälte, in der Krankheit, Wahnsinn und
Tod auf makabre Art zu Themen werden. Sein erster Roman Frost wurde zunächst als „negativer Heimatroman“ interpretiert. Für die Figuren in
diesem Werk kann es eigentlich nirgends „Heimat“ geben, deswegen ist diese Behauptung nicht sehr passend. Es ist in der Ich-Form geschrieben.
Ein Medizinstudent soll in einem abgelegenen Dorf bei Salzburg einen als verrückt geltenden Maler beobachten. Sein Bericht (Frost ist ein Bericht)
gibt die sich steigernden Ausbrüche des Malers wieder, der an der Atmosphäre des Frosts, an der eiseigen Kälte und unter den Menschen leidet.
Eines Tages verschwindet der Maler, sein Ende bleibt ungewiss.
Die Romane Die Ursache. Eine Andeutung (1975), Der Keller (1976) und Der Atem (1978) stellen Österreich als das Negative dar. Er verfasste auch
Theaterstücke. Nach seinem ersten Stück Ein Fest für Boris (Uraufführung 1970) verging bis zu seinem Tod 1989 kaum ein Jahr, in dem nicht ein
neues Stück uraufgeführt wurde. Der Ignorant und der Wahnsinnige 1972, Die Jagdgesellschaft 1974, Über allen Gipfeln ist Ruh´1981, und sein
letzter großer Erfolg ist Heldenplatz 1988. Während es bei Handke um eine „Publikumsbeschimpfung“ ging, bei ihm war es die
„Österreichbeschimpfung“ im Sinn: Dass ich ein Österreicher bin, ist mein größtes Unglück. – sagt die Hauptfigur in diesem Stück. Es wird hier
eine jüdische Familie dargestellt, die nach der Rückkehr aus dem englischen Exil nach Wien am alten und neuen Antisemitismus zugrunde geht. Zu
Beginn des Stücks ist der Held bereits tot. Er hat sich aus dem Fenster eines Hauses am Wiener Heldenplatz gestürzt, dem Platz, auf dem Hitler 1938
von vielen Österreichern jubelnd begrüßt wurde. Die Angehörigen erinnern sich in Monologen an die Ereignisse, die zu dem Selbstmord führten.
Gert Jonke gehört auch zu den Schriftstellern aus dem Forum Stadtpark. Sein Geometrischer Heimatroman (1969) beschreibt einen Dorfplatz, den
zwei Personen überqueren wollen, ohne dass sie dabei gesehen werden. Sie warten, bis der Platz leer ist und beobachten dabei die Menschen. Das
Gesehene wirkt weder gemütlich noch liebenswert. Jonke hat nicht nur die Szenerie geometrisch geordnet und beschrieben, sondern auch den Roman
streng aufgebaut. Er hat den Roman so geschrieben, dass man ein Eindruck bekommt, dass alle Wahrnehmungen der Menschen auch Täuschungen
sein können. In der Erzählung Schule der Geläufigkeit kann man Wirklichkeit und Phantasie am Ende nicht mehr voneinander trennen. In der
Erzählung Die Gegenwart der Erinnerung hängt ein Photograph für ein Sommerfest Bilder in seinem Garten auf. Die Gäste dieses Festesund der
Photograph selbst werden schließlich Opfer ihrer eigenen Manipulationen an der Wirklichkeit. Niemand weiß, ob er im Moment handelt oder ob er
sich nur an gleiche Handlungen erinnert.
Gerhard Roth schrieb Romane Der große Horizont, in dem der Held unter dem Verfolgungswahn leidet und Winterreise, in dem der Lehrer Nagl
versucht aus der Alltagsnormalität auszubrechen, indem er mit einer ehemaligen Geliebten in das winterliche Italien fährt. Er fuhr mit der Eisenbahn
und bemerkte, dass ihm die Erde als etwas Fremdes vorkommt, das unendlich ist. Die Menschen bewohnen es, aber er lebt nicht auf ihm, sondern
außerhalb, er hat ein Gefühl, als sei er aus der Erde gefallen. Auch die Beziehung zu seiner Geliebten kann dieses Gefühl nicht überwinden und endet
schließlich nur als sexuelle Befriedigung. Er geht nach Alaska, in die Einsamkeit des ewigen Eises.
Frauenliteratur:
Barbara Frischmuth schrieb den ersten Roman Klosterschule, aus dem ihre Hinwendung zum Genre der Frauenliteratur bemerkbar wird. In 14
Kapiteln wird das Leben der jungen Mädchen in einem katholischen Internat beschrieben, das von vielen Regeln und starren Sprachmustern geprägt
ist und einem Einfluss von draußen kaum eine Chance lässt. Sie schrieb eine Trilogie, deren erster Teil Die Mystifikationen der Sophie Silber von
einer Schauspielerin erzählt, der zweite Teil Amy oder die Metamorphose von der Schwangerschaft einer jungen Frau berichtet. Die Trilogie endet
mit Kai und die Liebe zu den Modellen. Die Autorin bezog in diese Romane auch das Mythische ein, sie verband die Wirklichkeit mit Traum und
Phantasie.
Elfriede Jelinek verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Wien, wo sie später Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft und Musik studierte. Danach lebte
sie in Berlin und seit 1973 in Rom. Sie wirkt als freie Schriftstellerin in Wien, München und Paris. Zu den Werken der Frauenlit. gehört ihr Roman
Die Klavierspielerin, der von einer Künstlerin handelt, die das Künstlertum von Kindheit an nur als eine Form der Tyrannei empfunden hat. Sie
flüchtet vor dieser Tyrannei, vor ihrer Mutter in das Leben, in sexuelle Perversionen, welche sie erneut abhängig machen. Jelinek verfolgt diese
Abhängigkeiten, sie urteilt nicht, sondern lässt die Handlung für sich selbst sprechen. Sie schrieb neben der Prosa auch dramatische Stücke. Ihr erstes
Stück ist Was geschah, nachdem Nora ihrem Mann verlassen hatte. Es wurde beim Steirischen Herbst in Graz 1979 uraufgeführt. Sie verwendet
Montagetechnik und experimentelle Elemente. Im Stück Clara S. musikalische Tragödie dramatisiert sie die Biographie einer Künstlerin. Das Stück
weist Berührungspunkte zum Roman Die Klavierspielerin. Berühmt wurde sie v.a. durch das Spiel Krankheit oder Moderne Frauen. Das Spiel ist ein
von Blut und Gewalt geprägtes Horror, in dem am Ende ein weibliches Geschöpf in einer von Männern geschaffenen Todeslandschaft erschossen
werden muss, weil es zum Monster wird. Jelineks Stücke sind vom tiefen Pessimismus erfüllt, der aus der Kritik am Patriarchat hervorgeht und kein
Optimismus zulässt, obwohl die Frauenbewegung zu ihrer Zeit von ihm gekennzeichnet war.
Julian (Jutta) Schutting schrieb Gedichte und Erzählungen, die unter dem Einfluss von Handke und Wittgenstein stehen. Der erste Gedichtband In
der Sprache der Inseln beinhaltet Dinggedichte. Salzburg retour, von Melancholie und Trauer bestimmt und Der Vater haben den Tod zum Thema.
In der zweiten Erzählung wird nach dem Tod des Vaters die Beziehung zw. ihm und seiner Tochter hinterfragt.
Josef Winkler in seinem Roman Menschenkind. Der Erzähler sagt eine Geschichte aus: zwei Jugendliche haben sich gemeinsam auf einem
Heuboden erhängt. Das erfährt der Leser bereits aus der Vorbemerkung des Erzählers. Grund für ihren Selbstmord ist die Intoleranz der
Dorfgemeinschaft gegenüber der Homosexualität der beiden Jungen. Religion, Sexualität, Eros und Tod sind die Themen vieler Winklers Werke.
Zum wichtigen Thema gehört auch die Auseinandersetzung mit dem Vater in seinem 1980 erschienen Roman Der Ackerman aus Kärnten. In seiner
Debüterzählung Einer ist Jakob, ein Außenseiter der Gesellschaft. Die Mutter, Brüder und Bekannte aus dem heimatlichen Bergdorf berichten über
ihn und seine Außenseiterrolle. Er selbst bleibt sprachlos. 1992 erschien sein Essay Das Zöglingsheft des Jean Genet, 1993 seine Novelle O2.
Österreichische und schweizerische Lit. in den Jahren 1918-1945
Die österreichische Dichtung zw. Den beiden Weltkriegen wird größtenteils dadurch bestimmt, dass in diesem Zeitraum Österreich aus einem
Großstaat zu einem Kleinstaat geworden war. Das verlangte eine gewaltsame Umstellung und Anpassung. Einerseits begrüßte man die neue
republikanische Staatsform, anderseits erfüllte viele der Zusammenbruch der Monarchie mit tiefer Trauer. Der schließlich erfolgte Aufbau eines
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neuen österreichischen Staates wurde bald durch den gewaltsamen Eingriff des inzwischen nationalsozialistisch gewordenen Deutschen Reichs
gestört. Es kam zum Anschluss und 2.WK. In den Jahren 1920-1930 war die ö. Lit. durch die pessimistische Kritik am Kulturverfall gekennzeichnet.
Außerdem ging man in Ö früher als im übrigen deutschen Sprachraum daran, auf die Tradition zurückzugreifen und nach einer sittlichen Erneuerung
des Menschen zu streben.
Robert Musil
Joseph Roth studierte in Wien Philosophie, als der 1.WK ausbrach. Als Kriegsfreiwilliger kämpfte er an der Ostfront. In dieser Zeit sammelte er alle
militärischen Erfahrungen, die im Laufe seines Schriftstellerlebens immer wieder in seinen Büchern auftauchen. Seit 1931 war er freier Schriftsteller
und hinterließ 12 Romane, einige Bände Erzählungen und Essays. Der Roman Flucht ohne Ende könnte sein eigenes Leben charakterisieren. Es
behandelt die ereignisreiche Flucht eines ö. Oberleutnants aus russischer Kriegsgefangenschaft. Er glaubte an die Kunst und an die Humanität. Noch
wenige Wochen vor einem Tode (1939) ging er, selbst schwer leidend, mit emigrierten Freunden auf die Pariser Polizeipräfektur und half den
Vaterlandslosen bei der Beschaffung der Pässe. Seine ersten Romane Hotel Savoy, Rebellion, Juden, Auf Wanderschaft spielen in der Zeit nach dem
1.WK im Osten Europas ab. Den ersten wirklichen Erfolg brachte der Roman Flucht ohne Ende. In seinem Roman Radetzkymarsch beschreibt er die
ö. Monarchie. Die Hauptpersonen sind drei durch je eine Generation getrennte Vertreter einer Familie. Der erste, der einfache Fähnrich Trotta von
Sipolje in Slowenien, rettet dem jungen Kaiser Franz Joseph in einer Schlacht das Leben. Das bedeutet die Erhebung in den Adelstand und Aufstieg
seiner Familie. Sein Sohn, ein Bezirkshauptmann, ist dem Kaiser äußerlich ähnlich und innerlich artverwandt. Der Enkel, ein schon etwas
degenerierter Nachkomme, ist ein durchaus passiver Mensch. Er meistert das Leben nicht mehr. Er gerät in viele Konflikte, nur der Kaiser rettet ihn
mit dem Gnadenakt. Da bricht der 1.WK aus und er fällt im Kampf. Bald danach sterben auch der Kaiser und der Vater Trottas. Der Untergang der
Familie fällt mit dem Untergang der Monarchie zusammen.
Erwin Guido Kolbenheyer wuchs in Karlsbad, studierte Zoologie und Psychologie, danach entschied sich für das Leben eines freien Schriftstellers.
Er versuchte in seinen historischen Romanen mit Hilfe sorgfältiger Geschichtsstudien eine sachlich-getreue Darstellung der Vergangenheit. Meister
Joachim Pausewang schildert, wie ein Breslauer Schuhmachermeister aus dem 17.Jh. in der Form einer Autobiographie seine Begegnung mit dem
Philosophen Jakob Böhme beschreibt. Die Romantrilogie Paracelsus bringt die Darstellung des Lebens des Arztes, Naturforschers Paracelsus. Mit
den Problemen seiner Zeit setzte sich Kolbenheyer in Zeitromanen auseinander: Montsalvasch, Das Lächeln der Penaten. Bekannt sind auch seine
zwei Novellen. Die Karlsbader Novelle schildert Goethe an einer bedeutsamen Lebenswende. In der Novelle Die Begegnung auf dem Riesengebirge
überwindet die Liebe den Gegensatz zw. Preußischen und ö. Wesen und führt einen jungen Gelehrten aus Verzweiflung zu neuem Leben.
Ödön von Horvath
Hermann Broch
Joseph Weinheber verlor früh beide Eltern und wuchs im Waisenhaus auf, arbeitete als Postbeamte. ER knüpfte an die große Tradition der dt. Lyrik,
an Klopstock, Goethe, Hölderlin und Droste-Hülshoff an. Seine Sprachbegabung führte ihn zur Meisterschaft in der Handhabung aller Formen alter
und neuerer Lyrik. Die bevorzugten Themen seiner Oden, Hymnen und Elegien sind die Stellung des Menschen in der modernen Welt, Sinn und
Sendung der Kunst, die Liebe und die Natur, der Kampf des edlen Menschen gegen die Dämonen in seinem Inneren. Die bedeutendsten
Gedichtsammlungen sind Adel und Untergang (1934), Späte Krone (1936), Zwischen Göttern und Dämonen. Vierzig Oden (1938). Außerdem
schrieb er auch Gedichte, die er seiner Heimatstadt Wien widmete. Sie sind en dem Gedichtband Wien wörtlich zusammengefasst. Er porträtiert
darin die hohen Beamtem, aber auch die kleinen Leute, die Arbeiter, Kellner und Dienstboten.
