Thema - Die Kinderwunsch

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Geburtshilfe Hebamme
1.
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Einleitung
In den westlichen Ländern bleiben heute ca. 9% aller Paare dauerhaft ungewollt kinderlos.
In
Deutschland
und
Österreich
ist
ca.
jede
5.
bis
7.
Partnerschaft
von
Fruchtbarkeitsproblemen betroffen. Paare mit Kinderwunsch warten nicht selten ein bis
mehrere Jahre auf das Eintreten einer Schwangerschaft. Bei einigen Paaren bleibt der
Wunsch aber unerfüllt und sie müssen davon Abschied nehmen.
In der Praxis hatte ich als Hebammenstudentin bereits oft mit „Kinderwunsch-Patientinnen“
zu tun, die endlich das lang ersehnte Ziel erreicht haben – nämlich schwanger zu werden
und diese Schwangerschaft auch bis zum Ende durchzuhalten – und zur Geburt ins
Krankenhaus kommen.
Dabei fiel mir auf, dass für die Geburt dieser ganz besonderen Kinder entweder von vorne
herein der scheinbar sicherste Entbindungsmodus, nämlich die Sectio caesarea, gewählt
wird, oder die Frauen verunsichert und ängstlich in die Geburt gehen, obwohl sie
überdurchschnittlich gut informiert scheinen.
Auch kamen mir die Väter von solchen Babys viel besser informiert und aufmerksamer auf
jede Kleinigkeit während der Geburt vor, als Väter von Kindern, die natürlich entstanden
sind.
Daraus ergibt sich für mich als Hebamme eine spezielle Situation.
Generell kann es schwieriger sein, ein scheinbar gut informiertes Paar durch eine Geburt
zu begleiten als ein Paar, das sich vollkommen auf die Anweisungen der Hebammen und
Geburtshelfer verlässt. Bei Kinderwunsch-Paaren kommt aber eine ganz tief sitzende
Angst hinzu, die oft von Außenstehenden nicht ernst genommen wird.
Diese Paare haben einen langen Weg des Leidens hinter sich. Und das Kind hat in ihrem
Leben schon vor seiner Entstehung einen Stellenwert eingenommen, der sicher ein
anderer ist als bei Menschen, deren Schwangerschaft spontan eingetreten ist.
Meist haben diese Paare ihr Leben bereits jahrelang von dem idealisierten ungeborenen
Kind bestimmen lassen. Sie haben unzählige Behandlungen über sich ergehen lassen,
viele Enttäuschungen und als Folge dessen depressive Phasen durchlebt, sich selbst in
den Hintergrund gestellt und ihr gesamtes Glück von diesem fiktiven Kind abhängig
gemacht.
Und nun steht nur noch die Geburt zwischen Eltern und Kind.
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Da diese zukünftigen Eltern sich während der Schwangerschaft meist ausschließlich in
ärztlicher Betreuung befunden haben, findet der Erstkontakt zu einer Hebamme häufig erst
kurz vor der Geburt statt.
Das ist nicht unbedingt die beste Ausgangssituation.
Es erfordert viel Offenheit und Vertrauen der Frau, damit sie entspannt und zuversichtlich
in die Geburt gehen kann.
Die meisten Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch können mit Schicksal nicht viel
anfangen oder es gar einfach so hinnehmen. Und die Reproduktionsmedizin bestärkt sie
darin, indem sie den Eindruck entstehen lässt, man könne alles unter Kontrolle haben und die Natur habe kein Problem damit überlistet zu werden.
Dem kann ich so nicht zustimmen. Zwar ist es wichtig und richtig fortschrittlich zu sein, mit
den besten und neuesten Methoden eine Schwangerschaft herbeizuführen und dann im
weiteren Verlauf intensiv zu überwachen, zu kontrollieren. Dennoch sollte man sich
bewusst sein, dass man dadurch noch lange nicht die absolute Kontrolle hat.
Sterilitätspatientinnen haben ihren Körper der medizinischen Kontrolle übergeben. Das
Vertrauen zu sich selbst und zu ihrem Körper wurde durch die Tatsache, dass ihnen das
scheinbar einfachste der Welt - nämlich sich fortzupflanzen - nicht gelingt, schwer
erschüttert. Sie neigen dazu, ihren Beratern, den Reproduktionsmedizinern, in ihrer
Verzweiflung blind zu vertrauen.
Meiner Meinung nach liegt es in der Verantwortung der beratenden und betreuenden
Personen, dass die Frauen nicht schon zu Beginn den Eindruck bekommen, es wäre
nichts unmöglich und man könne mit Hilfe der Medizin absolut alles erreichen.
Umso niedergeschmetterter sind diese Frauen, wenn sie dann doch erleben müssen, dass
dem nicht so ist.
Die Zahl an Sterilitätspatientinnen, die die Fortpflanzungsmedizin in Anspruch nehmen,
nimmt zu. Wir Hebammen sind gefordert, diesen Frauen viel Einfühlungsvermögen
entgegenzubringen und mit viel Fachwissen kompetente Ansprechpartner zu sein. Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass trotz intensiver ärztlicher Betreuung, manche Fragen
offen und Ängste bestehen bleiben, die erst mit der Hebamme zufällig zur Sprache
kommen.
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Es
war
mir
ein
Unerfüllter Kinderwunsch
Bedürfnis,
mich
mit
der
Diplomarbeit
vielschichtigen
Thematik
intensiver
auseinanderzusetzen, um die Betreuung von Kinderwunsch-Paaren bzw. Frauen nach IVF
mit viel Hintergrundwissen noch besser gestalten zu können. Deshalb habe ich
den
„unerfüllten Kinderwunsch“ zum Thema meiner Diplomarbeit gemacht.
Im Rahmen dieser Arbeit habe ich in Internet-Foren Kontakt zu betroffenen Frauen
gesucht. Das Feedback war erstaunlich. Viele Frauen waren gerne bereit, mir ihre
persönliche Geschichte zu schreiben und einen von mir entworfenen Fragenkatalog zu
beantworten. Von ihrer Offenheit bin ich gerührt. Sie haben mir gestattet, dass ich ihre
Beiträge für meine Arbeit verwenden darf.
Im Folgenden werde ich die Berichte und Antworten der befragten Frauen einfließen
lassen. Anhand dieser lässt sich sehr gut nachempfinden, was ungewollte Kinderlosigkeit
im realen Leben für eine Bedeutung hat.
Eva Janković
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Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
HAUPTTEIL
2.1. Allgemeines und Begriffserklärung
Ungewollte Kinderlosigkeit wird über einen Zeitraum definiert. Sie liegt vor, wenn nach
ein bis zwei Jahren ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft
eingetreten ist. Bei Frauen unter 35 Jahren spricht man nach zwölfmonatigem erfolglosen
Versuch von Subfertilität, bei über 35jährigen bereits nach 6 Monaten.
Man unterscheidet bei den Ursachen ungewollter Kinderlosigkeit zwischen Sterilität und
Infertilität. Sterilität bedeutet, dass es nicht möglich ist, schwanger zu werden, während
Infertilität heißt, dass eine Schwangerschaft nicht bis zur Lebensfähigkeit ausgetragen
werden kann.
Weiters unterscheidet man zwischen primärer (d.h. die Frau war noch nie schwanger)
und sekundärer (d.h. die Frau war schon schwanger, jetzt klappt es aber nicht mehr)
Subfertilität oder Sterilität.
Von Unfruchtbarkeit sind Männer und Frauen nahezu gleichermaßen betroffen.
Als Faustregel gilt, dass in ungefähr 30 % der Fälle eine Ursache bei der Frau gefunden
wird und ebenfalls in 30 % der Fälle beim Mann. In weiteren 30 % handelt es sich um eine
Kombination von Gesundheitsstörungen bei beiden Partnern, während bei ungefähr 10 %
der Paare keine Gesundheitsstörungen gefunden werden, welche die bestehende
Unfruchtbarkeit erklären könnten. Dann spricht man von idiopathischer Sterilität. Diese
Ausgangssituation ist erfahrungsgemäß für die meisten Paare am schwierigsten zu
ertragen. Es ist für sie zwar beruhigend, dass körperlich alles in Ordnung ist, aber die
Frage, warum die Schwangerschaft dennoch nicht eintritt, wird mit der Zeit immer
quälender und die Paare fühlen sich völlig macht- und hilflos.
Idiopathische Sterilität wird allerdings oft mit psychogener Sterilität gleichgesetzt, was
nicht richtig ist. Man spricht von psychogener Sterilität, wenn
 ein Paar trotz Kinderwunsches und Aufklärung durch den Arzt weiter das
Fruchtbarkeit
schädigende
Hochleistungssport,
Genuss-,
Verhalten
Arzneimittel-
praktiziert
und
(z.B.
Essstörung,
Medikamentenmissbrauch,
extremer beruflicher Stress…),
Eva Janković
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Diplomarbeit
 ein Paar die Schwangerschaftschancen nicht nutzt (kein Geschlechtsverkehr an
den fruchtbaren Tagen oder das Vorliegen einer sexuellen Funktionsstörung,
welche nicht körperlich bedingt ist),
 ein Paar eine aus medizinischer Sicht unablässige Kinderwunschbehandlung
bewusst zwar bejaht, sie aber dann doch nicht beginnt.
Auch starker seelischer Stress beeinträchtigt bei Frauen und Männern die Fruchtbarkeit.
2.2. Ursachen
Bei Frauen handelt es sich am häufigsten um

Hormonelle Störungen
 Störungen können auf allen Ebenen auftreten. Im Hypothalamus kann die
pulsatile Ausschüttung von GnRH für die Hypophyse gestört sein. In der
Hypophyse kann die Ausschüttung der Gonadotropine LH und FSH verändert
sein.
 Auf der Ebene des Ovars kann es zu einer verminderten Produktion der
Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron kommen. Das hormonelle
Gleichgewicht ist für die Empfängnisbereitschaft sehr wichtig. Hormonelle
Fehlfunktionen können zu Störungen des Follikelwachstums und der
Follikelreifung, zum Ausbleiben des Eisprungs und zu einer mangelhaften
Gelbkörperbildung führen.
 Gelbkörperhormonschwäche, welche sich durch Zyklusunregelmäßigkeiten
bemerkbar
machen
kann,
führt
zu
einem
unzureichend
umgebauten
Endometrium, so dass die Einnistung einer befruchteten Eizelle erschwert oder
unmöglich wird.
 Störungen des Androgenhaushaltes führen zu einer Virilisierung. Hierzu
gehört auch das PCO-Syndrom (polyzystische Ovarien) und das AGS
(adrenogenitales Syndrom)
 Auch Androblastome, das sind androgenproduzierende Tumore am Ovar,
können vermehrt Androgene produzieren.
 Hyperprolaktinämie: Prolaktin aus der Hypophyse wird normalerweise für die
Milchbildung beim Stillen benötigt. Es hemmt weiters durch die Störung der
Hypothalamus-Hypophysen-Achse die Ausschüttung der Stimulationshormone
für den Eierstock, wodurch ein Eisprung unterdrückt werden kann. Eine
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funktionelle
Unerfüllter Kinderwunsch
Hyperprolaktinämie
wird
Diplomarbeit
durch
Stress
und
Medikamente
(Antibiotika, Antidepressiva, Antiepileptika, Antiphlogistika oder Neuroleptika)
ausgelöst.
 Schilddrüsenfunktionsstörungen: Bei Hypo- oder Hyperthyreose kann es
zu
Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse
kommen,
weil die
Schilddrüsenhormone wiederum die Prolaktinsekretion beeinflussen.
Folgen hormoneller Störungen sind also je nach Schwere:


