ZEITGESPRACH Brauchen wir ein anderes Weltwährungsregime? Seit der Einführung des Euro im Jahre 1999 verfiel sein Wechselkurs insbesondere gegenüber dem Dollar und dem Yen entgegen allen Erwartungen und im Widerspruch zu den Fundamentaldaten. Ist die Abwertung des Euro eine Folge von Ineffizienzen des Devisenmarktes? Brauchen wir ein anderes Weltwährungsregime? Wolfgang File Devisenmärkte brauchen stabilisierende Regeln W as ist der richtige, gar gleichgewichtige Wechselkurs des Euro gegenüber US-Dollar, Yen oder Pfund Sterling? Niemand kann das wissen, aber viele äußern sich präzise zu dieser Frage. Immer wieder ist von einem gewaltigen Aufwertungspotential des Euro die Rede, es werden Zahlen über angemessene Euro-Kurse herumgereicht, geht es noch einmal nach unten, dann ist von Attacken auf neue Widerstandslinien die Rede. Man gewinnt den Eindruck, es werden Schlachten geschlagen und kommentiert. Sehr ernst zu nehmen ist das alles nicht. Der Euro ist eine Finanzinnovation, die sich am Markt durchzusetzen hat. Europa hat seit Anfang .1999 ein neues monetäres Regime, das sich bewähren und Reputation aufbauen muß. Beides bedarf Zeit. Europa hat Erfahrungen mit monetären Neuerungen gesammelt. Als im März 1979 das EWS in Kraft gesetzt wurde, waren die Leitkurse weit von Gleichgewichtswerten entfernt. Es bedurfte WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI lange Zeit, bis sich ein Netz von Leitkursen herausbilden konnte, das über Jahre hinweg und nicht allein für einige Monate tragfähig war. Warum sollten sich augenblicklich nach Start der Währungsunion starre Kurse des Euro gegenüber den Währungen großer Industrieländer herausbilden, und das auch noch ohne jede Regel oder Orientierungsgröße für Wechselkurserwartungen, wie im damaligen EWS, sondern im, wie man sagt, freien „Spiel" der Marktkräfte bei vollständiger Wechselkursflexibilität? Ja, es wird mit Devisen gespielt. In Europa war man das Spiel leid geworden, deshalb hatte man sich für einen einheitlichen Währungsraum entschieden. Jetzt hat sich das Devisenspiel verlagert, weg von D-Mark gegen Lira, hin zu Euro gegen Dollar und Yen. Wie lange noch wird man diesem Spiel tatenlos zusehen? Der Euro hat keine Vergangenheitserfahrung. Das Berechnen irgendwelcher hypothetischer und vermeintlich angemessener Euro- Kurse auf der Grundlage der Kaufkraftpapritätentheorie vergeudet Zeit. Frühere Unterschiede der Inflationsraten zwischen Ländern, die jetzt zur Eurozone gehören, von 15 Prozentpunkten und mehr sind Vergangenheit. Damals war die Kaufkraftparitätentheorie in ihrer absoluten Fassung ein wichtiger Maßstab, um die Bewertung nationaler Währungen nationaler Wirtschaftsräume zu beurteilen. Euroland ist gegenüber der Welt für den Außenhandel und den internationalen Kapitalverkehr aber ein homogener Wirtschaftsraum. Für international handelbare Güter der elf Länder der Eurozone kann es nun nur noch einheitliche Preise geben, bleiben Transaktionskosten und Unvollkommenheiten des Marktes unberücksichtigt. Das künstliche und rückwärts gerichtete Zusammenfügen handelsanteilsgewichteter Preisindizes der Länder der Eurozone, um kaufkraftparitätisch angemessene Euro-Kurse zu ermitteln, vermag deshalb keine klärenden Einsichten für 327 ZEITGESPRACH die Gegenwart zu erzielen. Nein, einen verläßlichen Maßstab zur Beurteilung des absoluten Kursniveaus des Euro gibt es derzeit und für die nächsten zwei, drei Jahre nicht. In Europa mußten Erfahrungen mit der Geldpolitik unabhängiger Zentralbanken bei festen Wechselkursen gewonnen werden. Es hat lange gedauert, bis akzeptiert wurde, daß feste Wechselkurse, weitgehende Freizügigkeit für den internationalen Kapitalverkehr und autonome Geldpolitik von fünfzehn Zentralbanken der EU, allein nach nationalem Gusto und an Staatsgrenzen orientiert, nicht zusammenpassen. Nach dem Start der Währungsunion sind in den drei großen Währungszonen der Welt - USA, Euroland und Japan ähnliche Erfahrungen mit dem neuen monetären Regime zu gewinnen. Über das Potential des Euro an den Finanz- und Devisenmärkten als Gegenposition zum Dollar gibt es über Vermutungen hinaus nichts, was eine in Zahlen konkretisierbare Aussage über einen angemessenen Euro-Kurs erlaubt. Übergangsphasen sind ein unsicheres Terrain. Bei Unsicherheit ist jeder gut beraten, sich eines Kooperationspartners zu versichern. Über den Atlantik, ja selbst über den Ärmelkanal hinweg, ist aber die Einsicht noch nicht vermittelt worden, daß internationale Kooperation der Wirtschaftspolitik und damit auch der Geld- und Währungspolitik allen Beteiligten dient, wenn sich selbst überlassene Devisenmärkte nicht stets zu effizienten Lösungen gelangen. Optimale internationale Allokation Ist also alles gut wie es ist, weil es Marktergebnisse sind? Ist jeder Kurs des Euro hinzunehmen, weil 328 er von den Marktteilnehmern bewertet und deshalb - so oder anders - notiert wird? Nein, nichts ist gut, vieles läuft - wieder einmal in die falsche Richtung. Jede Bewertung bedarf eines Maßstabs. Für den Devisenmarkt als Schaltstelle zwischen Märkten international handelbarer Güter und Leistungen und des Kapitals verschiedener Währungsräume ist zu fordern, daß eine bei gegebenen Preisen, Kursen und Renditen optimale internationale Allokation erreicht wird. Nur dann leisten Devisenmärkte einen Beitrag, um die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Die Autoren unseres Zeitgesprächs: Prof. Dr. Wolfgang File, 56, lehrt Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Geld, Kredit und Währung an der Universität Trier. Er war unter Bundesfinanzminister Lafontaine als Ministerialdirektor Leiter der Abteilung Internationale Finanz- und Währungbeziehungen des Bundesministeriums der Finanzen in Bonn. Prof. Dr. Hermann Remsperger, 50, ist Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank. Dr. Klaus Friedrich, 61, ist Chefvolkswirt der Dresdner Bank Gruppe; Dr. Armin Unterberg, 50, ist Direktor der Dresdner Bank AG und Leiter des Bereichs Grundsatzaufgaben. Prof. Dr. Michael Frenkel, 45, ist Lehrstuhlinhaber für VWL mit dem Schwerpunkt Makroökonomie und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz. Kursänderungen am Devisenmarkt sollten deshalb Ergebnis der Allokation sein, nicht selbst ursächlich werden für internationale Kapitalbewegungen und den Außenhandel. Diese allgemeine Anforderung ist zu konkretisieren. Die gegenwärtige Diskussion über Ursachen der Abschwächung des Euro bietet hierzu Anschauungsmaterial. Die vorherrschende Deutung verweist auf Strukturprobleme in der Eurozone, vor allem in Deutschland. Konkret und in chronologischer Reihenfolge: Bundesfinanzminister Lafontaine, inflexibler Arbeitsmarkt, Finanzierung des Systems der sozialen Sicherung, Holzmann AG, Übernahme von Mannesmann durch Vodafone, Zwei-Säulen-Strategie der EZB. Vieles mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen, weil jede Neuigkeit Wechselkurserwartungen irgendwie beeinflussen kann, mit entsprechenden Kursbewegungen im Gefolge, ganz gleich, ob Anforderungen an einen für die internationale Allokation effizienten Devisenmarkt erfüllt werden oder nicht. Systeme der sozialen Sicherung in Europa, Probleme eines Baukonzerns und ähnliches, was an tatsächlichen oder vermeintlichen Strukturproblemen genannt wird - all das hat mit der Bewertung international handelbarer Güter oder mit Bedingungen der Lenkung von Kapital in Bereiche produktiver Verwendung nichts zu tun. Das System der sozialen Sicherung eines Landes ist kein international handelbares Gut, das am Devisenmarkt zu bewerten ist. Orientieren sich Wechselkurserwartungen und Wechselkurse dennoch an derartigen singulären Sachverhalten oder Mutmaßungen, obgleich der allgemeine Preisauftrieb und Inflationserwartungen sowie aktuelle und erwartete WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRACH Renditen aus Finanzaktiva und Sachkapital unberührt bleiben, so muß es zu Fehlentwicklungen an den Devisenmärkten kommen. Dann ist die Wirtschaftspolitik gefordert - weniger die Strukturpolitik, vor allem die Währungspolitik. Stetige Kursentwicklung Größere Stabilität der Finanzmärkte und der internationalen Kapitalbewegungen setzt eine stetige Kursentwicklung an den Devisenmärkten voraus, die sich an monetären und realen ökonomischen Fundamentaldaten orientiert. Trennen sich Wechselkurstrends hiervon, so wird der Devisenmarkt Quelle gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen, löst außenwirtschaftliche und binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte aus, bewirkt Rezession und Arbeitslosigkeit oder Boom und Inflation, kann das Finanzsystem eines Landes schwer beschädigen. Bei annähernd gleich hohem Wirtschaftswachstum der Länder sollten Wechselkurstrends an internationalen Inflationsdifferenzen orientiert sein, die wiederum dem Zinsgefälle zwischen Währungsräumen ungefähr entsprechen. Dann sind die realen Wechselkurse konstant, nominale Wechselkursänderungen gleichen Ertragsdifferenzen von Finanzaktiva aus, die Kursentwicklung am Devisenmarkt ist konjunkturneutral - neutral für den internationalen Leistungsverkehr, für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Inflationsrate und kapitalverkehrsneutral. In diesem Fall reflektiert die Kursentwicklung Allokationsvorgänge. Umgekehrt stören Wechselkurstrends, die