Prechtl/Dissertation - Digitale Bibliothek Thüringen

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„Privatkopie und Pauschalvergütungssystem der §§
53 Abs. 1, 54 ff. UrhG im Zeitalter der Digitalisierung.
Eine verfassungsrechtliche Untersuchung“
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
doctor iuris (Dr. iur.)
vorgelegt dem Fakultätsrat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der
Friedrich-Schiller-Universität, Jena
von Florian Friedrich Prechtl,
geboren am 9. September 1975
in München
Die vorliegende Arbeit wurde am 6. September 2006 durch den Fakultätsrat
der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität zur
Promotion angenommen.
Ich möchte mich bei meiner geschätzten Doktermutter, Frau Prof.-Dr.
Leisner-Egensperger, für die großzügig gewährte wissenschaftliche Freiheit
und ie unkomplizierte und so freundlich gewährte Unterstützung recht
herzlich bedanken.
München, im Oktober 2006
II
Inhaltsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
XII
Literaturverzeichnis
XVII
Teil 1: Einführung und Fragestellung ............................................................ 1
A. Einführung ............................................................................................ 1
I. Die Entstehung des Urheberrechts..................................................... 2
1. Das Altertum .................................................................................. 2
2. Das Mittelalter ................................................................................ 3
3. Das Privilegienwesen ..................................................................... 4
4. Die nationale Gesetzgebung .......................................................... 6
5. Die Internationalisierung des Urheberrechts .................................. 7
6. Ergebnis ......................................................................................... 7
II. Theorienbildung zum Urheberrecht ................................................... 8
1. Die Theorie vom Verlagseigentum ................................................. 8
2. Die Theorie vom geistigen Eigentum ............................................. 9
3. Die Theorie vom Persönlichkeitsrecht .......................................... 11
4. Die Theorie vom Immaterialgüterrecht ......................................... 12
5. Die monistische Theorie .............................................................. 13
6. Ergebnis ....................................................................................... 14
III. Entwicklung der privaten Vervielfältigungsfreiheit im
Urheberrecht ....................................................................................... 14
1. Die von der privaten Vervielfältigungsfreiheit betroffenen
Interessen ........................................................................................ 15
a) Interessen der Urheber ............................................................ 15
b) Interessen der Werkmittler ....................................................... 16
c) Interessen der Allgemeinheit .................................................... 16
d) Interessen der Werknutzer ....................................................... 17
2. Entstehungsgeschichte des Instituts der Privatkopie nach § 53
Abs. 1 UrhG .................................................................................... 18
a) Die Entstehung des privaten Vervielfältigungsrechts in § 53
Abs. 1 UrhG 1965......................................................................... 19
b) Die Entwicklung des privaten Vervielfältigungsrechts bis heute21
III
B. Fragestellung und Gang der Untersuchung ........................................ 23
I. Fragestellung .................................................................................... 23
1. Begriff und Auswirkungen der Digitalisierung für den Bereich
privater Vervielfältigung ................................................................... 23
a) Begriff der Digitalisierung ......................................................... 23
b) Auswirkungen der Digitalisierung ............................................. 24
2. Herausforderungen an den Gesetzgeber angesichts der
zunehmenden Digitalisierung im Bereich privater Vervielfältigung .. 26
3. Begriff der privaten Vervielfältigung ............................................. 27
II. Gang der Untersuchung .................................................................. 28
Teil 2: Der verfassungsrechtliche Schutz des Urhebers ............................. 30
A. Bedeutung des Verfassungsrechts für den Urheber im Überblick ...... 30
B. Der Schutz des Urhebers durch die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG .. 31
I. Besonderheit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs .......... 33
II. Verfassungsrechtliche Grenzen des Gesetzgebers......................... 35
1. Leistungsprinzip als Verfassungsprinzip ...................................... 35
2. Allgemeine rechtsstaatliche Schranken ....................................... 38
a) Institutsgarantie ........................................................................ 38
b) Wesensgehaltsgarantie ............................................................ 40
c) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .......................................... 41
d) Vertrauensschutzprinzip ........................................................... 43
e) Gleichheitssatz ......................................................................... 44
III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ................... 47
IV. Sozialbindung des Eigentums, Art. 14 Abs. 2 GG .......................... 49
C. Der Schutz des Urhebers durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG .................................... 51
I. Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Art. 2 Abs.
1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ..................................................................... 51
II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten ........................ 53
D. Der Schutz des Urhebers durch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit
des Art. 5 Abs. 3 GG ............................................................................... 55
I. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ..................... 55
1. Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff ....................................... 56
IV
2. Der sachliche und personelle Schutzbereich der Kunstfreiheit .... 58
II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten ........................ 59
III. Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ..... 60
IV. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten....................... 61
E. Besondere Schrankenqualifikationen und ihre Auswirkungen auf
verfassungsrechtlichen Vorgaben der Ausgestaltung privater
Vervielfältigungstätigkeit ......................................................................... 62
I. Betroffene Schutzbereiche ............................................................... 64
II. Bestimmung besonderer Schrankenqualifikationen......................... 65
1. Inhalts- und Schrankenbestimmung, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ....... 66
a) Voraussetzungen der Einordnung als Inhalts- und
Schrankenbestimmung ................................................................. 66
b) Konsequenzen der Einordnung als Inhalts- und
Schrankenbestimmung ................................................................. 69
aa) Allgemeine Schranken des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ............ 69
bb) „Zumutbarkeit“ als Abgrenzungsmerkmal für die
Ausgleichspflichtigkeit einer Inhalts- und
Schrankenbestimmung ............................................................. 70
(a) „Zumutbarkeit“ als Ausgleichspflicht auslösendes
Moment ................................................................................. 71
(b) Inhalt des Zumutbarkeitskriteriums .................................. 72
(aa) Der Sonderopfergedanke ........................................... 72
(bb) Materielle Ergänzung anhand des Schutzzwecks ...... 73
2. Schranken der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG ............................ 74
F. Zusammenfassung ............................................................................. 75
Teil 3: Der Schutz des Urhebers durch Vorgaben des Völker- und
Europarechts .............................................................................................. 79
A. Völkerrechtlicher Schutz des Urhebers............................................... 80
I. Einschlägigkeit einzelner Konventionen ........................................... 80
1. RBÜ ............................................................................................. 80
2. WUA ............................................................................................ 81
3. TRIPS .......................................................................................... 81
4. WCT............................................................................................. 82
V
II. Bindungen des nationalen Gesetzgebers an Vorgaben des
Völkerrechts ........................................................................................ 82
III. Inhalt des internationalen Urheberschutzes im Bereich privater
Vervielfältigung .................................................................................... 84
1. Vorgaben der RBÜ....................................................................... 84
a) „Bestimmter Sonderfall“ ........................................................... 86
b) „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“ .......................... 87
c) „Unzumutbare Verletzung berechtigter Interessen“ .................. 88
d) Ergebnis ................................................................................... 92
2. Vorgaben des TRIPS – Abkommens ........................................... 92
3. Vorgaben des WCT ..................................................................... 94
IV. Zusammenfassung......................................................................... 96
B. Europarechtlicher Schutz des Urhebers ............................................. 98
I. Europarechtliche Bestimmungen zum Schutz des Urhebers im
Bereich privater Vervielfältigung .......................................................... 98
II. Bindungswirkung europäischer Legislativakte für den deutschen
Gesetzgeber ........................................................................................ 99
III. Inhalt des europäischen Urheberschutzes im Bereich privater
Vervielfältigung .................................................................................. 102
1. Das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers ......... 102
2. Die Beschränkungen des ausschließlichen Verwertungsrechts
des Urhebers ................................................................................. 103
a) Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL .................................................... 104
b) Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL .................................................... 105
c) Zum Begriff des „gerechten Ausgleichs“ ................................ 106
aa) „Gerechter Ausgleich“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. a)
und b) Info - RL ....................................................................... 106
bb) Sonderfall: „Gerechter Ausgleich“ im Rahmen des Art. 5
Abs. 2 lit. b) Info - RL .............................................................. 107
d) Art. 5 Abs. 1 Info - RL ............................................................. 108
aa) Vervielfältigungsbegriff ..................................................... 109
bb) Insbesondere: „Keine eigenständige wirtschaftliche
Bedeutung“ ............................................................................. 110
e) Zum „Dreistufentest“, Art. 5 Abs. 5 Info - RL .......................... 111
VI
IV. Zusammenfassung....................................................................... 111
Teil 4: Der verfassungsrechtliche Schutz der Schrankenbegünstigten ..... 114
A. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch die
Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ............................................ 115
I. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit .................................... 115
1. Die Informationsquelle ............................................................... 116
2. Allgemeinzugänglichkeit ............................................................ 117
a) Informationsfreiheit als Abwehrrecht ...................................... 118
b) Informationsfreiheit als grundrechtliches Schutzgebot ........... 119
c) Ergebnis ................................................................................. 121
3. Geschütztes Verhalten ............................................................... 122
a) „Unterrichten“ ......................................................................... 122
b) „ungehindert“ .......................................................................... 123
II. Eingriff in und Schranken der Informationsfreiheit ......................... 124
1. Eingriff ........................................................................................ 124
2. Schranken .................................................................................. 124
III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ................. 125
1. Grundrechte als Schutzpflicht .................................................... 126
2. Ausgestaltung der Schutzpflicht ................................................. 128
a) Adressat einer Schutzpflicht ................................................... 129
b) Inhaltliche Anforderungen einer Schutzpflicht ........................ 129
3. Schutzpflicht des Gesetzgebers für den Fall privater
Vervielfältigungstätigkeit? .............................................................. 131
a) Stellung der Informationsfreiheit im verfassungsrechtlichen
Gesamtkontext ........................................................................... 132
aa) Bedeutungswandel der Informationsfreiheit...................... 133
bb) Verfassungsrechtliche Konsequenzen ............................. 134
b) Qualität der potentiellen Gefährdung der Informationsfreiheit 135
aa) Wesensgehaltsgarantie als Schutzpflicht auslösendes
Moment ................................................................................... 136
(a) Gebot des neminem laedere als auslösendes Moment . 136
(b) Eigener Lösungsansatz ................................................. 136
VII
bb) Drohender Eingriff in den Wesensgehalt der
Informationsfreiheit? ............................................................... 138
(a) Wesensgehalt der Informationsfreiheit .......................... 138
(b) Gefährdung des Wesensgehalts der Informationsfreiheit
............................................................................................ 139
c) Abhilfemöglichkeiten der Werknutzer ..................................... 142
d) Ergebnis ................................................................................. 143
IV. Zusammenfassung....................................................................... 144
B. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch den grundrechtlichen
Schutz der Privatsphäre ........................................................................ 145
I. Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre ................................. 147
1. Sachlicher Schutzbereich des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung ......................................................................... 147
2. Eingriff in und Schranken des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung ......................................................................... 150
a) Der Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung ...................................................................... 150
aa) Der Eingriffsbegriff ............................................................ 150
bb) DRM – Systeme als Eingriff .............................................. 151
b) Die Schranken des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung ...................................................................... 154
II. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben .................. 156
1. Gefährdungspotenzial einer weltumspannenden
Informationsgesellschaft ................................................................ 156
a) Entstehung individualisierter Datenspuren ............................. 157
b) Keine Gewähr ausreichender Datensicherheit ....................... 159
2. Grundrechtliche Schutzpflicht .................................................... 160
a) Stellung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im
verfassungsrechtlichen Kontext.................................................. 161
b) Qualität der potentiellen Gefährdung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung.............................................. 162
aa) Wesensgehalt des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung .................................................................. 163
(a) „Persönlichkeitsbild“ als Wesensgehalt?........................ 163
VIII
(b) Eigener Ansatz .............................................................. 164
bb) Drohender Eingriff durch DRM – Technologien ................ 166
c) Abhilfemöglichkeiten des Werknutzers ................................... 168
aa) Möglichkeit des Grundrechtsverzichts .............................. 168
bb) Frage nach den Grenzen privatautonomer
Gestaltungsfreiheit .................................................................. 170
cc) Schutz durch bestehende Datenschutzgesetzgebung ...... 171
III. Zusammenfassung ....................................................................... 174
C. Schutz der Schrankenbegünstigten durch andere grundrechtliche
Bestimmungen ...................................................................................... 175
I. Die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG ....................... 176
II. Die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG ............................................... 177
III. Das Sozial- und Kulturstaatsprinzip .............................................. 178
1. Das Sozialstaatsprinzip .............................................................. 178
2. Das Kulturstaatsprinzip .............................................................. 180
3. Zusammenfassung .................................................................... 182
Teil 5: Der Schutz des Werknutzers durch Vorgaben des Völker- und
Europarechts ............................................................................................ 184
A. Völkerrechtlicher Schutz des Werknutzers ....................................... 184
I. Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers durch Art. 10
EMRK ................................................................................................ 185
1. Schutzbereich des Art. 10 EMRK............................................... 185
2. Eingriffsverständnis des Art. 10 EMRK ...................................... 186
3. Schranken und Schranken – Schranken des Art. 10 EMRK ...... 186
4. Zusammenfassung .................................................................... 187
II. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers durch Art.
8
EMRK ................................................................................................ 188
B. Europarechtlicher Schutz des Werknutzers ......................................... 189
I. Schutz des Werknutzers durch die Info – RL 2001/29 EG ............. 189
II. Der Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers ................... 190
1. Auf Primärrechtsebene .............................................................. 191
2. Auf Sekundärrechtsebene ......................................................... 192
III. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers ............................. 192
IX
1. Auf Primärrechtsebene .............................................................. 192
2. Auf Sekundärrechtsebene ......................................................... 192
C. Zusammenfassung ........................................................................... 193
Teil 6: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die gesetzliche
Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich
geschützter Werke angesichts der Herausforderungen der
Digitalisierung - Versuch eines Regelungsmodells ................................... 194
A. Systematischer Ausgangspunkt ....................................................... 194
B. Die Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken als
verfassungsrechtliche Notwendigkeit .................................................... 195
I. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Güterabwägung ................... 196
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben ............................................... 196
a) Schutz der Urheber und Werkmittler ...................................... 196
b) Schutz der Werknutzer ........................................................... 198
c) Schlussfolgerung .................................................................... 199
2. Rechtspolitische Erwägungen .................................................... 201
3. Internationale Vorgaben ............................................................. 202
a) Vorgaben des Völkerrechts .................................................... 202
b) Vorgaben des Europarechts................................................... 203
4. Ergebnis ..................................................................................... 204
II. Ausgestaltung ................................................................................ 205
1. Zum Begriff des „privaten Gebrauchs“ ....................................... 205
a) Begriff des „privaten Gebrauchs“ unter der Geltung des
bisherigen § 53 Abs. 1 UrhG ...................................................... 205
b) Eigene Begriffsbestimmung ................................................... 206
2. Zur Person des Vervielfältigenden ............................................. 209
3. Zur zulässigen Anzahl der Vervielfältigungsexemplare .............. 210
4. Zum rechtlichen Schutz technischer Schutzmaßnahmen .......... 213
a) Verfassungsrechtlicher Rahmen ............................................ 213
b) Europarechtliche Vorgaben .................................................... 214
aa) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Info - RL.................................... 215
bb) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Info - RL.................................... 215
cc) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL .................................... 216
X
(a) Verfassungsmäßigkeit des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4
Info - RL? ............................................................................ 218
(b) Verfassungskonforme Auslegung .................................. 219
c) Ergebnis ................................................................................. 221
C. Die Vergütung als verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich .......... 223
I. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage .......................................... 223
1. „Zumutbarkeit“ als ausgleichspflichtbegründendes Moment ...... 223
2. Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Zuordnung durch
private Vervielfältigung................................................................... 225
II. Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein Vergütungssystem –
Pauschal- oder Individualvergütung? ................................................ 227
1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage ........................................ 228
2. Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ............... 230
a) Geeignetheit ........................................................................... 232
b) Erforderlichkeit ....................................................................... 232
c) Angemessenheit..................................................................... 233
3. Konsequenzen für ein Vergütungsmodell .................................. 234
a) Ein „geeignetes“ Vergütungsmodell ....................................... 235
b) Ein „erforderliches“ Vergütungsmodell ................................... 235
c) Ein „angemessenes“ Vergütungsmodell ................................. 237
aa) Bisher gängige Individualvergütungsmodelle ................... 238
(a) Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte
Vervielfältigungsfreiheit ....................................................... 238
(b) Verstoß gegen das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung ............................................................... 239
bb) Das geltende Pauschalvergütungsmodell......................... 240
cc) Eigenes alternatives Individualvergütungsmodell ............. 241
D. Ergebnisse der Untersuchung .......................................................... 244
XI
Abkürzungsverzeichnis
a. A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz
ABl.
Amtsblatt EG
AcP
Archiv für civilistische Praxis
Alt.
Alternative
Amtl.
Amtliche, -er, -es
AöR
Archiv für öffentliches Recht
Art.
Artikel
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter
Bd.
Band
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshof
in Zivilsachen
BK
Bonner Kommentar zum Grundgesetz
BSGE
Entscheidungen des
Bundessozialgerichts
bspw.
beispielsweise
BT
Bundestag
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts
BVerfGG
Bundesverfassungsgerichtsgesetz
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
CD
Compact Disc
CR
Computer und Recht
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
XII
dies.
dieselbe
dmmv
Deutscher Multimedia-Verband
Doc.
Document
Dok.
Dokument
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DRM
Digital Rights Management
DVBl.
Deutsches Verwaltungsblatt
DVD
Digital Versatile Disc/Digital Video Disc
Eds.
Editors
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft
Einl.
Einleitung
endg.
endgültig
EMRK
Europäische Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten
Erg.
Ergänzungs-
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für
Wirtschaftsrecht
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f.
folgende
ff.
fortfolgende
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
GfK
Gesellschaft für Konsumgüterforschung
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland
ggf.
gegebenenfalls
GRUR
Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz
und Urheberrecht
GRUR Int.
Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz
und Urheberrecht – Internationaler Teil
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
XIII
i.d.F.
in der Fassung
i.d.R.
in der Regel
IFPI
International Federation of the
Phonograpfic Industry
Info – RL
EG – Richtlinie 2001/29/EG zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechts und der verwandten
Schutzrechte in der
Informationsgesellschaft
insb.
insbesondere
IuKDG
Informations- und
Kommunikationsdienstegesetz
i.V.m.
in Verbindung mit
i.S.d.
im Sinne des
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
JURA
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
K&R
Kommunikation und Recht
KUG
Gesetz betreffend das Urheberrecht an
Werken der bildenden Künste und der
Photographie
lit.
littera
LUG
Gesetz betreffend das Urheberrecht an
Werken der Literatur und der Tonkunst
m. E.
meines Erachtens
MMR
Multimedia und Recht
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n.F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
Nr.
Nummer
RBÜ
Revidierte Berner Übereinkunft zum
Schutz von Werken der Literatur und der
Kunst
RG
Reichsgericht
XIV
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in
Zivilsachen
RL
Richtlinie
Rn.
Randnummer
Rspr.
Rechtsprechung
S.
Seite
sog.
so genannte, -r, -s
st.
ständige, -r, -s
str.
strittig
TRIPS
Agreement on Trade – Related Aspects
of Intellectual Property Rights
u.a.
unter anderem
UFITA
Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und
Theaterrecht
UNESCO
United Nations Educational, Scientific
and Cultural Organization
Unterabs.
Unterabsatz
UrhG
Urheberrechtsgesetz
VG
Verwertungsgesellschaft
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der
deutschen Staatsrechtslehrer
WahrnG
Gesetz über die Wahrnehmung von
Urheberrechten und verwandten
Schutzrechten
WCT
WIPO Copyright Treaty
WIPO
World Intellectual Property Organisation
WTO
World Trade Organization
WUA
Welturheberrechtsabkommen
www
World Wide Web
ZEuP
Zeitschrift für europäisches Privatrecht
ZgS
Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft
Ziff.
Ziffer
zit.
zitiert
XV
ZKDSG
Zugangskontrolldiensteschutzgesetz
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZUM
Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
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XXXIX
Teil 1: Einführung und Fragestellung
A. Einführung
Stets war es der technische Fortschritt, der das Urheberrecht zu seiner
kontinuierlichen Weiterentwicklung veranlasst hat. Die Herausforderungen
neuer Vervielfältigungsmöglichkeiten von Werken der Kunst, Literatur und
Wissenschaft setzten und setzen den früheren wie den heutigen
Gesetzgeber immer wieder vor die Notwendigkeit, die Rechtslage den sich
dabei verschiebenden Interessen der Beteiligten anzupassen. Nur so kann
dem seiner jeweiligen Zeit entsprechenden Rechtsempfinden auch durch
die Fahrnisse des technischen und kulturellen Fortschritts hindurch die
erforderliche Geltung verschafft werden1.
Den rechtlichen Bindungen, denen sich der jeweilige Gesetzgeber hierbei
seinerseits verpflichtet sah, waren freilich im Laufe der Jahrhunderte
erheblichen Schwankungen unterworfen. Welche zwingenden rechtlichen
Vorgaben der Gesetzgeber von heute bei der Ausgestaltung des
Urheberrechts angesichts des technischen Fortschritts im Bereich privater
Vervielfältigungsmöglichkeiten
–
geschaffen
insbesondere
durch
die
Möglichkeiten der Digitalisierung – urheberrechtlicher Werke unterworfen
ist, soll Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein.
Zunächst soll versucht werden die rechtshistorische Entwicklung des
Urheberrechts in gebotener Kürze darzustellen. Die kulturhistorische
Verwurzelung des Urheberrechts ist für die Interpretation der Vorgaben,
denen sich der dem Grundgesetz unterworfene Gesetzgeber von heute
angesichts der Digitalisierung ausgesetzt sieht, unentbehrlich, um die
richtigen Antworten auf diese Fragen zu finden2.
1
Vgl. Fechner, S. 67; Krüger-Nieland, Urheberrechtsschutz, S. 173.
Für die Notwendigkeit rechtshistorischer Fundierung auch Gieseke, S. XIVf.; Fechner, S.
18.
2
1
I. Die Entstehung des Urheberrechts3
Der gesetzliche Schutz von Werk und Urheber hat erst im Laufe des 19.
und 20. Jahrhunderts Eingang in die meisten der weltweit geltenden
Rechtsordnungen gefunden4. Einer früheren Kodifikation des Urheberrechts
in
einer Form,
wie
wir sie
heute
kennen,
stand
das damalige
Rechtsbewusstsein entgegen. In Antike wie Mittelalter5 stand nicht die
subjektive Individualität des jeweiligen Schöpfungsaktes im Vordergrund,
vielmehr trat der Urheber völlig hinter seinem Werk zurück. Der Urheber galt
nur als Medium der in ihm schöpferisch tätig werdenden, aber über ihm
stehenden Macht6. Ein „Urheberselbstbewußtsein“ konnte sich auf dieser
Basis nicht entwickeln7. Die Entwicklung einer Urheberrechtsdogmatik setzt
indes ein entsprechendes Rechtsbewusstsein voraus. Die Entwicklung
dogmatischer
Reflexion
hängt
vom
Bestand
einer
entsprechenden
Rechtsintuition ab, oder mit anderen Worten: Wo kein moralisch fundiertes
Rechtsempfinden, da kein positives Recht8.
1. Das Altertum9
Die Antike, insbesondere das Römische Reich, kannte bereits ein hoch
entwickeltes
Buch-
und
Verlagswesen.
Die
Vervielfältigung
von
Schriftstücken war weit verbreitet. Sie erfolgte durch Abschriften, die zur
gewerbsmäßigen Betätigung von Verlegern und Buchhändlern führte10. Die
wirtschaftliche Verwertung von Geisteswerken war demnach schon in der
Antike anerkannt11, wenngleich von nur untergeordneter Bedeutung.
3
Zur Geschichte des Urheberrechts umfassend u.a. Bappert, Wege zum Urheberrecht;
Vogel, Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte; Gieseke, Vom Privileg zum
Urheberrecht; Wadle, Geistiges Eigentum; Abhandlungen in UFITA 106 (1987), S. 17ff..
4 Bappert, S. 1; Ulmer, S. 58f..
5 Zum Gesamten Bappert, S. 13ff., 53ff.; Seifert, NJW 1992, S. 1270ff..
6 Vgl. Bappert, S. 63f.; Fechner, S. 18f..
7 Dazu Pohlmann, S. 19ff.; 35ff.; Hubmann, S. 28.
8 Bappert, S. 2f..
9 Umfassend dazu Bappert, S. 11ff.; Visky, UFITA 106 (1987), S. 17ff.; Frohne, UFITA 106
(1987), S. 41ff..
10 Ulmer, S. 50; Gieseke, S. 1f.; Seifert, NJW 1992, S. 1271f.; Bappert/Maunz/Schricker, S.
19.
11 Dies zeigen die vielfach in verschiedenen literarischen Quellen erwähnten Belege, denen
zufolge der Verfasser eines Manuskripts von dem Buchhändler Entgelt bekam, vgl. Visky,
S. 22 m.w.N.; Ulmer, S. 50; Seifert NJW 1992, S. 1271f. m.w.N..
2
Indes gab es weder in der griechischen Antike noch im hoch entwickelten
römischen Recht ein urheberrechtliches Schutzsystem, wie wir es heute
kennen12. Die Inanspruchnahme fremder Werke fand schlimmstenfalls
moralisch – literarische Verurteilung13, eine rechtliche Handhabe stand den
Urhebern antiker Werke aber nicht zu14. Vielmehr war das Recht am
Geisteswerk als solchem nicht anerkannt, jedenfalls nicht als Eigentum im
Rechtssinne, d.h. als vermögensrechtlicher Gegenstand15.
Das geistige Produkt war also kein selbständiger Gegenstand des
Rechtsverkehrs, stattdessen fiel das rechtliche Schicksal des geistigen
Produkts mit dem rechtlichen Schicksal seiner Verkörperung zusammen.
Das Recht am Geisteswerk war an das Recht des verkörpernden
Werkstücks (in der Regel das Manuskript) gebunden16. Eine Anerkennung
als
unabhängige,
selbständige
Rechtsobjekte
blieb
Geisteswerken
verwehrt17.
2. Das Mittelalter18
Auch im Mittelalter hat sich ein Urheberrechtsschutz nicht entwickelt19.
Mit dem Untergang der Antike brach das bereits verhältnismäßig hoch
entwickelte Buch- und Verlagswesen zusammen. Insbesondere das nicht
beliebig verfügbare Pergament machte die Vervielfältigungsarbeit zu einer
12
Delp, IV, Rn. 8; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 7.
Am bekanntesten ist der Ausdruck des römischen Dichters Martial (ca. 40 – 102 n. Chr.),
der einen Zeitgenossen namens Fidentinus, der Gedichte des ersteren als eigene
ausgegeben hatte, als „plagiarus“, also als Menschenräuber, bezeichnete. Vgl. dazu
Frohne, S. 42ff.; Seifert, NJW 1992, S. 1271.
14 Im römischen Recht wurde die Verwertung fremder Werke weder als „furtum“, also als
Diebstahl im Rechtssinne, verstanden, noch stand dem Urheber bei Bekannt werden
solcher Verletzungen ein Klagerecht, also eine „actio“, zu; vgl. Visky, S. 25f. m.w.N.;
Gieseke, S. 3; Seifert, NJW 1992, S. 1272.
15 Visky, S. 18ff., 26ff. je m.w.N.; Gieseke, S. 3; Bappert/Maunz/Schricker, S. 20.
16 Visky, S. 18ff., 26f. je m.w.N.; Seifert, NJW 1992, S. 1272.
17 Die Ursache hierfür wird in der Unterscheidung der Römer zwischen Beschäftigungen,
die einem freien römischen Bürger würdig waren, den sog. „artes liberales“ (u.a. die
Rhetorik, die Grammatik und die Landvermessung) und solchen, die einem Freien nicht
würdig waren, den sog. „artes illiberales“, gesehen. Für die ersteren konnte nach
römischem Verständnis keine Gegenleistung verlangt werden, man verstand diese Dienste
als unentgeltlichen Freundschaftsdienst ehrenhalber. Für Dienste wiederum, die von
Sklaven verrichtet wurden, bestand in einer Sklavenhaltergesellschaft keine Veranlassung
diese durch die institutionenmäßige Anerkennung eines selbständigen Autorenrechts zu
fördern. Dazu Visky, S. 36ff. m.w.N..
18 Umfassend dazu Bappert, S. 53ff.; Gieseke, S. 3ff..
19 Rehbinder, § 3, Rn. 13; Bappert/Maunz/Schricker, S. 21; Ulmer, S. 21; Seifert, NJW
1992, S. 1272f., Troller, Immaterialgüterrecht, S. 16.
13
3
sehr kostspieligen Angelegenheit20. Neue Werke waren im Mittelalter
zahlenmäßig von geringer Bedeutung, vervielfältigt wurden vor allem alte
und geistliche Werke.
Die Stellung der Urheber selbst war im Mittelalter eine wirtschaftlich wie
gesellschaftlich untergeordnete. Auf Unterhalt des Hofes, Adels oder eines
Klosters angewiesen21, trat die in die Ständeordnung eingebettete
Persönlichkeit des Urhebers aus der Anonymität kaum hervor. Die Idee
einer
Urheberpersönlichkeit,
welche
ein
entsprechendes
Urheberrechtsbewusstsein hätte schaffen können, stand hinter der schon in
der Antike verbreiteten Vorstellung vom Werkschöpfer als bloßen Mittler
zwischen Gott und den Menschen zurück22.
Die hohen Herstellungskosten, die geringe Aktualität der Werke und nicht
zuletzt das mittelalterliche Bild von der Urheberpersönlichkeit waren die
Ursache dafür, dass Fragen nach dem rechtlichen Schutz des Urhebers gar
nicht erst aufgeworfen wurden23.
3. Das Privilegienwesen24
Erst mit der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg um
1440 und der damit einhergehenden Mechanisierung und Vergewerblichung
des Vervielfältigungsvorgangs beginnt die Entwicklung des Urheberrechts.
Das nun in den Druck von Werken investierte Kapital einerseits, welches für
das erst seit dem 16. Jahrhundert übliche Autorenhonorar25 sowie zur
Einrichtung der Maschinen und Betriebe benötigt wurde, die durch die neue
Technik ermöglichte Leichtigkeit der Vervielfältigung von Werken in bisher
unbekanntem
Ausmaß
andererseits,
schufen
das
Bedürfnis
nach
rechtlichem Schutz von Geisteswerken. Denn das investierte Kapital konnte
20
So soll 1418 in Bautzen für eine Liviushandschrift ein ganzes Landgut zu bezahlen
gewesen sein, vgl. Bappert/Maunz/Schricker, S. 21; Gieseke. S. 3f.; Seifert, NJW 1992, S.
1272.
21 Gieseke, S. 6ff.; Seifert, NJW 1992, S. 1272 m.w.N..
22 Als eigentlicher Schöpfer galt nicht der Urheber, sondern Gott selbst; dazu Bappert, S.
67f.; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 68f.; Gieseke, S. 8ff..
23 Bappert, S. 63ff..
24 Umfassend dazu Vogel, Sp. 9ff.; Bappert, S: 178ff.; Vogel, S. 39ff..
25 Bis dahin galt die Zahlung von Autorenhonoraren als unüblich wenn nicht unschicklich,
vgl. Gieseke, S. 20f., 53.
4
sich nur amortisieren, wenn der Absatz der jeweiligen Geisteswerke durch
Nachdruckverbote wenigstens rechtlich abgesichert war26.
Die sog. Privilegien, die als Maßnahmen gegen den Nachdruck in der
Folgezeit mehr als dreihundert Jahre im Gebiet des deutschen Reiches
üblich sein sollten27, wurden von der jeweiligen Obrigkeit gewährt. Sie
beinhalteten ein meist zwischen drei bis zehn (manchmal aber auch
zwischen ein bis dreißig) Jahren andauerndes Verbot, eine bestimmte
Schrift nachzudrucken oder nachgedruckte Exemplare in das jeweilige
Herrschaftsgebiet einzuführen oder zu verkaufen und wurden häufig mit der
Androhung
einer
Geldstrafe
und
Konfiskation
für
den
Fall
der
Zuwiderhandlung bedacht28.
Allerdings hatten die Privilegien des 16. und 17. Jahrhunderts keinen (im
heutigen Sinne) urheberrechtlichen Charakter. Nicht der schöpferisch Tätige
sollte
in
deren
Schutz
Interessengegensatz
gelangen.
zwischen
Vielmehr
ging
Drucker/Verleger
und
es
um
seinen
den
(durch
Nachdruck) konkurrierenden Kollegen. Der Gedanke des Privilegienwesens
war also primär der des Gewerbeschutzes, nicht der des Urheberrechts29.
26
Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 69; Rehbinder, § 3, Rn.14; Ulmer, S. 52f.; Gieseke,
S. 14ff.; Bappert, S. 126ff.; Vogel, Sp. 14ff..
27 Privilegien kamen in vier verschiedenen Formen vor: Die sog. Druckprivilegien stellten
ein oft befristetes Privileg zugunsten der Buchdrucker (nicht der Autoren) zur
ausschließlichen Ausübung ihres Gewerbes in einem bestimmten Gebiet dar. Der hierdurch
gewährte Schutz war also ein solcher des Gewerbes der Buchdruckerkunst und hatte nicht
den Schutz geistiger Werke zum Gegenstand. Auch die sog. Bücherprivilegien, die
Verlegern und Druckern zum Schutze einzelner Druckwerke erteilt wurden, sollten den
Absatz der jeweiligen Druckauflage sichern und dienten bestenfalls mittelbar dem Schutz
des Geisteswerkes selbst. Der mit Renaissance und Humanismus aufkommende
Individualitätsgedanke
mit
der
damit
verbundenen
Steigerung
des
Persönlichkeitsbewusstseins kam mit den sog. Autorenprivilegien erstmals zum Anklingen.
Diese Privilegien waren als Belohnung für die geistige Schöpfung gedacht und wurden dem
jeweiligen Urheber erteilt. Man kann die Autorenprivilegien daher als ideengeschichtlichen
Ausgangspunkt der idealistischen Begründung des Urheberrechts betrachten. Schließlich
sind noch die sog. Territorialprivilegien zu nennen. Diese hatten bereits gesetzlichen
Charakter, die zugunsten bestimmter Personengruppen, also nicht einem einzelnen,
allgemeine, d.h. nicht auf ein bestimmtes Werk begrenzte, Nachdruckverbote von
begrenzter Dauer aussprachen. Zum Gesamten Vogel, Sp. 15ff.; Gieseke, S. 39ff.;
Rehbinder, § 3, Rn. 15ff..
28 Zahlreiche Beispiele solcher frühen Privilegien finden sich bei Gieseke, S. 41ff, ferner bei
Bappert, S. 176.
29 So Gieseke, S. 71f.; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 69; Vogel, Sp. 33ff.; Ulmer, S.
52f..Diese Auffassung war Mitte der 60er Jahre nach einer Untersuchung Pohlmanns (vgl.
GRUR 1962, S. 9ff.; ders., Frühgeschichte) umstritten, dürfte mittlerweile allerdings im
Sinne der genannten Ansicht entschieden sein. Ausführlich dazu Gieseke, S. 67ff.; Vogel,
Sp. 33ff..
5
4. Die nationale Gesetzgebung30
In Deutschland erfolgte der Übergang vom Privilegienwesen zu einem
Urheberrecht im Sinne eines gesetzlichen Schutzes geistiger Werke nur
allmählich.
Mit der Emanzipation der naturrechtlich begründeten Lehre vom geistigen
Eigentum im 18. Jahrhundert wendete sich das Urheberrechtsempfinden.
Wenn man zunächst den Nachdruck bestenfalls als Verstoß gegen die
Moral ansah, so empfand man dies zunehmend als Rechtsverletzung. Es
ging also um die Frage, ob der Nachdruck auch ohne Privilegien unstatthaft
sei, dem schöpferischen Werk also schon kraft seiner Natur ein besonderer
rechtlicher Status innewohne oder dieser erst durch den Hoheitsakt des
Privilegs erteilt werde. Die von Rechtswissenschaft und Philosophie31
daraufhin entwickelte Lehre vom geistigen Eigentum führte mehr und mehr
zu der Überzeugung, dass dem kreativen Schöpfer ein geistiges Eigentum
an seinem Werk zustehe, das von der Erteilung von Privilegien unabhängig
sei32.
Die Durchsetzung dieser Überzeugung in der Praxis ließ freilich länger auf
sich warten. Erst allmählich beginnt sich der Schutz durch Privilegien mit
dem unmittelbaren gesetzlichen Schutz geistiger Werke zu vermischen 33,
um schließlich ganz von ihm verdrängt zu werden.
Erst mit Vollendung der staatlichen Einheit durch die Gründung des
Deutschen Reiches 1871 war der Weg frei für eine reichseinheitliche
Gesetzgebung34, die schließlich mit Erlass des heute gültigen Gesetzes
über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) sowie des Gesetzes
über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten
(UrhWG) vom 9. September 1965 ihren vorläufigen Abschluss fand.
30
Vgl. dazu Hirsch, UFITA 36 (1962), S. 23ff.; umfassend Vogel, Sp. 75ff.; Gieseke, S. 83f.,
150ff.,183ff.,203ff..
31 Mit weiterführenden Hinweisen dazu, Ulmer, S. 57; Hubmann, Schöpferischer Geist, S.
70.
32 Vgl. Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 70.
33 Vgl. dazu bspw. das kursächsische Mandat von 1773, welches Bücher unabhängig
davon vor dem Nachdruck schützte, ob sie ein Privileg erhalten hatten oder nicht. Dazu
Gieseke, S. 85f.; Vogel, Sp. 78ff.. Weitere Beispiele für diesen frühen gesetzlichen Schutz
bildet die Wahlkapitulation Leopolds II. (dazu Vogel, Sp. 83ff.) sowie das Verlagsrecht des
preußischen allgemeinen Landrechts von 1794 (dazu Vogel, Sp. 89ff.).
34 Dazu Vogel, GRUR 1987, S. 877ff.; Ulmer, S. 59.
6
5. Die Internationalisierung des Urheberrechts35
Um den Urheberrechtsschutz über die nationalen Grenzen hinaus zu
erweitern, schlossen sich bereits 1886 zehn Staaten, darunter auch
Deutschland, durch die „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der
Literatur und Kunst“ (seit der Revisionskonferenz von 1908 in Berlin spricht
man von der Revidierten Berner Übereinkunft, kurz: RBÜ) zu einem
Staatenverbund zusammen. Durch diese Konvention sicherte jeder Staat
den Angehörigen der anderen Verbandsstaaten denselben Schutz zu, den
seine
Gesetze
den
eigenen
Urhebern
gewähren
(Grundsatz
der
Inländerbehandlung).
Da vor allem die amerikanischen Staaten der RBÜ auf lange Zeit
ferngeblieben waren, wurde 1952 auf Betreiben der UNESCO das sog.
Welturheberrechtsabkommen (WUA) geschaffen, um weltweite Universalität
des Urheberrechtsschutzes zu gewährleisten. Vor allem mit dem Beitritt der
USA zur RBÜ 1989 hat dieses aber keine größere Bedeutung mehr, da das
Schutzniveau des WUA weitaus geringer ist.
Mit Schaffung der World Trade Organization (WTO) 1994 wurde ferner ein
besonderes Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am
geistigen Eigentum, einschließlich des Handels mit Nachahmungen und
Fälschungen (Agreement on Trade-Realted Aspects of Intellectual Property
Rights, Including Trade in Counterfeit Goods = TRIPS) geschlossen, das
seit 1. Januar 1995 mit Wirkung für das Bundesgebiet in Kraft getreten ist.
Den weitaus größten Einfluss auf den bundesdeutschen Gesetzgeber wird
hingegen durch die Richtlinien der EU ausgeübt, die in nationales Recht
überführt werden müssen36. Insbesondere auf die Vorgaben der Richtlinie
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der
verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. Mai 2001,
kurz: Info - RL 2001/29/EG (im Folgenden: Info – RL), wird noch näher
einzugehen sein.
6. Ergebnis
35
36
Dazu Rehbinder, § 4; Ulmer, S. 60ff.; Vogel, GRUR 1987, S. 879ff.
Überblick bei Rehbinder, § 3, Rn. 36.
7
Die aufgezeigte rechtshistorische Entwicklung des Urheberrechts zeigt,
dass das deutsche Urheberrecht insbesondere im europäischen Vergleich 37
eine relativ späte Kodifizierung erhalten hat. Es war damit verstärkt in der
Lage,
die
sich
über die
Jahrhunderte entwickelten
verschiedenen
Urheberrechtstheorien in sich aufzunehmen und eine entsprechend
differenzierte gesetzliche Regelung zu finden38.
II. Theorienbildung zum Urheberrecht
Die
Idee
der
ideellen
und
wirtschaftlichen
Zuordnung
des
Schaffensergebnisses zu seinem Schöpfer, die durch das heutige
Urheberrecht
gewährleistet
entsprechenden
werden
soll,
setzt
Urheberrechtsbewusstseins
den
Bestand
voraus39.
eines
Die
geistesgeschichtliche Entwicklung dieser Idee soll im Folgenden kurz
nachgezeichnet werden. Denn die im Laufe der Jahrhunderte entwickelten
Theorien zur Begründung des Urheberrechts sind nach wie vor als
konstruktive Deutungen des geltenden Rechts, wie auch als theoretische
Fundierung rechtspolitischer Fragestellungen bei der Fortentwicklung des
Urheberrechts von Bedeutung40.
1. Die Theorie vom Verlagseigentum41
Zur Zeit des Privilegienwesens im 16. Jahrhundert entwickelte sich bei
Verlegern und Druckern (nicht bei den Autoren selbst) die Idee vom sog.
Verlagseigentum. Ausgehend von dem durch die steigenden Druck- und
Verlagskosten bedingten unternehmerischen Risiko der Drucker und
Verleger, versuchten diese jenseits der Überlegungen der damaligen
Rechtswissenschaften einen generellen Schutz gegen den gefürchteten
Nachdruck
zu
erreichen.
Angesichts
der
Unzulänglichkeiten
des
Privilegienwesens sowie des Bestrebens um einen Schutz auch nicht
privilegierter Werke, versuchte diese Gruppe einen grundsätzlichen, d.h.
37
Vgl. dazu Gieseke, S. 137ff. m.w.N..
Ulmer, S. 59; Leinemann, S. 23.
39 Vgl. Hubmann, ZUM 1988, S. 8; Fechner, S. 18f..
40 Ulmer, S. 59.
41 Umfassend dazu Gieseke, S. 93ff.; Vogel, Sp. 31ff.; Bappert, S. 217ff..
38
8
von der Erteilung eines entsprechenden Privilegs unabhängigen Schutz von
Druckwerken zu etablieren42.
Inhaltlich besagt die Theorie vom Verlagseigentum folgendes: Derjenige,
der eigenen Arbeits- und Kostenaufwand betreibt, um ein vom Autor in
redlicher Weise erstandenes Werk zu verlegen und zu drucken, dem
gebühre ein eigentumsähnliches Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht43.
Der Grundgedanke dieses Ansatzes war der des Gewerbeschutzes44.
Der Gedanke vom Verlagseigentum stellt insofern den größten Schritt in
der Entwicklung des Urheberrechts dar, als dieser eine Abkehr von dem bis
dato allgemein anerkannten Grundsatz der Nachdruckfreiheit45 bedeutete.
Durch Privilegien erteilte Nachdruckverbote wurden bislang als besonderes
Vorrecht - eben als Privileg - betrachtet, welches die allgemeine
Handlungsfreiheit einschränkte. Die allgemeine Handlungsfreiheit erlaubte
hingegen
den
uneingeschränkten
Nachdruck.
Die
Lehre
vom
Verlagseigentum stellt dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis auf den Kopf: Die
dem Feudalgedanken einer absolutistischen Epoche folgende, mehr oder
minder willkürliche Gewährung von Privilegien durch den jeweiligen
Landesherren46
soll
durch
das
Prinzip
einer
grundsätzlichen
Schutzwürdigkeit - also einer solchen, die vom Bestand eines hoheitlichen
„Gnadenaktes“ unabhängig ist - ersetzt werden47.
2. Die Theorie vom geistigen Eigentum48
Die Theorie vom geistigen Eigentum, die man bis heute als den ersten
Bannerträger des vermögensrechtlichen Urheberrechtsanspruch betrachten
muss49, fand ihren Ausgangspunkt in der Debatte über die Zulässigkeit des
42
Gieseke, S. 93; Bappert, S. 217f..
Gieseke, S. 93; Bappert, S. 218f.; Fechner, S. 32.
44 Vogel, Sp. 33; Gieseke, S. 93; vgl. auch Bappert, S. 223f, 225. Konstruktiv fand dies
dadurch Ausdruck, dass das eigentumsähnliche Verlagsrecht nicht derivativ aus dem
Manuskriptkauf erworben wurde, sondern originär den erbrachten Investitionen der Drucker
und Verleger entstammen sollte, vgl. Bappert, GRUR 1961, S. 507. In nur wenigen Fällen
ohne überörtliche Bedeutung fand diese Lehre Niederschlag in geltendem Recht
45 Hubmann, Urheberrecht, § 3 II 3.
46 Troller, Immaterialgüterrecht, S. 19f..
47 Vgl. Gieseke, S. 93f.; Bappert, S. 218.
48 Umfassend dazu Gieseke, S. 115ff., 157ff.; Bappert, S. 254ff.; Vogel, Sp. 63ff.; Fechner,
S. 40ff..
49 So Bappert, S. 257; in diesem Sinne auch Ulmer, S. 106.
43
9
Nachdrucks, welcher im ausgehenden 18. Jahrhundert zu einem der meist
diskutierten Rechtsprobleme seiner Zeit wurde.
Inhaltlich geht die Theorie vom geistigen Eigentum zum ersten Mal von
einem ausschließlichen Recht des Urhebers an seinem Werk aus und
kennzeichnet
damit
den
Beginn
moderner
urheberrechtlicher
Vorstellungen50. Der bislang auf körperliche Gegenstände beschränkte
Begriff des Eigentums wird nun auch auf nichtkörperliche Gegenstände
erstreckt und soll somit die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, sein
diesbezügliches personenbezogenes Vollrecht umschreiben51. Somit wird
zum ersten Mal dem Urheber als geistigem Schöpfer ein eigenes und
ursprüngliches Nutzungsrecht an seinem Geisteswerk eingeräumt52. Das
Werk gehört nicht der Allgemeinheit oder dem Verleger, sondern dem
Urheber, dem es zu danken ist53. Die bislang nicht vollzogene Trennung
zwischen Werk und Werkstück als zwei verschiedenen Objekten des
Rechtsverkehrs wird anerkannt54. Anders als noch in der Theorie vom
Verlagseigentum ist das Recht des Verlegers und Druckers nur ein vom
Urheber abgeleitetes Recht. Das Nutzungsrecht an einem Geisteswerk wird
also dank der Theorie vom geistigen Eigentum vom Verlegerrecht zum
Recht des Urhebers55.
Konzeptionell setzt die Theorie vom geistigen Eigentum damit juristisch um,
was die christliche Naturrechtslehre des Mittelalters und die Arbeitstheorie
von John Locke philosophisch begründeten:
Thomas von Aquin zufolge steht dem Menschen für Güter, die er durch
seine Arbeit geschaffen hat, ein Eigentumsrecht, ein Herrschafts- und
Verfügungsrecht (ius proprietatis) zu. So wie Gott seine Herrschaft über die
Welt durch deren Schöpfung begründe, so schaffe auch der Mensch durch
seine Bearbeitung der Dinge eine persönliche Verbindung zwischen ihm
und dem von ihm geschaffenen Gut und lege damit etwas Persönliches
hinein, das die so entstandenen Güter zu einem von niemand verletzbaren
50
Gieseke, S. 115; Fechner, S. 40.
Vgl. Dölemeyer/Klippel, S. 198f.; Fechner, S. 40; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 70.
52 Bappert, S. 254.
53 Ulmer, S. 105.
54 Ann, GRUR Int. 2004, S. 598; vgl. auch Fechner, S. 40.
55 Bappert, S. 256.
51
10
Eigen mache56. Diese Lehre findet ihre Vertiefung in der Arbeitstheorie von
John Locke, der zufolge der Mensch das Ergebnis seiner zur Um- oder
Neugestaltung einer ursprünglichen naturgegebenen Sache aufgewendeten
Arbeit als Eigentum beanspruchen darf57. Diese Begründung des Eigentums
hat bis heute seine Berechtigung auch für das Urheberrecht nicht verloren58.
Die Theorie vom geistigen Eigentum brachte vor allem in zweifacher
Hinsicht dogmatische Fortschritte. Zum einen wurde die Berechtigung des
Urhebers an seinem Werk vorfindlich gestellt. Entgegen dem bis dato
geltenden Grundsatz der Nachdruckfreiheit wurde also unabhängig vom
Bestand eventueller Privilegien für jeden Nachdruck die Zustimmung des
Verfassers erforderlich. Zum anderen wurde die Trennung zwischen Werk
und dem dies verkörpernden Werkstück vollzogen.
3. Die Theorie vom Persönlichkeitsrecht59
Bei allen Fortschritten, die der Theorie vom geistigen Eigentum zur
Entwicklung des Urheberrechts zugute gehalten werden müssen, ist sie
doch infolge der Fixierung auf die Begriffe Eigentum und Arbeit zu sehr in
körperlichen Vorstellungen gefangen. Die ideellen Interessen des Urhebers
werden nicht ausreichend gewürdigt, auch eine Unterscheidung zwischen
geistigem Gemeingut und individuellen Gut lässt sich dieser Lehre nicht
entnehmen60. Ausgehend von der Schrift Immanuel Kants über die
Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks61, wurde vor allem von Otto von
Gierke die Theorie vom Persönlichkeitsrecht entwickelt62.
Dieser erklärt das Urheberrecht zum „besonderen Persönlichkeitsrecht“ und
damit zu einem Ausdruck des von ihm propagierten allgemeinen
56
Vgl. Decker, S. 23f. m.w.N..
Vgl. Locke, in: Zwei Abhandlungen über die Regierung, S. 218. Anders als bei Aquin
ergibt sich bei Locke dieses Prinzip aus der Verpflichtung des Menschen zur
Selbsterhaltung, welcher er primär dadurch gerecht wird, dass er sein Leben durch Arbeit
verwirklicht und demzufolge allein die menschliche Arbeit originärer und rechtmäßiger
Erwerbsgrund für das Eigentum ist, vgl. Decker, S. 20f..
58 Vgl. Fechner, S. 41; Decker, S. 15; Gieseke, S. 131f..
59 Umfassend dazu Vogel, Sp. 69ff..
60 Zur Kritik: Rehbinder, § 3, Rn. 26; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 71f.; Fechner, S.
48f..
61 Nachdruck in UFITA 106 (1987), S. 137ff..
62 Nachdruck in UFITA 125 (1994), S. 103ff..
57
11
Persönlichkeitsrechts63. Die durch die Theorie vom geistigen Eigentum
geschützten
materiellen
persönlichkeitsrechtlichen
Interessen
Komponente
sollen
des
nur
Folge
Urheberrechts
sein.
der
Der
vermögensrechtliche Schutz geistiger Werke wird in einen Schutz der
persönlichen Interessen des Urhebers umgewandelt64.
Diese Verabsolutierung des Gedankens des Persönlichkeitsrechts trägt
aber zum einen der Tatsache wenig Rechnung, dass für den Urheber
geistiger Werke in der Regel finanzielle Interessen im Vordergrund stehen.
Zum anderen löst sich trotz individueller Prägung das Werk allmählich von
der Persönlichkeit des Schöpfers und wird mit Ablauf der Zeit zum
selbständigen Geistesgut, das im Wirtschaftsverkehr eine eigenständige
Rolle spielt. Das Urheberrecht muss aber gerade vor diesem Hintergrund für
die Verkehrsfähigkeit und Nutzbarkeit des Werkes sorgen, weshalb ebenso
wenig eine Überbetonung des persönlichkeitsrechtlichen Aspekts des
Urheberrechts sachgerecht ist65.
4. Die Theorie vom Immaterialgüterrecht66
Aus der Einsicht, dass sich das Recht des Urhebers wohl weder als reines
Vermögensrecht noch als reines Persönlichkeitsrecht begreifen lässt,
entstand die Theorie vom Urheberrecht als Immaterialgüterrecht. Dieser
Lehre zufolge ist das Urheberrecht „ein Recht an einem außerhalb des
Menschen stehenden, aber nicht körperlichen, nicht fassbaren Rechtsgut“ 67.
Ihrem Begründer Joseph Kohler zufolge ist zwischen dem ausschließlichem
Urheberrecht an einem Geisteswerk als einem wirtschaftlich verwertbaren
immateriellen Gut einerseits und dem Schutz der persönlichen Beziehungen
des Urhebers zu seinem Werk andererseits zu unterscheiden. Werden die
vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers zu seinem Werk gefährdet,
so wird der Schutz durch die besondere vermögensrechtliche Kategorie des
63
Vgl. Gierke, UFITA 125 (1994), S. 116ff..
Vgl. Rehbinder, § 3, Rn.. 26; Fechner, S. 49.
65 In diesem Sinne übereinstimmend Rehbinder, § 3, Rn. 26; Leinemann, S. 20; Fechner, S.
49.
66 Umfassend dazu Kohler, Autorrecht; Bappert, S. 292ff..
67 Kohler, Urheberrecht, S. 1.
64
12
Urheberrechts, das Immaterialgüterrecht, gewährleistet68. Werden hingegen
die persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk gefährdet, so
wird
der
Schutz
durch
Persönlichkeitsrecht,
das
sog.
gewährt69.
Individualrecht,
Jedoch
gehören
ein
allgemeines
Immaterial-
und
Individualrecht verschiedenen Rechtsgebieten an, beide sind je vom
Schicksal
des
anderen
unabhängig
und
bestehen
selbständig
nebeneinander70.
5. Die monistische Theorie71
Die dualistische Theorie vom Immaterialgüterrecht mit ihrem Gegensatz
zwischen Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrecht, blieb bis zur ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts Grundlage der Rechsprechung72. Gegenüber
dem dualistischen Ansatz Kohlers hat sich dann aber die sog. monistische
Theorie entwickelt.
Diese Lehre geht zwar weiterhin von einem persönlichkeitsrechtlichen und
einem vermögensrechtlichen Element des Urheberrechts aus, sieht diese
beiden Elemente aber als immanente Bestandteile eines einheitlichen
Rechts. Beide wurzeln in einem einheitlichen Rechtsverhältnis, welches mit
dem Gesamtnamen Urheberrecht bezeichnet wird73.
Die praktischen Auswirkungen des monistischen Ansatzes sind erheblich.
So
ergibt
sich
aus
Persönlichkeitsrechten
der
die
grundsätzlichen
zwingende
Unübertragbarkeit
Unübertragbarkeit
von
und
Unverzichtbarkeit des jeweiligen Urheberrechts in seiner Gesamtheit 74. Der
Urheber kann nur über seine Verwertungsrechte und Vergütungsansprüche,
nicht über sein Urheberrecht in toto verfügen.
68
Kohler, Autorrecht, S. 2.
Bappert, S. 299; Rehbinder, § 3, Rn. 27.
70 Bappert, S. 299; Ann, GRUR Int. 2004, S. 599; Leinemann, S. 21.
71 Überblick dazu bei Bappert, S. 301ff..
72 Vgl. dazu RGZ 153, 1 (24): „Und zwar muß dabei [bei der Gesetzesauslegung] beachtet
werden, daß dieses Gesetz dem Urheber kein einheitliches schlechthin umfassendes
Recht, sondern nur eine Reihe bestimmter, ausdrücklich genannter Befugnisse zuerkennt.“
Vgl. auch RGZ 113, 413 (415); 123, 312 (319f.).
73 Bappert, S. 302 m.w.N.; Fechner, S. 51. Eugen Ulmer (Ulmer, S. 116) vergleicht die
beiden Elemente des Urheberrechts mit den Wurzeln eines Baumes, dessen einheitlicher
Stamm das Urheberrecht sei: Die urheberrechtlichen Befugnisse, welche die vermögenswie persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers schützen sollen, seien die Äste
dieses Baumes, die ihre Kräfte bald aus beiden Wurzeln, bald aus einer von ihnen ziehen.
74 Ulmer, S. 116; Ann, GRUR Int. 2004, S. 599f..
69
13
Dem heutigen Urheberrecht liegt die monistische Theorie zugrunde. Dies
findet in § 11 UrhG seinen Ausdruck, demzufolge das Urheberrecht den
Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk wie
auch in der Nutzung des Werks schützt75. Konsequenz dieser Ansicht ist,
dass sich die verfassungsrechtliche Beurteilung des Urheberrechts anhand
verschiedener Grundrechtsartikel nicht nur auf das jeweils eine Element des
Urheberrechts
Aspekte
des
bezieht,
sondern
Urheberrechts
vielmehr
als
die
Ausprägung
verfassungsrechtlichen
eines
einheitlichen
Schutzgedanken zu verstehen sind76.
6. Ergebnis
Der kurze Überblick über die Entwicklung der geistesgeschichtlichen
Grundlagen des modernen Urheberrechts zeigt, dass sich die Idee des
Urheberrechts nicht auf eine einheitliche geistesgeschichtliche Entwicklung
zurückführen lässt. Vielmehr zeigen sich darin differenzierte Ausprägungen
verschiedener ethisch-moralischer Vorstellungen.
Das gilt es bei der verfassungsrechtlichen Bewertung der Anforderungen an
den Gesetzgeber angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung zu
berücksichtigen.
III. Entwicklung der privaten Vervielfältigungsfreiheit im Urheberrecht
Gegenstand
der
vorliegenden
Untersuchung
sind
die
verfassungsrechtlichen Herausforderungen, denen sich der Gesetzgeber
bei der Ausgestaltung des Instituts der Privatkopie angesichts der
fortschreitenden Digitalisierung ausgesetzt sieht.
Um die Vorgaben einer verfassungsgerechten gesetzlichen Regelung
dieses Instituts zu finden, bedarf es einer Darlegung der zugrunde
liegenden Interessenlagen. Ferner sind die wesentlichen rechtshistorischen
Entwicklungsschritte dieses Instituts zu erläutern. Denn die wesentlichen
Beweggründe, die für die Einführung der privaten Vervielfältigungsfreiheit in
75
76
Vgl. Schricker – Schricker, § 11, Rn. 2 m.w.N..
Fechner, S. 51.
14
das UrhG von 1965 maßgebend waren, können auch für die Beurteilung der
heutigen verfassungsrechtlichen Vorgaben fruchtbar gemacht werden.
1. Die von der privaten Vervielfältigungsfreiheit betroffenen Interessen
Das
Vervielfältigungsrecht
bedeutendstes
des
Urhebers
Verwertungsrecht
dar.
stellt
Durch
von
jeher
dessen
die
fortschreitende
Digitalisierung hat dies eine weitere Aufwertung erfahren, da die
Übertragungs- und Rezeptionsvorgänge im digitalen Umfeld technisch
nahezu perfekte Vervielfältigungen in bislang unbekanntem Ausmaß
ermöglichen77.
Die weitest reichende Einschränkung des Vervielfältigungsrechts des
Urhebers erfährt dieses zum Zwecke des privaten Gebrauchs nach § 53
Abs. 1 UrhG78. Diese Vorschrift stellt einen Kristallisationspunkt der
widerstreitenden Interessen dar, welche für das gesamte Urheberrecht von
Bedeutung sind79.
a) Interessen der Urheber
Hier sind an erster Stelle die Interessen der Urheber an einem möglichst
umfassenden gesetzlichen Schutz der materiellen und ideellen Verwertung
ihrer Werke zu nennen. Diese sind in besonderem Maße auf Schutz durch
das
Urheberrecht
angewiesen,
da
ihnen
erst
dieser
ein
Ausschließlichkeitsrecht und - mit der damit verbundenen Werkherrschaft die wirtschaftliche Verwertung ihres Werkes ermöglicht. Somit wird die
ideelle, insbesondere aber die wirtschaftliche Verwertung ihres Werkes als
Existenz sichernde Basis ihrer Lebensführung durch das Urheberrecht
gewährleistet.
Doch schon in der Figur des scheinbar so eindeutig positionierten
Protagonisten des Urhebers zeigt sich die schillernde Wirkung des privaten
Vervielfältigungsrechts: So wird es auch immer Urheber geben, die an einer
Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 3; Wandtke/Bullinger – Lüft, § 53, Rn. 2.
Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn 1..
79 Überblick über die widerstreitenden Interessen im Urheberrecht bei Rehbinder, § 7, Rn.
62ff.; Schack, § 1, Rn. 9ff.; Hohagen, S. 23ff..
77
78
15
möglichst weiten Verbreitung ihrer Werke aus verschiedensten Gründen sei es, um möglichst schnell den ersehnten Popularitätsgrad zu erreichen,
sei es, um möglichst wirkungsvoll gesellschaftliche oder wissenschaftliche
Diskussionen anzustoßen - interessiert sein dürften, ohne etwas von der
wirtschaftlichen Verwertung wissen zu wollen80.
b) Interessen der Werkmittler
Eindeutiger auszumachen scheinen auf den ersten Blick die Interessen der
Werkmittler.
Die Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts schmälert die
Aussichten auf eine (Gewinn versprechende)
Monopolstellung am
jeweiligen Geisteswerk, welche diese zur Amortisation der oftmals nicht
unbeträchtlichen Investitionen benötigen81. Zu berücksichtigen sind aber
auch diejenigen, die gerade von der Vervielfältigungstätigkeit durch Private
leben82. Jede Verschiebung der Grenzen der Privatkopie hat demnach auch
eine Neuaufteilung dieses gemeinsam beherrschten Marktes zur Folge 83.