Corpus luteum-Insuffizienz

Anovulation

Oligomenorrhoe

Amenorrhoe
Organische Störungen
 Eileiter bedingte Unfruchtbarkeit (tubare Sterilität)
 Endometriose (endometriales Gewebe außerhalb des Uterus)
 Fehlbildungen an Uterus:
uterus subseptus
Uterus bicornis
Uterus unicornis
Uterus duplex
Mayer-Rokitansky-Küster-Syndrom (Uterus und
Vagina fehlen, normale ovarielle Funktion)
und/oder Ovarien
 Myome
 Antikörperbildung gegen Spermien
Auch gonadale Störungen gehen mit einer unterschiedlich stark ausgeprägten
Verminderung der Fertilität einher.
Frauen mit Triplo-X-Syndrom (Karyotyp 47 XXX) sind nur in manchen Fällen in ihrer
Fruchtbarkeit eingeschränkt.
Bei einem Turner-Syndrom (Karyotyp 45 X0) ist je nach Mosaikform in seltenen Fällen
eine Schwangerschaft möglich, während bei einer Kompletten Androgenresistenz (oder
Goldberg-Maxwell-Morris-Syndrom, Karyotyp 46 XY) aufgrund des fehlenden Uterus eine
Schwangerschaft ganz ausgeschlossen ist.
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Beim
Mann
ist
Unerfüllter Kinderwunsch
am
häufigsten
die
Samenzellbildung,
Diplomarbeit
die
Spermato-
und
Spermiohistogenese gestört, d.h. es werden zu wenig bewegliche, normal geformte
Samenzellen produziert. Ein Spermiogramm kann darüber Aufschluss geben.
Es können Störungen der Samentransportwege existieren.
 Angeboren ist dies etwa, wenn ein Mann Genträger für die Erkrankung
Mukoviszidose ist.
 Erworbene Störungen der Wege sind bei St. p. Vasektomie oder Entzündungen
wie Epididymitis (z.B. nach Gonorrhoe) und retrograder Ejakulation gegeben
(hier werden die Samenzellen durch neuromuskuläre Störungen in die Blase
gespült. Dies kann beispielsweise nach Operationen oder bei Zuckerkrankheit
auftreten).
Störungen der Spermatogenese durch:
 Stoffwechselkrankheiten
 Infektionskrankheiten (Mumps)
 Konstitutionelle Anomalien (Klinefelter-Syndrom)
 Varikozele
 Innersekretorische Krankheiten
 Körperliche Überlastung
 Hodendystrophie, Maldeszensus (häufig nach Leistenhoden)
 Thermische, toxische und traumatische Schäden
führen zu einem schlechten Spermiogramm.
OAT-Syndrom: Das Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom ist eine krankhafte
Veränderung der Spermien. Hierbei sind zu wenig, zu gering bewegliche und vermehrt
fehlgeformte Spermien zu sehen.
Auch Nikotin-, Alkohol- und Drogenabusus können Ursachen für Fertilitätsstörungen
beim Mann sein.
Die beim Mann häufigste Chromosomenanomalie, das Klinefelter-Syndrom (Karyotyp 47
XXY) äußert sich praktisch immer in einer Zeugungsunfähigkeit.
Die Spermienqualität des Mannes unterliegt großen Schwankungen. Es ist erwiesen, dass
hier psychische Belastungsfaktoren eine Rolle spielen. Man hat festgestellt, dass Männer,
die ohne Vorliegen einer organischen Ursache eine Verminderung der Samenqualität
Eva Janković
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Diplomarbeit
aufwiesen, viel häufiger an schicksalhaften Belastungen oder Belastungen am Arbeitsplatz
litten als Männer mit unauffälligem Spermiogramm (Greimel, 1992).
Nach psychotherapeutischer Behandlung verbessert sich nachgewiesenermaßen die
Samenqualität und damit die Fruchtbarkeit.
Bereits in de 40er Jahren konnte der deutsche Anatom H. Stieve psychische Belastung als
Ursache von Sterilität feststellen: Er untersuchte das Hodengewebe von Männern, die in
der Todeszelle auf ihre Hinrichtung gewartet hatten nach ihrem Tod und entdeckte dabei,
dass dieses Hodengewebe massiv beschädigt war.
Die Spermienqualität hat also eine Eigendynamik, die von mehreren Faktoren abhängig
sein dürfte. Häufig kommt es vor, dass der Mann zwecks Erstellung eines Spermiogramms
zum Urologen geht und dort erfährt, dass die Qualität eingeschränkt ist. Bei einer
Wiederholung der Untersuchung einige Zeit später ist der Befund deutlich besser. Und bei
einem weiterem Termin ist die Samenqualität ganz schlecht.
Weiters spielt unsere Gesellschaft eine Rolle: In den letzten Jahren ist das Alter der
Erstgebärenden in den westlichen Ländern stark angestiegen (auf knapp unter 30).
Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass nach wie vor Familie und Beruf für die meisten
Frauen nicht gut zu vereinbaren sind und aus Angst vor Verarmung oder Freiheitsverlust
die Familienplanung oft auf „später“ verschoben wird.
Aus psychologischer Sicht kann es sinnvoll sein, mit der Realisierung des Kinderwunsches
zu warten und die Partnerschaft erst wachsen zu lassen. Aus medizinischer Sicht ist es
das nicht!
Alle neueren wissenschaftlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass das
Alter der Frau von allen biologischen, psychologischen und sozialen Merkmalen am
besten die Chance eines Schwangerschaftseintritts vorhersagen kann.
Die Fertilität von Frauen erreicht Anfang 20 ein Maximum. Nach dem 35. Lebensjahr
beginnt sie drastisch abzusinken. So sind die Chancen einer 35jährigen Frau auf eine
Schwangerschaft nur noch 50% der einer 20jährigen. Bis zum 40. Lebensjahr sind die
Aussichten auf eine Schwangerschaft noch deutlicher reduziert (ungefähr 10 % der
Wahrscheinlichkeit einer 20jährigen Frau).
Den größten Einfluss auf die weibliche Fruchtbarkeit haben Quantität und Qualität der
Eizellen, die beide mit zunehmendem Lebensalter abnehmen. Mit zunehmendem
Lebensalter der Frau besteht auch ein erhöhtes Risiko auf die Bildung von Eizellen, die
nicht alle oder zu viele Chromosomen enthalten. Mit diesen abnormen Eizellen kann in
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Diplomarbeit
vielen Fällen keine Befruchtung, Einnistung oder das Austragen einer Schwangerschaft
erreicht werden.
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch nach der Befruchtung die
Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt mit zunehmendem Lebensalter steigt. Darüber hinaus
besteht beim Fetus eine erhöhte Wahrscheinlichkeit kongenitaler Fehlbildungen durch
Chromosomenanomalien. Aus diesem Grund wird die pränatale Diagnostik bei Frauen
über 35 Jahren empfohlen.
2.3. Diagnostik
Obwohl die Diagnostik bei beiden Partnern gleichzeitig erfolgen sollte, begeben sich
Frauen durchschnittlich über ein Jahr früher in die medizinische Diagnostik als Männer.
Diagnostik bei der Frau:
 ausführliche Anamnese
 Gynäkologische Untersuchung
 Ultraschall
 Blutabnahmen zur Bestimmung des
 Hormonstatus / Hormonanalysen
 Funktionstests wie:

Basaltemperaturkurve über mehrere Zyklen (aber nicht jahrelang!)

Gestagentest/Östrogentest
 Hysterosalpingografie HSG = Durchgängigkeitsprüfung der Eileiter mittels Röntgen
und Kontrastmittel
 Laparoskopie
 Hysteroskopie
 Endometriumbiopsie
 Mikrobiologische Untersuchungen
 Hormonelle Funktionstests wie:

GnRH-Test
(Differenzierung
von
hypothalamischen
und
hypophysären
Störungen)
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
TRH-Test (Feststellung einer Schilddrüsenfehlfunktion)

Metoclopramid-Test (Feststellung einer latenten Hyperprolaktinämie)

ACTH-Test (Abklärung eines sich spät manifestierenden, heterozygoten AGS)
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Diplomarbeit
Diagnostik beim Mann:
 Anamnese
 Körperliche Untersuchung (Habitus, Gynäkomastie, Genitale, Varikozele)
 Thermografie
 Ultraschall (Doppler des Plexus pampiniformis)
 Karyogramm
 Hormondiagnostik (LH, FSH, Testosteron)
 Hodenbiopsie
 Mikrobiologische Untersuchung
 Immunologische Untersuchungen (Autoantikörper?)
 Mikroskopie des Nativejakulats
 Postkoitaltest / Sims-Huhner-Test: das Paar soll nach einigen Tagen sexueller
Enthaltsamkeit kurz vor dem Eisprung Geschlechtsverkehr haben. Am nächsten
Morgen wird dann ein Abstrich vom Gebärmutterhalssekret gemacht und
untersucht, wie viele Spermien darin noch beweglich sind.
Dieser Test ist vielen Paaren sehr unangenehm, da sie Verkehr nach Termin haben müssen,
unabhängig von ihrer Lust. Aufgrund dieses Termindrucks kommt es dann oft gar nicht zum
Geschlechtsverkehr.
 Spermiogramm: Anzahl, Beweglichkeit und Form der Spermien sind entscheidend.
Mindestanforderungen an ein normales Spermiogramm (Normozoospermie) laut
WHO (erstellt 1993):
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
Menge: 2-5ml Ejakulat

Säuregehalt: pH 7,2 – 8,0

Verflüssigung in 10 – 30 Minuten

Anzahl der Samenzellen pro ml: 20 – 150 Mio.