Ein ö. Gegenstück zu Erich Kästner ist der Bukowinadeutsche Victor Wittner, der der bedeutendste ö. Lyriker der radikalen Sachlichkeit ist. In
seinen Großstadtgedichten Sprung auf die Straße, Der Mann zw. Fenster und Spiegel verbindet er sachliche Skepsis mit Ironie.
Theodor Kramer bringt in seinen Gedichten vom grauen Alltag nicht nur das Leben von den Gescheiterten, sondern er besingt auch die Schönheit Ö
(Vom schwarzen Wein, Einer bezeugt es).
Walter Sachs, der Sohn eines Fabrikarbeiters, hat sich v.a. mit dem Gedichtband Zwischen Wäldern und Schloten einen Namen gemacht.
Arnolt Bronnen wurde nach expressionistischen Anfängen (Dramen Vatermord, Anarchie in Sillian) zum Mitbegründer der Neuen Sachlichkeit. Dies
geschah mit seinen zeitkritischen, psychoanalytischen Dramen Rheinische Rebellen, Reparationen. Experimentierfreudig versuchte er, mit seinem
Ostpolzug ein Mono-Drama zu schaffen, in dem bloß eine einzige Person auftritt.
Ferdinand Bruckner versuchte in seinen Dramen die Wirklichkeit mit den Mitteln der Dialektik darzustellen. Mit seinen sozialkritischen, aktuellen
Themen erobert er um die Mitte 20er Jahre die Bühne. Ein Welterfolg wurde das Stück Krankheit der Jugend. In psychoanalytischer Weise zeigt er
die moderne Jugend seiner Zeit, ihr Suchen nach Sinn und Ziel im Dasein. Das Arbeitermädchen Irene – sie will durch das Studium in eine höhere
Gesellschaftsklasse aufsteigen – sagt prophetisch: Erwachte Jugend, die nicht gleichzeitig ihren Platz gefunden hat, schwebt in latenter
Lebensgefahr. Eine Fortsetzung dieses Dramas ist sein 1952 entstandenes Stück Früchte des Nichts. Es gibt einen Einblick in den Skeptizismus und
Nihilismus der Jugend nach dem 2. WK. In Elisabeth von England schildert er den Kampf des katholischen Spanien gegen das bereits bürgerlich
gewordene evangelische England. Die Rassen ist ein Kampfdrama gegen den Antisemitismus.
Die Schweiz
Die Lit. der Schweiz ist sehr reich und interessant. Bis 1945 blieb sie lange Zeit eine provinzielle, regionale Lit. (mit ein paar Ausnahmen), aber nach
1945 entwickelte sie sich zu einer bedeutenden europäischen Lit., und zwar v.a. dank M. Frisch und F. Dürrenmatt.
Während der Zeit des NS in D. und in Ö wurde die Schweiz zum ersten Fluchtziel für viele dt. Schriftsteller, Schauspieler, Journalisten und
Wissenschaftler. Etwa 300 000 Menschen flüchteten in die Schweiz. Vorher hatten die Schweizer Intellektuellen ihren Wirkungskreis auch in D.
gehabt – nun mussten sie sich den kleinen schweizerischen Markt mit dt. Intellektuellen teilen. Zürich wurde zum Mittelpunkt des Theaters und des
Kabaretts. Die Künstler trafen sich v.a. im Züricher Theater, im Cafe Odeon sowie im Oprecht-Verlag.
Jakob Schaffner hat als Schustergeselle die Welt durchwandert und in der Tetralogie um „Johannes Schattenhold“ (1922 bis 1933) den Werdegang
eines Schusterlehrling erzählt. Die Novelle Wie Gottfried geboren wurde berichtet über G. Keller. Der Schweiz dient auch die Heimatschau Berge,
Ströme und Städte.
John Knittel wurde in 1891 in Indien als Sohn eines Missionars aus Basel geboren. Er lebte abwechselnd in der Schweiz und in Ägypten.
Vielgelesene Romane sind Via Mala (1934), El Hakim (1936) und Amadeus (1939).
Charles Ferdinand Ramuz Romane spielen in der Alpenwelt ab. Der Roman Der Bergsturz (1934) schildert in hinreißender Art den Kampf
schweizerischer Bergbauern mit den Gewalten der Höhe.
Die österreichische Literatur vor 1918
Auf dem österreichischen Boden gab es kein Bundesland, das nicht seine eigenen heimatverwurzelten Dichter und Schriftsteller hervorgebracht
hätte. Einige von ihnen haben weit über ganz Österreich die Beachtung gefunden. Zu ihnen gehört auch A. Schnitzler.
Arthur Schnitzler wurde in Wien 1862 geb. Als Sohn eines angesehenen Medizinprofessors hatte er – wie S. Freud – an der Wiener Uni Medizin
studiert. Für die Zeitschrift seines Vaters, die „Internationale Klinische Rundschau“, hatte der Student als Medizinjournalist gearbeitet. Er widmete
sich v.a. der Psychoanalyse und ihrer Vorgeschichte. Hypnose und Suggestion wurden von ihm experimentell angewandt. Sch. wandte sich immer
mehr der Lit. zu. Er erkannte die Bedeutung von S. Freuds Wissenschaft und übertrug dessen Erkenntnisse der Psychoanalyse auf die Lit. Aus einem
beobachtenden Nervenarzt wurde ein dialoggewandter Diagnostiker der Feder. „Ich schreibe Diagnosen“, erklärte Sch. kategorisch zu seinen lit.
Arbeiten. Als Vertreter des Wiener Imp. kritisierte er die dekadente bürgerliche Gesellschaft. Seine Stücke zeichnen ein Bild, das aus vielen
subjektiven Eindrücken besteht. Die Menschen kreisen um sich herum und versuchen, sich über ihre wechselnden Stimmungen und Gefühle klar
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zuwerden, was jedoch oft nicht gelingt. In den sieben Szenen des Anatol erzählt Anatol seinem Freund Max von seinen Liebschaften mit
verschiedenen Frauen. In dem Dialog, der durch Max´ Zuhörerrolle eigentlich fast ein Monolog ist, zeigt Anatol sein egoistisches und völlig auf den
eigenen Sexualtrieb reduziertes Leben. Die Frauen sind für ihn nur Reize, die er braucht, um sich selbst empfinden zu können. Sch. Schauspiel in
drei Akten Liebelei kann man als bürgerliches Trauerspiel bez. Während Mizi und Theodor ihre Liebe als spielerisches Abenteuer betrachten, macht
Christine ihrem Fritz deutlich, dass sie mehr ist als das „süße Mädl“. Sie sucht keine Liebelei, sonder Liebe. Alle reden aneinander vorbei, das
tragische Ende ist unaufhaltsam: Franz wird bei einem Duell wegen einer vergangenen Affäre erschossen, die unglückliche Christine begeht
Selbstmord. Der leichte Ton der Konversation und die wachsende Verzweiflung von Christine stehen in einem deutlichen Kontrast. Sch. hatte wegen
seiner zu dieser Zeit als unmoralisch empfundenen Werke oft Probleme mit Zensur gehabt. Sein Stück Reigen entstand 1896/97, wurde aber erst
1920 aufgeführt. In Reigen, einer Serie von 10 Einaktern, hat jeder Einakter den Dialog nach dem Geschlechtsakt zum Inhalt. Die Erotik stand
jedoch nicht im Vordergrund, sondern wurde als Motiv benutzt, den Niedergang – die Dekadenz deutlich zu machen. Die Novelle Leutnant Gustl,
Fräulein Else. Autobiographie Meine Jugend in Wien.
Als Jude war Sch. dem Antisemitismus in Wien aufgesetzt. Die Situation des jüdischen Intellektuellen und der jüdischen Bourgeoisie beschrieb er in
dem Schauspiel Professor Bernhardi und im Roman Der Weg ins Freie. Sch. starb 1931 in Wien. Prof. Bernhardi war Leiter Wiener Privatklinik,
berühmter Arzt und ein Jude. Einer todkranken Patientin gibt er eine Spritze, und diese fällt eine Stunde vor dem Tod in Euphorie. Zu ihr kommt der
kath. Priester, um seine Pflicht auszuüben, aber Professor verhindert es. Wenn sie den Pfarrer erblickt, begreift sie, dass sie sterben muss. Aus
diesem Ereignis wird ein Skandal. Der Professor wird angeklagt, geht ins Gefängnis. Es entsteht antisemitische Hätzerei.
Hugo von Hofmannstahl und Stefan George verband eine kurze Freundschaft. 1906 kam es zum endgültigen Bruch. H. stammte aus Wien und
schrieb schon mit 16 Jahren seine ersten Gedichte. Er studierte Romanistik und nach dem Studium unternahm viele Reisen. H. schrieb zunächst
Gedichte im schwermütigen und skeptischen Stil. Die Darstellung von Stimmungen und Eindrücken entsprach dem Zeitgefühl viel mehr als die
Manifeste oder Dramen. Aus diesem Grund kann man die in dieser Zeit entstandenen Theaterstücke als lyrische Dramen nennen. Solche Dramen
sind z.B. Der Tod des Tizian und Der Thor und der Tod. Es ist in den gereimten Jamben geschrieben und zeigt die Isolation des ästhetischen, des
künstlerischen Menschen. Claudio, ein Tor, erkennt erst in der Gegenwart des Todes, dass er immer auf das Leben gewartet hat, nie aber wirklich
lebte. Der Glanz des Lebens wird erst im Tod deutlich. Er schrieb auch die Novellen Märchen der 672. Nacht und Reitergeschichte. Das Thema ist
die Auseinandersetzung mit dem Ästhetizismus. Nur der Kunst und Ästhetik gewidmete Dasein ist ein Lebensfluch. H. erlebte um die
Jahrhundertwende eine Krise, einige Jahre veröffentlichte er nichts mehr. 1902 schrieb er den Brief des Lord Chandos, in dem er sein Verstummen
erklärte: er hatte keine Sprache gefunden, die die immer komplizierter werdende Wirklichkeit ausdrücken konnte. Ein gewisser Chandos in England
schreibt einen fiktiven Brief an den Philosophen Franzis Bacon. H. griff später antike, mittelalterliche und barocke Traditionen auf. Nach dem
lyrischen Jugendwerk wandte er sich der Tragödie zu: Elektra. Tragödie in einem Aufzug. Frei nach Sophokles zeigt die von Rache besessene
Elektra, die jedoch lange unfähig bleibt, die Rache zu verwirklichen. Sein Spiel hatte großen Erfolg und Richard Strauss bat ihn es in ein
Opernlibretto umzuschreiben. So entstand eine lange Zusammenarbeit zw. beiden Künstlern, zu deren Ergebnissen u.a. auch Rosenkavalier und
Salome gehören.
Gemeinsam mit dem Regisseur Max Reinhardt gründete H. 1917 die Salzburger Festspiele. H. schrieb zwei Stücke: Jedermann. Das Spiel vom
Sterben des reichen Mannes. Er veränderte den mittelalterlichen Charakter des Stücks nicht. Der Mensch Jedermann wird im Augenblick des Todes
von allen Freunden verlassen, von Schönheit, Reichtum und Macht. Seine „Guten Werke“ begleiten ihn zu Gottes Richterstuhl. Doch sie sind zu
schwach, um ihn zu retten. Nur der „Glaube“ ermöglicht Jedermann die Einsicht in die göttliche Gnade.
Ein zweites Mysterienspiel ist Das Salzburger Große Welttheater, dass nach Calderóns spanischer Vorlage Das große Welttheater entstanden ist. H.
Lyrik ist symbolistisch und impressionistisch.
Hermann Bahr war der bedeutendste Vertreter der Gruppe der Autoren, die sich um die Jahrhundertwende von dem Naturalismus abgelöst hatten.
Sie nannten sich Das junge Wien. In seinen Tagebuchaufzeichnungen fordert er vom Österreich ein Beispiel des freien und organisierten
Zusammenlebens vieler Völker als Vorbild und Ausgangspunkt einer europäischen Gemeinschaft. Er trat sein ganzes Leben für diese Vorstellung
ein. Seine Romane Der inwendige Garten und Österreich in Ewigkeit zeigen seine Stellung zum politischen Umschwung Ö. nach dem Ende des
1.WK. Seine Rückkehr zum Katholizismus, dem Glauben seiner Jugend behandelt der Roman Die Himmelsfahrt.
Karl Kraus – lebte in Wien, war dort eine Autorität. Er war Kritiker der Gesellschaft, seinen Unterhalt verdiente er in der Form von Vorträgen, die
er in der Monarchie hielt. Überall fand er ein begeistertes Publikum, das Eintrittsgeld gerne bezahlte. War eigentlich ein großer Rhetor. Das
wichtigste Thema seiner Vorträge waren: Sprache – er vertrat die These, dass die verdorben ist. Die Verderber sind Journalisten – er kämpfte gegen
sie. Er schrieb unzählige Glossen, Epigramme, Aphorismen. Seine Texte veröffentlichte er in der satirisch-kritischen Zeitschrift Fackel, die er selbst
von 1899 bis 1936, bis zu seinem Tode herausgab. Er schrieb ein 800-seitiger Drama Die letzten Tage der Menschheit, das zeit- und
gesellschaftskritisch ist. Eigentlich ist es ein Drama, das nicht zu spielen ist. Es ist in Wiener Mundart geschrieben, enthält Szenen aus dem 1.WK
und zeigt die Reaktion der Österreicher an den Krieg.