Auch bei dieser Gruppe lässt sich also eine homogene Ausrichtung der
durch sie vertretenen Interessen nicht ohne weiteres ausmachen. Jedoch
müssen die Belange der Werkmittler, deren Einsatz oft erheblicher
Investitionen84 das Fundament des kulturwirtschaftlichen
Fortschritts
unserer Informationsgesellschaft bildet, die in zunehmendem Maße den
Wert
von
Immaterialgütern
schätzt85,
in
ausreichendem
Maße
Berücksichtigung finden86.
c) Interessen der Allgemeinheit
Angedeutet bei Krüger – Nieland, Urheberrechtsschutz, S. 181; so sei das Beispiel von
Tolstoi angeführt, der im Hinblick auf sein Gesamtwerk sein Urheberrecht aufgab, da er der
Verbreitung seines Oeuvres freies Spiel lassen wollte (Zit. nach Hohagen, S. 38, Fn. 137
m.w.N.)
81 Schack, § 1, Rn. 14; Schricker - Schricker, Einleitung, Rn. 10.
82 So sei beispielsweise an Unterhaltungskonzerne wie Sony und Bertelsmann auf der
einen, an Hersteller von Vervielfältigungshard- und –software oder Unternehmen wie
Napster auf der anderen Seite erinnert. Unternehmen wie Apple vereinen beide hier
angesprochenen Geschäftsfelder.
83 Dazu Schricker – Dreier, Informationsgesellschaft, S. 142.
84 Vgl. bspw. Oliver Burgard, in: Die ZEIT – Sonderbeilage Zeitchancen, Oktober 2005, S.
30: „In vier von fünf neue Künstler investieren die Major Labels mehr, als sie verdienen.“.
85 Vgl. dazu Schricker – Schricker, Einleitung, Rn. 13.
86 So auch Schack, § 1, Rn. 13f; Rehbinder, § 7, Rn. 68; Hohagen, S. 31f..
80
16
Zum einen ist das Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst
uneingeschränkten Urheberschutz nicht zu verkennen: Je umfassender der
rechtliche Schutz von Geisteswerken, desto höher ist der Anreiz zur
Schaffung kultureller Güter, was dem unbestreitbaren Interesse der
Allgemeinheit an geistigem und kulturellen Fortschritt zupass kommt87.
Andererseits ist auch das Interesse der Allgemeinheit an einem nicht zu weit
gehenden
Urheberrechtsschutz
festzustellen.
Da
Geisteswerke
den
(identitätsstiftenden) Kulturbesitz einer Nation bilden, hat die Allgemeinheit
ein berechtigtes Interesse daran, möglichst ungehinderten Zugang zu
dessen Gütern zu haben und möglichst ungehindert diese Geisteswerke
genießen zu können88. Zu diesem Genuss gehört auch die Möglichkeit der
Vervielfältigung zum privaten Gebrauch: Denn in einer Gesellschaft, deren
wirtschaftliche Primärressource zunehmend die Information wird, reicht der
rezeptive, einmalige Werkgenuss häufig nicht aus, um deren Inhalt geistig
zu erfassen und so für eine anschließende Wertschöpfung mit derselben
eine ausreichende Basis zu schaffen89.
Bereits an dieser Stelle ist aber darauf hinzuweisen, dass das Interesse an
einem
ungehinderten Zugang nicht
mit dem Interesse an einem
unentgeltlichen Zugang verwechselt werden darf90. Denn das Interesse der
Allgemeinheit an einer möglichst kostenfreien Versorgung mit Urhebergut
kann kein rechtliches Argument sein91.
d) Interessen der Werknutzer
Das Interesse der Werknutzer an passiver Teilnahme am Geistesleben, um
damit die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu entfalten, ist
unbestreitbar92. Die Verwirklichung dieses Interesses hängt auch von der
Möglichkeit privater Vervielfältigung ab, da der einmalige rezeptive
Werkgenuss oftmals nicht ausreicht, das gegenständliche Geisteswerk
Vgl. Schricker, GRUR 1992, S. 242ff.; ders. – Schricker, Einleitung, Rn. 13f.; Rehbinder,
§ 7, Rn. 65.
88 Vgl. Hubmann, Urheberrecht, § 7 III; BVerfGE 49, 382 (394).
89 Vgl. Hohagen , S. 35 m.w.N..
90 Hubmann, Urheberrecht, § 7 III.
91 Vgl. Schricker, GRUR 1992, S. 245f..
92 Rehbinder, § 7, Rn. 67; Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 121.
87
17
vollumfänglich geistig zu erfassen. Es geht hier also letztlich um die
adäquate Sicherstellung der Benutzung geistigen Eigentums und weniger
um den ungeschützten oder gar unentgeltlichen Zugang zu diesem93.
Aber auch für die aktive Teilnahme am Geistesleben im Sinne eigener
anknüpfender
Werkschöpfung
ist
die
Vervielfältigungsfreiheit
von
Bedeutung, da sich der Werknutzer und künftige Urheber (insbesondere
wissenschaftlicher Werke) nicht sämtliche Werke, auf denen er sein eigenes
späteres Geisteswerk später aufbauen will, selbst kaufen kann. Zur
Verwirklichung der Freiheit des geistigen Schaffens, die sich aus dem im
Kulturstaat aus Art. 5 Abs. I S. 1, Abs. III GG ableitbaren Anspruch auf
Teilnahme am kulturellen Leben94 ergibt, ist demnach die Vervielfältigung
zum privaten Gebrauch gebührend zu berücksichtigen95.
Schützenswerte Interessen der Werknutzer sind ferner diejenigen nach
einem ausreichenden Schutz ihres räumlich abgegrenzten privaten
Lebensbereichs. Dieser wäre bei einem Verbot der privaten Vervielfältigung
im Zusammenhang mit den dann - jedenfalls im analogen wie im
Offline-Bereich - erforderlichen Kontrollmaßnahmen gefährdet96. Im Bereich
der hier besonders zu betrachtenden digitalen Online-Nutzung ist ferner das
Interesse der Werknutzer am ausreichenden Schutz ihres Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung gebührend zu berücksichtigen. Im
Rahmen
von
Digital
Rights
Management-Systemen
können
personenbezogene Daten über die individuelle Nutzung von Geisteswerken
wie auch die Online-Aktivitäten der Nutzer nachvollzogen werden,
weswegen eine Gefährdung dieser grundrechtlich verbürgten Positionen
nicht von der Hand zu weisen97 ist.
2. Entstehungsgeschichte des Instituts der Privatkopie nach § 53 Abs.
1 UrhG 98
93
Vgl. Hohagen, S. 37f..
Benda/Maihofer/Vogel – Maihofer, § 25, Rn. 89ff. m.w.N..
95 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 122; Haberstumpf, Rn. 62.
96 Vgl. die Amtl. Begründung des UrhG von 1965, BT – Drucksache IV/270, S. 71.
97 Diese Gefahr zeigt schon Erwägungsgrund (57) der Informationsrichtlinie RL 2001/29/EG
in aller Deutlichkeit auf. Dazu ausführlich unten Teil 4.
98 Kursorisch dazu Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 1ff.; ausführlich zur Entwicklung ab 1870,
Vogel, GRUR 1987, S. 873ff.;zur Entwicklung ab 1900, Collova, UFITA 125 (1994), S. 53ff.;
zur Entstehung des UrhG von 1965 umfassend, Maracke, Urheberrechtsgesetz; zur
Entstehung der Urheberrechtsnovelle 1985 umfassend, Möller, Urheberrechtsnovelle.
94
18
Im Folgenden sollen die Argumentationsstrukturen dargestellt werden,
welche bei der Einführung des Instituts der privaten Vervielfältigungstätigkeit
nach § 53 Abs. 1 UrhG maßgebend waren. Diese mögen auch heute noch
für die Beurteilung des verfassungsrechtlichen Regelungsauftrags nutzbar
gemacht werden.
a) Die Entstehung des privaten Vervielfältigungsrechts in § 53 Abs. 1
UrhG 1965
Die Entstehungsgeschichte des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September
196599 zeigt, wie uneinheitlich die Positionen in der Frage der Behandlung
der privaten Vervielfältigung waren.
Der Referentenentwurf von 1954 ließ in § 47 noch die Vervielfältigung zum
persönlichen Gebrauch ohne weitere Einschränkung zu. Die Verfasser
mochten
dem
damaligen
Haupteinwand,
die
aufkommenden
Magnettongeräte würden den Rückgang der Einnahmen der Urheber aus
dem Verkauf von Schallplatten bewirken, nicht folgen. Vielmehr werde durch
die Verbreitung der Magnettontechnik ein zusätzliches Musikbedürfnis
geschaffen und befriedigt. Ferner könne ein alternativ zu schaffendes
gesetzliches Verbot der Privatkopie in der Praxis nicht umgesetzt werden,
ohne dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung des Art. 13 GG zu
widersprechen100.
Erst der Ministerialentwurf von 1959 sah in § 50 Ausnahmen für die
Aufnahmen auf Bild- und Tonträgern vor. Zwar wurde am Grundsatz der
privaten Vervielfältigung ohne Zustimmung des Urhebers festgehalten, die
private Vervielfältigung auf Bild- oder Tonträger sollte indes grundsätzlich
nicht gestattet sein101.
Der Regierungsentwurf von 1961 sah schließlich in §§ 54, 55 im Hinblick auf
die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines Verbotes der privaten
Vervielfältigung wiederum die Erlaubnisfreiheit der Privatkopie vor, gewährte
aber dem Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen
99
Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 605ff..
Zum gesamten, Maracke, S. 108, 475f. je m.w.N..
101 Maracke, S. 487f. m.w.N..
100
19
denjenigen, der die Vervielfältigung vornahm oder vornehmen ließ, nicht
hingegen gegen die Hersteller von Vervielfältigungsgerätschaften102. Doch
sah sich diese Regelung im Rechtsausschuss Bedenken ausgesetzt. Die
Praktikabilität
der
Durchsetzung
wurde
in
Frage
gestellt,
da
die
maßgeblichen Eingriffe in Urheberrechte stets im privaten Umfeld erfolgten
und damit eine effektive Durchsetzung des Vergütungsanspruchs nur unter
der Gefahr des Eindringens in die Privatsphäre der Besitzer von
Vervielfältigungsgeräten erfolgen könne103.
Die Regelungen der §§ 53, 54 des verabschiedeten UrhG vom 9.
September 1965 sahen die grundsätzliche Zulässigkeit der Vervielfältigung
zum persönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch vor. In § 54 Abs. 5
UrhG
war
ein
Anspruch
gegen
die
Hersteller
von
Ton-
und
Bildaufzeichnungsgeräten, die zur privaten Vervielfältigung vorgesehen
waren,
begründet.
Dieser
Anspruch
konnte
nur
von
einer
Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden104.
Begründet
wurde
Vervielfältigung
und
die
das
grundsätzliche
System
der
Zulässigkeit
mittelbaren
der
privaten
Erfassung
des
Endverbrauchers wie folgt: Zum einen könne ein Verbot der privaten
Vervielfältigung in der Praxis nicht durchgesetzt werden, ohne dabei dem in
Art. 13 GG verankerten Grundsatz von der Unverletzlichkeit der Wohnung
zu widersprechen105. Zum zweiten, so die Begründung des Gesetzgebers,
102
Maracke, S. 492f. m.w.N..
Vgl. dazu BT – Drucksache IV/3401, S. 8f.. Es war der BGH, der den Weg aus dem
erkanntermaßen unbefriedigenden Kompromiss eröffnete. War bei den Beratungen zum
Ministerialentwurf eine Inanspruchnahme der Gerätehersteller mit dem Argument abgelehnt
worden, ein solcher sei dogmatisch nicht begründbar, da die urheberrechtlich relevante
Nutzung im Privatbereich erfolge, so wurde genau dieser Weg durch das Urteil des BGH
vom 29. Mai 1964 (BGHZ 42, 118ff.) eröffnet. Dieser betonte in der zitierten Entscheidung
die Verantwortlichkeit der Hersteller von Bild- bzw. Tonträgern für die Verletzung
ausschließlicher Vervielfältigungsrechte des Urhebers durch den privaten Verbraucher als
Störer nach § 1004 BGB analog und als Teilnehmer einer unerlaubten Handlung nach §§
36 LUG, 823, 830 BGB (BGHZ 42, 118 (124ff.)). Damit war der Weg frei für die nun
verfolgte Konzeption der mittelbaren Inanspruchnahme der Endverbraucher.
104 Von einer Vergütungspflicht für andere Techniken der privaten Vervielfältigung sah der
Gesetzgeber seinerzeit ab, da jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt keine Beeinträchtigung
des Absatzes urheberrechtlich geschützter Werke durch andere Geräte als jenen
Tonbandaufzeichnungsgeräten erkannt wurde, wenngleich diese Gefahr freilich gesehen
wurde, vgl. Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache IV/270, S. 72,
Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 494.
105 Vgl. Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache IV/270, S. 71f.,
(Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 492f.). Doch wurde schon zum damaligen
Zeitpunkt an dieser Anlehnung des Rechts an der Kraft des Faktischen Kritik geübt. Selbst
wenn die These von der praktischen Undurchführbarkeit zuträfe, so sei dies kein Grund, um
Unrecht zu legalisieren (so Hubmann, UFITA 19 (1955), S. 73f.). Das Bestehen eines
103
20
hätten die Urheber selbst zu erkennen gegeben, dass sie an einem Verbot
der Privatvervielfältigung kein Interesse hätten, sie seien lediglich an einer
angemessenen Vergütung hierfür interessiert106. Das hierfür entwickelte
System der mittelbaren Erfassung der Endverbraucher enthalte zwar eine
jeder Pauschalregelung innewohnende Unbilligkeit im Einzelfall, diese sei
jedoch
wegen
der
Unmöglichkeit
einer
zugleich
praktikablen
und
vollkommen gerechten Lösung einer Rechtlosstellung der Urheber in
diesem Bereich vorzuziehen107. Auch füge sich das System der mittelbaren
Erfassung der Endverbraucher in das sonst im Urheberrecht herrschende
System ein, nach dem der Verwerter, wie zum Beispiel der Verleger oder
Konzertveranstalter, eine Vergütung an den Urheber zahle und diese dann
im Rahmen seiner Preisgestaltung auf den privaten Endverbraucher
abwälze108.
b) Die Entwicklung des privaten Vervielfältigungsrechts bis heute
Die weitere Entwicklung der Technik, insbesondere die raschen Fortschritte
auf dem Gebiet der fotomechanischen Vervielfältigung wie auch die
flächendeckenden Verbreitung der Leerkassette109 führten indes bald dazu,
dass die Interessen der Urheber durch die 1965 getroffenen Regelungen
nicht mehr ausreichend gewahrt waren110.
Rechtsanspruchs könne nicht vom Grade seiner Durchsetzbarkeit abhängig gemacht
werden (so Krüger – Nieland, GRUR 1957, S. 541), ferner dürfe die Wirkung eines
gesetzlichen Verbotes auf den rechtlich denkenden Bürger nicht unterschätzt und für gering
geachtet werden (so Froschmaier, UFITA 23 (1957), S. 66).
106 Vgl. Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache IV/270, S. 71f.,
Abdruck bei Schulze Materialien, Bd. 1, S. 493.
107 Vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucksache IV/3401, S. 9f..
108 Vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drucksache IV/3401, S. 8.
109 So lag beispielsweise die Anzahl der Fotokopien 1983 bei ca. 25 Milliarden Blatt, von
denen rund 20 %, also ca. fünf Milliarden Blatt, von urheberrechtlich geschütztem Material
hergestellt wurden, vgl. Nordemann, GRUR 1985, S. 841. Ähnlich dramatisch stellte sich
die Entwicklung im Bereich der Vervielfältigung der Tonträger dar: Bereits 1975 ging die
GEMA von ca. 100 Millionen verkauften Leerkassetten gegenüber 170 Millionen verkauften
Schallplatten und 25 Millionen verkauften Musikkassetten aus (vgl. Dietz, GRUR 1978, S.
463 m.w.N.); erstaunlicherweise geht die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs
vom 22.12.1983 nur von einer Verkaufszahl von 85 Millionen Stück für das Jahr 1981 aus
(vgl. BT-Drucksache X/837, S. 10, Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 664f.).
110 Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 6; Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs vom
22.12.1983 in BT-Drucksache X/837, S. 10f.; Flechsig, NJW 1985, S. 1994.
21
Durch die Urheberrechtsnovelle vom 24. Juni 1985111 wurde das
Vergütungssystem weiter ausgebaut und vor allem um eine kombinierte
Geräte- und Leerkassettenabgabe für die Vervielfältigung im Ton-,
Bildbereich
sowie um eine kombinierte Geräte-/Großbetreiberabgabe für
die fotomechanische Vervielfältigung ergänzt. Durch diese Einbeziehung
von Bild- und Tonträgern in das Vergütungssystem sollte zweierlei erreicht
werden: Zum einen sollte die tatsächliche Nutzung urheberrechtlich
geschützter Werke genauer erfasst werden, wofür der Verkauf der
jeweiligen Speichermedien einen wirklichkeitsgerechteren Maßstab bildet,
als das bloße Abstellen auf den Verkauf von hierzu geeigneten Geräten112.
Zum anderen sollte weitestgehende Belastungsgerechtigkeit sowohl der
Geräte- wie auch der Speichermedienhersteller hergestellt werden: Die
Belastung alleine der Gerätehersteller wie bisher wurde nämlich dem
Gedanken der Mitveranlassung von Urheberrechtsbeeinträchtigungen auch
durch die Speichermedienhersteller nicht gerecht113.
Der
Grundsatz
der
privaten
Vervielfältigungsfreiheit blieb
hingegen
erhalten114.
Durch das 2. Urheberrechtsänderungsgesetz vom 9. Juni 1993115 wurde
das
bis
dato
geltende
pauschale
Vervielfältigungsverbot
für
Datenverarbeitungsprogramme in § 53 Abs. 4 S. 2 UrhG 1985 aufgehoben
und durch die Vorschriften der §§ 69c ff. UrhG als leges speciales geregelt.
Mit Erlass des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und
anderer Gesetze vom 24. Juli 1995116 wurde der bisherige § 54 UrhG 1985
durch die Vorschriften der §§ 54 bis 54 h UrhG ersetzt. Diese
Gesetzesänderung
diente
neben
der
Erleichterung
des
formalen
Verständnisses der Regelungen auch der Anpassung des Urheberrechts an
111
Abdruck bei Schulze, Materialien, Bd. 1, S. 722; umfassend zum gesamten Thema,
Möller.
112 Vgl. Möller, S. 31; Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs vom 22.12.1983 in BTDrucksache X/837, S.18.
113 Vgl. Möller, S. 31; Amtl. Begründung des Regierungsentwurfs vom 22.12.1983 in BTDrucksache X/837, S. 17f..
114 Dazu Überblick bei Möller, S. 26ff.; Flechsig, NJW 1985, S. 1994f.; zu den erneut stark
divergierenden Positionen bei der Frage der grundsätzlichen Behandlung des privaten
Vervielfältigungsrechts, vgl. Möller, S. 24ff.. Eine weitere Änderung des UrhG erfolgte durch
das ProduktpiraterieG vom 7. März 1990, welches die Hinweispflicht in Rechnungen auf
urheberrechtliche Vergütungen und eine doppelte Vergütungspflicht bei unrichtiger
Auskunftserteilung einführte.
115 Abgedruckt bei Schulze, Materialien, Bd. 2, S. 856ff..
116 Abgedruckt bei Schulze, Materialien, Bd. 2, S. 881ff..
22
die veränderten Bedingungen des europäischen Binnenmarktes117. Durch
das IuKDG vom 22. Juli 1997118 machte der bundesdeutsche Gesetzgeber
von der Kann-Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 lit. a der Datenbankrichtlinie RL
96/9/EG vom 11. März 1996 Gebrauch und nahm in einem neuen Abs. 5
des
§
53
UrhG
lediglich
elektronische
Datenbanken
von
der
Schrankenregelung zugunsten des privaten Gebrauchs aus.
B. Fragestellung und Gang der Untersuchung
I. Fragestellung
Die Digitalisierung der Informationslandschaft stellt - ebenso wie die
Erfindung
des
Buchdruckes
Magnettonbandgeräten
Urheberrecht,
sich
-
eine
den
oder
(weitere)
veränderten
die
Verbreitung
Herausforderung
tatsächlichen
an
von
das
Verhältnissen
anzupassen119. Nur wenn sich das Urheberrecht als flexibel genug erweist,
mit der immer rascheren technischen Entwicklung adäquat Schritt zu halten,
kann es seinem eigentlichen Auftrag - nämlich der Zuordnung von
Geisteswerken an deren jeweilige Urheber den Gerechtigkeitsvorstellungen
einer Gesellschaft entsprechend120 - gerecht werden.
1. Begriff und Auswirkungen der Digitalisierung für den Bereich
privater Vervielfältigung
a) Begriff der Digitalisierung
117
So wurde das bisherige, an das öffentlich-rechtliche Außenwirtschaftsrecht geknüpfte
System der Einfuhrkontrollmeldungen durch eine Meldepflicht privatrechtlichen Charakters
ersetzt; vgl. Diemar, S. 59; Schricker – Loewenheim, §. 53, Rn. 7.
118 BGBl. I S. 1870.
119 Vgl. dazu bspw. BT – Drucksache XIV/3972, S. 11: „Die Verbreitung von
Digitaltechnologien stellt das Urheberrecht vor neue Herausforderungen.“.
120 Das BVerfG beschreibt die konstituierenden Merkmale des Urheberrechts als Eigentum
im Sinne des Grundgesetzes mit dessen Funktion als „grundsätzliche Zuordnung des
vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege der
privatrechtlichen Normierung und seine [des Urhebers] Freiheit, in eigener Verantwortung
darüber verfügen zu können“, vgl. BVerfGE 31, 31 (240f.). Die ökonomische Notwendigkeit
der Zuordnungsfunktion der „Idee“ vom (geistigen) Eigentum zeigt Lehmann, GRUR Int.
1983, S. 358ff..
23
Unter
dem
Begriff
der
„Digitalisierung“
ist
die
Darstellung
eines
Geisteswerks in Form eines binären, d.h. aus Nullen und Einsen
bestehenden Codes zu verstehen. Aus einem körperlichen Werk werden mit
Hilfe der Digitalisierung technisch kompatible Informationen, die im Ergebnis
mit Hilfe der digitalen Technik am jeweiligen Bestimmungsort erneut zu
einem körperlich wahrnehmbaren Werkstück werden121. Die Digitalisierung
betrifft also nur die äußere Erscheinung eines Werkes, das Werk als
geistige Wesenheit wird hiervon nicht berührt 122 .
Das für seine gravierenden Auswirkungen entscheidende Charakteristikum
der Digitalisierung ist, dass jede denkbare Art von Geisteswerken in eine
Vielzahl technisch völlig identischer Informationen – jenen aus Nullen und
Einsen bestehenden „Bits“ – umgewandelt werden kann, deren technische
Struktur völlig identisch ist. Diese Informationen sind dergestalt miteinander
kompatibel, dass sie alle mit- und untereinander beliebig kombiniert,
manipuliert und weitergeleitet werden können. Jede denkbare Art geistiger
Werke kann damit auf ein und demselben materiellen Träger gespeichert
und entsprechend bearbeitet
Verteilerstruktur
ohne
werden und über ein
Qualitätsverlust
verbreitet
und dieselbe
werden123.
Mittels
Digitalisierung ist es möglich geworden von urheberrechtlich geschützten
Werken
ohne
Qualitätsverlust
und
ohne
besonderen
Zeit-
und
Kostenaufwand digitale Vervielfältigungsexemplare herzustellen. Diese sind
angesichts der zunehmenden weltweiten Vernetzung theoretisch in der
Lage mit nur einem Vervielfältigungsexemplar die weltweite Nachfrage an
dem betreffenden Werk zu befriedigen124. Noch nie war es so leicht möglich,
ein von der Vorlage kaum mehr unterscheidbares Vervielfältigungsexemplar
so kostengünstig und qualitativ hochwertig zu erstellen und dieses weltweit
zu verbreiten.
b) Auswirkungen der Digitalisierung
121
Zum Begriff umfassend, Lehmann, Internetrecht, S. 26f m.w.N.; Schricker,
Informationsgesellschaft, S. 19; Maus, S. 31, 33.
122 Schricker, Informationsgesellschaft, S. 31.
123 Dazu Becker/Dreier, Digitale Technologie, S. 125f; Lehmann, Internetrecht, S. 26f.; BT –
Drucksache XIV/3972, S. 12.
124 Vgl. Hohagen, S. 43 m.w.N.; Maus, S. 59ff..
24
Dass diese Entwicklung nicht ohne Auswirkungen auf den Markt
urheberrechtlich geschützter Werke bleibt, ist nicht weiter erstaunlich.
Am Beispiel der besonders betroffenen Musikwirtschaft lässt sich dies
eindrucksvoll illustrieren125: So wurden 2003 in Deutschland geschätzte 325
Millionen CD-Rohlinge mit Musik bespielt, was gegenüber dem Vorjahr
einen Zuwachs von ca. 26 % bedeutete. Von den insgesamt 21, 4 Millionen
Personen, welche diese Vervielfältigungsstücke anfertigten, verfassten 12,7
Millionen auch für Nichtangehörige des eigenen Haushalts digitale Kopien,
was einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 59, 5 % entspricht. Im
Bereich des Musikdownloads aus dem Internet zeichnet sich für das Jahr
2003 ein vergleichbares Bild ab. Aus ausschließlich illegalen Quellen
wurden 602 Millionen Musikstücke herunter geladen. Die Zahl derjenigen,
welche den Musikdownload via Internet betreiben, wuchs im Vergleich zum
Vorjahr um 14 % auf 7, 3 Millionen Nutzer an. 98,3 % dieser Personen
benutzten bei ihrer Downloadaktivität keinen kostenpflichtigen Anbieter.
Dass der mit dem flächendeckenden Einzug der Digitaltechnik zu
verzeichnende Umsatzrückgang126 der genannten Branche mit der stetigen
Zunahme der privaten digitalen Vervielfältigungspraxis in unmittelbaren
Zusammenhang steht, wird von niemandem ernsthaft bestritten.
Angesichts dieses Bedrohungspotentials versuchen die Rechteinhaber –
getreu der Maxime Clarks: „ The answer to the machine is in the
machine“127 – das Potenzial der Digitaltechnik zu ihren Gunsten zu nutzen.
So greifen sie zur elektronischen Selbsthilfe und versuchen durch
technische Schutzmaßnahmen eine private Vervielfältigung von vorneherein
ganz auszuschließen (so im Wege von Kopierkontrollen) oder zumindest die
private
Nutzung
(primär
zum
Zwecke
der
Sicherung
einer
Vgl. dazu die Brenner – Studie 2004, welche die GfK im Auftrag der deutschen
Phonoverbände unter repräsentativer Befragung von 10 000 Teilnehmern erstellt hat. Darin
wurden sowohl das private Kopieren von Musikwerken auf digitalen Speichermedien wie
auch der Musikdownload aus dem Internet erfasst. Als PDF - Format zum Download unter
www.ifpi.de (Stichwort: Brennerstudie 2004) erhältlich (abgerufen am 15. Dezember 2004).
126 So ging der Umsatz gemessen an Endverbraucherpreisen im Jahr 2003 um 19,8 %
gegenüber dem Vorjahr zurück. Ein Trend, sich auch für die Jahre 2002 und 2001
feststellen lässt. Vgl. dazu die Absatzzahlen der Phonowirtschaft, abrufbar unter
www.ifpi.de (Stichwort: Wirtschaft) (abgerufen am 15. Dezember 2004).
127 Hugenholtz, Digital Environment – Clark, S. 139ff..
125
25
Nutzungsvergütung)
im
Wege
von
Digital
Rights
–
Management
Systemen128 (DRM – Systemen) möglichst umfassend zu kontrollieren129.
Abstrakt formuliert, lässt sich die durch die Digitalisierung geschaffene
Ausgangslage
wie
folgt
umschreiben.
Die
Rechteinhaber
fürchten
angesichts der oben umrissenen Möglichkeiten der Digitaltechnik den
weitgehenden Kontrollverlust im Hinblick auf die private Nutzung der
geschützten Werke. Konsequent plädieren sie daher für eine Ausdehnung
ihrer ausschließlichen Verwertungsbefugnisse bis hin zur Rückkehr eines
Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers an seinem Werk im digitalen
Bereich130. Anders auf Seiten der Werknutzer. Jene fürchten durch
technische
Zugangssperren
und
prohibitiv
hohe
Preise
in
einer
wissensorientierten Informationsgesellschaft von verfügbaren Informationen
ausgeschlossen zu werden. Sie treten daher für einen gesetzlichen
Mindeststandard zur Gewährleistung von „Nutzerrechten“ ein, um die
Bildung von Informationsmono- oder -oligopolen zu verhindern131.
2.
Herausforderungen
an
den
Gesetzgeber
angesichts
der
zunehmenden Digitalisierung im Bereich privater Vervielfältigung
Die Dichotomie zwischen dem durch die Digitalisierung geschaffenen
Schutz sowie der Bedrohung von Urheberrechten auf der einen und den
Allgemeininteressen
auf
der
anderen
Seite132
-
so
zeichnet
die
Digitalisierung ebenso für die erleichterte Piraterie urheberrechtlich
relevanter Inhalte im Wege privater Vervielfältigung verantwortlich, wie auch
für den Versuch der Rechteinhaber, die rechtmäßige Nutzung von Werken
durch Private über Gebühr einzuschränken133 - stellt an den Gesetzgeber
neue Herausforderungen.
Wenn das geltende Urheberrecht einen angemessenen Ausgleich zwischen
betroffenen Interessengruppen134 angesichts der veränderten tatsächlichen
128
Zum Begriff umfassend Bechtold, Informationsrecht, S. 2ff..
Vgl. Hohagen, S. 44f.; Schack, ZUM 2002, S. 497f..
130 Vgl. Däubler-Gmelin, ZUM 1999, S. 770f.; Hohagen, S. 43.
131 Vgl. Däubler-Gmelin, ZUM 1999, S. 770f.; Hohagen, S. 43f..
132 Vgl. dazu Becker/Dreier – Dreier, S. 123f..
133 Vgl. Becker/Dreier – Dreier, S. 140f.; Dreier, CR 2000, S. 46f..
134 Die private Vervielfältigungsfreiheit stellt sich als Ergebnis eines notwendigen
Interessenausgleichs zwischen Urhebern, Werkvermittlern, Allgemeinheit und Werknutzern
129
26
Bedingungen privater Vervielfältigungstätigkeit indes nicht mehr wahren
kann,
so
ist
der
Gesetzgeber
zur
Neujustierung
dieses
Interessensausgleichs berufen135.
Den bindenden Vorgaben des Grundgesetzes, aber auch denjenigen des
internationalen und europäischen Rechts, denen der Gesetzgeber bei
Ausführung
seines
Vervielfältigungsrecht
Regelungsauftrag
unterworfen
ist,
betreffend
bilden
den
das
private
Gegenstand
der
vorliegenden Untersuchung. Dabei ist dem stetigen Bedeutungszuwachs
des
Urheberrechts
postindustriellen
angemessen
Wissens-
und
Rechnung
zu
tragen:
In
Informationsgesellschaft
unserer
werden
unkörperliche Produkte und Dienstleistungen zunehmend zur Basis
wirtschaftlicher Prosperität136 wie persönlicher Freiheitsentfaltung. Auch die
steigende Nachfrage einer „Freizeitgesellschaft“, der stetig mehr Freizeit zur
Verfügung steht, nach Information und Unterhaltung – klassische Domänen
der „Urheberrechtsindustrie“ – wirkt an einer Zunahme der Bedeutung des
Urheberrechts mit137.
3. Begriff der privaten Vervielfältigung
Um die Reichweite verfassungsrechtlicher Vorgaben zur Reglung privater
Vervielfältigungstätigkeit von urheberrechtlichen Werken beurteilen zu
können, ist die begriffliche Klärung notwendig, was unter „privater
Vervielfältigung“ überhaupt zu verstehen ist. Nur so können Eingriffe in
verfassungsrechtliche
Vervielfältigungstätigkeit,
Positionen
wie
der
Urheber
auch
durch
private
verfassungsrechtliche
Rechtfertigungsgründe, welche zugunsten der Vervielfältigungstätigkeit
angeführt werden können, überhaupt beurteilt werden.
Unter „privater Vervielfältigung“ urheberrechtlich geschützter Werke sollen
in der vorliegenden Untersuchung nur solche Vervielfältigungshandlungen
dar, vgl. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 1; Hohagen, S. 46; Möhring/Nicolini – Decker,
§ 53, Rn.1.
135
Im Hinblick auf den Schutz geistigen Eigentums plädiert hierfür Kirchhof,
Gesetzgebungsauftrag, S. 37. Im Hinblick auf den Schutz der Interessen der Werknutzer
plädiert hierfür Hohagen, S. 46.
136 Vgl. Schricker – Schricker, Einl., Rn.9; Dreier, CR 2000, S. 45.
137 Schricker – Schricker, Einl., Rn. 9.
27
fallen, welche unter Vervielfältigungsbegriff des derzeit gültigen § 53 Abs. 1
UrhG zu subsumieren sind.
Unter § 53 Abs. 1 UrhG entfällt nur die Vervielfältigung - also die erstmalige
Verkörperung eines Werkes oder die körperliche Vervielfachung eines
bereits verkörperten Werkes - eines urheberrechtlichen Werkes „zum
privaten Gebrauch“. „Privater Gebrauch“ im Sinne dieser Vorschrift ist der
Gebrauch
in
Bedürfnisse
der
durch
Privatsphäre
die
eigene
zur
Befriedigung
Person,
aber
rein
auch
persönlicher
zugunsten
der
Bedürfnisbefriedigung der mit ihr durch ein persönliches Band verbundenen
Personen138. Eine Vervielfältigung zu jenem privilegierten Gebrauch liegt
hingegen
nicht
mehr
vor,
wenn
diese
beruflichen
oder
erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient139.
Vom Untersuchungsgegenstand ausgenommen ist die Vervielfältigung zum
„sonstigen eigenen Gebrauch“ im Sinne des § 53 Abs. 2 UrhG sowie die
Vervielfältigung zum „Unterrichts- und Prüfungsgebrauch“ im Sinne des § 53
Abs. 3 UrhG140.
II. Gang der Untersuchung
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sollen jene rechtlichen
Vorgaben sein, nach denen sich der Gesetzgeber bei der Neugestaltung
eines
angemessenen
Regelungsmodells
der
privaten
Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich geschützter Werke zu richten hat.
Der nationale Gesetzgeber ist als Recht setzendes Organ grundsätzlich nur
der Bindung an die Vorgaben des Grundgesetzes unterworfen 141.
Konsequenterweise werden im Fortgang der Untersuchung diejenigen
verfassungsrechtlichen
Vorgaben
herausgearbeitet,
welche
für
die
Vgl. Amtl. Begründung zur Novelle 1985, BT – Drucksache X/837, S. 9; BGH GRUR
1978, S. 474f.; Wandtke/Bullinger – Lüft, § 53, Rn. 14; Schricker – Loewenheim, § 53, Rn.
12 je m.w.N..
139 Vgl. dazu soeben vorherige Fußnote.
140 Dazu bspw. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 17ff. und 35ff.; Wandke/Bullinger – Lüft,
§ 53, Rn. 15ff. und 28ff..
141 Vgl. Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG. Dazu umfassend Kremser/Leisner, § 6, Rn.
61ff.; Ossenbühl, Rechtsquellen, Rn. 26ff..
138
28
einfachgesetzliche
Ausgestaltung
privater
Vervielfältigungstätigkeit
urheberrechtlicher Werke von Bedeutung sind142.
Daneben ist der Gesetzgeber auch zur Beachtung völkerrechtlicher und
europarechtlicher Vorgaben verpflichtet143. Folglich sollen auch deren
Anforderungen an die nationale Ausgestaltung eines urheberrechtlichen
Privatvervielfältigungsinstituts Berücksichtigung finden144.
Zuletzt sollen die so gefundenen Vorgaben an den nationalen Gesetzgeber
in einer Gesamtbetrachtung zusammengeführt werden und so der
verfassungsrechtliche Rahmen herausgearbeitet werden, nach dem sich der
Gesetzgeber bei der Neugestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit
urheberrechtlicher Werke zu richten hat145.
142
Unten Teil 2 hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes der Urheber, Teil 4
hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes der Werknutzer.
143 Dazu Ossenbühl, Rechtsquellen, Rn. 64ff..
144 Unten Teil 3 hinsichtlich des Schutzes der Urheber, Teil 5 hinsichtlich des Schutzes der
Werknutzer.
145 Unten Teil 6.
29
Teil 2: Der verfassungsrechtliche Schutz des Urhebers
Die Regelung der privaten Vervielfältigungsfreiheit in den §§ 53 Abs. 1, 54
ff. UrhG ist das Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen Urhebern,
Werkmittlern, Allgemeinheit und Werknutzern146. Insbesondere angesichts
der
Herausforderungen
der
Digitalisierung
ist
es
Aufgabe
des
Gesetzgebers, dieses Interessenviereck erneut zu justieren und in einen
angemessenen, verfassungsgerechten Ausgleich zu bringen147.
Der Gesetzgeber ist bei der Findung dieses Ausgleichs an die Gesamtheit
der grundgesetzlichen Normen, also insbesondere an die Grundrechte,
gebunden148.
Dies
gilt
auch
für
die
Kodifizierung
von
Privatrechtsverhältnissen149, da die Grundrechte nicht nur als Abwehrrechte
gegen den Staat konzipiert sind, sondern als objektive Wertordnung dem
Gesetzgeber bei seiner Tätigkeit eine zu beachtende Richtlinie bilden 150.
Das Verfassungsrecht gibt also den bindenden Rahmen für den
Gesetzgeber vor, den dieser bei der Ausgestaltung der privaten
Vervielfältigungsfreiheit zu beachten hat.
A. Bedeutung des Verfassungsrechts für den Urheber im Überblick
Das Grundgesetz kennt mit Ausnahme des Art. 79 Nr. 9 GG, der eine
kompetenzrechtliche Frage betrifft, keine Vorschrift, die sich mit dem Schutz
oder der Anerkennung des Urheberrechts ausdrücklich auseinandersetzt.
Der verfassungsrechtliche Schutz geistiger Werke erfolgt vielmehr durch die
Gewährleistung verschiedener Einzelgrundrechte der Urheber151.
Die Zentralnorm zum Schutz von Urheberrechten im Grundgesetz ist die
Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Sie umfasst vornehmlich den Schutz der
wirtschaftlichen
Verwertung
geistigen
Eigentums.
Dieser
vermögensrechtliche Schutz wird durch den Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, ergänzt.
146
Dazu oben Teil 1, A. III. 1..
Vgl. dazu BVerfGE 79, 1 (26) mit Verweis auf BVerfGE 31, 225 (265).
148 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Bd. 2, Art. 20, Rn. 240.
149 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Bd. 1, Art. 1, Rn. 192; BVerfGE 7, 198 (205).
150 Grundlegend BVerfGE 7, 198 (204f.); vgl. auch Riedel, S. 19; Metzger, S. 89ff.; Classen,
S. 146, 148.
151 Maunz, GRUR 1973, S. 107; Fechner, S. 186; Hohagen, S. 269 je m.w.N..
147
30
Weiterhin wird der Schutz geistiger Werke durch die Freiheit der
Wissenschaft und Kunst, Art. 5 Abs. 3 GG, jedenfalls teilweise gewährt 152.
Entgegen der bereits erwähnten monistischen Theorie, die dem UrhG
zugrunde liegt und die vom Urheberrecht als einem einheitlichen Recht
ausgeht153, wird hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Schutzes von
Urheberrechten
strikt
zwischen
persönlichkeitsrechtlichen
und
vermögensrechtlichen Bestandteilen unterschieden154. Auch angesichts der
folgerichtigen155
Einordnung
des
Urheberrechts
entsprechend
der
monistischen Theorie vermag diese spezifisch verfassungsrechtliche
Sichtweise indes nicht recht zu überzeugen156. Denn genauso schwer, wie
sich
in
urheberrechtlicher
Hinsicht
vermögens-
von
persönlichkeitsrechtlichen Aspekten des Rechts am Geisteswerk trennen
lassen, ebenso schwer ist dies in verfassungsrechtlicher Hinsicht der Fall.
Auch
hier
bedingen
vermögensrechtliche
und
Aspekte
beeinflussen
des
sich
persönlich-
verfassungsmäßigen
und
Schutzes
urheberrechtlicher Werke wechselseitig. Vor einer isolierten Betrachtung
des verfassungsrechtlichen Schutzes geistiger Werke ist daher zu warnen.
Vielmehr
ergibt
sich
der
Schutz
des
Urhebers
im
Wege
einer
verfassungsrechtlichen Gesamtschau157.
B. Der Schutz des Urhebers durch die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG
Die wirtschaftlichen Verwertungsrechte eines Urhebers an seinem Werk,
wie sie durch das Urheberrecht gewährleistet werden, sind nach einmütiger
Auffassung der Urheberrechtslehre in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor
allem158 durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG abgesichert159.
Vgl. dazu Schricker – Schricker, Einl., Rn. 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
Auch ist daran zu denken, angesichts der unterschiedlichen Behandlung von Sach- und
geistigem Eigentum den Schutz des Urhebers durch den allgemeinen Gleichheitssatz zu
untersuchen; dazu Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 31f., Fechner, S. 218f..
153 Bestehend aus je Wechsel wirkenden vermögens- und persönlichkeitsrechtlichen Teilen.
154 Hohagen, S. 269; Fechner, S. 186.
155 Vgl. oben Teil 1, A. II. 5..
156 Zur Kritik: Fechner, S. 256; Metzger, S. 74ff..
157 In diesem Sinne auch Fechner, S. 256; Metzger, S.75; Weber, S. 12; Hubmann,
Schöpferischer Geist, S. 84.
158 Noch einmal sei davor gewarnt, vermögens- und persönlichkeitsrechtliche Aspekte des
Urheberrechts in seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung (künstlich) aufzuspalten. Es soll
im Folgenden nur versucht werden, den ganzheitlich zu verstehenden konstitutionellen
Schutz des Urheberrechts den unterschiedlichen Verfassungsnormen zuzuordnen. Ein
152
31
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist seit seinem
Beschluss vom 7. Juli 1971160 anerkannt, dass das Urheberrecht in seiner
Eigenschaft als Nutzungsrecht Eigentum im Sinne des Art. 14 GG
darstellt161.
Als
ausschließlich
normativ
geprägtes
Grundrecht
weist
die
Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dabei allerdings ein spezifisches
Problem auf, das es zu klären gilt, bevor der Frage nachgegangen werden
kann, welche Folgen diese Zuordnung für die Qualität des durch Art. 14 GG
gewährleistete Schutz von Urheberrechten haben mag162:
Das Schutzobjekt der Garantie des Art. 14 GG - das Eigentum - ist, anders
als beispielsweise die Schutzgüter „Leben“, „körperliche Unversehrtheit“
oder „Meinungsäußerung“, nicht der Tatsachenwelt entnommen, sondern
wird
ausschließlich normativ bestimmt163. Nämlich durch den Staat und
seine Rechtsordnung. Der Begriff des Eigentums als der umfassendsten
rechtlichen Herrschaft über das jeweilige Objekt des Eigentumsrechts setzt
schon begrifflich den Bestand einer Rechtsordnung voraus, die diese
Herrschaft anerkennt und gewährleistet. Erst eine vom Staat geschaffene
Rechtsordnung vermag den abstrakten Begriff „Eigentum“ mit Inhalt zu
füllen. Es ist die Rechtsordnung selbst, die definiert, was als „Eigentum“ zu
gelten habe.
Aus
dieser
Konstellation
ergibt
sich
das
zirkuläre
Problem
der
Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
Wenn die Rechtsordnung bestimmt, was „Eigentum“ eigentlich ist (und in
diesem Kontext über den Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
auch, was Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne ist), dann ist es der
Gesetzgeber selbst, der darüber entscheidet, was als Eigentum zu gelten
hat und was nicht. Allerdings sind Grundrechte dazu geschaffen, dem
Schluss von der Methodik auf den Inhalt soll damit nicht verbunden sein. Vgl. dazu
Fechner, S. 198; Metzger, S. 80f..
159 Exemplarisch dazu beispielsweise Schricker – Schricker, Einl. Rn. 12, mit zahlreichen
weiteren Nachweisen; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 4f.; Weber, S. 12ff.; Engel, AöR
118 (1993), S. 186; Kreile, Sozialbindung, S. 252f..
160 BVerfGE 31, 229ff..
161 Vgl. dazu BVerfGE 31, 229; 49, 382; 79, 29; 81, 12.
162 Diese Frage werfen auch auf Söllner, S. 369f.; Fechner, S. 121ff., S. 198ff.; angedeutet
bei Kröger, S. 113; Krüger-Nieland, S. 181; Badura, ZUM 1984, S. 555f.; Maunz/Dürig –
Papier, Art. 14, Rn. 35ff.; umfassend zur Problematik, Herzog, Grundrechte, S. 1416ff.
163 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Bd. 1, Art. 14, Rn. 29; Nierhaus, AöR 116
(1991), S. 83f., spricht von „rechtsgeprägten Grundrechten“.
32
Gesetzgeber Schranken für seine Eingriffe in die Sphäre seiner Bürger zu
ziehen und die Geltung der Grundrechte auch im Verhältnis der Bürger
untereinander optimal zur Entfaltung zu bringen. Durch die normative
Prägung
des
Eigentums
reicht
bei
dieser
Sichtweise
der
verfassungsrechtliche Schutz der Eigentumsgarantie indes nicht weiter als
der vom Staat selbst festgelegte gesetzgeberische Schutz: Was der
Gesetzgeber als „Eigentum“ in seiner Rechtsordnung ausweist, genießt den
Schutz des Art. 14 GG, wo er dies unterlässt, bleibt auch für die Garantie
des Art. 14 GG kein Raum.
Um diesen (durch die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers nach Art. 1
Abs. 3 GG geschaffenen) systematischen und teleologischen Zirkel zu
durchbrechen und dem Gesetzgeber damit kein freies Belieben bei der
inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums im Sinne des Art. 14 GG zu
gewähren164 - was der Aushebelung des Art. 1 Abs. 3 GG gleichkäme und
die Gefahr einer schleichenden Aushöhlung des Privateigentums mit sich
brächte -, soll zunächst versucht werden, dieses grundrechtsdogmatische
Problem zu lösen.
I. Besonderheit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs
Das Dilemma des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs liegt in der
Formulierung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG begründet, der den Gesetzgeber
einerseits dazu ermächtigt, als unerwünscht betrachtete Formen der
Eigentumsausübung zu unterbinden, ihm aber andererseits das Recht zur
Seite stellt zu bestimmen, welche Güter überhaupt unter dem Schutz der
Eigentumsgarantie
stehen
sollen.
Wegen
dieser
gesetzgeberischen
Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ist
Kernfrage
des
grundrechtlichen
Schutzes
vermögensrechtlicher
Urheberrechtspositionen, ob und welche Grenzen dem Gesetzgeber durch
das Grundgesetz insoweit gezogen sind165.
164
Diese Gefahr sprechen in aller Deutlichkeit an, Söllner, S. 370; Schulte, GRUR 1985, S.
773f. und Herzog, Grundrechte, S. 1419f., S. 1422f.. Offengelassen dagegen bei Hohagen,
S. 273; Leinemann, S. 25f..
165 Vgl. Fechner, S. 200; Herzog, Grundrechte, S. 1421f.; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 96;
Baur, NJW 1982, S. 1734f..
33
Zur
Findung
gesetzgeberischer
Grenzen
im
Bereich
des
verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs kann es nur zwei gedankliche
Ausgangspunkte geben. Entweder man geht von einem vorgegebenen
verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff aus, oder aber man überlässt dem
einfachen Gesetzgeber (auch) die Ausfüllung des verfassungsrechtlichen
Eigentumsbegriffs166.
Das Bundesverfassungsgericht ist - entgegen vielfach geäußerter Kritik an
seiner angeblich unklaren Haltung bei der Entwicklung und Beurteilung des
verfassungsrechtlichen
Eigentumsbegriffs167
-
stets
von
der
Eigenständigkeit, also der Vorgegebenheit des verfassungsrechtlichen
Eigentumsbegriffs ausgegangen. So stellt es im „Naßauskiesungsbeschluß“
ausdrücklich fest, dass der „Begriff des von der Verfassung gewährleisteten
Eigentums […] aus der Verfassung selbst gewonnen werden [muss]. Aus
Normen des einfachen Rechts, die im Range unter der Verfassung stehen,
kann weder der Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn
abgeleitet noch kann aus der privatrechtlichen Rechtsstellung der Umfang
der Gewährleistung des konkreten Eigentums bestimmt werden“ 168. Kein
logischer Bruch dieser Dogmatik ergibt sich dadurch, wenn das Gericht
eben da fortfährt, dass sich Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs.
1 S. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes „aus der Gesamtheit der
verfassungsmäßigen Gesetze [ergeben], die den Inhalt des Eigentums
bestimmen“169.
Denn
entscheidend
für
den
verfassungsrechtlichen
Eigentumsbegriff sind nach diesem Diktum eben nur verfassungsmäßige
Gesetze,
die
diesen
Begriff
ausfüllen.
Als
Maßstab
für
deren
Verfassungsmäßigkeit kann nur ein solcher dienen, der eben nicht durch
diese Gesetze selbst, sondern von „außerhalb“, also durch die Verfassung,
bestimmt wird170.
Auch
aus
einer
teleologischen
Betrachtung
der
grundgesetzlichen
Eigentumsgarantie heraus kann die legislative Definitionsbefugnis des
166
So auch Leisner, Eigentum, S. 1044f.; Engel, AöR 118 (1993), S. 193ff..
Nach
Herzog
wird
dieses
Problem
in
der
Rechtsprechung
des
Bundesverfassungsgerichts nur in „schattenhaften Umrissen“ erkennbar, vgl. Herzog,
Grundrechte, S. 1420. Dieser Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
stimmt Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 96 f. zu. Vgl. auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
38.
168 BVerfGE 58, 300 (335).
169 BVerfGE 58, 300 (336).
170 Leisner, Eigentum, S. 1050ff.; ders. DVBl. 1983, S. 64.
167
34
Gesetzgebers
im
Hinblick
auf
die
inhaltliche
Bestimmung
des
verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs nicht grenzenlos sein, soll die
verfassungsrechtliche Garantie des Art. 14 GG überhaupt noch eine
Wirkung entfalten171. Der Gesetzgeber stünde in diesem Fall nämlich nicht
mehr der Grundentscheidung des Art. 1 Abs. 3 GG entsprechend unter,
sondern vielmehr über der Verfassung172. Ein Gesetzgeber, der den
verfassungsrechtlichen
Eigentumsbegriff
Schutzbereichsdefinitionskompetenz
selber
qua
bestimmen
autonomer
könnte,
wäre
letztlich nicht anders gebunden als ein solcher Gesetzgeber, der den
Bindungen eines Art. 14 GG gar nicht unterworfen wäre173.
Um Art. 14 GG also nicht als wertlose Hülse einer bloß fiktiven
verfassungsrechtlichen
Positionen
erscheinen
Garantie
zu
eigentumslassen,
bzw.
ist
es
urheberrechtlicher
erforderlich,
die
verfassungsmäßigen Grenzen des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des
Inhalts der Eigentumsgarantie174 herauszuarbeiten.
II. Verfassungsrechtliche Grenzen des Gesetzgebers
An dieser Stelle sind also diejenigen Maßstäbe herauszuarbeiten, welche
Art. 14 GG dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung urheberrechtlicher
Positionen als Schutzgüter der Eigentumsgarantie auferlegt175.
1. Leistungsprinzip als Verfassungsprinzip
Ausgehend vom Telos der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie176
lässt sich die Vorgegebenheit des verfassungsrechtlichen
Begriffs vom
171
Übereinstimmend Fechner, S. 199; Herzog, Grundrechte, S. 1422f.;
Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 43; Leisner, Eigentum, S. 1032f.; Söllner,
S. 370; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 39; für eine selbständige Begrifflichkeit des
verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs plädieren auch Badura, AöR 98 (1973), S. 154f.;
Nierhaus, AöR, 116 (1991), S. 100f.; BK – Kimminich, Art. 14, Rn. 28; Jähnich, S. 148f.;
vgl. auch Weber, S. 21; Kreile, Sozialbindung, S. 256.
172 Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 43; Vom naturrechtlichen Standpunkt
aus, Riedel, S. 16f..
173 Leisner, Eigentum, S. 1051f.; in diesem Sinne auch Engel, S. 195f..
174 Nach Dürig ZgS 109 (1953), S. 326ff. ist das Grundrecht der Eigentumsfreiheit ein
Menschenrecht und als solches Ausdruck eines überstaatlichen Rechts, das mit der
Menschennatur kraft Menschseins gegeben und dem Staat damit vorgegeben ist.
175 Fechner, S. 199.
35
(geistigen) Eigentum durch den verfassungsimmanenten Begriff der
Leistung des Schöpfers geistigen Eigentums begründen177.
Dem Eigentum kommt als Rechtsinstitut im Gefüge der Grundrechte die
Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im
vermögensrechtlichen
Bereich
sicherzustellen
und
ihm
damit
eine
eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen178. Insoweit ergänzt
die
Gewährleistung
des
Eigentums
die
Handlungs-
und
Gestaltungsfreiheit179 des Einzelnen. Denn indem die Eigentumsgarantie
dem Einzelnen einen bestimmten Bestand an den nur beschränkt
vorhandenen Gütern dieser Welt zuerkennt, erweist sich das Eigentum als
notwendige
und
unverzichtbare
Ergänzung
anderer
grundrechtlicher
Freiheiten180: Erst mit der durch die Eigentumsrechte garantierten, rechtlich
anerkannten und damit durchsetzbaren Herrschaft über das jeweilige
Eigentumsobjekt, vermag der Einzelne seine (wirtschaftliche) Existenz
ausreichend
zu
sichern181.
Nutzungsmöglichkeit
des
Darüber
hinaus
Eigentumsobjekts
verschafft
dem
erst
Einzelnen
die
einen
wesentlichen Teil des Inhalts seiner persönlichen Freiheit182.
Wenn nun aber die Eigentumsgarantie im Wesentlichen183 der Sicherung
der materiellen Grundlagen der persönlichen Freiheit des Individuums
dient184, dann liegt es nahe gerade den durch eigene Leistung erworbenen
Bestand an vermögenswerten Gütern verfassungsrechtlich anzuerkennen
und entsprechend zu sichern. Denn nur die, durch die individuelle
Freiheitsbetätigung
erlangten
Früchte
des
Einzelnen
-
sprich:
die
Materialisierung oder Leistung seiner Arbeit - können die materielle (und
existenzielle) Basis seiner persönlichen Freiheit darstellen. Der Schutz
176
Für diese methodische Vorgehensweise plädieren auch Wendt, S. 75ff.;
Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 121.
177 Vgl. Engel, AöR 118 (1993), S. 200; Fechner, S. 202 ff.; Mangoldt/Klein/Starck –
Deppenheuer, Art. 14, Rn. 13; Leisner, Eigentum, S. 1055ff.; Badura, ZUM 1984, S. 557;
Söllner, S. 371; Herzog, Grundrechte, S. 1426f..
178 BVerfGE 24, 367 (389).
179 BVerfGE 14, 288 (293).
180 Vgl. BVerfGE 30, 292 (334); Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 28; in diesem
Sinne auch Herzog, Grundrechte, S. 1427f..
181 Dazu umfassend Leisner, Eigentum, S. 1057ff..
182 Vgl. Wendt, S. 106f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 11 m.w.N.;
Badura, Eigentum, Rn. 6.
183 Vgl. Fechner, S. 205; Badura, ZUM 1984, S. 558; weitergehende Funktionen des
verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes zeigt Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 21f..
184 Vgl. BK – Kimminich, Art. 14 GG, Rn. 18ff. m.w.N..
36
dieser materiellen Basis kann aber nicht alleine durch den Schutz der
Ausübung der individuellen Freiheit erlangt werden. Denn die Ausübung
persönlicher Freiheit verlangt stets deren materielle Absicherung185. Der
Schutz der Ausübung von Grundfreiheiten, das „Leben“ von Freiheit, bleibt
aber anderen Grundrechten vorbehalten. Insofern ist es konsequent, das
Leistungsprinzip zum wesentlichen Fundament der Begründung der
Schutzwürdigkeit verfassungsrechtlich geschützter Eigentumspositionen zu
machen186.
Nach dem Leistungsprinzip ist das wirtschaftliche Ergebnis privater
Betätigung, die „Leistung“ des Individuums, ganz allgemein demjenigen
zuzuordnen, der dieses Ergebnis kraft eigener Bemühung erzielt hat187. Vor
der Fundierung der Eigentumsgarantie im Leistungsprinzip wird dabei
deutlich, dass mit dem Grad der „personalen Qualität“ der Leistung auch der
Grad der Schutzwürdigkeit des erzielten Ergebnisses steigt188: Je mehr an
persönlicher Freiheitsbetätigung in das Leistungsergebnis hineingelegt
worden ist, um so stärker muss der durch die Eigentumsgarantie
gewährleistete Schutz sein und umgekehrt.
Wenn nach dem Gesagten der Grad der Schutzwürdigkeit einer
persönlichen Leistung von deren „personalem Substrat“ abhängt, dann ist
dies für das Urheberrecht als geistigem Eigentum in zweierlei Hinsicht von
Bedeutung189. Zum einen ist die personale Qualität einer geistigen Leistung
höher anzusiedeln als beispielsweise die Nutzung unternehmerischen
Eigentums oder die Nutzung von Grundeigentum, da bei ersterem sehr viel
mehr an persönlicher Freiheit entfaltet wird. Zum anderen ist auch der
verstärkte soziale Bezug von Geisteswerken zu berücksichtigen: Anders als
das Sacheigentum erlangt geistiges Eigentum seine Geltung erst mit seiner
Entäußerung in den gesellschaftlichen Raum190, erfährt erst hierdurch im
Erinnert sei an das Christuswort „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Dies impliziert,
dass er zunächst einmal auf das Brot zum leben angewiesen ist.
186 So das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 30, 292
(334f.); 41, 125 (150); 42, 64 (76f.); 46, 325 (334); 49, 220 (226); 50, 290 (340f.); 51, 193
(218); so auch Fechner, S. 202ff.; Leisner, Eigentum, S. 1055ff.; Maunz, GRUR 1973, S.
114; Söllner, S. 371; Wendt, S. 113ff.; Schulte, GRUR 1985, S. 774.
187 Wendt, S. 258f..
188 Badura, ZUM 1984, S. 558f.; Maunz, GRUR 1973, S. 114; angedeutet bei Fechner, S.
202, Fn. 62.
189 Dazu Badura, ZUM 1984, S. 558.
190 So ist die bloße Idee als solche nicht schutzfähiger Bestandteil eines Urheberrechts und
damit ebenso wenig des verfassungsrechtlichen Schutzes. Die Werkschöpfung muss
185
37
Wesentlichen die Bestimmung seiner Wertigkeit. Schließlich ist auch bei der
Entstehung von Geisteswerken, die regelmäßig mehr oder minder auf einer
gesellschaftlich gewachsenen kulturellen oder wissenschaftlichen Tradition
aufbauen, ein stärkerer sozialer Bezug zu erkennen als bei anderen
Eigentumsformen191.
Bei der konkreten Bestimmung verfassungsrechtlicher Vorgaben an die
Ausgestaltung urheberrechtlicher Regelungen sind also die verstärkte
personale Qualität wie auch der starke soziale Bezug von Geisteswerken
gleichermaßen zu berücksichtigen192.
Zusammenfassend lässt sich das Leistungsprinzip wie folgt für den
unabdingbaren Kern der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG festlegen: Wer
eine Leistung in Form einer immateriellen Schöpfung erbringt, der soll
hinsichtlich der Nutzungen, die aus seiner Hervorbringung gezogen werden,
den Schutz der Eigentumsgarantie genießen193.
2. Allgemeine rechtsstaatliche Schranken
Durch die Vorgaben des Leistungsprinzips ist entschieden, dass der
Gesetzgeber im Rahmen der Ausgestaltung des Urheberrechts als geistiges
Eigentum im Sinne das Art. 14 GG an weit mehr gebunden ist, als an bloß
allgemeine rechtsstaatliche Schranken. Eigentum ist mehr als bloße
Rechtsstaatlichkeit194.
Indes sind die allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken ebenso von
Bedeutung und geben der Definitionskompetenz des Gesetzgebers bei der
Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Institute einen weiteren zwingenden
Rahmen vor195.
a) Institutsgarantie
zumindest eine der durch menschliche Sinne wahrnehmbare Form angenommen haben, in
irgendeiner Weise also in den gesellschaftlichen Raum eingedrungen sein, vgl. Schricker –
Loewenheim, §. 2, Rn. 20 m.w.N.; vgl. auch Roeber, S. 25.
191 Vgl. BK – Kimminich, Art. 14, Rn. 36; Roeber, S. 25.
192 Vgl. Badura, ZUM 1984, S. 559f..
193 Fechner, S. 209.
194 So das Diktum von Leisner, Eigentum, S. 1052.
195 Vgl. allgemein dazu Leisner, Eigentum, S. 1052ff.; Fechner, S. 210ff.
38
Eine
Schranke
der
gesetzgeberischen
Inhaltsbestimmung
bei
der
Ausgestaltung geistigen Eigentums ergibt sich aus der Institutsgarantie des
Art. 14 GG. Der Schutz des Art. 14 GG ist nicht nur im Sinne einer
Individualrechtsgarantie,
also
als
subjektiv
öffentlich-rechtlicher
Abwehranspruch in der Hand der einzelnen Eigentümers zu verstehen,
sondern
auch
im
Sinne
der
Gewährleistung
des
Eigentums
als
Rechtsinstitut196.
Der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge verbietet es
die Gewährleistung des Privateigentums als Rechtsinstituts, solche
Sachbereiche der Privatrechtsordnung zu entziehen, die zum elementaren
Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen
Bereich gehören. Der durch Art. 14 GG gesicherte Freiheitsbereich dürfe
nicht völlig aufgehoben oder wesentlich geschmälert werden. Vielmehr
sichere die Institutsgarantie einen Grundtatbestand an Normen, die das
Eigentum im Sinne des Art. 14 GG umschreiben197.