Motilität: > 50%

Progressivmotilität: > 25%

Morphologie: > 30% normal geformte Spermatozoen

Nur vereinzelt Entzündungszellen

ein krankhaftes Verkleben der Samenzellen untereinander
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2.4. Therapie
Am 5. August 1982 um 16.25 Uhr wurde an der 2. Univ.-Frauenklinik Wien (2.UFK) das
erste mit In-vitro-Fertilisation (IVF), also außerhalb des Körpers gezeugte Kind
Österreichs geboren. Der gesunde Knabe wog 3,65 Kilo, war 52 cm lang und wurde
von den Eltern Jovanka und Dragan Jovanovic auf den Namen Zlatan getauft. Das war
natürlich für Österreich eine Sensation mit entsprechend großem medialen Widerhall.
Aus der Online-Ausgabe der Wiener Zeitung vom 31.07.2007 steht in einem Bericht von
Alexa Jirez :
Feichtinger, heute Leiter des "Wunschbabyzentrums" in Wien , kann sich noch genau an die "irrsinnige
Erleichterung" erinnern, als absehbar war, dass die Schwangerschaft von Jovanka Jovanovic erfolgreich
verlaufen würde. Er und sein Team warteten damals "unglaublich ungeduldig und unter großem
Erfolgsdruck" aufs Retortenbaby.
Der Arzt, der selbst serbokroatisch spricht, betreute Frau Jovanovic während der Schwangerschaft. Das
"experimentelle Projekt" wurde damals an der Frauenklinik im AKH durchgeführt. Die Behandlung war für die
teilnehmenden Patientinnen kostenlos. Zlatans Entbindung war eine Zangengeburt, "da er schon damals ein
kräftiger Bursch war", erinnert sich Feichtinger. Im November 1982 folgten Österreichs erste IVF-Zwillinge.
Meilensteine dieser Art rechtfertigen eine gewisse Erwartungshaltung. Ein Paar, das
bereits den Wunsch nach einem eigenen Kind zugelassen hat, begibt sich nach den
diagnostischen Untersuchungen bei den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der
modernen Medizin, verständlicherweise, fast immer in Therapie. (Nur selten, wenn von
vorne herein jede Art von künstlichem Eingreifen in die natürliche Fortpflanzung des
Menschen abgelehnt wird, tendieren Paare gleich zu einer Adoption.)
Bei weiblicher Fruchtbarkeitsstörung gibt es eine Vielzahl von hormonellen oder
chirurgischen Therapiemaßnahmen.
Je nach Erkrankung oder Funktionsstörung sind unterschiedliche Behandlungen
notwendig.
Am häufigsten handelt es sich um Probleme beim Eisprung. In diesen Fällen wird mit einer
medikamentösen
(1) Ovulationsinduktion begonnen. Dies kann mittels Tabletten mit dem Wirkstoff
Clomifenzitrat (Clomifen®), Injektionen oder auch einer GnRH-Pumpe geschehen.
Wichtig
ist
hier
die
engmaschige
Kontrolle,
da
eine
nicht
erwünschte
Überstimulation bzw. gleichzeitige Heranreifung mehrerer Eizellen zu ungewollten
Mehrlingsschwangerschaften führen kann.
Eva Janković
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Diplomarbeit
Da Clomifen® als ein Antiöstrogen wirkt, können Nebenwirkungen auftreten, die
durch einen relativen Östrogenmangel verursacht werden (eine Situation, die mit
der Menopause vergleichbar ist):
 ~ 10% Hitzewallungen
 > 5% Meteorismus, Völlegefühl und Unterbauchbeschwerden
 ~ 2% Brustspannen
 < 2% Sehstörungen, Kopfschmerzen oder Haarausfall
 ~ 5% Zysten
 evtl. trockener Zervixschleim (kann wiederum eine Befruchtung verhindern,
was die Anwendung zusätzlicher Präparate erforderlich macht)
 Mehrlingsschwangerschaften
Speroff et al., Autoren des Lehrbuchs Clinical Gynecologic Endocrinology and
Infertility (Klinische Gynäkologische Endokrinologie und Unfruchtbarkeit) geben an,
dass bei für diese Art der Behandlung korrekt ausgewählten Frauen in 80% mit
einer Ovulation und in 40% mit einer Schwangerschaft gerechnet werden kann.
Diese Zahlen erwecken bei den Betroffenen große Hoffnung. Daher nehmen sie
auch die oft schwer belastenden Nebenwirkungen auf sich.
In einigen Fällen führt die Behandlung mit Clomifenzitrat nicht zum gewünschten Ergebnis.
In folgenden Fällen geht man zur Behandlung mit
(2) Gonadotropininjektionen über:
 wenn es nach maximaler Dosierung von Clomifen® zu keiner Ovulation
kommt,
 wenn die Frau unter vielen Nebenwirkungen von Clomifen® leidet,
 wenn mit Clomifen® keine Schwangerschaft eingetreten ist,
 wenn um die Zeit des Eisprungs kein geeigneter Zervixschleim vorhanden ist
oder,
 wenn die von der Hypophyse ausgeschüttete Menge an Hormonen nicht
ausreichend ist.
Gängige Präparate sind Menogon®, Gonal F®, Puregon® u.v.m...
Selbstverständlich kann es auch hier zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen.
So
ist
in
einem
Beipackzettel
Überempfindlichkeitsreaktionen
(Fieber,
von
z.B.
Juckreiz),
„Eierstockübererregung,
Reaktionen
an
der
Injektionsstelle (Rötung, Schwellung, Schmerzen) und Antikörperbildung“ die Rede.
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Diplomarbeit
„...Zyklusvorbereitung mit Valette. Zur Downregulierung* jeden Tag eine Spritze Decapeptyl. Ich
bekomme Herzbeschwerden und Schmerzen im linken Arm. Die Stimulation beginnt mit 2 Ampullen
Menogon, hiervon bekomme ich Krampfanfälle, also Wechseln auf Gonal F. Der Eisprung wird
ausgelöst mit Ovitrelle, die Punktion folgt, allerdings ohne Narkose...“
„Durch die Hormonbehandlungen habe ich 7 kg zugenommen, was noch im Rahmen liegt. Trotzdem
macht es eine Frau wie mich, die sowieso mit ihrem Gewicht zu kämpfen hat, nicht glücklich.“
„...unter der Hormonbehandlung komme ich mir sehr fremdbestimmt vor. Mein Körper macht, was er
will und fühlt sich nicht gut an. Mehr Mittel zum Zweck als Einheit zwischen Körper, Geist und
Seele.“
Wenn sich nach drei bis sechs Zyklen kein Erfolg zeigt, sind die nächsten Schritte im Zuge
der Fruchtbarkeitsbehandlung.
(3) assistierte Reproduktionstechniken.
Auch wenn die Fruchtbarkeitsstörung ausschließlich beim Mann liegt, kann man sich meist
nur mit „künstlicher Befruchtung“ helfen. Dazu zählt:
1. Intrauterine Insemination: mittels eines Katheters wird aufbereitetes Sperma
direkt in die Gebärmutter injiziert. Dies kann bei einem eingeschränkten
Spermiogramm zur Anwendung kommen. Das Verfahren kann mit Spermien des
Partners
(homologe
Insemination),
aber
in
speziellen
Fällen
auch
mit
Spendersamen (heterologe Insemination) durchgeführt werden.
2. In-vitro-Fertilisation IVF mit Embryotransfer ET: die Befruchtung der Eizelle
findet nicht im Eileiter sondern im Reagenzschälchen statt. Nach Befruchtung
werden maximal 3 befruchtete Eizellen mittels Katheter in den Uterus injiziert. Zur
Gewinnung möglichst vieler reifer Follikel muss sich die Frau einer intensiven
Hormonbehandlung unterziehen, der so genannten Stimulation. Die Eizellen
werden dann durch vaginale Punktion (dieser Eingriff dauert fünf bis zehn Minuten
und wird unter Schmerzmittelgabe bzw. Kurznarkose durchgeführt) entnommen und
dann im Reagenzschälchen mit dem Samen des Mannes zusammengebracht.
Dieses
Verfahren
kommt
bei
eingeschränktem
Spermiogramm,
bei
undurchgängigen Eileitern aber auch bei idiopathischer Sterilität zur Anwendung.
3. Intracytoplasmatische Spermieninjektion ICSI: ist eine besondere Variante der
IVF. Nur ein einziges Spermium wird direkt in die Eizelle injiziert. Besonders bei
sehr stark eingeschränktem Spermiogramm ist dies eine Erfolg versprechende
Methode.
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Diplomarbeit
4. Testikuläre Spermienextraktion TESE oder Mikrochirurgische Epididymale
Spermienaspiration MESA: In speziellen Fällen, z.B. bei einem Verschluss der
Samenleiter, finden sich im Ejakulat überhaupt keine Spermien. Trotzdem ist es
möglich, Spermien direkt aus dem Hoden bzw. dem Nebenhoden operativ aus
Gewebeproben zu gewinnen. Diese werden dann wiederum für die Durchführung
einer IVF oder häufiger einer ICSI herangezogen.
Interessanterweise tritt 1/3 der Schwangerschaften ohne fortpflanzungsmedizinische
Behandlung - nämlich in der diagnostischen Phase oder Wartezeit - ein. Dies kann man
sich dadurch erklären, dass ein großer Stressfaktor wegfällt, sobald die KinderwunschProblematik an die jeweilige fortpflanzungsmedizinische Einrichtung „abgegeben“ wurde.
Dieses „Abgeben“ an die Medizin kann aber auch unrealistische Hoffnungen fördern.
Umso erschütternder sind dann die Enttäuschungen.
*Downregulierung... Unterdrückung des Eisprungs: Bei den Behandlungen zur IVF ist ein Eisprung nicht erwünscht, da die Eizellen ja
aus den Follikeln gewonnen werden (Punktion). Man gibt daher zusätzlich GnRH-Antagonisten, welche die Hormonproduktion der
Hypophyse unterdrücken. Diese Maßnahme wird als „Downregulation“ bezeichnet.
2.5. Psychische Auswirkungen
Meist ist alles gut durchdacht. Das Paar will zunächst die Partnerschaft festigen und sich
eine berufliche Basis schaffen. Für viele Frauen ist ein sicherer, familiengerechter
Arbeitsplatz
besonders wichtig, bevor sie den Kinderwunsch zulassen. Die Paare
schaffen es, sich mehr oder weniger finanziell abzusichern, sie ziehen in eine große
Wohnung oder bauen gar ein Haus und dann, als Krönung ihres Glücks – Kinder.
„Hallo! Ich heiße B. (23) und bin mit meinem Schatz (32) seit November 2004 zusammen. Ich bin dann
relativ rasch zu ihm gezogen, da er im Gegensatz zu mir eine eigene Wohnung hat und wir uns dort super
toll entfalten konnten. Schlafzimmer und Küche haben wir bereits im April 2005 neu gekauft und ich fühlte
mich von Anfang an sehr wohl bei ihm. War nach einem halben Jahr schon überzeugt, dass er wohl mein
Göttergatte werden würde. Im Mai 2005 haben wir über Kinderwunsch und Verhütung gesprochen. Die
Vernunft!? hat uns dazu verleitet das Implanon einsetzen zu lassen, um unserer Beziehung noch ein wenig
Zeit zu geben, bevor Kinder kommen würden - war ja noch alles recht frisch bei uns. Gesagt getan, der Kopf
hat gesiegt und ich ließ mir das Implanon einsetzen. Leider war mein Herz total dagegen und hat es seit
dem Einsetzen total abgelehnt. Bekam Schmierblutungen ohne Ende, war deprimiert und wollte einfach nur
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Diplomarbeit
noch schwanger werden - klingt komisch, war aber so. Was dann geschah steht ab nun... Entfernung
Implanon am 5. Oktober 05 (sollte eigentlich zum Staatsfeiertag ernannt werden auf diese Erlösung
hinauf!)...16.2.06 Diagnose: PCO-Syndrom , Schilddrüsenunterfunktion, Eierstöcke tun gar nichts,
Gebärmutterschleimhaut baut sich nicht auf, zu viel Testosteron... 12. September: Termin beim Urologen
(eigentlich nur wegen der Zuweisung zum Spermiogramm ins Speziallabor). Mein Schatz hat leider die
Krampfadern seiner Mutter geerbt nur leider sind die in seinen Hoden. Jetzt heißt es bangen, dass sich das
nicht auf das SG auswirkt!... Ergebnis vom SG: Asthenozoospermie, nur 10 % schnell, Urologe sagte dazu
gar nichts, der Gyn rät uns falls das 2. SG auch schlecht ausfällt zur ICSI. Mein Mann ist am Boden zerstört,
jetzt liegt es wohl an uns beiden, dass es nicht klappen kann....“