sich vom internationalen Inflations- und Zinsgefälle lösen, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, und sie erzeugen Spannungen, die später ruckartige Kurskorrekturen an den Devisenmärkten WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI und weitere bewirken. Fehlentwicklungen Eine erhebliche reale Währungsabwertung wirkt in dem betreffenden Land oder Währungsgebiet wie eine subventionsgleiche Förderung der Güterausfuhr und eine zollgleiche Belastung des Imports. Der internationale Leistungsaustausch wird dann von Wechselkursen dominiert, nicht von der Qualität oder den Kosten von Produkten. Hierfür gibt es Beispiele: D Im Europäischen Währungssystem fand Anfang 1987 eine umfassende Anpassung von Leitkursen statt. Danach bildete sich bis 1992 eine wachsende reale Abwertung der D-Mark und anderer Währungen im Kernbereich des EWS gegenüber Peripherieländern heraus. Die Folgen: Wirtschaftsboom und extreme Handelsbilanzüberschüsse im Zentrum, Wirtschaftsflaute und Rekorddefizite des Außenhandels in der Peripherie, Krisen des EWS von 1992 und 1993. D Der japanische Yen erfuhr in drei Jahren bis 1996 eine reale Aufwertung von 60%. Japan hat sich von dem dadurch verschärften Konjunktureinbruch bislang nicht erholt. Zudem legte das den Keim für Finanzkrisen vieler Länder Südostasiens von 1997. • Die Währungen der meisten Länder Südostasiens, die 1997 in Krisen gerieten, mußten innerhalb von drei Jahren reale Aufwertungen in der Größenordnung von 20 bis 30% hinnehmen. Folglich passivierten sich die Leistungsbilanzen, die Auslandsverschuldung wuchs, das endete in einem wirtschaftlichen Kollaps. Die Kursentwicklung des Euro wiederholt diese Deformationen der Vergangenheit. Wenngleich es gegenwärtig nicht möglich ist, Gleichgewichtswerte des Euro ab- zuleiten, steht eine reale Abwertung des Euro von 20 bis 25% gegenüber US-Dollar, Yen und Pfund Sterling in krassem Mißverhältnis zu gegenwärtigen und absehbaren Fundamentaldaten - vor allem Inflations- und Zinsunterschieden. Die Ergebnisse sind wie gehabt: Exportboom der Eurozone, immer wieder neue Rekorde von Defiziten der Leistungsbilanzen in den USA und in Großbritannien, mithin auch Rekorde bei ihrer Auslandsverschuldung. Wiederholen sich die Erfahrungen der Vergangenheit, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Abwärtstrend des Euro eine schlagartige Korrektur erfährt, mit schweren güterwirtschaftlichen Verwerfungen diesseits und jenseits des Atlantiks im Gefolge. Wann wird man endlich lernen? Ausgleich von Zinsdifferenzen Wechselkursänderungen sollten auch im Einklang mit internationalen Zinsdifferenzen stehen. Bei globalisierten Finanzmärkten und nahezu perfekter Kapitalmobilität sollten internationale Zinsdifferenzen von Wechselkursänderungserwartungen kompensiert werden. Dann ist es gleichgültig, ob Finanzaktiva eines Hochzins- oder eines Niedrigzinslandes erworben werden, weil die um Wechselkursänderungen bereinigten erwarteten Ertragsraten gleichhoch sind. Nur bei Wechselkursillusion, also der Auffassung, daß gegebene Wechselkurse unverändert bleiben, kann es Abweichungen von dieser Norm geben. Schwindet die Wechselkursillusion, so kommt es später zu um so drastischeren Wechselkursanpassungen. Auch hierfür gibt es Beispiele. Seit Beginn der neunziger Jahre waren aus Finanzaktiva Südkoreas unter Berücksichtigung von Kursänderungen des Won gegenüber dem US-Dollar weit höhere Erträge 329 ZEITGESPRÄCH zu erzielen als an Märkten etablierter Industrieländer. So begann die Finanzmarktkrise dieses Landes. Die Entwicklung in Brasilien ab 1998 ist ein weiteres Beispiel für diese Zusammenhänge. Das Auseinanderlaufen von Wechselkursänderungserwartungen, Wechselkursänderungen und internationalen Zinsdifferenzen wurde auch für westliche Industrieländer nachgewiesen. Das ist das „forward discount puz'zle". Hochzinsländer locken ausländische Anleger mit der Verheißung von Überrenditen, mit der Aussicht, für einige Zeit zusätzliche Erträge durch eine Währungsaufwertung zu erzielen. Der internationale Kapitalverkehr wird dann zu einer vor allem spekulativen Angelegenheit, bestimmt von der Einschätzung, wann sich gesamtwirtschaftlich nicht fundierte Wechselkurstrends umkehren. Für Wechselkurse des Dollars gegenüber Währungen anderer Industrieländer ergibt sich immer wieder eine Abfolge von Über- und Unterbewertung, von Boom und Bust der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den verschiedenen Währungsräumen, bestimmt von realen Wechselkursänderungen. Das gegenwärtige Spektakel um den Euro ist hierfür ein erneuter Beleg. Es ist deshalb ein riskantes Unterfangen, unter allen Bedingungen Preise und Renditen an Finanzmärkten einem „Autopiloten" zu überlassen, der die Zukunft der Weltwirtschaft zuverlässig steuern soll. Für die Zinsentwicklung wird das auch so gesehen, weil Zentralbanken durch das Festsetzen von Zinssätzen für die Zentralbankgeldversorgung wesentliche Impulse auf das gesamte Zinsspektrum an monetären Märkten ausüben. Was die Kursentwicklung an den Devisenmärkten angeht, wird jedoch überwiegend kein Hand330 lungsbedarf gesehen. Diese Asymmetrie ist eigentümlich, weil ohne adäquate makroökonomische Konzeption, unter Einschluß der Devisenmärkte und zwischen den großen Währungsräumen abgestimmt, eine stabile internationale Finanzarchitektur nicht erreicht werden kann. Institutionelle Regeln erforderlich Es bedarf passender institutioneller Regeln, um exzessive Volatilitäten sowie Fehlentwicklungen von Wechselkurstrends zu vermeiden. Hierzu gibt es zwei Ansatzpunkte. Erstens sollten mögliche Auswirkungen zinspolitischer Maßnahmen der Zentralbanken auf die Wechselkursentwicklung stärker beachtet werden. Zweitens sollte den Devisenmarktteilnehmern Orientierung für eine mit dem gesamtwirtschaftlichen Umfeld der großen Währungsräume verträgliche Kursentwicklung an den Devisenmärkten gegeben werden. Diese Aufgabe könnte von den Finanzministern und Notenbankgouverneuren der G 7-Länder, möglicherweise ergänzt um internationale Institutionen wie den IWF, wahrgenommen werden. Dieses Gremium sollte wechselkursrelevante Informationen sammeln, auswerten und öffentlich interpretieren, also die Aufgabe eines „Informations-Brokers" übernehmen. Das auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure der G 7-Länder vom Februar 1999 aus der Taufe gehobene „Financial Stability Forum", dessen Aufgabe die Überwachung der MikroStruktur internationaler Finanzbeziehungen ist, sollte deshalb von einem Makro-Forum ergänzt werden. Bei scharfen Änderungen nominaler oder realer Wechselkurse sollte dieses Gremium in öffentli- chen Stellungnahmen die vollzogene Kursentwicklung kommentieren und, soweit erforderlich, mögliche Reaktionen der Wirtschaftspolitik erläutern. Fehlt es an klaren Orientierungen für das Herausbilden von Markterwartungen, so bedarf es Leitplanken, um Erwartungen zu stabilisieren und an ökonomische Fundamentaldaten heranzuführen. Vor allem bei unklarer Informationslage können glaubwürdige Erläuterungen eines internationalen Gremiums mit hoher Reputation hierfür eine wichtige Orientierungshilfe bilden. „System gestalteter Wechselkursflexibilität" Ein „System gestalteter Wechselkursflexibilität" könnte wie folgt konzipiert werden: D Für die Eingangsphase sind um die aktuellen Wechselkurse obere und untere Referenzwerte in einem Abstand festzulegen, der einerseits Spielraum für notwendige Anpassungen der Wechselkurse als Reaktion auf geänderte Wirtschaftsdaten läßt, andererseits aber rechtzeitig Konsultationen zwischen den beteiligten Ländern auslöst. D Zudem sind Referenzwerte für reale Wechselkursänderungen zu bestimmen. Zu diskutieren ist die Ermittlungsmethode. Unterschiedliche Verfahren der Deflationierung von Wechselkursen gelangen zwar zu übereinstimmenden Trendergebnissen - reale Auf- und Abwertung - aber zu unterschiedlichen Werten. D Die Referenzwerte für nominale und reale Wechselkurse sind öffentlich bekanntzugeben. Sie sollten in regelmäßigen Abständen (z.B. halbjährlich) überprüft werden. • Werden Referenzwerte erreicht, sollten obligatorische KonsultatioWIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRÄCH nen die Zentralbankgouverneure und Finanzminister der beteiligten Länder zu einer gemeinsamen Interpretation der Entwicklung und, wenn notwendig, zu einer abgestimmten Strategie mit dem Ziel der Stabilisierung der Wechselkurse veranlassen. Interpretationen und möglicherweise als probat erwogene wirtschaftspolitische Maßnahmen sind zu veröffentlichen, um die Erwartungen von Marktteilnehmern zu leiten. Unter anderem mag gegen eine derartige Konzeption vorgebracht werden, daß Gleichgewichtswechselkurse schwer zu ermitteln sind, insbesondere für den Euro als Finanzinnovation. Das nicht befriedigend lösbare Problem, gleichgewichtige Wechselkurse zu bestimmen, stellte sich auch im EWS. Bei seinem Start wurden deshalb die Kurse des Vortags als Leitkurse verwendet, weil sie Regierungen und Währungsbehörden der Teilnehmerländer als angemessen erschienen. Analog hierzu sollten die Referenzwerte bei gestalteter Wechselkursflexibilität auf der Grundlage aktueller Wechselkurse festgelegt werden. Zudem erhalten Gleichgewichte oder Ungleichgewichte am Devisenmarkt nur dann Aussagekraft, wenn ihre Folgen für andere Märkte, vor allem für