Nun ersetzt diese mehr verwirrende denn erhellende Terminologie des
Bundesverfassungsgerichts den Begriff der „Institutsgarantie“ durch die
wenig aussagekräftigeren Begriffe wie „elementarer Bestand“, „der durch
Art. 14 GG gesicherte Freiheitsbereich“ und den „Grundtatbestand an
Normen“198, ohne dass damit inhaltlich etwas gewonnen wäre.
Richtigerweise bildet die Institutsgarantie nichts anderes als die äußerste
Grenze, die der Gesetzgeber bei der Bestimmung und Ausgestaltung
eigentumsrechtlicher Institute zu beachten hat199. Als solche ist sie bislang
rechtspraktisch noch nie erheblich geworden200. Den Mindeststandard an
freiheitssichernden Vermögensrechten, der durch die Institutsgarantie
zwingend gewährleistet werden soll, bestimmt sich am grundsätzlichen
Bestand der Privatnützigkeit, der Verfügungsfähigkeit über und der
Gewährleistung des Bestandes von Eigentumsobjekten201.
196
Vgl. BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (389); 58, 300 (339), st. Rspr..
Zum gesamten vgl. BVerfGE 26, 215 (222); 52, 1 (31); 58, 300 (339)
198 Zur Kritik am Begriff der Institutsgarantie Leisner, Eigentum, S. 1030.
199 Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 228; Leisner, Eigentum, S. 1030f..
200 Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, a.a.O..
201 Übereinstimmend BVerfGE 24, 367 (389f.); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 79, 283 (290);
83, 201 (209); Fechner, S. 214; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 228;
Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn. 49f..
197
39
Darüber, dass die Institutsgarantie des Art. 14 GG auch das geistige
Eigentum und damit urheberrechtliche Positionen umfasst, herrscht
Einigkeit202. Denn es ist schlechterdings kein Grund erkennbar, der eine
abweichende
Behandlung
geistigen
Eigentums
von
anderen
Eigentumsformen rechtfertigen könnte203.
Für die bei der Ausgestaltung des Urheberrechts zu beachtenden Vorgaben
der
Institutsgarantie
bedeutet
dies,
dass
der
Gesetzgeber
das
Vorhandensein privatrechtlicher Normen zu gewährleisten hat, die dem
Urheber grundsätzlich das vermögenswerte Ergebnis seiner schöpferischen
Leistung zuordnen und ihm prinzipiell die freie Verfügungsbefugnis hierüber
einräumen204. Entspricht eine gesetzliche Regelung diesen Anforderungen
infolge ihrer Überholung durch die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr, so
ist
der
Gesetzgeber
aus
der
Institutsgarantie
gegebenenfalls
zur
entsprechenden Nachbesserung verpflichtet205.
b) Wesensgehaltsgarantie
Die Anwendung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG auf die
Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ist umstritten.
In der Literatur wird teilweise vertreten, die Wesensgehaltsgarantie weise
auch für die Eigentumsfreiheit Gültigkeit auf206. Bei genauerer Betrachtung
dieser Ansicht ist allerdings festzustellen, dass der Erklärungsversuch, was
denn nun den zu gewährleistenden „Wesensgehalt“ des Eigentums
ausmache, bescheiden ausfällt. So soll die Wesensgehaltsgarantie einen
absoluten, substantiellen Wesenskern des Eigentumsgrundrechts und der
Eigentumsinstitutsgarantie schützen, wobei dieser Wesenskern mit den
zwei prägenden Begriffen der „Privatnützigkeit“ des Eigentums und der
grundsätzlichen
„Verfügungsfreiheit“
über
den
Eigentumsgegenstand
bezeichnet wird207. Schon anhand dieser Terminologie wird deutlich, dass
202
So schon Maunz, GRUR 1973, S. 108; Badura, ZUM 1983, S. 552; Fechner, S. 211.
Maunz, a.a.O..
204 Vgl. BVerfGE 31, 229 (240f.); Arnold, S. 44f..
205 Engel, AöR 118 (1993), S. 198; Fechner, S. 216 m.w.N..
206 So Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 332ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art.
14, Rn. 237f., Herzog, Grundrechte, S. 1424; Söllner, S. 367.
207 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 333f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14,
Rn. 237. Sofern die genannten auch das Bundesverfassungsgericht zur Stützung ihrer
203
40
es sich hierbei gerade um die Umschreibung desjenigen Bereichs handelt,
der die Institutsgarantie des Art. 14 bezeichnet (vgl. oben unter a)).
Diese
doppelte
Verwendung
wesentlicher
Begrifflichkeiten
in
der
Terminologie zeigt bereits, dass der Gegenansicht zu folgen ist. Dieser
zufolge findet die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG auf den
Bereich des Eigentums keine Anwendung208. Begründet wird diese Ansicht
wie folgt:
Die dem Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung
gezogenen Grenzen ergeben sich unmittelbar aus der Instituts- und
Bestandsgarantie
des
Art.
14
GG
und
dem
Grundsatz
der
Verhältnismäßigkeit. Werden diese beiden Grundsätze beachtet, kann von
vorneherein kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG vorliegen. Angesichts
der Schwierigkeiten der erstgenannten Ansicht, sich begrifflich vom
Schutzbereich der Institutsgarantie des Art. 14 GG abzusetzen, hat diese
Sichtweise das systematische Argument auf ihrer Seite, die Institutsgarantie
des Art. 14 GG bilde die speziellere Form des Grundrechtsschutzes und
gehe damit dem Art. 19 Abs. 2 GG vor209. Da sich die Mittel zum Schutz der
Eigentumsgewährleistung - nämlich den Schutz des „Wesensgehalts“ der
Eigentumsgarantie – auch im Ergebnis gleichen210, erscheint es aus
systematischen
Gründen
sinnvoller,
die
Anwendung
der
Wesensgehaltsgarantie auf Art. 14 GG auszuschließen. Auch das
Bundesverfassungsgericht geht ausdrücklich von der Unanwendbarkeit des
Art. 19 GG auf Art. 14 GG aus211.
c) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Ansicht bemühen (vgl. die Fundstellen BVerfGE 42, 263 (294); 31, 229 (240);37, 132 (140);
50, 290 (339); 101, 54 (75) bei Maunz/Dürig – Papier, a.a.O.; Mangoldt/Klein/Starck –
Depenheuer, a.a.O.) so ist dem entgegenzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht an
keiner der genannten Stellen eine Einordnung dieser Wesenmerkmale zur
Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG vornimmt, sondern diese Begriffe vielmehr
der Institutsgarantie des Art. 14 GG zuordnet.
208 So BK – Kimminich, Art. 14, Rn. 147; Arnold, S. 46ff. m.w.N..
209 So auch Fechner, S. 218.
210 Thormann, S. 127.
211
BVerfGE 58, 300 (348): „Die dem Gesetzgeber bei der Inhalts- und
Schrankenbestimmung gezogenen Grenzen ergeben sich unmittelbar aus der Instituts- und
Bestandgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Werden diese Grenzen eingehalten, kann kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG
vorliegen.“.
41
Weiter
unterliegt
der
Ausgestaltungsbefugnis
Gesetzgeber
von
im
Rahmen
Eigentumspositionen
seiner
dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz212, der als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips
jedenfalls dann Geltung verlangt, wenn durch eine Neuregelung der
Schutzbereich eines oder mehrerer Grundrechte berührt wird. Was
allerdings der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in diesem Kontext konkret
bedeutet, ist an dieser Stelle zu klären, um aus einer schlagwortartigen
Verkürzung
rechtsstaatlicher
Anforderungen
ein
klar
konturiertes
Anforderungsprofil für den hieran gebundenen Gesetzgeber abzuleiten213.
Allgemein gesprochen verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen
verfassungslegitimen Grund für den gesetzgeberischen Eingriff, die Eignung
des gewählten Eingriffsmittels, seine Erforderlichkeit im Sinne der Wahl des
schonendsten Mittels sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen
Eingriffsschwere und Eingriffsnutzen, also eine gewisse Proportionalität in
der Zweck – Mittel – Relation214.
Insbesondere anhand der vierten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung
wird deutlich, dass dieser Grundsatz keine materiellen Wertungen enthält,
sondern lediglich ein rechtsstaatlich legitimes Verfahren bezeichnet. Wie die
einzelnen Interessen zu gewichten sind, die durch den Eingriff in
eigentumsrechtlich
Verwirklichung
der
geschützte
Eingriff
Positionen
nutzen
soll,
betroffen
darüber
und
sagt
deren
der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nichts aus215. Wertungskategorien für die
letzte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung lassen sich nicht finden. Es ist
letztlich politische Aufgabe des Gesetzgebers, die mit der angestrebten
Für geistiges Eigentum Söllner, S. 372; Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 9;
Hohagen, S 279f.. Für Eigentum allgemein Leisner, Eigentum, S. 1079f.; Maunz/Dürig –
Papier, Art. 14, Rn. 315ff.;exemplarisch BVerfGE 50, 290 (340). Von manchen Autoren wird
die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Art. 14 GG mit dem
Argument verneint, dass sich die Maßstäbe für eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erst
aus
der
Gesamtheit
eigentumsrechtlicher
Vorschriften,
also
aus
dem
verfassungsrechtlichen positivistischen Eigentumsbegriff ergeben, jene dann aber nicht in
der Lage sein könnten, eine Position, die sie selbst erst konstituieren, zu beschränken, vgl.
Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 118; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 231f..
Doch geht diese Ansicht von der Prämisse aus, dass der Eigentumsbegriff der
ausschließlichen Definitionskompetenz des Gesetzgebers unterstehe. In diesem Sinne
auch Münch/Kunig - Bryde, Art. 14, Rn. 63a. Ferner übersieht diese Ansicht, dass sich
Maßstäbe für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung auch aus grundrechtlich geschützten
Positionen außerhalb des Schutzbereichs des Art. 14 GG ergeben können.
213 Für diese Notwendigkeit deutlich Leisner, Eigentum, S. 1080f.. Angedeutet auch bei
Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 231.
214 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 315; vgl. dazu auch BVerfGE 70, 278 (286).
215 Leisner, Eigentum, S. 1080.
212
42
Regelung verfolgten Ziele festzulegen216, wobei freilich diese Ziele unter
dem Primat der Grundrechte stehen217. Auch erscheint es angesichts der
pluralistischen Ausbildung unserer demokratischen Konsensgesellschaft
weder
wahrscheinlich
noch
wünschenswert,
vorgegebene
materielle
Kriterien für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu finden218.
d) Vertrauensschutzprinzip
Bei
der
Ausgestaltung
eigentumsrechtlicher
Befugnisse
hat
der
Gesetzgeber weiterhin das Prinzip des Vertrauensschutzes zu beachten 219.
Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das Prinzip des
Vertrauensschutzes in Art. 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat und
somit einen integralen Bestandteil der Eigentumsgarantie selbst bildet220.
So gebietet die Beachtung des Gebots des Vertrauensschutzes jedenfalls
die Beachtung des Rückwirkungsverbots, je in seinen verschiedenen
Ausprägungen
als
grundsätzliches
Verbot
echter
und
unechter
Rückwirkung221.
Vor dem Hintergrund der Funktion der Eigentumsgarantie, die Sicherung
des Freiheitsraumes des Individuums im vermögensrechtlichen Bereich zu
gewährleisten, stellt sich allerdings die Frage nach einer besonderen
Bedeutung
des
spezifisch
eigentumsrechtlichen
Vertrauensschutzprinzips222. Gerade dem Immaterialgüterrecht scheint ein
(reduziertes)
Verständnis
des
Vertrauensschutzprinzips
als
bloße
Grundlage eines verfassungsrechtlich garantierten Bestandsschutzes – das
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 322f.; Hohagen, S. 281.
In diesem Sinne auch Wendt, S. 282f..
218 Leisner, Eigentum, S. 1080f..
219 Für den Bereich geistigen Eigentums Fechner, S. 229; Söllner, S. 273; BVerfGE 79, 29
(45f.); Leisner, Eigentum, Rn. 95; ferner Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 64;
Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 233ff.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
327.
220 BVerfGE 36, 281 (293f.); 42, 263 (294); 45, 142 (168); 53, 257 (309); 58, 81 (120f.); 64,
87 (104); 70, 101 (114); 83, 201 (212); speziell für den Bereich des geistigen Eigentums
BVerfGE 58, 81 (121); 79, 29 (45f.); Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 122; Münch/Kunig –
Bryde, Art. 14, Rn. 64; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 233ff.;
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 327; Maurer, Kontinuitätsgewähr, Rn. 45; in diesem
Sinne wohl auch Badura, Eigentum, Rn. 69; offen gelassen dagegen bei Fechner, S. 229.
221 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 327 m.w.N.; Umbach/Clemens - Berkemann, Art. 14.
Rn. 340f..
222 Bejaht durch BVerfGE 31, 275 (293); 58, 81 (121). Diese Frage wirft ausdrücklich auf
Leisner, Eigentum, Rn. 94f.; auch Maurer, Kontinuitätsgarantie, Rn. 46; angedeutet bei
Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 64.
216
217
43
Rückwirkungsverbot
stellt
letztlich
nichts
anderes
als
eine
Bestandsschutzregelung dar223 – nicht gerecht zu werden. Denn im
Gegensatz
zu
Sacheigentum,
dessen
Schutzobjekte
physikalisch
erschöpfend bestimmt und nur begrenzt vorhanden sind, ist das geistige
Eigentum stets neuen Schutzobjekten zugänglich 224. Der Ausgestaltung
durch den Gesetzgeber ist bei Rechtsinstituten, die das Sacheigentum
betreffen,
zumindest
das
Bezugsobjekt
vorgegeben.
Die
damit
korrespondierende stärkere „normative Abhängigkeit“ geistigen Eigentums
von kodifikatorischer Anerkennung bedingt aber eine andere Ausrichtung
des
Vertrauensschutzprinzips:
So
muss
als
Schutzobjekt
der
Eigentumsgarantie aus dem Vertrauensgrundsatz heraus schon all dieses in
Betracht
kommen,
auf
Grundrechtsberechtigte
Eigentumsgarantie
dessen
aus
verlassen
der
wesentlichen
Bestand
freiheitssichernden
durfte225.
Die
bloße
sich
der
Funktion
der
Vorhersehbarkeit
gesetzgeberischer Tätigkeit genügt nämlich im Bereich des stärker normativ
bestimmten Immaterialgüterrechts nicht als einzig vertrauensbegründende
Ursache, wie dies im Bereich des Sacheigentums eher des Fall sein mag.
Eine gesetzliche Neuregelung hat sich also auch dann an den Grundsätzen
des Vertrauensschutzes zu orientieren, wenn dabei neue geistige
Eigentumspositionen
Betrachtung
im
begründet
Wege
des
werden,
sich
eine
Vertrauenschutzprinzips
rückschauende
mangels
zuvor
gesetzlich anerkannter Rechtsposition also ausschließt.
e) Gleichheitssatz
Bei der Ausgestaltung des Inhalts eigentumsrechtlicher Institute hat der
Gesetzgeber den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu
genügen226.
223
Vgl. dazu bspw. Arnold, S. 45.
So denke man nur an die Neufassung des § 4 UrhG durch die Datenbankrichtlinie RL
96/9/EG. Erst durch diese gesetzliche Kodifizierung konnten die bis dato aufgetretenen
Schutzdefizite elektronischer Datenbanken beseitigt werden. Überblick bei Schricker –
Loewenheim, § 4, Rn. 2.
225
Gegen eine statische Betrachtung der denkbaren Schutzobjekte der
verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie spricht sich angesichts der freiheitssichernden
Funktion des Art. 14 GG auch Wendt, S. 259f., aus.
226 Vgl. Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 121; Umbach/Clemens – Berkemann, Art. 14, Rn.
342, 369; Münch/Kunig, Art. 14, Rn. 64a; Fechner, S. 218ff.; BVerfGE 14, 263 (277f.); 21,
224
44
Jedes Freiheitsrecht enthält eine Freiheitsgarantie, die seinen Inhabern
grundsätzlich jeweils das gleiche Maß an Freiheit bietet227. Praktisch
erfordert der Gleichheitssatz vom Gesetzgeber, gleiche Gruppen von
Eigentümern auch gleich zu behandeln. Eine besondere, d.h. abweichende
Behandlung bestimmter Inhaber von Eigentumsrechten kann nur dann den
Anforderungen des Gleichheitssatzes genügen, wenn zwischen den
Vergleichsgruppen
der
Inhaber
eigentumsrechtlicher
Positionen
Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie
die ungleiche Behandlung rechtfertigen können228.
Der Funktion des Art. 14 GG folgend, verlangt die Beachtung des
Gleichheitssatzes hier eine Zuteilung von Rechten an die Inhaber geistigen
Eigentums in dem Maße, wie sie der zu berücksichtigenden Leistung des
Schaffenden entspricht229.
Der Vergleich der Behandlung geistigen Eigentums mit dem Sacheigentum
offenbart dabei folgende Feststellung: Die gesetzliche Statuierung privater
Vervielfältigungsfreiheit im Urheberrecht gewährt dem Werknutzer ein Maß
an zustimmungsfreier Nutzungsfreiheit, wie sie für das Sacheigentum so
grundsätzlich nicht eingeräumt wird230. Der Schöpfer wird hierdurch der
Herrschaft über sein Geistesgut kraft Gesetz beraubt, wie es im Bereich des
Sacheigentums so ohne weiteres nicht praktiziert wird.
Die infolge des Gleichheitssatzes zu beachtenden Parallelen zwischen der
Eigentumsordnung für das Sacheigentum und der Eigentumsordnung für
das geistige Eigentum verlangen, dem geistigen Eigentümer dort kein Opfer
zugunsten bestimmter Nutzerinteressen aufzuerlegen, wo dies vom
Sacheigentümer auch nicht gefordert wird. Es sei denn, die Notwendigkeit
dieser Beschränkung der Rechte geistiger Eigentümer ergibt sich aus der
unterschiedlichen Natur von geistigem und Sacheigentum, ist also sachlich
gerechtfertigt im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes231.
Unter
Beachtung
der
Funktion
der
verfassungsrechtlichen
Eigentumsgarantie, nämlich der Gewährleistung der materiellen Basis
73 (84); 34, 139 (146); 37, 132 (143); 72, 66 (78); 87, 238 (139); speziell für den Bereich
des Urheberrechts als geistiges Eigentum BVerfGE 31, 248 (253).
227 Vgl. dazu umfassend Kirchhof, Gleichheitssatz, Rn. 167ff..
228 BVerfGE 55, 72 (88); Münch/Kunig – Gubelt, Art. 3, Rn. 11 m.w.N..
229 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 6f.; Fechner, S. 219.
230 Vgl. dazu beispielhaft Jähnich, S. 231.
231 Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 61.
45
individueller
Freiheitsbetätigung,
verbietet
die
Beachtung
des
Gleichheitssatzes die Einräumung jedenfalls einer vergütungspflichtigen
Privatvervielfältigungsfreiheit nicht. Denn die Zuteilung von Rechten an den
Inhaber folgt auch bei vergütungspflichtiger privater Vervielfältigungsfreiheit
dem gleichheitsrechtlich geforderten Grundsatz einer leistungsgerechten
Zuteilung dieser Rechte:
Wie oben bereits festgestellt, ist die eigene Leistung des Schaffenden der
wesentliche übergesetzliche Grund für den Erwerb von Eigentum. Wie die
bloße Existenz des Institut des Erbrechts - ebenso Bestandteil der
verfassungsrechtlichen
Eigentumsgarantie232
-
aber
zeigt,
ist
das
Leistungsprinzip nur Erwerbsgrund, garantiert hingegen keinen Grund für
das Fortbestehen oder Behalten einer eigentumsrechtlich relevanten
Vermögensposition233.
Die
Gewährung
vergütungspflichtiger
privater
Vervielfältigungsrechte hindert indes den Erwerb eigentumsrechtlicher
Positionen
nicht,
solange
das
Interesse
des
Schöpfers
an
einer
wirtschaftlichen Verwertung seiner Eigentumsposition ausreichend befriedigt
wird.
Dies
freilich
muss
der
Gesetzgeber
im
Rahmen
des
Vergütungssystems berücksichtigen. Die verfassungsrechtlich gebotene
Zuordnung von Eigentumsrechten zum Zwecke der Sicherung der
materiellen Basis der individuellen Freiheitsbetätigung bleibt damit erhalten.
Denn die bloße Nutzung immaterieller Güter hat unter der Prämisse, dass
diese eine wirtschaftliche Vergütung erfährt - im Gegensatz zur Nutzung
materieller Eigentumsobjekte - keinen die Eigentumsfunktion aushöhlenden
Charakter234: Materielle Güter schließen infolge ihrer Körperlichkeit ihre
gleichzeitige
Benutzung
durch
die
Allgemeinheit
aus,
wodurch
Interessenkonflikte denkbar werden. Anders Immaterialgüter, die eine
(zeitgleiche) Nutzung durch Jedermann zulassen, da die Nutzung eines
urheberrechtlichen Werkes nicht zum Ausschluss anderer Nutzungswilliger
führt235.
Zusammenfassend
bleibt
festzuhalten,
dass
die
Beachtung
des
Gleichheitssatzes im Rahmen der Eigentumsgarantie verlangt, den Inhaber
Vgl. Münch/Kunig – Bryde, Art. 14, Rn. 45.
Reinhardt, S. 38.
234 Vgl. Fechner, S. 220; Reinhardt, S. 39; Roeber, S. 26 .
235 Vgl. Reinhardt, S. 39; Kuhlen, S. 115.
232
233
46
von geistigem Eigentum nicht grundsätzlich schlechter zu stellen, als den
Inhaber von Sacheigentum236. Dennoch lässt der Gleichheitssatz Eingriffe in
das
Verfügungsrecht am Gegenstand geistigen Eigentums eher zu, als
solche,
welche
auch
das
wirtschaftliche
Verwertungsrecht
hieran
beeinträchtigen, da der funktionellen Bedeutung der Eigentumsgarantie
durch die Wahrung des „wirtschaftlichen Kerns“ des geistigen Eigentums
genüge getan ist237.
III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben
Ihrer funktionalen Bestimmung folgend, hat die Eigentumsgarantie des Art.
14 GG die materielle Basis der individuellen Freiheitsbetätigung als
notwendige
Ergänzung
anderweitig
gewährleisteter
grundrechtlicher
Freiheiten zu schaffen und zu sichern.
Dies
setzt
in
jedem
Falle
voraus,
dass
dem
Schöpfer
die
vermögensrechtliche Zuordnung und wirtschaftliche Verwertung seiner
geistigen Leistung, dem Objekt seines geistigen Eigentums, vorbehalten
bleibt238. Nur auf diese Weise wird die notwendige materielle Basis der
schöpferischen
Möglichkeit
persönlicher
Persönlichkeitsentfaltung
der
Ausübung
Freiheit
im
und
anderweitig
schöpferischen
damit
überhaupt
grundrechtlich
Bereich
die
geschützter
eröffnet
und
gewährleistet239.
Differenzierter ist die Frage nach der Verfügungsfreiheit240 des Schöpfers
über das Objekt seines geistigen Eigentums zu beantworten. Grundsätzlich
gebietet die funktionale Herleitung der Eigentumsgarantie, dem Inhaber
eigentumsrechtlicher
Positionen
ein
prinzipiell
uneingeschränktes
Verfügungsrecht im Sinne eines absoluten Ausschließlichkeitsrechts über
das Eigentumsobjekt zuzuordnen. Nur auf diese Weise kann die Sicherung
der materiell-wirtschaftlichen Basis durch Nutzung des Eigentumsobjekts
236
Fechner, S. 225, 227; Kreile, Sozialbindung, S. 255f..
In diesem Sinne differenziert auch BVerfG GRUR 1989, 193 (196).
238 So im Ergebnis auch BVerfGE 31, 229 (240f.); 49, 382 (394); Kreile, Sozialbindung, S.
256f..
239 Vgl. Wendt, S. 255f..
240 Auch das Bundesverfassungsrecht differenziert zwischen Beschränkungen des
Verwertungsrechts und Eingriffen in das Verfügungsrecht, vgl. BVerfGE 79, 29 (40).
237
47
gewährleistet werden. Diese Überlegung gilt aber für den Bereich der
Immaterialgüter nicht uneingeschränkt:
Die Bedrohung des vermögenswerten Ergebnisses der Nutzung eines
Eigentumsobjekts resultiert im Bereich des Sacheigentums aus der
natürlichen Begrenztheit materieller Güter. Die Nutzung eines Gutes hat in
diesem
Falle
immer
den
Ausschluss
eines
weiteren
potenziell
Nutzungswilligen zur Folge. Die wirtschaftliche Verwertbarkeit eines Gutes
wird also durch die unmittelbare tatsächliche Sachherrschaft bestimmt. Im
Falle von Immatrialgütern ist dies so nicht der Fall. Die Nutzung geistigen
Eigentums durch den einen beeinträchtigt die Nutzung desselben
Gegenstands geistigen Eigentums durch den anderen aufgrund der (infolge
seiner Unkörperlichkeit) beliebigen Replizierbarkeit des Eigentumsobjekts
nicht241.
Ein
sachherrschaftsgewährendes
Ausschließlichkeitsrecht
ist
demnach nicht erforderlich (und in der Regel auch nicht geeignet242), um
den vermögenswerten Nutzen geistigen Eigentums seinem Inhaber
dauerhaft zu gewährleisten. Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass
mit der Nutzung durch andere die Möglichkeit der vermögensrechtlichen
Verwertung des Eigentumsobjekts durch seinen Inhaber beeinträchtigt
werden kann243. Doch kann dieser Bedrohung des vermögensrechtlichen
Verwertungspotentials anders als durch die Einräumung eines absoluten
Ausschließlichkeitsrechts beigekommen werden244 – nämlich im Wege der
wirtschaftlichen Kompensation der Nutzung245.
241
Aus ökonomischer Perspektive, Bauckhage, S. 235.
Vgl. aus ökonomischer Sicht, Bauckhage, a.a.O.
243 Im Falle der konkret zu untersuchenden Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter
Werke ergibt sich dies daraus, dass jedes Vervielfältigungsexemplar das potentielle
Bedürfnis nach einem (weiteren) Originalexemplar befriedigt. Da damit aber die
Notwendigkeit der vermögenswerten Partizipierung des Urhebers am Erwerb des
(vervielfältigten) Werkes entfällt, wird dessen, der Eigentumsgarantie innewohnende
wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit beschränkt.
244 Gegen die Qualifizierung von Urheberrechten als absoluten Ausschließlichkeitsrechten
sprechen sich auch aus Kraßer, § 3, III, 4; letztlich auch Fechner, S. 235; Hohagen, S.
275f.; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 38f.; anders hingegen Schricker – Schricker,
Einl., Rn. 18, der dabei die Fragwürdigkeit seines Standpunktes durchaus formuliert. Die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht m. E. ebenfalls davon aus, dass die
Privatnützigkeit der Eigentumsgarantie nicht die zwingende Einräumung von absoluten
Ausschließlichkeitsrechten verlange. Ausgangspunkt bildet insoweit BVerfGE 31, 229
(239ff.). Hier überprüft das Bundesverfassungsgericht die Beeinträchtigung der
Nutzungsrechte des Urhebers durch § 46 UrhG, der die Vervielfältigung zum Unterrichts
und Schulgebrauch zuließ. Darin führt es aus (a.a.O.): „Im Vordergrund steht die
wirtschaftliche Verwertung der geistigen Leistung. […] Dieser [der Eigentumsgarantie]
kommt im Gesamtgefüge der Verfassung zunächst die Aufgabe zu, dem Träger des
Grundrechts durch Zubilligung und Sicherung von Herrschafts-, Nutzungs- und
242
48
IV. Sozialbindung des Eigentums, Art. 14 Abs. 2 GG
Bei Erfüllung des ihm durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zugewiesenen Auftrags,
Inhalt und Schranken des geistigen Eigentums einer gesetzlichen
Ausgestaltung zuzuführen, steht der Gesetzgeber246 vor der Aufgabe, nach
Art. 14 Abs. 2 GG nicht nur die Individualbelange des Urhebers zu sichern,
sondern auch diese mit den berechtigten Interessen des Allgemeinwohls in
verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen. Die Sozialbindung des Art. 14 Abs.
2 GG bildet eine verbindliche Richtschnur für den Gesetzgeber, „ein
Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits
aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14
Verfügungsrechten einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu gewährleisten
und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu
ermöglichen; […] Diese sichernde und abwehrende Bedeutung der Eigentumsgarantie
gebietet, die vermögenswerten Befugnisse des Urhebers an seinem Werk als „Eigentum“
im Sinne des Art. 14 GG anzusehen und seinem Schutzbereich zu unterstellen. […] Zu den
konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung
gehört die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der
schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung und seine
Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können.“ Da das Gericht an keiner
Stelle von der notwendigen Gewähr absoluter Rechte spricht, ebenso wenig den Begriff
des Ausschließlichkeitsrechts verwendet, und darüber hinaus auch nur die
vermögenswerten Befugnisse bzw. Ergebnisse des Urhebers dem Schutz des Art. 14 GG
unterstellen möchte, ist es m. E. nicht zwingend, insoweit dem Bundesverfassungsgericht
die Forderung nach der positivrechtlichen Ausgestaltung subjektiver Urheberrechte als
absolute Ausschließlichkeitsrechte angedeihen zu lassen (so Hohagen, S. 276, Fn. 43).
Bestätigung findet die hier vertretene Ansicht auch durch BVerfGE 49, 382, wo das Gericht
(a.a.O., S. 392) zunächst unter Berufung auf BVerfGE 31, 229 (238ff.) festhält, dass die
Eigentumsgarantie die Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen
Leistung an den Urheber verlangt. Es fährt fort (a.a.O., S. 403): „Die Verfassung fordert
nicht, daß dem Urheber für jede öffentliche Werkwiedergabe ein Ausschließungsrecht
eingeräumt sein muss.“ Wenn man aber unterstellt, das Bundesverfassungsgericht gehe
davon aus, dass es kraft Art. 14 GG der positivrechtlichen Ausgestaltung subjektiver
Urheberrechte als absoluter Ausschließlichkeitsrechte bedürfe, dann wäre dieses Diktum
nicht denkbar.
245 Vgl. bereits Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1654: „Das Urheberrecht gibt dem Urheber
die ausschließlichen Verwertungsrechte an seinem Werk, weniger um die Nutzung durch
Dritte zu verhindern, sondern um dem Urheber die wirtschaftliche Nutzung seines Rechts
zu sichern.“.
246 Zur Frage, ob und wieweit die Sozialbindung des Art. 14 GG neben seiner – unstreitigen
– Bindungswirkung für den Gesetzgeber auch eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung
des Eigentümers selbst bewirkt, soll hier keine Stellung genommen werden. Denn die
vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die verfassungsrechtlichen Pflichten alleine
des Gesetzgebers bei Ausgestaltung des Instituts privater Vervielfältigungsfreiheit. Vgl.
dazu aber Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 305f.; umfassend zu diesem Komplex Wendt, S.
295ff..
49
Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2
GG ergeben“247.
Inhaltlich
besagt
die
Sozialbindung,
dass
der
Gesetzgeber
die
Eigentumsfreiheit des einzelnen ebenso wenig unverhältnismäßig kürzen
darf wie er auch das Gebot der Sozialbindung nicht über Gebühr
vernachlässigen darf. Die gesetzgeberische Befugnis, Inhalt und Schranken
geistigen Eigentums zu bestimmen, wird vielmehr durch das Gebot
gerechter
Abwägung
im
Sinne
einer
Verhältnismäßigkeitsprüfung
begrenzt248.
Dieser
letztlich
nur
formelle
Implikationen
zeitigende
Aspekt
der
Sozialbindung führt im Rahmen des Art. 14 GG zu einem abgestuften
Grundrechtsschutz249:
Die
Eigentumsgarantie
soll
die
materielle
Basis
individueller
Freiheitsbetätigung gewähren und sichern, wobei die eigene Leistung des
Grundrechtsinhabers für die Begründung eigentumsrechtlicher Positionen
von vorkonstitutionell wesentlicher Bedeutung ist250. Je stärker demnach
das „personale Substrat“ der eigentumsbegründenden Leistung des
Grundrechtsinhabers ist, desto eher muss dies im Sinne einer verstärkten
Betonung der Individualrechtsgarantie gegenüber der Sozialpflichtigkeit
berücksichtigt werden251. Je intensiver hingegen der allgemeine oder
soziale Bezug des Objekts der Eigentumsgarantie ist, desto stärker muss
auch dieser Aspekt im Rahmen der verhältnismäßigen Ausgestaltung des
Eigentums zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung Berücksichtigung
finden252. Die Sozialbindung hat also im Bereich geistigen Eigentums die
Aufgabe, das Individualinteresse des Eigentümers mit den berechtigten
247
So BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); vgl. auch BVerfGE 31, 229 (242). Zum gesamten
Fechner, S. 239; Hohagen, S. 276f.; Wendt, S. 299f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
308.
248 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310; Fechner, S. 240; Wendt, S. 315.
249 Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 311f.; vgl. auch Thormann, S. 155, 162; BVerfGE 50,
290 (340f.); 70, 191 (201); 79, 292 (302); 84, 382 (385).
250 Vgl. dazu oben II. 1..
251 Dreier – Wieland, Art. 14, Rn. 81; Fechner, S. 240; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
311; BVerfGE 24, 220 (226); 31, 229 (240f.); 50, 290 (340); in diesem Sinne auch
Hubmann, Schöpferischer Geist, S. 75f..
252 Dreier – Wieland, a.a.O.; Fechner, S. 240f.; Hohagen, S. 277; Maunz/Dürig – Papier,
Art. 14, Rn. 312.
50
Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst unbeeinträchtigten Nutzung
geistigen Eigentums einem angemessenen Ausgleich zuzuführen253.
Angesichts der besonderen „personalen Qualität“ geistigen Eigentums
infolge der engen mental-geistigen und/oder intellektuellen Verbindung mit
seinem Hervorbringer wie auch angesichts des starken Sozialbezug
geistigen Eigentums, das erst durch das Betreten des „sozialen Raumes“
seine Geltung und Wertigkeit erfährt, sind diese beiden Faktoren als
materielle
Vorgaben
der
Sozialbindung
des
Urhebers
in
besondere
Weise
zu
berücksichtigen254.
C.
Der
Schutz
durch
das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
Darüber, dass der Urheber im Rahmen seiner schöpferischen Tätigkeit
unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG fällt, herrscht weitestgehend Einigkeit255. Wie sich
dieser Schutz allerdings konkret auswirkt, soll an dieser Stelle geklärt
werden256.
I. Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Art. 2 Abs.
1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Der Schutzzweck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts257 wird in der
Gewährleistung der engeren persönlichen Lebenssphäre, der privaten
253
Vgl. Maunz, GRUR 1973, S. 108; Hohagen, S. 281.
In diesem Sinne auch Kreile, Sozialbindung, S. 257f., mit Verweis auf BVerfGE 49, 392
(394).
255 Vgl. dazu beispielsweise Schricker – Schricker, Einl., Rn. 12; Rehbinder, Rn. 106;
Fechner, S. 256ff.; Engel GRUR 1982, S. 710f.; Krüger – Nieland,
Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 224; Troller, Immaterialgüterrecht, S. 88f.; Hohagen, S.
269f.; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 33; Geerlings, GRUR 2004, S. 208f.; Geiger,
Beschränkungen, S. 146; Arnold, S. 71ff.; offengelassen dagegen bei BVerfGE 31, 229
(238).
256
Zur Abgrenzung des zivil- bzw. urheberrechtlichen Persönlichkeitsrecht vom
verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht, vgl. Krüger – Nieland,
Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 215ff.; Fechner, S. 259ff.; Engel, GRUR 1982, S. 710f..
257 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist durch die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 13, 334ff.; 24, 72ff.; 26, 349ff.; 27, 284ff.;
35, 363ff.; 39, 124ff.) und die Rechtslehre zunächst punktuell entwickelt und schließlich
durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der allgemeinen
Handlungsfreiheit in Verbindung mit der Menschenwürde als eigenständiges (str., vgl.
254
51
Sphäre als Handlungssphäre gesehen - zu Selbstzwecken, aber auch und
vor allem zum Schutz des sozialen Geltungsanspruchs des einzelnen in der
Öffentlichkeit. Der Geltungsanspruch des Menschen in einer sozialen Welt,
die ihn prägt und die durch ihn – insbesondere im Falle des Hervorbringens
geistigen Eigentums – geprägt wird, verlangt, dass der Einzelne kraft seines
Sein und Handeln von eben dieser anerkannt und respektiert wird 258.
Die
vom
allgemeinen
Persönlichkeitsrecht
geschützte
Privat-
und
Persönlichkeitssphäre stellt sachlich einen grundrechtlich geschützten
Bereich freier Entfaltung dar, ein Refugium, in dem eine herrschaftsfreie
Entfaltung der Persönlichkeit, in dem die Wahrnehmung der allgemeinen
individuellen Handlungsfreiheit gewährleistet werden soll259. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht lässt sich demnach auch als Schutz des Individuums in
und gegenüber dem Kollektiv bezeichnen260. Seine Aufgabe ist es, die
engere persönliche Lebenssphäre zu gewährleisten, soweit diese nicht
durch speziellere Freiheitsgarantien geschützt ist261.
Schon die verwendeten Begrifflichkeiten machen deutlich, wie schwer die
exakte positive Abgrenzung eines Schutzbereichs des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts fällt262. Angesichts der kasuistischen Entwicklung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts263 erscheint es angebracht, sich bei der
Beschreibung des Schutzbereichs weiterhin dieser Methodik zu bedienen,
auch um die für die Umschreibung dieses weiten Begriffs erforderliche
Flexibilität zu gewährleisten264.
So kann als sachlicher Schutzbereich zwischen dem Schutz der engeren
persönlichen Lebenssphäre als Privat- und Intimsphäre, dem Schutz der
Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit einschließlich des Schutzes der
persönlichen Ehre, dem sonstigen Autonomieschutz und schließlich dem
Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2, Rn. 128 m.w.N. einerseits und BVerfGE 54, 148 (153); 67,
157 (171) andererseits. Von der Eigenständigkeit gehen auch aus, Arnauld, ZUM 1996, S.
292; Arnold, S. 71; eine vermittelnde Ansicht vertritt Münch/Kunig – Kunig, Art. 2, Rn. 30)
Grundrecht entwickelt worden.
258 Vgl. Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2, Rn. 127; Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 32.
259 Vgl. Degenhart, JuS 1990, S. 361; vgl. auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 98f..
260 So Fechner, S. 260.
261 Fechner, S. 260.
262 Zu diesem Versuch Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 10ff..
263 Münch/Kunig - Kunig, Art. 2, Rn. 31, vgl. dazu auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S.
175ff..
264 So auch Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 16. Zur dogmatischen Struktur des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts vgl. umfassend Arnauld, ZUM 1996, S. 286ff..
52
Schutz der Persönlichkeitsentfaltung und
-entwicklung unterschieden
werden265. Hinsichtlich des Schutzes der Persönlichkeitsentfaltung und entwicklung muss gesagt werden, dass insoweit nur von einem passiven
Recht auf Respektierung eines näher zu definierenden quasiräumlichen
Bereichs der Persönlichkeitsentfaltung die Rede ist, nicht hingegen vom
Schutz des aktiven Entfaltens der eigenen Persönlichkeit.
Angesichts der dieser Untersuchung zugrunde liegenden Thematik, stellt
sich insbesondere die Frage der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, wie
auch diejenige nach dem Schutz der Privatsphäre als besonders relevant
dar.
So
folgt
aus
Entscheidungsfreiheit
dem
des
allgemeinen
einzelnen,
Persönlichkeitsrecht
grundsätzlich
selbst
die
darüber
entscheiden zu können, wie und ob er mit eigenen Äußerungen – also mit
seinen
geistigen
–
Schöpfungen
der
Öffentlichkeit
gegenüber
in
Erscheinung treten will. Die Entscheidung darüber, ob der Schöpfer sein
geistiges Werk aus seiner Persönlichkeitssphäre entlassen und einem Kreis
Dritter preisgeben will, ist ureigenster Bestandteil des grundrechtlich
geschützten Selbstbestimmungsrechts266.
II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten
Angesichts
dieser
nur
vagen
Umschreibbarkeit
des
sachlichen
Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, stellt sich die Frage,
ob das hier im Raum stehende Recht des Urhebers, auch über private
Vervielfältigungshandlungen seiner Werke durch Dritte bestimmen zu
können, überhaupt von dessen sachlichem Schutzbereich umfasst ist.
Das Hervorbringen geistiger Schöpfungen stellt eine Manifestation freier
Persönlichkeitsentfaltung und Betätigung der allgemeinen persönlichen
Handlungsfreiheit
dar.
Der
(körperliche)
Hervorbringungsakt,
das
schöpferische Tun untersteht demnach unzweifelhaft dem Schutz des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinne einer passiven Gewährleistung
jenes Raumes, der zur Verwirklichung dieser Persönlichkeits- und
Freiheitsentfaltung von Nöten ist. Daraus lässt sich folgern, dass dem
Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2, Rn. 148; Mangoldt/Klein – Starck, Art. 2, Rn. 83;
Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 33ff..
266 Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 33; vgl. auch BVerfGE 54, 148 (155).
265
53
Resultat dieser Persönlichkeits- und Freiheitsentfaltung - nämlich das
urheberrechtlich geschützte Werk - jedenfalls indirekt grundrechtliche
Schutzwürdigkeit im
Rahmen
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
zukommt. Denn hierin zeigt sich mehr oder weniger deutlich die
Persönlichkeit
ihres
Schöpfers,
dieser
lässt
in
sein
Werk
einen
(wesentlichen) Teil seiner Persönlichkeit einfließen267.
Die private Vervielfältigung eines bereits veröffentlichten Werkes berührt
jedoch
diesen
Schutzbereich
des
allgemeinen
Persönlichkeitsrechts
nicht268. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Schöpfer
selbst vor der Verletzung seiner Persönlichkeitssphäre269, der Schutz seiner
Werke kann sich bestenfalls als Rechtsreflex dieses verfassungsrechtlichen
Schutzes ergeben.
Eine
Verletzung
dieser
durch
das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht
geschützten Freiheits- und Persönlichkeitssphäre steht aber als Folge
privater Vervielfältigungstätigkeit nicht zu befürchten. Denn zum einen hat
bereits
der
Urheber
selbst
darüber
entschieden,
dass
das
zu
vervielfältigende Werkstück der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden
sollte. Die Freiheit des „Ob“ einer Entäußerung geistiger Schöpfungen in
den öffentlichen Raum wird durch private Vervielfältigung also nicht berührt.
Zum anderen hat gerade die Privatheit der Vervielfältigung zur Folge, dass
es zu einer Zugänglichmachung des Werkes über den bereits vom Urheber
befürworteten Kreis von Werknutzern hinaus nicht kommt. Vielmehr bleibt
das Werk nur demjenigen bekannt, der mit Willen und Zustimmung des
Urhebers ein Werkexemplar erworben hat, nur eben in mehrfacher
Ausführung. Diese Folge der privaten Vervielfältigung lässt aber den
Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unberührt.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die durch das allgemeine
Persönlichkeitsrecht geschützten persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des
Schöpfers
geistigen
vermögensrechtlichen
Eigentums
Schutzes
eine
geistigen
wichtige
Ergänzung
Eigentums
durch
des
das
Grundgesetz darstellen. So ist der Urheber hierdurch insbesondere davor
geschützt, dass seine Entscheidung darüber, ob und wie sein Werk der
267
So Fechner, S. 275; Hubmann, Geistiges Eigentum, S. 33; Tretter, S. 114.
So im Ergebnis Hohagen, S. 269f.; Fechner, S. 270.
269 So bereits Neumann-Duesberg, NJW 1971, S. 1640f..
268
54
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, ihm selbst zur autonomen
Entscheidung vorbehalten bleibt270. Dieser Bereich des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts wird durch die Freiheit der privaten Vervielfältigung
urheberrechtlicher Werke aber nicht berührt, so dass sich insoweit keine
Implikationen
für
den
Gesetzgeber
bei
der
Ausgestaltung
dieses
Rechtsinstituts ergeben.
D.
Der
Schutz
des
Urhebers
durch
die
Kunst-
und
Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG
Über den Befund, dass der schöpferisch tätige Mensch den Schutzbereich
der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit im Rahmen seiner künstlerischen bzw.
wissenschaftlichen Tätigkeit - deren Resultat geistiges Eigentum darstellt zumindest berührt, herrscht Einigkeit271.
Welche
konkreten
verfassungsrechtlichen
Vorgaben
sich
an
den
Gesetzgeber hieraus allerdings im Rahmen der Ausgestaltung des Instituts
der Privatvervielfältigung ergeben, gilt es im Anschluss zu klären.
I. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG
Eine Festlegung des Schutzbereichs eines Grundrechts bedarf zunächst
einer Definition des Schutzgutes, welchem der grundrechtliche Schutz zu
Gute kommen soll. Dabei darf nicht verkannt werden, dass sich mit der
Definition des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs schon ein wesentlicher
Teil des Umfangs des verfassungsrechtlichen Schutzes der Kunstfreiheit
ergibt272.
270
Fechner, S. 287.
Vgl. dazu bspw. Delp, Informationsgesellschaft, Rn. 155, 162; Rehbinder, Rn. 111;
Schricker – Schricker, Einl., Rn. 12; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 60f.; Hohagen, S.
270; Fechner, S. 288; Maunz, GRUR 1973, S. 107.
272 Insofern ist die Problematik eines „Grundrechts aus der Hand des Gesetzgebers“
identisch mit der oben unter B. I. beschriebenen Eigentumsdogmatik. Vgl. dazu Nierhaus,
AöR 116 (1991), S. 86ff.. Da es im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 GG allerdings an einem dem
Art. 14 Abs. 2 GG vergleichbaren gesetzgeberischen Regelungsauftrag fehlt, kommt es im
Rahmen des Art. 5 Abs. 3 GG nicht zu dem oben angesprochenen
Kompetenzzirkelschluss.
271
55
Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff ist (nach wie vor) höchst umstritten,
teilweise wird eine Definition sogar für unmöglich gehalten273. Allerdings
vermag ein Grundrecht, dessen Schutzgegenstand nicht bestimmbar ist,
keinen
effektiven
Grundrechtsschutz
zu
gewährleisten.
Wo
kein
Gegenstand grundrechtlichen Schutzes bestimmt ist, kann auch nichts
diesem Schutz unterliegen. Zu Recht wird daher davon ausgegangen, dass
die
verfassungsrechtliche
Gewährleistung
der
Kunstfreiheit
ein
Definitionsgebot enthalten muss. Andernfalls wäre die Teilhabe der
Kunstfreiheit an der unmittelbaren Geltung der Grundrechte nach Art. 1 Abs.
3 GG blanke Illusion274.
1. Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff
Das Bundesverfassungsgericht geht seit seinem ersten Versuch einer
Definition des Kunstbegriffs in der sog. „Mephistoentscheidung“275 von drei
verschiedenen Kunstbegriffen aus276. Dabei werden alle drei Begriffe zur
Begründung, ob „Kunst“ im verfassungsrechtlichen Sinne vorliegt, kumulativ
verwendet.
Dem materiellen Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichts zufolge, soll
als Wesensmerkmal der künstlerischen Betätigung die freie schöpferische
Gestaltung gelten, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers
durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer
Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit sei ein
Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht
aufzulösen seien. Beim künstlerischen Schaffen wirkten Intuition, Phantasie
und Kunstverstand zusammen, dieses sei primär nicht Mitteilung, sondern
unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit277.
Da sich dieser Definitionsversuch dem Vorwurf der Ideologieanfälligkeit278
wie auch seiner begrifflichen Enge279 ausgesetzt sieht, gelangt das Gericht
273
Grundlegend dazu Knies, S. 214ff.; BVerfGE 67, 213 (225).
So die ganz h.M.: vgl. dazu Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 275; Maunz/Dürig
– Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 25 je m.w.N.; auch Denninger, Kunst, Rn. 2, geht letztlich von
einem Definitionsgebot aus. Anders nur Knies, S. 217ff..
275 BVerfGE 30, 173 (188f.).
276 Vgl. bspw. BVerfGE 67, 213 (226); 83, 130 (138).
277 BVerfGE 67, 213 (226) unter Verweis auf BVerfGE 30, 173 (189).
278 Vgl. Henschel, NJW 1990, S. 1939.
274
56
weiter zum sog. formalen Kunstbegriff280. Das Wesenselement eines
Kunstwerks liegt demzufolge darin, dass bei formaler, typologischer
Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt
sind. Der Kunstbegriff knüpft also an die Tätigkeiten und Ergebnisse etwa
des Malens, Bildhauens oder Dichtens an.
Doch auch diesem Begriff haftet der Vorwurf begrifflicher Enge an, da diese
Definition nicht für andere Werktypen offen ist, denn diese müssten sich a
priori an bestimmten Gattungsanforderungen messen lassen281.
Schließlich gelangt das Gericht zum sog. offenen Kunstbegriff282. Diesem
zufolge sei das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung
darin zu erblicken, dass sie wegen der Mannigfaltigkeit ihrer Aussage
ständig neue weiterreichende Interpretationen zulässt. Damit ergebe sich
praktisch eine unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung. Auch
dieser Begriff sieht sich Kritik ausgesetzt. Er lege jedenfalls indirekt
Qualitätsmaßstäbe an und führe so zu einer wertenden Verengung des
Kunstbegriffs, der „einfachere“ Werke, deren Informationsgehalt nicht
unerschöpflich
sei,
aus
dem
verfassungsrechtlichen
Kunstbegriff
ausschließe283.
An der kumulativen Verwendung mehrerer Definitionsversuche durch das
Bundesverfassungsgericht wird deutlich, dass es schon in der Natur der
Sache
begründet
ist,
dem
Grundgesetz
einen
von
vorne
herein
differenzierten Kunstbegriff zugrunde zu legen284. Denn es ist ein
wesentliches Charakteristikum der Kunst, stets neue Ausdrucksformen zu
suchen und folglich einer starren oder einseitigen terminologischen
Fixierung aus sich selbst heraus nicht zugänglich zu sein.
Dennoch werden in der Literatur Versuche gemacht, dem Kunstbegriff des
Art. 5 Abs. 3 GG bestimmten Begrifflichkeiten zuzuordnen285. Doch
erweisen sich auch diese Bestimmungsversuche insofern als ungeeignet,
als auch diese sich darauf beschränken, maßgebliche Kriterien des
Dazu Denninger, Kunst, Rn. 8; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 279 .
BVerfGE 67, 213 (226f.).
281 Mangold/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 279.
282 BVerfGE 67, 213 (227).
283 Zur Kritik: Henschel, NJW 1990, S. 1939; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn.
279.
284 So auch Häberle, AöR 110 (1985), S. 600; Lerche, BayVBl. 1974, S. 178.
285 Vgl. bspw. Häberle, AöR 110 (1985), S. 601f.; Denninger, Kunst, Rn. 11ff.; Delp,
Informationsgesellschaft, Rn. 150ff..
279
280
57
verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs zu finden, ohne dabei den Anspruch
zu erheben, eine abschließende, absolut gültige Definition des Kunstbegriffs
zu liefern286.
Einen hinreichend bestimmten Kunstbegriff zu finden und sich dabei nicht
auf eine Lösung im topischen Verfahren zu beschränken, ist angesichts der
per definitionem vorgegebenen Wandlungs- und Entwicklungsmöglichkeit
des Lebensbereichs der Kunst aber nicht möglich, der Schutzbereich ist
damit a priori nicht vollumfänglich festgelegt287. In Anbetracht des
Untersuchungsgegenstandes ist dies auch nicht zwingend erforderlich.
Denn geschützte Werke im Sinne des Urheberrechts können, müssen aber
nicht zwingend unter den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff fallen288.
Solange aber der Regelungsgegenstand der Gesetzgebung – also das
urheberrechtlich zu schützende Werk – im Rahmen der Ausgestaltung des
Instituts der privaten Vervielfältigungsfreiheit jedenfalls zum Teil unter den
verfassungsrechtlichen Kunstbegriff fällt, solange hat der Gesetzgeber den
sich hieraus ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben Folge zu leisten
und seiner aus dieser objektivrechtlichen Seite der Kunstfreiheit 289
folgenden Pflicht zur angemessenen Ausgestaltung des Urheberrechts zu
genügen290.
2. Der sachliche und personelle Schutzbereich der Kunstfreiheit
Hier werden einerseits der sog. „Werkbereich“ unterschieden, welcher den
schöpferischen Prozess, das Hervorbringen des Kunstwerkes, aber auch
dessen Ergebnis - das Kunstwerk selbst - umfasst. Diesem als unlösbare
Einheit zugeordnet wird der sog. „Wirkbereich“. Dieser umfasst die
286
In diesem Sinne Häberle, AöR 110 (1985), S. 601; Fechner, S. 290; Zöbeley, NJW
1985, S. 255.
287 Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5, Abs. 3, Rn. 15; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 90;
Häberle, AöR 110 (1985), S. 600.
288 Schricker – Loewenheim, § 2, Rn. 2, 132; Fechner, S. 290.
289 Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 4ff.; Denninger, Kunst, Rn. 24; Dreier –
Pernice, Art. 5 Abs. III, Rn. 43f..
290 Häberle, AöR 110 (1985), S. 607, 609.
58
Darbietung
und
Verbreitung
des
Kunstwerkes,
jede
Form
seiner
kommunikativen Vermittlung an Dritte291.
In personeller Hinsicht schützt die Kunstfreiheit einerseits den schöpferisch
Tätigen, andererseits auch diejenigen, welche für die Verbreitung und
Vermittlung
von
Gewährleistung
Kunstwerken
des
erforderlich
Wirkbereichs
sind,
also
„unentbehrliche
eine für
die
Mittlerfunktion“292
erfüllen293.
II. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten
Die private Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke betrifft allein
die Frage der wirtschaftlichen Verwertbarkeit eines Kunstwerkes, da durch
die bloße Replizierung eines urheberrechtlichen Werkes weder Werk- noch
Wirkbereich unmittelbar beeinträchtigt werden. Damit ist die Frage gestellt,
ob
die Kunstfreiheit in
ihrem
sachlichen
Schutzbereich
auch
die
wirtschaftliche Verwertung eines Kunstwerkes umfasst294.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage bislang nicht eindeutig
Stellung bezogen. Es lässt allerdings erkennen, dass die wirtschaftliche
Verwertung jedenfalls dann vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG
umfasst sein mag, wenn die wirtschaftliche Verwertung eines Werkes derart
beschränkt werde, dass eine freie künstlerische Betätigung faktisch nicht
mehr möglich sei295.
Damit setzt das Gericht
voraus, was schon an anderer Stelle in der
Literatur vertreten wird: Nämlich dass der Schutz durch die Kunstfreiheit
unvollkommen wäre, wollte man die vermögenswirksame Verwertung von
Kunstwerken generell vom Schutz der Kunstfreiheit ausnehmen296. Denn
zum einen würde die Herausnahme der wirtschaftlichen Verwertung aus
291
Für diese Differenzierung grundlegend BVerfGE 30, 173 (189); 67, 213 (224);
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 282ff., Denninger, Kunst, Rn. 18ff., Münch/Kunig
– Wendt, Art. 5, Rn. 93; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 17.
292 So BVerfGE 30, 173 (191); 36, 321 (331).
293
Dreier – Pernice, Art. 5 Abs. III, Rn. 27; Denninger, Kunst, Rn. 20ff.;
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 297; differenzierend dagegen Maunz/Dürig –
Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 13.
294 Dazu Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 60ff.; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. III,
Rn. 18; Leisner, UFITA 48 (1966), S. 47ff.; offen gelassen bei Hohagen, S. 270.
295 BVerfGE 31, 229 (240).
296 Maunz, GRUR 1973, S. 114; Fechner, S. 288f.; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 61;
Leisner, UFITA 48 (1966), S. 48f..
59
dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG der materiellen Basis
künstlerischer Betätigung den Boden entziehen, was der objektiven
Wertentscheidung des Grundgesetzes zum Schutze der Kunstfreiheit
widerspräche297. Zum anderen könnte der Staat die wirtschaftliche
Auswertung
schöpferischer
Regelungen
einengen
Leistungen
und
durch
manipulieren,
was
verwertungsrechtliche
einen
staatlichen
Kunstdirigismus ermöglichte298. Dies liefe indes dem in Art. 5 Abs. 3 GG
niedergelegten Strukturmerkmal des grundgesetzlichen Kulturstaates 299
zuwider.
Zusammenfassend lassen sich demnach die Vorgaben der Kunstfreiheit an
den Gesetzgeber wie folgt umschreiben:
Die
verfassungsrechtliche
Garantie
der Kunstfreiheit stellt
an
den
Gesetzgeber den Auftrag, die geeigneten Rahmenbedingungen für die
Entfaltung und Bewahrung dieser Freiheit zu schaffen. Im Rahmen des
Urheberrechts gehört dazu auch, dem Schöpfer die wirtschaftliche
Verwertung seines Schaffensergebnisses grundsätzlich zu ermöglichen300.
III. Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG
Der Begriff der Wissenschaft stößt auf ähnliche Definitionsschwierigkeiten
wie
der
Kunstbegriff
des
Art.
5
Abs.
3
GG301.
Das
Bundesverfassungsgericht bezeichnet als Wissenschaft „alles, was nach
Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der
Wahrheit anzusehen“ sei, was - so das Gericht weiter - „unmittelbar aus der
prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis“
folge302. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen verwendet den Ausdruck,
Wissenschaft sei „das ernsthafte Bemühen, das Gewusste mit dem
Wißbaren in Übereinstimmung zu bringen“303. Eine exakte Bestimmung des
verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriffs ist aber auch an dieser Stelle
Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; Fechner, S. 288f..
Leisner, UFITA 48 (1966), S. 49; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 61.
299 Dazu Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 8.
300 Fechner, S. 296; Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 61.
301 Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. III, Rn. 85f.; Münch/Kunig – Wendt, Rn. 100;
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 322.
302 BVerfGE 5, 83 (146f.); 35, 79 (112f.).
303 BVerwGE 23, 112 (120).
297
298
60
entbehrlich. Denn auch hier gilt, dass der Gesetzgeber - solange der
Regelungsgegenstand der Gesetzgebung jedenfalls zum Teil unter den
verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff fällt - an die sich hieraus
ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist und seiner aus
der objektivrechtlichen Seite der Wissenschaftsfreiheit304 folgenden Pflicht
zur angemessenen Ausgestaltung dieses freiheitsrechtlich garantierten
Lebenssachverhalt zu genügen hat305.
In sachlicher Hinsicht umfasst der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit
die Vorgänge der Gewinnung gesicherter Erkenntnisse (= Forschung) und
ihrer Verkündung (= Lehre)306.
IV. Konsequenzen für den Schutz von Urheberrechten
Für den Bereich der Wissenschaftsfreiheit stellt sich die Frage, inwieweit die
private Vervielfältigung wissenschaftlicher Erkenntnisse den Schutzbereich
der Wissenschaftsfreiheit überhaupt berühren kann.
Analog zu den Überlegungen zur Kunstfreiheit307 gilt auch hier, dass die
private
Vervielfältigung
Verwertung
lediglich
wissenschaftlicher
grundgesetzlich
geschützten
den
Bereich
Erkenntnisse
Forschungsfreiheit
der
als
wirtschaftlichen
Ergebnis
(als
Unterfall
der
der
Wissenschaftsfreiheit) berühren kann. Denn die Forschungstätigkeit als
solche wird hierdurch nicht unmittelbar beeinträchtigt, da die Vervielfältigung
bereits ein Forschungsergebnis und damit den (jedenfalls partiellen)
Abschluss der Forschungstätigkeit – gewissermaßen der „Wirkbereich“ der
Forschungsfreiheit – selbst voraussetzt.
Hieran knüpft sich die Frage an, ob auch die wirtschaftliche Verwertung
wissenschaftlicher
Erkenntnisse
bzw.
wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse unter den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit
fällt. Entsprechend den zur Kunstfreiheit gemachten Überlegungen dürfte
dies jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn durch die Entziehung der
304
Welche den Staat positiv zu Schutz und Pflege der Wissenschaft verpflichtet, vgl. dazu
Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 81ff..
305 Oppermann, Forschung, Rn. 18, 21; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 133ff..
306 Umfassend dazu Oppermann, Forschung, Rn. 37ff..
307 Vgl. oben I. und II..
61
wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit zugleich der wissenschaftlichen
Betätigung der (wirtschaftliche) Boden entzogen würde308.
Indes kommt es auf diese Frage in Bezug auf urheberrechtlich geschützte
Werke - und nur um diese geht es im Rahmen der Ausgestaltung der
privaten Vervielfältigungsfreiheit nach §§ 53ff. UrhG - nicht an.
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass wissenschaftliche Erkenntnisse
keinem urheberrechtlichen Schutz unterliegen309. Aber nur das Ergebnis
wissenschaftlicher Betätigung, also die wissenschaftliche Erkenntnis, kann
Gegenstand privater Vervielfältigungstätigkeit sein. Wenn aber das
maßgebliche verfassungsrechtliche Schutzobjekt nicht Gegenstand der
urheberrechtlichen Regelungen der §§ 53ff. UrhG ist, dann kann sich auch
keine Kollision verfassungsrechtlicher Anforderungen, wie sie aus der
Wissenschaftsfreiheit hergeleitet werden mögen, mit der Ausgestaltung des
privaten Vervielfältigungsrechts ergeben. Kurz: Wenn das Urheberrecht
keine
wissenschaftlichen
Erkenntnisse
schützt,
welche
wirtschaftlich
verwertbar sind, dann spielen diese für die Ausgestaltung der privaten
Vervielfältigungsfreiheit in ihrer verfassungsrechtlichen Verwurzelung keine
Rolle.
Die Eingangs unter IV. aufgestellte, von der Literatur vertretene These, das
Urheberrecht berühre auch die Wissenschaftsfreiheit muss jedenfalls für
den Bereich privater Vervielfältigung aufgegeben werden.
E. Besondere Schrankenqualifikationen und ihre Auswirkungen auf
verfassungsrechtlichen
Vorgaben
der
Ausgestaltung
privater
Vervielfältigungstätigkeit
So nur Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 84, 18; offen gelassen bei Fechner, S.