Die Diagnose „eingeschränkt fertil“ oder „infertil“ löst meist tiefe Betroffenheit und ein
Gefühl der Hilflosigkeit aus. Sie bedeutet, möglicherweise auf etwas Elementares, wie sich
fortzupflanzen, verzichten zu müssen, an eine aufgezwungene persönliche Grenze zu
stoßen. Ein Teil des Lebensplanes kann nicht verwirklicht werden. Erfolgsstrategien, die
normalerweise angewendet werden, um ein Ziel zu erreichen wie Fleiß, Ausdauer,
Anstrengung, Sich-Bemühen, erweisen sich diesem Ziel gegenüber als wirkungslos. Im
Gegenteil, wenn ein verbissener Kampf gegen den eigenen Körper und dessen
Funktionstüchtigkeit daraus geworden ist, wirken diese scheinbar sogar kontraproduktiv.
Die Paare durchleben mehrere Phasen:
1) Schock und Verneinung
Die Diagnose einer Fruchtbarkeitsstörung trifft die meisten Paare unerwartet. Oft
wird ihr Lebensweg dadurch von einem Moment auf den anderen in Frage gestellt,
was auch zu Verzweiflung führt, oder sogar verneint wird („das kann nicht
stimmen…“). So manch ein Paare sucht dann immer mehr Spezialisten auf, um
eine andere Diagnose zu hören zu kriegen. Obwohl die (oft schlechten)
Erfolgsaussichten einer Kinderwunschbehandlung bekannt sind (derzeit liegt laut
Jahresbericht des IVF-Fonds von 2005 die Schwangerschaftsrate nach IVF-ET bei
31%), rechnet das Paar trotzdem damit, dass es zu den wenigen Glücklichen
gehört, bei denen es sofort geklappt hat. Auch das nennt man Verneinung.
2) Ärger und Wut
können schnell auftreten, wenn man von der fortpflanzungsmedizinischen Hilfe
abhängig ist. Besonders friedliche Paare neigen dazu, z.B. Frauen nach SSAbbrüchen, oder Frauen, die ihr Kind zur Adoption freigeben, zu verurteilen.
Wut kann sich aber auch auf den eigenen „zeugungsunfähigen“ Körper beziehen.
Eva Janković
15
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Besonders schnell können Wut und Ärger aber in der Partnerschaft ausgetragen
werden. Auch längst überwunden geglaubte Schwierigkeiten können wieder
auftauchen. Bezüglich der Strapazen, die die Behandlungen mit sich bringen, kann
es schnell zu unproduktiven Vorwürfen kommen.
Besonders, wenn die Ursache der Kinderlosigkeit bei ausschließlich einem Partner
gefunden wurde kann es jetzt zu Schuldzuweisungen bis hin zu Trennungsfantasien
kommen.
Gerade hier wäre es wichtig, dass das Paar seinen Ärger gemeinsam loswird, evtl.
im Schimpfen über andere…
Wenn Konflikte anhalten, sollte man eine Behandlungspause einlegen.
Hass? Neid? Depression?
„Hass verspüre ich regelmäßig gegen jede Frau, die ohne Behandlungen oder vorherige Fehlgeburt
schwanger wird. Besonders gegen alle, die sich augenscheinlich sehr unzureichend um ihre Kinder
kümmern. Hass und Neid gehen Hand in Hand... Teilweise kam ich mir schon sehr depressiv vor
und habe deshalb vor kurzem die Psychotherapie in Angriff genommen, da ich massive Angst habe,
dass ich ohne Kind keine Lebensfreude mehr haben könnte, was ich auf jeden Fall vermeiden will.“
„Neid schon, aber nicht im Sinne von `du darfst kein Kind haben´, sondern mehr im Sinne von `ich
will auch´!“
3) Ohnmacht
Seinem Körper und der Kinderlosigkeit hilflos ausgeliefert zu sein, gibt besonders
Menschen, die gerne planen, das Gefühl der Ohnmacht.
In dieser Phase kann es passieren, dass das Paar sehr passiv wird, weitere
Maßnahmen bezüglich des Kinderwunsches vor sich her- und schließlich
wegschiebt und keine Auseinandersetzung mit diesem zentralen Thema mehr
stattfindet.
4) Anfangseuphorie
tritt dann auf, wenn ein Paar die vielen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin
kennen lernt. Dies hat einen erleichternden Effekt. Nicht umsonst kommt es in
dieser Phase bei 1/3 der Kinderwunsch-Paare zu einer Schwangerschaft, noch
bevor eine Therapie begonnen wurde.
Allerdings werden die versprochenen Erfolge leicht mit Tatsachen gleichgesetzt und
die Auseinandersetzung mit einer möglichen dauerhaften Kinderlosigkeit gerät in
Vergessenheit.
Eva Janković
16
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
5) Isolation
Ungewollt
kinderlose
Paare
oder
Paare,
die
bereits
in
einer
Kinderwunschbehandlung sind, erleben meistens sehr intensiv mit, wie Paare um
sie herum scheinbar problemlos schwanger werden und Kinder zur Welt bringen.
Meist führt das dazu, dass man sich zurückzieht, um den Fragen und Anspielungen,
vielleicht auch nur harmlosen Bemerkungen anderer nicht ausgeliefert zu sein.
Auch der Kontakt mit Familien, Kindern und Säuglingen wird vermieden. Kurzzeitig
ist ein Rückzug sicher normal und sinnvoll. Gibt es aber in der „Außenwelt“
niemanden, der an der ungewollten Kinderlosigkeit Anteil nimmt (oder nehmen
darf), wird das Thema zum Tabu, es bleibt einzig und allein innerhalb der
Partnerschaft, was bald zur Überforderung beider Partner führt.
Die Reaktionen auf meine Frage „Wie reagiert unser Umfeld auf unseren
Kinderwunsch? Wer hat mir geholfen, mit wem kann ich reden, oder schweigen?“
waren unterschiedlich:
„...Ich habe unsere Entscheidung (IVF) meiner Familie und zwei Freundinnen anvertraut. Jedoch
wünschte ich schon bald, es nicht getan zu haben. Ich habe schon bald begriffen, dass einen nur
Betroffene wirklich verstehen können und schon bald habe ich nicht mehr darüber geredet, da ich
mir die halbherzigen Aufmunterungssprüche ersparen wollte...“
„...fast alle fiebern eifrig mit und äußern immer wieder ihre Anteilnahme, was mich wirklich
unterstützt. Manche scheuen, einen anzusprechen, dann mache ich meist den ersten Schritt und
berichte z.B. von gerade laufenden Behandlungen... Jedoch bin ich es, die es vermeidet, Bekannte
mit kleinen Kindern oder Schwangere öfter als unbedingt nötig zu treffen.“
„...Die Kinderwunschbehandlung hat mein ganzes Leben verändert. Und hat mich verändert.
Freunde haben sich distanziert, weil sie nicht damit zurecht kommen, wie ich mit meinem
Kinderwunsch umgehe und dass das Thema einen Großteil meines Lebens bestimmt. Ich selbst
habe mich von Freunden distanziert, die schwanger sind/waren oder Kinder haben. Ich habe
Freunde hinzu gewonnen, die wie ich von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind und mich und
meine Gefühlswelt verstehen können.“
„Eltern: sie hören nicht richtig zu, übergehen unsere Gefühle und erteilen neunmalkluge Tipps.
Schwiegereltern: Suchen die Schuld der körperlichen Einschränkungen ihres Sohnes in
Fehlverhalten in ihrer Vergangenheit, zeigen eher weniger Verständnis für unsere Offenheit mit dem
Thema, tabuisieren es gerne.
Freunde: zeigen Interesse, haben Angst uns zu verletzen, kommen auch mal mit in die Kiwupraxis
usw. Hin und wieder kommen auch mal doofe unüberlegte Kommentare..“
6) Schuld- und Schamgefühle
Jedes Paar mit unerfülltem Kinderwunsch sucht früher oder später nach Ursachen,
besonders, wenn keine körperlichen Ursachen festgestellt werden konnten.
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Besonders Frauen beginnen oft darüber zu grübeln, was sie falsch gemacht haben.
Ganz schlimm können Selbstvorwürfe werden, wenn die Frau schon ein- oder
mehrmals ein Kind abgetrieben hat. Wichtig wäre hier zu sagen, dass nach einem
medizinisch korrekt durchgeführtem Abbruch die Chance auf eine erneute
Schwangerschaft nicht gemindert ist.
Bei Gläubigen wird Kinderlosigkeit auch als Strafe Gottes angesehen.
Viele Frauen fühlen sich schuldig, weil sie sich zu spät zum eigenen Kind
entschlossen haben und ihnen die Karriere wichtiger war (Klischees…).
Wenn die Fruchtbarkeitsstörung ausschließlich bei einem der Partner liegt, kann
dieser jetzt schlimme Schuldgefühle entwickeln bis hin zu der Angst, der andere sei
nur noch aus Mitleid mit ihm/ihr zusammen. Manchmal zerbrechen Beziehungen
daran. Wichtig wäre es, keine bedeutsamen Entscheidungen wie Partnerwechsel,
Arbeitsplatzwechsel u. ä. in dieser Phase der Frustration zu treffen.
Männer sind oft den anzüglichen Bemerkungen von Kollegen ausgesetzt, da
Fortpflanzungsfähigkeit und intakte Sexualität beim Mann häufiger als bei der Frau
gleichgesetzt wird.
Kinderlose Frauen hingegen klagen sich oft selbst an, weil sie früher einmal einen
Schwangerschaftsabbruch
hatten,
oder
die
Familiengründung
zu
lange
hinausgeschoben haben, vielleicht auch zu lange beim falschen Mann geblieben
sind.
Begeben sich Paare dann in eine Behandlung, so ist es meist der Mann, der
aufgrund der Strapazen, die seine Frau auf sich nehmen muss, Schuldgefühle
entwickelt.
„Schuldzuweisungen?“
„Da bei uns keine Ursache bekannt ist, gibt es keine Schuldzuweisungen. Ich denke jedoch, dass
mein Ex (sehr schlechtes Spermiogramm) sich sehr viel Selbstvorwürfe gemacht hat, wobei ich das
nie thematisieren würde. Denn es führt ja doch zu nichts.“
„Nein! Wir sind beide an der Misere schuld!“
„... Kurz nach meiner ersten Hochzeit 2000 hab ich erfahren, dass ich PCO habe und dass es auf
„normalem“ Wege nix mit einem Kind wird. Mein Exmann meinte nach einigen erfolglosen ClomifenZyklen „selbst zum Kindermachen bist du zu blöd!“ und hat sich dann einer vermutlich fruchtbareren
Dame zugewendet...“
7) Depression
Besonders Frauen leiden öfter darunter. Alltagsaufgaben können nur noch mühsam
erfüllt werden. Aktivitäten, die früher Spaß gemacht haben, fallen jetzt schwer.
Eva Janković
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Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Besonders die Sexualität leidet darunter und wird bald nur noch zur Pflicht. In
diesen depressiven Phasen kommt es dann häufig zu körperlichen Symptomen wie
Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Gewichtsprobleme,
Sexualstörungen…
Gespräche über den unerfüllten Kinderwunsch erscheinen sinnlos, da das ganze
Leben sinnlos erscheint.
Falls die Isolation noch nicht zu sehr fortgeschritten ist, wäre es in dieser Phase
sehr wichtig, eine außen stehende Person mit einzubeziehen.
Auch nach erfolglosen Behandlungszyklen oder negativen IVF-Versuchen kann die
Enttäuschung darüber das ganze Leben erschüttern.
„...dennoch habe ich Angst, dass ich langsam aber sicher daran zerbreche, sollte es weiterhin nicht
klappen. In meiner Lebensplanung haben eigene Kinder immer einen Platz eingenommen, und ein
Leben ohne Kinder kann ich mir nicht vorstellen. Ich weiß nicht, wie viele Tränen ich schon
vergossen habe, und es werden mit Sicherheit auch noch mehr werden.“
„...Es wurden zwei Embryonen transferiert, negativ. Danach hatte ich solche Depressionen, dass ich
dachte, ich müsse sterben. Es war der blanke Horror. Ich habe lange Zeit gebraucht, das alles zu
verarbeiten...“
„...Vier Versuche hatten wir – alle negativ. Ich war mit meiner Trauer alleine, zum Reden hatte ich
niemanden. Selbst mit meinem Lebensgefährten konnte ich nicht richtig reden. Heute meint er, dass