P. Altenberg mit eigenem Namen Richard Engländer, 1859 – 1919. Zusammen mit A. Schnitzler und Hermann Bahr gehört er zu den wichtigsten
Vertretern des österreichischen Impressionismus. Es interessierte ihn die Schönheit des Alltags, die Entdeckung der alltäglichen Realität. Er schrieb
kurze Prosawerke, Skizzen, aphoristische, pathetische, lyrische und analytische Novelletten, welche er selbst Extrakten des Lebens nannte. Im
Mittelpunkt seiner Beobachtungen steht die Frau, das Idol der weiblichen Schönheit, in dem er das Genie sieht. Auch die Kinder, ihr Reiz und
unglaubliche Originalität waren sein Thema. PA wurde in Wien geb., kurze Zeit studierte Medizin, dann Buchhändlerei, den größten Teil seines
Lebens durchlebte er als „freier Mensch“. Tagsüber schlief er, nachts wanderte durch Lokale. Einerseits war er fanatisch sparsam, er schrieb z.B.
einen Telegramm an seinen Bruder, er solle ihm 100 Kronen leihen, weil er alles in die Sparkasse gegeben habe und es drohe ihm die Verhungerung.
Andererseits vergeudete er das Geld, wie er wollte, z.B. die Kellner kannten keinen anderen Stammgast, der so viel Trinkgeld gab. Auch wenn er
arm war, immer hatte er Geld für arme Kinder. Er liebte fast fanatisch die Ordnung und Sauberkeit, weswegen ihn das Hoteldienerschaft sehr liebte.
Für die Lit. entdeckte ihn Karl Kraus, der zu seinem lebenslangen Freund und Bewunderer wurde. Dank ihm erschien Altenbergs erstes Buch Wie
ich es sehe, 1896. dann folgten weitere: Was der Tag mir zuträgt, Prodromos, Märchen des Lebens, Neues Altes, Semmering 1912...
Roda-Roda
Karl Schönherr – war v.a. Dramatiker. Er ging vom Naturalismus aus und schuf bühnenwirksame soziale Dramen Der Weibsteufel oder Frau
Suitner. Frau Suitner ist eine Tragödie der kinderlosen Frau, die die Sehnsucht des Mannes nach Nachkommenschaft dadurch zu erfüllen versucht,
dass sie in den Tod geht und ihn damit freigibt für die junge Magd, die er schon lange will. Er wird zum Erneuerer des ö. Volksstückes, indem er
Bauerndramen aus seiner Tiroler Heimat schuf, wie Erde (1908), Glaube und Heimat (1910).
Zu den Frühexpressionisten gehört Georg Trakl. Er wurde 1887 in Salzburg geboren. Starb 1914 als 27-jähriger an die Überdosis Drogen. Trakl war
ein Genie der Lyrik, ein angeborener Lyriker. Neben seinen dramatischen Versuchen „Totentag“ und „Fata Morgana“ verfasste er hauptsächlich
Gedichte. Seine frühe Lyrik war stark an die Franzosen Rimbaud und Baudelaire orientiert. Die späteren Gedichte waren stark express.
Kennzeichnend sind düstere, prophetische Bilder, apokalyptische Visionen, magische Formeln. Seine Werke spiegeln den verzweifelten Kampf
gegen die dämonischen Mächte wider - ein Kampf, der, nach Trakl, zum Untergang führt. Leben ist Leiden, ausweglos, ohne Möglichkeit der
Erlösung.
Trakl liebte in seinem Leben nur eine Frau – seine Schwester. Auch in den Gedichten erscheint nur sie. Gedichtsammlungen : Sebastian im Traum,
Gedichte. Letztes Gedicht: Grodek (eine polnische Stadt). Im 1.WK erlebte er die Schlacht bei Grodek mit und war als Sanitäter für fast 100
Schwerverletzte verantwortlich.
Bedeutende Vertreter des express. Dramas in Ö sind Paul Kornfeld, Oskar Kokoschka, Franz Theodor Csokor.
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Paul Kornfeld wurde 1889 in Prag geb. und starb 1942 in einem KZ. Er war nicht nur Theoretiker des hochexpressionistischen Dramas, sondern
ein Mitbegründer des modernen Seelendramas, einer Dichtung, die Sendung und Prophetie darstellt. Bekannt sind v.a. seine zwei Tragödien: Die
Verführung und Himmel und Hölle. Im ersten Stück wird der Held von seiner Sehnsucht nach einer Einheit des Irdisch-Menschlichen mit dem
Göttlichen zum Ausbruch aus den menschlichen Bedingungen getrieben, ohne aber Gott zu finden. Er verfällt der Verneinung und kann sich von
dem in der Welt herrschenden Satan nicht lösen. Alles schlägt ins Nihilistische um. Im zweiten Stück drei zerrissene Menschen, ein Graf, seine Frau
und eine Dirne, stürzen aus himmlischen Höhen in höllische Abgründe des Gefühls und gelangen immer wieder zu neuem Aufschwung. Schließlich
siegen nicht die schwarzen, sondern die lichten Heerscharen.
Oskar Kokoschka schrieb Dramen, deren Helden unter der Spaltung der Menschheit in zwei Geschlechter leiden und nach einer letzten Einheit
streben. Heraus aus ihrem Gerissen zw. dem Guten und Bösen, zw. Himmel und Hölle wollen sie zu einem ruhigen Sein in Gott gelangen. Mörder,
Hoffnung der Frauen (1909), Orpheus und Eurydike (1919), Der gefesselte Kolumbus (1920)...
Franz Theodor Csokor ging als Dramatiker von August Strindberg aus. Er wirkte als Dramatiker am Raimundtheater in Wien. 1938 ging in
Emigration, seit 1946 lebte er wieder in Wien. Seine frühexpress. Dramen Die rote Straße, Der Baum der Erkenntnis behandeln den Menschen, der
von der Erlösungssehnsucht zw. liebender Preisgabe an den Nächsten und der Hassliebe schwankt. In zwei großen Trilogien setzte sich mit den
Problemen seiner Zeit auseinander. In der Europäischen Trilogie fasste er drei früher entstandene Stücke zusammen, die von dem Zerfall der
Donaumonarchie (November 1918), von der Besetzung des Rheinlandes nach dem 1.WK und vom jugoslawischen Partisanenkampf im 2.WK
handeln. Ein Gegenstück dazu ist die Trilogie Olymp und Golgatha. Im Mittelpunkt stehen breite Diskussionen über religions- und
weltgeschichtliche Probleme. Robert Musil
Probleme der Periodisierung der deutschsprachigen Lit.
Die Lit. entwickelt sich im engen Zusammenhang mit der Geschichte, die sie widerspiegelt. Aus diesem Punkt ordnet man die Lit. nicht nur nach
den Stilepochen, sondern man zieht auch allgemeine historische Kriterien in Betracht. Es sind folgende:
- die Jahren 1871 – 1918: Deutsch-Französischer Krieg in den Jahren 1870/71 und die Gründung des Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 in
Versailles (der preußische König Wilhelm I. wird zum Kaiser und Otto von Bismarck zum Reichskanzler. 1890 tritt Bismarck zurück und zum
Kaiser wird Wilhelm II. – man spricht auch von der Wilhelminischen Zeit). Es folgte der Aufschwung der Technik, Wissenschaften und Industrie. Es
änderte sich auch die soziale Struktur der Gesellschaft – die Abeiterklasse wurde stärker. Deutsches Reich wurde zur imperialen Großmacht.
- die Jahren 1918 – 1945: die Zeit der Weimarer Republik, Aufschwung des NS und der 2.WK
- die Jahren 1945 bis zur Gegenwart
Gliedert man die Lit. nach den Stilepochen, unterscheidet man folgende:
1. Naturalismus 1880-1900
2. Klassische Moderne 1900-1920. Sie umfasst mehrere Richtungen – Impressionismus,
Symbolismus, Dekadenz, Jugendstil, Neuromantik, Neuklassizismus.
3. Expressionismus 1910-1925
4. Lit. der Weimarer Republik 1918-1933
5. a) Lit. in der Zeit des Nationalsozialismus
b) Lit. im Exil
6. Lit. in der BRD
7. Lit. in der DDR
8. die Gegenwartsliteratur
- charakteristika periód v úvode ostatných otázok
Gerhart Hauptmann – wurde 1862 im schlesischen Bad Salzbrunn geb., war vielseitig talentiert. Er wurde zunächst zum Landwirt ausgebildet, später
besuchte die Breslauer Kunstschule. Nach Versuchen als Bildhauer und Zeichner gab er schließlich dem Schreiben den Vorgang. Ab 1884 lebte er
in Berlin, wo er Kontakt zu den Brüdern Hart aufgenommen hatte und den in verschiedenen Dichterkreisen Teil genommen hatte. 1888 erschien
seine erste Novelle Bahnwärter Thiel, eine überzeugende, psychische Vorgänge naturalistisch genau darstellende Geschichte über den seelischen
Verfall und die Mordtat eines Bahnwärters. Er wandelt wich von einem gewissenhaften Mann zum rächenden Mörder seiner Familie. Die moderne
Technik – Eisenbahn - wird zur Bedrohung und zerstört Thiels Leben.
1889 folgte das soziale Drama Vor Sonnenaufgang. G. H. brachte das Manuskript zuerst ins Verlag der „Gesellschaft“ in Leipzig, wo es von K.
Bleibtreu nur oberflächig durchgesehen war. Danach zeigte er es O. Brahm, dem Leiter der Freien Bühne, der sich entschloss, das Stück
auszuführen. Während der Premiere am 20. Oktober 1889 im Lessingstheater entstand eine Schlacht zw. den Anhängern und Gegnern, die den Autor
über Nacht berühmt machte. Hier werden alle Themen des Nat. angesprochen: das Elend der Arbeiter, Probleme der Sexualität, der Alkoholismus
und seine Auswirkungen. Eine arme Familie findet auf ihrem eigenen Landbesitz Kohle, wodurch sie reich wird. Helene, religiös erzogene Tochter
dieser Familie leidet unter der Trunksucht ihres Vaters. Loth, ein Jugendfreund ihres Schwagers, ist hier „ein Bote aus der Fremde“. Mit den
Kenntnissen über alle wichtigsten soziologischen und wirtschaftlichen Theorien will er am Ort eine Arbeit über das schlesische Kohlengebiet
schreiben. Für Helene verkörpert er die Hoffnung, sich aus ihrer Familie lösen zu können. Vom Arzt der Familie erfährt Loth, dass diese durch
Alkoholmissbrauch tief gesunken ist, er erschließt sich sofort, sie zu verlassen. Das Risiko, dass der Alkoholismus vererbt wird, will er nicht
eingehen. Als Helene das erfährt, ersicht sie sich.
Die Erstausgabe des Dramas widmete G. Hauptmann „Bjarne P. Holmsen“. Th. Fontane sagte über das Drama: Hauptmann hat ein sehr großes, ein
seltenes Talent...vor allem spricht sich in seinem Stück ein stupendes Maß von Kunst aus.
Daneben wurde das Stück auch scharf kritisiert: Der Kot wurde in Kübeln auf die Bühne getragen, das Theater zur Mistgrube gemacht.
1890 erschien ein zweites Drama Hauptmanns Das Friedensfest. Es ist Darstellung einer unter dem Einfluss von Erbanlagen und
Umweltbedingungen ausbrechenden Familientragödie.
1891 ging G. Hauptmann zurück nach Schlesien, von dort aus unternahm er viele Auslandsreisen. 1891 wurden Einsame Menschen aufgeführt. Es ist
ein Stück über dem Zusammenprall christlichen Moralbegriffe mit der Weltanschauung der positivistischen Natur- und Sozialwissenschaften.
G. Hauptmanns Drama Die Weber über den Weberaufstand von 1844 hatte am 25. September 1894 im Dt. Theater in Berlin endlich seine öffentliche
Premiere. Ihr waren schon eine Reihe von Inszenierungen vorausgegangen, die aber aus Zensurgründen alle nur im privaten Rahmen stattfinden
könnten. 1891 war die Dialektfassung des Stücks abgeschlossen worden und 1892 war auch ihre hochdeutsche Fassung fertig. Beide mussten dem
Berliner Polizeipräsidium vorgelegt werden, dass die öffentliche Vorstellung verbot. Die Behörden richteten sich v.a. gegen die Deklamation des
Weberliedes, die Plünderung bei dem Fabrikbesitzer und die Darstellung des Aufstandes selbst, denn dass könnte einen Anziehungspunkt für den zu
Demonstrationen geneigten Teil der Berliner Bevölkerung bedeuten. Das Drama behandelt die Unruhen der notleidenden Webern, die im Juni 1844
im schlesischen Langenbielau und den naheliegenden Ortschaften entstanden. Durch die Einführung von Webmaschinen wurden viele Weber
arbeitslos. Sie hungerten und probten den Aufstand. Hauptmann folgt streng dem Ablauf der historischen Ereignisse. Dabei fand er die Aktualität der
dargestellten sozialen Probleme und machte sie zum Spiegel der Gegenwart. Er schrieb auch die Komödie Der Biberpelz. Die Mutter Wolff versucht,
sich und ihre Familie nach oben zu bringen, indem sie listig die Schwächen der Gesellschaft zu ihrem Vorteil ausnutzt. 1912 Nobelpreis für Lit.
verliehen.
