Vizepräsidentin Frau Dr

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Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite Beratung
Entwurf Hochschulmedizingesetz (HMG LSA)
Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1842
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft - Drs. 4/2262
Änderungsanträge der Fraktion der SPD - Drs. 4/2279, 4/2280, 4/2281, 4/2282, 4/2283,
4/2284, 4/2285 und 4/2286
Die erste Beratung fand in der 48. Sitzung des Landtages am 15. Oktober 2004 statt.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Dr. Schellenberger. Bitte sehr.
Herr Dr. Schellenberger, Berichterstatter des Ausschusses für Bildung und
Wissenschaft:
Danke sehr. - Sehr geehrte Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entwurf
Hochschulmedizingesetz, Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 4/1842 - wir haben
es gerade gehört -, in den Landtag am 15. Oktober 2004 eingebracht und an die Ausschüsse
für Bildung und Wissenschaft federführend und zur Mitberatung an die Ausschüsse für
Gesundheit und Soziales sowie für Finanzen überwiesen.
Wir haben uns im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft in der Sitzung am 10. November
2004 darauf verständigt, Anfang des Jahres 2005 ein Kolloquium durchzuführen, und zwar
mit externen Sachverständigen, um die Aspekte und Möglichkeiten des Gesetzentwurfes zu
erörtern, und darüber hinaus zusätzlich noch eine Anhörung durchzuführen.
Mit Unterstützung des Kultusministeriums - hierfür noch einmal herzlichen Dank - konnte das
Kolloquium mit hochkarätigen Experten als Referenten in der Leucorea in Wittenberg im
Januar dieses Jahres durchgeführt werden. Die Experten hielten Referate zu unterschiedlichen
Themenkomplexen, zum Beispiel zur Struktur der Hochschulmedizin, zum Personalrecht in
der Hochschulmedizin, zu Finanzierungsproblemen zwischen medizinischer Fakultät und
Universitätsklinikum und zum Numerus-clausus-Fach Medizin.
An der ganztägigen Veranstaltung nahmen neben Vertretern der Landesregierung auch
Mitglieder der mitberatenden Ausschüsse - die habe ich gerade erwähnt - teil, ebenso
zahlreiche Vertreter der Leitungen der Universitäten, von den medizinischen Fakultäten und
von den Universitätsklinika aus Halle und aus Magdeburg und auch Vertreter der Personalräte
der Universitätskliniken, der Gesamtpersonalräte und des allgemeinen Hauptpersonalrats
beim Kultusministerium. Sie alle hatten die Möglichkeit und nutzten diese auch, im
Anschluss an die Vorträge in einer Podiumsdiskussion mit den Referenten ins Gespräch zu
kommen.
Der weitere Fortlauf: Wir haben dann am 2. Februar 2005 eine Anhörung durchgeführt, eine
sehr umfangreiche Anhörung, zu der viele von den Vertretern, die ich gerade genannt habe,
wiederum eingeladen worden sind. Zusätzlich waren eingeladen die
Gleichstellungsbeauftragten, Studienräte der medizinischen Fakultäten sowie Vertreter der
Gewerkschaften, Kassen, Ärzteverbände und Personalräte - alle waren sie eingeladen.
Am 2. Februar 2005 hat der GBD dem Ausschuss eine umfangreiche Stellungnahme zu dem
Gesetzentwurf vorgelegt. Das Kultusministerium nahm die Bitte des Ausschusses nach
Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf und übermittelte im Vorfeld der Sitzung am
9. März 2005 ein diesbezügliches Schreiben.
In der Sitzung am 9. März 2005 wurden das Kultusministerium und der GBD vom Ausschuss
gebeten, die Position des GBD in dessen Stellungnahme vom 2. Februar 2005 zu erörtern und
nach Möglichkeit zu abgestimmten Vorschlägen zu kommen.
Es erfolgten hierauf Abstimmungsgespräche zwischen dem Kultusministerium und dem GBD
und dem Ausschuss ging ein Papier zu, in dem synoptisch dargestellt wurde, zu welchen
Positionen des GBD eine Einigung festgestellt werden konnte, zu welchen Positionen
weiterhin unterschiedliche Auffassungen bestanden und an welchen Stellen übereinstimmend
neue Formulierungen vorgeschlagen wurden.
Das Kultusministerium hat dem Ausschuss auf dessen Wunsch hin dieses Arbeitsmaterial zur
Verfügung gestellt. Es gab auch noch Änderungsvorstellungen der medizinischen Fakultäten,
der GEW und des GBD. Diese Anregungen wurden uns in einem Papier in synoptischer Form
zur Verfügung gestellt, sodass wir eine gute Arbeitsgrundlage hatten.
Es ging weiter am 6. April 2005. Wir haben an diesem Tag die erste tiefere Beratung nach der
Anhörung durchgeführt und uns über das weitere Verfahren verständigt.
In dem weiteren Verfahren war der nächste Termin der 4. Mai 2005. In dieser Sitzung gab es
eine ganze Menge Änderungsanträge, und zwar 68 an der Zahl. Diese Änderungsanträge
wurden entsprechend beraten und über diese wurde bei der Beschlussfassung abgestimmt. Im
Zuge der Abstimmung entstand eine geänderte Fassung des Gesetzentwurfes, die mit 7 : 6 : 0
Stimmen eine Mehrheit fand und als vorläufige Beschlussempfehlung an die beiden
mitberatenden Ausschüsse ging.
Wir hatten uns dann vorgenommen, am 8. Juni 2005 die abschließende Beratung
durchzuführen, aber aufgrund gewisser Differenzen in den mitberatenden Ausschüssen,
aufgrund terminlicher Verschiebungen kam es nicht dazu. Der Ausschuss für Bildung und
Wissenschaft hat dann eine Sondersitzung durchgeführt, um zu gewährleisten, dass Sie heute
über den Gesetzentwurf abstimmen können, aber die reguläre Sitzung am 8. Juni dieses Jahres
genutzt, um die Positionen noch einmal auszutauschen. In der Sondersitzung am 29. Juni
2005 ist dann über die restlichen Anträge und über die Beschlussempfehlung abgestimmt
worden.
Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat bei dieser Gelegenheit noch einige Hinweise
gegeben, die wir selbstverständlich gern aufgegriffen haben. Auf diese Weise ist eine
Beschlussempfehlung entstanden, die wesentliche Veränderungen beinhaltet. Ich verzichte
darauf, auf die einzelnen Paragrafen einzugehen. Diejenigen von Ihnen, die mit dem
Gesetzentwurf beschäftigt waren, wissen, was gemeint ist und wo Veränderungen
vorgenommen wurden. Zu guter Letzt wurde die Beschlussempfehlung im Ausschuss mit
7 : 6 : 0 Stimmen verabschiedet.
Unabhängig davon ist es uns bei diesem umfangreichen Gesamtwerk dennoch nicht gelungen,
zu 100 % sauber zu arbeiten. Ich möchte Sie deshalb bitten, eine Änderung einzutragen. In
§ 28 Abs. 2 Satz 1 muss nach der Angabe „§ 20 Abs. 1 Satz 4“ die Angabe „§ 25“ eingefügt
werden. Das ist eine kleine redaktionelle Änderung.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das habe ich immer gesagt!)
- Der Kultusminister hat das immer gesagt, aber an der entsprechenden Stelle hat er sich nicht
laut genug geäußert, sodass wir nicht darüber abgestimmt haben. Ich gehe davon aus, dass Sie
für diese kleine Änderung Verständnis haben.
Insgesamt bitte ich Sie im Namen des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, der
Beschlussempfehlung mit der kleinen Korrektur, die ich gerade erwähnt habe, Ihre
Zustimmung zu geben. - Ich danke für die grenzenlose Aufmerksamkeit.
(Beifall im ganzen Hause)
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Danke sehr, Herr Dr. Schellenberger, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung hat
der Kultusminister Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr.
Herr Prof. Dr. Olbertz, Kultusminister:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der zweiten Beratung dieses
Gesetzentwurfs schließen wir eine intensive Diskussion zu den Problemen und Perspektiven
der Hochschulmedizin in Sachsen-Anhalt ab. Sie stand unter dem Zeichen neuer
Qualitätsanforderungen an Forschung, Lehre und Krankenversorgung, aber auch wachsender
Finanzierungsengpässe im Zusammenhang mit der bevorstehenden Einführung von
Fallpauschalen. Damit ging es immer auch um die Frage, ob bzw. unter welchen
Voraussetzungen die beiden medizinischen Fakultäten bzw. Universitätsklinika im Land
erhalten werden können.
Von Anfang an war klar, dass dies nur durch neue wirtschaftliche Handlungsspielräume und
eine deutliche Straffung der Strukturen sowie einer wesentlich intensivierten Kooperation der
beiden Klinika untereinander möglich sein würde. Das sind die drei Kernanliegen des
Gesetzentwurfs.
Medizinische Fakultäten und die mit ihnen verbundenen Universitätsklinika als Einrichtungen
der medizinischen Maximalversorgung haben Aufgaben sowohl in Lehre und Forschung als
auch in der Krankenversorgung sowie in der ärztlichen Weiterbildung wahrzunehmen. Das ist
aber kein gleichschenkliges Dreieck, sondern die Klinika werden primär um der
medizinischen Forschung und Lehre willen betrieben. Lehre und Forschung müssen von den
Ländern finanziert werden, die Krankenversorgung dagegen muss sich weitgehend aus den
Erlösen selbst tragen.
Die seit Jahren fortbestehende Finanzknappheit sowohl für die Krankenversorgung als auch
für Forschung und Lehre hat in den letzten Jahre gerade die medizinische Forschung in eine
finanziell schwierige Situation gebracht. Die Universitätsklinika haben aufgrund ihrer hohen
Spezialisierung und der ständigen Entwicklung neuer Behandlungsmethoden deutlich höhere
Kosten zur Sicherung des von ihnen vorgehaltenen Leistungsspektrums zu tragen.
Für die Behandlung schwerster Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Herz-KreislaufProblemen oder neurologischer Erkrankungen, aber auch für Polytraumata nach schweren
Unfällen kommen häufig nur universitäre Zentren mit entsprechend hoher Fallzahl infrage.
Nur an Universitätskliniken kann die systematische Erforschung, Entwicklung und
Auswertung von Therapiekonzepten Erfolg versprechend stattfinden.
Mit der Einführung der DRGs sind in beträchtlichem Umfang Erlösreduzierungen zu
erwarten, denen die Klinika nur durch wettbewerbsfähige Strukturen und Arbeitsweisen
begegnen können. Erste Modellrechnungen unter der Annahme der bisherigen
Fallgruppenkataloge und der Patientenstruktur zeigen, dass sich die Klinika in SachsenAnhalt auf Erlöseinbußen von etwa 15 % einstellen müssen.
Die Handlungsmöglichkeiten, die den Universitätsklinika in ihrer derzeitigen Rechtsform,
geführt also wie ein Landesbetrieb nach § 26 LHO, zur Verfügung stehen, sind dafür
unzulänglich. Deshalb wurde nach sorgfältiger Abwägung und in Übereinstimmung mit der
Empfehlung der Arbeitsgruppe Hochschulstrukturen mit dem Gesetzentwurf die Rechtsform
der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts gewählt. Sie lässt aufgrund der strukturellen
Offenheit der Organisationsform Raum für ganz verschiedene interne Leitungsformen und
Regelungen, die ein Höchstmaß an Partizipation aufseiten der Nutzer und der Bediensteten
ermöglicht. Selbstverwaltungsrecht und Satzungsautonomie gehören zwar nicht zwingend
zum Begriff der öffentlichen Anstalt, beides kann ihr jedoch zur besseren Wahrnehmung ihrer
Aufgaben übertragen werden.
Die Gestaltung ihrer Binnenorganisation ist sehr variabel. Für die Universitätsklinika als
Anstalten des öffentlichen Rechts entsteht so eine Struktur, die es erlaubt, weitgehend die
Spielräume eines privatwirtschaftlich organisierten Unternehmens mit der öffentlichen
Verantwortung für die medizinische Forschung und Lehre zu verbinden. Genau darauf kam es
bei dieser Rechtsformänderung an. Ein ganz und gar privatisiertes Universitätsklinikum kann
Letzteres aus nahe liegenden Gründen nicht garantieren.