ich mich in dieser Zeit total zurückgezogen habe und niemand an mich rangelassen habe. Mir
wiederum ist es so vorgekommen, als würde ihn das gar nicht so interessieren, er hat die
Fehlversuche gut weggesteckt und sein Leben weitergelebt. Ich habe ständig versucht, Antworten
auf meine Fragen zu finden und habe mich im Internet informiert, was wir noch unternehmen
könnten. Rund um die Uhr war ich damit beschäftigt und ich war die treibende Kraft. Manchmal hätte
ich mir mehr Unterstützung von meinem Partner gewünscht.“
8) Trauer
ist aktive Arbeit, ein Prozess des Verabschiedens. Frauen trauern anders als
Männer. Der Abschied vom Kinderwunsch bedeutet für den Alltag eines Mannes
einen weniger gravierenden Einschnitt als für den einer Frau. Immer noch findet
Familienleben für die meisten Männer nur am Abend, am Wochenende und im
Urlaub statt. Eine ganztägige Berufstätigkeit bis zur Pension ist sehr häufig. Die
Frau hingegen hat in ihrem Lebensplan meistens die Gründung einer Familie
berücksichtigt, vielleicht sogar die Ausbildung und später den Arbeitsplatz
entsprechend
ausgewählt,
Erziehungszeiten
eingeplant.
Lässt
sich
die
Familienplanung nicht realisieren, tut sich vor ihr eine unendliche Leere auf, die erst
Eva Janković
19
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
wieder mit etwas gefüllt werden muss. Der Abschied des Mannes hingegen ist
abstrakter. Er verabschiedet sich von Bildern. Und deren Gestalt verdeutlicht
ebenfalls das unterschiedliche Empfinden. Die Tagträume der Frau sind oft
gebunden an sinnliche Erfahrungen wie körperliche Nähe, weiche Babyhaut und
Stillen. Er zeigt seinem ersehnten Nachwuchs in Gedanken die Welt, spielt Fußball
und lässt Drachen steigen. In der Regel fällt es also den Männern leichter, in den
Alltag zurückzukehren und sich damit abzufinden: „dann geht das Leben eben ohne
Kind irgendwie weiter“.
Die Trauerarbeit bei unerfülltem Kinderwunsch gestaltet sich oft schwieriger als das
Trauern nach dem Verlust eines geliebten Menschen, da uns entsprechende
Rituale nicht zur Verfügung stehen: es gibt keine Trauerfeier, keine Grabstätte,
keine Andenken an das Verlorene. Es muss von etwas Abschied genommen
werden, das man noch gar nicht kennen gelernt hat. Es ist ein unsichtbarer Verlust.
Daher können auch viele Mitmenschen die Trauer eines ungewollt kinderlosen
Paares schwer verstehen.
Deshalb gehören zur Trauerarbeit bei Kinderlosigkeit auch eigene Rituale wie das
Wegwerfen (oder Verschenken) von Kinderwunsch-Ratgebern, das Umgestalten
des ursprünglich geplanten Kinderzimmers in einen Hobby- oder Gästeraum, das
Abmelden aus Internet-Foren, das Wegwerfen von restlichen Hormonspritzen oder
Ampullen…
„Die Trauer lebe ich ganz offen aus. Wenn mir danach ist zu heulen, dann tu ich es. Ich lese das
Abschiedsforum und rede viel mit Freundinnen darüber. Es gibt einige, die mich sehr gut verstehen.
Ansonsten versuche ich das Ganze endgültig abzuhaken und nach vorne zu schauen...Thema
Ritual: Ich kann mir das grundsätzlich vorstellen. Nach dem Verlust meines Babys („missed abortion“
in der 14.SSW) hab ich einen Abschiedsbrief an mein Kind geschrieben und an Weihnachten eine
Kerze für mein Baby angezündet. Zum Abschied vom Kinderwunsch würde ich gerne das
Kinderzimmer (steht momentan leer und wird fast nie betreten) renovieren und anders (vielleicht als
Arbeitszimmer) nützen.“
9) Akzeptanz
Nach abgeschlossener Trauerarbeit wird das Paar wieder offen für das Leben und
neue Perspektiven. Außerdem bedeutet Akzeptanz, sich mit seiner eigenen
Endlichkeit auseinandergesetzt und sich mit dieser Tatsache zumindest ein Stück
ausgesöhnt zu haben.
Allerdings gelingt es nicht allen Paaren, diese Lebenssituation wirklich vom Gefühl
her zu akzeptieren. Depression und Verbitterung bleiben.
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
„Ich bin schon seit langer Zeit in der Trauerphase, weiß aber aus Erfahrung, dass man da wieder
raus findet. Es sind Phasen der Traurigkeit, die sich mit optimistischen Phasen abwechseln. Sie
werden nie vergehen, aber hoffentlich immer seltener kommen. Ich weiß seit 10 Jahren, dass eine
Schwangerschaft nur mit ICSI möglich ist. Wir haben so lange gekämpft, weil ich eigentlich immer
der Überzeugung war, dass es irgendwann mal klappt. Leider muss ich einsehen, dass mein Gefühl
mich getäuscht hat. Beruflich betreibe ich eine Naturheilpraxis. Daneben arbeite ich als Dozentin
und gebe Kurse in Autogenem Training usw.. Dieser Beruf wäre wunderbar mit einer Familie
vereinbar gewesen. Ich kann mir grundsätzlich vorstellen, neu anzufangen. Bin mir aber noch nicht
darüber im Klaren, wie dieser Neuanfang aussehen soll. Unsere Beziehung ist in der schweren Zeit
gewachsen. Ich finde es aber wichtig, dass wir als Paar etwas „Gemeinsames“ haben, z.B. ein
gemeinsames Hobby. Wenn man keine Kinder hat, rückt automatisch die Paarbeziehung ins
Rampenlicht und sollte ausgiebig gepflegt werden.“
„...Unsere Partnerschaft leidet unter unserem Leiden. Wir müssen jeden Tag neu entdecken, wie
schön unsere Ehe ist. Wir genießen bewusst unsere unfreiwillige Kinderlosigkeit (Kajak fahren,
Wanderurlaube
in
den
USA,
Campingurlaube,
Abenteuerurlaube
usw.)
immer
mit
dem
Hintergedanken, dass unsere zeit- und kostenaufwendigen Hobbys nicht mehr ohne weiteres
möglich sind, mit einem Kind.“
„...Da meine Depressionen immer größer wurden und auch unsere Partnerschaft sehr darunter
gelitten hat, haben wir eine Paartherapie gemacht, die uns geholfen hat, uns wieder näher zu
kommen. Danach habe ich beschlossen, eine längere Pause zu machen. Mittlerweile denke ich,
dass ein weiterer Versuch wohl nichts mehr bringt und habe Abschied vom Kinderwunsch
genommen. Es fällt mir sehr schwer und ich nehme die Hilfe einer Psychotherapeutin in Anspruch.
Jedoch denke ich leider noch immer, dass ich nie wirklich darüber hinwegkommen werde. Der
Schmerz ist unendlich groß, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit mir kämpfe und ab und zu
habe ich auch Suizidgedanken. Bis jetzt habe ich die Freude am Leben nicht wieder gefunden und
ich lebe mit der Trauer, die ich niemandem zeige.“
Hat ein Paar den ersten großen Schritt - den Arztbesuch - gewagt, beginnt meist ein ganz
neuer Lebensabschnitt. Auf dem Weg zum eigenen Kind kommen nun jede Menge neue
Hürden auf das Paar zu, die es zu bezwingen gilt.
So gut wie jedes Paar mit Kinderwunsch, bei dem eine Fruchtbarkeitsstörung
diagnostiziert wird, entscheidet sich für die Inanspruchnahme der Fortpflanzungsmedizin,
sofern keine absolute Kontraindikation vorliegt. Nun muss zuerst geklärt werden, wer für
die Behandlungen aufkommt. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigen sich die Paare oft
erstmals mit Gedanken über die enormen Kosten ihrer Kinderwunschbehandlung. Dies
bedeutet für viele eine ganz neue, zusätzliche Belastung.
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
2.6. Gesetze
Die Behandlung der Unfruchtbarkeit wird in Österreich durch mehrere Gesetze geregelt.
Der bedeutendste unter diesen Texten ist das Fortpflanzungsmedizingesetz (275.
Bundesgesetz), das seit 1. Juli 1992 zur Anwendung kommt und im Oktober 1998
novelliert wurde. Darin werden die Behandlungsformen und der Umgang mit den
Embryonen geregelt:
 Die Kinderwunschbehandlung wird nur bei Ehepaaren oder Paaren, die in
eheähnlicher Gemeinschaft leben, durchgeführt.
 Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur die Eizellen und der
Samen des Paares verwendet werden. Hierdurch wird sowohl die Eizellspende als
auch die Leihmutterschaft ausgeschlossen.
Nur für die künstliche Samenübertragung in die Gebärmutter (Insemination) darf
Spendersamen verwendet werden, wenn der Samen des Ehepartners oder
Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist.
 IVF und ICSI dürfen nur von speziell dafür ausgebildeten Ärzten und in hierfür
zugelassenen Krankenanstalten durchgeführt werden.
 Embryonen dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.
 Bei der IVF dürfen nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie innerhalb eines
Zyklus für eine aussichtsreiche Behandlung notwendig sind.
 Samen und Eizellen, die für die IVF verwendet werden sollen sowie Embryonen
dürfen höchstens ein Jahr aufbewahrt werden.
Wenn es um die Frage der Finanzierung geht, kommt das IVF-Fonds-Gesetz zur
Anwendung, das seit 1. Jänner 2000 in Kraft ist. Darin ist unter anderem festgelegt,
welche Voraussetzungen für eine anteilige Kostenübernahme gegeben sein müssen.
Der Gesetzestext lautet:
...
IVF-Fonds
§ 2. (1) Beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen ist
ein Fonds zur Mitfinanzierung der In-vitro-Fertilisation (im
Folgenden kurz „Fonds“ genannt) einzurichten. Der Fonds hat
Rechtspersönlichkeit und wird vom Bundesminister für
Gesundheit und Frauen im Einvernehmen mit dem Bundesminister
für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
vertreten.
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
(2) Der Fonds hat bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4
70% der Kosten der In-vitro-Fertilisation zu tragen, wenn
diese in Vertragskrankenanstalten nach § 5 durchgeführt wird.
...
Mittel des Fonds
§ 3. (1) Die Mittel des Fonds werden aufgebracht durch
Überweisungen
1. aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen,
2. der Krankenversicherungsträger,
3. der Krankenfürsorgeeinrichtungen,
4. des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs und
5. mit deren Einverständnis sonstiger privater
Versicherungsunternehmen.
Vorraussetzungen für eine Kostenübernahme:
 Die Ursache der Unfruchtbarkeit liegt in beidseitig verschlossenen, entfernten oder
funktionsunfähigen Eileitern der Frau oder einer verminderten Spermienqualität des
Mannes begründet.
 Die Altersgrenze für Frauen liegt bei 40, für Männer bei 50 Jahren.
 Beide Partner müssen bei einer öffentlichen Krankenkasse in Österreich versichert
sein.
 Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft müssen länger als 3 Monate in
Österreich versichert sein.
 Die Behandlung muss in einer Krankenanstalt erfolgen, die mit dem IVF-Fonds
einen Vertrag abgeschlossen hat.
 Der Anspruch auf Kostentragung nach besteht für
höchstens vier Versuche pro Paar
Zu berücksichtigen ist weiters das Gentechnikgesetz von 1994, das unter anderem
Gentechnologie und Behandlungsprozeduren zum Gegenstand hat.
An eine schmerzhafte Grenze stoßen viele ungewollt kinderlose Paare, wenn sie nicht
(mehr) vom IVF-Fonds unterstützt werden. Sei es, dass sie das zulässige Höchstalter
überschritten, oder bereits 4 negative Versuche hinter sich haben.
Nicht selten beginnen Paare auf alles, was nichts mit der Verwirklichung ihres
Kinderwunsches zu tun hat, zu verzichten. Man leistet sich nur noch das nötigste, es