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Peter Handke (1942 bis heute)
Bei PH hat man seine Mut zu Poesie und Innerlichkeit wie die sprachliche Genauigkeit in der Wiedergabe von Beobachtetem hervorgehoben, auf
anderen Seite hat man ihm die Realitätsferne, den falschen Pathos und narzisstische Selbstinszenierung vorgeworfen.
PH stammt aus Kärnten, wurde 1942 geb., 1961 begann er Jura in Graz zu studieren. Dort gehörte er der Künstlergruppe „Forum Stadtpark“ an. Der
Veröffentlichung kürzerer Prosatexte folgte eine Mitarbeit beim Rundfunk, für den PH Feuilletons verfasste. Sein erster Roman, Die Hornissen,
erschien 1966. Seine Publikation veranlasste ihn zum Abbruch des Studiums und der Entscheidung freier Schriftsteller zu sein. Die Hornissen
thematisieren das Problem des Erzählens als ein schwebendes Verhältnis von Form und Gegenstand. Auch PHs frühe Stücke, wie
Publikumsbeschimpfung und Kaspar beleuchten Ordnungs- und Zerstörungsfunktion der Sprache. Es sind dog. Sprechdramen. Die
Publikumsbeschimpfung, auf die man mit „Autorenbeschimpfung“ reagierte, hat keine Handlung im herkömmlichen Sinn. Die sich steigernde
Beschimpfung des Publikums ist ein Angriff auf die Institution des Theaters, das den Zuschauer in der Rolle des passiven Konsumenten lässt. Die
Bühne wird zu einem künstlichen Sprach- und Sprechraum. Kaspar baut auf der Vorlage des historischen Kaspar Hauser auf, der als Kind
verschleppt wurde, die ersten Lebensjahre isoliert in einem Gefängnis verbrachte, und die menschliche Sprache erst mühsam im Erwachsenenalter
erlernte. Distanzierte sich PH in seinen frühen Stücken von der traditionellen Handlung, in seinen späteren Stücken verzichtete er sogar auf das
Sprechen (Die Stunde da wir nichts voneinander wussten besteht nur aus Regieanweisungen).
Inzwischen ist PH in die Bundesrepublik übersiedelt. Er gelangte zu einiger Publizität, als er 1966 auf der Tagung der Gruppe 47 der
zeitgenössischen Lit. „Beschreibungsimpotenz“ vorwarf. In programmatischen Essays (Die Literatur ist romantisch, Ich bin ein Bewohner des
Elfenbeinturms) formulierte er seine eigene Position: Literatur ist ihm Mittel „über sich selber, wenn nicht klar, so doch klarer zu werden“. Um
Realismus bemühte Beschreibungsliteratur kann dies nicht leisten. In den unter dem Titel Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt versammelten
lyrischen Texte versuchte er, seine theoretischen Einsichten zu verwirklichen.
Mit der 1970 erschienenen Erzählung Die Angst des Tormanns beim Elfmeter wurde seine Thematik weiter geführt. Der Text protokolliert die
Wahrnehmung eines aus den stabilen Beziehungen von Innen und Außen, Zeichen und Bezeichneten herausgetretenen Bewusstseins.
PH, der auch Hörspiele und Filmbücher schrieb, lebte 1969/70 in Paris. Die Rückkehr in die Bundesrepublik begleiteten die Erzählungen Der kurze
Brief zum langen Abschied aus dem Jahr 1972 und Die Stunde der wahren Empfindung. Sie bezeichnen eine entschlossene Suche nach dem Ich,
zeigen das paradoxe Phänomen, das ein radikaler Subjektivismus zur Verklärung der Objektwelt führt. Das Gewicht der Welt. Ein Journal 1977
schwankt zw. Tagebuch und Materialsammlung. PH registrierte hier über einen Zeitraum von einigen Monaten alle sprachlichen Wahrnehmungen,
ohne sie zu differenzieren. Kindergeschichte 1981 ist eine ebenfalls registrierende Darstellung, in der es um das Verhältnis zw. Vater und Kind geht.
PH stellt nicht nur die Freude dar, die ein Kind Bedeuten kann, sondern er erzählt auch vom Gefühl der Einengung, vom Verzicht auf eigenes Leben
für das Leben des Kindes: ein Opfer, das Wut, Hass wecken kann, das aber auch zu einem neuen Verhältnis des Erwachsenen zu sich selbst führen
kann. Mit seinen drei Prosawerken Versuch über die Müdigkeit, Versuch über die Jukebox, Versuch über den geglückten Tag wendet er sich den
kleinen Dingen des Lebens zu und beschreibt Momentaufnahmen aus dem Alltag.
Prager deutsche Literatur
Ein bedeutender Sammelpunkt deutschsprachigen Schriftsteller hat sich in Prag gebildet. Aus diesem Milieu ging eine Zahl hervorragender
Schriftsteller hervor, wie z.B. F. Kafka, F. Werfel, M. Brod, deren Werk mehr oder weniger vom Expressionismus beeinflusst wurde, R.M. Rilke, E.
E. Kisch, Weiskopf, Winder, Weltsch... Es waren meist Juden. Sie versuchten, nationale, soziale und deutsche Kultur anzunähern. Alle verließen
früher oder später die Stadt, nur Kafka blieb Prag treu.
Franz Werfel stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die in Prag lebte. Er absolvierte eine Kaufmannslehre in Hamburg und wurde danach
zum Lektor des Kurt Wolffverlags in Leipzig. Er nahm an dem ersten WK Teil, lebte dann als freier Schriftsteller in Wien. 1938 emigrierte nach
Frankreich, 1940 nach Portugal und Amerika. F. W. war ein Musikliebhaber. Er liebte besonders die Musik G. Verdis, dem er 1924 sogar einen
Roman (Verdi) widmete. Die treibende Kraft seiner Dichtung war gerade elektrisierende Melodie. Auffallend in seiner Dichtung ist häufige
Verwendung religiöser Motive (der Kampf zw. Gut und Böse, das Verhältnis von Schuld und Sünde), der Motive der Trennung, Wiedervereinigung,
Tod, Geburt und Wiedergeburt. Er stellte den Generationskonflikt, Die Vater-Sohn-Beziehung dar.
Zu seinen bekannten Gedichtsammlungen gehört Sammlungen: Der Weltfreund, Wir sind, Der Gerichtstag. Im „Weltfreund“ verkündete F.W. in
pathetischen Versen weltweite Bruderschaft und allesverbindende Liebe. Auch die zwei Jahre später erschienene Sammlung „Wir sind“ ist im
hymnischen Ton geschrieben. Express. Stilelemente beinhalten auch seine Dramen: Der Besuch aus dem Elysium, Die Troerinnen, Die
Mittagsgöttin, die Novelle Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig.
Obwohl F.W. einer der ersten Protagonisten der express. Bewegung war, hatte er ein auffallend gespaltetes Verhältnis zu ihr. Den dramatischen E.
nannte er später eine „haltlose Verbeugung vor der Sketsch- und Kinotechnik“. Die endgültige Abkehr vom E. vollzog er 1929 mit seinem Roman
Barbara oder Die Frömmigkeit. Entscheidenden Einfluss auf diese Wendung hatte seine Frau Alma Mahler, die Witwe des Komponisten Gustav
Mahler. Werfels größer Erfolg war der Roman über die Vergewaltigung eines freien Volkes Die vierzig Tage des Musa Dagh. Der Roman über die
Verfolgung der Armenier durch den jungtürkischen Staat wurde in Amerika von den Immigranten auch als ein Buch über die Judenverfolgung durch
den Hitlerstaat gelesen.
Werfel floh 1938 über Frankreich, Spanien und Portugal nach New York. Er lebte in Kalifornien und starb 1945 in Beverly Hills.
Franz Kafka – Biographie
Max Brod war eine allseitige Persönlichkeit. Studierte Jura an der Prager UNI. Danach war er als Beamter, Theater- und Musikkritiker tätig. Sein
Leben und Schaffen ist mit Prag verbunden. Dort lebte er bis zum Jahr 1939 und zusammen mit seiner Frau und seinem Freund Weltsch emigrierte
er nach Palästina. MB entdeckte als erster F. Kafkas Talent und hatte großen Verdienst bei der Herausgabe seiner Werke.
Sein Werk ist umfangreich: philosophisch-theologische Arbeiten, Essays, lyrische Gedichtsammlungen, Theaterstücke, er war auch als Übersetzter
tätig. Am bedeutendsten sind seine historische Romane: die Trilogie Kampf um Wahrheit, weiter der Roman Rebellische Herzen, der dem Leben
der Redaktion des „Prager Tagblatts“ gewidmet ist.
Egon Erwin Kisch war ein weltbekannter Schriftsteller, Journalist und v.a. Reporter. Als der 1.WK ausbrach, kam er an die Front. Unter dem
Einfluss der Kriegsereignisse schrieb er sein Tagebuch, das unter dem Titel Schreib das auf, Kisch! erschien. Nach einem kurzen Aufenthalt in Prag
ging er 1921 nach Berlin, wo er einige Jahre verbrachte. Unter dem Einfluß der neuen Sachlichkeit schrieb er den Roman Der rasende Reporter. Er
unternahm viele Reportagereisen – in die USA, Sowjetunion, China, woraus viele Reportagensammlungen entstanden sind (Paradies Amerika, Asien
gründlich verändert...) Nach der Okkupation der Tschechoslowakei ging er in Exil nach Mexiko. Starb 1948 in Prag.
Paul Leppin gehört zwar nicht zu den erfolgreichsten Vertretern der Prager Lit., war jedoch eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Prager
Kulturlebens. Er war Dichter (als der letzte Prager neuromantiker bezeichnet) und Schriftsteller. Außer der dt. Sprache beherrschte er auch
Tschechisch und verkehrte mit den tschechischen Künstlern. Die Sammlung Die Glocken, die im Dunkeln rufen, der Roman Severins Gang in die
Finsternis.
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Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke wurde 1875 in Prag geboren. Er hatte einen schwachen Vater, der in seiner Militärkarriere gescheitert ist und eine dominierende
Mutter, die aus großbürgerlichem Haus stammte und voll unerfüllter Ambitionen war, die sie auf den Sohn übertrug. 1886 wurde der sensible Rilke
von seinen Eltern auf eine Militärschule geschickt. In Prag, München und Berlin studierte er Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturgeschichte.
Er brach das Studium ab und entschied sich für den Dichterberuf. Seither führte er ein Wanderleben, nie hielt sich länger als einige Jahre an einem
Ort. Bereits in Prag schrieb er seine ersten Gedichte, die durchschnittlich waren. Es dauerte lange, bis er seinen Stil fand. Er reiste nach Russland, wo
er Tolstoj – er war schon alt - kennen lernte und ihn sehr bewunderte. Hier, im patriarchalischen Russland suchte er das Ideal der menschlichen
Gesellschaft, anziehend für ihn war das russische Dorf. Nach Russland reiste er mit der Schriftstellerin Lou Andreas Salomé, die aus den baltischen
Ländern stammte und russisch sprach. Sie machte ihm die Dolmetscherin. Rilke lernte dann Russisch selbst. Auf Russisch gab er ein Gedichtzyklus
aus. Obwohl er ein Tscheche war, er schrieb nie tschechisch.
Wie bei Hoffmannstahl und Schnitzler war auch Rilkes frühe Lyrik von der Stimmung des fin de siécle geprägt. Wie George legte er Wert auf eine
kunstvolle Form. Das Ergebnis der Reise nach Russland ist das dreiteilige Stunden-Buch. Rilke begibt sich in der Gestalt eines jungen Mönches auf
die Suche nach Gott. Es enthält Gedichte, die man als lyrische Gebete bezeichnen kann.
Du, Nachbar Gott, wenn ich dich
manchesmal
Sie kreisen um einen sehr persönlichen
In langer Nacht mit hartem Klopfen störe, Gott, er duzt dem Gott, zw. ihm und Gott
So ists, weil ich dich selten atmen höre
Entsteht eine intime Beziehung:
Und weiß: Du bist allein im Saal.
1901 heiratete er die Bildhauerin Clara Westhoff, die eine Schülerin des franz. Bildhauers Rodin war. Zusammen hatten sie eine Tochter, aber die
Ehe hielt nicht lange, beide waren nicht für die Ehe geschaffen. 1902 zog er nach Paris, wo er als Privatsekretär des Bildhauers Rodin arbeitete. Er
wurde von nicht bezahlt, arbeitete umsonst. Rilke schrieb hier die Biografie über Rodin, veröffentlichte das Igor-Lied und entwickelte das Konzept
der Dinggedichte. Er wollte seine Gedichte so schreiben, wie der Bildhauer Rodin seine Statuen macht. Das Ergebnis sollte ein sprachliches
Bildhauergedicht sein. Solches Gedicht enthält kein lyrisches Ich In den Vordergrund tritt die Betonung der Arbeit und des Handwerklichen, die an
die Stelle des Wartens auf die Eingebung treten, die auf einer genauen Beobachtung eines Gegenstandes beruhen. Diese Gegenstände können
Pflanzen, Tiere oder Kunstwerke sein, die als Beweis göttlicher Existenz verstanden werden. Diese Gedichte sind in der Sammlung Neue Gedichte
und in Der neuen Gedichte anderer Teil enthalten (ein Panther, Leopard, die Gazelle, Karussell, Spätherbst in Venedig, Römischer Brunnen...)