330ff..
309 Vgl. grundlegend BT – Drucksache IV/270, S. 37, wo der Gesetzgeber ausdrücklich eine
sachliche Erweiterung des Urheberrechtsschutzes auf den wissenschaftliche Ideen und
Erkenntnisse ablehnt. „Nur die persönliche Formgebung wissenschaftlicher Werke
unterliegt dem Urheberrechtsschutz, der Gedankeninhalt bleibt frei“. Ebenso Fechner, S.
325ff. m.w.N.; Schricker – Loewenheim, § 2, Rn. 61ff. m.w.N.; Loewenheim – Loewenheim,
§ 7, Rn. 11ff.. Anders hingegen Krüger-Nieland, UFITA 85 (1979), S. 108 a.E.: Diese
wendet ein, auch die schützenswerte individuelle Formgebung eines wissenschaftlichen
Werkes werde ja mit vervielfältigt und sei damit jedenfalls in dieser Hinsicht vom
urheberrechtlichen Schutz umfasst. Allerdings kann der individuellen Formgebung eines
wissenschaftlichen Werkes kaum wirtschaftlich verwertbare Substanz zugesprochen
werden.
308
62
Die einfachgesetzliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit von
urheberrechtlich
geschützten
verfassungsrechtlich
Werken
gebotenen
stellt
das
Ergebnis
Interessenausgleichs
zwischen
eines
den
Interessen des Urhebers auf der einen, sowie den Interessen der
Schrankenbegünstigten auf der anderen Seite dar310. Das Ergebnis dieses
Interessenausgleichs
-
dessen
Feststellung
Ziel
der
vorliegenden
Untersuchung sein soll - kann folglich nur gefunden werden, wenn die
Interessen aller Beteiligten erfasst und einer entsprechenden Abwägung
unterzogen werden.
Die pauschale Formel, der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung
grundrechtlich verbürgter Freiheiten einen angemessenen Ausgleich
zwischen den beteiligten Interessen zu finden, greift an dieser Stelle aber zu
kurz. Denn die systematische Struktur mancher Grundrechte zwingt
insoweit
zu
einer
jeweils
besonderen,
gleichsam
individuellen
Ausgleichsfindung311. Dabei begnügt sich das Grundgesetz nicht damit,
diesen Ausgleich im Rahmen einer „einfachen“ Abwägung zu erzielen,
vielmehr gibt es weitere Abwägungsleitlinien vor, welche dem stets
gebotenen „verfassungsrechtlichen Ausgleich“ ein individuelles Gepräge
verleihen312.
Folglich kann die bloße Darstellung der verschiedenen, durch die private
Vervielfältigungstätigkeit urheberrechtlich geschützter Werke betroffenen
und verfassungsrechtlich beachtlichen Interessen alleine noch nicht zu dem
gewünschten Ergebnis führen. Stattdessen gilt es im Folgenden, die
Vgl. Loewenheim – Götting, § 30, Rn. 1f.; Wandtke/Bullinger – Lüft, § 45, Rn. 1 je
m.w.N.; Schippan, ZUM 2001, S. 117.
311 Vgl. grundlegend zur Problematik Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 20ff.. Ein Beispiel
hierfür mag die Regelung des Art. 5 Abs. 2 GG bieten, welche die Freiheitsrechte des Art. 5
Abs. 1 GG den Schranken der „allgemeinen Gesetze“ unterwirft. Auch diese
Schrankenregelung dient der Sicherung des verfassungsrechtlich angestrebten Ausgleichs
zwischen den widerstreitenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen, vgl. dazu
BVerfGE 7, 198 (209f.).
312 Unabhängig davon, welchen Schutzgütern/Interessen eine Beschränkung bspw. der
Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG konkret dienen soll, erfordert die Schrankenregelung des
Art. 5 Abs. 2 GG (die in den Begriff der „allgemeinen Gesetze“ gleichsam eingebettet ist),
dass sich bspw. das allgemeine Gesetz, d.h. die Schrankenregelung, nicht gegen
Rechtsgüter des Art. 5 Abs. 1 GG selbst und als solche richte. Darüber hinaus wird auch
verlangt, dass im Wege der Wechselwirkungslehre das Gut, dessen Schutz mit der
Schranke des „allgemeinen Gesetzes“ angestrebt wird, „aus der Erkenntnis der
wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts [des Art. 5 Abs. 1 GG] […] ausgelegt und so
in [seiner] […] das Grundrecht [des Art. 5 Abs. 1 GG] begrenzenden Wirkung selbst wieder
eingeschränkt werden [müsse]“, vgl. BVerfGE 7, 198 (209). Zum gesamten Lerche,
Grundrechtsschranken, Rn. 21.
310
63
individuellen Anforderungen der betroffenen Grundrechtsnormen, die über
das Erfordernis eines „verhältnismäßigen Ausgleichs“ zwischen den
beteiligten
Interessengruppen
hinausgehen,
also
deren
besonderen
Schrankenqualifikationen herauszuarbeiten und die Konsequenzen hieraus
für die konkrete Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Regelung privater
Vervielfältigungstätigkeit fruchtbar zu machen.
I. Betroffene Schutzbereiche
Der
Schöpfer
urheberrechtlicher
Werke
fällt
hinsichtlich
seiner
Nutzungsmöglichkeiten unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14
GG. Qualität und Maß dieses Schutzes hängen im Wesentlichen von der
Dialektik des starken personalen Substrats geistigen Eigentums einerseits
und dessen starken sozialen Bezugs andererseits313 ab. Jedenfalls das
vermögenswerte Ergebnis der schöpferischen Leistung muss danach dem
geistigen Eigentümer vorbehalten bleiben.
Auch die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG stellt an den Gesetzgeber die
Aufgabe, die wirtschaftliche Verwertung des Ergebnisses künstlerischer
Betätigung grundsätzlich zu ermöglichen und zu sichern.
Auf
Seiten
des
Urhebers
streiten
demnach
im
Falle
privater
Vervielfältigungstätigkeit die Grundrechte der Eigentums- sowie der
Kunstfreiheit.
Die
Frage
Grundrechtskonkurrenz314
läuft
nach
auf
die
der
Frage
somit
nach
bestehenden
der,
für
die
verfassungsrechtlich gebotenen Abwägungsentscheidung maßgeblichen
Schranke hinaus, d.h. aus der Grundrechtskonkurrenz wird gleichsam
verengend eine Schrankenkonkurrenz315.
Dieses Konkurrenzverhältnis nimmt sich vorliegend aus wie folgt316:
Hinsichtlich Eigentums- wie Kunstfreiheit überschneiden sich beide
Schutzbereiche
abstrakt
allein
hinsichtlich
des
Schutzes
des
313
Vgl. dazu allgemein BVerfGE 37, 137 (151).
Eine solche liegt vor, wenn eine menschliche Aktivität den Tatbestand mehrerer
Grundrechte erfüllt, vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 253; Münch/Kunig –
Münch, Vor Art. 1 – 19, Rn. 42.
315 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, a.a.O.; Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 47 m.w.N.;
Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 722; vgl. auch Berg, JuS 1969, S. 20.
316 Die Systematik der Einteilung folgt den Vorschlägen in Mangoldt/Klein/Starck – Starck,
Art. 1, Rn. 254; Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 723.
314
64
vermögenswerten
Ergebnisses
Leistung317.
schöpferischer
Die
Schutzbereiche beider Grundrechte decken aber noch jeweils andere
Bereiche ab, welche nicht vom jeweils anderen Grundrecht umfasst sind 318.
Dies ändert indes nichts daran, beide Grundrechte gleichermaßen für die
Beurteilung der maßgeblichen Schrankenregelung heranzuziehen319.
Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: So wurde bereits vor einer
künstlichen und dem Schutzobjekt nicht gerecht werdenden Aufspaltung
des verfassungsrechtlichen Schutzes geistigen Eigentums gewarnt 320. Vor
allem sollte aber die verfassungsrechtliche Entscheidung, bestimmte
Schutzobjekte den Schutzbereichen mehrerer Grundrechte zuzuordnen,
nicht dazu verwendet werden - dem grundlegenden Schutz- und
Abwehrgedanken der Grundrechte zuwider -, diese Schutzobjekte dann nur
mehr einem Grundrecht zuzuordnen321. Und schließlich gilt es zu beachten,
dass die jeweiligen Schranken verschiedener Grundrechte auch qualitative,
dem jeweiligen Schutzobjekt angepasste Unterschiede aufweisen322, deren
Nivellierung im Wege der Vorrangwirkung des einen oder anderen
Grundrechts sich schon aus Gründen der Sachgerechtigkeit verbietet323.
Hiervon zu trennen ist freilich die Frage, inwieweit sich die Schranken der
Kunstfreiheit von denen der Eigentumsfreiheit qualitativ und quantitativ
unterscheiden. Dies wird im Rahmen der konkreten Vorgaben der jeweiligen
Schranken zu klären sein.
II. Bestimmung besonderer Schrankenqualifikationen
Aufgabe
der
Grundrechtsschranken
und
damit
auch
des
grundrechtsverpflichteten Gesetzgebers ist es, im Bereich des Art. 14 GG,
317
Vgl. dazu oben Teil 2, B. und D..
Für die Kunstfreiheit sei hier beispielsweise der Werkbereich genannt, für die
Eigentumsfreiheit der Bereich der Verfügungsfreiheit über das jeweilige Eigentumsobjekt.
319 So im Ergebnis auch Maunz, GRUR 1973, S. 114; Fechner, S. 197 m.w.N..
320 Oben Teil 2, A..
321
In diesem Sinne auch Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 724; Lerche,
Grundrechtsschranken, Rn. 47. Eine „Verdrängung durch Spezialität“, wie sie bspw. bei
Münch/Kunig – Münch, Vorb. Art. 1 – 19, Rn. 42, vorgeschlagen wird, würde dem
grundrechtlichen Schutzzweck zuwider laufen: Dass ein Lebenssachverhalt gleich durch
mehrere Grundrechte abgedeckt ist, ist ein Zeichen für seine erhöhte Schutzbedürftigkeit,
kann also nicht dazu führen, dass dieser Schutz im Wege der Spezialität ispo iure wieder
verringert wird.
322 Vgl. dazu oben vor A..
323 In diesem Sinne überzeugend Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, S. 724.
318
65
„beiden
Elementen
des
im
Grundgesetz
angelegten
dialektischen
Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter [Eigentums-] Freiheit
und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise
Rechnung zu tragen und die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in
einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen“324.
Die Schrankennormen des Art. 14 GG – Ausfluss der Sozialpflichtigkeit
nach Art. 14 Abs. 2 GG – sind aber sowohl im Regelungsauftrag des Art. 14
Abs. 1 S.2 GG wie auch in der Enteignung des Art. 14 Abs. 3 GG zu
erblicken325. Beide dienen letztlich dem verfassungsrechtlichen Auftrag, die
Interessen der Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich zu bringen 326.
Es stehen dem Gesetzgeber also grundsätzlich zwei Wege – die Inhaltsund Schrankenbestimmung oder die Enteignung – zur Verfügung, den in
Art. 14 GG geforderten Interessenausgleich zu verwirklichen 327. Beide sind
an verschiedene Voraussetzungen gekoppelt und haben verschiedene
Rechtsfolgen.
1. Inhalts- und Schrankenbestimmung, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
Erst wenn die Voraussetzungen für die Einordnung einer gesetzlichen
Regelung als Inhalts- und Schrankenbestimmung geklärt sind, können
hieraus die Konsequenzen dieser Einordnung vorgenommen werden.
a)
Voraussetzungen
der
Einordnung
als
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung
324
BVerfGE 52, 1 (29).
Was sich bereits daraus ergibt, dass beide Formen der Beschränkung
eigentumsrechtlicher Positionen durch das „öffentliche Interesse“ - also diejenigen im
Rahmen der Sozialpflichtigkeit zu beachtenden Interessen der Allgemeinheit - legitimiert
sein müssen. So das Bundesverfassungsgericht für Art. 14 Abs. 1 S.2 GG in BVerfGE 8, 71
(80); 21, 150 (155); 25, 112 (118); 58, 81 (110), für Art. 14 Abs. 3 GG in BVerfGE 56, (259);
74, (264ff.). Klarstellend auch Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 414,
demzufolge beide Regelungen der Lösung des Widerstreits zwischen Individual- und
Allgemeininteressen dienen: Im Falle des Art. 14 Abs. 3 GG komme es aber zu einer
einseitigen Durchsetzung der Allgemeininteressen auf Kosten der Individualinteressen, im
Falle des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG hingegen zu einer (zwar bloß teilweisen) Durchsetzung
beider Interessen.
326 In diesem Sinne auch Wendt, S. 289f.. Diese jeweils übereinstimmende Zielsetzung
beider verfassungsrechtlichen Institute darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass
es sich bei Inhalts- und Schrankenbestimmung um zwei qualitativ völlig verschiedene Wege
handelt, dieses Ziel zu erreichen, vgl. dazu Wendt, S. 161 m.w.N., umfassend auch
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 343ff.; vgl. auch BVerfGE 58, 300 (331).
327 Umfassend dazu Wendt, S. 289ff..
325
66
In der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts bemüht sich dieses um
eine stärkere Konturierung der Abgrenzung zwischen Inhalts- und
Schrankenbestimmung auf der einen, der Enteignung auf der anderen
Seite328. Als komplementäre verfassungsrechtliche Institute können beide
nicht ohne Rekurs auf das jeweils andere beurteilt werden.
Als Enteignung bezeichnet das Bundesverfassungsgericht den staatlichen
Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen, der auf die vollständige oder
teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen zur Erfüllung
bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet ist, die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1
GG
geschützt
sind329.
Anders
hingegen
die
Inhalts-
und
Schrankenbestimmungen: Diese stellen die generelle und abstrakte
Festlegung von Rechten und Pflichten in Ansehung des Eigentums dar330.
Für die Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist
demnach nicht die Intensität des Eingriffs, sondern die Form und dessen
Zweckrichtung entscheidend331: Eine Enteignung liegt nur bei der
zielgerichteten Entziehung eigentumsrechtlicher Positionen vor, die Inhaltsund Schrankenbestimmung bestimmt in genereller und abstrakter Weise die
Rechte und Pflichten des Eigentümers. Die den Eigentümer treffende
Intensität der Eingriffsbelastung in seine Rechtspositionen ist hingegen für
die Einordnung nicht von Belang, selbst in solchen Fällen, in denen eine
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung
in
seinen
Auswirkungen
einer
Enteignung gleich- oder zumindest nahe kommt332. Das Gericht geht
demnach
von
der
Schrankenbestimmung
verfassungsrechtlichen
institutionellen
und
Trennung
Enteignung
Grenzen
aus,
von
der
überschreitende
Inhalts-
zufolge
eine
Inhalts-
bzw.
die
und
Schrankenbestimmung nicht in eine Enteignung umschlagen kann333.
In Abkehr seiner bisherigen Rechtsprechung, welche das Vorliegen einer
Enteignung nicht mehr davon abhängig machte, dass es sich hierbei um
328
Papier, DVBl. 2000, S. 1399.
Vgl. BVerfGE 100, 226 (239f.) m.w.N., st. Rspr..
330 BVerfGE 52, 1 (27); 58, 300 (330); 72, 66 (76).
331 Vgl. Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 38; Papier, DVBl. 2000, S. 1399.
332 Vgl. BVerfGE 83, 201 (211ff.); 100, 226 (240).
333 BVerfGE 58, 137 (145); Burgi, NVwZ 1994, S. 527; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
376; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 238.
329
67
einen
Vorgang
der
Bundesverfassungsgericht
„Güterbeschaffung“
in
seinem
handelte334,
Bemühen
um
kehrt
eine
das
stärkere
Konturierung der eigentumsrechtlichen Schrankenbestimmungen in seinem
Beschluss vom 22. Mai 2001335 genau dorthin zurück336. Demnach setzt die
„Enteignung […] den Entzug konkreter Rechtspositionen voraus, aber nicht
jeder Entzug [sei] […] eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG.
Diese ist beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft
werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerfGE 38, 175
[179f.]). Ist mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich
privater Interessen beabsichtigt, kann es sich nur um eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums handeln (vgl. dazu BVerfGE 101,
239 [259])“337.
Die Zugrundelegung dieser Negativdefinition zeigt bereits, dass es sich bei
jedweder denkbaren Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit durch
den Gesetzgeber nicht um eine Enteignung handeln kann338. Denn
jedenfalls
sollen
mit
der
gesetzlichen
Gewährung
privater
Vervielfältigungstätigkeit keine öffentlichen Aufgaben durchgeführt werden
(es geht ja gerade um die Vervielfältigungstätigkeit im privaten Bereich).
Ferner dient die gesetzliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit
gerade dem Ausgleich einer Vielzahl privater Interessen, angefangen von
den Verwertungsinteressen des Urhebers und der Rechteinhaber, über
diejenigen der Werkmittler, bis hin zu denen der Werknutzer und kann so
dem Diktum des Bundesverfassungsgerichts zufolge also nur Inhalts- und
Schrankenbestimmung sein339.
Vgl. dazu BVerfGE NJW 1991, S. 1807 (1808); Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 356.
BVerfGE 104, 1.
336 Umfassend zur Bedeutung dieser Entscheidung Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 361;
auch Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 38.
337 BVerfGE 104, 1 (10); so letztlich auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 41.
338
So auch die ganz überwiegend vertretene Meinung hinsichtlich der
verfassungsrechtlichen Einordnung der urheberrechtlichen Schrankenregelungen der §§ 53
ff. UrhG, vgl. Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 44; Diemar, GRUR 2002, S. 590;
eindeutig Loewenheim – Götting, §. 3 Rn. 3; so auch BVerfGE 31, 229 (241). Anders
hingegen, d.h. die Schrankenregelungen des Urheberrechts als Form der Enteignung
jedenfalls in Betracht ziehend und dem naturrechtlichen Ansatz folgend Fechner, Geistiges
Eigentum, S. 239, 461ff.; dazu auch BVerfGE 49, 382 (393f.).
339 Denn eine eigentumsrelevante Regelung, die nicht Enteignung ist, kann nur Inhalts- und
Schrankenbestimmung sein, vgl. dazu Haas, NVwZ 2002, S. 273.
334
335
68
b)
Konsequenzen
der
Einordnung
als
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung
Nun ist freilich mit der zwingenden Einordnung der gesetzgeberischen
Ausgestaltung
privater
Schrankenbestimmung
Vervielfältigungstätigkeit
noch
nichts
über
als
die
Inhalts-
und
verfassungsrechtlichen
Anforderungen ausgesagt, welche diese Qualifikation mit sich bringt340.
Diese Anforderungen, die an den Gesetzgeber durch die Einordnung unter
die Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gestellt werden, gilt es nun
herauszuarbeiten.
aa) Allgemeine Schranken des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
Der Gesetzgeber ist im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zunächst an
das
Gebot
gerechter
Abwägung
unter
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
gebunden341.
schutzwürdigen
Beteiligten,
Belange
aller
Beachtung
Danach
also
die
hat
des
er
die
kollidierenden
Verfassungsgüter, in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes
Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung ist
mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen
Privateigentums nicht in Einklang zu bringen. Bei der Anwendung dieses
Abwägungsgebots
ist
gleichermaßen
an
die
Vereinbarkeit
dessen
Ergebnisses mit den übrigen Verfassungsnormen zu denken, insbesondere
an die Beachtung des Gleichheitssatzes342.
Doch
stellen
die
genannten
Regelungen
letztlich
lediglich
Verfahrensregelungen auf, die keine besonderen verfassungsrechtlichen
Schranken
darstellen,
sondern
vielmehr
als
stets
zu
beachtende
Rechtssätze für jedes gesetzgeberische Tätigwerden von Bedeutung
sind343. Hinsichtlich der speziellen Schranke des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
340
Haas, NVwZ 2002, S. 273, m.w.N..
Vgl. BVerfGE 25, 112 (117ff.); 58, 300 (335); 79, 174 (198); 100, 226 (240f.);
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310ff., 315ff. je m.w.N.; Leinemann, S. 70; Leisner,
Eigentum, Rn. 143ff.; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Wendt, S. 306f..
342 BVerfGE 100, 226 (240).
343 Vgl. zur Kritik an der Inhaltslosigkeit dieser Anforderungen für den Bereich speziell der
Inhalts- und Schrankenbestimmung, Leisner, Eigentum, Rn. 145ff..
341
69
bieten diese für sich genommen jedenfalls keine materiellen Grenzen oder
Vorgaben.
Die an dieser Stelle entscheidende Frage ist aber eine andere: Durch
Schrankennormen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S 2 GG - und jede
einfachgesetzliche Gestattung privater Vervielfältigungstätigkeit stellte eine
solche dar, gleich wie diese im Detail ausgestaltet sein mag - wird auf
(zuvor rechtssatzmäßig ausgeformte) Eigentumspositionen des Betroffenen,
hier also des Urhebers, zugegriffen. Da sich, wie zuvor festgestellt,
Enteignung und Inhalts- bzw. Schrankenbestimmungen nicht quantitativ,
sondern qualitativ voreinander unterscheiden344, stellt sich die Frage, wie
weit der Gesetzgeber im Rahmen seiner Ausgestaltungsbefugnis des Art.
14 Abs. 1 S. 2 GG gehen darf, um auch der Individual- oder Privatnützigkeit
des Eigentums noch in verfassungsrechtlich ausreichendem Maße Genüge
zu tun345. Konkret läuft diese Frage darauf hinaus, ab welchem Eingriffsmaß
eine Schrankenregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
ausgleichspflichtig und ab wann sie gar verfassungswidrig ist346.
bb)
„Zumutbarkeit“
als
Abgrenzungsmerkmal
für
die
Ausgleichspflichtigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung
Grundsätzlich geht Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG davon aus, dass eine
Schrankenbestimmung nicht ausgleichspflichtig ist, die entschädigungslos
hinzunehmende
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung
vielmehr
den
verfassungsrechtlich vorgesehenen Regelfall darstellt347. Dies ergibt sich im
Umkehrschluss aus Art. 14 Abs. 3 GG: Dieser sieht ausdrücklich eine
Entschädigungspflicht für enteignende Eingriffe in Eigentumspositionen vor.
Hieraus wird deutlich, dass das Grundgesetz von der grundsätzlichen
Entschädigungslosigkeit von Eigentumsbeschränkungen ausgeht, die im
Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Sozialpflichtigkeit Rechnung tragen
344
Eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung kann also nicht in eine
Enteignung „umschlagen“.
345 Im Falle der Enteignung erfolgt die Gewähr der Privatnützigkeit durch die
verfassungsrechtlich zwingende Entschädigungspflichtigkeit der Enteignung.
346 Dazu Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42ff.; umfassend Wendt, S. 309ff.; Papier,
DVBl. 2000, S. 1401ff.; Maurer, DVBl. 1991, S. 782.
347 Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 338, 346ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn.
84; Wendt, S. 314f..
70
und der sozialgestalterischen Gesetzgebungstätigkeit im Bereich des Art. 14
Abs. 1 S. 2 GG gerade nicht diejenigen Fesseln anlegen wollten, die für den
Bereich des Art. 14 Abs. 3 GG gelten.
(a) „Zumutbarkeit“ als Ausgleichspflicht auslösendes Moment
Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluss vom 2. März
1999 die Möglichkeit des Gesetzgebers heraus, unzumutbare Auswirkungen
einer Inhalts- oder Schrankenbestimmung durch eine entsprechende
Ausgleichsregelung kompensieren zu können348. Das Kriterium der
„Zumutbarkeit“ wird zu Recht ganz überwiegend als Grenzlinie angesehen,
anhand derer die Frage nach der Ausgleichspflichtigkeit einer Inhalts- und
Schrankenbestimmung zu beantworten ist349.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie häufig vorgeschlagen wird350, bietet
hingegen aus dogmatischen Gründen an dieser Stelle351 kein griffiges
Abgrenzungsmerkmal352. Denn bereits die Erforderlichkeitsprüfung stößt
dabei an ihre Grenzen. Dieser zufolge müsste die ausgleichspflichtige
Inhalts- und Schrankenbestimmung gegenüber einer entschädigungslosen
Schrankenbestimmung das relativ mildeste Mittel zum Erreichen des
angestrebten Zwecks eines angemessenen Ausgleichs zwischen Individualund Gemeininteressen darstellen. Diese Frage lässt sich indes so nicht
beantworten, da die Gemeininteressen im Falle einer ausgleichspflichtigen
Bestimmung anders berührt sind (wo die Gemeinschaft für den Ausgleich
aufzukommen hat), als im Falle der entschädigungsfreien Regelung (wo die
Eigentumsbeschränkung
auch
wirtschaftlich
allein
zu
Lasten
des
betroffenen Eigentümers geht). Doch setzt die Erforderlichkeitsprüfung
voraus, dass im Rahmen der zu beurteilenden Mittel der mit diesen verfolgte
348
Vgl. BVerfGE 100, 226 (243f.).
So auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn.
42; letztlich auch Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Leisner, Eigentum, Rn. 151f.;
Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262.
350 Nachweis bei Leisner, Eigentum, Rn. 143, Fn. 280, 281.
351 Was freilich nichts damit zu tun hat, dass schon die Inhalts- und Schrankenbestimmung
als solche - also unbesehen der Frage, ob diese nun ausgleichspflichtig ist oder nicht - dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss. Vgl. Erichsen/Ehlers – Rüfner, a.a.O;
352 So ausdrücklich Papier, DVBl. 2000, S. 1402; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 348;
inzident auch Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 261. In diesem Sinne auch
Leisner, Eigentum, Rn. 143, 147.
349
71
Zweck (hier also auch das Gemeinwohlinteresse) stets identisch bleibt. Dies
ist vorliegend aber nicht der Fall.
(b) Inhalt des Zumutbarkeitskriteriums
Das Kriterium der „Zumutbarkeit“ wiederum bedarf freilich inhaltlicher
Ausfüllung, um seine Bedeutung nicht in einer bloßen Leerformel zu
erschöpfen. Hierfür lassen sich die für die Abgrenzung von Enteignung und
Sozialpflichtigkeit einst entwickelten Grundsätze heranziehen, die letztlich
nach der Schwere des Grundrechtseingriffs fragen353.
(aa) Der Sonderopfergedanke
Der „Sonderopfertheorie“ des BGH folgend354, verstößt jede Sozialbindung
in Gestalt einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gegen Art. 14 GG,
welche einzelnen oder abgrenzbaren Gruppen gegenüber anderen Gruppen
eine sachlich nicht gerechtfertigte Sonderbelastung, ein
„Sonderopfer“
auferlegt. Hierin manifestiert sich der allgemeine Gleichheitssatz in seiner
speziellen Form der Lastengleichheit.
Doch reicht das Kriterium des „Sonderopfers“ für eine taugliche Abgrenzung
nicht aus. Denn zum einen steht der erforderliche Gruppenbezug zur
Disposition des Gesetzgebers, d.h. er kann letztlich darüber bestimmen,
welche Gruppe als „Allgemeinheit“ den Maßstab für das „Besondere“ des
abverlangten Opfers bestimmt355. Ferner führt die Anwendung alleine dieses
Maßstabs
zu
einer
Eigentumseingriffe:
Je
Prämierung
breiter
möglichst
die
weit
eingreifende
reichender
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung angelegt ist, desto eher verschwindet das „Sonder“
des
abverlangten
„Sonderopfers“
im
Dunst
der
allgemeinen
Gemeinpflichtigkeit356.
Vgl. Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190;
Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn.
81; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 362; Leisner, Eigentum, Rn. 148.
354 Diese Judikatur baut auf BGHZ 6, 270 auf. Umfassend dazu Maunz/Dürig – Papier, Art.
14, Rn. 366.
355 Grundlegend dazu Leisner, Sozialbindung, S. 136 ff., insb. S. 137f.
356 Grundlegend dazu Leisner, Sozialbindung, S. 141ff..
353
72
(bb) Materielle Ergänzung anhand des Schutzzwecks
Daher
ist
die
materielle
Ergänzung
des
Sonderopfergedankens
notwendig357. Hierfür werden die Begriffe der Schwere und der Tragweite 358
des Eingriffs in eigentumsrechtliche Positionen verwendet. Wiederum bloße
Begrifflichkeiten, die jedoch nicht in der Lage sind, eine konkrete materiellinhaltliche Grenze zu ziehen359.
Angesichts der Schwierigkeit auch diese Begriffe mit materiellem Gehalt zu
füllen, ist auf den Schutzzweck des Art. 14 GG zurückzugreifen. Denn der
Schutzbereich des Art. 14 GG wird angesichts seiner Normgeprägtheit - wie
oben
festgestellt360
bestimmt361.
Die
-
im Wesentlichen
Grenzziehung
durch
zwischen
seinen
Schutzzweck
ausgleichspflichtiger
und
ausgleichsfreier Inhalts- und Schrankenbestimmung verläuft also entlang
des Schutzzwecks des Art. 14 GG362.
Dem Eigentum kommt als Rechtsinstitut im Gefüge der Grundrechte die
Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im
vermögensrechtlichen
Bereich
sicherzustellen
und
ihm
damit
eine
eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen363. Insoweit ergänzt
die
Gewährleistung
des
Eigentums
die
Handlungs-
und
Gestaltungsfreiheit364 des Einzelnen. Dieser Zweck der Eigentumsgarantie,
der in der Privat- oder Individualnützigkeit365 des Eigentums seine positive
Ausgestaltung gefunden hat, bildet demnach die Markierung für die hier zu
beurteilende Grenzziehung.
Wie oben festgestellt366, stellt im Bereich von Geisteswerken der Eingriff in
die Verfügungsfreiheit
des Eigentümers über sein Eigentumsobjekt
Vgl. Leisner, Eigentum, Rn. 151; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 372;
Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 269.
358 So die Schweretheorie des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwGE 5, 143 (145f.); 7,
297 (299); 11, 69 (75); 19, 94 (98f.); 32, 173 (179).
359 Zur Kritik hieran Leisner, Eigentum, Rn. 151.
360 Vgl. oben unter Teil 2, B. I. und Teil 2, B. II. 1..
361 So schon BSGE 5, 40 (45).
362 So auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375.
363 BVerfGE 24, 367 (389).
364 BVerfGE 14, 288 (293).
365
Zur Privatnützigkeit als Abgrenzungskriterium zwischen Ausgleichspflicht und
Ausgleichsfreiheit im Bereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Leisner, Sozialbindung, S. 171ff.;
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn.
275ff..
366 Vgl. oben unter Teil 2, II. 3..
357
73
zugunsten privater Vervielfältigungstätigkeit keinen Eingriff dar, welcher den
Schutzzweck des Art. 14 GG leer laufen lassen würde. Anders hingegen,
wenn dieser Eingriff in die Verfügungsfreiheit auch einen Eingriff in die
vermögensrechtliche
Zuordnung
bzw.
die
wirtschaftliche
Verwertungsmöglichkeit des Geisteswerkes zur Folge hat.
Auf die zu untersuchende Gewährung privater Vervielfältigungstätigkeit
angewendet besagt dies, dass die Grenze der Ausgleichspflicht dort
verläuft, wo jene als zulässiger Eingriff in die Verfügungsfreiheit des
Urhebers auch einen Eingriff in die vermögensrechtliche Zuordnung des
Werkes, in die insoweit bestehende wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit
des
Urhebers,
zur
Folge
hat.
Mit
anderen
Worten:
Wo
ein
verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich der verschiedenen Interessen die
Freiheit der Vervielfältigung zu privaten Zwecken zulässt oder gar erfordert,
da ist diese gestattende Schrankenregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S.
2 GG solange nicht ausgleichspflichtig, als durch die Vervielfältigungsfreiheit
die vermögensrechtliche Zuordnung des urheberrechtlichen Werkes an den
Urheber als Form geistigen Eigentums zum nicht in Frage gestellt ist. Wo
dies
hingegen
der
Fall
ist,
erfordert
schon
die
besondere
Schrankenqualifikation des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG einen zumindest
vermögenswerten Ausgleich für diesen Eingriff in eigentumsrechtlich
geschützte Positionen.
2. Schranken der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG
Die vorliegende Schrankenkonkurrenz zwischen denen des Art. 14 GG und
denen des Art. 5 GG hat deren kumulative Anwendung zur Folge.
Hinsichtlich der vorliegend überschneidenden Teilschutzbereiche der
vermögensrechtlichen Zuordnung des Ergebnisses schöpferischer Tätigkeit
zeitigt diese echte Schrankenkonkurrenz freilich nur Auswirkungen, wenn
sich die Schranken des Art. 14 GG von denen des Art. 5 GG qualitativ
unterscheiden.
74
Das Grundrecht der Kunstfreiheit sieht als schrankenlos gewährtes
Grundrecht367 keine besonderen Grundrechtsschranken vor. Der Rückgriff
auf die Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG scheidet nach ganz
herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre aus systematischen
wie entstehungsgeschichtlichen Gründen aus368.
Dies heißt freilich nicht, dass die Kunstfreiheit keinerlei Beschränkungen
unterliegen würde. Vielmehr sind für diese nur die verfassungsimmanenten
Schranken maßgeblich. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts369:
Die Kunstfreiheit kann Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der
Verfassung finden, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes
ebenfalls wichtiges Rechtsgut schützen. Konkret hat dies zur Folge, dass
die Schranken der Kunstfreiheit in kollidierenden Verfassungsgütern unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Wege der Abwägung
mit dieser selbst zu finden sind370.
Diese verfassungsimmanenten Schranken sind aber solche, denen auch die
Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterliegt371, mithin keine besonderen
Schranken, welche besondere Anforderungen an die gesetzgeberische
Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit stellen würden. Aus der
Eingangs beschriebenen Grundrechtskonkurrenz ergeben sich für den
Bereich
der
Schranken
Besonderheiten,
da
allein
mithin
Art.
14
keine
Abs.
berücksichtigungsfähigen
1
S.
2
GG
besondere
Schrankenqualifikationen aufstellt. Hinsichtlich der beiden einschlägigen
Grundrechtsnormen
Schranken,
laufen
zugrunde
jene
liegenden
auf
verfassungsimmanenten
Schrankenebene
gleich,
die
Grundrechtskonkurrenz ist insoweit also ohne weitere Auswirkung.
F. Zusammenfassung
Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn. 51; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn.
302 je m.w.N..
368 Vgl. für die Lehre Denninger, Kunst, Rn. 26; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3, Rn.
11; für die Rechtsprechung BVerfGE 30, 173 (191f.); 33, 52 (70f.); 35, 202 (244).
369 BVerfGE 67, 213 (228).
370 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 307; Maunz/Dürig – Scholz, Art. 5 Abs. 3
GG, Rn. 64f.; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 96f. je m.w.N..
371 Vgl. oben unter I. 2. a).
367
75
Das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG umschreibt einen von der
Verfassung
vorgegebenen,
jedoch
wandelbaren
und
nicht
starren
Eigentumsbegriff, der nicht der Definitionskompetenz des Gesetzesgebers
unterliegt. Im Rahmen der dem Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
eingeräumten
einfachgesetzlichen
Ausgestaltungsbefugnis
geistigen
Eigentums im Wege des Urheberrechts, unterliegt er dabei folgenden
verfassungsrechtlichen Vorgaben:
Das verfassungsimmanente Leistungsprinzip bildet gleichermaßen Grund
und Grenze des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs. Wer eine
Leistung in Form einer immateriellen Schöpfung erbringt, der soll
hinsichtlich der Nutzungen, die hieraus gezogen werden, den Schutz der
Eigentumsgarantie genießen. Qualität und Maß dieses Schutzes hängen
von der jeweiligen Stärke des personalen bzw. sozialen Substrats des
konkreten Eigentumsobjekts ab. Dabei gebietet die Institutsgarantie des Art.
14 GG die Zuordnung jedenfalls des vermögenswerten Ergebnisses
schöpferischer Leistung an den Hervorbringer des Eigentumsobjekts und
sichert diesem grundsätzlich auch die freie Verfügungsbefugnis hierüber zu.
Indes verlangt die Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG einen
angemessenen Ausgleich zwischen den Individualinteressen des geistigen
Eigentümers und den Allgemeininteressen (insbesondere der Werknutzer)
zu finden. Die Beachtung des gleichheitsrechtlich geforderten Grundsatzes
der leistungsgerechten Zuteilung von Eigentumspositionen verbietet dabei
nicht von vorneherein, dem geistigen Eigentümer das ausschließliche
Verfügungsrecht an seinem Werk zu entziehen, solange hierfür ein
vermögenswirksamer Ausgleich gewährt wird.
Trotz dieser materiellen Vorgaben ist es dennoch im Einzelnen Sache des
Gesetzgebers,
im
Rahmen
der
inhaltlichen
Ausgestaltung
des
Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sachgerechte Maßstäbe
festzulegen, welche eine der Natur und sozialen Bedeutung des jeweiligen
Urheberrechts
entsprechende
Nutzung
und
Verwertung
desselben
sicherstellen. Dabei ist der Gesetzgeber aber an die verfassungsrechtlich
gebotene Beachtung des Vertrauensschutzprinzips und insbesondere des
Verhältnismäßigkeitsprinzips gebunden. Im Rahmen des letzteren hat der
Gesetzgeber insbesondere das Wohl der Allgemeinheit gemäß Art. 14 Abs.
76
2 GG zu beachten, soweit die Interessen der Allgemeinheit von
verfassungsrechtlicher Relevanz sind372.
Aus dem grundsätzlich im Bereich geistigen Eigentums zu beachtenden
Schutzauftrag durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1, 1
Abs. 1 GG ergeben sich im Bereich privater Vervielfältigung keine
Implikationen für den Gesetzgeber. Denn eine Verletzung, der durch das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht
geschützten
Freiheits-
und
Persönlichkeitssphäre als Folge privater Vervielfältigungstätigkeit ist nicht zu
befürchten, da die Freiheit des „Ob“ der Entäußerung der geistigen
Schöpfung in den öffentlichen Raum durch private Vervielfältigung nicht
berührt wird. Der Urheber hat
bereits zuvor autonom über die
Veröffentlichung seines Werkes positiv entschieden. Auch eine Erweiterung
der Zugänglichmachung des Werkes über den bereits vom Urheber
befürworteten Kreis von Werknutzern hinaus, kommt angesichts der
Privatheit
der
Vervielfältigungshandlung
von
vorneherein
nicht
in
Betracht373. Die Entscheidung darüber, ob der Schöpfer sein geistiges Werk
aus seiner Persönlichkeitssphäre entlassen und einem Kreis Dritter
preisgeben will - als ureigenster Bestandteil des grundrechtlich geschützten
Selbstbestimmungsrechts
und
somit
Bestandteil
des
allgemeinen
Persönlichkeitsrechts - wird also durch private Vervielfältigungstätigkeit nicht
berührt.
Auch der durch die Garantie der Kunstfreiheit erteilte verfassungsrechtliche
Schutzauftrag
an
urheberrechtlichen
den
Gesetzgeber
Ausgestaltung
bedingt
des
im
Rahmen
Instituts
der
privater
372
Eine über diese verfassungsunmittelbaren Vorgaben hinausgehende Bindung des
Gesetzgebers aus § 31 Abs. 1 BVerfGG - der insoweit die materielle, d.h. für den
Gesetzgeber bindende, Rechtskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
vorsieht - kommt für das geistige Eigentum im Bereich privater Vervielfältigung nicht in
Betracht (so angedeutet bei Hohagen, S. 279). Denn die materielle Bindungswirkung dieser
Vorschrift
beschränkt
sich
auf
den
jeweiligen
Entscheidungstenor,
die
Entscheidungsgründe werden ausschließlich
zur Ermittlung der objektiven
Rechtskraftgrenzen herangezogen, ohne dabei jedoch selbst in Rechtskraft zu erwachsen,
vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, § 31, Rn. 94f.. Im Bereich der
Verfassungsmäßigkeit
urheberrechtlicher
Schrankenregelungen
hat
das
Bundesverfassungsgericht
aber
sowohl
Eingriffe
in
urheberrechtliche
Ausschließlichkeitsrechte (vgl. BVerfGE 31, 229; 49, 382; 79, 29) wie auch Eingriffe in
urheberrechtliche Verwertungsrechte (vgl. BVerfGE 79, 29) für verfassungsmäßig erklärt.
Insoweit ergeben sich für den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Instituts der privaten
Vervielfältigungsfreiheit hieraus keine unmittelbaren Einschränkungen.
373 Angesichts der bislang vertretenen ganz hM, welche die Vervielfältigung auch für
Freunde und Verwandte zulässt, freilich ein Befund, der durch die faktischen Verhältnisse
überholt scheint. Dazu auch unten Teil 6, B. II. 1..
77
Vervielfältigungsfreiheit allein die Sicherung der vermögensrechtlichen
Verwertung des Ergebnisses der jeweiligen künstlerischen Betätigung.
Denn die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG enthält insoweit den Auftrag,
die geeigneten Rahmenbedingungen für die Entfaltung und Bewahrung
dieser Freiheit zu schaffen. Im Rahmen des Urheberrechts gehört dazu
auch,
dem
Schöpfer
die
wirtschaftliche
Verwertung
seines
Schaffensergebnisses grundsätzlich zu ermöglichen. Der Schutz der
Verfügungsfreiheit
über
das
Kunstwerk
kann
demnach
nicht
der
Kunstfreiheit als verfassungsrechtlich bindende Vorgabe entnommen
werden.
Die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG hingegen hat auf die
urheberrechtliche Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit durch den
Gesetzgeber
keine
Auswirkungen.
Da
die
Schutzobjekte
der
Wissenschaftsfreiheit keinen urheberrechtlichen Schutz erfahren, kann es
im Rahmen der Ausgestaltung des Urheberrechts auch nicht zu
Berührungen des Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit kommen. Denn
wenn das Urheberrecht keine wissenschaftlichen Erkenntnisse schützt,
dann
spielen
diese
für
die
Ausgestaltung
der
privaten
Vervielfältigungsfreiheit (auch) in ihrer verfassungsrechtlichen Verwurzelung
keine Rolle.
Jedwede denkbare Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit durch
den Gesetzgeber stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne
des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Im Rahmen der besonderen
Schrankenqualifikation des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist der Gesetzgeber
deswegen bei der Findung eines Regelungsmodells an das Gebot gerechter
Abwägung
unter
Beachtung
des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
gebunden. Sofern der dabei gefundene Kompromiss zwischen den
beteiligten verfassungsrechtlich relevanten Interessen einen unzumutbaren
Eingriff in Positionen des Urhebers aus Art. 14 GG zur Folge hat, so ergibt
sich hieraus eine vermögenswirksame Ausgleichspflicht zugunsten des so
beeinträchtigten geistigen Eigentümers. Unzumutbar in diesem Sinne ist
eine ausgleichende gesetzliche Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit
jedenfalls dann, wenn diese auch die vermögensrechtliche Zuordnung des
78
urheberrechtlichen Werkes als Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 GG
in Frage stellt.
Teil 3: Der Schutz des Urhebers durch Vorgaben des Völker- und
Europarechts
79
Der Schutz des Urhebers findet auch im Völkerrecht sowie im Europarecht
Niederschlag. Im Folgenden sollen die Auswirkungen dieser internationalen
Vorgaben
auf
urheberrechtlicher
den
bundesdeutschen
Vorschriften
in
Gesetzgeber
Bezug
bei
auf
Erlass
private
Vervielfältigungstätigkeit herausgearbeitet werden.
A. Völkerrechtlicher Schutz des Urhebers
Schon zu Ausgang des 19. Jahrhunderts setzte sich die Einsicht durch,
dass einem effektiven Urheberrechtsschutz das bis dahin geltende Prinzip
der territorialen Begrenzung des Urheberrechts nicht genüge. Denn die
Schutzwirkung des Urheberrechts endete an den Grenzen jenes Staates,
welcher diesen Schutz kraft seiner Rechtssetzungsbefugnis gewährte. Um
dieses Schutzdefizit auszugleichen, begann man damals mit dem Abschluss
von bilateralen Staatsverträgen, welche einen grenzüberschreitenden
Urheberrechtsschutz gewährleisten sollten. Bis zum heutigen Tage wird
versucht, einen territorial möglichst umfassenden Urheberrechtsschutz
durch eine Vielzahl von internationalen Abkommen zu ermöglichen374.
I. Einschlägigkeit einzelner Konventionen
1. RBÜ
Der bedeutendste und älteste multilaterale Vertrag auf dem Gebiet des
internationalen Urheberrechts ist die Berner Übereinkunft zum Schutz von
Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886375, die seit seinem
Inkrafttreten am 5. Dezember 1887 zur kontinuierlichen Verbesserung des
Urheberrechtsschutzes376 immer wieder Revisionen unterzogen wurde. Der
seit der Revisionskonferenz von Berlin im Jahre 1908 so genannten
Überblick dazu bei Rehbinder, Rn. 29ff.; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn.
13ff.; Mestmäcker/Schulze, Bd. 2, Teil III; Schack, Rn. 832ff..
375 RGBl. 1887, S. 439/506/508/514.
376 Dazu ausführlich mit weiteren Hinweisen Hohagen, S. 49; Schricker – Katzenberger, Vor
§§ 120ff., Rn. 41f..
374
80
Revidierten Berner Übereinkunft (im folgenden RBÜ)377 gehören heute 159
Mitgliedsstaaten378 an.
2. WUA
Außer Betracht bleiben kann bei der vorliegenden Untersuchung von
vorneherein das Welturheberrechtsabkommen vom 6. September 1952
(WUA). Mit dem Beitritt der USA sowie den Staaten der ehemaligen
Sowjetunion und der Volksrepublik China zur RBÜ hat dieses Abkommen
seine Bedeutung weitestgehend eingebüßt, denn es bleibt zum einen weit
hinter dem Schutzniveau der RBÜ zurück. Ferner ordnet Art. XVII des WUA
für seine Mitgliedsstaaten den Vorrang der RBÜ an, so dass es praktisch
kaum noch zur Anwendung des WUA kommt379.
3. TRIPS
Ebenfalls in die Untersuchung mit einzubeziehen sind dagegen die
Vorschriften des sog. TRIPS (Trade related Aspects of Intellectual Property
Rights) - Abkommens als Bestandteil des Übereinkommens zur Errichtung
der Welthandelsorganisation (WTO)380 vom 15. April 1994. Das TRIPS Abkommen verpflichtet seine Mitglieder zur Beachtung der RBÜ und enthält,
über das Niveau der RBÜ hinausgehend, noch einige Mindestrechte zum
Schutz der Urheber381. Es tritt also nicht in Konkurrenz zur RBÜ, sondern
geht vielmehr darüber hinaus382.
Das TRIPS – Abkommen impliziert ferner eine „Verdoppelung“ seiner
eigenen
wie
auch der Anwendbarkeit der RBÜ.
Denn
über die
Verweisungsnorm des Art. 9 Abs. 1 TRIPS werden sowohl die Vorschriften
des TRIPS – Abkommens wie auch diejenigen der Art. 1 – 21 RBÜ
(ausgenommen Art. 6 bis RBÜ) aufgrund der Tatsache, dass die
377
In
seiner
derzeit
gültigen
Form
abrufbar
unter
http://www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/index.html, abgerufen am 6. Oktober 2005
378 Angabe lt. WIPO; abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/index.html,
abgerufen am 6. Oktober 2005.
379 In diesem Sinne übereinstimmend Rehbinder, Rn. 32, 481; Schack, Rn. 853; Schricker –
Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 59.
380 BGBl. 1994 II, S. 1443ff. (Englische Version) bzw. 1625ff. (Deutsche Version).
381 Vgl. Art. 9 Abs. 1 S.1; 13 TRIPS.
382 Reinbothe, ZUM 1996, S. 736; Schack, Rn. 882; Rehbinder, Rn. 483.
81
Europäische Gemeinschaft selbst Unterzeichner des TRIPS – Abkommens
ist383, zum unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrecht384. TRIPS –
Abkommen wie auch RBÜ wirken demnach in zweifacher Weise auf den
bundesdeutschen
Rechtsraum
ein:
Zum
einen
als
(sekundäres)
Gemeinschaftsrecht, zum anderen als Regel des Völkerrechts.
4. WCT
Der Betrachtung bedarf ferner der zum 6. Mai 2002 in Kraft getretene WIPO
Copyright Treaty (WCT)385. Ziel des WCT sind die Ergänzung und
Anpassung der RBÜ an die neuen Herausforderungen angesichts der
Digitalisierung und des Internets, wobei der WCT als Sonderabkommen im
Sinne des Art. 20 RBÜ deren Schutzniveau nur erhöhen, nicht aber
absenken kann386.
Eine Betrachtung weiterer internationaler Vorgaben kann hier außer Acht
gelassen werden, da sich diesen keine strengeren Anforderungen an den
nationalen Gesetzgeber im Hinblick auf die Vervielfältigungsfreiheit
entnehmen lassen387.
II.
Bindungen
des nationalen Gesetzgebers
an Vorgaben des
Völkerrechts
Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die genannten völkerrechtlichen
Vorschriften den nationalen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des
Urheberrechts überhaupt binden können. Denn die Art. 1 Abs. 3 und 20
Abs. 3 GG unterwerfen den Gesetzgeber grundsätzlich alleine der Bindung
an die Vorgaben des Grundgesetzes388. Ob sich eine verfassungsrechtliche
Bindung des Gesetzgebers mittelbar auch aus Normen des Völkerrechts
Vgl. Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 16; ausgiebig zur Frage der
Abschlusskompetenz der Europäischen Gemeinschaft in diesem Fall, Drexl, GRUR Int.
1994, S. 779ff..
384 Drexl, GRUR Int. 1994, S. 782.
385
In
seiner
derzeit
gültigen
Form
abrufbar
unter
http://www.wipo.int/treaties/en/ip/wct/index.html, abgerufen am 6. Oktober 2005.
386 Lewinski, CR 1997, S. 439; Schack, Rn. 885b; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff.,
Rn. 53, Rehbinder, Rn. 482.
387 Überblick bei Hohagen, S. 53 m.w.N..
388 Vgl. dazu Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VI, Rn. 2, 19; Mangoldt/Klein/Starck –
Sommermann, Art. 20, Rn. 234ff.; Di Fabio, Gewaltenteilung, Rn. 18.
383
82
ergeben kann, ist daher zu klären 389. Denn Gegenstand der vorliegenden
Untersuchung sollen nur die zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben
an den Urheberrechtsgesetzgeber sein.
Die zuvor genannten internationalen Konventionen zum Schutze der
Urheber im Bereich der Vervielfältigung stellen allesamt völkerrechtliche
Verträge auf dem Gebiet des Urheberrechts dar390.
Völkerrechtliche Verträge391 sind nach unbestrittener Meinung innerstaatlich
rechtsverbindlich und von allen Normadressaten zu beachten, sie
beanspruchen
also
zwingend
Geltung392.
Auch
hinsichtlich
des
hierarchischen Ranges völkerrechtlicher Verträge innerhalb der nationalen
Rechtsordnung besteht Einigkeit: So haben völkerrechtliche Verträge
(unabhängig davon, wie man nun ihre Transformation in nationales Recht
dogmatisch erklären mag) den Rang einfacher Gesetze 393. Im Verhältnis zu
anderem nationalen Recht gelten dabei die kollisionsrechtlichen Prinzipien
der lex-posterior-Regel wie der lex-specialis-Regel394.
Nun ist mit dieser Einordnung noch nichts darüber ausgesagt, ob und wie
der nationale Gesetzgeber kraft Verfassung - denn nur dieser ist er nach der
Konzeption des Grundgesetzes unterworfen und dem Völkerrecht kommt
nur der Rang einfachen Gesetzesrechts zu - zur Umsetzung der Vorgaben
völkerrechtlicher Verträge verpflichtet ist. Nur wenn diese Frage positiv zu
beantworten ist, macht es im Rahmen dieser Untersuchung überhaupt Sinn,
weiter
nach
den
konkreten
inhaltlichen
Vorgaben
der
genannten
urheberrechtlichen Konventionen zu fragen.
Diese Fragestellung ist angedeutet bspw. bei Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VI, Rn. 20.
Exemplarisch für die RBÜ, Mestmäcker/Schulze, Bd. 2, Teil III, 1. Abschnitt, S. 2.
391 Völkerrechtliche Verträge sind vom sachlichen Anwendungsbereich des Art. 25 GG
ausgeschlossen, der nur für „allgemeine Regeln“ des Völkerrechts gilt, vgl.
Mangoldt/Klein/Starck – Koenig, Art. 25, Rn. 26.
392 Vgl. Bernhardt, Völkerrechtliche Verträge, Rn. 28; Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art.
59, Rn. 82. Umstritten ist freilich die Frage, wie diese Einbeziehung völkerrechtlicher
Verträge in die bundesdeutsche Rechtsordnung dogmatisch zu vollziehen ist, vgl. dazu
Überblick bei Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 83ff.; Münch/Kunig – Rojahn,
Art. 59 , Rn. 34.
393 An der Rangordnung des Art. 25 GG nehmen völkerrechtliche Verträge im Gegensatz zu
den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht teil, da Art. 59 GG insoweit eine
Sonderregelung statuiert. Vgl. zum gesamten, Bernhardt, Völkerrechtliche Verträge, Rn. 29;
Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 91ff.; Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 37;
Bleckmann, DÖV 1996, S. 138ff.; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff., Rn. 118.
394 Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 37 m.w.N.; Schricker – Katzenberger, Vor §§ 120ff.,
Rn. 118 .
389
390
83
Als Konsequenz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist eine
verfassungsrechtliche Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers zur
Umsetzung völkerrechtlicher Verträge zu bejahen395.
So soll das Zustimmungserfordernis des Art. 59 Abs. 2 GG
auch
gewährleisten, dass völkerrechtliche Verpflichtung und innerstaatliche
Rechtslage übereinstimmen396. Dies hingegen lässt sich nur erreichen,
wenn man Art. 59 Abs. 2 GG einen verfassungsrechtlich verbindlichen
Regelungsauftrag
an
den
nationalen
Gesetzgeber
zur
Umsetzung
völkerrechtlicher Verträge entnimmt. Dass das Grundgesetz die Einhaltung
des Völkerrechts möglichst effektiv garantieren will, zeigt auch die
Verpflichtung des Art. 24 Abs. 3 GG wie auch die Friedensziele der
Präambel, des Art. 1 Abs. 2 und des Art. 26 GG397. Zur effektiven
institutionellen Absicherung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur
Wahrung des Völkerrechts ist es dann konsequent, hieraus auch den
verfassungsrechtlichen Auftrag an den nationalen Gesetzgeber zur
Umsetzung der Vorgaben des Völkerrechts in nationales Recht zu folgern.
Es bleibt also abschließend festzuhalten, dass der Gesetzgeber kraft
Grundgesetz zur Beachtung und Durchsetzung der völkerrechtlichen
Vorgaben der oben aufgeführten urheberrechtlichen Konventionen im
Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit verpflichtet ist398.
III. Inhalt des internationalen Urheberschutzes im Bereich privater
Vervielfältigung
1. Vorgaben der RBÜ
So im Ergebnis übereinstimmend Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 35; Tomuschat,
Internationale Offenheit, Rn. 26; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20, VI, Rn. 20, je m.w.N..
396 Münch/Kunig – Rojahn, Art. 59, Rn. 35; Bleckmann, DÖV 1996, S. 140;
Mangoldt/Klein/Starck – Kempen, Art. 59, Rn. 37 m.w.N..
397 Bleckmann, DÖV 1996, S. 140.
398 Auf die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der genannten Konventionen kommt es
für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand, der sich auf die zwingenden Vorgaben
des Gesetzgebers bei der urheberrechtlichen Ausgestaltung des Instituts der privaten
Vervielfältigungsfreiheit beschränkt, also nicht an. Vgl. dazu umfassend Hohagen, S. 57ff..
395
84
Im Rahmen der RBÜ werden die Rechte des Urhebers im Bereich der
Vervielfältigung durch die Vorschrift des Art. 9 RBÜ399 geregelt.
Seit der Revisionskonferenz von Stockholm 1967 ist in dessen Abs. 1 das
ausschließliche
Vervielfältigungsrecht
des
Urhebers
ausdrücklich
anerkannt400. Dadurch soll dem Urheber die Kontrolle der durch jede
Vervielfältigungstätigkeit bewirkten Vergrößerung des Kreises potentieller
Werknutzer und damit dessen Partizipierung an der wirtschaftlichen
Verwertung seines Werkes ermöglicht werden401.
Hinsichtlich
des
dieser
Vorschrift
zugrunde
gelegten
Vervielfältigungsbegriffs ergeben sich auch im Hinblick auf die hier
besonders zu beachtende digitale Vervielfältigung von Werkstücken keine
Besonderheiten.
Auch
die
digitale
Vervielfältigung
ist
unter
den
Vervielfältigungsbegriff des Art. 9 Abs. 1 RBÜ zu subsumieren402.
Allerdings gibt Art. 9 Abs. 2 RBÜ seinen beigetretenen Mitgliedern die
Möglichkeit, unter Abgehen vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des
Urhebers die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken
durch Dritte unter den Voraussetzungen des sog. „Dreistufentests“ zu
gestatten. Die Funktion des „Dreistufentests“ ist zweierlei. Auf der einen
Seite sollte die mit der Vorschrift implizit eingeräumte Befugnis der
nationalen Gesetzgeber, im Bereich des Vervielfältigungsrechts Schranken
einzuführen von vorneherein beschränkt werden403. Andererseits sollte eben
der den nationalen Gesetzgebern hierdurch eröffnete Freiraum zur
Berücksichtigung berechtigter sozialer, kultureller und
Interessen
im
Wege
der
gesetzlichen
ökonomischer
Gestattung
privater
399
Art. 9 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (vgl. BGBl.
1973 II, S. 1071):
„(1) Die Urheber von Werken der Literatur und Kunst, die durch diese Übereinkunft
geschützt sind, genießen das ausschließliche Recht, die Vervielfältigung dieser Werke zu
erlauben, gleichviel, auf welche Art und in welcher Form sie vorgenommen wird.
(2) Der Gesetzgebung der Verbandsländer bleibt es vorbehalten, die Vervielfältigung in
gewissen Sonderfällen unter der Voraussetzung
zu gestatten, dass eine solche
Vervielfältigung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die
berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt.
(3) Jede Aufnahme auf einem Bild- oder Tonträger gilt als Vervielfältigung im Sinne dieser
Übereinkunft.“.
400 Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 1.
401 Hohagen, S. 67f.; vgl. auch Reimer/Ulmer, GRUR Int. 1967, S. 443.
402 Vgl. Masouyé, S. 57;Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 2; umfassend dazu auch
Hohagen, S. 72ff..
403 Senftleben, CR 2003, S. 914; Hohagen, S. 80.
85
Vervielfältigungstätigkeit
Rechnung
getragen
werden404.
Vor
diesem
Hintergrund gilt es im Anschluss die Anforderungen des Dreistufentest für
den Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit darzustellen.
a) „Bestimmter Sonderfall“
Regelungstatbestände, welche durch Art. 9 Abs. 2 RBÜ dem nationalen
Gesetzgeber vorbehalten bleiben, müssen ausweislich des Wortlauts der
Vorschrift solche sein, die einen „bestimmten Sonderfall“ darstellen.
Fraglich ist somit, ob die private Vervielfältigung urheberrechtlicher Werke
einen solchen „bestimmten Sonderfall“ darstellt. Dies ist zu bejahen405.
Begründen lässt sich diese Auslegung des Begriffs des „bestimmten
Sonderfalls“ wie folgt: Um seinem Zweck genüge zu tun, den nationalen
Gesetzgebern bei der Ausgestaltung der Schranken des ausschließlichen
Vervielfältigungsrechts
ausreichenden
Spielraum
für
nationale
Individualitäten zu überlassen, verlangt das genannte Kriterium lediglich,
dass die jeweiligen Gesetzgeber bei ihrem Tätigwerden ihre jeweils
verfolgte Zielsetzung ausreichend klar identifizieren und sich dabei auf
eindeutige politische Wertungen stützen406. Letztlich soll damit nur ein
Bestimmtheitserfordernis aufgestellt werden, um eine schon tatbestandlich
uferlose Schrankenregelung auszuschließen.
Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 9 Abs. 2 RBÜ stützt diese
Auslegung: So sah der ursprüngliche Entwurf des in Stockholm revidierten
Art. 9 Abs. 2 RBÜ vor, dass den Mitgliedsstaaten die Zulassung von
urheberrechtlichen Schranken unter anderem zum Zwecke des privaten
Gebrauchs ausdrücklich erlaubt war407. Die Abstandnahme von den
zunächst vorgesehenen Einzeltatbeständen in der späteren Endfassung des
Art. 9 Abs. 2 RBÜ erfolgte lediglich um der Gefahr einer zu weiten
Auslegung dieser Tatbestände zu begegnen. Mit dem Kriterium des
„bestimmten
Sonderfalls“
sollten
aber
alle
im
Entwurf
genannten
404
Senftleben, CR 2003, S. 914f.; Reinbothe, WCT, S. 256; in diesem Sinne auch
Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 4; Reimer/Ulmer, GRUR Int. 1967, S. 444.
405 In diesem Sinne, Senftleben, CR 2003, S. 916; Reinbothe, WCT, S. 257f.;
Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 15f.; im Ergebnis auch Hohagen, S. 96ff.
sowie BGH JZ 1999, 1004.
406 Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 15; Reinbothe, WCT, S. 257 je m.w.N..
407 Dazu Reimer/Ulmer, GRUR Int. 1967, S. 444.
86
Fallgruppen (also auch diejenige der Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch) mit umfasst sein408.
b) „Beeinträchtigung der normalen Auswertung“
Der zweiten Vorgabe des Dreistufentest zur Folge, darf die Zulassung einer
nationalen Schrankenbestimmung nicht zur „Beeinträchtigung der normalen
Auswertung“ des Werkes führen. Dies ist für den Fall der Gewährung
privater Vervielfältigungsfreiheit zu verneinen409.
Die Begründung hierfür muss sich am Begriff der „Beeinträchtigung der
normalen Auswertung“ orientieren.
So wird die Auffassung vertreten, der Begriff der „normalen Auswertung“
umfasse
jede
nur
erdenkliche
Verwertungsmöglichkeit410.