werden keine Urlaube mehr gemacht. Es wird überall gespart, wo es nur geht, damit die
Eva Janković
23
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Behandlungen fortgesetzt werden können. Nicht selten leidet die Partnerschaft in dieser
Zeit am meisten.
2.7. Interview
In einem kurzen Gespräch mit Univ. Prof. Dr. Michael Sator, Leiter der IVF-Ambulanz im
Wiener AKH, habe ich mich näher über die Behandlung und die Finanzierung informiert:
Wie hoch sind die Kosten, die für das Paar anfallen, wenn es sich zu Ihnen in
Behandlung begibt?
Prof. Sator: „Zuerst wird geklärt, ob das Paar die Anforderungen des IVF-Fonds erfüllt,
oder ob es als Selbstzahler die gesamten Kosten alleine zu tragen hat. Im 1. Fall leistet es
vor Beginn der Behandlungen eine Anzahlung von 900 Euro. Dies ist ein fiktiver Betrag,
der nach Abschluss der Behandlungen abgerechnet wird. Hat das Paar z.B. weniger
Medikamente gebraucht als genehmigt wurden, so kann es mit einer (geringen) Gutschrift
rechnen. Die Summe bezieht sich auf einen IVF-Versuch. Jeder weitere Versuch muss
neu eingereicht und angezahlt werden. Selbstzahler müssen pro Versuch mit 3000 bis
4000 Euro rechnen. In manchen Privatinstituten für Selbstzahler, die nicht selten mehr
Geld verlangen, kommt es daher öfter zum Einsetzen gleich mehrerer Embryonen, damit
die Kunden für ihr Geld eine scheinbar bessere Leistung erhalten. So kommt es dann zu
den Mehrlingsschwangerschaften.“
Im Jahr 2004 wurden in Deutschland 222 ungeborene Kinder nach künstlicher
Befruchtung im Mutterleib getötet. Wie häufig sind Sie mit Reduktion von Embryonen
konfrontiert?
Prof. Sator: „Kaum! In den letzten 12 Jahren, in denen ich hier im AKH als
Reproduktionsmediziner arbeite, ist es vielleicht ein oder zwei Mal zu einem solchen
Eingriff gekommen. Es gibt eine von mir geschaffene Leitlinie, die besagt, dass wir primär
nur einen Embryo transferieren, oft aber auch zwei. Nur in speziellen Fällen wie zum
Beispiel einer 35jährigen Frau, die bereits 3 negative Versuche hinter sich hat, oder bei
einer Frau über 40 setzen wir drei Embryonen gleichzeitig ein.“
Wie ist die Situation in anderen Ländern?
Prof. Sator: „Ein meiner Meinung nach besseres System wird derzeit in den
skandinavischen Ländern praktiziert – der „single embryo transfer“. Dabei werden nicht
alle befruchteten Eizellen, unabhängig von ihrer Qualität, eingesetzt. Die Keimlinge
werden bis zu 5 Tagen im Labor beobachtet. Per Augenschein wird dann der Embryo
ausgewählt, der die höchsten Chancen verspricht sich einzunisten und zu einem Kind
heranzureifen.“
Eva Janković
24
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Woran erkennt man in diesem Stadium, welcher Embryo sich am ehesten
weiterentwickelt?
Prof. Sator: „Kriterien sind eine hohe Zellzahl, symmetrische Anordnung und eine gut
sichtbare Zellmasse. Beim 1. Versuch wird ein Embryo transferiert, die anderen
Erfolgversprechenden werden kryokonserviert. Kommt es nicht zu einer Schwangerschaft,
werden beim 2. Versuch ein bis maximal zwei der kryokonservierten Embryonen
verpflanzt. Auf diese Art kommt es gar nicht erst zur Problematik der höhergradigen
Mehrlingsschwangerschaften. Auch bei uns geht der Trend in diese Richtung.“
Wie sind die Chancen auf einen Erfolg bei dieser Methode?
Prof.
Sator:
„Die
Wahrscheinlichkeit,
mit
dem
single
embryo
transfer
eine
Schwangerschaft herbeizuführen ist die gleiche wie bei uns mit allen 4 IVF-Zyklen
zusammengerechnet.“
Wie viele IVF-Versuche finden Sie sinnvoll und was raten Sie einem Paar, das
schon vier negative IVF-Versuche hatte?
Prof. Sator: „Unbedingt weitermachen! Statistisch betrachtet sind drei bis fünf Versuche
nötig, um mittels IVF eine Schwangerschaft herbeizuführen. Damit liegt man nach vier
negativen Versuchen noch immer im Rahmen. Eine weitere Möglichkeit bietet die
Eizellspende, welche allerdings in Österreich gesetzlich verboten ist. Im Ausland aber
boomt diese Methode. Auf Wunsch vermitteln wir unsere Patienten weiter.“
Doch nicht in jedem Fall führen die zahlreichen Behandlungen zum gewünschten
Ergebnis. Den Patienten fällt es sehr schwer zu erkennen, wann das Ende gekommen ist,
wann sie sich damit abfinden müssen, dass es zu keinem leiblichen Kind kommen wird.
Was war der Auslöser, an ein Ende der Kinderwunschbehandlungen zu denken?
„Der Auslöser war einfach die hohe Anzahl missglückter Versuche. Zudem mussten wir die letzten Versuche
komplett selbst bezahlen und das ist auch nicht ohne. Außerdem will ich meinen Körper nicht länger mit
Medikamenten voll pumpen.“
„...insgesamt liegen neun Jahre Kinderwunsch hinter uns. Vor der vierten IVF haben wir uns schon mit dem
Gedanken auseinander gesetzt, danach aufzuhören. Gezwungenermaßen, denn die Krankenkasse zahlt nur
vier Versuche, und wir sahen uns nicht in der Lage, weitere selbst zu finanzieren... Nach den schmerzhaften
Erlebnissen konnte ich einfach nicht mehr. Ich stellte fest, dass mein ganzes Leben nur noch auf den
Wunsch nach einem Kind ausgerichtet war. Das Abschiednehmen begann dann ganz von alleine.“
„...Nachdem mich die Behandlungen psychisch und auch gesundheitlich (10 kg zugenommen) sehr
mitgenommen hatten, beschlossen wir aufzuhören.“
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
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2.8. Adoption
Für viele Paare ist der Abschied vom eigenen leiblichen Kind aber nicht automatisch der
Abschied vom Kinderwunsch. Die Option ein Kind zu adoptieren stellt für manche Paare
eine gute Lösung dar.
Was fühle ich, wenn ich an Adoption denke?
„Vor unserer ersten positiven ICSI (war die 3. und insgesamt der 5. Versuch nach 6 Inseminationen) hatten
wir beschlossen, wenn es dieses Mal nichts wird, wollen wir beim Jugendamt wegen Adoption vorsprechen.
Mein Mann hatte mehr Bedenken als ich. Aber ich hätte Waisenkinder aufnehmen wollen - da kann man die
toten Eltern in ehrendem Gedenken behalten und die Kinder haben keine Probleme mit dem „nicht gewollt
sein“. Ich wollte Kinder – egal, ob eigene oder adoptierte (wobei eigene Kinder natürlich besser gewesen
wären bzw. sind).“ (Anm.: diese Frau hat schließlich zwei gesunde Söhne bekommen, beide durch IVF.)
„Kommt für mich nicht in Frage. Ich will eine Schwangerschaft erleben. Außerdem hab ich riesige Angst vor
einem `Problemkind´.“
„Kommt für mich nicht in Betracht.“
„Ich bin selbst ein adoptiertes Kind. Ich kann mir durchaus vorstellen, ein Kind zu adoptieren, aber erst,
wenn ich mit einem leiblichen Kind abgeschlossen habe. Ein Adoptivkind bedeutet für mich keinen Ersatz, es
ist ein ganz eigener Weg.“
Ist die Adoption eine gleichrangige Alternative zum biologischen Kind, oder ist das
adoptierte Kind ein „Kind zweiter Wahl“?
Wird die Adoption als ein Ersatz für ein biologisches Kind angesehen, dann ist der
Entschluss zu adoptieren nur eine Problemlösungsstrategie, durch die der unerfüllte
Kinderwunsch verdrängt, aber nicht behoben wird. Dabei stellen sich die Fragen: Welche
Konsequenzen hat das für das Adoptivkind? Welche Funktion hat es in der Familie zu
erfüllen?
„Vor der Aufnahme eines Adoptivkindes muss die eigene Kinderlosigkeit bewältigt worden sein.“
Bei einer Adoption müssen sich die annehmenden Eltern darüber klar sein, dass diese
Kinder nicht mit den biologisch erwünschten Kindern vergleichbar sind. Adoption sollte
vielmehr als eine voll akzeptierte Form der Familienerweiterung angesehen werden. Nur
wenn Adoptieren für die Eltern nichts Diskriminierendes bedeutet, werden sie offen
darüber sprechen können. Denn auch wenn Adoptiveltern das adoptierte Kind wie ihr
biologisches lieben und erziehen, so hat es doch einen anderen Status als biologische
Kinder. Es gibt verschiedene Adoptionsformen, die unterschiedliche Vorteile bieten:
Inkognitoadoption
Die freigebende Mutter erhält Eckdaten über die Adoptiveltern (z. B. Alter, Beruf, Dauer
der Ehe, Anzahl der Kinder) und hat das Recht, bei der Auswahl der Adoptiveltern
Eva Janković
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Unerfüllter Kinderwunsch
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mitzuentscheiden. Sie verzichtet aber darauf, den Namen und die Wohnadresse des
Kindes zu erfahren. Das Kind verschwindet also ganz aus dem Gesichtskreis der Mutter.
Sie kann sich aber auch zu späteren Zeitpunkten beim Jugendamt über das Wohlergehen
und die weitere Entwicklung ihres Kindes erkundigen. Diese Form der Adoption wird
immer noch am häufigsten gewünscht (sowohl von Adoptiveltern als auch den
freigebenden Müttern).
Offene Adoption
Hier weiß die freigebende Mutter, wo sich das Kind befindet, und kann eventuell Kontakte
vereinbaren. Die offene Adoption weckt bei den Adoptiveltern häufig Ängste, da befürchtet
wird, dass die Verbindung zur leiblichen Mutter Unruhe in die Familie bringen könnte.
Halboffene Adoption
Bei dieser Form der Adoption weiß die Mutter nicht, wo genau sich das Kind befindet. Sie
kann aber über einen Dritten (z. B. über das Jugendamt) mit den Adoptiveltern Kontakt
knüpfen und sich mit ihnen auf neutralem Boden treffen. Oft werden auch Briefe oder
Fotos ausgetauscht.
Bei der halboffenen und der offenen Adoption werden zwischen der freigebenden Mutter
und den Adoptiveltern Vereinbarungen getroffen. Diese sind jedoch nicht einklagbar.
Zeitlicher Ablauf einer Adoption
Grundsätzlich sollte nichts vor der Geburt endgültig entschieden werden, weil die Mutter
ihr Kind eventuell doch noch behalten will, wenn es geboren ist. Relativ viele zunächst zur
Freigabe entschlossene Mütter überlegen es sich dann doch noch einmal. Auch den
Adoptiveltern bleibt damit eine Enttäuschung erspart.
Die ausgewählten Adoptiveltern haben bei einem Neugeborenen dann meist einen Tag
und eine Nacht Zeit, ihre Entscheidung zu treffen und können das Kind bereits am fünften
oder
sechsten
Tag
nach
der
Geburt
aus
dem
Spital
übernehmen.
Erst nach einem halben Jahr in der Adoptivfamilie wird die Adoption auch rechtsgültig.
Diese Zeit ist wichtig, um zu sehen, wie es den Adoptiveltern mit dem Kind und dem Kind
bei seinen neuen Eltern geht.
Während dieser sechs Monate kann die Adoption von beiden Seiten rückgängig gemacht
werden. Selten aber doch kommt es vor, dass die leibliche Mutter die Adoptionsfreigabe
zurück nimmt und sich doch zu einem Leben mit ihrem Kind entschließt.
Eva Janković
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Vorraussetzungen für Adoptivwerber
Eine Pflegestellenbewilligung ist Voraussetzung. Diese wird vom Wohnsitzjugendamt
ausgestellt. Es werden ausführliche Gespräche geführt, Erhebungen gemacht, die
Wünsche
Erst
nach
des
Paares
positiver
erfasst
und
Beurteilung
eine
aller
ärztliche
Fakten
Untersuchung
erteilt
das
veranlasst.
Jugendamt