Gütermärkte, Produktion und Beschäftigung beachtet werden. Die Ergebnisse sind hierbei eindeutig: Scharfe reale Wechselkursänderungen stören die internationale Allokation von Gütern und Kapital, lösen gesamtwirtschaftliche Deformationen und später ein drastisches Umschlagen von Wechselkurstrends aus. Analogie zur Geldmengensteuerung Pragmatismus kennzeichnete auch den Übergang zu einer geldpolitischen Konzeption, die auf die WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI Zuwachsrate der Geldmenge abzielt. Damals wurde nicht versucht, zunächst die gleichgewichtige Geldmenge zu bestimmen. Statt dessen wurde der aktuelle Geldbestand unter Berücksichtigung der für die Projektionsperiode voraussehbaren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fortgeschrieben. Um den so ermittelten Wert wurden „weiche" Grenzen für die angestrebte monetäre Expansion gezogen, also ein oberer und ein unterer Referenzwert festgelegt. Bei dem Erreichen von Referenzwerten ergab sich keine Verpflichtung für konkrete geldpolitische Maßnahmen, wohl aber zur Interpretation der monetären Entwicklung und der sich daraus möglicherweise ergebenden Gefährdungen gesamtwirtschaftlicher Ziele. Diese Praxis der Ableitung von Zielwerten für die monetäre Expansion zur Stabilisierung von Finanzsystemen und des Preisniveaus hat sich häufig als erfolgreich erwiesen. Es ist nicht ersichtlich, warum eine vergleichbare Vorgehensweise bei der Bestimmung von Referenzwerten für Wechselkurse scheitern sollte. Auch andere Elemente eines „Systems gestalteter Wechselkursflexibilität" ähneln dem Konzept einer potentialorientierten Geldmengensteuerung. Wichtigster Bestandteil ist ein verpflichtender Konsultationsprozeß zwischen Zentralbanken und Finanzministern der G 7-Länder. Anders als bei festen Wechselkursen oder in einem Zielzonensystem gibt es dagegen keinen Zwang zu genau definierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wenn Referenzkurse erreicht werden. Verlangt aber wird die Bereitschaft der größten Industrieländer der Welt, bei starker Volatilität an den Devisenmärkten oder erheblichen Wechselkursänderungen eine sorgfältige Analyse der Ursachen vorzunehmen und ihre Ergebnisse gemeinsam und öffentlich zu interpretieren Gelangen Analyse und Interpretation zum Ergebnis, daß die Kursentwicklung an den Devisenmärkten gerechtfertigt ist, etwa die reale Aufwertung einer Währung im Zuge eines besonders starken Wirtschaftswachstums dieses Landes, so sollte das erläutert werden. Zudem könnten Referenzwerte für die Kursentwicklung angepaßt werden. Institutionelle Globalisierung Wenn das Gremium der Zentralbankgouverneure und Finanzminister dagegen Fehlentwicklungen an Devisenmärkten konstatiert, so sind weitere Aktionen einer erfolgversprechenden Währungskooperation erforderlich. Sie reichen von gleichlautenden Erklärungen zur Neuorientierung der Erwartungsbildung über abgestimmte zinspolitische Maßnahmen bis zu international koordinierten sterilisierten oder nicht sterilisierten Devisenmarktinterventionen, soweit dadurch die Preisstabilität nicht gefährdet wird. Alle Maßnahmen sind allein daran zu orientieren, zu verhindern, daß von gesamtwirtschaftlichen Bedingungen und Perspektiven gelöste Wechselkurserwartungen die Kursbildung am Devisenmarkt beherrschen und zu länger andauernden Fehlentwicklungen führen. Man mag darüber streiten, ob der hier vorgeschlagene Weg ausreichend und erfolgversprechend ist. Wie konkret vorzugehen ist, um stabilere Währungsbeziehungen zu erreichen, ist eine Frage der Durchsetzungsfähigkeit und Zweckmäßigkeit. Zentral aber ist es, in den Köpfen der für die internationale Wirtschaftspolitik Verantwortlichen zu verankern, daß die marktmäßige Globalisierung der Finanzbeziehungen wegen mangelnder Effizienz von Finanz- 331 ZEITGESPRÄCH markten eine flankierende institutionelle Globalisierung erfordert. Notwendige strukturelle und deshalb mikroökonomisch orientierte Reformen der internationalen Finanzarchitektur sind zu ergänzen durch eine zwischen den großen Wirtschafts- und Währungsräumen der Welt besser abgestimmte makroökonomische Stabilisierungspolitik. Beides ist durch ein passendes internationales Orga- nisationsdesign zu komplettieren. Zusammengenommen kann es dadurch gelingen, fundamental falschen Wechselkursen präventiv zu begegnen und sie nicht erst nachträglich abzubauen. Hermann Remsperger Neues Weltwährungssystem nicht erforderlich S eit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1973 und den dabei gewonnenen Erfahrungen mit festen, aber anpassungsfähigen Wechselkursen wird die Bestimmung der Kursrelationen zwischen den wichtigsten Weltwährungen im Wesentlichen dem freien Spiel der Märkte überlassen. Auf Grund der seither beobachteten kurzfristigen Wechselkursschwankungen und der zeitweise beachtlichen mittelfristigen „Fehlbewertungen" von Währungen wurde die Entwicklung an den Devisenmärkten mehr oder weniger kontinuierlich von der Diskussion um die Angemessenheit des bestehenden Systems weitgehend flexibler Wechselkurse und um eine mögliche Rückkehr zu einer stärkeren institutionellen Strukturierung der Währungsbeziehungen begleitet. Während die Diskussion über längere Strecken eher ein Schattendasein abseits einer allgemeinen öffentlichen Beteiligung führt, gewann sie zuweilen - und meist im Zusammenhang mit stärkeren Wechselkursbewegungen, wie beispielsweise Mitte der achtziger Jahre - deutlich an Intensität, wobei sich die ausgetauschten Argumente jedoch im Zeitablauf nicht wesentlich veränderten. Eine solche Wiederbelebung der Debatte um die optimale Aus332 gestaltung des Weltwährungssystems kann auch in jüngster Zeit wieder beobachtet werden. Ausschlaggebend hierfür ist zum einen die Asienkrise, die von vielen Beobachtern als durch die vorangegangenen Verschiebungen im internationalen Währungsgefüge zumindest mitverursacht angesehen wird. Darüber hinaus erfuhr die Diskussion auch durch die Einführung des Euro und die damit verbundene Erwartung einer beschleunigten Entwicklung hin zu einem bi- bzw. tripolaren Weltwährungssystem Auftrieb. In den Augen vieler Kommentatoren gewann die Frage dann in der Folgezeit zusätzlich an Dringlichkeit als die junge europäische Währung während der ersten eineinhalb Jahre ihres Bestehens zur Schwäche neigte. Trotz niedriger Inflationsraten und geringer Inflationsdifferenzen gegenüber den USA und Japan hat sich der Euro von Anfang 1999 bis Anfang Juni diesen Jahres im Verhältnis zum US-Dollar um 20% und gegenüber dem japanischen Yen um fast 25% abgewertet. Derartige Wechselkursbewegungen werden vielfach als unerwünscht angesehen und haben den Ruf nach einer Verbesserung der Funktionsweise des Weltwährungssystems durch eine entsprechende Umgestaltung laut werden lassen. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst einmal die Frage, inwieweit vor allem die Entwicklung des Euro seit seiner Einführung tatsächlich eine Neubewertung dieser Thematik erforderlich macht. In Bezug auf kurzfristige Wechselkursschwankungen ist dabei festzustellen, dass die Volatilität monatlicher Veränderungsraten für den Euro verglichen mit der vorangegangenen Erfahrung für die DMark bislang eher geringer ausgefallen ist. Empirische Untersuchungen haben darüber hinaus gezeigt, dass kurzfristige Wechselkursschwankungen ohnehin - wenn überhaupt - nur einen begrenzten Einfluß auf die realen Bereiche der Wirtschaft ausüben. Aussagen über die erheblich wichtigeren mittelfristigen Verzerrungen im Währungsgefüge sind allgemein wesentlich schwieriger zu machen. Durch den mit der Einführung des Euro verbundenen Regimewechsel und die damit einhergehenden möglichen Strukturbrüche in etablierten Beziehungen zwischen Fundamentaldaten und Wechselkursen gewinnt diese Aufgabe in der gegenwärtigen Situation noch einmal einige Grade an Komplexität. Nähert man sich der Vorstellung einer möglichen Fehlbewertung im Sinne der Kaufkraftparität durch die Betrachtung von WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRÄCH Abweichungen des realen Wechselkurses von seinem längerfristigen Durchschnitt, so zeigt sich, dass die gegenwärtige Wechselkurssituation in einigen Aspekten durchaus von der historischen Erfahrung abweicht. So übersteigen beispielsweise die gegenwärtig beobachteten Entfernungen des Euro-Wechselkurses von der Kaufkraftparität im Verhältnis zum japanischen Yen leicht die Werte, die während der zwei vorangegangenen Jahrzehnte erreicht wurden. Ähnliches lässt sich bezüglich des britischen Pfundes sagen. Mit Blick auf den US-Dollar lässt sich feststellen, dass dieser zwar ein gutes Stück von den Extremwerten Mitte der 80er Jahre entfernt ist. Er liegt jedoch auf dem höchstem Niveau, das seitdem erreicht wurde. Auch für den effektiven realen Wechselkurs gegenüber den Währungen der 13 wichtigsten Handelspartner gehen die Abweichungen des Euro-Wechselkurses etwas über in der Vergangenheit für die D-Mark beobachtete Werte hinaus. Mittelfristige Abweichungen des realen Wechselkurses vom durch die Kaufkraftparität vorgegebenen Gleichgewicht lassen sich in der Regel relativ gut durch verschiedene Fundamentalfaktoren, wie Realzins- oder Produktivitätsunterschiede, erklären. Allerdings ergeben sich beispielsweise für den Euro-US-Dollar-Wechselkurs beträchtliche Abweichungen von dem durch