In späteren Gedichten löste sich Rilke von der Gebundenheit an die Welt der Dinge.
In den Jahren 1911 –12 lebte er auf dem Schloss Duino bei Triest, wo er noch eine produktive Phase erlebte. Das Ergebnis sind die Duineser
Elegien. Es sind 10 längere Gedichte über die Liebe, Mutter, Frau in verschiedenen Gestalten. Rilke war Gegner des Krieges, er war ein Dichter der
Liebe (christlichen oder erotischen). Im 1.WK musste er einrücken, arbeitete auf dem Kriegsministerium und sollte die Propagandaliteratur
schreiben, was er ablehnte. Nach dem Krieg entstand der Zyklus Die Sonette an Orpheus (orfojs). 50 Sonette. Spirituelle Dichtung. Orpheus begleitet
den Dichter in das Totenreich.
Rilkes Schaffen beinhaltet nicht nur Gedichte. 1906 erschien die Prosadichtung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Chrisoph Rilke. Das
Motiv des Todes spielt eine große Rolle. Beim Feldzug gegen die Türken gerät der junge Cornet, ein Soldat, mit seinen Kameraden in ein Schoß, wo
er seine erste Liebesnacht erlebt.
Rilkes Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge wurde als impressionistisches Meisterwerk bezeichnet. Hinter der Maske eines armen,
in Paris lebenden dänischen Dichters, der seine Gefühle in den Tagebuch niederschreibt, verbarg sich Rilke selbst. Alles ist anonym, der Mensch ist
nur ein Mitglied der Masse.
Nach dem 1. WK, beendete er 1921 sein Wanderleben und übersiedelte in den einsamen Schlossturm in Schweizer Wallis, wo er 1926 auf Leukämie
starb.
Robert Musil
RM war ein bedeutender Erzähler. Er wurde 1880 in Klagenfurt in der Familie eines Ingenieurs geb. Kurz nach der Geburt ging der Vater in den
Staatsdienst und wirkte an der Technischen Hochschule in Brno. RM wuchs in einer materiell gut versorgten, aber kalten Umgebung auf.
Da der Offiziersberuf eine lange Tradition in der Familie hat, besuchte RM in den Jahren 1892 – 1897 österreichische Militärerziehungsanstalten.
Die Erfahrungen aus dem Aufenthalt in diesen Anstalten fanden ihre Widerspiegelung in seinem Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“.
1897 begann er an der Technischen Hochschule in Brno Maschinenbau zu studieren. 1901 beendete er das Studium und begann an seinem ersten
Roman zu arbeiten. Diese Zeit ist bestimmt durch seine persönliche Krise. Er war enttäuscht aus dem Beruf, der ihm als automatisch und ohne
irgendein Abenteuer vorkam. Er wusste, dass ihm bloß die technische Ausbildung nicht ausreicht.
1903 bis 1908 studierte er die Philosophie und Psychologie in Berlin. 1906 erschien sein frühexpressionistischer Roman Die Verwirrungen des
Zöglings Törless, der einen großen Erfolg hatte. Seine Absicht war, die Unordnung in kaiserlich-königlichen Erziehungsanstalten auf das Licht zu
bringen. Es ist über den Jugendlichen, die eine Militärschule besuchen. Dargestellt werden das Schikanieren, homosexuelle Beziehungen und viele
andere Probleme der anwachsenden Jungen. Törless ist ein empfindsamer Mensch – anders als die anderen – sucht den Platz im Leben und den
Ausweg. Diesen findet er in der ästhetischen Auffassung des Lebens, in der Mathematik.
Nach dem Abschluss des Studiums entschied sich RM für die Literatur. 1911-14 arbeitete er als Bibliothekar der Technischen Hochschule in Wien,
danach als Redakteur der Neuen Rundschau in Berlin. 1911 erschienen unter dem Titel Vereinigungen seine zwei Erzählungen: Die Vollendunge der
Liebe und Die Versuchung der stillen Veronika. Ähnlich wie in seinem ersten Roman, auch hier reißt er seine Helden aus dem Mechanismus des
Lebens und analysiert deren unbegreifliche Beziehungen. Die Kritik empfand diese Erzählungen negativ.
Im 1.WK war RM Offizier und kämpfte am italienischen Front. Nach dem Krieg begann er an seinem größten Roman „Mann ohne Eigenschaften“
zu arbeiten.
Bis 1922 war er österreichischer Beamter, anschließend lebte er seit 1922 als freier Schriftsteller in Berlin und Wien. 1923 wurde ihm der HeinrichKleist-Preis für das Theaterstück Die Schwärmer verliehen. 1924 gab RM sein Erzählband Drei Frauen aus. Er stellt die psychologischen Feinheiten
des Frauenlebens, sowie die Beziehungen zw. den Frauen und Männern in Grenzsituationen dar. Es gehören hier: Grigia, Die Portugiesin und
Tonka. Die Portugiesin – erschien auch als selbstständiger Buch und erreichte die Auflage von 200 000 Exemplaren. Sie ist ein einziges historisches
Werk von Musil. Die Zeit wird nicht angegeben, sicher spielt sich die Handlung nicht in der Gegenwart, sondern in der Zeit des Mittelalters,
vielleicht bis zum 17.Jh. Der Raum ist Südtirol, eine wilde, gebirgige Landschaft, aus der der Herr von Ketten stammt. Diese Landschaft bildet ein
Gegenteil zum warmen, südlichen Land Portugal, aus dem seine Gattin stammt.
Deutlich kommt in den Vordergrund die Bipolarität: Mann – Frau, Wolf – Katze. Der Titel sollte Herr von Ketten heißen, heißt aber Portugiesen, das
Thema ist, wie die Frauen die Männerwelt ertragen. Der Herr von Ketten macht alles zweckmäßig. Er heiratet eine schöne Frau aus einem
Fremdland, um schöne Kinder zu haben und keine Bündnisse mit den Nachbarn zu gründen. Nach der Hochzeit ist er ständig auf den Reisen, war
seine Frau ertragen muss. Sie sucht den Ersatz in der Natur, ihr Begleiter wird ein Wolf, in dem sie ihren Mann sieht. Sie ist sehr froh, als sie ein
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Freund aus Portugal besucht und sie tröstet. Ketten ist eifersüchtig, er hat einen Herrschaftsanspruch auf sie – seine Frau, obwohl er sich um sie
nicht kümmerte. Auf dem Hof erscheint ein Kätzchen, das auch sehr krank wie Ketten ist. Alle glauben, dass Kätzchen für ihre Sünde und Schuld
leidet. Der Diener tötet das Tier und alle wissen, dass sie etwas wichtiges verloren haben. Der junge Freund sieht im Kätzchen seine Liebe zur
Portugiesin und sein Tod bedeutet für ihn Verlust der Liebe und zieht zurück. Ketten identifiziert es mit seiner Krankheit und Portugiesen sieht darin
Gott verkörpert: Wenn der Gott ein Mensch werden konnte, kann auch die Katze werden.
1933 verlässt RM Berlin und lebt bis 1938 in Wien. In diesem Jahr emigriert in die Schweiz und seine Lit. wird in D. verboten. Hier lebte er bis zu
seinem Tod in ärmlichen Verhältnisse. Als er 1942 starb, war er fast unbekannt, Obwohl z.B. Th. Mann 1939 über ihn schrieb: Ich kenne keinen
anderen lebenden dt. Schriftstellern, dessen Ruhmes ich sicher bin.
Sein ganzes Leben arbeitete er am riesigen Roman Mann ohne Eigenschaften. Er spielt in einem Land ab, das Kakanien heißt. Unter diesem Namen
ist Österreich gemeint und die Handlung umfasst ein Jahr der sterbenden österreichisch-ungarischen Monarchie. Hier wird die Feier des Jubileums
der Thronbesteigung des Kaisers vorbereitet. (Der Kaiser wird nicht genannt, aber gemeint ist Franz Joseph). Neben dem Feier wird von jungen
Leuten eine Parallelaktion vorbereitet, an deren Grund man den Niedergang der bürgerlichen Welt erfahren kann. Zu den Protagonisten gehört
Ulrich, der Bestandteil dieser Parallelaktion ist. Die Handlung ist bei RM von geringer Bedeutung, viel bedeutungsvoller ist die Analyse des
Geschehens. Musil nannte dieses Verfahren „Essayismus“. Ulrich versucht mehrmals sein Leben sinnvoll zu gestalten. Er scheitert im Beruf und ist
erfolglos bei dem Versuch, die Vorbereitungen für das österreichische Kaiserjubiläum unter eine leitende Idee zu stellen. Schließlich findet er in der
Liebe zu seiner Schwester eine neue Lebensform. Der Roman ist in kleine Kapitel geteilt und ist unvollendet, es ist möglich, dass es unvollendbar
ist.
Schweizerische Literatur nach 1945
Nach 1945 war die Situation in der Schweiz völlig anders als in den übrigen europäischen Ländern. Die Schweiz hatte am 2.WK nicht Teil
genommen, sie war neutral geblieben.
Die Nachkriegslit. war v.a. von zwei Literaten vertreten: Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt. Beide gehörten zu der Generation, die die politische
Entwicklung in D. bis zum 2.WK bewusst verfolgte. Sie traten aber erst Ende der 50er Jahre mit politisch engagierten Werken an die Öffentlichkeit.
Max Frisch – Biographie
Friedrich Dürrenmatt – Biographie
Der bedeutendste Autor der Lyrik der 50er Jahren ist Eugen Gomringer. Er studierte Nationalökonomie in Bern und Rom, 1962-67 arbeitete er als
Geschäftsführer des Schweizerischen Werkbundes in Zürich, danach war er Kulturbeauftragter der Rosenthal AG in Selb (BRD). Als Professor für
Ästhetik ist er an der Kunstakademie Düsseldorf tätig. Mit seinem Werk bemühte sich Gomringer um die Neubestimmung des Dichters und der
Dichtung in der Gesellschaft. Das neue Gedicht ist in den Teilen und als ganzes überschaubar und auf wesentliche, knappe Formen reduziert. Die
Gedichte können auch akustisch oder visuell wirken, sie können mit syntaktischen Formen spielen oder sinnvolle Satzkonstruktionen neu
kombinieren. Gomringer beeinflusste die Wiener Autoren Artmann und Rühm, die ebenfalls Mitte 50er Jahre eine neue Dichtung darstellen. Werke:
konstelationen (1953), programmatischer Aufsatz vom vers zur konstellation, eine Schriftenreihe 1960-65 konkrete poesie.
In den 60er Jahren traten bis dahin unbekannte Autoren an die Öffentlichkeit.
1964 erschien Kurzprosa von Peter Bichsel mit dem Titel Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennen lernen. Es hatte gleich großen
Erfolg. Bichsel erzählt sachlich-nüchtern vom Alltag sog. Kleiner Leute. Schon der Titel weist auf das Milieu hin. Bichsels Roman Die Jahreszeiten
(1967), für den er den Preis der Gruppe 47 erhielt, soll das Alltagsleben darstellen. Doch durch den wiederkehrenden Satz „Ich stelle mir vor“ wird
das Erzählte sofort auf eine fiktive Ebene gebracht, die auf in Frage gestellt wird. Schließlich rettet sich der Erzähler, indem er selbst anstelle der
Hauptfigur in einen Zug steigt und verschwindet. Kindergeschichten sind Texte, die für Kinder und Erwachsene geschrieben sind. Die Geschichte
vom Mann, der seine eigene Sprache erfindet und zum Bett nun „Tisch“ sagt, ist für Kinder ein lustiges Verwirrspiel. Für Erwachsene ist es eine
Geschichte über Sprache als Kommunikationsmittel, das aber zur Isolation führen kann. Zum Schluss versteht der alte Mann niemandem mehr, und
er wird auch von niemandem verstanden.
1985 veröffentlichte Bichsel nach einigen poetologischen Arbeiten wieder Erzählungen unter dem Titel Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und
der schönen Bagelone. Zum Thema wird das Erzählen von alltäglichen, sich ins Ungewöhnliche steigernden Geschichten.
P. Bichsel (geb. 1935) machte eine Ausbildung zum Volksschullehrer und arbeitete dann in seinem Beruf. Zw. 1972 und 1989 hielt er sich als
Gastdozent und Publizist mehrmals in D. und den USA. Seit 1968 äußert er sich in verschiedenen Schweizer Tages- und Wochenzeitungen zu
Tagesereignissen kritisch über sein Land.
Kurt Marti war ein protestantischer Pfarrer, der in seinen Erzählungen Wohnen zeitaus (1965) die schweizerischen Verhältnisse darstellt. Es
scheinen zunächst Dorfgeschichten in der Tradition des 19.Jhs. (z.B. G. Kellers) zu sein, aber im bewussten Gegensatz dazu wollen sie auf die
Verstädterung der Dörfer aufmerksam machen. Daneben schrieb Marti auch Gedichte, in denen er Christentum und das Soziale verbindet. Die
Sprache behält ihren Mitteilungscharakter und wird nicht – wie bei Gomringer – herausgelöst. Er übt Kritik am Bestehenden, er untersucht das
Vertraute und zerlegt es so, dass der Leser gezwungen wird, das Vertraute neu zu überdenken. 1963 erschienen die gedichte am rand, die einzelne
Bibelstellen kommentieren. Die spätere Sammlung ist Heil-Vetia. Wortspiel mit dem lat. Namen der Schweiz Helvetia.