Daneben ist der Gesetzentwurf ein Beitrag zur Rechtsbereinigung: Dadurch werden eine
Verordnung und ein weiteres Gesetz aufgehoben und das Hochschulgesetz wird um
19 Paragrafen verkürzt.
Im Sinne einer erweiterten Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sollen den
Universitätskliniken künftig insbesondere folgende Kompetenzen und Zuständigkeiten
übertragen werden: Arbeitgeberfunktion, Bauherrenfunktion, die formal übrigens auch schon
im bestehenden Gesetz verankert war - ich will nicht verhehlen, dass ich mir bezüglich der
Nutzerrechte eine mutigere und konsequentere Lösung gewünscht hätte -,
Dienstherrenfunktion mit einer spürbar höheren Disponibilität und Flexibilität im
Personalmanagement einschließlich differenzierterer Vergütungen - denken wir nur einmal an
die viel zu niedrigeren Eingangsbesoldungen im Bereich des mittleren medizinischen
Personals, beispielsweise bei den Pflegekräften, oder denken wir an die enorm
eingeschränkten Spielräume einer differenzierten Vergütung im ärztlichen Bereich -, die
Kreditfähigkeit, das Prozessvertretungsrecht, das hauptamtliche Management - also bei Dekan
und ärztlichem Direktor -, die Trennung der Aufsichtsfunktionen von der operativen
Prozessgestaltung.
Mit den entsprechenden Regelungen nimmt das neue Gesetz übergreifende Entwicklungen
der Hochschulmedizin in Deutschland auf und berücksichtigt gleichzeitig die spezifischen
Gegebenheiten unseres Landes Sachsen-Anhalt. Diese Entwicklungen verlangen von den
Universitätsklinika und den Fakultäten eine weitgehend eigenverantwortliche und
vorausschauende Planung sowie selbständiges Handeln, um sich bei gleichzeitiger
Einbindung in die Krankenhausplanung dem regionalen, nationalen und internationalen
Wettbewerb stellen zu können.
Daneben soll die Medizin als ein für die wissenschaftliche Produktivität und Profilbildung der
gesamten Universität wichtiger Teilbereich nicht separiert werden, sondern sie muss
akademisch und organisatorisch eng in den Fachverbund der anderen Fächer der Universitäten
integriert sein. In allen akademischen Bereichen ist die Nutzung von Synergien und
Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Standorten der Medizin und anderen Disziplinen
der Universität Voraussetzung für die Erhöhung der Leistungen der medizinischen Fakultäten.
Dies gilt insbesondere, wenn man an den sich verschärfenden Wettbewerb denk.
Vor diesem Hintergrund fordert übrigens die Hochschulrektorenkonferenz zu Recht, dass das
Verhältnis zwischen Universitäts- und Klinikumsverwaltung nach dem Prinzip der
eingebundenen Souveränität definiert und so weit wie möglich entflochten werden muss. Die
notwendigen Strukturanpassungen in Verbindung mit neuen Leitungsformen und
Arbeitsweisen der Klinika sollen autonom und flexibel von den Klinikums - und
Fakultätsleitungen selbst verwirklicht werden können.
Erste Vorschläge, beispielsweise für neue Departmentstrukturen, liegen den Verwaltungsräten
schon vor. So sollen zum Beispiel aus den jeweils etwa 35 Einzelkliniken je zwölf Zentren an
den Standorten gebildet werden.
Das vorgeschlagene komplementäre Kooperationsmodell in Verbindung mit entsprechenden
Schwerpunktsetzungen ist ein originäres Konzept im Lande. Es soll unter Vermeidung von
Kostenunterdeckungen in der Krankenversorgung Qualitätsansprüche unter limitierten
Finanzzuweisungen für die Fakultäten aufrechterhalten und ausbauen.
Damit wird eine auf Kooperation und Nutzung von Synergien bedachte Nachbarschaft der
beiden medizinischen Fakultäten und Klinika möglich, ohne dass es zu unkalkulierbaren
Kostenaufwüchsen bei den Zuschüssen für Forschung und Lehre kommt. Dieses Modell wird
auch wesentlich die bevorstehenden Zielvereinbarungen zwischen dem Kultusministerium
und den Klinika tragen.
Im Ausschuss ist das Gesetz - es war nicht anders zu erwarten - kontrovers diskutiert worden,
aber stets auch konstruktiv. Eine ganze Reihe von Vorschlägen der Opposition hat dabei
Eingang in das Gesetz gefunden, auch wenn ich weiß, dass sie eigentlich einen anderen Weg
zu einem allerdings in weiten Teilen übereinstimmenden Ziel präferiert hatte.
Das neue Gesetz wird die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der beiden medizinischen
Fakultäten und der Universitätsklinika des Landes deutlich stärken. Das ist die
ausschlaggebende Voraussetzung für die Zukunftssicherung beider Einrichtungen. Deshalb
bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Danke, Herr Minister. - Für die PDS-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Sitte.
Frau Dr. Sitte (PDS):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie
unterschiedlich die Wahrnehmungen hinsichtlich der Notwendigkeit von Gesetzen sind. Die
Grundfrage lautet: Woraus ergab sich die Notwendigkeit für dieses Gesetz? Diese Frage stellt
sich sowohl im Hinblick auf Studium, Lehre und Forschung als auch auf die
Krankenversorgung, auf die Patienten und eben auch auf die Beschäftigten an den
Universitätsklinika und natürlich an den medizinischen Fakultäten.
Wenn man das hört, was der Minister hier erzählt hat, dann gewinnt man als Außenstehender
den Eindruck: Mein Gott, was haben die denn bisher gemacht? Es muss eine Katastrophe
gewesen sein, wie die gearbeitet haben, deshalb muss man jetzt das Gesetz erlassen.
(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)
Ich möchte aber sagen, dass Sie in Ihrer Rede nach wie vor den Beweis dafür schuldig
geblieben sind, dass dieses Gesetzt jetzt wirklich notwendig ist. Es fehlt nämlich nach wie vor
die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.
Ich möchte etwas zu der Frage des Änderungsdrucks sagen, und zwar aus zwei Perspektiven.