traditionelle Beziehungen zu diesen Fundamentalvariablen vorgegebenen Pfad. Diese körinen durch den möglicherweise mit dem Beginn der Währungsunion verbundenen Strukturbruch bedingt sein, stellen jedoch wahrscheinlicher das Ergebnis von durch die Eigendynamik des Devisenmarktes getriebenen Verzerrungen dar. Als Fazit dieser Betrachtungen lässt sich somit festWIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI halten, dass einige Aspekte der Erfahrung mit der neuen europäischen Gemeinschaftswährung es durchaus sinnvoll erscheinen lassen, die Frage nach einer möglichen Neuordnung des Weltwährungssystems noch einmal aufzugreifen und die wesentlichen Probleme, die sich im Zusammenhang mit einer solchen Neuordnung ergeben, darzulegen. Neuordnung der Währungsbeziehungen? Eine in diesem Zusammenhang häufig ins Spiel gebrachte Möglichkeit zur Neuordnung der Währungsbeziehungen besteht in der Rückkehr zu einem System prinzipiell fester, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen anpassbarer Wechselkurse - ähnlich dem System von Bretton-Woods und möglicherweise, ergänzt durch ein System von Bandbreiten oder Zielzonen. Derzeit und für die absehbare Zukunft scheint ein solches System jedoch kaum durchsetzbar. Und dies aus gutem Grund: Wechselkursbewegungen sind trotz zeitweiliger Übertreibungen auf längere Sicht vor allem fundamental bedingt. Sie erfüllen im Allgemeinen eine sinnvolle Ausgleichsfunktion und erhöhen somit die Schockverarbeitungskapazität des internationalen Wirtschaftsgefüges. Die Wechselkursstabilisierung innerhalb enger Bandbreiten setzt somit eine entsprechende Anpassung und internationale Koordinierung der relevanten Fundamentalfaktoren voraus. Die damit einhergehende Einschränkung des wirtschaftspolitischen Handlungsspielraums birgt Konfliktpotentiale zwischen internen und externen Politikzielen, die sich, wie die Erfahrung in der Endphase des Bretton-Woods-Systems gezeigt hat, vor allem im Bereich der Geldpolitik einstellen können. Ohne Kon- vergenz der Fundamentaldaten zwischen den großen Währungsblöcken würde die Volatilität, die aus den Wechselkursen herausgenommen wird, teilweise lediglich auf andere volkswirtschaftliche Größen wie beispielsweise die Zinsen umgeleitet, die unter Umständen wesentlich schlechter geeignet sind, derartige Schwankungen und Spannungen zu verarbeiten. Wichtige Lehren in Bezug auf die Ausgestaltung des Weltwährungssystems lassen sich auch aus der Diskussion um die Optimalität von Währungsräumen - als Extremform der Wechselkursfixierung - ziehen. Ein optimaler Währungsraum zeichnet sich unter anderem durch ein hohes Maß an Schocksymmetrie, hohe Arbeitsmobilität sowie eine flexible Lohnund Preisfindung innerhalb des Währungsraums aus. Der nominale Wechselkurs verliert in dem Maße, in dem diese Bedingungen erfüllt sind, an Bedeutung für die wirtschaftliche Stabilisierung. Die Voraussetzungen eines optimalen Währungsraums sind im Fall der G3-Länder sicher nicht gegeben. Darüber hinaus lassen selbst bei hinreichender Schocksymmetrie unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Reaktion auf Schocks und die unterschiedliche Schockverarbeitung in den verschiedenen Ländern ein Verzicht auf die stabilisierende Wirkung des nominalen Wechselkurses wenig sinnvoll erscheinen. Unabhängig davon ergäbe sich im Zuge der praktischen Umsetzung das überaus schwierige Problem der Bestimmung von angemessenen Leitkursen, zu denen das internationale Währungsgefüge zumindest zeitweilig festgezurrt werden sollte. Derzeit ist die wirtschaftwissenschaftliche Forschung noch nicht in der Lage, ein Wechselkursmodell anzubieten, 333 ZEITGESPRACH welches die hierfür entscheidende Frage der Gleichgewichtswechselkurse hinreichend präzise beantworten könnte. Steht das Problem der Bestimmung des Gleichgewichtskurses einer Fixierung allgemein entgegen, so erhält dieses Argument in. der gegenwärtigen Situation zusätzliches Gewicht. So sind Umfang und Auswirkungen der durch die Euro-Einführung ausgelösten Dynamik an den europäischen Finanzmärkten noch nicht vollständig abzuschätzen. Auch sind die internationalen Portfolioanpassungen an die veränderten Umstände bei weitem noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus erschweren Unsicherheiten über „new economy"-Effekte diesseits und jenseits des Atlantiks die Bestimmung von Währungsgleichgewichten. Der Zielzonenansatz Um diesen Unsicherheiten bei der Quantifizierung gleichgewichtiger Wechselkurse Rechnung zu tragen, wird als Kompromisslösung mitunter vorgeschlagen, das Wechselkurssystem mit entsprechend weiten Bändern auszustatten. Ein solcher Zielzonenvorschlag sieht sich jedoch im Prinzip mit denselben allgemeinen Problemen fester Wechselkurse hinsichtlich der Bestimmung von Gleichgewichtskursen und der Politikkoordinierung konfrontiert - wenn auch teilweise in abgeschwächter Form. Legt man nur „weiche" Bänder ohne eindeutige Interventionsverpflichtungen fest, um diese Problematik so weit wie möglich zu umgehen, kann sich die Versuchung zu spekulativen Tests der festgelegten Bänder sogar noch erhöhen. Auch würde der von der Existenz der Bänder ausgehende Stabilisierungseffekt, dessen Bedeutung empirisch ohnehin eher fragwürdig ist, bei mangelnder Glaubwürdigkeit weiter vermin334 dert. Im Rahmen des Zielzonenansatzes wird zuweilen auch vorgeschlagen, häufigere Anpassungen des nominalen Bandes vorzunehmen und dadurch den realen Wechselkurs zu stabilisieren. Allerdings sollten bei einem solchen Vorgehen gleichgewichtige Änderungen des realen Wechselkurses, wie sie sich z.B. im Fall von unterschiedlichen Produktivitätsentwicklungen in den betreffenden Ländern ergeben, berücksichtigt werden. Dies setzt wiederum die Verfügbarkeit eines allgemein akzeptierten und darüber hinaus korrekten Modells voraus. Neuere Entwicklungen im wirtschaftlichen Umfeld lassen im Übrigen Zweifel an der Funktionsfähigkeit globaler Festkurssysteme angebracht erscheinen: Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie in Verbindung mit einem weitgehend liberalisierten Kapitalverkehr mit massiven privaten Kapitalströmen führen zu einer ausgesprochenen Sensibilität der Märkte gegenüber neuen Informationen. Da die G3Staaten keinen optimalen Währungsraum darstellen und der politische Wille zu einer Unterordnung nationaler Politiken unter die Erfordernisse der Wechselkursstabilisierung zu Recht nicht erkennbar ist, erscheint es mehr als fraglich, ob ein System fester Wechselkurse glaubwürdig sein kann. Damit ergibt sich bei hoher Kapitalmobilität sofort die Gefahr, dass das System durch spekulative Attacken und Kapitalflüsse zu Fall gebracht wird. Diese können möglicherweise sogar selbsterfüllender Natur sein, wie im Zusammenhang mit der EWS-Krise der frühen Neunziger oft argumentiert wird. Somit wird vielfach behauptet, dass sich die Wahl des Wechselkurssystems zumindest im globalen Kontext auf die Wahl zwischen den Extremen flexible Wechselkurse oder Währungsunion reduziert. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Probleme fester Wechselkurse besteht mit Blick auf die Kurse zwischen den wichtigsten Weltwährungen somit die einzig realisierbare und ökonomisch sinnvolle Alternative in der Beibehaltung des derzeitigen Systems weitestgehend flexibler Wechselkurse. Kein Bedarf an neuem Weltwährungssystem Schließlich werden Vorschläge diskutiert, ein solches System flexibler Wechselkurse durch fallweise koordinierte Interventionen zu ergänzen, um nicht-fundamental begründete Übertreibungen von Wechselkursentwicklungen aus dem Markt zu nehmen. Ein derartiges Auseinanderlaufen von Fundamentalfaktoren und Wechselkursen kann beispielsweise in der Form spekulativer Blasen auftreten, kann seine Ursache jedoch auch im Zusammenspiel von sogenannten Chartisten und Fundamentalisten oder in Tendenzen zum gleichgerichteten Verhalten an den Devisenmärkten haben. Neben der Frage, inwieweit Interventionen, insbesondere der sterilisierten Art, überhaupt effektiv sind, ergibt sich das Problem, mögliche Fehlentwicklungen nicht nur allgemein zu erkennen, sondern sie zeitgleich zu erkennen. In der Regel werden derartige Übertreibungen der Märkte ohnehin durch die Selbstheilungskräfte der Märkte innerhalb eines vertretbaren Zeitrahmens korrigiert und zurückgebildet. Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß derzeit kein Bedarf an einem neuen Weltwährungssystem festzustellen ist. Solange die Weltwirtschaft durch unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen in den verschiedenen Ländern WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRÄCH gekennzeichnet ist, die unterschiedlichen Schocks ausgesetzt sind, und darüber hinaus unterschiedliche wirtschaftspolitische Präferenzen bestehen, ist eine durch die eindimensionale Ausrichtung auf den Wechselkurs bedingte Einschränkung des wirtschafts- politischen Handlungsspielraums nicht sinnvoll. Der Wechselkurs ist marktmäßiger Ausdruck einer Vielzahl von Einflussfaktoren, die sowohl fundamentale Faktoren als auch Verhaltensweisen der Marktteilnehmer umfassen. Eine konsistente und nachvollziehbare Poli- tikgestaltung ist der beste Beitrag zu einer Stabilisierung von Markterwartungen, wodurch die Voraussetzung für eine Wechselkursentwicklung im - zumindest mittelfristigen - Einklang mit den relevanten Fundamentaldaten geschaffen wird. Klaus Friedrich, Armin Unterberg Tripolare Währungsordnung zukunftsfähig D ie Fragestellung dieses Zeitgesprächs erinnert etwas an den alten Neureichen-Witz: „Liebling, der Aschenbecher ist voll sollten wir nicht an den Kauf eines neuen Autos denken?" Was wir in den letzten Monaten beim Euro erlebt haben, ist nicht der Verfall einer Währung, sondern waren ganz normale Marktbewegungen, denen jede große Währung ausgesetzt ist - auch und insbesondere der Dollar. Im Fall des Euro sind sie sicher verstärkt worden durch ein gewisses hysterisches Selbstmitleid der Europäer, das in vielen Kommentaren zum Ausdruck kam. An den Märkten wirkten diese Äußerungen „self-fulfilling" - so wie der, der sich lange genug eine Krankheit eingeredet hat, sich zum Schluss wirklich krank fühlt. Der Euro ist keine Schwachwährung Es ist an der Zeit, dass sich die Europäer von ihrer Hypochondrie ab- und den Fakten wieder zuwenden. Denn die sprechen eine andere Sprache. D Der Euro ist keineswegs eine schwache Währung, und von „Verfall" kann schon gar keine Rede sein. Schwachwährungen sind stets von hohen Inflationsraten und hohen Zinsen gekennzeichWIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI net. Tatsache ist aber, dass Europa in den letzten 40 Jahren keine so niedrige Inflationsrate hatte wie 1999, dem ersten Jahr des Euro. Auch heute besteht keine Inflationsgefahr. Und das europäische Zinsniveau liegt deutlich unter dem der Amerikaner. D Ein im Außenwert gegenüber dem Dollar relativ niedrig bewerteter Euro hilft sichtlich der europäischen Konjunktur und schafft Arbeitsplätze. Ein zu hoch bewerteter Euro wäre'dagegen für das zunächst noch zarte Pflänzchen des europäischen Aufschwungs äußerst schädlich gewesen. Die Amerikaner haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Die erste Phase des mit Recht viel gerühmten langen amerikanischen Aufschwungs war begünstigt von einem niedrigen Dollarkurs. In den entscheidenden Jahren 1992 bis 1995 lag der Dollar zeitweise unter 1,40 DM. Umgekehrt hat uns die überbewertete D-Mark in diesen Jahren massiv Arbeitsplätze gekostet. Ähnliche Erfahrungen macht derzeit Großbritannien, wo der hohe Pfund-Kurs bereits den Rückzug der ausländischen Investoren eingeläutet hat. Der Kurs einer Währung ist eben kein Wert an sich, sondern muss stets im ökonomischen Kontext gesehen werden. D Wenn der Dollar in den letzten Monaten um 2,10 D-Mark kostete, so ist dies im historischen Rückblick durchaus nichts Außergewöhnliches und schon gar keine Katastrophe. Dabei braucht man gar nicht bis zur langen Periode des 4,- DM-Dollarkurses zurückzugehen. Auch in den Jahren 1983 bis 1985 hatten die USA ein weit höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland und Europa. Die DMark reagierte mit einem massiven Wertverlust gegenüber dem Dollar. Im Frühjahr 1985 stand der Dollar bei 3,40 DM, doppelt so hoch wie Anfang der achtziger Jahre. Im Vergleich zur D-Mark damals hält sich der Euro weit besser. Obgleich die USA in den letzten Jahren einen erheblichen Wachstumsvorsprung erzielt haben, hat der Euro gegenüber dem Dollar lediglich rund 20% an Wert verloren. Derartige Wertschwankungen sind an den volatilen Devisenmärkten „Routinegeschäft". Mit einem Vertrauensverlust in die Währung haben sie nichts zu tun. D Der Euro hat sich in seiner jungen Geschichte bereits mehr bewährt als die D-Mark. Trotz einer Verdreifachung des Ölpreises lag die Inflationsrate in den letzten Monaten in Deutschland und im Euro-Raum unter 2%. Man erinne335 ZEITGESPRACH re sich an die hohen Inflationsraten zu Zeiten der D-Mark, als sich der Ölpreis Mitte der siebziger Jahre und Anfang der achtziger Jahre schubartig erhöhte. Die Inflationsrate bewegte sich jeweils zwischen 5% und 7%. Demgegenüber verzeichneten die Länder des Euro-Raums 1999 die niedrigste Inflationsrate seit mehreren Jahrzehnten - eindeutig ein Erfolg der neuen Währung. Der Euro macht also nicht ärmer, wie gelegentlich behauptet wurde. Er hat sich als Bollwerk gegen Inflationsimpulse bereits bewährt. D Eine Momentaufnahme sagt noch nichts über das Ende des Films. Derzeit sprechen die Differenzen in Wachstumsraten und Zinsniveaus noch für viele Anleger eher für ein Investment in den USA als in Europa. Aber die Schere schließt sich. Die eindeutig in konjunktureller Spätphase befindliche US-Wirtschaft wird nicht mehr lange solch hohe Wachstumsraten produzieren. Europa dagegen steht am Anfang eines voraussichtlich langen Booms, in dessen Verlauf auch die europäischen Geldmarktzinsen deutlich ansteigen werden. Die Anleger werden sich allein aufgrund der ökonomischen Fakten in nächster Zeit umorientieren müssen. D Auf die Dauer haben noch immer die Fundamentaldaten über den Wechselkurs entschieden auch wenn zeitweise emotionale Faktoren den Marktteilnehmern den Blick dafür verstellen. Und die fundamentalen Daten sprechen klar für den Euro. Neben dem begonnenen Aufschwung, der Inflationsfreiheit und dem niedrigen Zinsniveau sind dies vor allem: der Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Raumes, dem ein US-Defizit von rund 420 Mrd. Dollar gegenübersteht; der Umfang der ausländischen Direktinvestitionen, die in 336 Deutschland seit dem letzten Jahr gewaltige Zuwächse zeigen; die Solidität der Europäischen Zentralbank, die sich allen Unkenrufen zum Trotz als politisch unabhängige Instanz mit hervorragender geldpolitischer Kompetenz erwiesen hat; die in Gang gekommene Deregulierung der europäischen Märkte, die in Flexibilität und Freiheit des Marktzutritts teilweise bereits die US-amerikanischen Märkte übertreffen. Feste Wechselkurse oder Zielzonen wären keine Lösung Welche Vorteile könnte ein anderes Weltwährungsregime bringen? Die Einführung des Euro stellt einen Quantensprung für das internationale Währungssystem dar. Der Euro hat das Potenzial zu einer Weltwährung. Damit entsteht eine tripolare Währungsordnung mit dem Dollar, dem Euro und dem Yen als tragenden Säulen. Angesichts dieser Entwicklung hatten zeitweise Vorschläge Konjunktur, die auf eine Stabilisierung der Wechselkurse zwischen diesen Währungen abzielen. Sowohl aus der Wissenschaft als auch - und vor allem - aus der Politik wurden dazu Ideen präsentiert, die von einer vagen Kooperation in der Geld- und Wechselkurspolitik über Zielzonen bis hin zu einem neuen Bretton-Woods-System mit weitgehend festen Wechselkursen reichen. Zur Beurteilung dieser Vorschläge muß man sich zunächst eine zentrale Grundwahrheit internationaler Währungspolitik vor Augen halten: Fixe Wechselkurse sind nicht kompatibel mit freiem Kapitalverkehr und autonomer Geldpolitik der beteiligten Staaten. Wer feste Wechselkurse und eine autonome Geldpolitik will, muss den Kapitalverkehr beschränken. Wer feste Wechselkurse und einen freien Kapitalverkehr will, muss auf eine autonome Geldpolitik verzichten. Wer aber weder die eine noch die andere Beschränkung hinnehmen will, muss flexible Wechselkurse akzeptieren und kann nicht für Wechselkursziele zwischen den beteiligten Währungen plädieren. Dies ist das „magische Dreieck" der internationalen Währungspolitik. Grundlegende Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den drei großen Wirtschaftsregionen der Welt sind weder ökonomisch wünschenswert noch effizient durchführbar. Daher läuft die Forderung nach stabileren Wechselkursen auf eine Einschränkung der geldpolitischen Autonomie in den beteiligten Währungsgebieten hinaus. Es geht also um eine Abwägung der Vorteile, die einerseits mit stabileren Wechselkursen verbunden sind, und der Nachteile, die andererseits mit einer eingeschränkten Autonomie der Geldpolitik einhergehen. Eine Wechselkursbindung kann überhaupt nur sinnvoll sein, wenn die Konjunkturzyklen der so verbundenen Länder stärker korrelieren. Das Wirtschaftswachstum der drei großen Wirtschaftsräume verlief aber in den neunziger Jahren alles andere als gleichgerichtet. Hier ist zwischen den kontinentaleuropäischen Ländern eine deutlich engere Beziehung festzustellen als für die Beziehungen des Euro-Raums zu den USA. Wenn aber die konjunkturellen Bewegungen stärker voneinander abweichen, empfiehlt sich für die USA, Japan und die EWU eine Geldpolitik, die stärker den Binnenwert als den Außenwert des Geldes in den Blickpunkt ihrer Maßnahmen rückt. Spezifische Probleme bei Wechselkursbindungen Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen gibt es aber noch WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRÄCH eine ganze Reihe spezifischer Probleme, die mit Wechselkursbindungen zwischen Euro, Dollar und Yen verbunden wären: D Die ohnehin schon schwierige Frage, wo der „richtige" Wechselkurs zwischen zwei Währungen liegt, ist für den Euro gerade in der Anfangszeit der EWU kaum zu beantworten. Denn die Einführung des Euro bedeutet einen Strukturbruch, der weitreichende Verhaltensänderungen von Wirtschaftssubjekten bewirken kann. D Die Umsätze an den internationalen Devisenmärkten belaufen sich heute auf ca. 1,5 Bill. US$ pro Tag. Die Devisenreserven der Zentralbanken und damit das zur Wechselkursstabilisierung zur Verfügung stehende Interventionspotenzial nehmen sich dagegen verschwindend gering aus. Die Märkte dürften daher die Glaubwürdigkeit solcher Arrangements nicht als besonders hoch einschätzen. Wird die Glaubwürdigkeit von