Beschäftigungsmöglichkeiten für gering Qualifizierte

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Dr. Horst Bärwald
Beschäftigungsmöglichkeiten für gering Qualifizierte
(Thesen als Arbeitsgrundlage für die branchenbezogenen
Untersuchungen im Projekt „Trendqualifikationen als Basis
zur Früherkennung von Qualifikationsentwicklungen“)
Mit dem Übergang zur postindustriellen Wissensgesellschaft verringert sich die Bedeutung
von Arbeit und Kapital als den einst bestimmenden Faktoren einer in erster Linie auf
stoffliche Umwandlungsprozesse orientierten Wirtschaft, während sich die nichtmateriellen
Größen Information und Wissen zur wichtigsten Ressource und unmittelbaren Produktivkraft
entwickeln. Wissenserwerb erhält damit einen deutlich höheren Stellenwert als in der
Vergangenheit. Dagegen führt Nichtwissen, das in erster Linie auf ungleiche Chancen beim
Zugang zu Wissen zurückzuführen ist, zwangsläufig ins soziale Abseits, weil es eine
Einordnung ins Arbeitsleben – unter Umständen auf Dauer – verhindert.
Es gehört zu den Wesensmerkmalen der Wissensgesellschaft, dass der Bedarf an
Beschäftigten mit geringer Qualifikation immer mehr abnimmt. Dieser Trend ist bereits seit
Jahren zu beobachten und wird auch in der Zukunft noch anhalten. Lag der Anteil der mit
Hilfstätigkeiten Beschäftigten in den alten Bundesländer 1985 noch bei 25,7 Prozent so
verringerte er sich bis 1995 auf 20,5 Prozent und wird nach einer IAB-Prognos-Projektion
2010 in Deutschland insgesamt voraussichtlich auf 15,1 Prozent zurückgehen (vgl. Tabelle).
Von den Bedarfsrückgängen sind die in Frage kommenden Tätigkeitsbereiche in
unterschiedlichem Maße betroffen. Während der Bedeutungsverlust von Hilfstätigkeiten in
den Bereichen „Gewinnen/Herstellen“, „Büro“, „Reinigen/Bewirten“ besonders gravierend ist,
fällt er im logistischen Bereich („Lager/Transport“) geringer aus, und im Bereich „Handel“ ist
sogar ein leicht zunehmender Bedarf zu verzeichnen, der in erster Linie auf die dort noch
immer anhaltende Tendenz zurückzuführen ist, dass ausgebildetes Personal vielfach nur als
Kostenfaktor betrachtet wird und deshalb vorrangig unausgebildete bzw. angelernte Kräfte
eingestellt werden. Aber auch der sichtbare Bedeutungszuwachs des Versandhandels
(darunter auch in Gestalt des internetgestützten Home-Shoping) begünstigt einen solchen
Trend.
Generell ist anzunehmen, dass aufgrund technologisch-organisatorischer Neuerungen
einerseits immer wieder traditionelle Beschäftigungsmöglichkeiten für gering Qualifizierte
wegfallen, andererseits aber auch neue Betätigungsfelder für diesen Personenkreis
entstehen können. Diese werden allerdings stets nur eine begrenzte „Lebensdauer“ haben,
weil sie in der Regel sehr rasch durch neuerliche Rationalisierungsmaßnahmen substituiert
werden. Das bedeutet: Sowohl Bedarfsrückgänge als auch –zuwächse an gering
Qualifizierten
sind
letztlich
auf
technologisch-organisatorisch
bedingte
Rationalisierungseffekte zurückzuführen.
Gegenwärtig sind offensichtlich mehrere grundlegende Trends wirksam: Erstens ein
genereller Rückgang des Bedarfs an einfachen Hilfstätigkeiten, zweitens eine Verkürzung
der „Lebenszyklen“ konkreter Beschäftigungsfelder für gering Qualifizierte und drittens ist
auch für Hilfstätigkeiten in der Regel ein höheres „Mindestmaß“ an Qualifikation erforderlich
als in der Vergangenheit.
Im einzelnen bedeutet das: Gering Qualifizierte benötigen zum einen auf Grund des
Bedarfsrückganges eine „Aufwärtsmobilität“, die ihre Einsatzmöglichkeiten erweitert und
ihnen damit bessere Arbeitsmarktchancen, eventuell oberhalb geringfügiger Qualifikationen,
ermöglicht. Zum anderen brauchen sie aber auch eine ausgeprägte „Wechselmobilität“, die
es ihnen gestattet, sich flexibel auf immer neue Tätigkeitsfelder mit geringen
Qualifikationsanforderungen einzustellen. Erreichbar erscheint letzteres durch Einbeziehung
des in Frage kommenden Personenkreises in kurze, eventuell modular gestaltete und sehr
spezifisch
am
konkreten
Bedarf
orientierte,
in
der
Regel
betriebliche,
Qualifizierungsmaßnahmen.
Längerfristig wird es notwendig sein, auch denen, für die sich der Wissenserwerb aufgrund
ihrer persönlichen Veranlagung oder ihres sozialen Standortes besonders schwierig
gestaltet, die entsprechenden Zugänge zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Dazu sind
weiterführende Überlegungen erforderlich, die auch den Bereich der allgemeinbildenden
Schulen (vor allem, was die Auswahl der notwendigen Lernstoffe und methodische Fragen
der Wissensvermittlung angeht) mit einbeziehen.
Mögliche neue Beschäftigungsfelder für gering Qualifizierte und der in diesem
Zusammenhang erforderliche Qualifikationsbedarf könnten prinzipiell in allen Branchen
entstehen. Deshalb werden in den Gesprächen mit Trendsettern und Schlüssellieferanten
neben möglichen Trendqualifikationen höherer Wertigkeit – wenn möglich – stets auch
eventuelle Einsatzfelder für Personen mit geringer Qualifikation herausgearbeitet.
Erwerbstätige (ohne Auszubildende), die Hilfstätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen ausüben, nach Tätigkeitsbereichen 1985 bis 2010
(jeweils Anteil an allen Erwerbstätigen in Prozent)
Alte Bundesländer
Neue Bundesländer
Deutschland
1985 1991 1995 2000 2010 1991 1995 2000 2010 1991 1995 2000 2010
Gewinnen/Herstellen als
Hilfstätigkeit
8,3
7,1
6,8
5,9
4,9
3,6
5,4
4,8
4,4
6,5
6,5
5,7
4,8
Unqualifizierte
Handelstätigkeiten
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,1
1,2
1,2
1,2
1,3
1,4
1,4
1,5
Einfache Bürotätigkeiten
6,8
5,4
4,7
4,0
3,2
3,7
3,7
3,2
2,9
5,1
4,5
3,8
3,1
Reinigung/Bewirtung Hilfsfunktionen
4,1
3,3
2,9
2,6
2,5
2,6
1,8
1,7
1,7
3,1
2,7
2,4
2,3
Lager-/Transporttätigk. Hilfsfunktionen
5,3
5,0
4,7
4,3
3,6
3,0
3,3
3,1
2,7
4,6
4,4
4,1
3,4
Insgesamt
Quelle:
25,7 22,1 20,5 18,3 15,8 14,0 15,4 14,0 12,9 20,6 19,5 17,4 15,1
Zusammengestellt nach: Weidig, I./Hofer, P./Wolff, H.: Arbeitslandschaft der Zukunft. Quantitative Projektion der Tätigkeiten,
BeitrAB 213, Nürnberg 1998, S. 127.
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