Die erste Perspektive: Ist der Änderungsdruck aus den Einrichtungen selbst heraus
entstanden? - Ich sage, die Einrichtungen selbst haben diesen Änderungsdruck nicht
artikuliert. Im Gegenteil: Sie haben von Anfang an - die Gesetzesvorhaben sind immerhin drei
Jahre alt - vor diesem Schritt gewarnt, und zwar unter zwei Gesichtspunkten.
Erstens gehören unsere beiden Einrichtungen zu denen, die immer noch schwarze Zahlen
schreiben, und zwar bevor sie umgewandelt worden sind. In der Bundesrepublik Deutschland
gibt es 35 Universitätsklinika, von denen die Mehrzahl überführt worden ist. Davon stehen
15 Universitätsklinika heute vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Das heißt also, aus
dieser Situation heraus ergäbe sich kein Änderungsdruck; es besteht auch kein
betriebswirtschaftlicher Druck.
Allerdings hat es durchaus ein paar Protagonisten gegeben, und zwar jene, die vor allem eine
Variable einführen wollten, sie wollten nämlich die Personalkosten senken. Die
Personalkosten sollen vor allem über veränderte tarifvertragliche Regelungen gesenkt werden.
Nun kann man sich für die Einführung von leistungsorientierter Bezahlung einsetzen. Das ist
okay - ich bin auch sehr dafür -, wenn die Erfahrung in den anderen Ländern tatsächlich
darauf hinausliefe, dass die Leute für mehr Leistung mehr Geld bekommen. Fakt ist aber in
den Ländern: mehr Leistung, weniger Geld, schlechtere Tarifabschlüsse. In den Einrichtungen
selbst gibt es zum Teil vier Tarifebenen: Chefarztverträge, Einzelverträge usw.
Dazu sage ich wiederum: Das ist natürlich ganz schwer zu verarbeiten, insbesondere
hinsichtlich der Motivation. Die Leute vergleichen sich nun einmal untereinander. Deshalb
sind verschiedene Tarifkreise an einer Einrichtung äußerst problematisch.
Wo gab es also Änderungsdruck? - Er kam aus der ministerialen Ebene. Cosi fan tutte, kann
ich da nur sagen, weil es alle anderen Länder machen, machen wir es jetzt auch.
(Frau Kachel, SPD, lacht)
Also brauchen wir auch die Anstalt öffentlichen Rechts; denn Sachsen-Anhalt will dabei in
nichts nachstehen.
(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)
Das Bemerkenswerte an dieser ganzen Debatte ist, dass am Anfang der Diskussion nie
wirklich geschaut worden ist, von welcher Position wir eigentlich starten. Das alte Gesetz ist
im Jahr 1997 erlassen worden. Es war damals eines der modernsten der Bundesrepublik
Deutschland. Es hat noch heute viele positive Wirkungen. Es beinhaltet noch heute viele
Punkte, die sich jetzt in diesem Gesetz wiederfinden, weil sie sinnvoll sind, die aber nicht den
Druck erhöht haben, dieses Gesetz jetzt wirklich zu verabschieden. Selbst der
Wissenschaftsrat - der Vertreter hat das hier sehr deutlich gemacht - hat diesen Vergleich
nicht wirklich vorgenommen.
Deshalb, sage ich, wäre dieses Gesetz viel besser zu beraten gewesen, wenn wir uns,
verdammt noch mal, die Mühe gemacht hätten, diese unterschiedlichen Ausgangspositionen
bei dem Vergleich mit anderen Ländern festzuhalten und zu substantiieren.
(Beifall bei der PDS)
Auch hierbei fehlt der Wirtschaftlichkeitsvergleich. Meine Kollegin Frau Weiher hat mir
eines extra mit auf den Weg gegeben: Kritisiere, dass die Landeshaushaltsordnung ausgesetzt
worden ist. Aber wenn man ein solches Gesetz mit einer solchen betriebswirtschaftlichen
Dimension - jedenfalls wird das behauptet - erlässt, dann gehört vorab doch erst recht ein
Wirtschaftlichkeitsvergleich dazu. Bei jeder anderen Entscheidung in dieser Dimension wird
das von den Einrichtungen gefordert.
Es hat natürlich eine lange außerparlamentarische Vorgeschichte gegeben. Es sind zahlreiche
Entwürfe gemacht worden, es sind Stellungnahmen erarbeitet worden, dann sind die Entwürfe
wieder zurückgekommen, die Stellungnahmen sind gar nicht verarbeitet worden. Daraufhin
haben sich die Leute gefragt: Himmelherrgott, haben sie es denn überhaupt gelesen? Dann
haben sie wieder Personalversammlungen gemacht.
Nichts ist dabei herausgekommen, bis der Ministerpräsident vor der ersten Lesung
interveniert hat und gesagt hat, es müsse doch endlich Rücksicht auf die Hauptkritikpunkte
der Klinika genommen werden. Das ist dann geschehen. Insofern waren zumindest an diesem
Punkt Fortschritte zu erkennen.
Ich glaube, dass die vergleichsweise kurze parlamentarische Geschichte nicht gereicht hat, um
die Unklarheiten wirklich zu beseitigen.
(Herr Dr. Volk, FDP: Das waren acht Monate!)
- Acht Monate heißt nicht, dass wir acht Monate lang wirklich beraten haben. Nicht dass Sie
auf den Tribünen denken, wir hätten acht Monate lang darüber beraten. Nein, nein, so ist es
nicht.
(Heiterkeit bei der PDS und bei der FDP)
Der Umstand, dass es 68 Änderungsanträge gab, sagt auch nichts über deren Qualität aus und
er sagt vor allem nichts darüber aus, ob sie denn auch angenommen worden sind.
Somit bleibt festzustellen, dass das Klageersuchen der GEW gemeinsam mit dem Personalrat
der Universitätsklinik in Halle absolut berechtigt ist. Denn der wesentliche Punkt ist nicht, ob
die Personalräte angehört worden sind, sondern es geht darum, ob ihre Fragen und
Kritikpunkte berücksichtigt worden sind. Ihre Fragen sind nämlich nicht beantwortet worden.
Das jedoch verlangt die EU-Richtlinie bei Fragen zur wirtschaftlichen Perspektive, zur
künftigen Beschäftigtenstruktur, zu Zuordnungsfragen.