Wechselkurszielen jedoch in Zweifel gezogen, dann sind Fixkurssysteme geradezu eine Einladung zur Spekulation. D Fixkurssysteme benötigen eine Ankerwährung. Die USA und die Europäische Währungsunion sind aber in fast jeder Hinsicht gleichgewichtige Wirtschaftsräume, so dass es keine „natürliche" Ankerwährung gibt. Da kaum vorstellbar ist, daß die USA den Dollar an den Euro ankoppeln, müßten die Europäer den Euro an den Dollar koppeln und damit ein Stück geldund währungspolitischer Souveränität wieder aufgeben, das sie mit der Einführung der gemeinsamen Währung gerade erst gewonnen haben. D Eine Wechselkursanbindung würde die europäische Geldpolitik bei Eintritt eines außenwirtschaftlichen „Schocks" nachhaltig einschränken. Notwendige AnpasWIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI sungen müsste dann hauptsächlich die Fiskalpolitik übernehmen. Letztere ist jedoch durch den Stabilitätspakt rechtlich und institutionell gebunden. Wechselkurszielzonen erhöhen also die Gefahr, dass die fiskalischen Vorgaben des Amsterdamer Paktes gebrochen werden. D Die aus geldpolitischen Gründen notwendige Sterilisierung von Interventionsmäßnahmen zur Stützung eines Festkurses oder einer Zielzone stellt in der Realität ein beträchtliches Problem dar. Es ist eine Illusion, zu glauben, dies sei für eine Notenbank stets umgehend und zinsneutral möglich. Daraus folgt, dass nicht nur die Effizienz der Geldpolitik gefährdet ist - vor allem wenn es um große Volumjna geht -, sondern auch die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft schwer vorhersehbar bleiben. D Die EZB als neu etablierte Institution muss sich ihre Glaubwürdigkeit erst noch verdienen. Da Wechselkursziele eine stabilitätsorientierte Geldpolitik unterlaufen können, würde es den Aufbau einer stabilitätspolitischen Reputation der EZB erschweren, wenn diese gleich zu Beginn ihrer Arbeit mit politischen Vorgaben konfrontiert würde. Währungspolitische Kooperation ist gefragt Aus all diesen Gründen erscheinen institutionell untermauerte Zielzonen für den Euro-Wechselkurs gegenüber anderen Währungen - abgesehen vom EWS-II nicht geeignet, zu dauerhafter Wechselkursstabilisierung beizutragen. Die erfolgversprechendste Methode, zu relativ stabilen Wechselkursverhältnissen zwischen Euro, Dollar und Yen zu gelangen und unnötige Volatilitäten zu vermeiden, besteht weiterhin darin, in den drei großen Währungsblöcken eine solide, stabilitätsorientierte Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zu betreiben. Dies stabilisiert die Erwartungen der Marktteilnehmer und reduziert die Wechselkursschwankungen. Sind diese Politikbereiche aber nicht konsistent und stabilitätsorientiert, dann werden auch Wechselkurszielzonen wenig helfen, Marktschwankungen zu vermeiden. Es ist allerdings nicht ganz auszuschließen, dass es in der sich abzeichnenden tripolaren Währungsordnung zu stärkeren Volatilitäten und vorübergehenden Misalignments kommen kann. Völliges Ignorieren der Wechselkursentwicklung des Euro ist deshalb ebenfalls nicht angebracht. Um gravierende Fehlentwicklungen zu verhindern, bedarf es aber keines formalen „Bretton Woods II" mit Leitkursen und Bandbreiten für die beteiligten Währungen und Interventionsverpflichtungen für die Zentralbanken. Dies wäre - wie die Erfahrung zeigt - geradezu eine Einladung an die Märkte, die festgelegten Kurse zu testen. Krisen von weit größerem Ausmaß als im EWS wären vorprogrammiert. Spekulationswellen würden nicht gedämpft, sondern angeregt. Riesige Interventionsvolumina der Notenbanken müssten die Geldpolitik in Bedrängnis bringen. Der Preis, den Europa, die USA und Japan zu zahlen hätten, wäre eindeutig zu hoch. Dagegen erscheint eine währungspolitische Kooperation in der Triade sinnvoll. Eine Ad-hoc-Koordinierung im Rahmen der G7 könnte ausreichen, um Signale an die Märkte auszusenden und gegebenenfalls auch zu intervenieren. Das Plaza-Abkommen und der LouvreAkkord, mit denen man in den achtziger Jahren die Entwicklung des Dollar-Kurses beeinflusste, sind Beispiele für eine erfolgreiche 337 ZEITGESPRÄCH Wechselkurskooperation. Noch wichtiger wäre eine unmittelbare Kooperation zwischen EZB und Fed. Funktioniert sie, wäre ein Fixkurssystem ohnehin überflüssig. Funktioniert sie nicht, so würden feste Kurse ungleich größere Probleme verursachen als flexible. Europa braucht den Euro Das Fazit lautet also: Wir brauchen kein neues Wechselkursregime. Aber ebenso sicher gilt: Europa braucht den Euro. So wie es die alten Europäer Adenauer, de Gasperi und Schuman von Anfang an eingeschätzt haben: Die über Jahrhunderte gewachsenen unterschiedlichen Kulturen der europäischen Nationalstaaten würden nur durch gemeinsame ökonomische Strukturen zusammenwachsen können. So drückt es auch das in Stahl gegossene Schuman-Zitat an der Europa-Brücke in Luxemburg aus: „Europa wird eins durch das Schaffen neuer Fakten." Nach Montanunion, EWG-Vertrag und Binnenmarkt ist der Euro ein solches Faktum. Und wir haben bereits erlebt, wie der große Währungsraum die Europäer nicht nur schützt (siehe Asien-Krise) und zusammenschweißt, sondern ihnen auch ein ganz neues Gewicht, eine neue Rolle in der Welt gibt. Dies alles ist völlig unabhängig vom jeweiligen Tageskurs an den Devisenmärkten. Michael Frenkel Euroentwicklung: Mögliche Ursachen und politische Optionen D er Kursverlauf des Euro rechtfertigt keine grundlegende Veränderung des internationalen Währungssystems. Dies gilt zumindest solange, wie die großen Industrieländer bei der Gestaltung ihrer Wirtschaftspolitik weiterhin mehr die binnenwirtschaftlichen Ziele als das außenwirtschaftliche Ziel verfolgen. Die Unzufriedenheit mit der Wechselkursentwicklung des Euro basiert aus europäischer Sicht meist auf der Überzeugung, mit der Abwertung des Euro seit Anfang 1999 sei inzwischen eine deutliche Unterbewertung des Euro eingetreten. Damit verbindet man die Vorstellung, dass der Wechselkurs nicht durch Fundamentalfaktoren gerechtfertigt sei und daher in „ungerechtfertigter" Weise .vom längerfristigen Gleichgewichtskurs abweiche. Da eine Abweichung des tatsächlichen Kurses vom längerfristigen Gleichgewichtskurs mit einer Fehlallokation von Ressourcen einhergehe, weise dies auf Ineffizienzen des Devisenmarktes hin. Außerdem wird hervorgehoben, dass die Abwärtsbe338 wegung des Euro auf eine sich selbst verstärkende Dynamik (auch Schneeballeffekt genannt) zurückzuführen sei. Hieraus wird dann gefolgert, dass eine solche aus den Fugen geratene Wechselkursentwicklung mit erheblichen Nachteilen für den internationalen Handel und die Investitionen verbunden sei. Infolgedessen bedürfe es eines korrigierenden Eingriffes in das Marktgeschehen. Im Folgenden soll erstens diskutiert werden, ob der Wechselkurs des Euro in jüngerer Vergangenheit in der Tat eine deutliche Unterbewertung der europäischen Währung darstellt. Zweitens soll die Frage geprüft werden, welche währungspolitischen Alternativen es zur freien Kursbildung ohne Eingriffe der Zentralbanken gibt. Ist der Euro wirklich unterbewertet? Betrachten wir zunächst die Wechselkursänderung des Euro seit Anfang 1999 und fragen, ob sich diese Entwicklung ökonomisch sinnvoll erklären lässt. Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht aufgrund der inzwischen tripolaren Währungsordnung mit Dollar, Euro und Yen der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar. In eher traditionellen Ansätzen der Wechselkurstheorie werden aktuelle Werte verschiedener ökonomischer Größen als Einflussfaktoren auf den Wechselkurs betont. Wenn in jüngerer Vergangenheit von einer Unterbewertung des Euro gesprochen wird, sind implizit meist vier ökonomische Größen angesprochen, die den Verlauf des Euro-Wechselkurses als fundamental nicht gerechtfertigt erscheinen lassen: D Seit Beginn der EWU lag die jährliche Inflationsrate im Durchschnitt der EWU-11-Länder um rund einen Prozentpunkt unter der der USA, so dass hieraus - zieht man die Kaufkraftparitätentheorie zu Rate - eher mit der gegenteiligen Wechselkursentwicklung hätte gerechnet werden können. Allerdings kann aufgrund der langfristigen Ausrichtung dieser Theorie nur schwerlich der relativ kurze Zeitraum seit Bestehen der EWU WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRÄCH beurteilt werden. Auch die DMDollar-Kursentwicklung zeigte in der Vergangenheit zum einen erhebliche und zum anderen teilweise lang anhaltende Abweichungen von der Kaufkraftparität. D Beurteilt man die Wechselkursentwicklung auf Basis des Leistungsbilanzsaldos, lässt sich ebenfalls keine Euro-Abwertung erklären. Während die USA einselbst im Vergleich zu den Vorjahren erhebliches Leistungsbilanzdefizit aufweisen, ist die Leistungsbilanz der EWU-Länder im Überschuss. Allerdings muss auch hier einschränkend angeführt werden, dass es sich hierbei um ein längerfristiges Kriterium der Wechselkursbeurteilung handelt. D Traditionelle Erklärungen von Wechselkursbewegungen, die über die Kapitalbilanz argumentieren (Zinsparitätentheorie oder Theorie der realen Zinsdifferenz), erachten die Zinsentwicklung als wichtige Determinante des Wechselkurses. Aber auch hiermit lässt sich die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar nicht erklären. Während der kurzfristige und der langfristige Zins in den USA seit Anfang 1999 um rund einen Prozentpunkt gestiegen