Neben den zahlreichen Erzählungen waren in den 60er Jahren von Bedeutung auch Romane. Neben Max Frisch schrieb bekannte Romane auch
Adolf Muschg. Im Sommer des Hasen erzählt er von sechs jungen Autoren, die von einer Schweizer Exportfirma ein halbes Jahr nach Tokio
eingeladen werden, um sich im fremden Land umzusehen. Er stellt das Bild Japans dar und gleichzeitig auch ein Bild des jeweiligen Schriftstellers in
seiner Auseinandersetzung mit der Umgebung. Sein Roman Albissers Grund spielt in der gegenwärtigen Schweiz ab. Es ist eine Suche nach
Albissers Motiv für den versuchten Mord an seinem Psychiater. Daneben entdeckt der Autor auch die Problematik einer Gesellschaft, di zu schwach
ist, sich von Vorbilden zu lösen und selbst aktiv zu werden.
In seinen späteren Erzählsammlungen Liebesgeschichten (1972), Entfernte Bekannte (1976) und Leib und Leben (1982) berichtet er von
Beziehungen zw. Menschen. Oft sind es Liebesgeschichten, die eigentlich schon zu Ende sind. Aus der Ferne wird noch einmal die verlorene Nähe
beschworen. Die Erzählungen sind sehr konzentriert, sie können oft Stoff für einen ganzen Roman geben. Meist spielen sie in der Schweiz, mit dem
Schweizer Bürgertum als sozialen Hintergrund. Schon der Titel „Entfernte Bekannte“ zeigt den Widerspruch, in dem sich viele Figuren als seinen
Erzählungen befinden. Sie schwanken zw. menschlicher Nähe, die sie sich wünschen und großer Ferne, unter der sie leiden. A. Muschgs
„Erziehungsroman eines Vampirs“ Das Licht und der Schlüssel (1984) führt drei Personen zusammen: Mona, eine todkranke Frau, Constantin
Samstag, ein Vampir, der sie heilen möchte, zu ihnen gehört auch ein Dritter, der jedoch nur als angeredeter Briefpartner erscheint: ein blinder
Tabakhändler, der Samstag beauftragt, das perfekte (holländische) Stilleben aus dem 17.Jh. zu beschaffen, an dessen Licht er wieder sehen werden
könnte. Der Roman ist eine Diskussion über das Vermögen und die Grenzen der Kunst.
A. Muschg (geb. 1934) studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie. Er promovierte mit der Dissertation über den Expressionisten Ernst
Barlach. Er arbeitete als Lehrer am Gymnasium in Zürich, dann als Hochschuldozent an dt., schweizerischen, japanischen und amerikanischen
Universitäten. Seit 1970 ist er Professor für Literaturwissenschaft in Zürich. Er ist auch ein Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und erhielt
zahlreiche Preise.
Brandeis ist ein autobiographisch gefärbter Roman von Urs Jaeggi und behandelt die Jahre zw. 1966 und 1972 in der BRD – eine Zeit politischer
Studentenunruhen, Diskussionen um den Vietnamkrieg, Terrorismus und Drogenprobleme. Die Hauptfigur Brandeis ist ein Soziologieprofessor, der
mit den unzufriedenen Studenten sympathisiert. Aber er lässt sich vom Fluss der Ereignisse nicht mitreißen.
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In den 60er Jahren wirkte sich das zunehmende politische Engagement der Schriftsteller auch im „Schweizerischen Schriftsteller-Verein“
bemerkbar. 1969 kam es zu einem offenen Streit. Anlass war das von der Schweizer Justiz und Polizei herausgegebene Zivilverteidigungsbuch.
Einige Autoren, v.a. aus der deutsprachigen Schweiz, distanzierten sich aus politischen Gründen von dieser Schrift und traten aus dem Verein aus.
Die „Oltener Gruppe“ konstituierte sich. Zu ihr gehörten Bichsel, Dürrenmatt, Frisch und Muschg, der die Gruppe später veließ.
Erst in den 70er Jahren zog man vom politischen Engagement zurück, in den Vordergrund traten autobiographische Elemente, zunehmend
veröffentlichten auch die Autorinnen wie Gertrud Leuteneggers, Eveline Hasler, Adelheid Duvanel. Gertrud Leutenegers erster Roman Vorabend
schildert die Eindrücke und assoziierten Erinnerungen, die der Erzählerin während eines Spaziergans am Vorabend einer Demonstration durch den
Kopf gehen. Eveline Hasler und Adelheid Duvanel stehen heute für die Autorinnen der Schweiz, die weit über die Landesgrenzen hinaus gelesen
werden. Ihre Themen sind vorwiegend Schwierigkeiten der sozial Schwachen, der Außenseiter und ungerecht Behandelten. Entfremdung und
Einsamkeit spielen eine zentrale Rolle.
Zu den berühmten schw. Schriftstellern gehört auch Otto F. Walter. Sein Roman Die Verwilderung schildert in Collage-Technik ein junges Paar, das
sich von der Gesellschaft zurückzieht. Dieser Rückzug in das Private ist gleichzeitig ein Rückzug aus der Isolation, den einige Außenseiter schließen
sich Rob und Leni an, sie erfahren im emotionalen wie auch im wirtschaftlichen Bereich eine neue Gemeinschaft. Der Rückzug ist also eine
hoffnungsvolle Möglichkeit für ein gemeinschaftliches Zusammenleben.
Ähnlich wie in den Werken des Österreichers Th. Bernhard spielt auch in den Werken des schw. Schriftstellers Hermann Burger das Todesmotiv
eine große Rolle. Die Hauptfigur in seinem Roman Schilten ist ein Lehrer, der seinen seltsamen Unterricht in einem langen Brief an seinen
Vorgesetzten rechtfertigt. Schule und Friedhof liegen sich in Schilten direkt gegenüber, so dass es der Lehrer absurd findet, die Kinder auf das Leben
vorzubereiten, da sie doch ständig den Tod vor Augen haben. Die Pädagogik des Lehrers scheitert, weil er selbst ein schon abgestorbenes Leben
führt. Das Thema des Todes durchzieht sich auch in seinen weiteren Werken und steigert im Tractatus logico-suicidalis. Über die Selbsttötung, in
dem er den Selbstmord auch als Kunstwerk zu erklären versucht. Die Erzählung Diabelli berichtet von einem Zauberer, dessen brillante Artistik sich
als Kompensation eines frühen Verlusts der Mutter erklärt. Der Roman Die Künstliche Mutter führt in die Welt der Impotienten. Die Hauptfigur
Schöllkopf unterzieht sich in einer unterirdischen Klinik einer Therapie, genant „künstliche Mutter“, die ihn von den Folgern der Lieblosigkeit und
Beziehungsunfähigkeit seiner Mutter heilen soll. Burger verwendet in seinen Testen häufig die Briefform, z.B. in den Erzählungen unter dem Titel
Blankenburg.
H. Burger (1942 – 1989) studierte Architektur und Germanistik. Er schrieb seine Dissertation über P. Celan. Er lebte und arbeitet als
Literaturwissenschaftler, Redakteur und Schriftsteller in Zürich. 1989 nahm er sich das Leben.
Im Mittelpunkt der Werke von Gerold Späth stehen das lebensfrohe Erzählen, die Lust am Fabulieren und das Erfinden von immer wieder neuen
Geschichten. 1970 erschien Uschlecht, die Geschichte vom Leben und Lieben eines reichen, listigen Narren. Seine Werke stehen in der Tradition
barocker Schelmenromane, z.B. Stimmgänge, Balzapf, Sindbadland. Sein fünfter Roman Commedia kann als postmodern bezeichnet werden. Ein
souveräner, allwissender Erzähler berichtet hier von einem kleinstädtischen Kosmos, in dem die Geschichten der Menschen und die im Museum
präsentierten, von ihnen benutzten Gegenstände in unentwirrbaren Beziehungen zueinander stehen. Der Leser muss in diesem Überangebot an
Geschichten selbst seinen Weg suchen. Eine Einheit der Figuren ist nicht mehr vorhanden. Ähnlich verfährt der Autor auch im Roman Sindabadland.
Es ist Zusammensetzung von Skizzen, Geschichten, Anekdoten und Berichten über Fernweh, Reisen, Fluchten, unerfüllten Sehsüchten und
Phantasien. G. Späth (geb.1939) war von Beruf Orgelbauer, er hat eine kaufmännische Ausbildung und lebt als freier Schriftsteller in Rapperswil –
Kanton Zürich.
Ähnlich wie der Heimatroman sind auch Romane von Silvio Blatter: Zunehmendes Heimweh und Kein schöner Land. Beide spielen in Freiamt,
einer Schweizer Landschaft, und analysieren den Heimatbegriff. Nicht Idylle, sondern Zerstörung der Landschaft und die Verunsicherung der
Menschen gehören zum Thema dieser Romane. Sie entstanden in den späten 70er und frühen 80er Jahren, in der Zeit, in der man intensiv über die
Natur und Umweltzerstörung nachgedacht hatte.
Auch viele weitere Autoren haben sich mit der Schweiz als einer überschaubaren, aber auch begrenzten Welt auseinander gesetzt und dabei häufig
fiktive Orte gewählt: Otto F. Walter nennt seinen Mikrokosmos, einen fast mythischen Ort in Zeit des Fasans, Jürg Federspiel beschreibt in einer
Mischung aus Reportage und Fiktion Die beste Stadt für Blinde, auch Martin Dean gibt in seiner autobiographischen Prosa Außer mir. Ein Journal
das präzise Lebensgefühl in der Schweiz.
Thomas Hürlimann (geb.1950) studierte Philosophie in Zürich und Berlin, wo er drei Jahre als Regieassistent am Schiller-Theater arbeitete. Seit
1985 lebt er wieder in der Schweiz. Er verfasste sowohl Prosa als auch dramatische Stücke. 1991 wurde in Zürich sein Stück Der Gesandte
uraufgeführt. Der Titel bezieht sich auf den Schweizer Gesandten in Berlin von 1938-45, Hans Frölicher (im Stück Heinrich Zwygart). Das Stück
problematisiert den schmalen Grat zw. Kollaboration und Neutralität, auf dem Zwygart in Berlin agierte, und zeigt die Folgen auch für ihn: Sein
Verdienst, Hitlers Truppen von der Schweiz ferngehalten zu haben, wird nach dem Krieg einem Armeeobersten zugeschrieben.
Auch der Tod ist für Hürlimann ein wichtiges Thema. Seine Erzählung Die Tessinerin (1981) schildert das qualvolle Sterben einer Außenseiterin und
bezieht auch autobiographische Elemente mit ein – hier der Tod des Bruders. Die Novelle Das Gartenhaus (1989) erzählt in melancholischen Bildern
von einem Oberst und seiner Frau, in deren Trauer um den toten Sohn sich ein makabres Gespinst gegenseitiger Verletzungen andeutet, das
schließlich doch in einer leisen Versöhnung aufgeht.
Lit. Situation und lit. Leben in dt. Ländern nach 1945
Deutschland:
D. wurde nach dem Krieg in 4 Besatzungszonen geteilt, ebenfalls auch Berlin – in amerikanische, englische, französische und russische.
BRD: Nach dem Kriegsende erhielt die dt. Literatur wieder neue, lang unterdrückte Wirkungsmöglichkeiten. Während der nationalsoz. Herrschaft
waren viele bekannte dt. Autoren emigriert, einige waren in D. geblieben und zählten zur „inneren Emigration“, viele wurden von den
Nationalsozialisten ermordet oder nahmen sich aus Verzweiflung selbst das Leben.
Das dt. Publikum war 1933-45 völlig isoliert von der literarischen Entwicklung anderer Länder. Auch die Werke der Exilautoren waren im Ausland
erschienen und in D. nicht bekannt. Das Werk der Expressionisten und der Schriftsteller 20er Jahre war auch kaum erschienen, da auch diese
Literatur von den Nationalsozialisten zum großen Teil verboten oder verbrannt wurde.
Trotz zerstörter Städte und damit auch Theater, trotz Papierknappheit und vielen Beschränkungen im täglichen Leben begann sich schnell ein neues
kulturelles Leben zu entwickeln. Die Lit., die unmittelbar nach Kriegsende erschien, war zutiefst beeinflusst vom Erlebnis des Krieges, von dem
Versuch, das Grauen in Sprache zu fassen. Bald wurde auch die Frage nach der Schuld und Verantwortung dargestellt und bis heute nicht aus der dt.
Lit. wegzudenken. Wegen der Papierknappheit funktionierte das Hörfunk am meisten. Das westdt. Hörspiel erreichte das Hochniveau, fast alle
Autoren schrieben Hörspiele. Die Literaturwerke wurden aufs Zeitungspapier geschrieben. Populär waren Rowohlts-Rotazions-Romane: RO-RORO. Sie waren billig. Geschrieben wurden auch kleine Büchlein.
Die Besatzungsmächte konzentrierten sich auf die Umerziehung der Deutschen, denn die meisten doch glaubten an Hitler. Die Amerikaner nannten
es Reedukation. Sie wollten solche dt. Eigenschaften wie Herrschaftssucht, Unterwürfigkeit und Agressivität ablernen. Nach 50 Jahren ist es ihnen
gelungen. Zu diesem Zweck halfen auch Zeitschriften, die links-orientiert waren, z.B. Merkur.
Gegründet wurden mehrere Verläge:
Rowohlt-Verlag in Hamburg: jetzt ist es Reinbek-Verlag
Samuel-Fischer-Verlag in Berlin
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DTV – Dt. Taschenbuchverlag: nur Taschenbücher und Broschuren
Suhrkamp-Verlag: Peter Suhrkamp, bei ihm haben die repräsentativen dt. Autoren ihre Werke veröffentlicht (Frisch, Handke, Erzensberger).