Was wird mit meinem Arbeitsvertrag, wenn er alt ist bzw. wenn er neu ist? Wie gestaltet sich
die Arbeitsorganisation an meiner Einrichtung? Welche Zukunft hat der Tarifvertrag? All das
ist nicht wirklich erklärt worden. Bis heute wissen die Personalräte nicht wirklich, in welche
Strukturen zu wählen ist.
(Frau Mittendorf, SPD: Das stimmt!)
Deshalb ist diese Klage bzw. dieses personalrechtliche Beschlussverfahren durchaus
berechtigt.
An dieser Stelle sage ich: Betrachtet man die Fragen, die Sie unter dem Blickwinkel der
Ausweitung des betriebswirtschaftlichen Handlungsspielraums erläutert haben, und legt man
beide Gesetze nebeneinander, dann kommt nicht wirklich ein effektiver Fortschritt heraus.
Dann zeigt sich vielmehr, dass es viele zusätzliche Probleme, viele zusätzliche Kosten geben
wird, dass es Unruhe geben wird, dass uns unter Umständen noch mehr Leute weglaufen und
dass der Hauptteil der Beschäftigten, nämlich die Krankenschwestern und die Pfleger im
versorgenden Bereich, am Ende benachteiligt werden.
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Dr. Sitte.
Frau Dr. Sitte (PDS):
Jawohl. Ich habe an dieser Stelle meinen letzten Satz zu sagen. - Die offenen Probleme
werden jetzt sozusagen unterhalb des Gesetzes geklärt. Weil wir an dieser Stelle wiederum
keinen Einfluss darauf nehmen können und weil wir mit der Grundintention des Gesetzes
nicht einverstanden sind, werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Danke schön.
(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Ich möchte daran erinnern, dass auch bei freier Rede, wie wir sie vereinbart haben, die
Redezeitbegrenzung gilt.
(Heiterkeit bei der PDS und bei der FDP)
Bevor ich jetzt Herrn Dr. Volk von der FDP-Fraktion das Wort erteile, begrüße ich recht
herzlich Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegeschule der Paul-Gerhardt-Stiftung in
Wittenberg. Das passt zum Thema.
(Beifall im ganzen Hause)
Herr Dr. Volk, Sie haben das Wort.
Herr Dr. Volk (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute
das Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in der zweiten Lesung. Frau Dr. Sitte, wenn
Sie sich die Zeitabläufe der Diskussion, begonnen mit der Begutachtung durch die MeinholdKommission im Jahr 2003, glaube ich, über die Abstimmung im Kabinett bis hin zu der
achtmonatigen Beratung im parlamentarischen Raum ansehen, zeigt sich doch, wie
ambitioniert die Diskussion unter Einbeziehung von vielen Experten, aber auch unter
Einbeziehung der Beteiligten geführt wurde.
Mit dem Entwurf eines Hochschulmedizingesetzes soll auf sich verändernde Bedingungen in
der Krankenhausfinanzierung durch die Einführung der DRGs reagiert und zugleich die
Qualität der Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte in Sachsen-Anhalt gesichert und erhöht
werden. Wir gleichen hier nicht etwa ein vorhandenes Defizit aus - darin gebe ich Ihnen
Recht, Frau Dr. Sitte -, sondern wir handeln als Politiker mit der Intention, die Zukunft der
Universitätskliniken des Landes zu gestalten.
(Zustimmung bei der FDP)
Lassen Sie mich deshalb zum Ausgangpunkt der Diskussion zurückkommen, nämlich zu der
Frage: Wie kann Sachsen-Anhalt sein universitäres Ausbildungsangebot im medizinischen
Bereich verbessern? Es handelt sich um ein Angebot, das sich durch die Verbindung der
medizinischen Fakultäten der Universitäten mit den ihnen zugeordneten Kliniken der
medizinischen Maximalversorgung auszeichnet. Diese Verbindung stellt die notwendige
praktische Ausbildung der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte sicher und gewährleistet für die
Universitäten die notwendige Einheit von Forschung und Lehre.
Die Finanzierung erfolgt zum einen über einen Landeszuschuss für Lehre und Forschung zur
Finanzierung der medizinischen Fakultäten und zum anderen - das ist das Besondere - über
erbrachte medizinische Leistungen über die Krankenkassen. Gerade hier stellt der Übergang
zur fallbezogenen Abrechnung, den so genannten DRGs, insbesondere unter dem
Gesichtspunkt der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Ausformung hoch
differenzierter medizinischer Angebote, wie sie die Universitätskliniken unterbreiten müssen,
eine große Herausforderung dar.
Die Frage, vor der wir in Sachsen-Anhalt an vielen Stellen stehen, ist: Wie können wir bei
einem begrenzten Finanzrahmen die hohe Qualität halten oder noch steigern? Konkret: Wie
viele Universitätskliniken kann Sachsen-Anhalt finanziell tragen? Wie kann das sächliche und
personelle Ausstattungsniveau der Lehrstühle, das im bundesweiten Vergleich ungenügend
ist, verbessert werden? Welche Rechtsform sichert in Zukunft die beste Entwicklung der
Kliniken - der Landesbetrieb, die Anstalt öffentlichen Rechts oder die Privatisierung?
Sie können sicherlich nachvollziehen, dass die Standpunkte der an der Diskussion Beteiligten
so unterschiedlich sind wie die Ansätze. Hinzu kam - das musste ich auch feststellen -, dass
sich im Laufe der Diskussion die Standpunkte verändert haben.
Während die Notwendigkeit einer Veränderung von vielen, auch von einigen Fraktionen hier
im Landtag, gesehen wird, werden die Konsequenzen sehr unterschiedlich bewertet. Die FDP-
Fraktion stimmt dem in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Weg zu und sieht die Wahl der
Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts als die richtige Entscheidung an.
Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf wird der Artikel 2 aus dem Gesetz zur
Entwicklung der medizinischen Fachbereiche des Landes herausgelöst und in ein
selbständiges Gesetz gegossen. Dahinter verbirgt sich neben einer gewissen Symbolik auch
eine neue Qualität. Das Land Sachsen-Anhalt wird in Zukunft zwei Universitätsklinika, die
Universitätsklinik Halle und die Universitätsklinik Magdeburg, zu Anstalten öffentlichen
Rechts formen, die das Land perspektivisch als Gewährsträger sichert. Die Kliniken werden
als Krankenhäuser der Maximalversorgung in eine weitgehende Selbständigkeit überführt, die
es ihnen gestattet, ihren Auftrag, der in § 8 des Gesetzentwurfes formuliert ist, in größerer
Eigenverantwortung zu erfüllen. Nur dieser in dem Gesetzentwurf formulierte Auftrag, den
Universitäten zur Erfüllung der medizinischen Forschung und Lehre zu dienen, rechtfertigt
letztlich ihren Bestand.
Die beiden medizinischen Fakultäten des Landes als integraler Bestandteil einer Universität,
der Universität Halle bzw. der Universität Magdeburg, werden unter Abstimmung einer
gemeinsamen Kommission in der Zukunft miteinander kooperieren, um komplementäre
Angebote zu erarbeiten. Sie sollen Synergieeffekte erzeugen, um die Finanzierung der
Hochschulmedizin in Sachsen-Anhalt relativ zu verbessern und somit die Hochschulmedizin
Sachsen-Anhalts im Standortwettbewerb zu stärken.
Die Formung der Anstalten öffentlichen Rechts setzt voraus, dass den Leitungsgremien
genügend Kompetenzen übertragen werden und zugleich die Aufsichtsfunktion des Landes,
das als Gewährsträger der Anstalt öffentlichen Rechts fungiert, gesichert ist.
Zugleich war es ein Ziel, die Anstalten mit Rechten auszustatten, die über die des
Landesbetriebes hinausgehen. Dieses Ziel ist nicht vollständig zu erreichen gewesen. Das ist
der Tatsache geschuldet, dass auch eine Anstalt öffentlichen Rechts ein Landesunternehmen
bleibt. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, dass es unser Wille ist, den Kliniken
untergesetzlich größtmögliche Freiheiten im Bau- und Liegenschaftsmanagement
einzuräumen.
Einen wichtigen Diskussionspunkt stellt die Überführung des Personals in die in Zukunft
kooperierenden Kliniken und medizinischen Fakultäten dar. Mir ist wohl bewusst, dass
organisatorische Veränderungen, vor allem solche, die viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
betreffen, auch zu Verunsicherungen und Ängsten führen. Deshalb waren die
Personalvertretungen immer mit einbezogen. Wir haben das Gespräch stets gesucht: mit dem
Hauptpersonalrat, mit den Personalvertretungen in den medizinischen Fakultäten und mit
Vertretern von Statusgruppen.
Zur Steuerung der Übergangsphase sind in dem Gesetzentwurf eine Reihe von
Übergangsregelungen formuliert worden. Jeder Mitarbeiter wird vor der Gründung der
Anstalt darüber informiert, ob er an der Klinik oder an der medizinischen Fakultät tätig sein
wird. Die Tarifverträge gelten so lange fort, bis die Tarifpartner gemeinsam veränderte
Lösungen gefunden haben oder anstreben. Meine Damen und Herren! Wenn Personalräte
unter der Federführung der GEW Verunsicherung schüren, so rechne ich das der Kategorie
„Theaterdonner“ zu.
Vor acht Jahren standen die Universitätsklinika in Magdeburg und in Halle schon einmal in
einem Gesetzgebungsverfahren zur Diskussion. Mit dem im November 1996 beratenen und
im Januar 1997 beschlossenen Gesetz zur Entwicklung der medizinischen Fachbereiche des
Landes wurden die Universitätsklinika zu Landesbetrieben gemäß § 26 der
Landeshaushaltsordnung erhoben. Vieles, was in den damaligen Debatten ins „Feld“ geführt
wurde, könnte heute zugunsten des vorliegenden Gesetzentwurfs vorgebracht werden.
Ich bin der Überzeugung, so wie heute von allen über die damalige Überführung der Kliniken
in einen Landesbetrieb positiv gesprochen wird, so wird der vorliegende Gesetzentwurf in
einigen Jahren ebenfalls eine positive Wirkung entfalten und wird als richtige Entscheidung
für die Standortsicherung und Standortentwicklung unserer Universitätsklinika bewertet
werden. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Danke, Herr Dr. Volk. - Ich möchte anmerken, dass die Redezeit erst recht für die verlesenen
Beiträge gilt.
(Heiterkeit)
Frau Dr. Kuppe, Sie haben für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Dr. Kuppe (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die Hochschulen
unseres Landes stehen vor großen Herausforderungen. Faktoren wie die demografische
Entwicklung, die Entwicklung der Finanzausstattung oder die Standortprofilierung im
Zusammenhang mit dem Ausbau des europäischen Hochschulraums werfen ihre Schatten
voraus.
Für die Hochschulmedizin gelten darüber hinaus besondere, vor allem komplexere
Bedingungen. Hier muss bei allen Veränderungsprozessen zwingend die „Dreieinigkeit“ von
Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung berücksichtigt werden.
Mit dem Gesetz über die Entwicklung der medizinischen Fachbereiche hat Sachsen-Anhalt im
Jahr 1997 Neuland betreten und - wie Sie, Herr Tullner, es bei der ersten Lesung des
Gesetzentwurfes so schön formuliert haben - eine beachtliche innovative Lösung für die
Probleme der beiden Universitätskliniken gefunden.
In den vergangenen Jahren sind neue Anforderungen an die Hochschulmedizin gestellt
worden. Diese neuen Anforderungen verlangen erneut Antworten. Neue Aspekte sind dabei
zum Beispiel der zunehmende Konkurrenzdruck vor allem durch große, private Konzerne im
Krankenhausbereich, die Veränderungen in den Strukturen der medizinischen Versorgung
und die Einführung des neuen Vergütungssystems mit Fallpauschalen.
Nach der Ansicht der SPD-Fraktion müssen alle Gesetzesänderungen, die die
Hochschulmedizin betreffen, dazu dienen, dass die Universitätsklinika zeitnah, flexibel und
im Rahmen der ihnen übertragenen Budgets wirtschaftlich und effizient arbeiten können. Eine
Gesetzesänderung muss nach unserer Auffassung einen Zugewinn an Handlungsspielraum, an
Handlungsmöglichkeiten im Vergleich zur geltenden Rechtslage bringen. Deswegen waren
wir unterschiedlichen Lösungsansätzen gegenüber offen. Das betraf vor allem die Frage, in
welcher Rechtsform die Klinika in Zukunft organisiert sein sollen. Darauf möchte ich mich
im Folgenden konzentrieren.