sind, ist der Anstieg beider Zinssätze in der EWU um rund 0,75% nur wenig geringer ausgefallen. D Betrachtet man schließlich die Geldmengenwachstumsraten, so wäre ein schwacher Euro mit Hilfe traditioneller monetärer Wechselkursmodelle hur dann erklärbar, wenn die Expansionsrate der Geldmenge in der EWU größer gewesen wäre als in den USA. Dies lässt sich aber ebenfalls nicht beobachten. Während die Geldmenge in den USA im Frühjahr 2000 um etwas über 7% über dem vergleichbaren Vorjahresniveau lag, nahm sie in der EWU um etwas über 6% zu. Die Differenz spiegelt WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI im Wesentlichen nur die unterschiedlichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts wider. Andere Wechselkurstheorien Auch wenn der Blick auf diese einzelnen ökonomischen Größen eine Abwertung des Euro seit Anfang 1999 als fundamental nicht gerechtfertigt erscheinen lässt, so darf nicht übersehen werden, dass sich bei Heranziehen anderer Wechselkurstheorien auch ein gegenteiliges Bild ergeben könnte. Hier seien nur zwei Argumentationsketten genannt: D Berücksichtigt man das Zusammenwirken von Güter- und Finanzmärkten, so lassen sich bereits aus den Arbeiten des letzten Nobelpreisträgers der Wirtschaftswissenschaften, Robert Mundell, Erklärungen für die beobachtete Entwicklung ableiten. Aus Mundells Arbeiten folgt, dass große Volkswirtschaften, die aufgrund des Anstiegs von Konsum und Investitionen besonders stark expandieren, bei relativ hoher internationaler Kapitalmobilität ausländisches Kapital anziehen, wodurch sich eine Aufwertung der Inlandswährung bei gleichzeitig im In- und Ausland steigenden Zinssätzen ergibt. Wendet man dies auf die Entwicklung der letzten 18 Monate an, so ließe sich die beobachtete Wechselkursentwicklung zwischen Euro und Dollar insbesondere als Stärke des Dollar erklären. Die USA haben in dieser Zeit trotz des zuvor bereits erfolgten Aufschwungs eine besonders starke Expansion gezeigt und galten daher bei vielen internationalen Anlegern als attraktives Anlageland. Hieraus ließe sich eine Aufwertung des Dollar, eine Verbesserung der amerikanischen Kapitalbilanz und eine Verschlechterung der Leistungsbilanz erwarten. Genau dies ist in den letzten einein- halb Jahren erfolgt. Die Ende Mai und Anfang Juni zu beobachtende Trendwende des Eurokurses könnte mit dem Hinweis auf die nachlassenden Expansionskräfte in den USA und die Anzeichen einer stärkeren Expansion in den Ländern der EWU begründet werden. • Eine Erklärung für einen vergleichsweise schwachen Euro bzw. einen starken Dollar ließe sich der Richtung nach auch auf Basis modernerer Wechselkursansätze ableiten. Diese Ansätze betonen, dass Finanzmärkte vorwärtsschauend sind und die sich dort bildenden Preise bzw. Kurse die abdiskontierten Wirkungen der für die Zukunft erwarteten ökonomischen Veränderungen beinhalten. Bezogen auf den Wechselkurs heißt dies, dass der Wechselkurs als Preis des Assets „Währung" aufgefasst wird und sich in ihm die zukünftige Entwicklung ökonomischer Größen widerspiegelt, von denen ein Einfluss auf den Wechselkurs anzunehmen ist (man spricht vom „Asset-Pricing-Ansatz"). Weil allerdings die zukünftigen Werte dieser Größen nicht bekannt sind, kommt den Erwartungen der Devisenmarktteilnehmer, unabhängig davon ob sie richtig oder falsch sind, eine entscheidende Rolle zu. Da Erwartungen nicht beobachtbar sind, ist es für die empirische Wirtschaftsforschung schwierig herauszufinden, ob sich der tatsächliche Wechselkurs mit den (nicht beobachtbaren) Erwartungen erklären lässt. Man ist deshalb auf einige eher qualitative Hinweise angewiesen, die sich jedoch in letzter Zeit durchaus finden lassen. Bis vor kurzem sind häufig Zweifel an der wirtschaftlichen Dynamik in Europa und der Bereitschaft vieler EWU-Länder zu den als erforderlich angesehenen wirtschaftspolitischen Reformen geäußert worden. 339 ZEITGESPRACH Hiervon geht bei einer gleichzeitig günstigeren Einschätzung der Situation in den USA eine entsprechend geringere Bewertung des Euro aus. Auf der Grundlage dieser Überlegungen wäre die in alierjüngster Zeit erfolgte Erholung des Euro auf eine durch neue Informationen ausgelöste Korrektur der Erwartungen in Richtung einer schwächeren US-Konjunktur und einer stärkeren EWU-Konjunktur zurückzuführen. Abweichungen nur kurzfristig? Zu bedenken ist bei den voranstehenden Erklärungen, dass sie lediglich auf die Richtung der Eurokursentwicklung hinweisen. Zu fragen bliebe, ob der Umfang der Euroabwertung bzw. der Dollaraufwertung tatsächlich damit erklärt werden kann. So wird vielfach bezweifelt, ob die Abwertung des Euro seit Anfang 1999 von 1,18 $/€ bis auf unter 0,90 $/€, d.h. um knapp 25%, und die Aufwertung des Euro innerhalb einer Woche Ende Mai bis Anfang Juni um 7% damit begründet werden können. Gleichwohl könnte man diesen Zweifeln entgegenhalten, dass der Euro Anfang 1999 mit einem vergleichsweise hohen Wechselkurs startete, was sich aus einer Rückrechnung des hypothetischen Wertes des Euro für die letzten Jahre ergibt. Außerdem lagen die Schwankungen der DM gegenüber dem Dollar in den 20 Jahren vor Beginn der EWU in einer deutlich größeren Bandbreite als die Schwankungen des Euro gegenüber dem Dollar. Auf den Euro umgerechnet lagen sie zwischen 0,56 und 1,47$/€. Schließt man sich dennoch dem Argument an, demzufolge die beobachtete Wechselkursänderung des Euro stärker war, als sie mit den vorgetragenen Argumenten begründet werden kann, bleibt als Erklärung für die Wechselkurs340 bewegung der Hinweis übrig, dass die Dynamik des Devisenmarktes zum beobachteten Umfang der Wechselkursänderung beigetragen hat. Mit der Dynamik sind hier vor allem Schneeballeffekte gemeint, die von kurzfristig orientierten Devisenmarkthändlern (Chartisten) ausgelöst werden. Aufgrund ihres hohen Anteils am täglichen Devisenhandel ist eine Verstärkung von Wechselkursbewegungen zu erwarten, wodurch es zu so genannten „runs", d.h. länger anhaltenden Bewegungen in die eine und anschließend in die andere Richtung kommt. Aus den diskutierten Argumenten zur Entwicklung und zur Höhe des Wechselkurses lassen sich zwei wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Erstens erscheint es praktisch unmöglich, ein fundamental gerechtfertigtes gleichgewichtiges Wechselkursniveau des Euro gegenüber dem Dollar zu bestimmen. Zweitens sprechen einige, wenngleich nicht alle Argumente dafür, dass der vor einigen Wochen beobachtete Wert des Euro um 0,90 $/€ durch Chartisten mitT bestimmt wurde, so dass dieser Wert ein, gemessen an der tatsächlichen und möglicherweise erwarteten Entwicklung der Fundamentalfaktoren, zu geringes Wechselkursniveau darstellte. Schließt man sich dieser Ansicht an, so stellt sich die Frage, ob die Wirtschaftspolitik hierüber besorgt sein sollte. Die Antwort hängt von der Fristigkeit der Abweichung von einem als fundamental gerechtfertigt angesehenen Kursniveau ab. Solange die Abweichungen von kurzfristiger Natur sind, ist dies ohne größere ökonomische Bedeutung. Unternehmen auf den Export- und Importgütermärkten könnten sich durch Kurssicherungsgeschäfte vor den Folgen der Schwankungen schützen. Für längerfristige Investitionen ergäben sich ohnehin keine Nachteile bei nur kurzfristigen Abweichungen. Problematischer ist der Fall, wenn eine solche Bewegung weg vom längerfristigen Gleichgewicht längere Zeit anhält, mithin jene Situation vorliegt, die man als Misalignment des Wechselkurses bezeichnet. Dieses kann bei einem Umfang von 20% und mehr durchaus nachteilige Wirkungen für einige Unternehmen haben, da der Außenhandel verzerrt und Investitionsentscheidungen beeinträchtigt werden. Insofern entstehen gesamtwirtschaftliche Kosten. Ob währungspolitische Alternativen zu einem System, in dem die Wechselkursbildung den Marktkräften überlassen wird, daher vorzuziehen sind, hängt davon ab, ob diese Alternativen mit geringeren Kosten verbunden sind. Insofern ist nicht allein schon die Existenz der beschriebenen Kosten Grund genug für eine Änderung der Währungsordnung. Alternative Währungssysteme überlegen? Stellt man nun die Frage, ob alternative Währungssysteme dem bestehenden überlegen sind, sei zunächst an die Konzeption der „impossible trinity" erinnert, derzufolge die drei Ziele Wechselkursstabilität, Autonomie der Geldpolitik und freier internationaler Zahlungsverkehr nicht gleichzeitig zu erreichen sind. Räumt man den Zielen Wechselkursstabilität und Freiheit des internationalen Zahlungsverkehrs die höchste Priorität ein, gelangt man zu einem System ähnlich des Goldstandards, in dem möglicherweise erhebliche Abstriche bei der Autonomie der Geldpolitik gemacht werden müssen, da sich die inländische Geldmenge bei erforderlichen IntervenWIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI ZEITGESPRÄCH tionen am Devisenmarkt verändert. Eine starke Betonung der Ziele Wechselkursstabilität und Autonomie der Geldpolitik zur Verfolgung binnenwirtschaftlicher Ziele (hoher Beschäftigungsstand und/oder Preisniveaustabilität) impliziert dagegen eine Währungsordnung ähnlich dem des BrettonWoods-Systems, in dem unter Umständen Abstriche bei der Konvertibilität gemacht werden müssen. Betont man allerdings die Ziele Autonomie der Geldpolitik sowie Freiheit des internationalen Zahlungsverkehrs, so führt dies zu einem