Hanser-Verlag in München
Wagenbach-Verlag in Berlin: klein aber gut. Wagenbach ist heute 70 Jahre alt
Jedes Verlag gab auch die Zeitschriften heraus: Rowohlt-Verlag gab Kursbuch heraus, bei Wagenbach erschien die Zeitschrift Freibeuter. 1981
gab es 2044 Verlage in der BRD.
DDR: Die am 7.10.1949 gegründete DDR profilierte sich als Staat, der 40 Jahre lang existierte (bis 8. Oktober 1990). Der Kulturleben in der
sowjetischen Besatzungszone entwickelte sich anders als in anderen 3 Zonen. Sie wurde von der Roten Armee besetzt, alle Macht hat die sowj.
Administrative übernommen. Es ging ihr auch darum, das Kulturleben zu erneuern. Bald wurden Theater geöffnet, es gab erste Versuche die Bücher
herauszugeben. Die Orientierung dieses Kulturlebens war anders – stärker auf die sowj. Literatur orientiert. Einer der größten Bestsellers war die
Übersetzung von J. Fučík einer Reportage. Man orientierte sich auch auf die dt. Klassik – sie sollte die humanistischen Traditionen repräsentieren.
Mit moderner Lit. war es komplizierter. Georg Lukác hatte die Ansicht, dass sie nicht verbreitet werden sollte.
Die aus der Emigration zurückkehrenden Autoren mussten sich entscheiden, in welchem Teil D. sie leben möchten. Arnold Zweig, Anna Seghers,
Bertold Brecht und Stefan Hermlin kehrten aus westlichen Ländern in die DDR zurück. Heinrich Mann hatte den gleichen Entschluss gefasst, starb
aber noch in Amerika, Johannes R. Becher (er wurde später der Kulturminister der DDR) und Peter Huchel kamen aus russischem Exil wieder nach
Ost-Berlin. Zu einer Auseinandersetzung zw. den Schriftstellern der Emigration und den Schriftstellern des inneren Exils ist es kaum gekommen.
SED kümmerte sich auf ihren Sitzungen auch um die Literatur. Berühmt ist die Tagung 1965, auf der viele Künstler scharf kritisiert wurden, einige
Filme wurden zu sog. Tresorfilmen, Schriftsteller
Andererseits man brauchte die Schriftsteller wegen der Rivalität mit der BRD. Es war wichtig die Intelligenz zu haben, die den NS überwinden
könnte. Es wurde der Kulturbund gegründet und vereinigte die ganze antifaschistische Intelligenz.
Österreich:
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das Deutsche Reich kam Ö unter die Herrschaft des NS. Auch österreichische Schriftsteller wurden zu
politischen Entscheidungen gezwungen. Viele sahen – wie ihre dt. Kollegen – in dieser Zeit den einzigen Ausweg in der Emigration: Hermann
Broch, Ödön von Horváth, Robert Musil, Joseph Roth und Stefan Zweig.
Nach dem 2.WK war Ö ähnlich wie D in vier Besatzungszonen geteilt. Durch die Zusicherung der strikten Neutralität erreichte Ö mit dem 1955
abgeschlossenen Staatsvertrag den Abzug aller vier Siegermächte (USA, Frankreich, England und Sowjetunion) aus seinem Territorium.
In Ö war man mit dem Trauma der nationalsoz. Herrschaft und mit der Schuldfrage schneller und problemloser fertig als in D. Die
Auseinandersetzung der jüngeren mit der älteren Generation in bezug auf das „Mitmachen“ im NS fand in der Lit. kaum einen Niederschlag. Viele
österreichische Autoren, die sich zur ö. Lit. bekannten, lebten nicht in Ö und publizierten zuerst in der BRD, wo ihre Werke daher häufig viel früher
als in Ö rezensiert und diskutiert wurden. In Ö gab es nur wenige große Verläge: Residenzverlag in Salzburg. Viele Autoren hatten eine eigenartige
Beziehung zu ihrer Heimat – die Hassliebe genannt. Sie liebten und hassten sie gleichzeitig. Bei den Deutschen und Schweizern gab es nicht.
In der Lit., die nach dem Krieg in Ö entstand, gab es von Anfang an zwei Entwicklungslinien. Auf einer Seite stehen die Werke der bereits vor dem
Krieg etablierten Autoren, die zum großen Teil im Exil waren. Auf anderer Seite sind es die Werke der Autoren, die 1920 und später geboren
wurden.
Das Publikationsorgan der Gruppe der älteren Autoren ist die Monatschrift Turm. Sie wurde im August 1945 von der neu entstandenen
Österreichischen Kulturvereinigung gegründet. Die Autoren beschäftigten sich hier mit Themen aus der Vergangenheit oder stellten Auszüge aus
ihren neu entstandenen Werken vor.
Die vorläufig einzige Zeitschrift der jungen Autoren nach dem Krieg war die Zeitschrift Plan, die Otto Basil ab Oktober 1945 in Wien herausgab, in
der sich die avantgardistischen Tendenzen der neueren öster. Lit. konsolidierten. Er hatte diese Zeitschrift noch 1938 herausgegeben, konkret waren
es nur 2 Hefte, bevor sie verboten wurde.
Die ersten Jahre nach 1945 waren der Wiederherstellung des Alten gewidmet als Vorbedingung der neuen ö. Identität. Dabei wirkten mehrere ältere
Schriftsteller: Elias Canetti, Heimito von Doderer, Erich Fried, Albert Drach usw.
Die Schweiz:
Die Lit. der Schweiz ist sehr reich und interessant. Bis 1945 blieb sie lange Zeit die provinzielle, regionale Literatur (mit ein paar Ausnahmen). Nach
1945 entwickelte sie sich zu einer bedeutenden europäischen Lit., und zwar v.a. dank M. Frisch und F. Dürrenmatt.
Nach 1945 war die Situation in der Schweiz völlig anders als in den übrigen europäischen Ländern. Die Schweiz hatte am 2.WK nicht Teil
genommen, sie war neutral geblieben.
Die Nachkriegslit. war v.a. von zwei Literaten vertreten: Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt. Beide gehörten zu der Generation, die die politische
Entwicklung in D. bis zum 2.WK bewusst verfolgte. Sie traten aber erst Ende der 50er Jahre mit politisch engagierten Werken an die Öffentlichkeit.
Weitere bedeutende Schriftsteller: Walter Mathias Diggelmann, Otto F. Walter, Adolf Muschg, Peter Bichsel, Hermann Burges, Erika Burkhard...
Stefan Zweig
SZ wurde 1881 in Wien geb. Sein Vater stammte aus Mähren und heiratete italienische Jüdin. Literarisch tätig wurde er bereits während des
Studiums der dt. und franz. Literatur in Berlin und Wien, das er 1904 mit der Dissertation über Hippolyte Taines abschloss. Während des Studiums
erschien die Lyriksammlung Silberne Saiten. In den nächsten Jahren debütierte er auch mit Prosa und Dramen. Seine Reisen und intensive Kontakte
ließen ihn zu einem sich kosmopolitisch fühlenden Intellektuellen reifen. Während des 1.WK schloss er sich einer Gruppe von Intellektuellen an, die
von Zürich aus für den Frieden kämpften. Zu ihr gehörten auch Hermann Hesse, James Joyce, Romain Rolland u.a. Aus dieser neuen Stimmung
entstand während des 1.WK das Antikriegsdrama Zweigs Jeremias, dessen Grundlage ein biblischer Stoff ist. Bekannt ist auch sein Werk Castellio
gegen Calvin oder ein Gewissen gegen Gewalt, dessen Untertitel programmatisch ist. Er schrieb auch zahlreiche Biographien und biographischen
Essays, z.B. über Sigmund Freud, Fjodor Dostojevskij, Leo Tolstoj, Friedrich Hölderlin, Friedrich Nietzsche. Es interessierte ihn das Problem der
Monomanie, des Zustandes am Rande der Abnormalität, des Konzentrierens nur auf das eine, z.B. Biographien über Erasmus von Rotterdam,
Honoré de Balzac. Nur eine Biographie ist über keinen Monomanen, sondern über einen durchschnittlichen Menschen – über Maria Antoinette,
franz. Königin, die nach der Revolution hingerichtet wurde.
Seine Werke kennzeichnen sich durch strenge Ethik, Humanität und hohen geistigen Anspruch.
Als sich SZ in den 20er Jahren in Salzburg niederließ, besuchte ihn die geistige Elite Europas in seinem Haus. Er fühlte sich von Freundschaft
berufen, als Europäer bemühte sich um die Erhaltung der geistigen Werte, musste in ferner Brasilien verzweifeln.
Seit 20er und 30er Jahren überfiel ihn immer tieferer Pessimismus, sein Optimismus trat zurück. Anders als z.B. Heinrich Mann, der Geist und Tat
gern verbunden sah, gab sich bei SZ frühzeitig die Resignation: „Die anderen mögen die praktischen Konsequenzen ziehen, ich kann nur vereinigen
und besänftigen, aber ich verstehe nicht zu kämpfen.
Sein erfolgreichstes Buch ist Sternstunden der Menschheit. Zwölf historische Miniaturen. Es ist Zyklus der Miniaturen, in dem er von den wichtigen
historischen Ereignissen schrieb, die die nächsten Ereignisse beeinflusst hatten, z.B. die Eroberung Konstantinopels durch die Türken, der Aufbau
des Panama-Kanals, Marienbader Elegie, usw.
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1938 emigrierte er nach London zusammen mit seiner Sekretärin, die er später heiratete. Nach dem Anschluss Österreichs fürchtete er sich des
Lebens von S. Freud und brachte ihn nach England, wo er sich ein Jahr um ihn kümmerte. Dann ist er gestorben. SZ besuchte Brasilien. Dort wurde
er als großer Schriftsteller begrüßt und entschloss sich dort zu leben. Seit 1940 lebte er in Brasilien. 1941 entstand seine Sammlung der Novellen. Er
widmete sie den einzelnen Eigenschaften (der Liebe, Eifersucht, Angst usw.) Über jede schrieb er drei Novellen, sog. Novellenzyklen, z.B.
Verwirrung der Gefühle, Amok, Angst. Berühmte Novelle ist Schachnovelle. Es wird hier über etwas Unerhörtes erzählt: auf einem Schiff befindet
sich ein Schachschampion Tschentowicz aus Jugoslawien. Er ist ein primitiver Mensch. Ein Pfarrer hat ihn Schach gelernt und er zeigte sich begabt
zu sein. Auf dem Schiff befindet sich ein Mann aus Österreich, der aus Gefängnis kann. Er saß dort in der Isolierungszelle, in der er nur ein geklautes
Buch mit Schachspielen hatte. Er hat alle Spiele auswendig gelernt. So überlebte er die Haft. Nach der Entlassung geht er nach Amerika. Auf dem
Schiff wird ein Simultanspiel organisiert. Tsch. gewinnt mit allen, nur mit diesem Mann hat er große Schwierigkeiten. Das Spiel endet aber mit dem
Zusammenbruch des Mannes, dem sich vor Augen seine ganze Vergangenheit auf einmal widerspiegelte.
Er war als Übersetzer besonders franz. Lyrik tätig. Weder in England, noch in Brasilien konnte er wirklich heimisch werden. 1942 schrieb er
Memoare: Die Welt von Gestern.
Thomas Mann
TM, der jüngere Bruder von Heinrich Mann, wurde 1875 in Lübeck geboren. Seine Mutter stammte aus Brasilien, war Tochter eines dt.
Auswanderers und Vater war ein Geschäftmann und hatte in Lübeck eine Firma. Neben den älteren Heinrich hatte Thomas noch zwei Schwestern –
Karla und Julia und den jüngsten Bruder Viktor. Beide Schwester begingen später Selbstmord. Viktor veröffentlichte sein Erinnerungsbuch „Wir
waren fünf“, in der er seine Familie schilderte. Nach dem Tod des Vaters gab es niemanden, der die Firma übernehmen konnte. Damals gab es
Gesetz, nach dem die Frauen mit Geld nicht verfügen konnten, Heinrich wollte nicht und Thomas war erst 16 Jahre alt. Die Mutter verkaufte die
Firma und zog mit den Kindern nach München, wo sie einen Saloon für Künstler und Schauspieler unterhielt. T.M. besuchte Gymnasium, machte
aber kein ordentliches Abitur. Er konnte zwar an der UNI studieren, aber nicht als ein ordentlicher Student. Seit 1894 arbeitete er bei
„Simplicissimus – einer satirischen Zeitschrift.
1895 – 97 lebte er bei seinem Bruder Heinrich in Italien. Dort studierte er russische Literatur – Tolstoj, Dostojevskij und begann an seinem Roman
Buddenbrooks mit dem Untertitel Der Verfall einer Familie zu arbeiten. 1901 (er war 26 Jahre alt) war der Roman fertig. Er gab den Manuskript an
den Verleger Fischer. Fischer war bereit es auszugeben, verlangte aber die Kürzung um etwa ein Drittel. Den Roman veröffentlichte TM bei einem
anderen Verleger und wurde zu einem der erfolgreichsten Romane der Zeit. 1929 erhielt TM für diesen Roman den Nobelpreis. Er schildert vier
Generationen einer großbürgerlichen Familie und ihren Niedergang. Die Inspiration fand er in der Chronik eigener Familie. Der Motiv der Dekadenz
wird am deutlichsten gestaltet in Christian Buddenbrook, dem leichtlebigen Vertreter der letzten Generation, und in Hanno Buddenbrook, der als
sensibler musisch begabter Mensch keine Kraft hat, das Leben zu meistern. Hans Buddenbrook stirbt mit 26 an Typhus. Der Roman prägt die
Problematik des Künstlers, wie das Künstlerische mit dem Bürgerlichen zusammengeht. Die Familie B. hat keine Zukunft, sie stirbt allmählich aus.