Dreistufentest
ad
Diese
absurdum,
aktuelle
Auslegung
da
unter
oder
führt
zukünftige
allerdings
Zugrundelegung
den
dieses
Begriffsverständnisses jedwede Beschränkung der Vervielfältigungsfreiheit
des Urhebers eine Beeinträchtigung der „normalen Auswertung“ darstellte,
die Befugnis der nationalen Gesetzgeber zur Gewährung von Schranken im
Wege des Vorbehalts des Art. 9 Abs. 2 RBÜ also keinerlei Sinn hätte411.
Doch auch eine der vorherigen Ansicht diametral entgegen gesetzte
Auslegung, nach der eine Beeinträchtigung der normalen Auswertung des
Werkes nur vorliege, wenn es sich bei der fraglichen Schranke des
ausschließlichen Verwertungsrechts des Urhebers um eine solche handle,
welche mit der Werkverwertung durch den Urheber in unmittelbare
Konkurrenz
trete,
also
zur
völligen
Verdrängung
der
Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers im Bereich der gestatteten
Schranke führe, vermag nicht zu überzeugen412. Denn hier offenbart sich
die Gefahr eines Zirkelschlusses413: Solange der nationale Gesetzgeber
eine
bestimmte
Werknutzung
unter
partieller
Aufhebung
des
urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts für zulässig erklärt, wird es für
408
Zum Gesamten Hohagen, S. 97 m.w.N..
So im Ergebnis, aber mit je verschiedenen Begründungen Senftleben, CR 2003, S. 918;
Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 21; Hohagen, S. 109 je m.w.N..
410 Dazu Senftleben, CR 2003, S. 917 m.w.N..
411 Senftleben, CR 2003, S. 917; in diesem Sinne auch Hohagen, S. 102.
412 Dazu Hohagen, S. 103ff.; auch Senftleben, S. 917.
413 Vgl. Hohagen, S. 104.
409
87
den
Urheber
in
diesem
Bereich
regelmäßig
keine
„normale“
Verwertungsmöglichkeit geben, welche durch die Schrankenregelung eine
Beeinträchtigung erfahren könnte. Denn diese Verwertungsmöglichkeit wird
gerade durch die gestattete Werknutzung durch Dritte wirtschaftlich
unerheblich.
Zum richtigen Ergebnis gelangt man hingegen zum einen, indem man den
Begriff der „Auswertung“ einer weiteren Klärung zuführt. Hierunter ist die
Erzielung
wirtschaftlichen
Nutzens
oder
Ertrages
aus
der
vermögensrechtlichen Verwertung des Werkes zu verstehen414. Dieses
Begriffsverständnis zugrunde gelegt, gelangt man analog zu den oben unter
Teil 2, B. III. gemachten Ausführungen zu dem Ergebnis, dass diese Form
der Auswertung durch die Gewährung privater Vervielfältigungsfreiheit nicht
untergraben wird. Denn es bleibt die Möglichkeit der Kompensation und
wirtschaftliche Teilhabe der Urheber im Wege der
Etablierung einer
gesetzlichen Vergütungspflicht für private Vervielfältigungstätigkeit.
Schließlich sprechen auch tatsächliche Gründe für die Ausnahme privater
Vervielfältigungstätigkeit vom Gebot der Gewährleistung der „normalen
Auswertung“
des
Werkes.
Denn
die
Annahme,
private
Vervielfältigungstätigkeit führe per se zur Minderung der Einnahmen von
Urhebern aus der Verwertung ihrer Werke, ist in dieser Pauschalität nicht
haltbar415.
c) „Unzumutbare Verletzung berechtigter Interessen“
Die Vorgaben des Dreistufentests verlangen in ihrer dritten Stufe, dass es
durch die geschaffene Schrankenregelung nicht zu einer „unzumutbaren
Vgl. WTO Panel Report vom 5.6.2000 United States – Sect. 110 (5) of the US Copyright
Act, WT/DS160/R, S. 48: “We believe that ‘exploitation’ of musical works thus refers to the
activity by which copyright owners employ the exclusive rights conferred on them to extract
economic value from their rights to those works.”, zit. nach Hohagen, S. 100, Fn. 242
415 Vgl. dazu Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage – Bestandsaufnahme
und Perspektive der Rock- und Popmusik in Deutschland, BT-Drucksache 14/6993, S. 36:
„Die Schlussfolgerung, dass jede Kopie einen Verlust [für den Urheber in wirtschaftlicher
Hinsicht] bedeute, […] [ist] in erheblicher Weise spekulativ. In der Praxis dürfte bei weitem
nicht jede verhinderte Vervielfältigung stattdessen zu einem Kauf führen und damit eine
entsprechende Umsatzsteigerung bewirken. Interessant sind in diesem Zusammenhang
auch Untersuchungen in den USA, die auch positive Wirkungen z.B. der Verbreitung von
Musiktiteln über das Internet auf das Kaufverhalten bei bespielten Tonträgern festgestellt
haben wollen. Zumindest ist auffällig, dass die Umsätze der Tonträgerindustrie in den USA
trotz Napster und Co. von 1999 zu 2000 gestiegen sind.“; dazu auch Kuhlen, S. 108ff..
414
88
Verletzung berechtigter Interessen“ des Urhebers kommt. Dies ist für den
Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit solange nicht der Fall, als für die
erlaubte private Vervielfältigungstätigkeit den Urhebern eine angemessene
Vergütung zugute kommt416.
Begründen lässt sich dieses Ergebnis mit den folgenden Überlegungen:
Der Begriff der „Unzumutbarkeit“ ist nach richtigem Verständnis - wie es
auch der französische Originaltext verlangt, der von „injustifié“ spricht417 - im
Sinne einer ungerechtfertigten Beeinträchtigung der Urheberinteressen zu
verstehen418. Die damit aufgeworfene Frage nach der Rechtfertigung der
Beeinträchtigung bedarf folglich einer Interessenabwägung im Einzelfall und
damit mindestens zweier normativer Bezugspunkte.
Ein Bezugspunkt ist in den Interessen der Allgemeinheit an der
Durchsetzung der jeweiligen Schranke - in unserem Fall, die der privaten
Vervielfältigungsfreiheit - zu suchen419. Als konkrete Ausgestaltung dieses
öffentlichen Interesses kommen allgemein gesprochen die Interessen der
Allgemeinheit am Zugang zu Informationen in Betracht420. Es ist also
festzuhalten, dass die Gewährung der Privatvervielfältigungsfreiheit per se
jedenfalls
an
sich
keine
unzumutbare,
d.h.
ungerechtfertigte
Beeinträchtigung der Urheberinteressen darstellt, da insoweit jedenfalls
rechtfertigende Interessen angeführt werden können. Wie weit hingegen in
qualitativer
und
quantitativer
Hinsicht
in
die
jeweils
betroffenen
gegensätzlichen Interessen im Rahmen der konkreten gesetzlichen
Ausgestaltung eingegriffen werden kann, muss der vorzunehmenden
Interessenabwägung im Einzelfall vorbehalten bleiben.
Im Rahmen dieser Interessenabwägung bilden die berechtigten Interessen
des Urhebers den diametralen zweiten
Bezugspunkt. Wesentlicher
Grundgedanke des urheberrechtlichen ausschließlichen Verwertungsrechts
416
So im Ergebnis Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 3; Reinbothe, WCT, S. 260;
Senftleben, CR 2003, S. 919; Hohagen, S. 113, 115; Masouyé, S. 59; Reinbothe/Lewinsky,
WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 23.
417 Abgedruckt bei Hohagen, S. 83.
418 Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 3.
419 Reinbothe, WCT, S. 259; Hohagen, S. 110f.; Vgl. auch die Päambel des WCT
(abgedruckt bei Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Preamble, Vor Rn. 1), die erstmalig die
Interessen der Allgemeinheit als Maßstab für eine Interessenabwägung zur Bestimmung
von Urheberrechten im internationalen Urheberrecht verankert.
420 Vgl. Präambel des WCT.
89
an einem Werk ist die Partizipierung des Urhebers an der wirtschaftlichen
Verwertung seines Werkes421.
Die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts bietet sich dabei zunächst
als geeignetes Mittel an, dieses Ziel zu erreichen. Denn erst ein
Ausschließlichkeitsrecht
gewährt
seinem
Inhaber
die
ausreichende
Verhandlungsgrundlage, um die Gewährung von solchen Nutzungslizenzen
auszuhandeln, die ihm als jeweils wirtschaftlich am vorteilhaftesten
erscheinen422. Im Rahmen der hier in Betracht stehenden (massenhaften)
privaten Vervielfältigungstätigkeit verkehrt sich dieser scheinbar so effektive
Schutz durch ein Ausschließlichkeitsrecht jedoch ins Gegenteil. Denn ein
System individueller Lizenzierung - welches die Ausgestaltung des
Vervielfältigungsrechts als uneingeschränktes Ausschließlichkeitsrecht für
den Bereich privater Vervielfältigung zwingend zur Folge hätte - steht vor
dem Problem, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung (die erst mit der
massenhaften
Nutzung
Vervielfältigungstätigkeit
des
möglich
Werkes
im
ist)
Systematisierung
die
Wege
privater
des
Lizenzierungsverfahrens und damit auch dessen Überwachung voraussetzt.
Damit
indes
sind
der
tatsächlichen
Durchsetzbarkeit
möglicher
Lizenzansprüche enge Grenzen gesetzt. Denn effektive technische Kontrollund Schutzmaßnahmen stehen weder für den Bereich der analogen noch
der digitalen Werkformen zur Verfügung423. Außerdem stellt sich angesichts
der
mit
der
verbundenen,
Entwicklung
oftmals
solcher
erheblichen
technischen
Kosten
neben
Schutzmaßnahmen
der
Frage
der
wirtschaftlichen Rentabilität solcher Schutzsysteme auch das Problem der
Einhaltung eines einheitlichen Schutzniveaus. Denn für wirtschaftlich
weniger erfolgreiche Werke wird sich die Entwicklung oder Anwendung
technischer Schutzmaßnahmen nicht lohnen, auch stehen diese auf der
Digitaltechnik beruhenden Schutzmechanismen für den Bereich analoger
Werkstücke
nicht
zur
Verfügung.
Den
Verwertungsschutz
eines
Vgl. Schricker – Ungern-Sternberg, § 15, Rn. 6 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
Reinbothe, WCT, S. 259; Hohagen, S. 113.
423 Vgl. dazu Pfennig, ZUM 2004, 198ff. (200); Becker (Hrsg.) – Haber u.a., S. 224ff.;
Grimm, DRM – Techniken, S. 94f ; ferner Arbeitspapier der EG-Kommission – Digital
Rights: Background, Systems, Assessment – vom 14.2.2002, Dok. SEC (2002) 197, S. 13:
„Indeed, most of the currently avaible systems have been cracked or will be soon.
Examples include Macrovision, CSS as well as SDMI. These initiatives illustrate the
limitations of static technical protection.”, zit. nach Hohagen, S. 108, Fn. 268.
421
422
90
urheberrechtlich geschützten Werkes von seiner Werkform oder von der
wirtschaftlichen Potenz seines Schöpfers abhängig zu machen424, kann
aber
schon
vor
gleichheitsrechtlichen
Überlegungen
nicht
für
die
Ausgestaltung der Sicherung der wirtschaftlichen Verwertungsrechte von
Urhebern maßgeblich sein.
Da sich nach dem Ausgeführten also der Weg des Ausschließlichkeitsrechts
im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit angesichts der mit der
individuellen Lizenzierung verbundenen Probleme als schwer begehbar
erweist425,
lässt
Art.
9
Abs.
2
RBÜ
die
Reduzierung
des
Ausschließlichkeitsrechts des Art. 9 Abs. 1 RBÜ auf einen gesetzlich
verankerten Vergütungsanspruch in Form einer gesetzlichen Lizenz zu und
424
Hiergegen auch Hohagen, S. 115.
Dies gilt m.E. auch für den digitalen Bereich uneingeschränkt. Anders Hohagen, S. 115
(bestätigt auf S. 119) mit Verweis auf S. 103f., der für den Bereich solcher Werke, die
aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung individuell online zugänglich gemacht werden,
im Falle privater Vervielfältigung bereits eine Beeinträchtigung der normalen Auswertung
des Werkes erblickt.
Richtigerweise differenziert Hohagen, a.a.O., zwischen dem Erwerb eines digitalen
Werkstücks im Wege des Onlinevertriebs (also beispielsweise den entgeltlichen Erwerb
von Musiktiteln über sog. Online-Shops, wie bspw. iTunes der Firma Apple) sowie dem Fall,
in dem der Urheber bzw. Rechteinhaber dem Werknutzer den Inhalt eines urheberrechtlich
geschützten Werks für einen bestimmten Zeitraum an einem bestimmten Ort online
zugänglich macht (beispielsweise das sog. Video-on-Demand-Angebot des TV-Senders
Premiere oder der Internetanbieters One4Movie. Dabei werden dem Kunden Filme
jeglicher Art zur einmaligen Ansicht via Internet auf seinen PC oder Fernseher an einem
von diesem bestimmten Zeitpunkt übertragen). Während es sich bei der ersten Erwerbsart
nur um einen Sonderfall des Vertriebswegs eines digitalen Werkstücks handelt (statt einer
haptischen CD erwirbt der Musikfreund eine digitale Datei, die er entsprechend seinen
technischen Möglichkeiten zu einem körperliches Werkstück, eben einer Musik-CD,
materialisieren kann), erwirbt der Käufer im zweiten Fall kein Werkstück, sondern nur den
temporär begrenzten Werkgenuss (so wie der Kinobesucher auch nicht die jeweilige
Filmrolle des von ihm besuchten Kinofilms als Werkstück, sondern nur die Möglichkeit des
Werkgenusses an einem urheberrechtlich geschützten Werk erwirbt). Es handelt sich damit
bei letzterem aber um eine Verwertungsform urheberrechtlicher Werke, die sich
grundsätzlich von derjenigen der Veräußerung von Werkstücken unterscheidet. Nun setzt
aber jede Vervielfältigungsfreiheit (sei es die des Urhebers, sei es die der Allgemeinheit) schon der Name sagt es - das Vorliegen eines Werkstücks voraus, das überhaupt erst
„vervielfältigt“ werden kann, vgl. Schicker – Loewenheim, § 53, Rn. 11; Loewenheim –
Loewenheim, § 31, Rn. 20. Mit anderen Worten ist die von Hohagen, a.a.O. aufgezeigte
Situation
der
bloßen
Zugänglichmachung
des
Werkgenusses
von
der
Vervielfältigungsfreiheit der §§ 53 ff. UrhG schon tatbestandlich gar nicht umfasst (in
diesem Sinne differenziert auch Peukert, Schutzbereich, S. 24f.). Auch der oben
vergleichsweise herangezogene Kinobesucher käme nicht auf die Idee, den von ihm
betrachteten
Film
in
Ausübung
seines
ihm
(vermeintlich)
zustehenden
Vervielfältigungsrechts an der Filmrolle legal mit einer von ihm mitgebrachten Videokamera
aufzuzeichnen.
Der Bereich der Zurverfügungstellung bloßen Werkgenusses hat also für die vorliegende
Untersuchung außer Betracht zu bleiben, da der Regelungsgehalt der §§ 53ff. UrhG diese
Sachkonstellation gerade nicht umfasst.
425
91
ermöglicht damit die generelle Zulässigkeit der privaten Vervielfältigung
gegen angemessene Vergütung426.
d) Ergebnis
Die tatbestandliche Weite des Dreistufentest hat zur Folge, dass sich
diesem keine konkreten Vorgaben an den nationalen Gesetzgeber
hinsichtlich der Ausgestaltung des Instituts privater Vervielfältigungsfreiheit
entnehmen lassen. Jedoch stellt Art. 9 Abs. 2 RBÜ für den nationalen
Gesetzgeber klar, dass er zugunsten der privaten Vervielfältigungsfreiheit
der Allgemeinheit einen Eingriff in das grundsätzlich ausschließliche
Vervielfältigungsrecht des Urhebers vornehmen darf. Dies gilt für den
Bereich der analogen wie digitalen Vervielfältigung gleichermaßen. Dabei
hat der Gesetzgeber aber zwingend die berechtigten wirtschaftlichen
Verwertungsinteressen des Urhebers zu beachten und diesen folglich für
solche Beeinträchtigungen seiner Verwertungsmöglichkeiten, die ihm aus
der Freiheit privater Vervielfältigung erwachsen, zu entschädigen. Es bleibt
also dem nationalen Gesetzgeber überlassen, ob er im Wege des
Instruments
der
gesetzlichen
Lizenz427
in
das
ausschließliche
Vervielfältigungsrecht des Urhebers einbrechen will oder nicht. Für den Fall,
dass er dies tut, sieht der Dreistufentest zwingend vor im Wege einer
Abwägung der betroffenen Interessen auf Seiten der Allgemeinheit wie der
Urheber bzw. Rechteinhaber einen angemessenen Ausgleich auf Seiten
des
Urhebers
für
die
hierdurch
erlittenen
Beeinträchtigungen
der
Urheberrechte zu schaffen.
2. Vorgaben des TRIPS – Abkommens
Die Revidierte Berner Übereinkunft wird in ihrer Gültigkeit für die
Rechtsbeziehungen ihrer jeweiligen Verbandsländer bzw. Mitgliedstaaten
untereinander durch das TRIPS – Abkommen nicht beeinträchtigt428. Das
426
Vgl. Reinbothe, WCT, S. 260; Hohagen, S. 117; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10
WCT, Rn. 23; Senftleben, CR 2003, S. 919.
427 Zum Begriff Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 17ff..
428 Vgl. Art. 2 Abs. 2 TRIPS; Katzenberger, GRUR Int.1996, S. 455.
92
TRIPS - Abkommen lässt die Fortgeltung der Revidierten Berner
Übereinkunft aber nicht nur unangetastet, es übernimmt deren materiellen
Schutzgehalt vielmehr in seine eigenen Regelungen und zwar auf dem
höchstmöglichen Niveau, nämlich auf dem der Pariser Fassung der Berner
Konvention von 1971. Dies ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS429.
Das TRIPS – Abkommen inkorporiert demzufolge auch die Regelung des
Art. 9 RBÜ einschließlich seines Dreistufentest im Hinblick auf mögliche
Schranken
des
urheberrechtlichen
Verwertungs-
bzw.
Vervielfältigungsrechts430. Ergänzend zur Übernahme des materiellen
Gehalts der Revidierten Berner Übereinkunft folgt das TRIPS – Abkommen
im Übrigen dem sog. "Bern - plus" - Ansatz. Er bedeutet, dass das TRIPS –
Abkommen sich mit dem Schutzstandard der Berner Konvention nicht
begnügt, sondern zusätzliche Schutzelemente einführt. Sie sind in den Art.
10 bis 13 TRIPS niedergelegt431.
Die hierin niedergelegten materiellen Grundsätze sind allerdings für das hier
in
Frage
stehende
Vervielfältigungsrecht
ohne
Belang.
Dies
gilt
insbesondere auch für Art. 13 TRIPS432. Diese Vorschrift sucht in enger
Anlehnung an den Wortlaut des Dreistufentests des Art. 9 Abs. 2 RBÜ
dessen Auslegungsregel für die Begrenzung von Vervielfältigungsrechten
zu generalisieren und somit auf alle Ausnahmen und Schranken der
jeweiligen nationalen Urheberrechtsordnungen anwendbar zu machen 433.
Diese Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs des Dreistufentests
lässt aber die Geltung der über Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS inkorporierten
Anforderungen des Art. 9 RBÜ unberührt, führt also weder zu einer
Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS: „Verhältnis zur Berner Übereinkunft. Die Mitglieder befolgen
die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu.“. Art. 9 Abs. 1 S.
2 TRIPS schränkt die Übernahme der materiellen Bestimmungen der Revidierten Berner
Übereinkunft jedoch dahingehend ein, dass die TRIPS - Mitglieder "keine Rechte oder
Pflichten in Bezug auf die in Art. 6bis der Übereinkunft gewährten oder die daraus
abgeleiteten Rechte" haben. Diese Einschränkung gilt aber ausdrücklich nur für Rechte
oder Pflichten "aufgrund dieses Übereinkommens", also von TRIPS. Daraus folgt das
wichtige Ergebnis, dass die diesbezüglichen Verpflichtungen der TRIPS - Mitglieder aus der
Berner Konvention selbst unberührt bleiben. Vgl. dazu Katzenberger, GRUR Int. 1996, S.
457, 466.
430 Vgl. Hohagen, S. 85; Katzenberger, GRUR Int. 1996, S. 456; Reinbothe, ZUM 1996, S.
736.
431 Dazu Reinbothe, ZUM 1996, S. 736ff..
432 Art. 13 TRIPS: „Beschränkungen und Ausnahmen. Die Mitglieder begrenzen
Beschränkungen und Ausnahmen von ausschließlichen Rechten auf bestimmte
Sonderfälle, die weder die normale Auswertung noch die berechtigten Interessen des
Rechtsinhabers unzumutbar verletzen.“.
433 Reinbothe, ZUM 1996, S. 739; Hohagen, S. 87.
429
93
Herabsetzung noch zu einer Verschärfung seiner Anforderungen an den
nationalen Gesetzgeber bei der Einführung von Schrankenregelungen im
Bereich des Vervielfältigungsrechts434.
Was die konkrete Auslegung der Kriterien des Dreistufentests betrifft, wie er
durch die Öffnungsklausel des Art. 9 TRIPS zur Anwendung gelangt, so
ergeben sich keine inhaltlich abweichenden Vorgaben von denen des Art. 9
RBÜ. Der Dreistufentest ist also in RBÜ wie TRIPS – Abkommen einheitlich
auszulegen435.
Die Anforderungen denen der nationale Gesetzgeber bei Ausgestaltung des
privaten Vervielfältigungsrechts nach dem TRIPS – Abkommen zu genügen
hat, entsprechen also denjenigen, die sich aus der Beachtung der Vorgaben
der RBÜ ergeben. Insoweit kann auf die oben unter 1. gemachten
Ausführungen verwiesen werden.
3. Vorgaben des WCT
Der
WCT436
sieht
keine
ausdrückliche
Bestimmung
zum
Vervielfältigungsrecht urheberrechtlich geschützter Werke vor, sei es zum
Schutze des Urhebers, sei es zum Schutze des Werknutzers. Doch ist dies
angesichts der Regelung des Art. 1 Abs. 4 WCT437 auch nicht erforderlich.
Demnach geht auch der WCT grundsätzlich vom ausschließlichen
Vervielfältigungsrecht des Urhebers nach Art. 9 Abs. 1 RBÜ aus, das den
nationalen Beschränkungsmöglichkeiten des Art. 9 Abs. 2 RBÜ unterliegt 438.
Eine Bestätigung und Vertiefung dieser Interpretation des Art. 1 Abs. 4 WCT
folgt auch aus dem „Agreed statement concerning Article 1 (4)“439,
demzufolge die Bestimmungen des Art. 9 RBÜ in vollem Umfang auf die
434
Hohagen, S. 85ff.; in diesem Sinne auch Reinbothe, ZUM 1996, S. 739.
Hohagen, S. 94f. m.w.N..
436 Im englischen Originaltext abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/, abgerufen am
6. Oktober 2005.
437 Art. 1 Abs. 4 WCT: “Contracting Parties shall comply with Articles 1 to 21 and the
Appendix of the Berne Convention.”.
438Vgl. Lewinski, CR 1997, S. 440; dies., GRUR Int. 1997, S. 673.
439 Agreed statement concerning Article 1 (4): „The reproduction right, as set out in Article 9
of the Berne Convention, and the exceptions permitted thereunder, fully apply in the digital
enviroment, in particular to the use of works in digital form. It is understood that the storage
of a protected work in digital form in an electronic medium constitutes a reproduction within
the meaning of Article 9 of the Berne Convention.”; abgedruckt bei Reinbothe/Lewinski,
WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, vor Rn. 1.
435
94
Vervielfältigung von Werkstücken im digitalen Kontext Anwendung finden
sollen440. A fortiori ist hieraus zu schließen, dass die Regelungen des Art. 9
RBÜ hinsichtlich jedweder Form der Vervielfältigung im Geltungsbereich
des WCT zur Anwendung gelangen sollen441.
Der Schutz des Urhebers vor Beschränkungen seines grundsätzlich
absoluten Vervielfältigungsrechts durch den nationalen Gesetzgeber findet
demnach seine Grundlage zum einen im Dreistufentest des Art. 9 Abs. 2
RBÜ, wie er über Art. 1 Abs. 4 WCT in dessen Rahmen zur Anwendung
gelangt442. Die materiellen Anforderungen des Dreistufentests der RBÜ
bleiben durch die Verweisungsnorm des Art. 1 Abs. 4 WCT unberührt. D.h.
die Auslegung der materiellen Kriterien des Dreistufentest ist in RBÜ wie
WCT gleich zu behandeln443. Dies folgt aus dem insoweit444 identischen
Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 WCT mit Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS, der seinerseits
(wie oben unter 2. dargelegt) die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 RBÜ
uneingeschränkt in das TRIPS – Abkommen inkorporiert. Auch Art. 1 Abs.
1, 2 WCT445 i.V.m. Art. 20 RBÜ bestätigen dieses Ergebnis, da nach diesen
Vorschriften der Schutz des WCT nicht hinter demjenigen der RBÜ
zurückbleiben darf446.
Hiervon zu unterscheiden ist der Schutz des Urhebers im Hinblick auf sein
Vervielfältigungsrecht durch die ergänzende Regelung des Art. 10 WCT447.
440
Reinbothe/Lewinski, WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, Rn. 1, 15; Lewinski, CR 1997,
S. 440.
441 Art. 1 Abs. 4 WCT hat also wie Art. 9 Abs. 1 TRIPS die Inkorporierung des
Dreistufentests des Art. 9 Abs. 2 RBÜ in den sachlichen Regelungsbereich des WCT zur
Folge, vgl. Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 1 WCT, Rn. 17.
442 Reinbothe/Lewinski, WIPO, Annex to Article 1 (4) WCT, Rn. 16.
443 Vgl. dazu Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 1 WCT, Rn. 17; Hohagen, S. 95.
444
Die abweichende Behandlung persönlichkeitsrechtlicher Aspekte durch die
unterschiedliche Behandlung des Art. 6 bis RBÜ in Art. 9 Abs. 1 S. 1 TRIPS und Art. 1 Abs.
4 WCT spielt angesichts des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes, der
persönlichkeitsrechtliche Elemente nicht berührt, keine Rolle.
445 Art. 1 WCT: (1) “This Treaty is a special agreement within the meaning of Article 20 of
the Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works, as regards
Contracting Parties that are countries of the Union established by that Convention. This
Treaty shall not have any connection with treaties other than the Berne Convention, nor
shall it prejudice any rights and obligations under any other treaties.”
(2) “Nothing in this Treaty shall derogate from existing obligations that Contracting Parties
have to each other under the Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic
Works.”.
446 Vgl. Lewinski, GRUR Int. 1997, S. 673.
447 Unklar insoweit Hohagen, S. 88ff., der ausschließlich auf den Schutz des Urhebers im
Geltungsbereich des WCT durch Art. 10 WCT abstellt, Art. 1 Abs. 4 WCT i.V.m. Art. 9 RBÜ
hingegen unerwähnt lässt. Richtigerweise stellt aber Art. 10 WCT bloß eine Ergänzung des
95
Dessen Abs. 1448 ist allerdings auf das Vervielfältigungsrecht nicht
anwendbar. Dies folgt daraus, dass Art. 10 Abs. 1 WCT nur auf die „nach
diesem Vertrag gewährten Reche“ (im englischen Original: „…rights granted
[…] under this treaty…) Anwendung findet, der WCT aber gerade keine
Vervielfältigungsrechte
gewährt,
sondern
diese
nur
in
seinen
Anwendungsbereich übernimmt, also keine originär schutzbegründende
Wirkung zeitigt449.
Anders hingegen Art. 10 Abs. 2 WCT450, der ausdrücklich die Anwendung
des hierin vorgesehenen Dreistufentests auf die nach der RBÜ gewährten
Beschränkungen von Urheberrechtspositionen vorsieht451, mithin auch
Beschränkungen
des
Vervielfältigungsrechts
des
Urhebers
durch
Schranken im Sinne des Art. 9 Abs. 2 RBÜ. Die materiellen Anforderungen
des Dreistufentests in Art. 10 Abs. 2 WCT entsprechen allerdings denen des
Art. 9 Abs. 2 RBÜ, führen also weder zu einer Beschränkung noch zu einer
Ausweitung des Schutzstandards des Art. 9 RBÜ für den Bereich privater
Vervielfältigungstätigkeit452. Dies ergibt sich einerseits aus dem insoweit
identischen Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 WCT mit Art. 9 Abs. 2 RBÜ wie
auch aus dem dokumentierten Willen der Vertragsparteien bei Abschluss
des WCT. Danach sollten dem Dreistufentest des Art. 10 WCT die gleichen
materiellen Voraussetzungen zugedacht werden, wie dem Dreistufentest
nach Art. 9 RBÜ453.
IV. Zusammenfassung
Urheberschutzes durch Art. 1 Abs. 4 WCT dar. Vgl. dazu Reinbothe/Lewinski, WIPO,
Annex to Article 1 (4) WCT, Rn. 16.
448 Art. 10 Abs. 1 WCT: “Contracting Parties may, in their national legislation, provide for
limitations of or exceptions to the rights granted to authors of literary and artistic works
under this Treaty in certain special cases that do not conflict with a normal exploitation of
the work and do not unreasonably prejudice the legitimate interests of the author.”.
449 Vgl. Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10 WCT, Rn. 26; i.d.S. auch Hohagen, S. 89f..
450 Art. 10 Abs. 2 WCT: “Contracting Parties shall, when applying the Berne Convention,
confine any limitations of or exceptions to rights provided for therein to certain special cases
that do not conflict with a normal exploitation of the work and do not unreasonably prejudice
the legitimate interests of the author.”.
451 Hohagen, S. 90; Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10, Rn. 29f.; Lewinski, CR 1997, S.
441.
452 So Hohagen, S. 91,95; offengelassen dagegen bei Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 10
WCT, Rn. 24.
453 Vgl. Nachweis bei Hohagen, S. 91, Fn. 203; vgl. auch den vorbereitenden „Basic
Proposal“ zum WCT, WIPO-Doc. CRNR/DC4 vom 30. August 1996, S. 52, Nr. 12.05:
„Interpretation of the provisions of Article 12 should follow the established interpretation of
Article 9 (2) of the Berne Convention.”, zitiert nach Hohagen, S. 95, Fn. 222.
96
Der Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken ergibt sich für den
Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit im internationalen Kontext aus den
Vorgaben der RBÜ, des TRIPS – Abkommens sowie des WCT. Die
Vorgaben der genannten völkerrechtlichen Verträge stellen für den
nationalen
Gesetzgeber
kraft
der
Völkerrechtsfreundlichkeit
des
Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbindliche Maßstäbe auf.
Die Vorgaben der RBÜ sehen dabei nach Art. 9 Abs. 1 RBÜ grundsätzlich
ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht des Urhebers vor. Jedoch bleibt
es dem nationalen Gesetzgeber nach Maßgabe des sog. Dreistufentests in
Art. 9 Abs. 2 RBÜ unbenommen, das ausschließliche Vervielfältigungsrecht
des Urhebers gewissen Beschränkungen zu unterwerfen. Im Ergebnis legt
die RBÜ dem nationalen Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben vor, sie
lässt vielmehr den Eingriff in das ausschließliche Verwertungsrecht des
Urhebers zugunsten privater Vervielfältigungsfreiheit grundsätzlich zu. Bei
der
konkreten
Ausgestaltung
privater
Vervielfältigungsfreiheit
der
Allgemeinheit hat der Gesetzgeber jedoch zwingend die berechtigten
wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Urhebers mit denjenigen
berechtigten Interessen der Allgemeinheit abzuwägen und in einen
angemessenen
Ausgleich
zu
bringen.
Wie
das
Ergebnis
dieses
Abwägungsvorgangs hingegen konkret aussieht, bleibt dem nationalen
Gesetzgeber vorbehalten; so kann der zwingend erforderliche Ausgleich für
die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwertungsinteressen entweder
im Wege der Einräumung einer gesetzlichen Lizenz oder aber im Wege der
Einräumung eines individuellen Lizenzierungssystems erfolgen. Die RBÜ
gibt insoweit keine verbindlichen Vorgaben an die Hand.
Die Vorgaben des TRIPS – Abkommens wie des WCT ergeben keine von
den materiellen Voraussetzungen der RBÜ abweichenden Vorgaben. Das
TRIPS – Abkommen inkorporiert das ausschließliche Verwertungsrecht des
Urhebers nach Art. 9 Abs. 1 RBÜ wie auch den Dreistufentest des Art. 9
Abs. 2 RBÜ, ohne dabei zu einer inhaltlichen Abänderung der Vorgaben
und Rechtsfolgen der genannten Rechtspositionen und deren Schranken zu
kommen. Gleiches gilt im Ergebnis für den WCT: Das hierin gewährte
97
ausschließliche Verwertungsrecht ist ebenso auszulegen wie dasjenige der
RBÜ. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vorgaben des Dreistufentests.
Die
Regelungen
des
Völkerrechts
gestatten
also
wie
die
verfassungsrechtlichen Vorgaben454 auch grundsätzlich den Eingriff in
urheberrechtliche
Ausschließlichkeitsrechte
zu
Gunsten
privater
Vervielfältigung unter der Voraussetzung, dass dem Urheber hierfür ein
wirtschaftlicher Ausgleich gewährt wird. Somit werden jedenfalls keine
strengeren Vorgaben durch das Völkerrecht aufgestellt, als sie bereits durch
das Grundgesetz erfolgten; die Frage danach, wie Kollisionen des
Völkerrechts mit grundgesetzlichen Vorgaben zu lösen sind, erübrigt sich
daher.
B. Europarechtlicher Schutz des Urhebers
Als Rechtsgrundlage für die Harmonisierung des Urheberrechts auf
europäische Gemeinschaftsebene werden generell die Art. 94 ff. EGV
herangezogen455.
betrachtende
Als
Rechtsgrundlage
Richtlinie
Informationsgesellschaft
über
das
für
die
hier
besonders
Urheberrecht
in
zu
der
RL 2001/29/EG (im Folgenden: Info - RL) wird
speziell Art. 47 Abs. 2, 55 EGV herangezogen456. Auch unter Beachtung
des Subsidiaritäts- wie des Verhältnismäßigkeitsprinzips des Art. 5 Abs. 2, 3
EGV
besteht
Einigkeit
dahingehend,
dass
einer
umfassenden
Harmonisierung des Urheberrechts auf Gemeinschaftsebene, wie sie
insbesondere durch die Info – RL einen Anfang gefunden hat, jedenfalls
keine kompetenzrechtlichen Bedenken entgegenstehen457.
I. Europarechtliche Bestimmungen zum Schutz des Urhebers im
Bereich privater Vervielfältigung
454
Dazu oben Teil 2, F..
Grundlegend dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Allgemeiner Teil, Rn. 13 ff..
456 So die Präambel der Richtlinie 2001/29/EG des europäischen Parlaments und des
Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten
Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. Mai 2001 (Abdruck in ABl. L 167/10).
457 Vgl. Schippan, ZUM 2001, S. 123ff.; Hohagen, S. 157 m.w.N..
455
98
Im Bereich des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts fanden sich auf
Gemeinschaftsebene vor Erlass der Info – RL nur punktuelle Regelungen
wie
etwa
die
Richtlinie
über
den
Rechtsschutz
von
Computerprogrammen458, die Richtlinie über den Rechtsschutz von
Datenbanken459 oder aber solche über spezielle Verwertungsrechte wie die
Richtlinie zum Vermietrecht und Verleihrecht460.
Jedoch bleiben die genannten Richtlinien für den dieser Arbeit zugrunde
liegenden
Untersuchungsgegenstand
außer
Betracht.
Während
die
genannte Software - RL ihre nationale Umsetzung vor allem in den §§ 65a
ff. UrhG fand461, die Vermiet- und Verleih - RL vor allem in den §§ 17,27, 75,
85, 94f. UrhG umgesetzt wurde 462, fand allein die Datenbank - RL eine
sachlich nur punktuelle, eben auf den Schutz von Datenbanken beschränkte
Integration in den der §§ 53 ff. UrhG, genauer in § 53 Abs. 5 UrhG463.
Erst die Info – RL stellt einen ersten „Vorstoß in den Kernbereich des
Urheber- und Leistungsschutzes“ auf europarechtlicher Ebene dar464, die
mit
ihren
Harmonisierungsbemühungen
im
Hinblick
auf
das
Vervielfältigungsrecht in den Art. 2, 5 und 6 Abs. 4 der Info – RL für die
nationalen Regelung des privaten Vervielfältigungsrechts in den §§ 53 ff.
UrhG von erheblicher Bedeutung ist. Auf die Vorgaben der Info - RL im
Bereich des Vervielfältigungsrechts soll sich im Anschluss die Untersuchung
konzentrieren.
II. Bindungswirkung europäischer Legislativakte für den deutschen
Gesetzgeber
Bevor auf die inhaltlichen Anforderungen europarechtlicher Vorgaben im
Bereich des Schutzes der Vervielfältigungsfreiheit eingegangen wird, soll
vorab geklärt werden, wie die Bindung des deutschen Bundesgesetzgebers
458
RL 91/250/EWG vom 14. Mai 1991, ABl. L 122/42.
RL 96/9/EG EG vom 11. März 1996, ABl. L 77/20.
460 RL 92/100/EWG vom 19. November 1992, ABl. L 346/61.
461 Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Software - RL, Art. 1, Rn. 35ff.; Loewenheim –
Lehmann, § 9, Rn. 46.
462 Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Vermiet - und Verleih - RL, Art. 1, Rn. 28ff.;
Art. 2, Rn. 53ff..
463 Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Datenbank - RL, Art. 1, Rn. 31ff.;
Loewwnheim – Loewenheim, § 31, Rn. 48f..
464 So Dietz, ZUM 1998, S. 438; vgl. dazu auch Schippan, ZUM 2001, S. 117.
459
99
an europäisches Gemeinschaftsrecht inhaltlich ausgestaltet ist. Denn
eventuell auftretende Wertungswidersprüche zwischen europarechtlichen
Vorgaben und solchen des Grundgesetzes bedürfen zu ihrer Lösung der
inhaltlichen Bestimmung der Wechselwirkung zwischen Europa- und
Verfassungsrecht.
Es darf mittlerweile als Gemeingut bezeichnet werden, dass nationales
Recht im Falle der Kollision mit Gemeinschaftsrecht grundsätzlich
unanwendbar ist. Dieser Anwendungsvorrang gilt für primäres wie
sekundäres Gemeinschaftsrecht gleichermaßen und zwar unabhängig
davon, welcher Rang der jeweils kollidierenden nationalen Rechtsnorm
zukommt465. Grundsätzlich geht also selbst sekundäres Gemeinschaftsrecht
grundgesetzlichen Regelungen vor, selbst wenn es sich dabei um
grundrechtliche Regelungen handelt466.
Der EuGH geht schon infolge seines monistischen Verständnisses vom
Europarecht von einem unbedingten Anwendungsvorrang des Europarechts
gegenüber nationalem Recht gleich welchen Ranges aus467.
Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Rechtsprechung vom
grundsätzlichen
Vorrang
(auch)
sekundären
Gemeinschaftsrechts
gegenüber dem Grundgesetz aus468. In den insoweit grundlegenden
465
Vgl. dazu Everling, DVBl. 1985, S. 1201; Gersdorf, DVBl. 1994, S. 677; Oppermann,
Europarecht, Rn. 616ff. m.w.N..
466 Oppermann, Europarecht, Rn. 620; Gersdorf DVBl. 1994, S. 678; Maunz/Dürig –
Randelzhofer, Art. 24, Abs. 1, Rn. 95ff.; Münch/Kunig – Rojahn, Art. 24, Rn. 73;
Mangoldt/Klein/Starck – Classen, Art. 23, Rn. 63; anders hingegen Bleckmann,
Europarecht, Rn. 1134.
467 Vgl. dazu grundlegend EuGH – Costa/ENEL, 6/64 – Slg. 1964, 1251 (1269ff.);
Bleckmann, Europarecht, Rn. 1088, 1137; Oppermann, Europarecht, Rn. 620.
468 So beschränkt es im Beschluss vom 12. Mai 1989 (vgl. BVerfG NJW 1990, S. 974) die
grundgesetzliche Bindung des Gesetzgebers auf den Rahmen, wie er durch die der
Entscheidung zugrunde liegenden (Tabak-)Richtlinie gezogenen wird; auch im Beschluss
vom 9. August 1992 (vgl. BVerfG DÖV 1992, S. 1010) verfolgt das Gericht diese Linie,
indem es das grundgesetzlich gebundene Ermessen des bundesdeutschen
Integrationsgesetzgebers nur in dem durch die umzusetzende Richtlinie gezogenen
Rahmen anerkennt. Diese Beschlüsse stimmen überein mit der Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts, wie sie maßgeblich durch die „Solange I + II“ – Beschlüsse
(vgl. BVerfGE 37, 271 – „Solange I“; BVerfGE 73, 339 – „Solange II“) zum Rangverhältnis
von Gemeinschafts- zum nationalen Verfassungsrecht herausgearbeitet wurden. Hierin
entwickelt das Bundesverfassungsgericht einerseits das dogmatische Grundmodell für den
Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts anhand des „Integrationshebels“ des Art. 24
Abs. 1 GG (heute Art. 23 Abs. 1 GG). Demzufolge begründe der innerstaatliche
Rechtsanwendungsbefehl
der
Zustimmungsgesetze
zu
den
europäischen
Gemeinschaftsverträgen den Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Denn Art. 24 Abs. 1 GG
ermögliche es, „von Verfassungs wegen, Verträgen, die Hoheitsrechte auf
zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, und dem von solchen Einrichtungen
gesetzten Recht [i.e. sekundäres Gemeinschaftsrecht] Geltungs- und Anwendungsvorrang
100
„Solange I + II“ -Beschlüssen469 führt das Gericht andererseits aber auch
aus, dass ein solcher Anwendungsvorrang nur soweit bestehen könne, wie
die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Art. 24 GG
reiche 470: Im
„Solange II“ – Beschluss äußert sich das Gericht dazu mit einem Diktum,
das
sich
zwar
nur
auf
die
verfassungsrechtlich
verbürgte
Rechtsschutzgarantie bezieht, aber darüber hinausgehend auch auf die
Gewährung
des
verfassungsrechtlich
verbürgten
Grundrechtskatalog
erstreckt werden kann471. Demzufolge472 sei „die Ermächtigung des Art. 24
Abs. 1 GG […] nicht ohne Grenzen. Die Vorschrift ermächtigt nicht dazu, im
Wege
der
Einräumung
Einrichtungen
die
von
Identität
Hoheitsrechten
der
geltenden
für
zwischenstaatliche
Verfassungsordnung
der
Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie
konstituierenden Strukturen, aufzugeben […]. Dies gilt namentlich für
Rechtssetzungsakte der zwischenstaatlichen Einrichtungen [i.e. Rechtsakte
der EG - Organe] […]. Ein unverzichtbares, zum Grundgefüge der
Verfassung gehörendes Essentiale sind jedenfalls die Rechtsprinzipien, die
dem Grundrechtsteil des Grundgesetzes zugrunde liegen […]. Art. 24 Abs. 1
GG gestattet es nicht vorbehaltlos, diese Rechtsprinzipien zu relativieren.“
Diese Rechtsprinzipien sieht das Bundesverfassungsgericht ebenda in der
Gewährleistung des Wesengehalts der Grundrechte verkörpert. Damit
definiert
das
Bundesverfassungsgericht
die
absolute
Schranke
der
Integrationsgewalt des Art. 24 Abs. 1 GG (heute Art. 23 Abs. 1 GG) mit der
Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG473.
Dieses
Ergebnis
einer
kurzen
Analyse
der
Rechtsprechung
des
Bundesverfassungsgerichts stimmt mit der ganz herrschenden Meinung in
der
Literatur
zu
den
Grenzen
des
Anwendungsvorrangs
zwischenstaatlicher, also europarechtlicher Rechtsakte überein. Danach
findet der Anwendungsvorrang des Europarechts seine Grenze dort, wo die
vor dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland durch einen
entsprechenden innerstaatlichen Anwendungsbefehl beizulegen. Dies ist für die
europäischen Gemeinschaftsverträge und das auf ihrer Grundlage von den
Gemeinschaftsorganen gesetzte Recht durch die Zustimmungsgesetze zu den Verträgen
gem. Art. 24 Abs. 1, 59 Abs. 2 S. 1 GG geschehen.“, vgl. BVerfGE 73, 339 (375).
469 BVerfGE 37, 271 – „Solange I“; BVerfGE 73, 339 – „Solange II“.
470 So auch Gersdorf DVBl. 1994, S. 678.
471 Vgl. Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24, Abs. 1, Rn. 68ff.; Münch/Kunig, Art. 24, Rn.
73; Gersdorf, a.a.O. je m.w.N..
472 BVerfGE 73, 339 (376f.).
473 Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24, Abs. 1, Rn. 76 m.w.N..
101
Verfassung die Schranken der Übertragbarkeit von Hoheitsrechten setzt474.
Ob diese Grenzen nun durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 2 GG
gezogen werden, wie es die Neufassung des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG
bestimmt, oder aber durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2
GG, wie es das „Solange II“ – Urteil jedenfalls nahe legt, mag an dieser
Stelle dahinstehen.
Es bleibt festzuhalten, dass auch die Vorgaben der Info – RL dem
nationalen Gesetzgeber keinen „Freibrief“ erteilen, die durch die Vorgaben
der Verfassung gezogenen Grenzen unter dem Vorwand des unbedingten
Vorrangs europarechtlicher Vorschriften zu überschreiten.
III. Inhalt des europäischen Urheberschutzes im Bereich privater
Vervielfältigung
1. Das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers
Wie die völkerrechtlichen Verträge zum Urheberrecht und das deutsche
UrhG geht auch die Info - RL grundsätzlich vom Urheberrecht als
Ausschließlichkeitsrecht
und
damit
vom
ausschließlichen
Vervielfältigungsrecht des Urhebers475 aus476, vgl. Art. 2 Info - RL.
Der Vervielfältigungsbegriff, der dem Art. 2 Info - RL477 zugrunde liegt, ist
ein weiter478. Dies ergibt sich schon aus dem Erwägungsgrund (21) der
Vgl. Münch/Kunig – Rojahn, Art. 24, Rn. 74; Maunz/Dürig – Randelzhofer, Art. 24 Abs.
1, Rn. 95ff.; Gersdorf, DVBl. 1994, S. 678; Mangoldt/Klein/Starck – Classen, Art. 23, Rn.
66; in diesem Sinne auch Oppermann, Europarecht, Rn. 634.
475 Wie auch des Inhabers verwandter Schutzrechte. Für die vorliegende Untersuchung
sind allerdings nur die Harmonisierungsbemühungen zugunsten des Urhebers von
Bedeutung, da nur dessen Vervielfältigungsrecht den §§ 53 ff. UrhG zugrunde liegt, die
Vervielfältigungsrechte von Inhabern verwandter Schutzrechte dagegen in den §§ 70 ff.
UrhG geregelt sind.
476 Umfassend dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Info - RL, III. Kapitel, Rn. 47ff..
477 Art. 2 Info - RL lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das
ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder
dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu
erlauben oder zu verbieten: a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke, b) für die
ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen, c) für die
Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger, d) für die Hersteller der erstmaligen
Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer
Filme, e) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen,
unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder
Satellit übertragen werden.“.
478 Dazu Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 736; Spindler, GRUR 2002, S. 107; Mayer, EuZW
2002, S. 326; Dreier, ZUM 2002, S. 29.
474
102
Richtlinie, demzufolge zur Wahrung des aquis communautaire ein
maximales Maß an Rechtssicherheit durch eine möglichst weite Auslegung
dieses Begriffs anzustreben ist. Der Vervielfältigungsbegriff des Art. 2 Info RL umfasst demnach jede Vervielfältigung im Sinne einer körperlichen
Fixierung eines urheberrechtlich geschützten Werkes. Dieser Begriff ist
unabhängig vom technischen Prozess, der die körperliche Fixierung bewirkt
wie auch von der zeitlichen Dauer der Vervielfältigung, so dass auch
unzweifelhaft die digitale Vervielfältigung hierunter zu subsumieren ist, wie
bspw. das sog. Caching oder Browsing (also bloß temporäre digitale Kopien
in Arbeits- oder Bildschirmspeichern)479. Art. 5 Abs. 1 Info - RL zeigt
hingegen,
dass
bestimmte
verfahrensimmanente
Vervielfältigungshandlungen vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht
ausgenommen werden. Hieraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass
die
urheberrechtliche
Bewertung
verschiedener
Vervielfältigungsakte
systematisch nicht an den Vervielfältigungsbegriff des Art. 2 Info - RL
anknüpft,
sondern
erst
im
Rahmen
der
Schrankenbestimmungen
Berücksichtigung findet480. Diese Schrankenbestimmungen gilt es nun
eingehender zu beleuchten.
2. Die Beschränkungen des ausschließlichen Verwertungsrechts des
Urhebers
In Art. 5 Info - RL wird das in Art. 2 Info - RL eingeräumte ausschließliche
Vervielfältigungsrecht
des
Urhebers
zugunsten
der
Allgemeinheit
bestimmten Schranken unterworfen. Die dort genannten Schranken sind mit
Ausnahme derjenigen des Art. 5 Abs. 1 Info - RL fakultativer481, aber
abschließender482 Natur. Mit anderen Worten steht es den einzelnen
Mitgliedstaaten frei, die dort genannten Schrankentatbestände auch
479
Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 107 m.w.N..
Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 736; Hohagen, S. 203.
481 Bayreuther, ZUM 2001, S. 829; Hohagen, S. 205; Schippan, ZUM 2001, S. 118.
482 Insoweit kann Erwägungsgrund (32) zur Info - RL herangezogen werden, der bestimmt:
„Die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht […] sind in
dieser Rechtlinie erschöpfend aufgezählt.“; vgl. dazu auch Bayreuther, ZUM 2001.
480
103
tatsächlich in nationales Recht umzusetzen483. Eine Einführung von
Schranken,
die
von
den
in
der
Info
-
RL
festgelegten
Regelungstatbeständen „nach oben“ abweichen, also eine sachliche
Ausweitung der abschließenden Schrankentatbestände bedeuten, ist den
Mitgliedsstaaten hingegen verwehrt484.
Es sollen diejenigen Schrankenbestimmungen des Art. 5 Abs. 2, 3 Info – RL
untersucht werden, die in ihrem sachlichen Regelungsbereich die private
Vervielfältigungstätigkeit
berühren.
Inhaltlich
einschlägig
für
den
vorliegenden Untersuchungsgegenstand sind die Einzeltatbestände der Art.
5 Abs. 2 lit. a) (Reprographie) und lit. b) (privater Gebrauch) sowie Art. 5
Abs. 1 Info - RL.
a) Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL485
Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL räumt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein,
für
den
Bereich
reprographischer
Vervielfältigungsverfahren
eine
Schrankenregelung unter dem Vorbehalt zu schaffen, dass der Urheber
einen
gerechten
Ausgleich
erhalte.
Reprographische
Vervielfältigungsverfahren im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche
Verfahren, die das Ergebnis des Vervielfältigungsvorgangs „auf Papier oder
einem ähnlichen Träger“ festhalten, womit alle nur mittelbar wahrnehmbaren
(und
damit
auch
digitalen)
Vervielfältigungsergebnisse
aus
dem
Anwendungsbereich der Vorschrift ausscheiden486. Eine tatbestandliche
Einschränkung dahingehend, dass es für die Vervielfältigung auf den
konkreten Gebrauchszweck ankäme, findet sich in der Vorschrift nicht, so
Vgl. dazu den Wortlaut der Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Info – RL, die jeweils davon
sprechen, dass die Mitgliedsstaaten in den genannten Fällen Beschränkungen des
gewährten Vervielfältigungsrechts vorsehen können.
484 Vgl. auch Erwägungsgrund (32) zur Info - RL.
485 Art. 5 Abs. 2 lit. a) Info - RL lautetet: „Die Mitgliedsstaaten können in den folgenden
Fällen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene
Vervielfältigungsrecht vorsehen:
a) in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels
beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung, mit
Ausnahme von Notenblättern und unter der Bedingung, dass die Rechteinhaber einen
gerechten Ausgleich erhalten;[…].“.
486 Bayreuther, ZUM 2001, S. 831; Hohagen, S. 223.
483
104
dass auch bspw. die reprographische Vervielfältigung mit kommerziellen
Hintergrund nicht ausgeschlossen ist487.
b) Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL488
Art. 5 Abs. 2, lit. b) Info - RL regelt die Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch.
Die hierin verwendete Formulierung, welche die private Vervielfältigung „auf
beliebigen Trägern“ zulässt, stellt insoweit klar, dass es hierbei auf die Art
des Vervielfältigungsvorganges nicht ankommt, analoge wie digitale Kopie
also gleichermaßen durch die Vorschrift abgedeckt werden489.
Eine erste Einengung erfährt der Anwendungsbereich der Vorschrift
dadurch, dass diese die Vervielfältigung nur „durch eine natürliche Person
zum privaten Gebrauch“ zulässt.
Dabei stellt sich zunächst die Frage, in welchem Sinne der Begriff des
„privaten Gebrauchs“ hier zu verstehen ist. Aus der Begründung zum
Richtlinienentwurf der Kommission vom 10. Dezember 1997 geht hervor,
dass
der Begriff des „usage privé“ in einem engen Sinne verstanden
werden solle, worunter etwa die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks
eines Tonträgers durch eine Person für ihre ganz persönliche Nutzung
falle490. Abstrakt formuliert lässt sich hierunter also der Gebrauch innerhalb
der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse verstehen.
Dies lässt sich aus der beabsichtigt engen Auslegung des Begriffs folgern,
487
Spindler, GRUR 2002, S. 112; Bayreuther, ZUM 2001, S. 830; kritisch zu diesem
Regelungsinhalt Schippan, ZUM 2001, S. 119.
488 Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info – RL lautet: „Die Mitgliedsstaaten können in den folgenden Fällen
oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht
vorsehen: […] b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine
natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte
kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten
Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6
auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet
wurden;[…].“.
489 Bayreuther, ZUM 2001, S. 831; Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int.
2001, S. 739; Kröger, CR 2001, S. 319f.. Dies zeigt auch die Entwicklungsgeschichte
dieser Vorschrift. So hatte die Werkmittlerlobby stets versucht, im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens zur Info - RL eine Beschränkung des privaten
Vervielfältigungsrechts auf analoge Kopien durchzusetzen. Diesem Drängen wurde indes
nicht nachgegeben. Vgl. dazu Hohagen, S. 227 m.w.N.; Spindler, a.a.O.; Schippan, ZUM
2001, S. 119f., 126 mit kritischer Würdigung. Auch Erwägungsgrund (38) spricht lediglich
davon, dass Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung
Rechnung getragen werden solle.
490 So KOM (97), 628 endg., S. 34.
105
wie auch aus der ausdrücklichen Beschränkung der Vervielfältigungsfreiheit
auf natürliche Personen und des ausdrücklichen Ausschlusses von
Vervielfältigungen,
die
indirekt
oder
direkt
kommerzielle
Zwecke
verfolgen491. Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2, lit. b) Info - RL lässt auch
die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch durch dritte Personen,
gewissermaßen
als
„Auftragsvervielfältigung“,
zu 492,
was
sich
aus
Entstehungsgeschichte wie Wortlaut der Bestimmung folgern lässt493.
c) Zum Begriff des „gerechten Ausgleichs“
Die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 2 lit. a) und b) Info - RL stellen die
Möglichkeit nationaler urherrechtlicher Schranken in den genannten
Bereichen jeweils unter den Vorbehalt des „gerechten Ausgleichs“, den der
Urheber als Kompensation für den von ihm zu erduldenden Eingriff in sein
grundsätzlich ausschließliches Vervielfältigungsrecht an seinem Werk
erhalten soll.
aa) „Gerechter Ausgleich“ im Sinne des Art. 5 Abs. 2 lit. a) und b) Info RL
Über den Begriff des „gerechten Ausgleichs“ im Sinne dieser Vorschrift
herrscht weitgehend Unklarheit.
Indes liefert wenigstens Erwägungsgrund (35) der Info - RL Leitlinien, die
eine Auslegungshilfe für diesen Begriff darstellen494. Die Gesamtschau des
Erwägungsgrunds (35) ergibt mehr oder minder deutlich, dass es sich bei
dem „gerechten Ausgleich“ grundsätzlich um einen Kompensationsanspruch
in Geld handeln muss495. Hinsichtlich Höhe und Art dieses Anspruchs
zeichnen sich die Ausführungen des Erwägungsgrundes (35) aber vor allem
durch ihre inhaltliche Unbestimmtheit aus – Ergebnis eines Kompromisses
491
In diesem Sinne auch Bayreuther, ZUM 2001, S. 832; nicht eindeutig Reinbothe, GRUR
Int. 2001, S. 739. Anders hingegen Hohagen, S. 229f..
492 Übereinstimmend Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739;
Bayreuther, ZUM 2001, S. 832; Kröger, CR 2001, S. 320.
493 Ausführlich dazu Hohagen, S. 230f..
494 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 738.
495 Reinbothe, a.a.O.; Hohagen, S. 222; Kröger, CR 2001, S. 320; dies zeigt sich bereits
daran, dass Erwägungsgrund (35) mehrfach von „Zahlung“ oder „Zahlungsverpflichtung“
spricht.
106
zwischen den in diesem Bereich vertretenen Extrempositionen europäischer
Staaten,
die
von
der
völligen
Ablehnung
urheberrechtlicher
Vergütungsregelungen im Bereich privater Vervielfältigung bis hin zur
umfassenden gesetzlichen Vergütungspflicht in diesem Bereich reichen496.
So bestimmt S. 6 des Erwägungsgrundes, dass in bestimmten Situationen
beispielsweise eine Zahlungsverpflichtung ganz entfallen könne. Auch
hinsichtlich
der
Art
eines
Vergütungsanspruchs
lassen
sich
Erwägungsgrund (35) keine Vorgaben entnehmen. So bestimmt zwar S. 5,
dass der Einsatz technischer Schutzmaßnahmen – was auf ein System
individueller Lizenzierung hindeutet – bei der Bemessung der Höhe des
gerechten Ausgleichs Berücksichtigung finden soll. Andererseits spricht S. 4
wiederum von einer „Lizenzgebühr“, was wiederum die Annahme zulässt,
dass auch das Prinzip der gesetzlichen Lizenz und damit eines
Pauschalvergütungssystems
im
Begriff
des
„gerechten
Ausgleichs“
enthalten ist. Es lässt sich also festhalten, dass der Begriff des „gerechten
Ausgleichs“ dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben dahingehend
macht, dass er den vorzunehmenden Ausgleich für Eingriffe in das
Vervielfältigungsrecht des Urhebers im Wege eines pauschalen oder aber
im Wege eines Individualvergütungssystems auszugestalten habe497.
bb) Sonderfall: „Gerechter Ausgleich“ im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 lit.
b) Info - RL
In Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL belässt es der Richtliniengeber allerdings
nicht dabei, einen „gerechten Ausgleich“ für den Eingriff in das
Vervielfältigungsrecht zu fordern, stattdessen muss berücksichtigt werden,
„ob technische Maßnahmen gemäß Art. 6 [der Richtlinie] auf das
betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet
wurden“. An diese Berücksichtigungspflicht knüpft sich die Frage an, ob sich
hieraus etwaige Pflichten des nationalen Gesetzgebers zur Bevorzugung
individueller
(d.h.
lizenzierungsabhängiger)
Vergütungsregelungen
496
Vgl. Reinbothe, a.a.O.
Im Ergebnis übereinstimmend Walter, Europäisches Urheberrecht, Info – RL, Rn. 116;
Hohagen, S. 222; Bayreuther, ZUM 2001, S. 833; Spindler, GRUR 2002, S. 110.
497
107
gegenüber einem Pauschalvergütungssystem (wie es derzeit den §§ 53ff.
UrhG zugrunde gelegt ist) ergeben.
Zur Beantwortung dieser Frage können die Entstehungsgeschichte wie
auch die Erwägungsgründe (38) und (39) herangezogen werden.
So forderten entsprechende Interessengruppen im Rahmen der Zweiten
Lesung des Richtlinienvorschlags vor dem Europäischen Parlament
angesichts
der
Abschaffung
fortschreitenden
oder
technologischen
jedenfalls
Pauschalvergütungssystemen498.
Dass
Entwicklung
Erschwerung
der
europäische
die
von
Gesetzgeber
diesem Begehren nicht weiter nachgab, lässt den Schluss zu, dass mit der
Regelung des Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL gerade keine Festlegung auf ein
bestimmtes Abgabensystem erfolgen sollte.
Auch die Erwägungsgründe (38) und (39) sprechen für dieses Ergebnis,
wenn sie ausdrücklich auf die bestehenden Unterschiede im Binnenmarkt
bezüglich bestehender und zu etablierender Vergütungssysteme hinweisen,
ohne eine Harmonisierung in diesem Bereich tatsächlich zu verlangen. Ein
durch
die
Richtlinie
vorgegebener
Übergang
vom
pauschalen
Vergütungssystem zu einem System individueller Vergütung mit Hilfe
technischer Schutzsysteme lässt sich hieraus also nicht entnehmen.
Stattdessen lässt die Formulierung dem nationalen Gesetzgeber den
erforderlichen
Spielraum,
solche
Individuallizenzierungssysteme
gegebenenfalls einzuführen499. Individualvergütungssysteme, welche für die
Rechteinhaber einen erheblichen technischen Mehraufwand bedeuten,
sollen durch diese Regelung in der Rechtspraxis eine Chance erhalten, die
zwingende Etablierung solcher Systeme oder gar deren Bevorzugung
gegenüber Pauschalvergütungssystemen schreibt Art. 5 Abs. 2 lit. b) indes
nicht vor.
d) Art. 5 Abs. 1 Info – RL500
498
Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739.