die
Pflegestellenbewilligung. Das Jugendwohlfahrtsgesetz verlangt nicht, dass Adoptiveltern
verheiratet sein müssen. Bei Lebensgemeinschaften darf aber vom Gesetz her nur ein
Elternteil adoptieren. Auch allein stehende Personen dürfen lt. Gesetz adoptieren.
Das Mindestalter für die Adoptivmutter liegt bei 28 Jahren, für den Adoptivvater bei 30
Jahren. Wenn zu dem Adoptivkind bereits eine Beziehung besteht, kann diese
Altersgrenze unterschritten werden. In der Praxis ist es jedoch meist so, dass viele Paare
nach etlichen Versuchen, ein eigenes, leibliches Kind zu bekommen, schon fast
„zu alt“
für ein Adoptivkind sind.
Wartezeit
Die Wartezeit ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich, beträgt aber
mindestens zwei Jahre, oft aber wesentlich länger. Eine gewisse Wartezeit hat auch den
Vorteil, dass sich die Paare psychisch besser darauf einstellen und sich in
Vorbereitungskursen
Wartezeit
ergibt
eingehender
sich
auch
mit
der
dadurch,
dass
Thematik
die
beschäftigen
Aufgabe
von
können.
Adoptions-
Vermittlungsstellen nicht darin besteht, Kinder für Adoptiveltern zu beschaffen, sondern für
elternlose Kinder die besten Familien zu finden.
Eva Janković
28
Geburtshilfe Hebamme
3.
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
SCHLUSSTEIL
Was bedeutet ein eigenes Kind für mich und für meinen Partner?
„Erfüllung des Lebens und der Partnerschaft. Elementare Erfahrung und Möglichkeit,
einem oder mehreren Kindern den Weg in die Welt zu weisen. Spaß an den Kindern und
an der Familie.“
„Kinder sind für uns Freude, Leben, Zukunft – das, wofür es sich lohnt zu leben und
arbeiten zu gehen. Sie sind das, was von uns weiter lebt.“
„Vor ein paar Jahren noch hätte ich geantwortet: ALLES! Inzwischen wird mir klar, dass
ein Kind zwar eine ungeheuere Bereicherung für mein Leben wäre, es aber auch ohne
Kind sehr erfüllt sein kann, wenn ich es entsprechend gestalte.“
„Ein eigenes Kind (egal, ob leiblich oder evtl. adoptiert) bedeutet für uns die Möglichkeit,
unsere Liebe weiterzugeben und ein kleines hilfloses Wesen behutsam ins Leben zu
begleiten. Ein bisschen ist es auch Egoismus, um jeden Preis ein eigenes Kind zu haben,
denn es bedeutet für uns auch eine Vervollständigung unserer Familie. Ohne Kind fühlen
wir uns unvollständig, einsam und irgendwie unvollkommen. Ich als Frau habe ein
bisschen stärker das Gefühl, unvollständig zu sein, mein Mann empfindet es eher als
»schade, dass es bisher noch nicht geklappt hat«“.
3.1. Ethik
Viele Paare lassen nichts unversucht, bevor sie sich endgültig vom Kinderwunsch
verabschieden. Sie nehmen unvorstellbare Strapazen auf sich, um ihrem sehnlichsten
Wunsch näher zu kommen. Dabei stoßen sie nicht selten auf Unverständnis durch
Außenstehende.
„Es ist immer wieder erstaunlich, mit wie viel Ignoranz ungewollt kinderlose Paare zu kämpfen haben.
Warum soll man denn die Chance auf ein leibliches Kind durch künstliche Befruchtung nicht nutzen? Denk
immer daran, dass die Entscheidung, diesen Weg zu gehen oder auch nicht zu gehen, einzig und allein Dir
und Deinem Partner vorbehalten bleibt. Auf ein eigenes Kind zu verzichten, nur weil einem die Natur in
Sachen Fortpflanzung einen Strich durch die Rechnung macht? Frage doch mal die Leute, die eine solche
Meinung äußern, ob dann auch Nierenkranke auf die Dialyse, Herzkranke auf eine Transplantation,
Kurzsichtige auf eine Brille oder Menschen mit Amputationen auf eine Prothese zu verzichten haben, nur,
weil die Natur hier nicht die Norm vorgesehen hat.“ (aus einem Internet-Forum, Februar 2006)
Eva Janković
29
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Bei all den Fortschritten, die die Medizin im Bereich der assistierten Reproduktion gemacht
hat, stellt sich die Frage nach Grenzen.
Es werden Schwangerschaften aus den verschiedensten Gründen abgebrochen,
bestehendes Leben wird getötet. (Abortus)
Fruchtbare Körper werden unfruchtbar gemacht – durch Sterilisation. (Tubenligatur,
Vasektomie)
Unfruchtbar gemachte Körper werden hormonell behandelt, weil es geht. (Stimulation zur
Follikelreifung)
Es wird Leben gezeugt – außerhalb eines lebenden Organismus. (IVF, ICSI)
Es werden mehrere befruchtete Eizellen zum Heranreifen in einen weiblichen Organismus
eingesetzt, damit zumindest eine überlebt.
Doch falls zu viele (und das sind manchmal schon zwei) überleben, werden sie wieder
getötet, weil eine höhergradige Mehrlingsschwangerschaft zur Gefahr für Mutter und
Kinder wird. Darüber hinaus können sich viele Eltern einfach nicht vorstellen, Drillinge zu
bekommen.
(Embryonenreduktion,
Fetozid).
Es
ist
etwas
anderes,
wenn
lebensbedrohliche Krankheiten oder Fehlbildungen bei Feten festgestellt werden. In einem
solchen Fall, wenn es darum geht, dem bzw. den Ungeborenen Schmerz und Leid zu
ersparen, scheint die Entscheidung leichter. Dennoch ist sie, ethisch betrachtet,
zweifelhaft. Man bedenke, dass auch Euthanasie bei uns strafbar ist.
In einem Artikel von Beate Lakotta, erschienen in der deutschen Zeitschrift „Der Spiegel“
im April 2002, wird der Vorgang wie folgt beschrieben:
„ Es ist bei diesen Gelegenheiten sehr still in dem kleinen Behandlungszimmer. Eine Schwangere liegt in
künstlichem Tiefschlaf (heute wird ein solcher Eingriff bei vollem Bewusstsein der Frau durchgeführt), der
Lautstärkeregler für die kindlichen Herztöne ist ganz heruntergestellt. Axel Feige (Chefarzt der Klinik für
Geburtshilfe des Nürnberger Klinikums Süd), umgeben von Ultraschallmonitoren, stößt eine Nadel durch die
Bauchdecke der Frau, verfolgt ihren Weg bis in die Gebärmutter und sticht dort in das Herz eines Kindes.
Eines von dreien. Dann spritzt er Kaliumchlorid, zwei Milliliter, zügig hinein und wartet, mit der Nadel in der
Hand, ein, zwei quälende Minuten lang. Er starrt auf die Monitore, beobachtet, wie das Herz langsamer
schlägt und schließlich stehen bleibt. Ein zweiter Arzt muss immer mit dabei sein, und meist liegt tiefes
Schweigen über dem Raum. Das Herz eines Ungeborenen hat in der 15. Woche ungefähr die Größe eines
Kirschkerns. Da muss Feige sehr genau zielen. Nach dem Stich bäumen sich die Ungeborenen noch mal
auf. Das ist ein Reflex, kein Schmerz, denn zuvor haben die Ärzte dem Kind über die Nabelschnur ein
Schmerzmittel gegeben. Aber dieses Aufbäumen ist schwer zu ertragen. Danach fühlt sich Feige
erschöpft...“
Paare, die gerade erfahren haben, dass sie schwanger sind und nun innerhalb weniger
Wochen entscheiden müssen, ob sie alle Kinder austragen oder reduzieren, werden
unendlich allein gelassen. Oft werden sie nur von Medizinern beraten und können das
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Problem nicht mit ihrer Familie oder Freunden besprechen, kennen keine Paare, die in der
gleichen Situation sind oder waren. Fetozid ist ähnlich wie Abtreibung eines der letzten
Tabuthemen in unserer Gesellschaft, man findet auch kaum Material dazu, nicht im
Buchhandel und auch nicht im Internet.
Dem gegenüber stehen Paare, die scheinbar alles richtig, zum besten des Ungeborenen
machen und glauben, alles unter Kontrolle zu haben. Sie überlassen nicht einmal - oder
besser erst recht nicht - die Geburt dem Schicksal sondern legen mit Hilfe oder unter dem
Einfluss bestimmter Ärzte alles genau fest.
3.2. Persönliches
Im Rahmen eines Praktikums hatte ich ein Erlebnis:
Plansectio in SSW 37+0, erstes Kind, das Elternpaar bereits Anfang vierzig, St. p. x mal
IVF. APGAR 9/10/10. Das rosige, kräftig schreiende Kind wird nach kinderärztlicher
Untersuchung von der Hebamme übernommen. Sie versorgt es und lässt es einen kurzen
Moment in der Wickeleinheit unter Aufsicht des Vaters liegen, um den Fotoapparat zu
holen. Als sie zurückkommt und das Kind ansieht, erschrickt sie, da das Kind nicht zu
atmen scheint (der Vater hat das in seiner Euphorie gar nicht bemerkt). Sie packt das
Kind, welches durch die heftige Bewegung wieder zu schreien beginnt. Sie ist sich
plötzlich nicht sicher, ob sie sich nicht doch geirrt hat, bringt es sicherheitshalber aber
trotzdem auf die Neonatologie. Später erfährt sie, dass das Kind nun intubiert ist und
intensivmedizinisch überwacht wird. Eine Krankheit kann jedoch nicht gefunden werden.
Mir wurde gesagt, der Fachbegriff hierfür sei „ALTE“, „apparent life-threatening event“
(auch „near-miss SIDS“).
Meine Meinung zu dieser Geschichte, die mich einige Zeit beschäftigt hat:
Ich werde das Gefühl nicht los, dass dieses Kind, dessen Entstehung schon so schwierig
war, mit der plötzlichen Umstellung vom intrauterinen auf das extrauterine Leben
überfordert war.
Dieses Leben wollte von alleine auf natürlichem Wege überhaupt nicht entstehen. Es ist
aber doch in einer Schwangerschaft herangereift, die von riesigen Ängsten bestimmt war.
(Ich hatte im Vorfeld der OP Gelegenheit mit der Mutter über ihr Befinden in der
Schwangerschaft zu sprechen.) Nach der Sectio standen die Eltern unter Schock.
Der Prozess der natürlichen Geburt, das Durchleben der Wehen, der langsame Durchtritt
durch den Geburtskanal – diese Vorbereitung auf das selbstständige Leben wurde dem
Eva Janković
31
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Baby durch die geplante Sectio vorenthalten, obwohl die Vorbereitung meiner Meinung
nach gerade in diesem Fall sehr wichtig gewesen wäre.
Es lässt sich weder alles planen noch alles verhindern.
Da ich der Ansicht bin, dass für Kind und Mutter die Geburt der Anfang eines neuen
Lebens ist, finde ich es wichtig, eigentlich notwendig, dass sich Hebammen und
Geburtshelfer
bewusst
sind,
in
welcher
speziellen
Situation
sich
Paare
nach
Kinderwunschbehandlung während Schwangerschaft und Geburt befinden. Ich kann gut
verstehen, dass
manche Ärzte von vorne herein zu einem Kaiserschnitt raten. Sie
vermitteln dem Paar, dass ihnen dies eine 100%ige Sicherheit gibt und sie damit absolut
kein Risiko eingehen (selbst, wenn im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs die üblichen
Risiken erwähnt werden). Der beratende Arzt hat dann ein zuversichtliches Paar vor sich,
das ihm damit ihre Angst, aber auch ihren eigenen individuellen Start ins neue Leben
abgegeben hat.
Wichtiger, als einem Paar eine 100%ige Sicherheit zu vermitteln, ist meiner Meinung nach
das Erlernen von Akzeptanz. Die Erkenntnis, mit bestimmten Situationen und
Lebensumständen umgehen zu müssen, sollte nicht automatisch Widerstand erzeugen.
Sich helfen zu lassen, wenn es Hilfe gibt, ist gut und wichtig. Die Diagnose „steril“ oder
„infertil“ sollte nicht zum Aufgeben von Träumen und Plänen führen.
Dennoch habe ich das Gefühl, dass in vielen Fällen das erhoffte Kind einen „ungesunden“
Zweck erfüllen soll – und es gerade deshalb nicht kommen will.
Oft unbewusste Motive ein Kind haben zu wollen können sein:

die Erwartung, ein Kind könnte die brüchige Beziehung kitten,

die Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit,

die Angst, im Alter allein zu sein,

die Hoffnung, das Kind würde im Leben das erreichen, was einem selbst nicht
möglich war,

Unzufriedenheit bei der Arbeit,

der Wunsch nach Anerkennung (z.B. von Eltern oder Schwiegereltern),

die Hoffnung auf soziale Integration

das Bedürfnis, dem Leben einen Sinn zu geben,

der Wunsch, die eigene Weiblichkeit oder Männlichkeit unter Beweis zu stellen,

der Versuch, Verletzungen aus der eigenen Kindheit wieder gutzumachen
Eva Janković
32
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Besonders bei idiopathischer Sterilität sollte meiner Meinung nach die Entstehung eines
Kindes nicht forciert werden. Aber auch bei organischen Ursachen sollte man nach
mehreren erfolglosen Versuchen der künstlichen Befruchtung zu sich kommen und
ernsthaft hinterfragen, ob es wirklich ein „Fehler der Natur“ ist, wenn gerade dieses Paar
keinen Nachwuchs bekommt. Es fällt mir schwer zu glauben, dass kein Sinn dahinter
stecken soll, wenn manche Paare, trotz unzähliger Behandlungen letztendlich doch
kinderlos bleiben – und andere nicht.
Dass uns das Annehmen von Gegebenheiten so schwer fällt, ist ein Phänomen unserer
Zeit und Gesellschaft. Weil fast alles machbar ist, bestimmt der Kopf über die Funktionen
unseres Körpers. Das extreme Bedürfnis von Vorausplanen und Kontrolle steht für mich in
direktem Zusammenhang mit ungewollter Kinderlosigkeit. Einen Hinweis darauf, wie groß
dieses Kontrollbedürfnis sein kann, gibt die Frage, wie lange nach dem Absetzen von
Verhütung gewartet wurde, ohne zu planen, ohne nervös zu werden, ohne einen Arzt
aufzusuchen. Je schneller Ungeduld eintritt, desto höher ist das Kontrollbedürfnis. Oft
beginnt die Kontrolle schon mit der Verhütung: die gleiche Methode – nämlich das Messen
der Körpertemperatur – wird dazu verwendet, die „gefährlichen“ Tage auszuklammern.
Jeden Monat ist die Erleichterung da, die Menstruation setzt ein, die Verhütung hat
funktioniert. Von einem Tag auf den anderen wird dann gemessen, damit eine
Schwangerschaft eintritt. Es fällt einem gar nicht ein, das Schwangerwerden dem Körper
zu überlassen.
Hier wäre meiner Meinung nach der Punkt, an dem man innehalten und nachdenken
sollte. Loslassen von dem Zwang, ein Kind haben zu müssen. Hinterfragen, wofür das
Kind steht. Die Partnerschaft genauer betrachten. Dem Körper und der Seele Zeit geben.
Zeit, die oft nicht da ist, wenn die Frau bereits über 40 ist und fürchtet, es sei für ein Kind
zu spät. Hier sind die Ärzte gefragt, keine unrealistischen Hoffnungen entstehen zu lassen.
Auch, wenn es hart ist und ich nicht weiß, wie ich mich selbst in einer solchen Situation
verhalten würde: ich bin der Ansicht, dass man in einem Alter, in dem die
Wahrscheinlichkeit natürlich schwanger zu werden und ein gesundes Kind auf die Welt zu
bringen sowieso nur gering ist, nicht mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste ein
Kind erzwingen sollte. Denn auch das Thema Pränataldiagnostik kommt auf, wenn die
Wahrscheinlichkeit auf Chromosomenanomalien beim Kind ab einem gewissen Alter der
Frau stark erhöht ist. Es ist für mich ethisch nicht vertretbar, das Leben derart
auszuselektieren. Wenn ein Kind durch ICSI mit großem technischen Aufwand mühsam
gerade doch noch gezeugt werden konnte, kann doch von „gesund“ bzw. „normal“ keine
Eva Janković
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Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Rede mehr sein. Dieses Kind stammt von Zellen ab, die ohne technischen Aufwand nie
zur Zeugung fähig gewesen wären. Wer bereit ist, so weit zu gehen, muss auch bereit
sein, die Folgen zu tragen und sollte nicht durch Amniozentese, Chorionzottenbiopsie,
Triple Test und andere pränataldiagnostische Verfahren bestärkt werden, einen
Rückzieher zu machen.
Menschen, die all das trotzdem tun, haben höchstwahrscheinlich die Phase des
Innehaltens und Nachdenkens ausgelassen – so, wie es eben üblich ist. Wenn der Körper
nicht gleich so funktioniert, wie der Kopf es sich vorstellt, geht man zum Arzt. Und es wird
schon mit der Reparatur begonnen, noch bevor der Körper eine Chance hatte, von alleine
und zur passenden Zeit wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Paare mit unerfülltem Kinderwunsch kommen vor Eintreten einer Schwangerschaft durch
assistierte Reproduktion nicht mit einer Hebamme in Kontakt.
Umso
wichtiger
ist
die
Betreuung
durch
eine
Hebamme
(mit
dem
nötigen
Hintergrundwissen über ungewollte Kinderlosigkeit und Reproduktionsmedizin) dann in der
Schwangerschaft. Sie kann der künstlich entstandenen Schwangerschaft zu einem
natürlichen Charakter verhelfen, wenn sie die Frau (und auch den Partner) begleitet. Sie
kann zur Verarbeitung von Ängsten und vor allem zum Wiedererlangen des Vertrauens in
den eigenen Körper beitragen. Dieses Vertrauen ist nicht nur für die Geburt unentbehrlich,
es ist elementar und hat im Leben sicher nicht nur Einfluss auf die Fertilität.
Liebe ...!
Du hast ja nach langem Kinderwunsch 2 Kinder durch IVF bekommen. Meine Fragen:
Wie hast Du (besonders die 1.) SS er- bzw. durchlebt?
Ich war natürlich überglücklich, als es geklappt hatte und konnte es am Anfang gar nicht wirklich realisieren.
Ich habe bis auf Sodbrennen ab der 20. SSW eigentlich die Schwangerschaft genossen und mich auf
meinen Krümel gefreut. Meine Frauenärztin (war erst angestellt in der Kinderwunschpraxis und hat sich
dann in einer "normalen" Praxis selbstständig gemacht) hat mich sehr liebevoll während der Behandlung und
auch während der Schwangerschaft betreut sowie mir alle Unterstützung und Beratung bezüglich
Vorsorgeuntersuchungen gegeben (Nackenfaltenmessung und Feinultraschall, alle invasiven Eingriffe hätte
ich abgelehnt, da ich auch ein Down-Kind akzeptiert hätte). Das hat mir viele Ängste genommen.
Hattest Du viele Ängste? Hast Du Dich anders verhalten als "Natürlich-Schwanger-Gewordene"?
Ich hatte besonders Angst, die Krümel zu verlieren (hatte immer in der Früh-SS 2x Blutungen). In der ersten
Schwangerschaft habe ich sogar auf Sport und Gartenarbeit verzichtet, keinen Kaffee, kein Schlückchen
Alkohol seit der Punktion, keine Salami und alles aus rohem Fleisch gemieden, alles wo ich dachte dass es
ein Rohmilchprodukt ist auch. In der zweiten Schwangerschaft habe ich Kaffee getrunken (natürlich in
Maßen) und bin entspannter gewesen. Da habe ich auch meinen Großen bis zur Entbindung (da war er 23
Monate jung) getragen.
Eva Janković
34
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Wie war(en) die Geburt(en)?
Ich habe beide Kinder spontan entbunden, den Großen ET -7 (natürlicher Wehenbeginn, 28 Stunden von
der ersten Wehe bis zur Geburt). Der Kleine kam an ET +5 durch Einleitung per Wehentropf (4 Stunden
nach Anlegen des Wehentropfes, wobei ich erst nach Platzen der Fruchtblase nach 3 Stunden sehr heftige
Wehen hatte). Ich empfand die erste Entbindung trotz der längeren Dauer erträglicher. Die zweite
Entbindung war ungleich heftiger, da ich keine Zeit hatte die Wehen zu veratmen, so häufig kamen sie.
Warst Du gut über Schwangerschaft und Geburt informiert? Hat dir das Sicherheit gegeben oder
dich eher verunsichert?
Mein Mann hat mir gleich nach dem positiven Test jede Menge Bücher über die Schwangerschaft und
Geburt gekauft. Die habe ich "verschlungen" und fühlte mich gut informiert. Außerdem konnte ich für Fragen
ja auch im Wunschkinder-Forum posten. Mich hat das eher sicher gemacht.
Wurdest Du von einer Hebamme betreut?
Ja, ab der 28. SSW hatte ich mir eine (Nachsorge-) Hebamme gesucht, die dann auch den
Geburtsvorbereitungskurs (beim Kleinen, beim Großen habe ich den Kurs in der Entbindungsklinik besucht)
geleitet hatte und Akupunktur gemacht hat.
Hast Du das Gefühl, das Krankenhauspersonal hat sich Dir "besonders" gewidmet, wurdet Du und
das Kind unter der Geburt intensiv überwacht (Dauer-CTG...)?
Beim Großen habe ich bei einer mir bekannten Hebamme (die allerdings leider keine Nachsorge machte)
entbunden, da war schon eine fast private Atmosphäre, aber besondere Überwachung hatte ich nicht. Bei
der zweiten Entbindung hatte ich wegen des Wehentropfes ein Dauer-CTG und musste deshalb die ganze
Zeit liegen, was ich als sehr unangenehm empfand. Da hat mir das Herumlaufen vor der ersten Geburt mehr
geholfen.
Was hättest Du Dir anders gewünscht?
Vielleicht, dass eines der Kinder ein Mädchen geworden wäre... ;-), ansonsten war alles OK.
Eva Janković
35
Geburtshilfe Hebamme
4.
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Anhang
4.1.
Literatur- und Quellenverzeichnis / Internetlinks
www.wunschkinder.net
www.ivf-institut.at
www.mehrlinge.com
www.wikipedia.at
www.unserwunschkind.at
www.parlament.gv.at
http://ris.bka.gv.at
www.embryology.ch
www.kup.at
www.zeit.de
www.adebar.co.at
http://kinderwunsch-ulm.de
http://kiwu-aktion.foren-city.de
www.kinderwunschklinik.at
Fiegl, Jutta (2004): „Unerfüllter Kinderwunsch – Das Wechselspiel von Körper und
Seele“
Auhagen-Stephanos, Ute (2002): „Wenn die Seele nein sagt“
Carbone, Linda & Decker, Ed (1999):
„Der
lange
Weg
zum
Kind
–
ein
Erfahrungsbericht“
Freundl, G., Gnoth, C. & Frank-Herrmann, P. (2005): „Kinderwunsch – Neue Wege
zum Wunschkind“
Enchelmaier, Iris (2004): „Abschied vom Kinderwunsch – Ein Ratgeber für Frauen,
die ungewollt kinderlos geblieben sind“
Schneider, H., Husslein, P., Schneider, K.T.M. (2. Auflage 2004): „Die Geburtshilfe“
Broschüre des Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (3. Auflage 2005):
„Wir möchten ein Baby“
Unterrichtsmaterial für Geburtshilfe Hebamme von Sabine Brandstätter
Eva Janković
36
Geburtshilfe Hebamme
4.2.
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit
Fragenkatalog
Fragen an die Teilnehmerinnen des Kinderwunschforum auf www.wunschkinder.net:

Was bedeutet ein eigenes Kind für mich? und für meinen Partner?

Wie lange hat es gedauert, bis uns bewusst geworden ist, dass wir ohne Hilfe nicht schwanger
werden?

Wie lange hat es gedauert, bis wir zum Arzt gegangen sind?

Wie verliefen Gespräche mit dem Partner zum Thema?

An Trennung gedacht?

An Psychotherapie/Paartherapie gedacht?

Was hat mir geholfen? Mit wem konnte/kann ich reden? Oder schweigen?

Probleme im Beruf? Mit Kollegen?

Wie reagiert mein Umfeld auf meinen/unseren Kinderwunsch? Wer distanziert sich? Wer geht auf
mich/uns zu?

Wer hat sich für die Kinderwunschbehandlung entschieden? Wirklich beide Partner?

Stehe ich zu meiner Entscheidung oder sind mir die Strapazen doch ein zu hoher Preis?

Wie geht es mir unter Hormonsubstitution? Bin ich noch wichtig?

Schuldzuweisungen?

Ab wann hat der Kinderwunsch begonnen, mein Leben zu dominieren?

Habe ich mir immer schon Kinder gewünscht?

Wurde ich von schwangeren Freundinnen "angesteckt"?

Ist der Wunsch nach Familie bei beiden Partnern gleich groß?

Schuldgefühle?

Hass? Neid? Depression?

Wie reagieren unsere Eltern?

Was fühle ich, wenn ich an Adoption denke?

Was fühle ich, wenn ich an ein behindertes Kind denke?

Wann habe ich begonnen Abschied zu nehmen?

Warum nehme ich vom Kinderwunsch Abschied?

Was ist mit meiner Partnerschaft?

Wie ist unsere Stellung als kinderloses Paar in der Gesellschaft?
Fragen an die Teilnehmerinnen des Forums „Abschied vom Kinderwunsch“ auf
www.wunschkinder.net:

Was war/ist der Auslöser, an ein Ende der Kinderwunschbehandlungen zu denken?

Wie gehe ich mit Trauer um?

Wer hilft mir?

Denkt mein Partner wie ich?

Wenn nicht, können wir trotzdem noch miteinander auskommen?

Hat der Kinderwunsch meiner Beziehung geschadet?

Haben die Kinderwunschbehandlungen meiner Beziehung geschadet?
Eva Janković
37
Geburtshilfe Hebamme
Unerfüllter Kinderwunsch
Diplomarbeit

Haben die Kinderwunschbehandlungen meiner Gesundheit geschadet?

Nehme ich eine Psychotherapie in Anspruch?

Was hatte in meinem Leben in den letzten Jahren (abgesehen vom Kinderwunsch) eine große
Bedeutung?

Womit kann ich die Leere füllen, die bleibt, wenn ich vom Kinderwunsch Abschied nehme?

Kann ich mir vorstellen, in Form eines Rituals Abschied zu nehmen?

Wenn ja, wie sieht das aus?

Was war mir wichtig, bevor ich mir ein Kind gewünscht habe?

Hatte ich Hobbys und welche?

Warum bin ich mit meinem Partner zusammen(gekommen)?

Wie sieht mein Freundeskreis aus? Gibt es viele Paare ohne Kinder?

Bin ich/sind wir Außenseiter?

Wo stehe ich derzeit in der Gesellschaft?

Wie weit bin ich mit meiner Trauerarbeit?

Wie lange weiß ich schon, dass ich keine eigenen Kinder haben werde?

Wie lange habe ich weitergekämpft, obwohl ich schon gespürt habe, dass es nichts wird?

Was mache ich beruflich?

Habe ich vor, mein Leben umzukrempeln?

Kann ich mir vorstellen, neu anzufangen?

Wie mache ich nun weiter?

Mit wem mache ich weiter?

Ist meine Beziehung gewachsen oder gestorben?
Eva Janković
38
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