Das Geschehen schilderte TM mit tiefgehenden Ironie und mit einer ironischen Distanz. Danach lebte er als freier Schriftsteller in Múnchen.
Novelle Tonio Kröger aus der Novellensammlung Tristan (1903). Tonio Kröger ist autobiographisch nd besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird
die Jugend von T.K. dargestellt. Er ist dunkelhaarig, ungeschickt, unpraktisch, bewundert seinen Mitschüler Hans Hansen, der blond und geschickt
ist. Dazwischen steht Inge Holm, ein Mädchen, das beiden gefällt. (Diese Konstellation sollte die Rivalität zw. ihm und seinem Bruder Heinrich
widerspiegeln). Im zweiten Teil ist Tonio ein berühmter Schriftsteller, aber er ist nicht glücklich, er betrachtet es für einen Fluch. Er fühlt, er sei ein
Künstler mit schlechtem Gewissen, ein Bürger in einer Sackgasse (v závoze). Er beschwört sich bei der russischen Malerin Lisaveta Ivanovna. Sie
sagt ihm, er sei ein verirrter Bürger. Der dritte Teil spielt nach Jahren ab. Tonio wird sehr berühmt und trifft Hans und Inge, die verheiratet sind. Es
wiederholt sich die Szene aus der Jugend.
Novelle Der Tod in Venedig (1913) – smrť v Benátkach
Erzählung Mario der Zauberer, die Novelle Die Betrogene. Das Thema ist die Sehnsucht nach der Liebe und die Unmöglichkeit der Liebe.
Nach dem 1.WK kam es zur Bruderzwist zw. H und TM. Heinrich beschuldigte die Intellektuellen, dass sie ihre Meinung nicht äußern und sich nicht
einschließen wollten. TM schrieb eine lange Antwort (500 Seiten), die unter dem Titel Betrachtungen eines Unpolitischen kurz nach dem 1.WK
erschien. Er erklärte den WK als einen Kampf der Kultur mit der Zivilisation. Die Kultur schätzte er höher (wurde durch die Deutschen
repräsentiert), die Zivilisation lehnte er ab (England). Später wurde diese Einschätzung fast lächerlich im Blick auf den 2.WK, weil die Deutschen
keine Träger, sondern Vernichter der Kultur waren.
1924 Roman Der Zauberberg. Der Protagonist ist der junge Hans Kastorp, der nach Davos fährt, um dort seinen Vetter zu besuchen, der sich in
einem Sanatorium auf dem Berg kurierte. Der kurz geplante Besuch dauert schließlich 7 Jahre (biblische 7 Jahre). Nach 7 Jahren Erfahrungen geht er
in den Krieg, in dem er stirbt. Es ist ein Erziehungsroman, am Anfang ist der Held ein unbeschriebenes Blatt, schrittweise wird dieses Papier ganz
beschrieben. Die Schreiber sind andere Patienten, Kastorp ist Zuhörer und Teilnehmer an den Debatten. Die Handlung ist arm, die Achse des
Romans bildet das Gespräch zw. zwei Patienten: Semptembrini – ein Italiener, ein Humanist und Naphta – ein Deutscher, Jesuitenpater. Der erste ist
tolerant, hat beste Ideen, weißt aber nicht, wie er sie verwirklichen soll. Im Gespräch ist er der schwache. Der zweite ist sprachgewaltiger. Er sagt,
die Menschen seien nicht zu verändern, das Heilige ist die Ordnung, die auch mit Gewalt erhalten werden sollte. Ab und zu erscheint im Sanatorium
ein Holländer Namens Peeperkorn. Er repräsentiert die Vitalität, sein Besuch wirkt immer erfrischend.
In den 30-er Jahren, als der NS zur Macht kam, trat in den Kampf gegen ihn auch TM. In der Erzählung Mario der Zauberer äußerte er seine
Ablehnung der nationalsozialistischen Methoden der Demagogie und Massenpsychose.
Die Novelle Die Betrogene. Das Thema ist die Sehnsucht nach der Liebe und die Unmöglichkeit der Liebe.
Ein bekanntes Werk von TM ist auch seine Tetralogie Joseph und seine Brüder, die er fast 15 Jahre schrieb. Ihre lange Entstehungsgeschichte war
mitbedingt durch sein Weg ins Exil. Sie ist aufgrund einer biblischen Geschichte entstanden (Geschichte der Söhne Jakobs, die ihren Bruder Joseph
in der Wüste verließen und so ihn dem Tod ausgeliefert hatten. Er wurde von einer Karawane gerettet. In Ägypten wird er zu einem mächtigen Herr.
In Palästina, wo seine Bruder lebten, gab es großen Hunger. Sie kamen nach Ägypten, um den Herrscher um die Nahrung zu bitten. Dort tragen sie
ihren Bruder, der trotz Ärger sie beschenkt. Joseph reift allmählich – im Kampf mit sich selbst und der Welt – zur Erfüllung seiner Sendung: er wird
zum Retter seines Volkes.) TM machte aus dieser Geschichte 4 dicke Romane, in denen sich als großer Erzähler erwies. Einige Teile entstanden
noch in D., einige im Exil.
TM emigrierte 1933 mit seiner Familie in die Schweiz, 1938 in die USA, wo er 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb. Außer dem
amerikanischen Staatsbürgerschaft hatte er seit 1936 auch die Staatsbürgerschaft der Tschechoslowakischen Republik. 1952 kehrte er nach Europa
zurück und lebte bis zu seinem Tod in der Schweiz.
Zw. den Teilen dieser Tetralogie schrieb TM einen Goethe-Roman Lotte in Weimar. Lotte kommt mit ihren Töchtern nach Jahrzehnten nach
Weimar, wo sie ihre Töchter mit dem alten Goethe bekannt machen will. Sie glaubt, er wird sich auf sie erinnern. Doch er zeigt kein Interesse. Sie
wird von vielen Leuten, Journalisten, Sekretären besucht und schließlich bekommt sie Einladung ins Goethes Haus. Goethe verhält sich aber sehr
offiziell und Charlotte ist enttäuscht. Dann wird sie ins Theater eingeladen, wo sie in die Goethe-Loge geführt wird, aber Goethe erscheint nicht.
Nach der Vorstellung wartet auf sie eine Kutsche und drin sitzt Goethe selbst. Eine Liebesszene. Goethe erscheint in diesem Roman nicht als Genie,
sondern als ein normaler Mensch.
1947 in Kalifornien schrieb TM den Roman Doktor Faustus. Er stellt das Leben des dt. Komponisten Adrian Leverkühn dar, das durch seinen
Freund, einen Professor erzählt wird. Es ist Geschichte eines dämonischen Künstlers, der den Weg zum Allmenschlichen nicht finden kann. Im
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Roman treffen sich drei Zeitlinien: das eigentliche Leben dieses Künstlers in den Jahren 1885-1940, das Ende des NS und die Auszüge aus dem
dt. Mittelalter. Wieder fand TM den Stoff bei Goethe. Es gibt hier aber keinen leiblichen Teufel, der Teufel erscheint in der Form einer
Geschlechtskrankheit. Der Protagonist, steckt sich an. Die Krankheit ermöglicht ihm eine hektische Schaffensperiode, dann kommt es zur
Katastrophe. TM wollte ein typisches Schicksal dt. Intellektuelle zeigen, als Unterlage diente ihm das Leben Nietzsches. Die letzte Kompositon
Leverkühns steht mit ihrer Atonalität gegenüber der humanistischen 9. Symphonie von Beethoven und Schillers Ode an die Freude. Die Technik der
Komposition hatte er von Arnold Schönberg übernommen, der böse war und sich mit ihm gestritten hat, aber den Streit gewann TM.
Nach dem 2.WK schrieb TM auch eine Legende Der Erwählte (1951) über die klassische Schönheit und humoristischen Roman die Bekenntnisse
des Hochstaplers Felix Krul (1954). Er ist ein Betrüger, aber sehr nett, hat Erfolg bei Frauen. TM starb 1955.
Der Tod in Venedig – den Einfall, diese Geschichte zu schreiben, bekam TM in Venedig. Er wollte ursprünglich eine kurze Geschichte schreiben, es
wurde aber länger. Er wollte sein Werk nicht veröffentlichen. Doch seine Frau überredete ihn. Nach den Buddenbrooks ist Der Tod in Venedig sein
bekanntestes Werk. Es enthält autobiographische Züge. Der Protagonist Gustav von Aschenbach, ein berühmter Künstler, der gealdelt wurde, ist
mehr als 50 Jahre alt. TM, wenn er diese Geschichte schrieb, war 37. Er sah sich selbst nach 20 Jahren, meist selbstironisch, aber in mancher
Hinsicht auch echt: G. von Aschenbach war brunett, rasiert, mittelgroß ähnlich wie TM. Seine Vorfahren waren Offiziere, Richter, die Vorfahren
von TM waren Geschäftsleute – hier hütete er sich selbst.
Aschenbach, obwohl er berühmt ist, fühlt sich einsam, nervös und müde. Er mach einen Spaziergang, auf dem er einem exotisch aussehenden Mann
begegnete. Dieser Mann war Symbol des Todes, dass wusste er aber nicht (Gott Hermes). Der Mann weckte in ihm die Reiselust – er fuhr mit dem
Zug nach Slowenien, dann auf die Adriainsel, mit Gondel zu Lido. Die Begegnung mit Tadzio, in dem er ein ästhetisches Kunstobjekt sah, erinnerte
ihn auf antike Skulpturen. Er wurde für ihn zum Symbol der reinen Schönheit. Hier wird Nietzsche erwähnt, seine zwei Prinzipien: das appolinische
und dionisische. Tadzio ist eine Inspiration, Schönheitsideal, Liebe , ein Rausch – das ist dionisisch. Appolinisch ist die antike Schönheit.
Aschenbach fühlt eine platonische Liebe zu ihm.
Volker Braun (1939 in Dresden)
VB begreift sich selbst als Kind der faschistischen Ära, der er mit Glück entronnen ist. Der Vater war noch in den letzten Kriegstagen gefallen, die
Mutter überlebte mit ihren fünf Söhnen. Er war der vorletzte.
VB bemühte sich nach dem Abitur vergeblich um einen Studienplatz, weil er kein „Muttersöhnchen des Sozialismus“ sein wollte. So wurde er in den
Jahren 1957/58 Druckereiarbeiter, danach für zwei Jahre ein Tiefbauarbeiter in einem Braunkohlenkombinat und später Maschinist. 1959 war der
Prosabericht Der Schlamm entstanden. Ab 1960 studierte er an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Philosophie. Das Studium vollendete 1964. Er
schrieb weiter, v.a. Gedichte. 1962 wurden einige von ihnen in der Berliner Akademie der Künste vorgestellt und 1965 erschien der erste
Gedichtband Provokation für mich. Er zog nach Berlin um und wurde zu einem der populärsten jungen Poeten der sog. Lyrikwelle. Die Poesie sollte
keine Darstellung des Gegebenen, sondern Aufbrechen des Gegebenen sein. Damit war VB der Fürsprecher einer ganzen jungen Generation, die
Volker-Braun-Generation genannt wird.
1965 wurde er auf die Einladung Helene Weigels zum Mitarbeiter am Berliner Ensemble. Seine Absicht war eine eingreifende, operative Lit., und
seine Theaterstücke sollten probedenkend, probehandelnd „Praxis im Versuchsstadium“ vorführen. Zum großen Teil beschäftigen sie sich mit den
Gegenwartsproblemen der DDR, stellen fragende, provozierende Helden dar. Dass dies nicht risikolos war, zeigt der Umgang der DDR-Institutionen
mit seinen Dramen. Schon das erste große Stück Die Kipper musste 7 Jahre bis 1972 auf seine Uraufführung warten. Das gleiche gilt auch für zwei
Frauen-Stücke Tinka 1976 und Schmitten 1982, für Den großen Frieden und Simplex Deutsch, die auch einige Jahre auf ihre Aufführung warten
mussten. Der große Frieden wurde 1979 uraufgeführt und spielt vor 2000 Jahren während eines Bauernaufstandes in China ab.
Auch Hinze und Kunze konnte sich nur schwer durchsetzten und wurde erst 1985 veröffentlicht. Dieser Roman gibt – zum Teil in dialogischer
Fassung – die Auskunft darüber, dass auch im Sozialismus das Verhältnis von Herr und Knecht nicht überwunden wurde. Hinze ist ein Fahrer und
Kunze sein Chef und Funktionär.
Seine späteren Lyrikbände Wir und nicht sie, Gegen die symmetrische Welt haben das gleiche Thema, er „verhöhnt“ die „Halbheiten, Schwächen
und Erbärmlichkeiten“ der „Revolution von oben“ in seinem Land. Seine Erzählung Unvollendete Geschichte aus dem Jahre 1975 war von H. von
Kleist und G. Büchner inspiriert. Er begreift den realen Sozialismus als unvollendete Geschichte. 1976 war er einer der ersten Unterzeichner der
Petition gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns.
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