In diesem Sinne auch Hohagen, S. 233; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739.
500 Art. 5 Abs. 1 Info – RL lautet: „Die in Artikel 2 bezeichneten vorübergehenden
Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und
wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es
ist,
a) eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder
b) eine rechtmäßige Nutzung
499
108
Mit der Regelung des Art. 5 Abs. 1 Info – RL werden solche technischen
Vervielfältigungshandlungen
zwingend
vom
ausschließlichen
Vervielfältigungsrecht des Urhebers ausgenommen, die keine eigenständige
wirtschaftliche Bedeutung haben. Diese Vorschrift stellt insoweit eine
Besonderheit dar, als diese anders als die Schranken der Abs. 2 und 3 eine
zwingende Schrankenregelung darstellt, ihre Umsetzung in nationales
Recht also nicht dem Ermessen des jeweiligen Gesetzgebers überlassen
bleibt501.
aa) Vervielfältigungsbegriff
Der verwendete Vervielfältigungsbegriff setzt vier kumulativ502 zu erfüllende
Bedingungen voraus. So muss es sich um flüchtige oder begleitende
Vervielfältigungen handeln, die (1) einen integralen und wesentlichen Teil
eines technischen Verfahrens darstellen (2) und die ausschließlich dem Ziel
dienen, entweder die effiziente Übertragung in einem Netz oder die
rechtmäßige Nutzung eines Werkes zu ermöglichen (3). Schließlich dürfen
die Vervielfältigungen keinen eigenen wirtschaftlichen Wert besitzen (4).
Angesichts der Unbestimmtheit der verwendeten Begriffe bereitet der
Vervielfältigungsbegriff der Norm nicht unerhebliche Schwierigkeiten503. Da
auch der Erwägungsgrund (33) keine wirkliche Hilfestellung für die
Auslegung bietet, sich vielmehr in der bloßen Wiederholung des Wortlauts
des Art. 5 Abs. 1 Info - RL erschöpft (vgl. S. 1 und 2 ebenda), um diese
durch die Anführung von Anwendungsbeispielen in Bezug auf das
„Browsing“ und „Caching“ zu ergänzen 504, bietet allein der Regelungszweck
genügend Anhaltspunkte für eine Auslegung des Vervielfältigungsbegriffs.
eines Werkes oder eines sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine
eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben, werden von dem in Artikel 2 vorgesehenen
Vervielfältigungsrecht ausgenommen.“.
501 Dies zeigt bereits der Wortlaut der Vorschrift, der davon spricht, dass die hierin
beschriebene Vervielfältigungsart von dem Ausschließlichkeitsrecht des Art. 2 Info – RL
ausgenommen werde und nicht ausgenommen werden könne. Vgl. dazu auch Bayreuther,
ZUM 2001, S. 829; Hohagen, S. 210; Spindler, GRUR 2002, S. 111.
502 Spindler, GRUR 2002, S. 111; Bayreuther, ZUM 2001, S. 837.
503 Vgl. Schippan, ZUM 2001, S. 118; Reinbothe, ZUM 2002, S. 48.
504 Dazu umfassend und kritisch Hohagen, S. 212ff..
109
Der Begründung des Richtlinienvorschlags zufolge505 sollte insbesondere
einer
drohenden
Behinderung
des
freien
Waren-
und
Dienstleistungsverkehrs im Hinblick auf grenzüberschreitende OnlineDienstleistungen
vorgebeugt
werden.
Da
im
Wege
von
Online-
Übertragungen Zwischenspeicherungen auf verschiedenen Servern auf
dem Übertragungsweg ebenso unerlässlich sind, wie solche, die bspw. beim
Durchsuchen des Netzangebots durch den Nutzer (sog. „Browsing“)
zwangsläufig entstehen506, sollten solche kurzlebigen und technisch
notwendigen, folglich unvermeidbaren temporären Zwischenspeicherungen,
deren ausschließlicher Zweck die Ermöglichung der Nutzung des Werkes
ist, vom Vervielfältigungsanspruch des Urhebers ausgenommen werden507.
bb) Insbesondere: „Keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung“
In konsequenter Fortführung des Schutzauftrags der Info - RL (vgl. Art. 1
Info - RL)508, den Schutz der Rechte des Urhebers insbesondere im Hinblick
auf die wirtschaftliche Verwertung seiner Rechte zu wahren, verlangt Art. 5
Abs. 1 Info - RL, dass es sich bei der Vervielfältigungshandlung um eine
solche
handeln
Bedeutung
muss,
aufweisen
welche
darf,
keine
folglich
eigenständige
auch
keinen
wirtschaftliche
Eingriff
in
das
wirtschaftliche Verwertungsrecht des Urhebers darstellen kann509. Diesem
Schutzauftrag entsprechend ist die Frage, wann eine Verwertungshandlung
eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, aus der Sicht des
Urhebers, nicht aber aus derjenigen der Nutzer zu bestimmen510.
Für die in der ersten Alternative des Art. 5 Abs. 1 Info - RL angesprochenen
Diensteanbieter bzw. Werkmittler im Online - Bereich sieht die Regelung
vor, dass diese durch eine vorübergehende Speicherung, welche den zuvor
505
Vgl. KOM (97) 628 endg., S. 32f..
Dies gilt gleichermaßen für die Offline – Nutzung vieler digitaler Medien, die bereits für
das bloße Anzeigen des Inhalts des Mediums einer vorübergehenden Speicherung im
RAM- oder Cache-Speicher erfordern. Dazu Walter, Europäisches Urheberrecht, Info - RL,
Rn. 102. Auch die ephemere Speicherung von Offline – Formaten soll nach dem Willen des
Richtliniengesetzgebers durch die Regelung des Art. 5 Abs. 1 Info – RL erfasst werden, vgl.
KOM (97) 628 endg., S. 17.
507 Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 111f.; Walter, Europäisches Urheberrecht, Info – RL, Rn.
101.
508 Vgl. Erwägungsgrund (10) der Richtlinie.
509 Hohagen, S. 214 m.w.N..
510 Hohagen, a.a.O. m.w.N..
506
110
genannten Anforderungen entspricht, ohne dabei das gespeicherte Werk zu
bearbeiten
oder
zu
verändern,
keine
Verwertungshandlung
im
urheberrechtlichen Sinne vornehmen511. Auf die Rechtmäßigkeit der
Nutzung kommt es dabei nicht an, was sich im Umkehrschluss aus Art. 5
Abs. 1 lit. b) Info - RL ergibt512.
Für den Werknutzer selbst kommt es nach der Vorschrift des Art. 5 Abs. 1
lit. b) Info - RL auf die Rechtmäßigkeit der Nutzung an. Nur in diesem Falle
gestattet
die
Vorschrift
die
ephemere
technisch
erforderliche
Hilfsspeicherung, typischerweise im Wege der Cache- oder RAMSpeicherung513.
e) Zum „Dreistufentest“, Art. 5 Abs. 5 Info – RL514
Art. 5 Abs. 5 Info - RL unterwirft sämtliche in Art. 5 Info - RL genannten
Schranken des Vervielfältigungsrechts des Urhebers den Anforderungen
des Dreistufentests.
Der Dreistufentest, der in Art. 5 Abs. 5 Info - RL geregelt ist, entspricht in
seinen inhaltlichen Anforderungen den Vorgaben, wie sie durch den
Dreistufenstest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ aufgestellt werden515. Art. 5 Abs. 5
Info - RL inkorporiert also den aus Art. 9 Abs. 2 RBÜ, Art. 13 TRIPS und
Art. 10 WCT bekannten Dreistufentest. Hinsichtlich seiner inhaltlichen
Anforderungen kann auf die Ausführungen oben unter A. III. 1. und A. IV.
verwiesen werden.
IV. Zusammenfassung
511
Bayreuther, ZUM 2001, S. 838.
Dazu eingehend Hohagen, S. 211, 215ff.; Bayreuther, ZUM 2001, S. 838.
513 Was angesichts der ja erlaubten Nutzung des Werkes eigentlich keiner weiteren
Erläuterung bedürfte: wenn schon die Nutzung des Werkes erlaubt ist, dann erscheint es
logisch auch die zur Nutzung erforderliche technische Hilfsspeicherung als vom jeweiligen
Erlaubnistatbestand gedeckt anzusehen. Kritisch zur praktischen Relevanz dieser
Vorschrift Bayreuther, ZUM 2001, S. 837.
514 Art. 5 Abs. 5 Info – RL lautet: „Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen
und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen
die normale Verwertung des Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht
beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich
verletzt werden.“.
515 Vgl. Senftleben, CR 203, S. 914; Hohagen, S. 206f; Spindler, GRUR 2002, S. 115;
Schippan, ZUM 2001, S. 122; kritisch zur Regelung des Art. 5 Abs. 5 Info – RL Bayreuther,
ZUM 2001, S. 839.
512
111
Der bundesdeutsche Gesetzgeber unterliegt grundsätzlich der Bindung an
europarechtliche
Vorgaben.
Anwendungsvorrangs
(auch)
Angesichts
von
des
sekundärem
grundsätzlichen
Gemeinschaftsrecht
gegenüber verfassungsrechtlichen Vorgaben gilt dies auch, wenn und
soweit die inhaltlichen Anforderungen sekundären Gemeinschaftsrechts
verfassungsrechtlichen Vorgaben widersprechen. Eine Grenze findet diese
Bindung allerdings dort, wo es dem nationalen Gesetzgeber kraft
Grundgesetz verwehrt ist, Hoheitsrechte auf die Organe der Europäischen
Gemeinschaft zu übertragen. Diese Grenze ist dort anzusiedeln, wo
Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem Grundrechtsschutz, wie er
durch die verfassungsrechtliche Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2
GG garantiert wird, zuwider liefen.
Art. 2 Info - RL gewährt dem Urheber ein grundsätzlich ausschließliches
Vervielfältigungsrecht an seinem Werk, wobei der Vervielfältigungsbegriff
ein weiter ist und grundsätzlich jedwede denkbare Vervielfältigungsform
umfasst.
Allerdings sieht sich das Vervielfältigungsrecht in Art. 5 Info - RL zahlreichen
Ausnahmen vorwiegend zugunsten der Allgemeinheit ausgesetzt.
So wird in Art. 5 Abs. 1 Info - RL dem nationalen Gesetzgeber eine
zwingende Schranke zugunsten solcher technisch zwingender, bloß
temporärer ephemerer Hilfsspeicherungen auferlegt, wie sie typischerweise
bei Online-Diensten im Rahmen der notwendigen Speicherungen von
Werkinhalten auf Servern oder aber bei Werknutzern im Rahmen von
Cache- bzw. RAM-Speicherungen als notweniger Zwischenschritt für den
eigentlichen Werkgenuss entstehen.
Im Rahmen der fakultativen Schranken der Art. 5 Abs. 2 und 3 Info - RL wird
dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, die dort
genannten Schrankentatbestände in nationales Recht umzuwandeln.
Angesichts des abschließenden Charakters der Vorschrift ist die Einführung
nationaler Beschränkungen des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts
des Urhebers, die über den sachlichen Anwendungsbereich der Art. 5 Abs.
2 und 3 Info – RL hinausgehen, hingegen nicht möglich.
112
Im Rahmen reprographischer Vervielfältigungen sieht die Richtlinie eine
weite
Schrankenbestimmung
vor,
die
neben
dem
Erfordernis
der
Herstellung des Vervielfältigungsexemplars auf einem Träger, der das
Werkstück unmittelbar sinnlich wahrnehmbar macht, keine tatbestandlichen
Einschränkungen vorsieht. Für den Bereich jeder sonstigen privaten
Vervielfältigungstätigkeit sieht Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL eine
Beschränkung des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers
zum Gebrauch durch den Werknutzer innerhalb der Privatsphäre zur
Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse vor, ohne hierbei zwischen
analoger und digitaler Vervielfältigungstechnik zu unterscheiden. Auch lässt
die Richtlinie hier die Vervielfältigung durch Dritte zu, sofern es sich dabei
um natürliche Personen handelt.
Hinsichtlich reprographischer wie sonstiger privater Vervielfältigungstätigkeit
sieht die Richtlinie zwingend vor, dass dem Urheber für den hierdurch
erfolgten Eingriff in sein Vervielfältigungsrecht ein gerechter Ausgleich
gewährt
werden
müsse.
Insoweit
legt
die
Richtlinie
einen
Kompensationsanspruch in Geld nahe, macht aber im Übrigen keine
konkreten Vorgaben, wie dieser Ausgleich hinsichtlich Art und Höhe durch
den nationalen Gesetzgeber ausgestaltet werden müsse. Insbesondere
sieht die Richtlinie keine Bevorzugung individueller Vergütungssysteme
zulasten pauschaler Vergütungssysteme vor.
Schließlich haben alle Beschränkungen des Art. 5 der Info - RL den
Vorgaben
des
aus
dem
internationalen
Urheberrecht
bekannten
Dreistufentests zu genügen.
113
Teil 4: Der verfassungsrechtliche Schutz der Schrankenbegünstigten
Während sich die Untersuchung bislang auf den Schutz des Urhebers
beschränkte, soll im folgenden der verfassungsrechtliche Schutz derjenigen
Schrankenbegünstigten,
welchen
die
Gewährung
privater
Vervielfältigungsfreiheit zugute käme, herausgearbeitet werden.
Die
Frage
nach
der
Verankerung516
verfassungsrechtlichen
urheberrechtlicher Schrankenregelungen fand bislang in der Literatur sehr
wenig
Resonanz517.
Angesichts
der
gefundenen
Einordnung
einer
gesetzlichen Kodifizierung privater Vervielfältigungstätigkeit als Inhalts- und
Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG518 ein erstaunlicher
Befund, erfordert doch schon die nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erforderliche
Abwägung die Berücksichtigung und den verhältnismäßigen Ausgleich der
widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Interessen519. Wie soll
sich dieser Ausgleich indes in verfassungsgemäßen Bahnen vollziehen
können, wenn die zweite Seite dieser Abwägungsmedaille im Schatten
einer einseitigen Vorzugsbehandlung der Urheberinteressen liegt520?
Neben dem im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geforderten
Abwägungsgebot
zwischen
den
verschiedenen
verfassungsrechtlich
geschützten Interessen, ist für die zwingende Natur dieser Fragestellung
auch die Qualifizierung der Grundrechte als staatliche Schutzgebote521
verantwortlich.
Die
Grundrechte
haben
neben
ihrer
Funktion
als
Abwehrrechte gegen den Staat auch die Funktion von Schutzgeboten an
516
Anders die Frage nach der einfachgesetzlichen Einordnung der Schranken der privaten
Vervielfältigungsfreiheit als Rechte der Schrankenbegünstigten. Umfassend dazu Diemar,
Digitale Kopie, welche den §§ 53 ff. UrhG keinen Anspruchscharakter zuerkennen will.
Hiergegen Hoeren, Verbraucherschutz, S. 16ff.. Diese Fragestellung ist aber für die
vorliegende Untersuchung ohne Belang, da es allein um die verfassungsrechtlichen
Vorgaben an den urheberrechtsgestaltenden Gesetzgeber geht.
517 Kritisch zu dieser bisherigen Entwicklung, Geiger, Beschränkungen, S. 143; ebenso
Peukert, Schutzbereich, S. 11 ff., der eine ökonomische Analyse eines einseitigen
Schutzes urheberrechtlicher Werke unternimmt; einen ersten umfassenderen
verfassungsrechtlichen Ansatz liefert Hohagen, S. 282ff., 303ff..
518 Vgl. dazu oben unter Teil 2, E. II. 1.; für die urheberrechtliche Literatur übereinstimmend
Wandtke/Bullinger – Lüft, § 45, Rn. 1; Loewenheim - Götting, § 30, Rn. 1 je m.w.N..
519 Vgl. BVerfGE 21, 150 (155) st. Rspr.; Mangoldt/Klein/Starck – Art. 14, Rn. 223; aus
urheberrechtlicher Sicht, Hilty, ZUM 2003, S. 985ff..
520 Diese Frage wirft in Bezug auf die Auslegung von Schrankenbestimmungen und ihr
Verhältnis zu vertraglichen Bestimmungen auf Geiger, Beschränkungen, S. 143f..
521 Dazu einleitend Canaris, AcP 184 (1984), S. 225ff..
114
den Staat522. Dieser ist verpflichtet, die in den Grundrechten zum Ausdruck
kommenden Werte und Rechtsgüter gegen Verletzungen zu schützen und
zwar sowohl vor Verletzungen aus der Richtung des Staates wie vor
solchen aus Richtung der Staatsbürger selbst523. Die Verwirklichung dieser
Schutzgebotsfunktion ist im Wesentlichen Aufgabe des einfachen Rechts;
sofern es – wie vorliegend – um die Vermeidung von Verletzungen allein
aus der Sphäre der Staatsbürger untereinander zu tun ist, ist dieser Schutz
mit den Mitteln des Privatrechts zu besorgen524, also mit der gesetzlichen
Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit im Urheberrecht.
Hier diejenigen Grundrechte näher zu beleuchten, welche für die
Schrankenbegünstigten einer erlaubten privaten Vervielfältigungstätigkeit
streiten können und welche Konsequenzen ein solcher Schutz auf den
Regelungsauftrag des Gesetzgebers hat, soll das Ziel dieses Abschnitts
sein.
A.
Der
Schutz
der
Schrankenbegünstigten
durch
die
Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG
Sobald es um eine mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung des
Eingriffs in urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte zugunsten privater
Vervielfältigungstätigkeit geht, wird die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1
S. 1 GG als Patron der Interessen des einzelnen Werknutzers wie auch der
Allgemeinheit mehr oder minder pauschal angerufen525: So solle das
(Urheberrechts-) Gesetz so ausgestaltet werden, dass der Bedeutung von
Informationen für die Inanspruchnahme individueller wie gesellschaftlicher
Freiheit hinreichend nachgekommen werde526.
I. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit
522
Vgl. BVerfGE 39, 1 (42ff.), st. Rspr..
Vgl. dazu Canaris, AcP 184 (1984), S. 226f. m.w.N..
524 Canaris, AcP 184 (1984), S. 227.
525 Vgl. bspw. Geiger, Beschränkungen, S. 145f.; Berger, ZUM 2004, S. 264f.; Kröger, MMR
2002, S. 21; so auch Hoeren, Verbraucherschutz, S. 19ff.; Hohagen, S. 291ff..
526 Vgl. Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 28.
523
115
„Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster
Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der
vornehmsten
Menschenrechte
überhaupt“527,
so
urteilt
das
Bundesverfassungsgericht. Die Möglichkeit sich zu informieren, wie sie
durch die Informationsfreiheit gewährleistet werden soll, die eigene Meinung
also mittels Information überhaupt aufbauen, überprüfen, schärfen oder
ändern zu können, stellt für die Ausübung der Meinungsfreiheit eine
unverzichtbare Voraussetzung dar528. Die verschiedenen Grundrechte des
Art. 5 GG stehen daher in einem inneren Zusammenhang zueinander,
können also nur in gewissem Umfang isoliert beurteilt werden529.
Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG gewährt dem Grundrechtsinhaber das Recht,
„sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Für
den sachlichen Schutzbereich der Informationsfreiheit im Bereich privater
Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke ist zunächst der Begriff
der „allgemein zugänglichen Quellen“ von Relevanz.
1. Die Informationsquelle
Der Begriff der (Informations-) Quelle ist in einem weiten Sinne zu
verstehen, d.h. es sind alle nur erdenkbaren Träger von Informationen
erfasst530. Unschwer lassen sich demnach sämtliche urheberrechtlich
geschützten Werke als Informationsquelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1
HS. 1 GG qualifizieren531.
527
BVerfGE 7, 198 (208).
BVerfGE 27, 71 (81); Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 5; Schmidt – Jortzig,
Informationsfreiheit, Rn. 1; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 82.
529 In diesem Sinne auch Lerche, Ev. Staatslexikon, Bd. 1, S. 1314.
530 Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 87; Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit,
Rn. 30; Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5, Rn. 42; Langer, Informationsfreiheit, S. 127f..
531 Dabei gilt es freilich eine Besonderheit zu beachten. Bei urheberrechtlich geschützten
Werkstücken mag es durchaus fraglich sein, ob diese nur Träger einer Information sind,
also „Informationsquelle“ im genannten Sinne, oder aber ob diese nicht (gewissermaßen
vorverlagert) die Information selbst darstellen, über welche der Grundrechtsinhaber
Aufklärung zu erlangen sucht. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Es lässt sich
darüber streiten, ob die Verkörperung eines literarischen Werkes durch dessen Buchform
die Quelle des Geisteswerk des Autors selbst darstellt, oder aber eben nur ein
Informationsträger, das Medium zur Vermittlung der Information über das Geisteswerk.
Kurz: Ist das literarische Werk in seiner konkreten physischen Buchform das Ereignis, über
welches die Informierung angestrebt wird, oder aber ist es nur die Quelle, welche über das
Ereignis „Geisteswerk“ entsprechende Informationen vermittelt? Diese Frage kann hier
indes unentschieden bleiben, da der Begriff der (Informations-) Quelle im Sinne des Art. 5
Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG nicht nur den Informationsträger, welcher über ein Ereignis
528
116
2. Allgemeinzugänglichkeit
Weiter setzt der Wortlaut des Art. 5 GG voraus, dass es sich um eine
„allgemein zugängliche“ Quelle handeln müsse.
Die verfassungsrechtliche Interpretation der „allgemeinen Zugänglichkeit“
erlangt für die private Vervielfältigungstätigkeit besondere Bedeutung.
Angesichts der Tendenz der Urheber bzw. Werkmittler, urheberrechtlich
geschützte Werke mit Kopierschutzmechanismen aller Art zu versehen,
stellt sich besonders dringlich die Frage, ob es sich bei solchermaßen
geschützten Werken überhaupt um solche aus „allgemein zugänglicher“
Quelle
handeln
kann532;
immerhin
geht
das
Bestreben
der
Urheber/Werkmittler dahin, gerade nicht jedermann den Zugriff auf das
urheberrechtlich geschützte Werk zu ermöglichen.
Eine Inhaltsbestimmung des Begriffs der „allgemeinen Zugänglichkeit“ kann
sich ausschließlich aus dem Verfassungsrecht selbst, nicht aus einfachem
Gesetzesrecht ergeben. Sonst hätte es der Gesetzgeber selbst in der Hand
entgegen der Wertung des Art. 1 Abs. 3 GG über den sachlichen
Anwendungsbereich der Informationsfreiheit zu bestimmen533.
Einigkeit besteht also dahingehend, dass es nicht Sache des Staates sein
kann, über die „Allgemeinzugänglichkeit“ souverän zu bestimmen, weshalb
sich die Allgemeinzugänglichkeit allein nach der tatsächlichen Lage, also
nach der Art der Abgabe der jeweiligen Information bestimmt534. Das
Bundesverfassungsgericht sieht die allgemeine Zugänglichkeit dann als
gegeben an, wenn eine Informationsquelle technisch dazu geeignet und
unterrichten soll, sondern auch das Ereignis selbst, also den Gegenstand der Information
umfasst, vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 43; Schmidt – Jortzig,
Informationsfreiheit, Rn. 30; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 87.
532 Diese Frage verneint - weitgehend undifferenziert - bspw. Berger, ZUM 2004, S. 264;
ebenso Diemar, GRUR 2002, S. 592; Wandtke – Wandtke/Ohst, Erg.Bd., § 95b Rn. 4;
Ulmer-Eilfort, FS Nordemann zum 65., S. 285ff.(286f.). Bejahend hingegen bspw. Hohagen,
S. 284f.; Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, S. 769f..
533 In diesem Sinne bereits BVerfGE 27, 71 (83ff.); Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II,
Rn. 89; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 44.
534
Grundlegend dazu Lerche, Ev. Staatslexikon, Bd. I, S. 1315; ebenso
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 44; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn.
89; letztlich auch Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn .33.
117
bestimmt ist, der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren
Personenkreis Informationen zu verschaffen535.
Ob sich aus dieser Definition, genau: aus der Verwendung des Wortes
„bestimmt“, herleiten lässt, neben der tatsächlichen Lage sei auch der
Bestimmungswille des Informierenden heranzuziehen536, erscheint m. E.
Erachtens fraglich537. Meint man es damit ernst, dem Staat die
Definitionskompetenz
Zugänglichkeit“
hinsichtlich
zwecks
der
Bestimmung
Vermeidung
eines
der
„allgemeinen
staatlich
gelenkten
Informationsdirigismus abzusprechen, dann muss von diesem subjektiven
„Bestimmungskriterium“
Zwecksetzung
würde
abgesehen
ad
werden.
Denn
geführt,
wenn
absurdum
genau
ergänzend
diese
zur
tatsächlichen Lage auch noch auf die willentliche Bestimmungsbefugnis
abgestellt würde538. Denn mittelbar würde der Gesetzgeber damit doch die
Reichweite
des
sachlichen
Schutzbereichs
der
Informationsfreiheit
bestimmen können, indem er den Kreis der Informationsberechtigten eben
enger ziehen, also enger „bestimmen“ würde. Es bleibt festzuhalten, dass
nach der hier vertretenen Ansicht die Allgemeinzugänglichkeit allein nach
den tatsächlichen Verhältnissen zu bestimmen ist, ohne dabei ergänzend
auf den Bestimmungswillen des Informierenden abzustellen.
a) Informationsfreiheit als Abwehrrecht
Diese Auslegung des Begriffs der allgemeinen Zugänglichkeit liegt in der
Stringenz des Schutzzwecks der Informationsfreiheit als staatliches
Abwehrrecht. Wenn es aufgrund der Erfahrungen mit nationalsozialistischen
535
BVerfGE 27, 71 (83); 28, 175 (188); 33, 52 (65); in diesem Sinne auch
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 45; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn.
90.
536 So ausdrücklich Hohagen, S. 283f..
537 Dass diese Fragestellung nicht rein akademischer Natur ist, zeigt folgende Überlegung:
Die Einstellung eines urheberrechtlichen Werkes in eine online-Datenbank ist ohne
weiteres dazu geeignet, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen, da eine solche
Datenbank als Informationsplattform den Zugriff einer großen Anzahl Informationswilliger
ermöglicht. Ob die Zurverfügungstellung des Werkes im online-Wege aber auch bestimmt
ist, der Allgemeinheit diese Information zu verschaffen, ist eine hiervon zu trennende Frage.
Dies hängt eben vom Willen dessen ab, der die Information dergestalt zugänglich macht,
sei es einem (bspw. mittels Passwortabfrage) abgrenzbaren Kreis, oder aber einem völlig
unbegrenztem Kreis.
538 Diesen Aspekt lässt Hohagen, S. 284 f., unbeachtet. Stattdessen geht er ohne nähere
Begründung davon aus, dass auch ein Passwort geschütztes, online zur Verfügung
gestelltes Werk als „allgemein zugänglich“ zu qualifizieren sei.
118
Informationsverboten und -beschränkungen gilt, jede Form eines staatlichen
Informationsdirigismus zu verhindern539, dann muss die Frage der
Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Definitionshoheit vorenthalten bleiben.
Die Frage, die sich dann allerdings an dieser Stelle aufdrängt, ist die
folgende: Behält diese Interpretation des verfassungsrechtlichen Begriffs,
der dahinter aufscheinende Schutzzweck auch im Bereich des reinen
Privatrechtsverkehrs
seine
Schutzbereichsinterpretation
Gültigkeit?
im
Anders
gefragt,
kann
diese
Rahmen der Informationsfreiheit als
Abwehrrecht genauso auf die Interpretation desselben Grundrechts als
staatliches Schutzgebot angewendet werden? Kurz: Wenn es dem Staat
nicht
erlaubt
ist,
selber
über
die
allgemeine
Zugänglichkeit
von
Informationsquellen zu bestimmen, gilt dies dann auch zwangsläufig für
solche Informationsquellen, die ausschließlich von Privaten (in Form
urheberrechtlicher Werke) zugänglich gemacht werden540?
b) Informationsfreiheit als grundrechtliches Schutzgebot
Dafür, dass der Private ebenso wenig wie die öffentliche Hand über die
Frage der Allgemeinzugänglichkeit und damit über den Schutzbereich der
Informationsfreiheit bestimmen kann541, lassen sich zwei Argumente
anführen.
Hier ist zunächst das schwächere historische Argument zu nennen. So
lautete der erste Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee für
die Regelung der Informationsfreiheit in Anlehnung an Art. 112 der
Bayerischen Landesverfassung wie folgt542: „Jeder hat das Recht, seine
Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich über die Meinung anderer zu
unterrichten.“ Schon die gewählte Formulierung macht deutlich, dass es
dabei auf die Herkunft der Quelle - sei sie nun aus staatlicher, sei sie aus
539
Vgl. BVerfGE 27, 71 (84).
Es geht also um die Frage, ob es sich bei urheberrechtlichen Werken, die allein von
privater Hand Zugangsbeschränkungen unterworfen werden (bspw. in Form von
Passwortabfragen, Kopierschutzmechanismen, etc.), ebenso um „allgemein zugängliche
Quellen“ im verfassungsrechtlichen Sinne handelt.
541 Im Ergebnis so auch Hohagen, S. 284; ohne Begründung Ehmann, AcP 188 (1988), S.
232, Fn. 1.
542 Matz, JöR 1951 (Band 1), S. 79.
540
119
privater Hand - nicht ankommt543. Die erst später eingefügte Formulierung
der
„allgemein
zugänglichen
Quellen“ sollte
-
so
der Wille
des
Verfassungsgebers544 - nicht zur Verengung des sachlichen Schutzbereichs
führen, sondern vielmehr zu einer umfassenden Gewährleistung.
Schwerer wiegt indes das teleologische Argument. Die Informationsfreiheit
basiert auf zwei verschiedenen Wesensmerkmalen545, welche für deren
Inhalt ausschlaggebend sind. Hier ist zum einen der demokratische,
kollektiv-rechtliche Bezug der Informationsfreiheit zu nennen. Diesem
zufolge kann der demokratische Staat des GG ohne eine freie, vor allem
aber möglichst gut informierte öffentliche Meinung nicht bestehen. Denn
demokratische Entscheidungsbildung ist ohne ausreichende Information
bzw. Informationsmöglichkeit nicht denkbar546. Gleichrangig daneben ist der
individual-rechtliche Aspekt der Informationsfreiheit zu nennen547. Jenem
zufolge
ist
die
Informationsfreiheit
notwendiges
Instrument
und
gleichzeitiger Ausdruck der individuellen Persönlichkeitsentfaltung und
-entwicklung. Beide Wesensmerkmale der Informationsfreiheit machen
deutlich, dass es für die Bestimmung des Schutzbereichs nicht darauf
ankommen kann, ob die fragliche Informationsquelle aus staatlicher oder
aber privater Hand stammt548. Denn weder die Bildung einer „öffentlichen“,
das
demokratische
Meinungsbildung
im
Prinzip
privaten
fundierenden
Bereich
Meinung,
als
noch
Ausdruck
die
eigener
Persönlichkeitsentfaltung differenzieren nach der Herkunft der Information.
Ob die Information einem Hoheitsträger oder einem Privaten zuzuordnen
ist, ist für die kollektive wie für die individuelle Meinungsbildung völlig
unerheblich.
Verstärkt wird dieser Befund noch durch die gesellschaftliche Entwicklung
der letzten Jahrzehnte. Die immer weiter zunehmende Privatisierung und
Kommerzialisierung von Wissen und Information, die immer weitergehende
Verdrängung des Staates aus dem Bereich der Kommunikation und
543
In diesem Sinne auch Langer, Informationsfreiheit, S. 145ff..
Vgl. dazu den Bericht des Abgeordneten (und späteren Bundespräsidenten) Theodor
Heuß, in Matz, JöR 1951 (Band 1), S. 80.
545 Grundlegend dazu BVerfGE 27, 71 (81f.); vgl. ferner Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art.
5, Rn. 41; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 84; Trute, VVDStRL 57 (1998), S.
250.
546 Trute, a.a.O..
547 Deutlich dazu Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 84ff..
548 Im Ergebnis so bereits Windsheimer, Information, S. 133ff.
544
120
Information, lassen zur „Ware“ werden, was vorher als „öffentliches Gut“
galt549, nämlich die Information. Mit der zunehmenden Verschiebung des
Schutzobjekts der Informationsfreiheit vom öffentlichen in den Privatsektor,
muss auch eine Ausweitung des verfassungsrechtlichen Schutzes in genau
diesen Bereich hinein korrespondieren, zumal die Bedeutung der
Information in der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft immer
höhere Bedeutung erlangt550. Auch besteht für eine enge Auslegung des
Schutzbereichs
kein
verfassungsrechtliches
Bedürfnis,
da
die
Berücksichtigung kollidierender verfassungsrechtlich geschützter Interessen
Privater ebenso auf der Ebene der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 2
GG erfolgen kann551.
c) Ergebnis
Als Ergebnis bleibt also festzuhalten, dass es ebenso wenig der
Definitionskompetenz des Staates wie derjenigen Privater obliegt, über den
Begriff der „Allgemeinzugänglichkeit“ zu bestimmen. Dem Schutzzweck des
Art.5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG folgend, der sich an den gewandelten
gesellschaftlichen Verhältnissen der Informationsgesellschaft zu orientieren
hat, muss es ausschließlich dem Grundgesetz vorbehalten bleiben, den
sachlichen Schutzbereich der Informationsfreiheit zu bestimmen, um (im
staatlichen Bereich) jede Form von Informationsdirigismus wie aber auch
(im privaten Bereich) jede Form der Bildung von Informationsmonopolen zu
verhindern.
Sofern also der Kreis derer, an die sich eine bereit gestellte Information
richtet, nur nach allgemeinen Kriterien bestimmt ist, nicht jedoch ein von
vorneherein abgegrenztes Publikum anspricht, muss die „allgemeine
Zugänglichkeit“ der nämlichen Informationsquelle bejaht werden552. Die
Frage,
an
welche
technischen
Voraussetzungen
-
bspw.
mittels
Passwortabfrage, DRM-Systeme etc. - der Zugang zum urheberrechtlich
549
Schoch, VVDStR 57 (1998), S. 213.
Allgemein dazu Schoch, VVDStR 57 (1998), S. 179f..
551 Langer, Informationsfreiheit, S. 141.
552 So Lerche, JURA 1995, S. 565.
550
121
geschützten Werk geknüpft ist, ist demnach für die Anwendbarkeit des
sachlichen Schutzbereichs der Informationsfreiheit ohne Bedeutung553.
Ein unveröffentlichtes bzw. noch nicht erschienenes Werk hingegen, das
ebenso zu den urheberrechtlich geschützten Werken554 und damit zum
verfassungsrechtlich geschützten Begriff des „geistigen Eigentums“ zählt,
kann
in
diesem
Sinne
jedoch
nicht
als
„allgemein
zugängliche“
Informationsquelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG betrachtet
werden, da dieses Werk - wie von § 6 UrhG vorausgesetzt555 - (noch) nicht
der
Öffentlichkeit dergestalt
zugänglich
gemacht
wurde,
dass
die
Allgemeinheit (also ein von vorneherein nicht abgrenzbarer Personenkreis)
die Möglichkeit erhalten hat, es sinnlich wahrzunehmen556. Hinsichtlich
solcher
Werke
ist
demnach
bereits
der
Schutzbereich
der
Informationsfreiheit nicht eröffnet557.
3. Geschütztes Verhalten
Die Informationsfreiheit gewährt dem Grundrechtsinhaber die Möglichkeit,
sich ungehindert aus den nämlichen Informationsquellen zu unterrichten.
a) „Unterrichten“
Die gebotene weite Auslegung des sachlichen Schutzbereichs558 zum
effektiven
Schutz
der
Informationsfreiheit
gebietet
es,
zum
Tatbestandsmerkmal des „Unterrichtens“ auch das Speichern und damit die
Vervielfältigung der Information auf beliebigen Datenträgern zu zählen559.
Denn wenn die Informationsfreiheit die Basis für die öffentliche oder
553
So auch Hohagen, S. 284, allerdings ohne Begründung.
Vgl. Wandtke/Bullinger – Marquardt, § 6 UrhG, Rn. 1.
555 Vgl. zum Begriff der Veröffentlichung
und des Erscheinens i.S.d. § 6 UrhG,
Wandtke/Bullinger – Marquardt, § 6 UrhG, Rn. 4ff., 27ff..
556 So die amtliche Begründung zum weiteren Veröffentlichungsbegriff, vgl. BT –
Drucksache IV/270, 40.
557 Womit die Frage gestellt werden darf, ob die Einräumung eines
privaten
Vervielfältigungsrechts nicht von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 UrhG
abhängig gemacht werden sollte, da insoweit jedenfalls nicht die Informationsfreiheit der
Werknutzer rechtfertigend herangezogen werden kann. Anders aber die bisherige
Regelung, vgl. Wandtke/Bullinger – Lüft, § 53 UrhG, Rn. 8.
558 Vgl. grundlegend dazu BVerfGE 27, 71 (82f.).
559 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 50; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 29
je m.w.N.; Langer, Informationsfreiheit, S. 124f..
554
122
individuelle Meinungsbildung sein soll, dann muss diese auch die zur
adäquaten intellektuellen Verarbeitung der Information oftmals erforderliche
Speicherung ermöglichen. Angesichts der zunehmenden Komplexität der
heutigen Informationsfülle ein meist zwingender Vorgang, da der rein
rezeptive einmalige Werkgenuss oftmals nicht ausreicht, die Informationen
„meinungsbildend“ zu verarbeiten560.
b) „ungehindert“
Die
Unterrichtungsmöglichkeit
muss
darüber
hinaus
„ungehindert“
bestehen. Darunter ist – dem Schutzzweck der Informationsfreiheit folgend,
staatlichen Informationsdirigismus zu verhindern – zu verstehen, dass
jedwede staatliche Behinderung des Zugangs zu Informationsquellen,
erfolge diese unmittelbar oder mittelbar, verfassungsrechtlich nicht toleriert
wird561.
Eine Behinderung in diesem Sinne ist allerdings nach ganz überwiegender
Ansicht
nicht
bereits
Informationszugangs
zu
in
der
erblicken,
Entgeltlichkeit
einen
Anspruch
des
fraglichen
auf
kostenlose
Unterrichtung verschafft die Informationsfreiheit also nicht562.
Begründen lässt sich die so verstandene Schrankenschranke damit, dass
die
hinter
geschützten
der
Kostenpflichtigkeit
Interessen
der
steckenden
Informierenden
verfassungsrechtlich
andernfalls
gar
keine
Berücksichtigung finden könnten, wenn schon der Schutzbereich der
Informationsfreiheit den Ausschluss dieser Interessen erforderlich machte.
So bleibt es den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG vorbehalten hier einen
verhältnismäßigen Ausgleich zu finden.
Entsprechend den Überlegungen zur „Allgemeinzugänglichkeit“ stellt sich
auch hier wieder die Frage, ob die den Staat verpflichtende Forderung nach
der „Ungehindertheit“ der Informationserlangung auch für Private Geltung
beanspruchen kann. Kurz: Ist es aufgrund des Erfordernisses der
„Ungehindertheit“ auch dem privaten Informierenden auferlegt, diese
560
Vgl. dazu Teil 1, A. III. 1. d).
Vgl. Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 34; Mangoldt/Klein – Starck, Art. 5, Rn.
51.
562 Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 28; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 52;
Lerche, JURA 1995, S. 562, Fn. 10; Fechner, S. 349.
561
123
„Barrierefreiheit“ bezüglich seiner Informationsquellen zu gewährleisten563?
Oder anders: Verlangt die Geltung der Informationsfreiheit als Schutzgebot
(nicht als Abwehrrecht) vor Eingriffen durch Private ebenso diese
„Barrierefreiheit“?
Entsprechend den oben gemachten Überlegungen 564 wird man dies im
Sinne einer möglichst effektiven Gewährleistung des Schutzbereichs der
Informationsfreiheit
zu
bejahen
haben.
Allerdings
gewährt
die
Informationsfreiheit einen Anspruch auf kostenlose Unterrichtung gerade
nicht. Jede „Zugangserschwerung“, die also an die Entgeltlichkeit der
Informationserlangung
anknüpft,
wird
durch
das
Erfordernis
der
„Ungehindertheit“ gerade nicht ausgeschlossen.
II. Eingriff in und Schranken der Informationsfreiheit
1. Eingriff
Beeinträchtigt wird die Informationsfreiheit durch jede rechtliche oder auch
faktische Maßnahme, welche imstande ist, die Informationsaufnahme
unmöglich zu machen oder auch diese nur wesentlich zu erschweren 565.
Damit ist die Frage gestellt, ob und wie durch die gesetzliche Ausgestaltung
des Urheberrechts in Bezug auf private Vervielfältigungstätigkeit rechtlich
bzw. ob und wie durch Selbstschutzmaßnahmen der Rechteinhaber selbst
faktisch in die Informationsfreiheit der Werknutzer eingegriffen wird. Denn je
weiter der Schutz des Urhebers durch eine Gewährleistung eines
Ausschließlichkeitsrechts bezüglich der einfachgesetzlichen Ausgestaltung
privater Vervielfältigungstätigkeit reicht, je effektiver sich der Urheber bzw.
Rechteinhaber
durch
technische
Schutzmaßnahmen
vor
privater
Vervielfältigungstätigkeit schützen kann, desto eher wird hierdurch die
Informationsfreiheit der Werknutzer beeinträchtigt566.
2. Schranken
Vgl. zu dieser Fragestellung im Ansatz Schmidt – Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 35.
Vgl. oben unter 2..
565 Vgl. Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 I, II, Rn. 98; Mangoldt/Klein/Starck – 55; Hohagen, S.
286.
566 Dazu Hohagen, S. 286f.; ferner Lerche, JURA 1995, S. 562..
563
564
124
Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Informationsfreiheit seine Schranken
insbesondere in den Vorschriften der „allgemeinen Gesetze“. Der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge sind dies solche
Gesetze, „die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen
die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze
eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu
schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts,
der gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“567. Ohne Zweifel
stellen die Regelungen des Urheberrechts - welche in erster Linie den
Interessen des Urhebers dienen sollen568 - insoweit ein „allgemeines
Gesetz“ dar569.
Eine weitere Bestimmung dessen, was den Inhalt der Schranken der
„allgemeinen
Gesetze“
konkret
ausmacht,
hat
das
Bundesverfassungsgericht mit seiner „Wechselwirkungslehre“570 geliefert.
Das einschränkende „allgemeine Gesetz“ - im vorliegenden Falle das UrhG
- muss seinerseits im Lichte der Bedeutung der Informationsfreiheit
ausgelegt und auf diese Weise wiederum in seiner die Informationsfreiheit
beschränkenden Wirkung selbst eingeschränkt werden571. Diese Formel
des Bundesverfassungsgerichts führt letztlich zu einer zwingenden
Güterabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes572
zwischen der Informationsfreiheit und dem vom jeweils einschränkenden
Gesetz
mittelbar
vorliegenden
verfassungsrechtlich
Falle
jene
unter
geschützten
Teil
2
Rechtsgut573,
im
herausgearbeiteten
verfassungsrechtlich geschützten Urheberinteressen.
III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben
567
BVerfGE 7, 198 (209f.); 62, 230 (243f.); 71, 206 (214).
Vgl. Loewenheim – Loewenheim, § 1, Rn. 4 mit Verweis auf Amtl. Begründung in BT –
Drucksache IV/270, S. 27.
569 Für das KUG entschieden durch BVerfGE 35, 202 (224).
570 Vgl. BVerfGE 7, 198 (208f.).
571 Vgl. dazu auch Schmidt – Jortzig, Information, Rn. 42. Zur Kritik der Literatur an diesem
Zirkelschluss vgl. Überblick bei Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 261f..
572 Vgl. Langer, Informationsfreiheit, S. 157f..
573 Maunz/Dürig – Herzog, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 258; Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5,
Rn. 185; BVerfGE 7, 198 (210).
568
125
Da es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung um die Ausgestaltung
eines rein privatrechtlich bestimmten Rechtsverhältnisses geht, stellt sich
nunmehr die Frage, ob und inwieweit sich neben dem abwehrrechtlichen
Charakter
der
Informationsfreiheit574
auch
eine
gesetzgeberische
Schutzpflicht kraft Verfassung ergibt. Also eine Pflicht des Staates durch die
allgemeine
-
also
auch
privatrechtliche
-
Gesetzgebung
auf
die
bestmögliche Verwirklichung der entsprechenden Schutzbereiche der
Informationsfreiheit hinzuwirken575.
Das Grundrecht der Informationsfreiheit wendet sich zunächst an den Staat,
es gewährt dem Grundrechtsinhaber diesem gegenüber einen individuellen
Abwehranspruch. Wie aber, wenn nicht der Staat sondern Private - hier: der
Urheber - den Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit zu
bewerkstelligen
drohen?
Ist
hier
der
Staat
im
Rahmen
eines
verfassungsrechtlichen Schutzgebots zum gesetzgeberischen Tätigwerden
verpflichtet? Und wenn dem so ist, wie ist dieser verfassungsrechtliche
Schutzauftrag inhaltlich ausgestaltet?
1. Grundrechte als Schutzpflicht
Über die grundsätzliche Einordnung der Grundrechte als Abwehrrechte des
Grundrechtsinhabers gegen den Staat besteht Einigkeit. Triebfeder der
Verfassungsväter war die Furcht vor dem geschichtlich erfahrenen
totalitären Staat, vor deren Hintergrund es galt, die Freiheit des Einzelnen
vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staats zu bewahren576.
Ein solch einseitiges Grundrechtsverständnis greift aber zu kurz, denn die
Grundrechte würden ihrer wesentlichen Funktion - nämlich dem Schutz des
jeweils
grundrechtlich
Grundrechtsträgers
-
geschützten
nur
Rechtsguts
unvollständig
gerecht:
und
Denn
damit
Eingriffe
des
in
grundrechtlich geschützte Positionen sind nicht nur von Seiten des Staates
574
Vgl. zur Einordnung der Informationsfreiheit als Abwehrrecht bspw.
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 41; ferner BVerfGE 27, 71 (84).
575 Grundlegend dazu Lerche, JURA 1995, S. 562f; ferner Kröger, Informationsfreiheit, S.
201ff.; Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 206ff. und 214; Stettner, Information, S. 358; zu den
Auswirkungen der Informationsfreiheit im Bereich der Drittwirkung der Grundrechte (die
nicht mit der hier behandelten Frage nach dem Schutzauftrag der Grundrechte verwechselt
werden darf), kurz Fechner, S. 349.
576 Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 1f.; umfassend dazu Stern, Grundrechte, § 66.
126
zu befürchten, sondern ebenso gut und wohl mindestens ebenso häufig von
Seiten Privater. Der Schutz der Bürger vor einander gehört indes historisch
wie funktionell zu den primären Aufgaben von Staat und Recht 577, mehr
noch: Die Überwindung der alternativen Möglichkeit der Anarchie, die jeden
einzelnen selbst zur Durchsetzung seiner Interessen nach seinen
Möglichkeiten
(nicht
nach
seinen
„Rechten“)
zwänge,
bildet
die
philosophische Grundlage und Rechtfertigung des Staatswesens selbst und
der
dieses
konstituierenden
Regeln578.
Schon
aus
dieser
rechtsphilosophischen Überlegung heraus, muss eine Schutzpflicht des
Staates zur Gewährleistung grundrechtlich verbürgter Freiheiten abgeleitet
werden.
Nun
mag
diese
ideengeschichtliche
Herleitung
grundrechtlicher
Schutzgebote vor dem Rechtsstaatsprinzip zu beanstanden sein, welches
weitestgehende Justiziabilität allen staatlichen Handelns verlangt und einer
dergestalten Hermeneutik nur eingeschränkt zugänglich ist. Doch lässt sich
auch aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes eine generelle
grundrechtliche Schutzpflicht des Staates ableiten.
So folgert das Bundesverfassungsgericht eine umfassende staatliche
Schutzpflicht
zur
Gewährung
grundrechtlicher
Freiheiten
aus
der
Verpflichtung des Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG579. Denn Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG
Canaris, AcP 184 (1984), Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 152; S. 226
m.w.N.; Klein, NJW 1989, S. 1635f..
578 Vgl. dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 111, IV, 2.; Isensee, Grundrecht, Rn. 83.
579 Das Bundesverfassungsgericht drückt es in seinem Fristenlösungsurteil vom 25.2.1975
mit den folgenden Worten aus (BVerfGE 39, 1 [41]): „Die Pflicht des Staates, jedes
menschliche Leben zu schützen, lässt sich deshalb bereits unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 S.
1 GG ableiten. Sie ergibt sich darüber hinaus auch aus der ausdrücklichen Vorschrift des
Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG […]“. Es fährt fort, dass „nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts […] die Grundrechtsnormen nicht nur subjektive Abwehrrechte
des Einzelnen gegen den Staat [enthalten], sondern [dass] sie […] zugleich eine objektive
Wertordnung [verkörperten], die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle
Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und
Rechtsprechung gibt[…]“. Zwar bezieht das Gericht seine Ausführung nur auf die staatliche
Schutzpflicht dem ungeborenen Leben gegenüber, mithin dem Rechtsgut des Art. 2 Abs. 2
S. 1 GG. Dass es dabei allerdings davon ausgeht, dass der Schutzpflichtgedanke zur
allgemeinen Grundrechtsdogmatik gehört und folglich auf alle Freiheitsrechte grundsätzlich
Anwendung findet (so auch die ganz überwiegende Meinung in der Lehre, vgl. dazu Stern,
Grundrechte, § 69, IV, 5, Fn. 264, mit zahlreichen Nachweisen. Ebenso Isensee,
Grundrecht, Rn. 82; Stettner, Information, S. 364, Hesse, Rn. 350), ergibt sich ebenso aus
dieser Entscheidung, wenn es ebenda fortfährt: „Die Schutzverpflichtung des Staates
[gegenüber dem werdenden Leben] ist umfassend. […] Die Schutzverpflichtung des
Staates muss um so ernster genommen werden, je höher der Rang des in Frage
stehenden Rechtsgutes innerhalb der Werteordnung des Grundgesetzes anzusetzen ist.“.
Mit dieser Relativierung der staatlichen Schutzpflicht im letzten zitierten Satz wird klar, dass
577
127
verpflichtet den Staat - dem Abwehrcharakter der Grundrechte das Wort
redend - nicht nur zur Achtung der Menschenwürde, darüber hinaus wird
auch deren Schutz580 zur Pflicht allen staatlichen Handelns gemacht. Wenn
aber schon die Würde des Menschen ein grundrechtliches Schutzgebot
begründet, dann muss dies – argumentum a fortiori – auch und erst Recht
für andere Freiheitsrechte gelten. Denn diese sind letztlich nichts anderes
als die Konkretisierung dieser Menschenwürde, was sich aus Art. 1 Abs. 2
GG ergibt581.
Nach diesem Verständnis der Grundrechte ergibt sich aus diesen die
unmittelbare Pflicht des Staates, ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut vorliegend
dasjenige
der
Informationsfreiheit
-
vor
rechtswidrigen
Verletzungen und Gefährdungen durch Private zu bewahren582. Von der
inhaltlichen
Reichweite
her
entspricht
dabei
der
grundrechtliche
Schutzauftrag grundsätzlich demjenigen, welchen die abwehrrechtliche
Seite der Grundrechte auszeichnet583, da es für die Gewährleistung
grundrechtlich
verbürgter
Freiheiten
unerheblich
ist,
ob
sich
die
Beeinträchtigung von staatlicher oder aber von privater Seite her ergibt.
2. Ausgestaltung der Schutzpflicht
Wenn
nach
dem
Schutzverpflichtung
vorherigen
des
Staates
Abschnitt
auch
für
eine
den
grundsätzliche
Bereich
der
Informationsfreiheit bejaht werden muss, so ist damit nur ausgesagt, dass
eine solche Schutzpflicht grundsätzlich bestehen kann, nicht aber wie diese
Schutzpflicht konkret umgesetzt werden soll584. Das Grundgesetz lässt
das Bundesverfassungsgericht - ohne dies ausdrücklich auszusprechen - davon ausgeht,
dass die grundrechtliche Schutzverpflichtung des Staates auch außerhalb des Schutzgutes
des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG besteht. Dazu auch Canaris, AcP 184 (1984), S. 226.
580 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 37.
581 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 1, Rn. 107; Canaris, a.a.O., m.w.N.; kritisch zu
dieser Deutung Maunz/Dürig – Herdegen, Art. 1 Abs. 1, Rn. 19.
582 Hesse, Rn. 350.
583 Isensee, Grundrecht, Rn. 93.
584 Stern, Grundrechte, § 69, IV, 6. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfGE 49, 89 [142]): Es bestehen demnach „verfassungsrechtliche Schutzpflichten […],
die es gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, dass auch die Gefahr von
Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt. Ob, wann und mit welchem Inhalt sich eine
solche Ausgestaltung von Verfassungswegen gebietet, hängt von der Art, der Nähe und
dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich
geschützten Rechtsguts sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab.“.
128
hinsichtlich der Art und Weise der Verwirklichung von grundrechtlichen
Schutzpflichten konkrete Vorgaben vermissen585.
a) Adressat einer Schutzpflicht
Adressat
der
grundrechtlichen
Schutzverpflichtung
ist
die
grundrechtsgebundene Staatsgewalt in all ihren Erscheinungsformen. Dabei
kommt der Legislative gegenüber den zwei anderen Staatsgewalten im
Falle der Grundrechtsgewährleistung vor Übergriffen Privater der Primat zu.
Denn nur die Privatrechtsordnung bindet die Privaten als unmittelbar
geltendes Recht (einer unmittelbaren Bindung der Grundrechte sind Private
nicht unterworfen586; anders Exekutive und Judikative, welche bereits aus
Art. 1 Abs. 3 GG eine unmittelbare Bindung an die Grundrechte erfahren),
ist also am effektivsten in der Lage, den angestrebten Grundrechtsschutz zu
verwirklichen. Daher kommt der Ausgestaltung des Privatrechts im Bereich
der grundrechtlichen Schutzverpflichtung des Staates die Vorrangrolle zu587.
b) Inhaltliche Anforderungen einer Schutzpflicht
Weiter stellt sich die Frage, wie, d.h. nach welchen Kriterien, der
Gesetzgeber einen solchen verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrag
zu erfüllen hat588.
Im
Rahmen
einer
gesetzlichen
Ausgestaltung
der
Urheber-
und
Werknutzerrechte für den Fall privater Vervielfältigungstätigkeit, steht der
Eingriff in die Informationsfreiheit der Werknutzer ebenso zu befürchten wie
derjenige in die grundrechtlich geschützte Position der Urheber als geistigen
Eigentümern
urheberrechtlich
geschützter
Werke.
Im
Falle
von
Grundrechtskollisionen, in denen der Schutz des einen Grundrechtsträgers
die Belastung des anderen Grundrechtsträgers zwingend zur Folge hat, soll
nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine Abwägung der
verschiedenen betroffenen Grundrechtspositionen unter Beachtung des
585
Stern, Grundrechte, a.a.O.; Hesse, Rn. 350; Hain, DVBl. 1993, S. 982.
Vgl. dazu bspw. Hesse, Rn. 352, 355.
587 In diesem Sinne auch Isensee, Grundrecht, Rn. 90; Canaris, AcP 184 (1984), S. 227;
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 152.
588 Grundlegend dazu Isensee, Grundrecht, Rn. 86ff.; Stern, Grundrechte, § 76, IV. 6..
586
129
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
erfolgen589.
Diese
methodische
Vorgehensweise, welche das Gericht im Rahmen der zitierten Entscheidung
bezüglich
des
strafrechtlichen
grundrechtlichen
Schutzes
Schutzauftrags
ungeborenen
im
Lebens
Bereich
des
verfolgt,
ist
konsequenterweise auch für die Ausgestaltung des privatrechtlichen
Schutzes grundrechtlicher Schutzgüter anzuwenden590.
Denn wenn man, wie bereits dargestellt591, von der grundsätzlichen
Gleichrangigkeit
der
Grundrechte
als
Abwehrrecht
wie
auch
als
Schutzpflicht ausgeht, dann ist die Aufgabe des grundrechtlichen Schutzes
in beiden Fällen insoweit identisch, als diese die Freiheitsrechte der
Beteiligten zur optimalen Entfaltung bringen sollen, den Wertvorstellungen
der
grundgesetzlichen
Ordnung
entsprechend592.
Dieses
„Entfaltungsoptimum“ lässt sich aber nur erreichen, wenn zum einen alle
betroffenen, grundrechtlich geschützten Interessen593 Berücksichtigung
finden können – was eine Abwägung als Prozess der Interessenfindung
erforderlich macht. Zum anderen müssen die beteiligten Interessen ihrer
verfassungsrechtlichen Bedeutung im Einzelfall zueinander entsprechend in
Bezug gesetzt und gewichtet werden können – was die Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewährleisten soll.
Dass es dabei kein durch das Grundgesetz von vorneherein festgelegtes,
bestimmtes Ergebnis geben kann, liegt in der Natur der Sache. Stattdessen
ist dem Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung des zu findenden
Kompromisses zwischen der Verwirklichung verschiedener Freiheitsrechte
589
Vgl. BVerfGE 88, 203 (255f.); 39, 1 (43): Beide Urteile betreffen den
verfassungsrechtlichen
Schutzauftrag
des
Gesetzgebers
im
Rahmen
der
Strafgesetzgebung.
590 In diesem Sinne auch Hesse, Rn. 350, 355; Stettner, Information, S. 364f.; Isensee,
Grundrecht, Rn. 89f.; letztlich auch Canaris, AcP 184 (1984), 228, der in dieser Hinsicht ein
sog. „Untermaßverbot“ aufstellt, welches mit dem verfassungsrechtlich anerkannten
Übermaßverbot gleichsam als Gegengewicht korrespondieren soll. Dabei wird aber
übersehen, dass die Anforderungen des Übermaßverbots alleine schon den Bedingungen
dieses „Untermaßverbots“ genügen. Denn mit der Bejahung einer im Einzelfall zu
prüfenden grundsätzlichen Schutzpflicht ist diesem „Untermaßgebot“ schon hinreichend
nachgekommen, da es im Rahmen der verhältnismäßigen Abwägung dem Gesetzgeber
dann nicht mehr erlaubt ist, einseitig die Interessen des einen oder anderen
Grundrechtsinhabers zu bevorzugen. Vgl. zur Kritik auch Hain, DVBl. 1993, S. 983f..
591 Vgl. oben unter 1..
592 Vgl. Hesse, Rn. 317f..
593 Denn die Freiheitsausübung des einen ist in aller Regel die Freiheitsbeeinträchtigung
des anderen.
130
ein Spielraum, nämlich das gesetzgeberische Ermessen594 gegeben.
Innerhalb dessen sind aber freilich die Regeln des Grundgesetzes zu
beachten, ohne dass diese dabei das Ergebnis von vorneherein festlegen
würden.
3.
Schutzpflicht
des
Gesetzgebers
für
den
Fall
privater
Vervielfältigungstätigkeit?
Ungeklärt ist freilich noch, ob für den Fall der hier zu untersuchenden
privaten
Vervielfältigungstätigkeit
urheberrechtlich
geschützter
Werke
überhaupt eine solche Schutzpflicht angenommen werden kann 595. Zu
fragen ist also, ob die Informationsfreiheit der Werknutzer den Gesetzgeber
zwingend zum regelnden Eingreifen in das privatrechtliche Verhältnis
zwischen dem privat Vervielfältigenden und dem betroffenen Urheber
auffordert.
Die Tatsache, dass der zu regelnde Lebenssachverhalt - hier das „ob“ und
„wie“ der privaten Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke - die
Informationsfreiheit bloß in irgend einer Weise berührt, reicht für die
Annahme einer entsprechenden Schutzpflicht nämlich nicht aus. Eine
solche kann nur angenommen werden, wenn durch das zu regelnde
Verhalten eine Beeinträchtigung der Informationsfreiheit drohte, welche
diese in ihrem Kernbereich berührt und angesichts des Ranges der
Informationsfreiheit im
Kontext mit den betroffenen Rechtsgütern des
Urhebers ein Zurücktreten der
Informationsfreiheit nicht mehr der
verfassungsrechtlichen Wertordnung entspräche596.
Für die Frage des „Ob“ einer grundrechtlichen Schutzpflicht ist also die
konkrete Schutzbedürftigkeit der Informationsfreiheit des Werknutzers für
den Fall privater Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke
594
Vgl. dazu Hain, DVBl. 1993, S. 982f.;Klein, NJW 1989, S. 1636f.; Isensee, Grundrecht,
Rn. 90; BVerfGE 46, 160 (164f.); 79, 174 (202).
595 Eine solche bejaht Hohagen, S. 289, 607, allerdings ohne weitere Begründung. In
diesem Sinne auch Kröger, S. 202ff; Hoeren, Verbraucherschutz, S. 23; ohne Bezug auf
die Vervielfältigungsfreiheit auch Stettner, Information, S. 365f.; offen gelassen bei Geiger,
Beschränkungen, S. 146ff.; ablehnend hingegen Berger, ZUM 2004, S. 264f.; Ulmer-Eilfort,
S. 286f..
596 An dieser zuzugebenden Normativität und damit Unbestimmtheit des Maßstabs
verfassungsrechtlicher Schutzpflichten entzündet sich die Kritik bei Stettner, Information, S.
365.
131
maßgeblich597. Die Antwort auf diese Frage hängt ab598 a) von der Stellung
der Informationsfreiheit im Gesamtgefüge des hier zu betrachtenden
verfassungsrechtlichen Kontexts, b) von der Qualität der potentiellen
Gefährdung
der
Informationsfreiheit
sowie
c)
von
den
eigenen
Möglichkeiten des Werknutzers zur Abhilfe des zu befürchtenden
Grundrechtseingriff.
a)
Stellung
der
Informationsfreiheit
im
verfassungsrechtlichen
Gesamtkontext
Ausgangspunkt für die Einordnung der Informationsfreiheit in den vorliegend
zu beurteilenden verfassungsrechtlichen Gesamtkontext ist der Standort der
Informationsfreiheit
des
Werknutzers
gegenüber
dem
verfassungsrechtlichen Schutz geistigen Eigentums im Falle privater
Vervielfältigungstätigkeit599.