System freier Wechselkurse. Dies bedingt dann allerdings in der Reinform eines flexiblen Wechselkurssystems auch, dass jene Wechselkurse akzeptiert werden, welche sich durch die Marktkräfte einstellen. Übertragen auf den Euro folgt hieraus, dass die Verfolgung eines bestimmten Wechselkurszieles, die mit der Kritik an der Eurokursentwicklung letztlich verbunden ist, eine stärkere Prioritätsverlagerung innerhalb der EWU entweder weg von der Autonomie der Geldpolitik oder der Freiheit des internationalen Zahlungsverkehrs bedingt. Es scheint allerdings, als ob die Kritiker der Eurokursentwicklung den durch die „impossible trinity" beschriebenen Zielkonflikt übersehen, da sie in aller Regel nicht deutlich machen, welches der beiden anderen Ziele untergeordnet werden soll. Realistischerweise ist auszuschließen, dass es in absehbarer Zeit zu einem System fester Wechselkurse zwischen den drei wichtigsten Haupthandelswährungen der Welt, Dollar, Euro und Yen, kommt. Hierfür müssten sich die wirtschaftspolitischen Prioritäten so stark in Richtung der Verfolgung außenwirtschaftlicher Stabilität verlagern, dass damit nicht WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI gerechnet werden kann. Dies ist der Fall, weil die beteiligten Länder vergleichsweise hohe Nachteile bzw. Kosten mit anderen Währungssystemen verbinden. Die USA müssten einem Aufwertungsdruck des Dollar mit Devisenankäufen entgegnen, so dass die Geldmenge in den USA zunimmt und es letztlich zu einem Inflationsanstieg käme, mit dem gesamtwirtschaftlich nicht zu unterschätzende Kosten verbunden wären. In Europa müsste die EZB Währungsreserven verkaufen und damit eine Reduktion der Geldmenge zulassen, was einen kräftigen Zinsanstieg mit entsprechenden konjunkturellen Folgen nach sich ziehen würde. Dies würde ebenfalls zu gesamtwirtschaftlichen Kosten führen. Aus ähnlichen Überlegungen ist eine Art Goldstandard für die großen Handelswährungen ebenfalls auszuschließen. Welche Problematik mit traditionellen Festkurssystemen verbunden ist, haben im übrigen die Währungskrisen der 90er Jahre gezeigt. Sie sind praktisch ausnahmslos in Ländern aufgetreten, die ein Festkurssystem hatten. Darüber hinaus ließe sich argumentieren, dass die Kosten der Wechselkursschwankungen in einem System freier Wechselkurse für die EWU-Länder deutlich geringer sind als zuvor, da der Offenheitsgrad der EWU viel geringer ist als es jener der einzelnen EWUMitgliedsländer vor Errichtung der EWU war. Insofern sind mit Wechselkursschwankungen erheblich geringere Kosten für die EWULänder verbunden als mit vergleichbaren Schwankungen in der Vergangenheit. Diese Überlegungen schließen nicht aus, dass es für kleinere Länder im Weltwährungssystem vorteilhaft sein kann, ihre Währungen an eine große, stabile Währung zu binden. Dies erfordert weniger Koordinierung, weil es sich um eine einseitige Bindung handelt und dem Nachteil der Aufgabe der geldpolitischen Souveränität, der Vorteil des Stabilitätsimports gegenübersteht. Gleichwohl muss die Bindung glaubwürdig sein, weil ansonsten Gefahren von spekulativen Attacken bestehen. Dies legt es nahe, die Bindung so eng wie möglich, z.B. in Form eines „currency board", auszugestalten. Insofern scheinen für solche Länder ohnehin eine eindeutige Fixierung der Kurse oder ein Floating die einzigen nachhaltigen Alternativen darzustellen. Interventionen bei flexiblen Kursen Sind für das Gefüge zwischen Dollar, Euro und Yen grundlegende Veränderungen des Weltwährungssystems ausgeschlossen, so kann gefragt werden, ob es im Rahmen prinzipiell flexibler Wechselkurse Veränderungen gibt, die eine Verminderung der Wechselkursvolatilität und eines eventuellen Misalignments bewirken. Eine Möglichkeit bestünde in der Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Damit würde man aber wiederum eine Veränderung der Prioritäten der Regierungen und Zentralbanken in den beteiligten Ländern fordern. Gerade hierzu scheinen die Regierungen aber nicht bereit zu sein. Ein anderer Vorschlag besteht im Einsatz von Devisenmarktinterventionen der Zentralbanken. Um z.B. eine Schwäche der eigenen Währung zu beseitigen oder eine weitere Schwächung zu verhindern, sollte die Zentralbank Währungsreserven verkaufen. Voraussetzung für die Durchführung von Interventionen ist die Vorstellung eines Wechselkursziels oder zumindest einer Wechselkursziel- 341 ZEITGESPRÄCH zone. Ein solches Ziel würde sich an einem wie auch immer definierten gleichgewichtigen Wechselkurs ausrichten. In letzter Zeit scheinen eine Reihe von Politikern, Zentralbankvertretern und Ökonomen Interventionen zugunsten des Euro positiv gegenüberzustehen, obwohl aus ihren Äußerungen eher kritische Töne hinsichtlich der Vorstellung eines Wechselkurszieles zu entnehmen sind. Dies erscheint jedoch inkonsistent. Es kann vermutet werden, dass die ablehnende Haltung gegenüber Wechselkurszielen die Schwierigkeit, den fundamentalen Gleichgewichtskurs zu bestimmen, reflektiert. Hält man dessen Berechnung jedoch für unmöglich, muss man konsequenterweise auch Interventionen ablehnen. Hält man seine Bestimmung dagegen für möglich, wären Interventionen nur dann sinnvoll, wenn davon ausgegangen werden kann, dass über Interventionen eine Wechselkursstabilisierung in die gewünschte Richtung möglich ist. Bei der Diskussion der Wirkungen von Devisenmarktinterventionen ist zwischen sterilisierten und nicht-sterilisierten Interventionen zu unterscheiden. Bei nicht-sterilisierten Interventionen lässt die Zentralbank jene Geldmengenänderungen zu, welche durch die Veränderung der Währungsreserven herbeigeführt werden. Würde die EZB den Euro durch solche Interventionen stützen, müsste sie Devisen verkaufen und es käme zu einer Kontraktion der Euro-Geldmenge. Daraufhin würden die Zinsen steigen, wodurch letztlich die Stärkung des Euro erfolgen würde. Wäre dieser Übertragungsmechanismus jedoch durch Interventionen intendiert, so könnte die gleiche Wirkung von kontraktiven geldpolitischen Maßnahmen ausgehen. Der Vorteil eines solchen kontraktiven geldpolitischen Ein342 griffs bestünde darin, dass auf eine Intervention verzichtet und somit einem Verlust von Währungsreserven vorgebeugt würde. Aufgrund der angeführten Überlegungen denken Befürworter von Interventionen meist an die sterilisierte Form. Hierbei würde die EZB bei einer Stützung des Euro durch Verkauf von Währungsreserven die entstehende Geldmengenreduktion durch eine parallele expansive Geldpolitik kompensieren. Die kontraktiven Geldmengeneffekte der Intervention würden so neutralisiert, die Geldmenge und der Zins blieben damit unverändert. Wenn von einem derartigen wirtschaftspolitischen Eingriff anhaltende Wirkungen auf den Wechselkurs ausgingen, so besäßen Zentralbanken neben der Geldpolitik ein zusätzliches Instrument. In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung ist allerdings umstritten, ob solche Interventionen den Wechselkurs beeinflussen können. Die bekannteste Veröffentlichung hierzu stammt von Kathryn Dominguez und Jeffrey Frankel aus dem Jahr 1993 („Does Foreign Exchange Intervention Work"). Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sterilisierte Interventionen den Wechselkurs nur unter ganz restriktiven Voraussetzungen beeinflussen können. Dazu gehört, dass sie als gemeinsame Aktion der beteiligten Zentralbanken erfolgen. Bezogen auf den Kurs des Euro gegenüber dem Dollar müsste also die amerikanische Zentralbank bereit sein, Interventionen zur Schwächung des Dollar durchzuführen. Hiervon ist aber momentan wohl kaum auszugehen, da dies die Konjunktur in den USA noch weiter anheizen würde. Fazit Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die mit dem Hinweis auf die deutliche Euroabwertung vorgetragene Hypothese, das internationale Weltwährungssystem bedürfe einer Änderung, sowohl unter theoretischen als auch empirischen Gesichtspunkten problematisch erscheint. Wechselkursschwankungen können nur dann reduziert werden, wenn die Regierungen der beteiligten Länder in ihrer Politik stärker die außenwirtschaftlichen Wirkungen beachten. Dies setzt eine Prioritätenverlagerung in der Wirtschaftspolitik voraus, die auch bedingt, dass die Verfolgung anderer Ziele, wie sie in der „impossible trinity" zum Ausdruck kommen, mehr in den Hintergrund tritt. Befürworter von Interventionen und Wechselkurszielen sollten deutlich machen, welches Ziel sie bereit sind zurückzustellen. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen währungspolitischen Optionen ist zu bedenken, dass die aus Schwankungen des Eurokurses entstehenden ökonomischen Kosten für Handel und Investitionen für die EWU als großem und vergleichsweise wenig offenem Währungsraum deutlich geringer sind, als dies für die einzelnen Mitgliedstaaten vor Errichtung der EWU der Fall war. Schließlich ist auch zu bedenken, dass jeder Eingriff in die Wechselkursbildung mit dem Problem der Bestimmung eines längerfristigen gleichgewichtigen Wechselkurses verbunden ist. Somit mag man zwar die Wechselkursschwankungen zwischen den großen Handelswährungen als nachteilig ansehen, man könnte aber gleichzeitig die Kosten, die das aktuelle System für die einzelnen Volkswirtschaften mit sich bringt, als geringer einschätzen als die Kosten der angebotenen währungspolitischen Alternativen. WIRTSCHAFTSDIENST 2000/VI