Der Regierungsentwurf sieht eine Überführung der derzeitigen Landesbetriebe „de luxe“ in
Anstalten des öffentlich Rechts und damit eine Abtrennung des jeweiligen
Universitätsklinikums von der Hochschule vor. Sowohl das Kolloquium in Wittenberg als
auch die Anhörung zu dem Gesetzentwurf im Landtag brachten eine schier unübersehbare
Flut von Änderungsvorschlägen und -begehren durch die Fachleute und
Interessensvertretungen.
Weder bei diesen Veranstaltungen noch bei den Ausschussberatungen zum
Hochschulmedizingesetz konnte von irgendeiner Seite belegt werden, dass die Herauslösung
der Universitätsklinika aus dem Gesamtverbund der jeweiligen Hochschule und die Änderung
ihrer Rechtsform die Flexibilität oder die Entscheidungsfähigkeit der Klinika signifikant oder
gar alternativlos erhöht und dauerhaft kostensparend wirkt. Einen Variantenvergleich hat das
Kultusministerium auch nicht vorgelegt.
Wir sehen bei der Anstaltslösung für die Universitätsklinika insbesondere folgende
Schwachstellen:
Erstens. Der Verbund von Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung unter dem Dach
der Universität wird gelöst.
Zweitens. Es entsteht zusätzlicher bürokratischer Aufwand, um die Beziehung zwischen der
für Lehre und Forschung zuständigen medizinischen Fakultät und dem die
Krankenversorgung tragenden Klinikum zu regeln. Das Ministerium dirigiert noch an
verschiedenen Stellen zusätzlich hinein.
Drittens. Als Grundlage für einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Fakultät und dem
Klinikum muss eine Zuordnung des Personals erfolgen. Die Kriterien dafür sind absolut
unklar.
Viertens. Teile des Personals werden voraussichtlich finanziell oder hinsichtlich ihrer
Arbeitsbedingungen schlechter gestellt sein. Zusätzlich müssen die vor wenigen Wochen
durchgeführten Personalratswahlen in kurzer Zeit wiederholt werden. Dazu kommen jetzt
noch die anhängigen Klagen, die Schwierigkeiten bereiten.
Meine Damen und Herren! Eine Rechtsformänderung wirft demnach eher zusätzliche Fragen
und Probleme auf, als dass sie tatsächlich eine Lösung darstellt. Der Regierungsvorschlag
wirbelt unglaublich viel Staub auf. Er folgt aber nach meiner Einschätzung eher einer
modischen Linie und bietet keine ausreichend vertrauenserweckende Lösung an.
(Zustimmung bei der SPD)
Deswegen sind wir zu folgendem Ergebnis gekommen:
Erstens. Auch wir meinen, dass der Status quo nicht unverändert beibehalten werden sollte.
Zweitens. Ausgehend vom Theiss-Gutachten wollen wir der Gründung einer Anstalt des
öffentlichen Rechts die Ertüchtigung der Hochschulklinika als Landesbetriebe
entgegensetzen.
Drittens verfolgen wir das Ziel, die Hochschulmedizin im synergetischen Verbund mit den
Fakultäten, Fachbereichen und Zentren der Universitäten weiterzuentwickeln. Deswegen
stellen wir heute, meine Damen und Herren, noch einmal acht konzentrierte, ausgewählte
Änderungsanträge.
Wir sind davon überzeugt, dass mit unserem Lösungsansatz in Verbindung mit den
Zielvereinbarungen, die geschlossen werden, beide Standorte der Hochschulmedizin in
qualifizierter Form erhalten werden können und dass die Universitätsklinika mit unserem
Lösungsansatz auch die notwendigen Instrumente in die Hand bekommen, damit sie auf
Herausforderungen angemessen reagieren können. Die Beziehungen zur jeweiligen
medizinischen Fakultät und auch zur restlichen Universität lassen sich unbürokratisch
ausbauen. Damit werden Lehre und Forschung befördert und nicht behindert.
Ich denke, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden keinem unnötigen
bürokratischen Zuordnungsdruck ausgesetzt. Immerhin sind die Universitätsklinika mit rund
7 000 Beschäftigten jeweils der größte Betrieb in der Region, in den beiden großen Städten
unseres Landes.
Ein letzter Punkt. Innerhalb des synergetischen Verbundes können nach unserer Auffassung
neueste Forschungsergebnisse nicht nur zügig Eingang in die Lehre finden, sondern auch
aktuell und zeitnah zur Verbesserung der Krankenversorgung genutzt werden, beispielsweise
zur Qualifizierung der Hochleistungsmedizin. Damit kann man die Angebote für die
Bevölkerung verbessern. Das kann aber auch im Standortwettbewerb ausschlaggebend sein.
Deshalb, meine Damen und Herren, bitten wir um Zustimmung zu unseren acht
Änderungsanträgen. Wenn diese Änderungsanträge keine Mehrheit finden, dann wird die
SPD-Fraktion das Gesetz zur Hochschulmedizin ablehnen.
(Zustimmung bei der SPD - Oh! von der Regierungsbank - Zurufe von der CDU)
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Danke, Frau Dr. Kuppe. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Tullner sprechen.
Herr Tullner (CDU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier neigt sich, wie bei der
NordLB, ein langer und sehr mühevoller Weg - das gebe ich offen zu - einem
parlamentarischen Ende zu.
Frau Dr. Sitte, ich möchte gleich am Anfang mit einer Mähr aufräumen. Sie sagten, acht
Monate seien keine lange Zeit für Beratungen gewesen. Angesichts der unzähligen Sitzungen,
die die Ausschüsse und unsere Arbeitsgruppen absolviert haben, und der Gespräche, die wir
vor Ort geführt haben, sollte man bei der Wahrheit bleiben und wenigstens sagen: Wir haben
ordentlich, vernünftig und tiefgründig beraten. Das Gegenteil lassen wir uns nicht durch
plakative Äußerungen von den oberen Rängen nachsagen, Frau Dr. Sitte.