Wie
oben
bereits
ausgeführt,
verfolgt
die
Gewährleistung
der
Informationsfreiheit zwei gleichrangig nebeneinander angeordnete Ziele: So
soll durch die tatsächliche Herstellung hinreichender Informationsvielfalt 600
die
individuelle
wie
die
kollektive
Meinungsbildung
gleichermaßen
gewährleistet werden601. Während letztere Zielvorstellung unbedingte
Voraussetzung für ein funktionierendes, pluralistisch fundiertes und
demokratisch legitimiertes Gemeinwesen ist602, schafft die erstgenannte
Zielvorstellung eine wesentliche Grundlage persönlicher Freiheitsentfaltung
597
Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 90; in diesem Sinne auch Lerche, JURA 1995, S. 562.
Die Einteilung folgt Isensee, Grundrecht, a.a.O.; auch das Bundesverfassungsgericht
legt einen vergleichbaren Maßstab an, wenn es einen grundrechtlichen Schutzauftrag des
Gesetzgebers von „der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und
dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts sowie von den schon
vorhandenen Regelungen“ abhängig macht, vgl. BVerfGE 49, 89 (142).
599 So auch der Ansatz bei Kröger, S. 10; wesentliche Bedeutung misst auch das
Bundesverfassungsgericht dem Rang des jeweils zu schützenden Rechtsguts bei, wenn es
in BVerfGE 39, 1 (42) formuliert: „Die Schutzverpflichtung des Staates muss um so ernster
genommen werden, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der
Wertordnung des Grundgesetzes anzusetzen ist.“.
600 Vgl. Lerche, JURA 1995, S. 561 m.w.N..
601 Exemplarisch BVerfGE 57, 295 (319).
602 Vgl. Kröger, S. 189f.; ebenso BVerfGE 27, 71 (81f.).
598
132
in gesellschaftlicher, politischer und in zunehmendem Maße auch in
wirtschaftlicher Hinsicht603.
aa) Bedeutungswandel der Informationsfreiheit
Vor
diesen
Zielsetzungen
der
Informationsfreiheit
hat
der
Bedeutungswandel, den das Rechtsgut „Information“ in den letzten
Jahrzehnten durchlaufen hat und die parallel damit einhergehenden
Verschiebungen
im
gesellschaftlich-strukturellen
Informationsgefüge
wesentlich dazu beigetragen, dass der Informationsfreiheit ein höherer
Stellenwert eingeräumt
werden
muss, als dies
vor Anbruch
des
„Informationszeitalters“ der Fall war604.
Der Bedeutungswandel, der an dieser Stelle für die verfassungsrechtliche
Stellung der Informationsfreiheit postuliert werden soll, ist im Wesentlichen
auf
zwei
zeitgleich
erfolgende
gesellschaftliche
Entwicklungen
zurückzuführen:
Dies ist zum einen die ständig zunehmende Bedeutung der Ware
„Information“ in unserer postindustriellen Wissensgesellschaft605. Die
Kategorisierung der Information als „Rohstoff“ oder „Produktionsfaktor“606
lässt die vielfache Abhängigkeit und Verflechtung des Individuums als
Subjekt der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes von eben dieser
Ware deutlich hervortreten. Hiermit korrespondiert zwangsläufig der
Bedeutungszuwachs, welchen die Information auch für Gesellschaft,
Wirtschaft und das Staatswesen selbst hat607. Die sich hieraus ergebende
zunehmende Informationsabhängigkeit des Einzelnen, der Gesellschaft, der
Wirtschaft wie auch des Staates hat die Ausbildung einer Qualität der
603
Vgl. Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 249f.; deutlich auch BT-Drucksache XIII/4000, S. 15:
„Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken lösen nach allgemeiner
Einschätzung einen technisch-wirtschaftlichen Wandel aus, der in Ausmaß und
Folgewirkungen mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft zu vergleichen
ist.“.
604 Schon Sieber, NJW 1989, S. 2570 m.w.N., spricht vom epochalen Wandel, welche der
Aufzug der Informationstechnologie mit sich bringe und zieht einen Vergleich mit
industriellen Revolution seit Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung die
Ersetzung menschlicher Muskelkraft durch Maschinen mit sich brachte.
605 Eine ausführliche Analyse dieses Befundes bietet Schoch, VVDStRL 57 (1998), S.
179ff..
606 Vgl. Schoch, a.a.O., Fn. 34; BT-Drucksache XIII/4000, S. 16.
607 Dazu Schoch, a.a.O., S. 179; Langer, Informationsfreiheit, S. 124f.; mit weiterführenden
Hinweisen auch Sieber, NJW 1989, S. 2571.
133
Information zur Folge, welche bislang kaum berücksichtig wurde. Nämlich
die Qualität des Gutes „Information“ als Einfluss- und Machtfaktor608.
Mit diesem gleichsam abstrakten Bedeutungszuwachses des Rechtsguts
„Information“ geht die zweite gesellschaftliche Entwicklungsschiene im
Bereich des gesellschaftlichen Informationsgefüges einher und führt somit
auch zu dessen konkreten Bedeutungsgewinn. So verschiebt sich nämlich
die Verfügungsbefugnis über Quellen und Zugänge zu Informationen
zunehmend aus dem öffentlichen in den privaten Sektor609; verstärkt und
qualitativ verändert wird diese Entwicklung noch durch eine zunehmende
Konzentration der privatwirtschaftliche Kräfte auf dem Informationsmarkt610,
was
zwangsläufig
zur
Monopolisierung
von
Information
und
Informationsquellen in privater Hand führt.
Als Ergebnis dieser gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist festzuhalten:
Während das Verfassungsgut „Information“ auf der einen Seite einen
weitgehenden Bedeutungszuwachs für den einzelnen Grundrechtsinhaber
zu verzeichnen hat, ist auf der anderen Seite festzustellen, dass dieses
Verfassungsgut zunehmend der Hand der Öffentlichkeit entgleitet und der
Griff einzelner Privater nach der Ware „Information“ immer fester wird 611.
bb) Verfassungsrechtliche Konsequenzen
Die verfassungsrechtliche Konsequenz, die sich hieraus ergeben muss, ist
die folgende: Im Rahmen eines gesellschaftlichen Wandels hin zur
Informationsgesellschaft, erlangt die Informationsfreiheit im Gesamtgefüge
der grundrechtlich geschützten Freiheiten an zunehmender Bedeutung für
den einzelnen, sowohl in ihrer kollektiv-rechtlichen Ausgestaltung wie vor
allem
aber
auch
in
ihrer
individual-rechtlichen
Funktion.
Diesem
Aufwertungsprozess durch die tatsächliche Entwicklung steht gleichsam
diametral
gegenüber
die
zunehmend
erschwerte
Gewährleistungsmöglichkeit dieser Freiheit durch einen Staat, der sich
608
Vgl. Vogel, VVDStRL 48 (1990), S. 302f.; Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 180; in
diesem Sinne auch Lerche, JURA 1995, S. 564; Sieber, NJW 1989, S. 2570f..
609 Schoch, VVDStRL 57 (1995), S. 172f., 180 je m.w.N..
610 Nachweis bei Schoch, VVDStRL 57 (1995), S. 173; Weber, R., Medienkonzentration, S.
55ff.; für den Bereich des Rundfunks BT-Drucksache XIII/6000, S. 19ff..
611 In diesem Sinne auch Kröger, S. 201.
134
immer weiter aus dem Bereich der Informationssammlung und -verbreitung
zurückzieht. Verfassungsrechtlich zugespitzt formuliert bedeutet diese
Entwicklung: Je höher das Schutzgut „Informationsfreiheit“ auf der
verfassungsrechtlichen Wertigkeitsskala nach oben steigt, desto weniger ist
der Staat in der Lage, dieses Schutzgut auch zu gewährleisten.
Dass es allerdings durch eine faktische Entwicklung nicht zu einer
Aushöhlung grundrechtlich verbürgter Freiheiten kommen darf, muss nicht
näher erörtert werden. Die Konsequenz, die sich hieraus für die
Verfassungsinterpretation
ergibt,
liegt
auf
der
Hand:
Neben
einer
Aufwertung der Informationsfreiheit im grundrechtlichen Wertekanon 612, ist
auch eine qualitative Neubewertung dieses Grundrechts erforderlich. So
muss mit dem Rückzug der öffentlichen Hand vor dem Hintergrund des
immer weiter steigenden Bedeutungszuwachses der Informationsfreiheit
eine Verschiebung des staatlichen Gewährleistungsauftrags hinsichtlich der
grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechte korrespondieren: Weg von der
bloßen Betrachtung der Informationsfreiheit als Abwehrrecht gegen den
Staat, hin zu einer stärkeren Betonung des staatlichen Schutzauftrags, dem
immer stärker werdenden Bedeutungszuwachs der Informationsfreiheit für
den Grundrechtsinhaber folgend613.
b) Qualität der potentiellen Gefährdung der Informationsfreiheit
Es wurde oben bereits angedeutet, dass nicht allein die bloße Berührung
des
Schutzbereichs
der
Informationsfreiheit
durch
Private
eine
grundrechtliche Schutzpflicht des Staates im Wege entsprechender
Gesetzgebung auszulösen vermag614. Schutzpflichtbegründend kann nur
612
Auch in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erfährt die
Informationsfreiheit (ebenso wie die Meinungs- und Pressefreiheit) eine gewisse
Vorzugsstellung; vgl. dazu BVerfGE 7, 198 (208); 12, 113 (125ff.); 20, 162 (176f.); 35, 202
(223); 62, 230 (247); 69, 315 (344f.); 71, 206 (219); 76, 196 (208f.); 82, 43 (51); 82, 272
(280); 85, 1 (16)..
613 In diesem Sinne auch Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 190; auch Lerche,
Auslandsoffenheit, S. 734; in dieselbe Richtung geht Stettner, Information, S. 358, wenn er
in den Raum stellt, dass zu überlegen sei, ob und wie die fortschreitende Spaltung der
Gesellschaft hinsichtlich der Verfügung von Informationen im Hinblick auf die
demokratische und sozialstaatliche Prägung des Gemeinwesens zu verhindern sei. Auch
Sieber, NJW 1989, S. 2571f, 2575., spricht bereits von der Information als „neues […]
Verfassungsgut“ und redet einer neuen „Verteilungsgerechtigkeit“ der Information auch in
Form von Normierung von Ansprüchen auf Information das Wort.
614 Isensee, Grundrecht, Rn. 107, m.w.N..
135
der Eingriff sein, der mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist,
denn der Gesetzgeber unterliegt nur dem Verfassungs-, nicht aber dem
Gesetzesvorbehalt615.
aa) Wesensgehaltsgarantie als Schutzpflicht auslösendes Moment
(a) Gebot des neminem laedere als auslösendes Moment
Zur Lösung der Frage, ab welcher Eingriffsintensität in grundrechtlich
geschützte
Freiheiten
durch
Private
nun
eine
korrespondierende
Schutzpflicht des Gesetzgebers ausgelöst werden könne, wird der Versuch
unternommen, das Gebot des neminem laedere616 als apriorisches,
formales Prinzip der Gerechtigkeit zur Begründung des auslösenden
Moments heranzuziehen617.
Doch sieht sich dieser Ansatz in zweifacher Hinsicht der Kritik ausgesetzt:
Zum einen618 bezieht sich dieses Gebot eben nicht auf die Beachtung
verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter Dritter im Verhältnis unter
Privaten
zueinander,
da
die
Grundrechte
keine
unmittelbare
Grundrechtsbindung der Privaten bewirken. Zum anderen scheint m. E.
dieser
Ansatz
zu
unbestimmt
um
abzugrenzen,
wann
eine
nur
unbeachtliche Berührung des Schutzbereichs und wann ein Schutzpflicht
begründender Eingriff durch Private vorliegt, da er letztlich nur die
Begrifflichkeiten der Ausgangsfragestellung - welche Art des Eingriff in die
Informationsfreiheit löst tatsächlich eine gesetzgeberische Schutzpflicht aus
- verschiebt, ohne sie zu lösen.
(b) Eigener Lösungsansatz
Ein alternativer, eigener Lösungsansatz dieser Abgrenzungsfrage mag in
der bereits an anderer Stelle bewährten Wesensgehaltsgarantie des Art. 19
Abs. 2 GG liegen. Diesem Ansatz zufolge, begründet der Wesensgehalt
615
Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 99f..
Zu dessen römisch Quellen, Schiemann, JuS 1989, S. 345ff..
617 So Isensee, Grundrechte, Rn. 103f..
618 So auch Isensee, a.a.O., Rn. 103.
616
136
diejenige Schwelle, deren Überschreiten durch einen privaten Dritten den
verfassungsrechtlichen Schutzauftrag des Gesetzgebers zur Wahrung
grundrechtlich verbürgter Freiheiten auslöst. Begründen lässt sich dieser
Ansatz wie folgt:
Wenn die Wesensgehaltsgarantie eine absolute619, jedenfalls aber die am
schwersten zu überwindende verfassungsrechtliche Grenze für staatliche
Eingriffe in Grundrechte zieht, dann muss dies im Falle privater Eingriffe in
grundrechtlich geschützte Freiheiten die bereits bejahte grundsätzliche
Schutzpflicht des Gesetzgebers auf den Plan rufen620. Die Grenze, die Art.
19 Abs. 2 GG im funktionellen Bereich der Grundrechte als Abwehrrechte
unmittelbar zu Lasten des Staates zieht, kann im Bereich der Funktion der
Grundrechte als staatliche Schutzpflicht nur dann Geltung beanspruchen,
wenn sie an das Überschreiten dieser Grenze durch Private einen
gesetzgeberischen Regelungsauftrag knüpft. Denn der Private ist keiner
unmittelbaren Grundrechtsbindung unterworfen, folglich auch nicht der
Wesensgehaltsgarantie. Der dem Schutzgebotsgedanken der Grundrechte
entspringende
gesetzgeberische
Grundrechtsgewährleistungsauftrag621
kann aber nur dann effektiv gewährleistet werden, wenn das Grundgesetz
eine konkrete Grenzlinie vorgibt, deren Überschreiten durch Private den
ausgleichend regelnden Gesetzgeber zwingend auf den Plan ruft. Die
Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG kennzeichnet im funktionalen
Bereich der Grundrechte als gesetzgeberische Schutzgebote demnach das
auslösende Moment für den gesetzgeberischen Regelungsauftrag zum
verhältnismäßigen Ausgleich der betroffenen grundrechtlich geschützten
Interessen622. Die Gewährleistungsfunktion der Wesensgehaltsgarantie im
Hinblick auf den wesentlichen Bestand der Grundrechtsordnung bedingt
also
im
Bereich
von
Grundrechtskollisionen
infolge
privater
619
Bereits über die Einordnung als absolute oder nur relative Schrankennorm gehen die
Meinungen auseinander, vgl. Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 19 I – III, Rn. 53; Stern,
Grundrechte, Bd. 2, § 85, III, 2, a), α).
620 Hierbei wird nur die Frage beantwortet, ob überhaupt eine Pflicht des Gesetzgebers zum
Tätigwerden besteht. Wie er dieser Pflicht dann im Einzelfall nachzukommen hat, ergibt
sich bereits aus den Ausführungen oben unter 2. b).
621 Dazu oben unter 1..
622 In diesem Sinne letztlich auch Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 132;
Münch/Kunig – Krebs, Art. 19, Rn. 26; Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 19 I – III, Rn. 60;
so wohl auch Klein, NJW 1989, S. 1638.
137
Grundrechtsausübung deren zwingende Auflösung durch den Privatrecht
kodifizierenden Gesetzgeber.
bb) Drohender Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit?
Es stellt sich somit die Frage, ob im Rahmen der rechtlichen oder
tatsächlichen Ausgestaltung privater Vervielfältigungsfreiheit ein Eingriff in
den Wesensgehalt der
Informationsfreiheit der Werknutzer durch die
Urheber überhaupt denkbar ist. Nur in diesem Falle ergibt sich nach dem
Ausgeführten
die
Lebenssachverhalt
Pflicht
zum
des
Gesetzgebers
Zwecke
der
regelnd
in
diesen
Berücksichtigung
der
Informationsfreiheit einzugreifen.
(a) Wesensgehalt der Informationsfreiheit
Zweckmäßigerweise ist zur Beurteilung dieser Frage zunächst zu klären,
was den Wesensgehalt der Informationsfreiheit eigentlich ausmacht.
Art. 19 Abs. 2 GG dient der materiellen Sicherung der Grundrechte und soll
diese
vor
der
Schutzbereichs
Aushöhlung
eines
bewahren623.
Grundrechts
und
Jede
jede
Beschränkung
Relativierung
des
seines
Garantiegehalts muss sich an dieser Schranke messen lassen624.
Über die inhaltliche Reichweite der Wesensgehaltsgarantie besteht keine
Einigkeit, was schon angesichts der vagen Begrifflichkeit des „Wesens“625
der Grundrechte nicht weiter erstaunt626. Es soll auch im Rahmen der
vorliegenden Untersuchung nicht versucht werden, diese Frage einer
Klärung zuzuführen, da sie für den Untersuchungsgegenstand ohne Belang
ist.
Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 112.
Vgl. dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, II: Mit dieser Vorschrift sollte nach dem Willen
der Verfassungsväter ein „Leerlaufen“ der Grundrechte, also die Durchbrechung und
Aushöhlung der Grundrechte durch den Gesetzgeber, wie dies unter Geltung der Weimarer
Reichsverfassung bekannt war, verhindert werden.
625 Vgl. dazu den häufig angeführten Satz Luhmanns „Das Wesen des Wesens ist
unbekannt.“, zitiert nach Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 29, Fn. 106;
Mangoldt/Klein/Starck – Huber, Art. 19, Rn. 138, Fn. 78.
626 Eine Übersicht über den derzeitigen Stand der Diskussion gibt Mangoldt/Klein/Starck –
Huber, Art. 19, Rn. 138ff.; Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, III, 2, c); fundiert auch
Maunz/Dürig – Maunz, Art. 19 Abs. II, Rn. 6ff..
623
624
138
Weitgehend Einigkeit besteht indes dahingehend, dass die Bestimmung des
Wesensgehalts für jedes Grundrecht gesondert vorzunehmen ist, es also
einen
jeweils
grundrechtsspezifischen
Wesensgehalt
gibt627.
Der
Wesensgehalt des jeweiligen Grundrechts mag umschrieben werden mit
den Begriffen Kernbestandteil, Substanz oder typusbestimmender Teil628.
Kurz: Der Wesengehalt bezeichnet die für das jeweilige Grundrecht
typischen Züge, seine charakteristischen Besonderheiten, diejenigen
Merkmale, bei deren Fehlen es nicht mehr gerechtfertigt ist, von einem
Grundrecht
dieses
Namens
und
Typs
zu
sprechen629.
Diese
identitätsbegründenden Merkmale wiederum lassen sich nicht abstrakt
festlegen, sondern wollen für jedes Grundrecht gesondert ermittelt werden.
Dabei spielen eine Reihe verschiedener Faktoren eine Rolle, welche über
das sonst übliche juristische Auslegungsinstrumentarium hinausgehen630.
So
sind
neben
dem
Telos
einer
Grundrechtsnorm
auch
deren
geschichtlich-soziale Verankerung631, deren historische Entwicklung sowie
ihr Rang und ihre jeweilige Funktion im grundrechtlichen Gesamtgefüge 632
von ausschlaggebender Bedeutung.
(b) Gefährdung des Wesensgehalts der Informationsfreiheit
Im Bereich privater Vervielfältigungstätigkeit privater Werke stellt sich die
Gefährdung633 des Wesensgehalts der Informationsfreiheit der Werknutzer
durch den Urheber wie folgt dar:
In konsequenter Fortführung der verfassungsrechtlichen Einordnung des
urheberrechtlich geschützten Werkes als geistiges Eigentum im Sinne des
Art. 14 GG gestaltet das geltende Urheberrecht das Recht des Urhebers an
seinem Werk grundsätzlich als absolutes Ausschließlichkeitsrecht634 aus.
627
Vgl. BVerfGE 22, 180 (219); Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 29.
So Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, III, 2, c), γ), αα).
629 Stern, a.a.O..
630 Umbach/Clemens – Roellecke, Art. 19 I – III, Rn. 58.
631 Lerche, Grundrechte, Rn. 32.
632 Vgl. BVerfGE 1, 167 (178).
633 Es ist an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass es für die Annahme einer
grundrechtlichen Schutzpflicht lediglich auf das abstrakte Gefährdungspotenzial des
denkbaren Grundrechtseingriffs von Seiten Privater ankommt. Dabei sind alle nur
denkbaren Gefährdungstatbestände mit in die Überlegung einzubeziehen. Vgl. Klein, NJW
1989, S. 1637; BVerfGE 49, 89 (142).
634 Schricker – Schricker, Einl., Rn. 18.
628
139
Die damit verbundene rechtliche Herrschaft über das Werk verschafft dem
Urheber die Möglichkeit, Dritte von jeder Art der Einwirkung auf dieses
Recht auszuschließen635. Auf den zu privaten Zwecken Vervielfältigenden
gewendet bedeutet dies: Wenn der Gesetzgeber keine Regelung schafft,
welche dem Werknutzer die private Vervielfältigung ausdrücklich erlaubt,
dann steht es dem Urheber jederzeit zu, diese Tätigkeit dem Werknutzer in
Gänze
zu
verbieten.
Eine
uneingeschränkte
Ausgestaltung
des
Vervielfältigungsrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht zugunsten
des Urhebers machte die Ausübung von Informationsfreiheit durch den
Werknutzer also unmöglich.
Diese rechtliche Gefährdungslage wird ergänzt durch die tatsächliche
Gefährdung der Informationsfreiheit der Werknutzer durch die dem Urheber
zum Schutze seiner Werke zur Verfügung stehenden technischen Mittel636.
Diese
ermöglichen
es
dem
Urheber
seine
Werke
vor
jeglicher
Vervielfältigung mittels Kopierschutzmechanismen etc. mehr oder minder
effektiv zu schützen, mit der Konsequenz, dass jedenfalls dem technisch
nicht besonders versierten Werknutzer jede Vervielfältigung unmöglich
gemacht wird637.
Ohne entsprechende gesetzgeberische Tätigkeit kann der Urheber dem
Werknutzer jede private Vervielfältigung demnach rechtlich untersagen wie
auch tatsächlich verhindern. Nach dem oben unter (a) ausgeführten muss
diese rechtliche wie tatsächliche Ausschließungsmöglichkeit der Urheber zu
Lasten der Werknutzer als denkbarer Eingriff in den Wesensgehalt der
Informationsfreiheit behandelt werden.
Dieser Schluss ergibt sich vor dem Hintergrund der gesteigerten
verfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der Information anhand zweier
Überlegungen.
Zum einen macht es die zunehmende Dichte und Komplexität von
Information zunehmend erforderlich, diese zu privaten Zwecken zu
vervielfältigen, da der einmalige rezeptive Werkgenuss bei weitem nicht
Vgl. Schricker – Schricker, Einl. Rn. 19.
Hierzu Geiger, Beschränkungen, 155f.; Ulmer-Eilfort, S. 285.
637 Vgl. bspw. bereits BT – Drucksache XIV/3972, S. 12: „Aus der Sicht des
Urheberrechtsschutzes bringt die Digitaltechnologie einen grundlegenden Vorteil: Private
Vervielfältigungen können zur Kontrolle oder Vergütungsabrechnung durch entsprechende
Vorrichtungen erfasst, beschränkt oder auch ausgeschlossen werden.“.
635
636
140
mehr für die adäquate Verarbeitung der nämlichen Information ausreicht.
Auch steigen mit der Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft die
Anforderungen
an
den
Einzelnen
hinsichtlich
seiner
persönlichen
Mobilität638, was ihn seinerseits in erhöhtem Maße von der Ubiquität der
Informationserlangung639 abhängig macht.
Zum zweiten bringt es die technische Entwicklung zunehmend mit sich,
dass die Vervielfältigung zur zwingenden Voraussetzung auch für den bloß
rezeptiven Werkgenuss wird640. Weiterhin ist zu bedenken, dass es in
Zukunft zu einer zunehmenden Entkopplung von urheberrechtlichem Werk
und physikalischem Werkstück kommen wird641. Wenn aber die Verbreitung
physikalischer Werkstücke abnimmt, dann erlangt die Möglichkeit der
Speicherung der flüchtigen unkörperlichen Werkinformation (und damit die
Vervielfältigung des Werkes) immer größerer Relevanz. Denn der
Werkgenuss setzt damit nicht mehr die Verfügungsmacht über das
urheberrechtliche Werkstück voraus, sondern auch und vor allem die
Herrschaft über ein bestimmtes (funktionsfähiges) Wiedergabegerät. Um
dem Werknutzer in diesen Fällen aber den Werkgenuss nachhaltig zu
ermöglichen und zu sichern, muss ihm auch die Möglichkeit eingeräumt
werden, den Werkinhalt von dem einem auf das andere Wiedergabegerät
oder auf ein haptisches Werkstück zu überspielen (also zu vervielfältigen),
Dazu grundlegend Bericht der Bundesregierung, Info 2000 – Deutschlands Weg in die
Informationsgesellschaft, BT – Drucksache, XIII/4000. Vgl. bspw. S. 19 ebenda: „Im Zuge
dieser Entwicklung [dem Wandel zur Informationsgesellschaft] werden sich voraussichtlich
auch die Arbeits- und Produktionsbedingungen wandeln. Vor allem die Möglichkeiten der
Telekooperation unterstützen die räumliche und zeitliche Trennung sowie die
Dezentralisierung von Arbeits- und Produktionsprozessen.“.
639 Voraussetzung zur Erreichung dieser Ubiquität von Informationserlangung ist deren
Vervielfältigung.
640 Diese Feststellung ist notwendige Folge der durch die Digitalisierung erzielten
Übermittlung von Werkinhalten auf unkörperlichem Wege. Da aber nur die verkörperte
Information den menschlichen Sinnen wahrnehmbar ist, müssen diese unkörperlichen
Informationen zu einem sinnlich wahrnehmbaren Werk „verkörpert“ werden, was jedenfalls
deren einmalige (jede Form der Verkörperung eines urheberrechtlichen Werkes - und sei
es ihre erstmalige, wie sich im Umkehrschluss aus § 53 Abs. 7 UrhG ergibt - stellt eine
Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinne dar, vgl. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn.
13) Vervielfältigung erforderlich macht. Vgl. zu dieser grundsätzlichen technisch bedingten
„Verschiebung“ der Vervielfältigung in der Vermittlungskette urheberrechtlicher Werke,
Schaefer, Vervielfältigungsrecht, S. 193f.. Dieser folgert, a.a.O., S. 202, hieraus, dass die
Privatkopie sei (auch im digitalen Bereich) ganzheitlich zu verbieten sei.
641 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Mai 2005, S. 33: „…noch sind die
physischen Tonträger in der Überzahl. Aber schon in drei Jahren wird nach seriösen
Schätzungen der Anteil nichtphysischer Tonträger fünfundzwanzig Prozent betragen, ein
Jahr später jedes zweite Handy den geschilderten Bedürfnissen technisch gewachsen sein
und entsprechend eingesetzt werden. Wer soll dann noch Tonträger kaufen […]?“
638
141
wenn
er
beispielsweise
ein
Neugerät
angeschafft
hat
oder
das
ursprüngliche Gerät einen technischen Defekt aufweist.
Berücksichtigt man diese Bedeutung der Vervielfältigung gerade im digitalen
Kontext,
bleibt
angesichts
der
fortschreitenden
Digitalisierung
des
Informationsmarktes von der Informationsfreiheit des Einzelnen nicht viel
übrig, wenn diesem die Vervielfältigung nicht ermöglicht wird. Denn die
Vervielfältigung von Information ist angesichts der technischen Entwicklung
wie auch des gesamtgesellschaftlichen Bedeutungswandels der Ware
„Information“ zunehmend
identisch mit der bloßen
Aufnahme
von
Information.
Es ist demnach davon auszugehen, dass faktische wie rechtliche
Ausschließungsmöglichkeiten privater Vervielfältigungstätigkeit durch den
Urheber die Informationsfreiheit der Werknutzer in ihrem Wesensgehalt
berühren können. Wenn aber ein Eingriff in den Wesensgehalt der
Informationsfreiheit zu befürchten steht, dann muss entsprechend den oben
angestellten
Gesetzgeber
Überlegungen
ein
davon
ausgegangen
verfassungsrechtlicher
werden,
Schutzauftrag
dass
trifft,
den
diese
Grundrechtskollision im Wege des verhältnismäßigen Schutzes aller
betroffenen Grundrechte aufzulösen642.
c) Abhilfemöglichkeiten der Werknutzer
Letzte Voraussetzung für die positive Annahme einer grundrechtlichen
Schutzpflicht
im
Rahmen
privater
Vervielfältigungsmöglichkeiten
urheberrechtlich geschützter Werke ist die fehlende Abwehrmöglichkeit der
Werknutzer,
die
drohenden
Eingriffe
in
die
ihnen
zustehende
Informationsfreiheit aus eigener Kraft abzuwenden643. Dies ist schon im
Begriff einer „Schutzpflicht“ angelegt: Nur dort, wo überhaupt Schutz
642
Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilt, dann ist der Gesetzgeber nach wie vor
verpflichtet, die Informationsfreiheit der Werknutzer als abwägungserhebliche Belange zu
berücksichtigen. Denn die gesetzgeberische Ausgestaltung des Urheberrechts zum
Zwecke der Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit fällt - wie oben unter Teil 2, B.
gezeigt - unter den gesetzgeberischen Gestaltungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Der
Verfassungsauftrag zur Ausgestaltung des Eigentums verlangt indes die Berücksichtigung
aller verfassungsrechtlich berührten Belange im Rahmen der Findung von Inhalts- und
Schrankenbestimmungen geistigen Eigentums.
643 Isensee, Grundrecht, Rn. 90.
142
erforderlich ist, kann auch von einem entsprechenden Auftrag oder gar einer
Pflicht die Rede sein.
Die Bedrohung der Informationsfreiheit ergibt sich nach dem Ausgeführten
auf
zweierlei
Ebenen:
Informationsfreiheit
Zum
durch
einen
die
die
rechtliche
Bedrohung
(verfassungsrechtlich
der
notwendige)
Ausgestaltung des Urheberrechts als absolutes Ausschließlichkeitsrecht mit
den damit verbundenen Konsequenzen644, zum anderen die faktische
Bedrohung durch die Möglichkeiten der Urheber zum technischen Schutz
ihrer Werke645.
So mag die faktische Bedrohung der Informationsfreiheit durch technische
Schutzmaßnahmen auf Seiten der Urheber für den ein oder anderen
technisch versierten Werknutzer noch eine geringe sein, da er sich
imstande sieht, durch entsprechende Fähigkeiten solche wie auch immer
gearteten Schutzmechanismen zu umgehen. Was aber die rechtliche
Bedrohung der Informationsfreiheit anbelangt, stehen auf Seiten der
Werknutzer keinerlei Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung. Denn wenn das
Urheberrecht auch in Bezug auf private Vervielfältigungstätigkeit als
absolutes Ausschließlichkeitsrecht ausgestaltet wird, dann kann dessen
Inhaber jeden Dritten nach eigenem Gutdünken von jeder Form der
Einwirkung ausschließen646.
Eigene Abwehrmöglichkeiten gegen den drohenden Eingriff in die
Informationsfreiheit stehen dem Werknutzer also nicht in ausreichendem
Maße zur Verfügung.
d) Ergebnis
Die Ausführungen haben gezeigt, dass dem Gesetzgeber angesichts der
Gefahren, welche der Informationsfreiheit der Werknutzer je nach
urheberrechtlicher Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit faktisch
wie rechtlich drohen, eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht erwächst, in
das privatrechtliche Verhältnis zwischen privat Vervielfältigenden und
644
Vgl. dazu oben unter bb) (b).
Vgl. dazu oben unter bb) (b).
646 Schricker – Schricker, Einl., Rn. 19.
645
143
Urhebern regelnd einzugreifen. Auf welche Art er diesem Schutzauftrag
nachzukommen hat, ist damit freilich noch nicht geklärt.
IV. Zusammenfassung
Der Schutzbereich der Informationsfreiheit ist zur Gewährleistung eines
möglichst umfassenden Grundrechtsschutzes in einem weiten Sinne zu
verstehen. „Allgemein zugängliche Quellen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2
HS.
2
GG
sind
demnach auch
solche,
welche
mit technischen
Zugangssperren - seien dies Kopierschutzsysteme, DRM-Systeme oder
andere - versehen sind. Für diese Einordnung ist auch nicht von Bedeutung,
ob es sich um Informationsquellen aus staatlicher oder privater Hand
handelt. Denn der Schutzbereich der Informationsfreiheit ist im Verhältnis
der Bürger untereinander in demselben Sinne zu verstehen wie im
Verhältnis des Bürgers zum Staat.
Obwohl die Informationsfreiheit die „ungehinderte“ Informationserlangung
des Einzelnen auch im reinen Privatrechtsverkehr garantieren soll, stellt
dies
die
grundsätzliche
Möglichkeit
privater
Informierender
die
Informationserlangung selbst kostenpflichtig auszugestalten nicht in Frage.
Die Konsequenz, die sich für den privatrechtskodifizierenden Gesetzgeber
für den Bereich der privaten Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter
Werke hieraus ergibt, ist die folgende:
Den Grundrechten wohnt neben ihrem abwehrrechtlichen Charakter ein
gleichrangiger Schutzauftrag inne, demzufolge der einfache Gesetzgeber
verpflichtet ist, auch im Verhältnis der Privaten untereinander durch die
Mittel des Privatrechts für eine bestmögliche Entfaltung grundrechtlich
geschützter Freiheiten zu sorgen. Wo diese Freiheit durch Eingriffe von
privater Hand zu einseitig gefährdet ist, muss der Gesetzgeber regelnd
eingreifen.
Das auslösende Moment für diesen grundrechtlichen Schutzauftrag
bestimmt sich nach der Stellung des bedrohten Schutzobjekts im
Gesamtgefüge
der
Verfassung,
nach
der
Qualität
des
aktuellen
Gefährdungspotentials durch den drohenden Eingriff von privater Seite
sowie nach der Möglichkeit des Grundrechtsinhabers dieser Gefährdung
144
des ihm gewährten Freiheitsgrundrechts kraft eigener Bemühung Herr zu
werden. Diese Schwelle ist für den Fall der Informationsfreiheit in Bezug auf
die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zum privaten
Gebrauch überschritten. Denn zum einen macht die technische und die
damit einhergehende umwälzende gesellschaftliche Entwicklung im Bereich
der Informationstechnik eine neue verfassungsrechtliche Bewertung des
Schutzguts „Information“ und damit der Informationsfreiheit erforderlich.
Ergänzt wird dieser Befund dadurch, dass durch die rechtlichen wie
technischen Möglichkeiten der Urheber zum Schutz ihrer geistigen Werke
ein Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit der Werknutzer zu
befürchten steht. Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG bildet
indes die Schwelle, deren Überschreiten durch die Freiheitsausübung
Privater zulasten anderer den schutzgebotsverpflichteten Gesetzgeber
zwingend auf den Plan ruft, um für einen verfassungsgemäßen Ausgleich
der so kollidierenden verfassungsrechtlich geschützten Interessen der
betroffenen Privaten zu sorgen.
Wenngleich an dieser Stelle also eine verfassungsrechtliche Pflicht des
Gesetzgebers
zum
Ausgleich
zwischen
den
verfassungsrechtlich
geschützten Interessen der Urheber auf der einen und der Interessen der
Werknutzer, wie sie sich aus der Informationsfreiheit ergeben, auf der
anderen Seite bejaht werden muss, so gibt das Grundgesetz doch kein
starres Ergebnis vor, wie dieser Ausgleich inhaltlich ausgestaltet werden
müsse.
Solange
nur
die
verfassungsimmanenten
Vorgaben
einer
verhältnismäßigen Abwägung zwischen den beteiligten verfassungsrechtlich
relevanten Interessen beachtet werden, steht das konkrete Ergebnis dieses
Abwägungsvorgangs im Ermessen des Gesetzgebers.
B. Der Schutz der Schrankenbegünstigten durch den grundrechtlichen
Schutz der Privatsphäre
Inwieweit private Vervielfältigungstätigkeit und damit verbundene Urheberund Werknutzerpositionen überhaupt die Privatsphäre der Werknutzer
145
berühren können, erschließt sich nicht auf den ersten Blick 647. In der Tat
lässt die bloße rechtliche Ausgestaltung von Urheberrechten - wie auch
immer diese aussehen mag - die Privatsphäre zunächst unberührt.
Hingegen sind es die aus der möglichen rechtlichen Ausgestaltung
folgenden tatsächlichen Konsequenzen, welche die genauere Untersuchung
des
grundrechtlichen
Schutzes
der
Privatsphäre
des
Werknutzers
erforderlich machen.
Im Bereich digitaler Werke werfen die technischen Möglichkeiten, welche
das sog. „Digital Rights Management“ (kurz: DRM) dem Urheber bzw.
Rechteinhaber zum Zwecke der elektronischen Erfassung und Speicherung
privater
Nutzungsvorgänge
verfassungsrechtlichen
bietet648,
die
Rechtfertigung
der
Frage
damit
nach
der
verbundenen
Bedrohungen des grundrechtlich verbürgten Schutzes der Privatsphäre der
Werknutzer auf649.
Es soll im folgenden versucht werden, den grundrechtlichen Schutz der
Privatsphäre der Werknutzer darzustellen, um sodann auf die von Seiten
der Urheber (bzw. Rechteinhaber) drohenden Eingriffe in die Privatsphäre
der
Werknutzer
einzugehen
verfassungsrechtlichen
und
Konsequenzen
die
an
sich
den
hieraus
ergebenden
Urhebergesetzgeber
herauszuarbeiten.
647
So finden sich hierzu beispielsweise keine Ausführungen bei Geerlings, GRUR 2004, S.
207ff., ebenso wenig bei Lindhorst, S. 144ff., gleichwohl sich diese mit der
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der urheberrechtlichen Regelungen zur privaten
Vervielfältigung befassen.
648 Überblick dazu bei Lindhorst, S. 35f.; Böhle, Technikfolgenabschätzung – Theorie und
Praxis 2004, S. 98ff. (abrufbar unter www.itas.fzk.de/tatup/041/boeh04a.htm, abgerufen am
11.11.2004); Schippan, ZUM 2004, S. 189f.; Arlt, GRUR 2004, S. 548f.; umfassend
Bechtold, Informationsrecht, S. 19ff..
649 Vgl. bspw. Bygrave, S. 418: „This tension [between enforcement of intellectual property
rights and the maintenance of consumer privacy] […] arises from a push by the holders of
intellectual property rights (an their intermediaries) to secure their interests by utilising
DRMS with the potential to facilitate an unprecedented degree of surveillance of
consumers’ reading, listening, viewing and browsing habits.“; Hohagen, S. 298f.; vgl. weiter
bspw. die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom
24.10.2002, welche zur Frage der Verwendung von DRM-Systemen zur Kontrolle privater
Vervielfältigung Stellung bezieht (abrufbar unter http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/
detail.phd?id=79793&template=druck_presse am 11.11.2004):
„Das gegenwärtig
praktizierte Verfahren der Pauschalvergütung beruht darauf, dass der Bundesgerichtshof
eine individuelle Überprüfung des Einsatzes analoger Kopiertechniken durch
Privatpersonen zur Durchsetzung von urheberrechtlichen Vergütungsansprüchen als
unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der persönlichen Freiheitsrechte der
Nutzerinnen und Nutzer bezeichnet hat. Diese Feststellung behält auch unter den
Bedingungen der Digitaltechnik und des Internets ihre Berechtigung. Die
Datenschutzkonferenz
bestärkt
den
Gesetzgeber,
an
diesem
bewährten
datenschutzfreundlichen Verfahren festzuhalten.“.
146
I. Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre
Die Privatsphäre als solche findet in den Grundrechten des Grundgesetzes
keine ausdrückliche Berücksichtigung650. Stattdessen wird der Schutz der
Privatsphäre dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG entnommen651.
Speziellen Schutz erfährt die Privatsphäre hingegen durch die Art. 10 und
13 GG652, auf die in der vorliegenden Untersuchung aber nicht weiter
eingegangen werden soll: Denn die hier in Frage stehende Gefährdung
grundrechtlich verbürgter Freiheiten zugunsten der Werknutzer bezieht sich
weder auf das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG, welches nur die
Vertraulichkeit
der
Fernmeldekommunikation
gegen
unbefugte
Kenntnisnahme Dritter schützt653, noch auf den Schutz der Unverletzlichkeit
der Wohnung nach Art. 13 GG, welche den umfassenden Schutz einer
räumlichen Privatsphäre als Mittelpunkt der Entfaltung der Persönlichkeit
garantieren will654.
1.
Sachlicher
Schutzbereich
des
Rechts
auf
informationelle
Selbstbestimmung
650
Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 2.
So grundlegend BGHZ 13, 334 (337f.); diese Anerkennung eines verfassungsrechtlich
garantierten Persönlichkeitsrechts als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB
fand
seine
Bestätigung
durch
die
grundlegenden
Entscheidungen
des
Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 34, 269ff.; 35, 202ff..
652 Dazu Schmitt Glaeser, Rn. 3ff..
653 Mangoldt/Klein/Starck – Gusy, Art. 10, Rn. 45; vgl. auch Münch/Kunig – Löwer, Art. 10,
Rn. 22. Denn die hier in Frage stehende Informationssammlung und -verarbeitung im
Rahmen der online-Nutzung digitaler Werke durch Rechteverwerter oder Urheber stellt
keinen Fall der Kenntnisnahme durch Dritte dar - die genannten Personengruppen sind am
Kommunikationsprozess ebenso beteiligt wie der Werknutzer selbst - noch eine unbefugte
Kenntnisnahme, da die zu untersuchende Datenverarbeitung durch die Rechteinhabe mit
dem Einverständnis aller am Kommunikationsverkehr Beteiligten erfolgt.
654 So auch Peukert, ZUM 2003, S. 1052f.; vgl. dazu auch BVerfGE 89, 1 (9, 12). Denn
moderne technische Möglichkeiten zur Kontrolle privater Vervielfältigung mittels DRM
knüpfen infolge der online-Verbindung zwischen Werknutzer und Urheber bzw.
Rechteverwerter gerade nicht an eine Kontrolle dieser Vorgänge im räumlichen Bereich der
Wohnung des Werknutzers an. Vgl. dazu aber die Überlegungen in BGH GRUR 1965, S.
107f. (bestätigt in BVerfGE 31, 255 (267f.), in welcher es um die Kontrolle der privaten
Vervielfältigung mittels der damals aufkommenden Magnettongeräte ging. Im Gegensatz zu
den heutigen Möglichkeiten hatte damals die „Art der Verwendung der Geräte nur an Ort
und Stelle festgestellt werden“ können (BGH, a.a.O.); ein Problem, das heute jedenfalls im
diskutierten Bereich von DRM-Systemen nicht mehr besteht.
651
147
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gewissermaßen zwischen Art. 2
Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG angesiedelt ist, gewährleistet nach dem
Bundesverfassungsgericht die „engere persönliche Lebenssphäre und die
Erhaltung ihrer Grundbedingungen“655, schützt also die private Sphäre als
nach eigenem Gutdünken zu gestaltende Handlungssphäre656. Seiner
richterrechtlichen Herkunft entsprechend, umschreiben allerdings auch die
„bisherigen Konkretisierungen durch die Rechtsprechung […] den Inhalt des
Persönlichkeitsrechts nicht abschließend“657. Stattdessen wurde und wird
das
allgemeine
Persönlichkeitsrecht
kasuistisch
heraus-
und
weitergebildet658. Auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil659 das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt und in der Folgezeit
weiter konkretisiert660.
Dem Gedanken der freien Selbstbestimmung des Menschen als Glied einer
freien Gesellschaft folgend, bestimmt das Bundesverfassungsgericht das
Recht der informationellen Selbstbestimmung als die Befugnis des
Einzelnen, „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb
welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“661.
Eine Bedrohung dieses Rechts erkennt das Gericht durch die Möglichkeiten
der
modernen
Datenverarbeitung:
Denn
mit
deren
Hilfe
seien
„Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren Person (personenbezogene Daten […])
technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und jederzeit ohne Rücksicht
auf Entfernungen in sekundenschnelle abrufbar“662. Hinzu komme, dass
solche personenbezogenen Daten „vor allem beim Aufbau integrierter
655
BVerfGE 54, 148 (153).
Vgl. Münch/Kunig – Kunig, Art. 2, Rn. 32f. m.w.N..
657 BVerfGE 65, 1 (41).
658 Vgl. Münch/Kunig – Kunig, Art. 2, Rn. 31; Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 28 je
m.w.N.; so auch ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht, demzufolge der Inhalt des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht „abschließend umschrieben, sondern seine
Ausprägungen jeweils an Hand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet“ wird,
BVerfGE 54, 148 (153f.).
659 BVerfGE 65, 1ff.; dazu Simitis, NJW 1984, S. 399f.; Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 7 spricht
insoweit von der „Bergpredigt des Datenschutzes“.
660 Vgl. bspw. BVerfGE 77, 1 (47); 84, 239 (279). Weiterführende Hinweise zur Diskussion
der Bestimmung und Herleitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der
Literatur finden sich bei Schmitz, Informationelle Selbstbestimmung, S. 8, Fn. 27, 31.
661 BVerfGE 65, 1 (42) m.w.N..
662 BVerfGE, a.a.O..
656
148
Informationssysteme […] mit anderen Datensammlungen zu einem teilweise
oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden
[könnten], ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit oder Verwendung
zureichend kontrollieren [könne]“663. Als Gefahr für die grundrechtlich
geschützte Möglichkeit der freien Selbstbestimmung erkennt das Gericht
diese Auswirkung moderner Datenverarbeitung deshalb, weil es für den
Einzelnen nicht mehr erkennbar sei, welche Informationen über ihn wie und
an welcher Stelle registriert seien und er infolge dieser Unsicherheit auf die
Ausübung von Grundrechten verzichte, er jedenfalls insoweit gehemmt
werde664. Denn: „Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann,
welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner
sozialen
Umwelt
bekannt
sind,
und
wer
das
Wissen
möglicher
Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in
seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung
zu planen oder zu entscheiden.“665.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umschreibt demnach ein
grundrechtlich verbürgtes Recht auf Selbstdarstellung des Menschen
gegenüber seiner Umwelt entsprechend seinen eigenen Vorstellungen 666; er
soll letztlich darüber jedenfalls mitbestimmen können, anhand welcher
personenbezogenen Informationen und auf welche Weise sich seine
Umwelt ein „Bild“ von ihm machen kann. Es geht also an dieser Stelle nicht
darum, dass in die (anderweitig geschützte) Privatsphäre eingedrungen
würde, sondern dass mittels wie auch immer erlangter personenbezogener
Information von dem betroffenen Grundrechtsträger ein soziales oder
personales Profil erstellt wird, von dem dieser nichts weiß und/oder seinen
eigenen Vorstellungen hiervon nicht entspricht und er (infolgedessen) keine
Möglichkeit hat, dieses Profil seinen eigenen Vorstellungen entsprechend zu
beeinflussen. Entscheidend für den Schutzbereich der informationellen
663
BVerfGE, a.a.O..
In diesem Sinne auch Simitis, NJW 1984, S. 400 m.w.N.; Knott, S. 47.
665 BVerfGE, a.a.O. (43). Diese Gefahr der modernen Datenverarbeitung zeigt bereits
deutlich Schmidt, JZ 1974, S. 241f..
666 Grundlegend dazu bereits BVerfE 35, 202 (220), wonach jedermann „grundsätzlich
selbst und alleine bestimmen darf, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder
bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen“. Dazu auch Schmitt
Glaeser, Privatsphäre, Rn. 31, 77ff..
664
149
Selbstbestimmung ist also die Art und Weise der Informationsbehandlung,
nicht hingegen wie diese Informationen gewonnen werden667.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in dem Sinne zu
verstehen, dass der Einzelne infolge der für ihn selbst kaum mehr
übersehbaren, geschweige denn beherrschbaren Datenverarbeitung nicht
zum bloßen Informationsobjekt668 herabgewürdigt wird. Es soll vielmehr die
Freiheit
des
Einzelnen
vor
ausschließlicher
oder
teilweiser
Fremdbestimmung auch im Bereich der Selbstdarstellung mitsamt seiner
reflektorischen Folgen bewahren und schützen669.
Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung lässt
sich
folglich
grundsätzlich
zusammenfassen
als
selbst
Preisgabe
über
die
„die
Befugnis
und
des
Einzelnen,
Verwendung
seiner
persönlichen Daten zu bestimmen“670, um so „den Schutz des Einzelnen
gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe
seiner persönlichen Daten“671 zu gewährleisten.
2. Eingriff in und Schranken des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung
a) Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Die abstrakte Bestimmung des Eingriffsbegriffs in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung folgt zwangsläufig dem Schutzbereich der
informationellen
Selbstbestimmung672.
Demnach
lassen
sich
die
Anforderungen an einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung
wie folgt bestimmen:
aa) Der Eingriffsbegriff
667
Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 44.
So Simitis, NJW 1984, S. 399.
669 Vgl. Knott, S. 47; Schmitz, S. 9f..
670 BVerfGE 65, 1 (43) sowie Leitsatz Nr. 1.
671 BVerfGE, a.a.O..
672 Vgl. zur Problematik der dogmatischen Erfassung des Eingriffsbegriffs Schmitt Glaeser,
Privatsphäre, Rn. 95, insb. Fn. 303, 304.
668
150
Das
Recht
auf
informationelle
Verfügungsbefugnis
des
Selbstbestimmung
Einzelnen
umfasst
hinsichtlich
die
der
Verwendungsmöglichkeiten über personenbezogene Daten seiner selbst
zum Zwecke des Erhalts der Möglichkeit der eigenverantwortlichen
Selbstdarstellung, um dadurch nicht in seiner Verhaltensfreiheit durch die
eigene „Informationsverunsicherung“673 beeinträchtigt zu werden.
Entsprechend kommt bereits die bloße Datenerhebung als solche
grundsätzlich674 nicht als Eingriff in Betracht675: Denn insoweit besteht keine
hemmende Ungewissheit des Grundrechtsinhabers darüber, welches
Persönlichkeitsbild sich denn nun beim Erhebenden über ihn manifestiert.
Anders hingegen die Datenverarbeitung, also die Erhebung (zu den folgend
genannten
Zwecken),
Speicherung,
Verwendung
und
Weitergabe
personenbezogener Daten676. Die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten
mittels moderner elektronische Datenverarbeitung können zu den oben
beschriebenen
Folgen
für
das
Recht
zur
Selbstdarstellung
gegenüber
Dritten
führen:
Verwendungsart
personenbezogener
Daten
eigenverantwortlichen
Inhaberschaft
sind
für
und
den
Grundrechtsinhaber nicht mehr überschaubar, es kommt folglich zu jener
befürchteten (und zu vermeidenden) „Informationsverunsicherung“.
bb) DRM-Systeme als Eingriff
Eine
Schwierigkeit
bei
der
verfassungsrechtlichen
Beurteilung
von
DRM-Systemen besteht schon darin, dass eine allgemein anerkannte
Definition des Begriffs „Digital Rights Management“ bis dato nicht
existiert677.
673
So Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 97.
Anders nur die Zwangs- oder heimliche Datenerhebung, da auch hier dem
Grundrechtsinhaber die „Selbstdarstellungsbefugnis“ aus den Händen genommen ist.
675 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 96.
676 Vgl. BVerfGE 65, 1 (43); Knott, S. 49f.
677 Was Folge der bis dato nicht abgeschlossenen technischen Entwicklung in diesem
Bereich ist, vgl. Bechtold, S.20; Bygrave, S. 421. Vgl. auch Bericht des Standing Commitee
on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2,
abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp, am 14. April 2005), S. 4: „From a
functional perspective, DRM means many things for many people.“.
674
151
Allgemein
gesprochen
stellen
DRM-Systeme
elektronische
Vertriebssysteme für digitale Inhalte dar678. Diese sollen die sichere
Verbreitung und Verwertung digitaler Inhalte im Online-Bereich (bspw. über
Internet, Datenträger wie CD, DVD, mobile Abspielgeräte wie der sog. iPod
der Firma Apple) garantieren. Daneben ermöglichen sie eine effiziente
Rechteverwaltung
und
eröffnen
so
für
digitale
Inhalte
neue
Geschäftmodelle. Hierfür bedienen sich DRM-Systeme unterschiedlicher
Schutzsysteme wie bspw. der Verschlüsselung, Kopierschutzmechanismen
oder digitaler Wasserzeichen679. In ihrer schwächsten Form verhindern oder
erschweren DRM-Systeme den Zugang oder die Nutzung der (technisch
und urheberrechtlich) geschützten Werke680, in ihrer stärksten Form
erlauben solche Systeme im Wege des Onlinevertriebs
Kontrolle
der
Nutzung
-
welche
die
die individuelle
Identifizierung
des
Nutzers
unausweichlich macht - entsprechend dem jeweiligen Nutzerverhalten681.
So ist für die Anwendung von DRM-Systemen in ihrer stärksten Form,
welche die kontrollierte Nutzung urheberrechtlicher Werke ermöglichen
sollen682, jedenfalls die Speicherung und personenbezogene Zuordnung von
Nutzerdaten (bspw. welches urheberrechtlich geschützte Werk wurde von
welchem Nutzer verwendet, Art und Häufigkeit dieser Nutzung, Adress- und
Bankdaten
zur
Abwicklung
des
Zahlungsverkehrs683),
also
deren
Verarbeitung zwingend684.
678
Vgl. Schippan, ZUM 2004, S. 190; in diesem Sinne auch Bechtold, S. 20; ebenso Institut
für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, Abteilung Information Engineering unter
www.ie.iwi.unibe.ch/forschung/drm/ (abgerufen am 14. April 2005).
679
Zu
den
technischen
Grundlagen
umfassend
Beiträge
bei
Becker/Buhse/Günnewig/Rump, S. 26ff..
680 Vgl. Arlt, GRUR 2004, S. 549; zur den technischen Grundlage: Bechtold, S. 23ff..
681 Vgl. Arlt, GRUR 2004, S. 549; Hess, S. 15ff.; zur technischen Grundlage: Bechtold, S.
36ff., S. 69ff.; vgl. auch die verschiedenen Szenarien bei Guth, S. 154ff..
682 Schippan, ZUM 2004, S. 190; Hess, S. 16.
683 Dazu Schippan, a.a.O.; Arlt, GRUR 2004, S. 549; angedeutet nur bei Peukert, ZUM
2003, S. 1053.
684
In aller Deutlichkeit zu dieser Bedrohung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung Erwägungsgrund (57) zur Info-RL 2001/29/EG: „Die genannten
Informationssysteme für die Wahrnehmung der Rechte sind je nach Auslegung in der Lage,
gleichzeitig
personenbezogene
Daten
über
die
individuelle
Nutzung
von
Schutzgegenständen zu verarbeiten und Online-Aktivitäten nachzuvollziehen. Die
technischen Funktionen dieser Vorrichtung sollten dem Schutz der Privatsphäre […]
gerecht werden.“; so auch Bygrave, S. 421; Bechtold, Digital Rights Management, S. 617
m.w.N.. Vgl. dazu auch Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights
der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter
www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp am 14. April 2005), S. 5: „ A fully enabled intellectual
rights management system covers the processing of all rights information for the electronic
administration of rights, sometime including contracting and personal information, to enable
152
Noch
schwerwiegendere
Auswirkungen
sind
allerdings
von
der
„Metafunktion“ der DRM-Systeme zu erwarten. So sollen sich diese nicht
nur auf die reine Kontrolle der Nutzung urheberrechtlicher Werke zum
Schutze urheberrechtlicher Vergütungsansprüche beschränken. Vielmehr
können
oder
sollen
die
zwangsläufig
anfallenden
personalisierten
Metadaten hinsichtlich Werknutzer und Werknutzerverhalten zu solchen
Funktionen verwendet werden, die über eine reine Kontrolle der
Werknutzung hinausgehenden685: Aus dem Kontrollinstrument DRM zum
Zwecke
des
Implementierung
Urheberrechtsschutzes
von
besonderen,
wird
so
ein
kommerziell
Vehikel
zur
interessanten
nutzerprofilbasierten Vertriebs- und Marketingmodellen686.
Im denkbaren Anwendungsbereich von DRM-Systemen zum Schutz
urheberrechtlicher Werke687 ist demnach eine Datenverarbeitung personen-,
d.h. (werk-)nutzerbezogener Daten, welche dem unter aa) geschilderten
Eingriffsbegriff
entspricht,
jedenfalls
denkbar,
wenn
nicht
sogar
end to end rights management throughout the value chain. By its nature, DRM may require
access to commercially sensitive information (as opposed to copy information and usage
signalling). The use of such a system will enable very granular control of content, enabling
rights owner to apply sophisticated usage models.”.
685 Schon der Onlinevertriebsweg „Internet“ schafft die unweigerliche Möglichkeit zur
Erstellung von Persönlichkeitsprofilen einzelner Nutzer, vgl. Schmitz, S. 55ff. mit
zahlreichen weiteren Nachweisen.
686 Vgl. bspw. Verlagsbeilage zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. März 2005
(„CeBIT 2005“), S. B7: „In diesem Fall [der Verwendung von DRM – Systemen] ist der
Online – Vertrieb von digitalen Medien den klassischen Distributionsformen nicht mehr nur
in puncto Sicherheit überlegen. Unternehmen können auch Daten sammeln, um Vertrieb
und Marketing zu unterstützen. Adressbestände können aktualisiert, das Nutzerverhalten
und Interesse an neuen Medien analysiert werden.“ Vgl. zu dieser kommerziellen
Zecksetzung von DRM auch Böhle, Technikfolgenabschätzung 2004, S. 99. Dazu auch der
Bericht des Standing Commitee on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August
2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2, abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp, am 14.
April 2005), S. 33: “Much of the discussion around privacy management seems to focus on
the commercial value of personal information for marketing […].”; in diesem Sinne auch
Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 586; umfasssend zu den
Möglichkeiten des online-Marketing aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Wamser, S. 97ff.:
“Die indirekte Datenerhebung (über Logfiles) in Verbindung mit den Möglichkeiten der
direkten, reaktiven Datenerhebung führen im Laufe der Kundenbeziehung zu einem
qualitativ hochwertigen Kundenprofil. […] Die hieraus resultierenden individualisierten
Informations- und Leistungsangebote ermöglichen eine effektive und effiziente
Marketingkommunikation mit dem Einzelkunden auch auf Massenmärkten.” (S. 114); Hess,
S. 18f.: „Durch Kombination der technischen Schutzmaßnahmen von DRMS, den
Distributionsmöglichkeiten von P2P-Netzwerken und cleveren Anreizmechanismen erhofft
man sich attraktive Geschäftsmodelle.“; in Bezug auf, aus datenschutzrechtlicher Sicht,
vergleichbaren CRM-Systemen, Taeger, MMR 2004, S. 220f..
687 Im Bereich nichtdigitaler Werke stellt sich die Frage nach der Verletzung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung erst gar nicht. Der Erwerb solcher Werkstücke ist als
anonymes Bargeschäft möglich, auch die Art der Nutzung des Werkes lässt sich für Dritte
nicht nachvollziehen. Vgl. Bygrave, S. 419f..
153
wahrscheinlich. Diese geht - je nach Ausgestaltung - einher mit dem
drohenden Verlust der Möglichkeit eigenverantwortlicher Selbstdarstellung
und der daraus resultierenden Gefahr der bewussten oder unbewussten
Fremdbestimmung688.
DRM-Systemen
können
An
der
demnach
möglichen
keine
Eingriffsqualität
ernstzunehmenden
von
Zweifel
bestehen689.
b) Die Schranken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
Selbstredend ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht
schrankenlos gewährleistet. Denn, so das Bundesverfassungsgericht690, der
„Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten
Herrschaft über ‚seine’ Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der
sozialen Welt entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit.
Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer
Realität dar, das nicht ausschließlich dem Bertoffenen selbst zugeordnet
werden kann. Das Grundgesetz hat […] die Spannung Individuum Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit der Person
entschieden […]. Grundsätzlich muß daher der Einzelne Einschränkungen
seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden
Allgemeininteresse hinnehmen“.
Die für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden
Schranken
wurden
im
zitierten
Volkszählungsurteil
des
688
Vgl. dazu Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 577:
„Although a person cannot be prohibited from thinking as she chooses, persistent, finegrained observation subtly shapes behavior, expression, and ultimately identity. The
inexorable pressure toward conformity generated by exposure, and by loss of control over
uses of the gathered information, violates rights of self-determination by coopting them.” So
im Ergebnis auch Hohagen, S. 298f., allerdings ohne weitere Begründung.
689 So auch Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S. 580;
Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der
Artikel-29-Datenschutzgruppe
(ein
unabhängiges
EU-Beratungsgremium
in
Datenschutzfragen)vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter
www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm#
7th, abgerufen am 19. April 2005), S. 9; Hugenholtz, Digital Environment – Bygrave, S. 120
(der noch von „electronic copyright management systems“, anstelle DRM, spricht): „This
study shows that the development of electronic copyright management systems has the
potential to impinge on the privacy and related interests of purchasers/users of copyrighted
information products to an unprecedented degree.“.
690 BVerfGE 65, 1 (43f.).
154
Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet und bilden bis heute die
wesentliche dogmatische Grundlage für die Schrankenbestimmung691.
Ausgangspunkt der Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts ist dabei
die Relation zwischen Schutzbereich und Schrankenqualität. Entscheidend
für die Beurteilung der Schranken der informationellen Selbstbestimmung ist
demnach nicht die Qualität der erlangten Information, sondern vielmehr die
Art
und
Weise
der
Nutzbarkeit
und
Verwendungsmöglichkeit
der
Information692; denn auch der Schutzbereich bestimmt sich nicht nach der
Art der Information, sondern danach, wie diese Information beim
Informationsempfänger verwendet werden kann.