(Frau Dr. Sitte, PDS: Es waren drei Sitzungen!)
Zur Intention dieses Gesetzes. Es gab immer wieder die Frage, warum wir dieses Gesetz
machen. Sie haben es bereits gesagt, Frau Dr. Sitte. Ich will es noch einmal kurz erwähnen.
Der Wissenschaftsrat sagt: Von 35 Uniklinika sind 15 in ihrem Bestand gefährdet. Das Land
Hessen privatisiert gerade zwei Klinika, nachdem sie fusioniert haben. Genau das wollten wir
nicht. Das will ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen.
Ein weiterer Punkt. Die Einführung der DRGs - das haben Sie ein bisschen unter den Tisch
fallen lassen - gibt Anlass zu der Befürchtung, dass ein Defizit von 1 Milliarde € bei den
Klinika in Deutschland eintreten wird. All das ist genug Grund zum Handeln, wenn wir
Politik verantwortlich betreiben wollen und wenn wir den Gefahren, von denen wir wissen,
dass sie auf uns zukommen, begegnen wollen.
Deswegen haben wir gehandelt. Wir haben über den Gesetzentwurf und über die vorliegenden
Änderungsanträge beraten. Herr Dr. Volk und der Ausschussvorsitzende Herr
Dr. Schellenberger haben das sehr detailliert beschrieben.
Ich will Ihnen auch noch eines sagen: Uns ist natürlich bewusst, dass insbesondere vonseiten
der großen Personalkörper, die beide Klinika darstellen, der Intention des
Gesetzgebungsverfahrens ein großes Misstrauen entgegengebracht wird. Das wissen wir alle.
Wir wissen, dass es fast immer so ist, weil Veränderungen bei den Menschen stets mit der
Sorge einhergehen, was wird mit ihrem Arbeitsplatz, was ändert sich bei der
Vertragsgestaltung, bei der Bezahlung etc.
Ich denke aber, dass unsere Politik von der Verantwortung und von dem Wissen,
zukunftsfähiger zu werden, geprägt sein muss. Deswegen gehen wir diesen unbequemen Weg.
Wenn wir den bequemen Weg gewählt hätten, hätten wir nichts gemacht. Dann hätten wir
keine Unruhe produziert und es wäre alles so geblieben, wie es ist. Vielleicht hätten wir dann
noch zwei, drei Jahre so weiter gewurstelt.
Aber das kann nicht unser Anspruch sein. Deshalb haben wir das Gesetz gemacht. Es
entspricht sicherlich nicht in allen Punkten unseren Wünschen. Aber wir haben genau deshalb
die Revisionsklausel hineingeschrieben, damit wir uns nach drei Jahren noch einmal
anschauen, an welchen Stellen es gegebenenfalls Verbesserungsbedarf gibt, wo wir noch
einmal herangehen und was wir nacharbeiten müssen. Damit haben wir an dem Punkt auch
Vorsorge getroffen.
Wir werben um Ihr Vertrauen. Ich erinnere daran - Frau Dr. Kuppe hat es im Ausschuss
einmal gesagt -: Bei der Salus gGmbH gab es ähnliche Geschichten, was tarifliche
Änderungen angeht. Diesbezüglich hört man zumindest im Nachhinein keine Klagen - so will
ich es einmal formulieren -, im Gegenteil, ich habe mir sagen lassen, dass die Beschäftigten
dort sogar mit den neuen tariflichen Regelungen zufrieden sind. Es muss also Punktum nicht
alles immer nur schlechter werden.
Ein Stichwort sind die Personalräte. Die Zeitung hat das noch einmal beschrieben. Wir sehen
den anhängigen Klagen mit Respekt entgegen und werden das weiter verfolgen. Wir können
aber nicht immer auf anhängige Klagen Rücksicht nehmen und parlamentarische
Beratungsverfahren nur deshalb aussetzen, weil irgendjemand dagegen klagt. Meine Damen
und Herren, das wäre ein falsches Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Legislative
und Judikative.
Ich will noch eines sagen, weil die GEW das direkt angesprochen hat: Wir haben sehr intensiv
im Ausschuss und auch vor Ort mit den Personalräten gesprochen. Ich lasse nicht zu, dass
etwas anderes gesagt wird oder dass dem Ausschuss unterstellt wird, er sei ignorant gewesen.
Das weise ich strikt zurück, meine Damen und Herren. Das ist einfach unwahr.
(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)
In diesem Sinne möchte ich sagen: Die langen Beratungen neigen sich dem Ende zu. Wir
können nur darauf hoffen, dass das Hochschulmedizingesetz - die rote Lampe leuchtet - die
Wirkungen haben wird, die wir uns davon versprechen. Ich werbe deshalb um Zustimmung zu
dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU)
Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke:
Danke, Herr Abgeordneter Tullner. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das
Abstimmungsverfahren zu der Drs. 4/2262 ein.
Frau Dr. Kuppe, wünschen Sie, dass über Ihre Änderungsanträge jeweils bei den Paragrafen
abgestimmt wird oder können wir darüber zu Beginn insgesamt abstimmen? Das ist Ihre
Entscheidung.
(Frau Dr. Kuppe, SPD: Sie können darüber auch in der Gesamtheit abstimmen lassen!)
Dann stelle ich zunächst die Anträge der SPD-Fraktion in den Drs. 4/2279, 4/2280, 4/2281,
4/2282, 4/2283, 4/2284, 4/2285 und 4/2286 zur Abstimmung. Wer diesen Änderungsanträgen
zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist
dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit sind die Änderungsanträge abgelehnt
worden.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die selbständigen Bestimmungen in der Fassung
der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das
Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die
Oppositionsfraktionen. Damit sind die selbständigen Bestimmungen so beschlossen worden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Abschnittsüberschriften und die
Gesetzesüberschrift. Wer stimmt dem zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Die
SPD-Fraktion. Wer enthält sich? - Die PDS-Fraktion.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über das Gesetz in seiner Gesamtheit. Wer stimmt dem
Gesetz zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die
Oppositionsfraktionen. Damit ist das Gesetz angenommen worden und der
Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.
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