Grundsätzlich darf eine Beschränkung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung nur im überwiegenden Allgemeininteresse erfolgen,
wobei
eine
entsprechende
Güterabwägung
unter
Beachtung
des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefordert wird693. Insofern stellt das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung keine Besonderheiten gegenüber
anderen Grundrechten dar.
Allerdings legt das Bundesverfassungsgericht einen absolut geschützten
Bereich fest, in welchen der Eingriff auf keinen Fall mehr zulässig sein soll:
So dürfe die erhobene Information nicht zu einem „teilweisen oder
weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild“ zusammengefügt werden“694.
Komplementär spricht das Gericht an dieser Stelle695 von „einzelnen
Lebensbereichen“ (als Beispiel nennt es den „Wohnbereich“), welche im
Gegensatz zu jenem absolut geschützten Bereich einen Eingriff erlauben.
Diesseits dieser absoluten Grenze geht das Bundesverfassungsgericht von
der Beschränkbarkeit im überwiegenden Allgemeininteresse aus, wobei
weder dem Allgemeininteresse noch dem Recht auf informationelle
691
Vgl. Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 99; Knott, S. 51. So folgt bspw.
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 108ff., unausgesprochen der vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Systematik.
692 BVerfGE 65, 1 (45): „Erst wenn Klarheit darüber besteht, zu welchem Zweck Angaben
verlangt werden können und welche Verknüpfungs- und Verwendungsmöglichkeiten
bestehen, lässt sich die Frage einer zulässigen Beschränkung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung beantworten.“; in diesem Sinne auch Maunz/Dürig – Di
Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 174.
693 Vgl. BVerfGE 65, 1 (44); Knott, S. 54; Schmitt, S. 11ff.; Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2
Abs. 1, Rn. 181.
694 BVerfGE 65, 1 (42, 53) mit Verweis auf BVerfGE 27, 1 (6); vgl. auch Maunz/Dürig – Di
Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 184.
695 BVerfGE 65, 1 (53).
155
Selbstbestimmung eine grundsätzliche Vorrangstellung eingeräumt werden
kann696. Dabei differenziert das Gericht grundsätzlich zwischen solchen
personenbezogenen Daten, die „in individualisierter, nicht anonymer Form
erhoben und verarbeitet werden, und solchen, die für statistische Zwecke
bestimmt
sind“697
und
stellt
entsprechend
verschiedene
Schrankenanforderungen auf698.
II. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben
Die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im
zitierten Volkszählungsurteil erfolgte im Hinblick auf zu befürchtende
Eingriffe durch staatliche Maßnahmen, sprach also die Grundrechte in ihrer
klassischen Funktion als Abwehrrechte gegen den Staat an. Wie bereits
festgestellt, geht es aber im Rahmen der vorliegenden Untersuchung um
solche Eingriffe, die durch die Möglichkeiten des DRM zum Zwecke der
Kontrolle privater Vervielfältigungstätigkeit zu befürchten sind, mithin also
um Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von privater
Seite.
Die
Grundrechte
sind
ihrer Funktion
als Schutzpflicht
des
Gesetzgebers angesprochen699.
1.
Gefährdungspotenzial
einer
weltumspannenden
Informationsgesellschaft
Bevor darauf einzugehen ist, ob allein die technischen Möglichkeiten des
DRM eine grundrechtliche Schutzpflicht an den Gesetzgeber begründen,
das Recht der Werknutzer auf informationelle Selbstbestimmung im Wege
der Urheberrechtsgesetzgebung zu bewahren und zu schützen, soll auf das
abstrakte
Gefährdungspotenzial
Entwicklung
hin
zur
eingegangen
werden,
Informationsgesellschaft,
welches
insbesondere
die
die
Möglichkeiten des globalen Datenaustauschs via Internet, für das Recht auf
696
Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 103 m.w.N..
BVerfGE 65, 1 Leitsatz Nr. 3.
698 Dazu Maunz/Dürig – Di Fabio, Rn. 183ff.; Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 104ff.;
Schmitz, S. 13ff., 18ff..
699 Grundlegend dazu schon oben A. III. 1..
697
156
informationelle Selbstbestimmung mit sich bringen700. Denn in seiner
stärksten Form stellen DRM-Systeme besondere Online-Vertriebssysteme
urheberrechtlich geschützter und mittels DRM umfassend kontrollierter
Werke dar. Diese Sonderform des e-Commerce führt aber absehbar zu
individualbezogenen
Informationssammlungen
(angefangen
notwendigen
zur
und
Daten
Zahlungsabwicklung
den
bei
den
unweigerlich
anfallenden Daten hinsichtlich der Art des jeweils genutzten Werkes, bis hin
zur Art der Nutzung), mithin also zu einer neuen Form der Individualisierung
der Mediennutzung und damit zu neuen Schutzbedürfnissen701.
Die Benutzung des Vertriebs- und Kontrollwegs „Internet“, welches die
extensivste Form der Verwendung von DRM zwangsläufig beinhaltet702,
birgt schon aufgrund der spezifischen Eigenschaften des „World Wide Web“
folgende Gefahren für das Recht auf Selbstdarstellung mit sich:
a) Entstehung individualisierter Datenspuren
Zunächst ist das unvermeidliche Entstehen von Datenspuren zu nennen703.
Jede Nutzung des Internet ist mit der Identifikation des jeweiligen Rechners
mittels seiner sog. IP-Adresse zwangsläufig verbunden. Auch jede
Ressource im Internet besitzt eine eigene Adresse, die sog. URL. Die
Nutzung des Internet ist nur möglich, wenn IP-Adresse und die angeforderte
URL übertragen werden können704. Die somit entstehenden Datenspuren
können von allen am Kommunikationsvorgang Beteiligten gespeichert und
Allgemein dazu: Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 190; Hoffmann-Riem, AöR
123 (1998), S. 513ff.; Trute, JZ 1998, S. 822ff.; Roßnagel, ZRP 1997, S. 26ff; die
Problemstellung wird deutlich bspw. in der Stellungnahme des Sun Microsystems
Mitbegründers Scott McNealy zur Positionierung der Privatsphäre im Internet: „You don’t
have any privacy anyway. Get over it.“, zitiert nach Hornung, MMR 2004, S. 7, Fn. 59.
701 Vgl. Trute, JZ 1997, S. 824 m.w.N; die Gefahrenlage für die Privatsphäre durch die
Verwendung von DRM – Systemen wird auch benannt im Bericht des Standing Commitee
on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2,
abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp am 14. April 2005), S.33.
702 DRM – Systeme sind in jeder Nutzung, die über die reine Kopiersperre hinausgeht, auf
Interaktivität zwischen Werknutzer und Werkvermittler (bzw. Urheber) und damit auf die
Nutzung des Internet angewiesen. Vgl. dazu Szenarien im Bericht des Standing Commitee
on Copyright and related Rights der WIPO vom 1. August 2003 (Dok. Nr. SCCR/10/2,
abrufbar unter www.wipo.int/meetings/en/archive.jsp am 14. April 2005), S.11ff..
703 Dazu Schmitz, S. 55ff.; Schaar, S. 13f.; Hornung MMR, 2004, S. 5f., je mit zahlreichen
weiteren Nachweisen.
704 Schaar, S. 13.
700
157
verarbeitet werden705. Damit ist es möglich, Art, Zeit und Dauer der
Internetnutzung durch eine bestimmte IP-Adresse nachzuvollziehen.
Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass diese Daten keine
Gefahr für die individualisierten personenbezogenen Daten des Nutzers
darstellen. Denn dieser ist in seiner Individualität nicht erfassbar, die
Datenspuren beziehen sich nur auf den anonymen Nutzer, der sich
gleichsam hinter seiner IP-Adresse verstecken kann706. Zumal die jeweilige
IP-Adresse oft nicht einem besonderen Rechner oder Anschluss zugeordnet
wird, sondern für jeden Nutzungsvorgang neu an den jeweiligen Rechner
vergeben wird707. Der Schluss, welche individuelle Person sich hinter der
Anonymität der IP-Adresse verbirgt, welche individuelle Person hinter der
jeweiligen Nutzung des Internet steht, ist anhand der beschriebenen
Nutzungsdaten nicht möglich. Die Grenzlinie, welche die Anonymität von
der Individualisierung des jeweiligen Netznutzers trennt, liegt also zwischen
dem beteiligten Rechner und dem individuellen Nutzer des Rechners:
Solange der Letztgenannte nicht willens ist, seine anonyme „Realidentität“
preiszugeben, die er hinter seiner „Netzidentität“ ohne weiteres verstecken
kann, ist die individualisierte Datenverarbeitung der anfallenden anonymen
Nutzerdaten nicht möglich.
Diese Grenzlinie wird durch DRM-Systeme zulasten der möglichen
Anonymitätswahrung im Rahmen der Online-Nutzung urheberrechtlich
Diese Daten werden von vielen Servern in sog. „Logprotokollen“ gespeichert. Dabei
können Daten u.a. hinsichtlich der IP – Adresse, des Betriebssystems des jeweiligen
Rechners, die jeweils besuchten Seiten im Internet (mittels Speicherung der jeweiligen
URL) und die verwendeten Sprache gespeichert und zu einem Nutzungsprofil verarbeitet
werden.Vgl. Schaar, S. 13f.; Schmitz, S. 56.
706 Denn wer sich hinter der beobachtbaren Nutzung des Internet verbirgt, wer „hinter dem
Bildschirm“ sitzt, das ist nicht nachvollziehbar.
707 Indes sind auch bei der Verwendung sog. dynamischer IP-Adressen anhand der
Logprotokolle die jeweiligen Rechner einzeln zuordenbar, was schon zum Zwecke der
Abrechnung für die Telefongesellschaften auch durch die Access Provider durchgeführt
wird. Kritisch zur datenschutzrechtlichen Eignung der Verwendung dynamischer IP –
Adressen auch Hornung, MMR 2004, S. 6. Dazu sowie zur erwarteten Renaissance der
statischen IP-Adressen, Schaar, S. 61ff. Jüngst zur zunehmenden Verwendung statischer
IP-Adressen, welche die Nachverfolgung von Rechnern noch leichter macht, Arbeitspapier
„Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der Artikel-29Datenschutzgruppe (ein unabhängiges EU-Beratungsgremium in Datenschutzfragen)vom
18.
Januar
2005,
10092/05/DE
WP
104
(abrufbar
unter
www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm#
7th, abgerufen am 19. April 2005), S. 4, Fn. 3.
705
158
geschützter
Werke
durchbrochen708.
Denn
DRM-Systeme
setzten
notwendig die Assoziierung einer bestimmten Werknutzung mit einem
bestimmten personalisierten Werknutzer voraus709, die bloße Identifizierung
des vernetzten Rechners reicht dazu nicht. Aus dem anonymen Nutzer
eines bestimmbaren Rechners wird so ein individualisierter Nutzer mit
Namen, Adresse, Bankverbindung etc., der ein bestimmtes, speicherbares
Nutzerverhalten an den Tag legt.
b) Keine Gewähr ausreichender Datensicherheit
Verstärkt wird dieses abstrakte Gefährdungspotenzial durch zwei weitere
Faktoren, welche in der historisch bedingten, dezentralen Struktur des
Internet710 ihre Ursachen finden.
Zum einen ist sicherer Schutz personenbezogener Daten, wie sie durch
DRM-Systeme generiert werden, im Internet nicht mit absoluter Sicherheit
zu erreichen711: So wird es stets „Hacker“ geben, die auch noch so
ausgefeilte
Verschlüsselungssysteme
„knacken“,
es
wird
stets
Sicherheitslücken geben, die versehentlich oder willentlich geschaffen
wurden712. Wie und durch wen mit im Rahmen von vertraglich vereinbarten
DRM-Systemen erlangten personenbezogenen Daten tatsächlich verfahren
wird, ist nur schwer zu beurteilen und letztlich nicht mit absoluter Sicherheit
zu kontrollieren.
708
Allgemein zur zunehmenden Individualisierung der Nutzung elektronischer Medien und
der damit verbundenen Akkumulierung personenbezogener Daten, Roßnagel – Trute, 2.5,
Rn. 3f..
709 Vgl. Bygrave, S. 421; Böhle, Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 2004, S.
105; Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“ der
Artikel-29-Datenschutzgruppe
(ein
unabhängiges
EU-Beratungsgremium
in
Datenschutzfragen)vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter
www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm#
7th, abgerufen am 19. April 2005), S. 4; Büllesbach/Dreier – Büllesbach, S. 168.
710 Überblick dazu bei Schaar, S. 4f..
711 Allgemein dazu Roßnagel, MMR 2002, S. 67f., 69f., ders.: ZRP 1997, S. 27f.; Trute, JZ
1998, S. 823 ; Ausführlich mit Verweis auf Berichte der Datenschutzaufsichtsbehörden
Schmitz, S. 12, 21ff.; speziell zu dieser Problematik im Rahmen von DRM – Systemen,
Spenger, S. 62ff., insb. S. 79f..
712 Damit ist die Gefahr angesprochen, dass personenbezogene Daten an Personen
gelangen, für die diese nicht bestimmt sind. Eine andere Gefahr für das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung besteht aber auch darin, dass sich Dritte die Identität des
nämlichen Werknutzers im Internet „aneignen“ und somit personenbezogene (falsche)
Daten in den Rechtsverkehr entäußert werden, von denen der Betroffene unter Umständen
niemals Kenntnis erlangt. Dazu Spenger, S. 62.
159
Hieran knüpft sich der zweite Faktor an, welcher die Gefahrenträchtigkeit
des Internet verstärkt. Durch den „entgrenzten Sozialraum“ Internet, der
anders als die soziale Wirklichkeit keine räumlichen Grenzen kennt, stößt
die Geltung und Durchsetzung des Rechts an seine Grenzen713: Denn nach
wie vor ist die Geltung und Durchsetzung des Rechts als ureigenster
Ausdruck der Souveränität eines Staatvolkes an das jeweilige Staatsgebiet
gebunden, außerhalb dessen es grundsätzlich weder Geltung noch
Durchsetzung erlangt. So werden restriktive Datenschutzbestimmungen auf
deutscher oder europäischer Ebene dazu führen, dass derjenige, der sich
diesen Bestimmungen nicht unterwerfen will, eben auf Gebiete mit laxeren
Regelungen ausweicht. Denn Zeit und Ort sind im Internet kaum mehr von
Relevanz, die Teilnahme am weltweiten Datenverkehr ist zu jeder Uhrzeit
von jedem beliebigen Platz aus denkbar714.
Das Internet bereitet also schon als solches den Boden für eine oft
unkontrollierbare
Möglichkeit
der
Preisgabe
personenbezogener
Informationen an eine unbegrenzte Öffentlichkeit715, stellt also schon von
daher ein nicht unbeträchtliches Gefährdungspotenzial für das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung dar716.
2. Grundrechtliche Schutzpflicht
Vor dem beschriebenen Gefahrenpotenzial einer weltweit vernetzten
Informationsgesellschaft und einer uneingeschränkten Verwendung von
DRM-Systemen für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist zu
klären, ob mit dem möglichen Einsatz solcher Systeme zur Kontrolle privater
713
Dazu Roßnagel, MMR 2002, S. 68, 70; ders. ZRP 1997, S. 28; Trute JZ 1998, S. 824;
aus der Sicht des zugunsten des Urhebers zu gewährenden Schutzes, Lou, S. 9.
714 Vgl. Lou, S.9.
715 So Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 190; angedeutet nur bei
Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 164. Als Beispiel sei das sog. „data mining“
genannt, vgl. dazu Schmitz, S. 61f..
716 DeVries, Berkeley Technology Law Journal Volume 18, 2003, S. 291ff., sieht generell in
der (interaktiven) Digitalisierung von Datenströmen Gefahren für die Privatsphäre aufgrund
dreier Faktoren, nämlich: „(1) the increase of data creation and the resulting collection of
vast amounts of personal data – caused by the recording of almost every modern
interaction; (2) the globalisation of the data market and the ability of anyone to collate and
examine this data; and (3) lack of types of control mechanism for digital data that existed to
protect analog data.“.
160
Vervielfältigungstätigkeit eine entsprechende grundrechtliche Schutzpflicht
des Gesetzgebers einhergeht717.
Die grundsätzlichen Anforderungen an das Bestehen einer Schutzpflicht des
Gesetzgebers kraft Grundrechte wurden bereits herausgearbeitet718. Diese
finden auch an dieser Stelle Anwendung. Dabei sei noch einmal darauf
hingewiesen,
dass
auch
die
Bejahung
eines
grundrechtlichen
Schutzauftrags nichts darüber aussagt, wie der Gesetzgeber diesem
Schutzauftrag konkret nachzukommen hat719: Diese Frage kann erst nach
Abwägung
aller
beteiligten
Interessen
unter
Beachtung
des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beantwortet werden720.
Ob tatsächlich ein grundrechtlicher Schutzauftrags zugunsten des Rechts
auf informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer vor den Bedrohungen
der
Gefahren
des
Schutzbedürftigkeit
Werknutzers
für
DRM
dieser
den
besteht,
ist
grundrechtlich
Fall
privater
anhand
verbürgten
Vervielfältigung
der
konkreten
Freiheit
des
urheberrechtlich
geschützter Werke zu beantworten721. Diese wiederum ist zu beurteilen
anhand a) der Stellung des Rechts der informationellen Selbstbestimmung
im Gesamtgefüge des hier zu betrachtenden verfassungsrechtlichen
Kontexts, b) der Qualität der potentiellen Gefährdung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung sowie c) den eigenen Möglichkeiten des
Werknutzers zur Abhilfe wider des zu befürchtenden Grundrechtseingriff.
a) Stellung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im
verfassungsrechtlichen Kontext
Für
die
Bedeutung
Gesamtgefüge
ist
eines
das
Grundrechts
grundrechtlich
im
verfassungsrechtlichen
geschützte
Interesse
des
717
Allgemein zum gesteigerten Schutzbedarf durch das von privater Seite ausgehende
Gefährdungspotenzial nichtsstaatlicher Kommunikationsnetze, Hoffmann-Riehm, AöR 123
(1998), S. 524ff., der insoweit von einer Privatisierungsfolgenverantwortung des Staates
spricht. Vgl. auch Trute, JZ 1998, S. 825f.; Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 5f., 47ff..
718 Dazu oben A. III. 3..
719 Insofern ist es an dieser Stelle verfrüht, sich denjenigen Stimmen zuzuwenden, welche
die besondere Beachtung der Privatautonomie durch den Privatrechtsgeber für den Bereich
privater Datenverarbeitung betonen, vgl. dazu Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 90ff.;
Maunz/Dürig – Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 189; in diese Richtung auch: Gallwas, NJW
1992, S. 2788; Simitis, NJW 1984, S. 401; Schmidt, JZ 1974, S. 247.
720 Vgl. oben A. III. 2. b).
721 Vgl. oben A. III. 3..
161
Grundrechtsinhabers maßgebend, hier also das Interesse des Einzelnen an
informationeller Selbstbestimmung722. Demzufolge erlangt das Grundrecht
auf
informationelle
Selbstbestimmung
in
der
anbrechenden
Informationsgesellschaft in zweierlei Hinsicht besondere Bedeutung: Zum
einen liegt dieser Bedeutungszuwachs in der zunehmenden Relevanz der
„Information“ für den Einzelnen wie für sein gesellschaftliches Umfeld 723
begründet. Damit geht auch ein erhöhtes Interesse am Schutz der
Verfügungsbefugnis über das auf Informationen beruhende Recht auf
Selbstdarstellung einher724. Zum zweiten geht dieser Bedeutungszuwachs eng mit dem ersten Bedeutungsgehalt verbunden - auf die gesteigerte
„informationelle Verfügbarkeit“725 des Einzelnen zurück. So sind die Angriffe
auf die informationelle Selbstbestimmung heute totaler denn je726 und eine
Abschwächung ist insoweit kaum zu erwarten. Auch dies erhöht die
Wertigkeit
des
Rechts
auf
informationelle
Selbstbestimmung
im
verfassungsrechtlichen Gesamtgefüge.
b) Qualität der potentiellen Gefährdung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung
Die Grenzlinie, deren Überschreiten eine grundrechtliche Schutzpflicht des
Gesetzgebers auslöst, ist diejenige der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19
Abs. 2 GG727. Wenn durch private Freiheitsentfaltung ein Eingriff in den
Wesensgehalt
eines
Grundrechts
eines
Dritten
überhaupt
denkbar
erscheint, also dieser Eingriff jedenfalls droht ohne bereits realisiert zu sein,
schon
dann
ist
der
Gesetzgeber
demnach
aufgefordert,
diesem
Bedrohungsszenario durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen zu
begegnen.
722
Vgl. dazu Grabitz, AöR 98 (1973), S. 577f..
Dazu oben A. III. 3. a).
724 So spricht Hoffmann-Riehm, AöR 123 (1998), S. 520 m.w.N, von informationeller
Selbstbestimmung als „Grundbedingung der kommunikativen Kompetenz des einzelnen“,
die über einen bloßen Abwehrgedanken hinausgehe.
725 So Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 6.
726 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, a.a.O.; allgemein im Hinblick auf den Schutz der
Privatsphäre angesichts der Bedrohungen durch die Digitalisierung und die damit
verbundenen Folgen, DeVries, Berkeley Technology Law Journal, Volume 18, 2003, S.
283ff..
727 Dazu oben unter A. III. 3. b) aa).
723
162
aa) Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
Als Wesengehalt bezeichnet man die für das jeweilige Grundrecht typischen
Züge, seine charakteristischen Besonderheiten, diejenigen Merkmale, bei
deren Fehlen es nicht mehr gerechtfertigt ist, von einem Grundrecht dieses
Namens und Typs zu sprechen728. Bei der Bestimmung des Wesensgehalts
eines Grundrechts sind neben dem Telos einer Grundrechtsnorm auch
deren geschichtlich-soziale Verankerung, deren historische Entwicklung
sowie
ihr
Rang
und
ihre
jeweilige
Funktion
im
grundrechtlichen
Gesamtgefüge von ausschlaggebender Bedeutung.
(a) „Persönlichkeitsbild“ als Wesensgehalt?
Als äußerste Grenze des Eingriffs in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung
legt
das
Bundesverfassungsgericht
in
seinem
Volkszählungsurteil die Erstellung von teilweisen oder vollständigen
Persönlichkeitsbildern fest729, ohne dabei einen Hinweis zu geben, was ein
„Persönlichkeitsbild“ eigentlich ausmacht, sei es nun vollständig, sei es gar
teilweise. Dies legt den Schluss nahe, auf den Wesensgehalt des Rechts
auf informationelle Selbstbestimmung eben diese Grenzziehung zu
erstrecken. Doch neben der Unbestimmtheit dieses Ansatzes - was sind
bspw. „Teilbilder der Persönlichkeit“730 - lässt dieser methodische Ansatz
einen weiteren Aspekt unberücksichtigt731:
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf das Recht der
informationellen Selbstbestimmung in seiner funktionalen Stellung als
Abwehrrecht gegen den Staat732. Im Bereich der Beurteilung der
Grundrechte im hier zu betrachtenden Verhältnis Bürger zu Bürger
verschieben sich aber mit der Betrachtungsweise auch die inhaltlichen
728
Dazu oben unter A. III. 3. b) bb) (a).
BVerfGE 65, 1 (42, 53).
730 BVerfGE 65, 1 (53).
731 Kritisch zum Abgrenzungsmerkmal des „Persönlichkeitsprofils“ in diesem Kontext auch
Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 25f..
732
Vgl. BVerfGE 65, 1 (3ff.): Die der Entscheidung zugrunde liegende
Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen das Volkszählungsgesetz 1983, welches eine
umfangreiche zwangsweise Datenerhebung durch den Staat zum Inhalt hatte.
729
163
Prämissen des Inhalts des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung733:
Denn
die
informationelle
Selbstbestimmung,
das
Recht
auf
Selbstdarstellung, hat für den Grundrechtsinhaber im Bereich seines
Verhältnisses zu Privaten einen höheren Stellenwert, als es dies in seinem
Verhältnis gegenüber dem Staat hat734. Dem Staat gegenüber tritt der
Grundrechtsinhaber nämlich nicht in all seinen Facetten als Persönlichkeit
auf, sondern nur in den jeweils erforderlichen Funktionen als Staatsbürger,
sei dies als Steuerzahler, als Rechtssuchender, etc.. Auch ist der Staat in
anderer Weise an Regeln bezüglich der Informationshandhabung - man
mag auch von Informationsverarbeitung sprechen - gebunden als dies der
Private ist735.
Anders gegenüber den Privaten seiner Umwelt: Hier exponiert sich der
Grundrechtsinhaber mit all seinen Facetten, denn Persönlichkeit konstituiert
und entfaltet sich in aller erster Linie in der Gesellschaft, also im Verhältnis
der Privaten zueinander, nur bedingt (auch) im Verhältnis zwischen Bürger
und Staat736. Daher erlangt das der Persönlichkeitsentfaltung dienende
Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis der Privaten
untereinander eine höhere Bedeutung für den Grundrechtsinhaber als dies
im Verhältnis zwischen Staat und Bürger der Fall ist.
(b) Eigener Ansatz
Der Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist
daher anhand des Zwecks dieser grundrechtlichen Freiheit gerade im
Verhältnis der Privaten zueinander zu bestimmen.
Das Recht auf Selbstdarstellung ist kein Selbstzweck. Seine teleologische
Begründung findet sich vielmehr darin, dass persönliche Freiheitsentfaltung
voraussetzt, dass es dem Einzelnen vorbehalten sein muss, über diejenigen
personenbezogenen
Informationen
grundsätzlich
selbst
verfügen
zu
können, welche sein Bild in seinem persönlichen und gesellschaftlichen
733
Dazu Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 241ff..
Vgl. Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 244 m.w.N..
735 Am sinnfälligsten wird dies schon an der Erforderlichkeit der Beachtung des
Gesetzesvorrangs, vgl. BVerfGE 65, 1 (44).
736 Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 242f..
734
164
Umfeld
können737.
prägen
Um
der
Möglichkeit
einer freiheitlichen
Darstellung und - damit einhergehend - Entfaltung der Persönlichkeit willen
muss das Recht der informationellen Selbstbestimmung also die Schaffung
und
Erhaltung
derjenigen
Grundrechtsträger
an
der
Bedingungen
Herrschaft
garantieren,
über
das
welche
Entstehen
den
seines
Selbstbildes jedenfalls teilhaben738 lassen739. Wer diese Mitherrschaft über
personenbezogenen Informationen und deren Verwendung nicht (mehr)
besitzt, ist nicht in der Lage, sich seinerseits (als sich in der Gesellschaft
entfaltende Persönlichkeit) diesem Informationsselbstbild entsprechend zu
verhalten. Die Ungewissheit über den Kenntnisstand des Gegenübers wird
so zum „psychologischen Hemmschuh“ für die eigene Freiheitsausübung.
Danach lässt sich der Wesensgehalt des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung nicht danach bestimmen, ob die Erstellung eines
teilweisen oder vollständigen Persönlichkeitsprofils anhand der jeweiligen
personenbezogenen Daten möglich ist oder nicht. Entscheidend muss
vielmehr sein, ob die Verwendung der fraglichen personenbezogenen
Informationen geeignet ist, dem Betroffenen die Herrschaft über diese
dergestalt zu entziehen, dass er nicht mehr in der Lage ist, sich
Vorstellungen
über
das
hieraus
möglicherweise
entstehende
Persönlichkeitsbild zu machen und sein künftiges Verhalten danach zu
richten740.
Dies gilt
unabhängig davon,
ob
sich
die
verwendeten
personenbezogenen Informationen auf ein enges oder weites Spektrum
seiner Persönlichkeit beziehen, da die die eigene Handlungsfreiheit
determinierende Funktion der jeweiligen Datenverwendung qualitativ und
nicht quantitativ bestimmt ist.
Vgl. BVerfGE 65, 1 (42f.); Schlink, Der Staat 25 (1986), S. 243: „Freiheit bedeutet, dass
die Person selbst entscheiden kann, wie sie anderen gegenüber agieren, wie weit sie
andere über sich informieren, welche Erwartungen und Verhalten sie bei anderen auslösen
will.“.
738 Das Selbstbild des Grundrechtsträgers hängt freilich nicht ausschließlich von den von
ihm entäußerten Informationen über seine Person ab. Ebenso wird dies durch die
Sichtweise des Empfängers geprägt. Daher kann auch das Recht der informationellen
Selbstbestimmung kein eigentumsgleiches Herrschaftsrecht über personenbezogene
Informationen garantieren. Dies würde der Interaktivität des Vorgangs der Selbstdarstellung
des Einzelnen in der Gesellschaft nicht gerecht. Vgl. dazu Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 11,
22.
739 Vgl. Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 24 m.w.N..
740 In diesem Sinne auch Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 26 a.E., der als Kernbereich des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die „durch […] Fremdbeschreibungen
[erreichte] Dichte von Rechtfertigungs- und Anschlusszwängen“ definiert und dabei
ausdrücklich von der Maßgeblichkeit der Persönlichkeitsbilder Abstand nimmt.
737
165
Der Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung lässt
sich daher wie folgt zusammenfassen: Jede Verwendungsmöglichkeit
hinsichtlich
personenbezogener
Informationen,
welche
für
den
Grundrechtsinhaber weder überschaubar noch beeinflussbar und daher
geeignet ist, dessen Verhalten als Informationsobjekt einem vermeintlichen
oder tatsächlichen „Bild“ seiner selbst entsprechend zu beeinflussen, muss
als
Eingriff
in
den Wesensgehalt
des Rechts
auf
informationelle
Selbstbestimmung gewertet werden.
bb) Drohender Eingriff durch DRM – Technologien
Die weiter zu beantwortende Frage ist diejenige, ob durch die technischen
Möglichkeiten
von
DRM-Systemen
im
Bereich
privater
Vervielfältigungstätigkeit ein Eingriff in jenen beschriebenen Wesensgehalt
des Rechts der Werknutzer auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls
zu befürchten ist.
Angesichts der Reichweite der technischen Anwendungsmöglichkeiten von
DRM-Systemen
muss
diese
Bedrohung
des
Wesensgehalts
der
informationellen Selbstbestimmung bejaht werden.
So bietet die Verwendung von DRM-Systemen die Möglichkeit der
Erstellung mehr oder minder umfangreicher individualisierter Nutzerprofile,
die sich aus einer Vielzahl personenbezogener Nutzerdaten (wie unmittelbar
individualisierende Daten, also Namen, Adressen, Geburtsdatum, etc., aber
auch
aus
personenbezogenen
Daten
wie
Bankverbindungen,
Zahlungsverhalten, Art und Herkunft des bezogenen urheberrechtlich
geschützten Werkes, Art und Häufigkeit der Verwendung dieses Werkes,
etc.) zusammensetzen741. Für den Nutzer urheberrechtlich geschützter
Werke sind die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten dieser Daten nicht
mehr überschaubar742. So besteht die Gefahr, dass er sich schon über die
Vgl. Arbeitspapier „Datenschutzfragen im Zusammenhang mit Immaterialgüterrechte“
der Artikel-29-Datenschutzgruppe (ein unabhängiges EU-Beratungsgremium in
Datenschutzfragen) vom 18. Januar 2005, 10092/05/DE WP 104 (abrufbar unter
www.europa.eu.int/comm/internal_market/privacy/workingroup/wp2005/wpdocs05_de.htm#
7th, abgerufen am 19. April 2005), S.3; Cohen, Berkeley Technology Law Journal, Volume
18, 2003, S. 584ff.; Bygrave, S. 421.
742 Zu denken ist schon an die Gefahren, welche die Verwendung des Internet für den
Schutz personenbezogener Daten mit sich bringt. Schon insoweit ist es unmöglich, sich ein
741
166
Art der Datenerhebung im Unklaren ist. Ferner wird er sich im Zweifel über
die Vielzahl der erhobenen Daten und die sich hieraus ergebenden (legalen
oder
illegalen)
Verwertungsmöglichkeiten
keine
oder
eine
falsche
Vorstellungen machen.
Die sich aus den Möglichkeiten des DRM alleine für die Werkmittler
ergebenden
Beeinflussungsmöglichkeiten
auf
den
Werknutzer
sind
hingegen vielfältig743. So besteht neben der Möglichkeit eines gezielten
Marketing beispielsweise auch die (gängige) Möglichkeit der Weitergabe
solcher Informationen an Dritte (ob beabsichtigt oder nicht) oder deren
Verwendung im Rahmen anderer Zwecke als jenen, zu welchen die
personalisierten Daten ursprünglich gesammelt wurden744.
Angesichts der Datenfülle, die für den Werknutzer (anders als für den die
technischen Möglichkeiten ausnutzenden Werkvermittler) nicht mehr
überschaubar ist745, kann sich dieser über sein „Informationsabbild“ beim
Werkvermittler (oder gar für ihn unbekannten Dritten) keine Vorstellungen
mehr machen. So wird beispielsweise derjenige, der aufgrund erstellter
Nutzungsprofile „beworben“ wird, im äußersten Falle nicht einmal
bemerken, auf welche Weise hier der Versuch unternommen wird, sein
Konsumverhalten in fremdbestimmte Bahnen zu lenken.
Die durch die Verwendung von DRM-Systemen geschaffenen Möglichkeiten
zur Datenverarbeitung durch die Anbieter urheberrechtlich geschützter
Werke stellen demnach eine Gefahr für den Wesensgehalt des Grundrechts
auf informationelle Selbstbestimmung dar, da jedenfalls die Möglichkeit
besteht,
dass
die
hiermit
geschaffenen
Verwendungsmöglichkeiten
personenbezogener Daten für den Einzelnen weder überschaubar und
klares Bild über alle möglichen legalen und illegalen Verwendungsmöglichkeit
personenbezogener Daten zu verschaffen. Die durch die bloße Nutzung des Internet noch
gewährleistete persönliche Anonymität des Nutzers wird durch die besonderen
Nutzungsanforderungen des DRM durchbrochen. Denn DRM erfordert jedenfalls in der
Regel die Assoziierung eines personalisierten Nutzers mit einer bestimmten Werknutzung.
Dazu oben unter 1. a), ferner Hornung, MMR 2005, S. 5.
743 Vgl. bspw. Nutzungsbeispiele bei Hornung, MMR 2004, S. 6.
744 Dazu Bygrave, S. 422f. m. w. N.; allgemein zum Handel mit personenbezogenen Daten
im Internet, Hornung, MMR 2005, S. 6 m.w.N..
745 Vgl. Roßnagel, MMR 2005, S. 72, bezogen auf die Risiken einer weltweiten
Datenverarbeitung: „Die hohe Komplexität der Systeme, deren vielfältige Zwecke und die
Fülle der Datenverarbeitungsvorgänge in allen Lebensbereichen übersteigen die
Aufmerksamkeit um ein Vielfaches. Soll die allgegenwärtige Rechnertechnik gerade im
Hintergrund und damit unmerklich den Menschen bei vielen Alltagshandlungen
unterstützen, kann sie nicht zugleich dem Betroffenen bewusst gegenwärtig sein.“.
167
schon gar nicht beeinflussbar sind. Nach den Feststellungen des
Bundesverfassungsgerichts
im
Volkszählungsurteil
ist
unter
solchen
Umständen die Ausübung verfassungsrechtlich geschützter Freiheit nicht
mehr möglich, da der Einzelne nicht mehr in der Lage ist zu eruieren,
welches „Informationsabbild“ von ihm selbst im Verkehr der beteiligten
Kreise herrscht und somit die Gefahr besteht, dass er infolge dieser
Informationsverunsicherung
von
der
Ausübung
von
Freiheitsrechten
absieht, er also einer Fremdbestimmung unterliegt746, ob ihm dies nun
bewusst ist oder nicht.
c) Abhilfemöglichkeiten des Werknutzers
Die Annahme eines grundrechtlichen Schutzauftrags an den Gesetzgeber
verlangt zuletzt, dass keine eigenen Abhilfemöglichkeiten des Werknutzers
wider
des
drohenden
Eingriffs
in
das
Recht
auf
informationelle
Selbstbestimmung bestehen747.
aa) Möglichkeit des Grundrechtsverzichts
Insoweit lässt sich einwenden, dass kein Werknutzer verpflichtet sei, sich
den technischen und vertraglichen Regeln von DRM-Systemen zu
unterwerfen. Es steht ihm frei, stattdessen gegebenenfalls auf die
Verwendung des urheberrechtlich geschützten Werkes ganz zu verzichten
und somit auch der Gefahr eines drohenden Grundrechtseingriffs zu
entgehen.
Doch kann das Kriterium der eigenen Abhilfemöglichkeit nicht daran
festgemacht werden, ob der Werknutzer von seinen grundrechtlichen
Freiheiten Gebrauch macht oder nicht. Denn auf diese Weise wäre es mit
der Einordnung der Grundrechte als Schutzauftrag an den Gesetzgeber
nicht weit her: Eine den Gesetzgeber auf den Plan rufende Kollision
verschiedener
grundrechtlich
geschützter
Interessen
der
Privaten
Vgl. dazu Roßnagel, MMR 2005, S. 72: „Wird der Einzelne durch die Datenverarbeitung
in seiner Umgebung und in den von ihm genutzten Alltagsgegenständen allgegenwärtig
begleitet, wird sie unmerklich Teil seines Verhaltens und seines Handelns.“.
747 Vgl. Isensee, Grundrecht, Rn. 90.
746
168
untereinander wäre kaum vorstellbar, wenn einer der Beteiligten darauf
verwiesen werden könnte, er dürfe eben von dieser oder jenen
grundrechtlichen Freiheit keinen Gebrauch machen. Dann käme es auch
nicht zu einer Kollision. Damit würde aber auch der grundrechtliche
Schutzauftrag obsolet, die Geltung der Grundrechte wäre ausschließlich auf
das Verhältnis zwischen Bürger und Staat verkürzt. Dies würde aber der
Einordnung
der
Grundrechte
(auch)
als
Fundamentalnormen
des
Verhältnisses der Privaten untereinander748 nicht gerecht.
Hier drängt sich aber weiter die Frage auf, ob es dem Werknutzer im
Rahmen der ihm zustehenden Mittel der Privatautonomie nicht möglich ist,
die Anwendung von DRM-Systemen mit dem jeweiligen Werkvermittler
vertraglich auszuschließen oder anders gewendet: Liegt nicht in der
(notwendigerweise
vertraglich)
vereinbarten
Anwendung
von
DRM-Systemen eine Einwilligung des Werknutzers in den Eingriff seines
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung749 oder der Verzicht auf
dieses Grundrecht750?
Dies ist aus zweierlei Gründen zu verneinen. Der erste Grund liegt in den
tatbestandlichen Voraussetzungen des Grundrechtsverzichts begründet751.
Dieser setzt unter anderem die Freiwilligkeit des Verzichts voraus. Freiwillig
ist der Verzicht dann, wenn nicht eine den Willen zur Abgabe einer
Verzichtserklärung beeinträchtigende Einwirkung vorliegt 752. Damit muss die
Freiwilligkeit schon verneint werden, wenn diese durch Täuschung
herbeigeführt wird, ebenso aber wenn der Verzichtende sich über den Inhalt
und Umfang seines Verzichts nicht im Klaren ist. Angesichts der
Unkontrollierbarkeit
der
durch
DRM-Systeme
ermittelbaren
personenbezogenen Daten753 kann sich der verzichtende Werknutzer über
die Reichweite seiner Verzichtserklärung schon keine klare Vorstellung
machen. Von Freiwilligkeit kann demnach diesbezüglich nicht ausgegangen
werden.
748
Dazu oben A. III. 1..
Vgl. Hohagen, S. 299; Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 44.
750 Zur Frage der (vornehmlich terminologischen) Abgrenzung zwischen den Begriffen
„Grundrechtsverzicht“ und der „Einwilligung“, Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 86, II. 3..
751 Dazu Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85, II. 6..
752 Stern, a.a.O.
753 Dazu oben b) bb).
749
169
Der zweite Grund ist dogmatischer Natur. Grundrechte beanspruchen im
Verhältnis der Privaten untereinander keine unmittelbare Geltung754. Es ist
vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, die verfassungsmäßige Ordnung im
Wege der Ausgestaltung des Zivilrechts zur mittelbaren Geltung unter den
Privaten gelangen zu lassen755. Wenn ein Grundrecht zwischen zwei
Privaten aber keine (unmittelbaren) Rechte und Pflichten zu begründen
vermag, dann ist auch der Verzicht darauf denklogisch ausgeschlossen.
Was sollte schon Gegenstand des Verzichts sein?
bb) Frage nach den Grenzen privatautonomer Gestaltungsfreiheit
Die Frage, um die es an dieser Stelle geht, ist diejenige nach den Grenzen
der Privatautonomie. Im Bereich des Privatrechts garantiert der Grundsatz
der
Privatautonomie
eine
verfassungsrechtliche
Vermutung
gegen
gesetzliche, zwingende Regulierungen756. Denn eine privatrechtliche
Regelung stellt als „geronnene Grundrechtsbindung“ zwischen Privaten
einen Widerspruch gegen das der Privatautonomie innewohnende Prinzip
der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung dar757. Ausgangspunkt der
Erwägung
einer
urheberrechtlichen
Regelung
betreffend
die
Datenverarbeitung mittels DRM-Systeme muss daher der Grundsatz der
Freiheit der Datenverarbeitung sein und nicht deren Beschränkung758.
Demnach ist es den Beteiligten des Privatrechtsverkehrs nicht zu nehmen,
nach einverständlichem, gegenseitigem Gutdünken die Verwendung und
Verarbeitung personenbezogener Daten vertraglich zu vereinbaren. Der
drohende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre
danach durch den Grundsatz der Privatautonomie verfassungsrechtlich
gerechtfertigt.
Seine Grenze findet das Fundamentalprinzip der Privatautonomie allerdings
dort, wo sein Axiom - nämlich das strukturelle Gleichgewicht der jeweils
beteiligten
Privatrechtssubjekte - nachhaltig gestört ist: Dort wo soziale
754
H.M.; umfassend dazu Stern, Grundrechte, § 76, II. und III..
Vgl. Stern, Grundrechte, §76, IV. 5. c).
756 Zum Gesamten Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 90ff..
757 Vgl. Stern, Grundrechte, §76, III. 2. b).
758 Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 91; in diesem Sinne auch Roßnagel – Trute, 2.5, Rn.
51; ders., JZ 1998, S. 826; implizit auch Schmidt, JZ 1974, S. 245f..
755
170
Gewalten ein solches Übergewicht gegen den Einzelnen bilden, dass dieser
de facto in der Ausübung seiner individuellen Freiheit gefährdet ist, ist die
Privatautonomie und ihre Grundannahme nicht mehr nur zu respektieren,
sondern auch zu schützen und in ihren Grundbedingungen wieder
herzustellen759.
Ein solcher Fall strukturellen Ungleichgewichts ist aber für die Anwendung
von DRM-Systemen zum Schutze urheberrechtlicher Werke anzunehmen:
Denn eine ernstzunehmende Möglichkeit des Werknutzers, sich nicht den
vertraglichen Bedingungen der Werkvermittler zu unterwerfen, besteht nicht.
Dafür ist zum einen die zunehmend monopolartige Stellung von
Inhalteanbietern und Medienunternehmen760 verantwortlich, wie auch die
regelmäßig
verwendeten
formularvertraglichen
Nutzungsbedingungen
urheberrechtlich und mittels DRM-Technologie geschützter Werke761. Wo
aber der Selbstschutz vor Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung
mittels privatautonomer Vertragsgestaltung nicht mehr gelingt, da muss
auch eine verfassungsrechtliche Pflicht an den Privatrechtsgesetzgeber
festgestellt werden, der Gefährdung informationeller Selbstbestimmung
auch
im
Rahmen
der
Privatautonomie
mittels
urheberrechtlicher
Gesetzgebung Herr zu werden762.
cc) Schutz durch bestehende Datenschutzgesetzgebung
Angesichts der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)763,
denen auch der private Datenverarbeitende grundsätzlich unterliegt 764, ist
weiterhin zu fragen, ob nicht diese Regelungen zur Wahrung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung auch gegenüber den beschriebenen
Gefahren des DRM ausreichenden Schutz gewährleisten765. Ein weiteres
gesetzgeberisches
Tätigwerden
im
Rahmen
der
Urheberrechtsgesetzgebung zum Schutze des Rechts auf informationelle
759
Zum Gesamten: Stern, Grundrechte, § 76, IV. 8. e); Hesse, Rn. 357.
Vgl. Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 92.
761 Vgl. Hohagen, S. 299.
762 Allgemein dazu Roßnagel – Trute, 2.5, Rn. 52; Simitis, NJW 1984, S. 401; in diesem
Sinne auch Hohagen, S. 299, Fn. 172.
763 Vgl. zur Fassung in der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl. 2003/I, S. 66ff..
764 Vgl. § 1 Abs. 2 Ziff. 3 BDSG; dazu Gola/Schomerus, § 1, Rn. 20f..
765 Offengelassen bei Hohagen, S. 146, 299.
760
171
Selbstbestimmung könnte dann jedenfalls nicht einer grundrechtlichen
Schutzpflicht entnommen werden.
Die
Vorschriften
des
BDSG
stellen
erst
an
die
Verwendung
personenbezogener Daten bestimmte Anforderungen766. Die Verwendung
personenbezogener Daten setzt aber voraus, dass diese bereits vorher an
den Daten verarbeitenden Werkmittler übertragen worden sind. Im Bereich
von DRM-Systemen als online-Vertriebsystemen setzt dies wiederum
zwingend
die
Datenübermittlung
via
Internet
voraus.
Durch
die
online-Übermittlung mittels „World Wide Web“ sind aber der effektiven
Kontrolle der Verwendung personenbezogener Daten gemäß den Vorgaben
des nationalen Datenschutzrechts enge Grenzen gesetzt. Angesichts des
oben umschriebenen Gefährdungspotenzials des Internet767 stößt der
nationale Rechtsstaat somit an die Grenzen seiner Gewährleistungskraft.
Die Wahrung des Schutzniveaus wie es durch das BDSG vorgegeben und
verfassungsrechtlich geboten ist768, kann der nationale Gesetzgeber
angesichts
des
globalen
Bedrohungspotenzials
transnationaler
Informationsströme nicht gewährleisten.
Dies ergibt sich aus zwei Überlegungen. Zum einen stößt der nationale
Gesetzgeber angesichts der Internationalität des Internet an seine
territorialen Grenzen und damit auch an die Grenzen der Durchsetzbarkeit
seiner Datenschutzgesetzgebung. Ein Daten verarbeitender Werkmittler,
der seinen Sitz nicht im Geltungsbereich des nationalen Gesetzgebers hat,
ist auch nicht dessen Datenschutzgesetzen unterworfen. Angesichts der
unterschiedlichen Schutzniveaus und deren noch unterschiedlicheren
Durchsetzungen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen769, ist die
Gewährleistung eines internationalen Datenschutzmindeststandards „eine
kaum zu bewältigende Herausforderung“770 und wird darüber hinaus auch
den
spezifisch
bundesdeutschen,
also
grundrechtlich
determinierten
766
Vgl. § 27 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 BDSG.
Oben unter 1..
768 Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des BDSG, wie sie in den Ausführungen des
Volkszählungsurteils eine erste Kristallisation gefunden hat, Roßnagel – Abel, 2.7, Rn.
39ff..
769 Dazu Schaar, Rn. 72f. m.w.N.; Hornung, MMR 2004, S. 8 m.w.N.; Büllesbach/Dreier –
Büllesbach, S. 173.
770 Schaar, Rn. 72.
767
172
Datenschutzanforderungen nicht gerecht771. Den verfassungsrechtlichen
Vorgaben zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
kann der Gesetzgeber demnach nicht alleine durch die Möglichkeiten der
nationalen Datenschutzgesetzgebung gerecht werden.
Mit dieser Beschränkung der rechtlichen Handhabe gegen drohende
Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung korrespondiert
die
faktische
Limitierung
der
Kontrollmöglichkeiten
der
Einhaltung
datenschutzrechtlicher Bestimmungen. So ist zum einen bereits jetzt ein
Durchsetzungsdefizit der nationalen Datenschutzbestimmungen bei den
nationalen Adressaten der zum Datenschutz verpflichteten Stellen zu
beklagen772. Ferner ist aber absolut sicherer Schutz personenbezogener
Daten im Internet vor unberechtigten Zugriffen durch Dritte nicht zu
gewährleisten773: Selbst wenn also die rechtlichen Bestimmungen des
Datenschutzes eingehalten würden, kann von der effektiven Gewährleistung
des
grundrechtlichen
Schutzes
des
Rechts
auf
informationelle
Selbstbestimmung nicht die Rede sein.
Diese Überlegungen zeigen, dass allein das Vertrauen auf die bestehende
Datenschutzgesetzgebung die geschilderten Risiken für das Recht auf
informationelle
Selbstbestimmung
nicht
kann 774.
bewältigen
Die
ausschließlich ins Belieben der Werkmittler gestellte Implementierung von
DRM-Systemen
führt
zu
einer
Kumulation
der
Erhebung
personenbezogener Daten, deren Schutz durch die nationale Gesetzgebung
nicht
effektiv
gewährleistet
werden
kann775.
Das
bestehende
datenschutzrechtliche Gesetzgebungsinstrumentarium vermag also nicht zu
einer
effektiven
Abhilfemöglichkeit
der
Werknutzer
angesichts
der
771
Vgl. Hornung, MMR 2004, S. 8 m.w.N..
Hornung, MMR 2004, S. 5; vgl. auch Taeger, K & R 2003, S. 221, je m.w.N..
773 Vgl. Hornung, MMR 2004, S. 7 m.w.N..
774 Was letztlich mit den geänderten Umständen der Datenverarbeitungstechnik zu tun hat.
Die noch immer maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Datenschutzes gingen von
einer zentralen nationalen und folglich mit Hilfe datenschutzrechtlicher Bestimmungen leicht
kontrollierbaren Datenverarbeitung aus. Diese Umstände haben sich mit dem Siegeszug
des „World Wide Web“ grundlegend verändert, da Datenverarbeitung nicht mehr zentral
und inhaltlich begrenzt, sondern global erfolgt und damit national nicht mehr kontrollierbar
ist. Vgl. dazu Roßnagel, MMR 2005, S. 71.
775 Angesichts der veränderten strukturellen Bedingungen der Datenverarbeitung plädiert
Roßnagel, MMR 2005, S. 74f., für eine konzeptionelle Neugestaltung des bestehenden
Datenschutzrechts. So soll bereits die Sammlung solcher Daten vorsorglich begrenzt
werden, die sich in einem zweiten Schritt zu personalisierten Verarbeitung eigenen. Ferner
soll die Kontrolle datenschutzrechtlicher Bestimmungen stärkere Institutionalisierung
erfahren.
772
173
Bedrohungen
deren
Rechte
auf
informationelle
Selbstbestimmung
beitragen.
Angesichts der faktischen Bedrohungen des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung
durch
die
technischen
Möglichkeiten
von
DRM-Systemen kann also nach diesen Ausführungen ein grundrechtlicher
Schutzauftrag des Gesetzgebers jedenfalls nicht verneint werden. Dieser
stellt den Gesetzgeber vor die Aufgabe, diese - durch die (mittels DRM)
denkbare
Kontrolle
privater
Vervielfältigungstätigkeit
auftretenden
-
Kollisionslagen grundrechtlich geschützter Interessen im Wege der
Abwägung zu berücksichtigen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich
zu bringen.
III. Zusammenfassung
Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
umschreibt das Mitbestimmungsrecht des Einzelnen hinsichtlich seiner
Selbstdarstellung
gegenüber
seiner
Umwelt.
Demnach
soll
dem
Grundrechtsinhaber die Möglichkeit der Beeinflussung oder zumindest der
Einsicht in die Informationsbehandlung durch Dritte gegeben werden. Denn
andernfalls besteht die Möglichkeit, dass es durch die Möglichkeiten der
automatisierten Datenverarbeitung zu einer „Informationsverunsicherung“
beim Grundrechtsinhaber über sein „Informationsabbild“ bei Dritten kommt
und dieser sich daher bestimmten Verhaltenszwängen ausgesetzt sieht. Der
Wesensgehalt bestimmt sich nicht danach, ob anhand der erhobenen
personenbezogenen Daten die Erstellung von teilweisen oder vollständigen
Persönlichkeitsprofilen möglich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die
Verwendungsmöglichkeiten hinsichtlich personenbezogener Informationen
für den Grundrechtsinhaber weder überschaubar noch beeinflussbar und
daher geeignet sind, das Verhalten des Werknutzers als Informationsobjekt
-
einem
vermeintlichen
oder
tatsächlichen
„Bild“
seiner
selbst
entsprechend - zu beeinflussen.
DRM-Systeme bieten die Möglichkeit der Erstellung mehr oder minder
umfangreicher Nutzerprofile im Bereich des Online-Vertriebs digitaler
Werke. Angesichts der entgrenzten Strukturen des Internet ist die
174
Verwendungsmöglichkeit
personenbezogener
Daten
für
den
Nutzer
urheberrechtlich geschützter Daten weder überschau- noch kontrollierbar.
Auch bestehen keine Möglichkeiten für den Werknutzer sich dieser
personalisierten Erfassung zu entziehen, da DRM-Systeme in ihrer
derzeitigen Ausgestaltung die Assoziierung einer bestimmten Werknutzung
-
hier:
der
Vervielfältigung
zum
privaten
Gebrauch
- mit einem
personalisierten Werknutzer voraussetzen und so die bis dato mögliche
Anonymität der Werknutzung vereiteln. Daher ist festzuhalten, dass
DRM-Systemen in ihrer derzeitigen Form den Wesensgehalt des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer berühren können. Da
dem privat vervielfältigenden Werknutzer keine effektive Möglichkeiten
verbleiben, sich im Rahmen der Privatautonomie gegen die privatvertraglich
vereinbarte Verwendung von DRM-Systemen zur Wehr zu setzen und auch
die derzeitige Datenschutzgesetzgebung nicht in der Lage ist, einen
effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in
diesem
Bereich
grundrechtlichen
zu
gewährleisten,
Schutzauftrags
ist
verpflichtet,
der
Gesetzgeber
das
Grundrecht
kraft
auf
informationelle Selbstbestimmung im Rahmen der Ausgestaltung der
urheberrechtlichen Regelungen zur privaten Vervielfältigung angemessen
zu
berücksichtigen
und
mit
den
kollidierenden
anderen
verfassungsrechtlichen Interessen in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu
bringen. Insoweit unterliegt er einer grundrechtlichen Schutzpflicht zur
angemessenen Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
der
Werknutzer
im
Rahmen
der
vorzunehmenden
Verhältnismäßigkeitsprüfung.
C. Schutz der Schrankenbegünstigten durch andere grundrechtliche
Bestimmungen
Bei der Beurteilung privater Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter
Werke stellt sich ferner die Frage, inwieweit der private Werknutzer dabei
auch
776
durch
die
allgemeine
Handlungsfreiheit776,
durch
die
Vgl. Hohagen, S. 299f..
175
Eigentumsgarantie777
und
schließlich
durch
das
Kultur-
und
Sozialstaatsprinzip778 verfassungsrechtlichen Schutz erfährt.
I. Die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG
Unzweifelhaft stellt die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke
zu privaten Zwecken eine Form der freien Entfaltung der Persönlichkeit
dar779. Ebenso unzweifelhaft findet der denkbar weite Schutzbereich der
allgemeinen
Handlungsfreiheit
„verfassungsmäßigen
seine
Ordnung“.
Schranken
Diese
in
umschreibt
der
das
Bundesverfassungsgericht mit der Gesamtheit der Normen, welche formell
und
materiell
sind780.
verfassungsgemäß
Im
bereits
erläuterten
verfassungsrechtlichen Schutz geistigen Eigentums findet die allgemeine
Handlungsfreiheit
demnach
seine
Schranken781,
ohne
dass hierbei
besondere Schrankenqualifikationen zu berücksichtigen wären. Vielmehr
sind die betroffenen grundrechtlichen Kollisionsgüter gegenseitig nach
Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen782.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Handlungsfreiheit im
Falle der Grundrechtskonkurrenz wegen der Weite seines Schutzbereichs
und wegen der Weite seiner Schranken de facto im Wege der Spezialität
hinter den anderen betroffenen Grundrechten zurücktritt783. Denn die
Schrankenqualität
Besonderheiten
der
auf,
die
allgemeinen
es
nicht
Handlungsfreiheit
auch
im
Rahmen
weist
der
keine
bereits
angesprochenen Grundrechte zu berücksichtigen gälte784.
777
Vgl. Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, S. 769.
Vgl. Hohagen, S. 300ff.; Fechner, S. 356ff., S. 359ff.; Hubmann, Schöpferischer Geist,
S. 122; Kirchhof, S. 27; Amtl. Begründung zur Novelle 1985, BT – Drucksache X/837, S. 9.
779 Hohagen, S. 299 m.w.N..
780 BVerfGE 6, 32 (Leitsatz Nr. 3); 50, 256 (262); 63, 88 (108f.); 90, 145 (171f.).
781 Riedel, S. 45f..
782 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 28f., m.w.N..
783 Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 2, Rn. 47f., m.w.N..
784 Aber erst wenn ein konkurrierendes Grundrecht gegenüber anderen Grundrechten
besondere Schrankenqualifikationen aufweist, kann nicht mehr ohne weiteres davon
ausgegangen werden, dass das speziellere Grundrecht ohne weiteres das generellere
Grundrecht verdrängt. Vgl. dazu bereits oben Teil 2, F. I..
778
176
Aufgrund der Weite des Schutzbereichs wie der Schranken der allgemeinen
Handlungsfreiheit, soll dieser im Rahmen der vorliegenden Untersuchung
keine weitere Bedeutung beigemessen werden785.
II. Die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG
Zu Gunsten des privat vervielfältigenden Werknutzers wird ferner dessen
grundrechtlicher Schutz aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
angeführt: Die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke sei eine
Form der Nutzung seines Eigentums und daher vom Schutzbereich des Art.
14 GG umfasst786.
Indes kann ein Vervielfältigungsrecht des Werknutzers am geistigen Werk787
nicht als Gegenstand der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG aufgefasst
werden.
Es wurde bereits festgehalten, dass die Einräumung eines privaten
Vervielfältigungsrechts urheberrechtlich geschützter Werke eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung des (geistigen) Eigentumsrechts des Urhebers
darstellt788, und zwar unabhängig davon, wie dieses Recht im Einzelnen
ausgestaltet sein möge. Die aus einer Inhalts- und Schrankenbestimmung
geborenen Rechtspositionen können aber schon denklogisch kein Eigentum
im Sinne der Garantie des Art. 14 GG darstellen. Denn die Beschneidung
eines verfassungsrechtlichen Vollrechts kann nicht das Entstehen eines
weiteren Vollrechts zur Konsequenz haben. Dann wäre nicht mehr die
Sozialbindung die für die Eigentumsgarantie maßgebliche Schranke,
sondern
ein
weiteres Eigentumsrecht
am selben
Gegenstand
der
Eigentumsgarantie. Eigentum kollidierte mit Eigentum am identischen
Gegenstand.
Auch lässt sich eine urheberrechtliche Schrankenregelung in Form eines
Vervielfältigungsrechts an urheberrechtlichen Werken nicht mit den
Anforderungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs in Einklang
785
So auch Hohagen, S. 300.
Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, S. 769.
787 Sofern am Werkstück als Gegenstand des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie
angesetzt wird, geht schon der Ansatz fehl: Gegenstand der Vervielfältigung ist das geistige
Eigentum am Werk, nicht das Sacheigentum am Werkstück.
788 Dazu oben Teil 2, F. II. 1..
786
177
bringen789. Diese verlangen nämlich unter anderem die umfassende,
ausschließliche Verfügungsbefugnis des Inhabers über die nämliche
Rechtsposition790. Von einer solchen kann aber auch bei der Gestattung
privater Vervielfältigungen nicht gesprochen werden, da dem privaten
Werknutzer beispielsweise die Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken
untersagt ist und der Urheber darüber hinaus weiterhin zu Vervielfältigung
seiner
Werke
berechtigt
bleibt791.
Von
einer
umfassenden
oder
ausschließlichen Rechtsposition des privat Vervielfältigenden, wie sie der
Eigentumsbegriff des Art. 14 GG erfordert, kann also nicht gesprochen
werden.
III. Das Sozial- und Kulturstaatsprinzip
Sozial- wie Kulturstaatsprinzip haben gemeinsam, dass sich bei beiden
verfassungsrechtlichen Verhaltensanforderungen an den (Urheberrechts-)
Gesetzgeber
um
bloße
Staatszielbestimmungen
handelt.
Staatszielbestimmungen indes weisen (im Gegensatz zu den Grundrechten)
einen ausschließlich objektivrechtlichen Gehalt auf und beinhalten keinen
Gesetzgebungsauftrag.
Denn
es
mangelt
diesen
an
inhaltlicher
Bestimmtheit ebenso wie an einem abschließenden Regelungsinhalt,
welcher durch ein bestimmtes gesetzgeberisches Tun zu „erledigen“
wäre792.
1. Das Sozialstaatsprinzip
In den verschiedenen Entscheidungen zur Ausgestaltung geistigen
Eigentums durch das Urheberrecht findet der soziale Gemeinwohlbezug
geistigen Eigentums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
immer wieder Anklang. So spricht es vom „Interesse der Allgemeinheit an
einem ungehinderten Zugang zu Kulturgütern“793, von der „Verwirklichung
dieser sozialen Aufgabe“ (des Vertrautmachens der Jugend mit dem
Überblick dazu bei Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 113ff..
Vgl. oben Teil 2, B. II. 2. a); Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 65.
791 Vgl. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 1.
792 Isensee, Verfassungsstaat, Rn. 121, m.w.N..
793 BVerfGE 31, 229 (230), Leitsatz 3.
789
790
178
Geistesschaffen)794 oder vom „sozialen Gemeinwohlbezug“795 geistigen
Eigentums. Doch fehlt in allen bislang ergangenen Entscheidungen der
Konnex
zur
verfassungsrechtlich
abgesicherten
Sozialstaatlichkeit.
Stattdessen werden die sozialen Belange der Allgemeinheit - in all ihrer
Unbestimmtheit - der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG zugeordnet.
Indes kann das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung des Art. 20
Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG796 nicht mit der Sozialbindung des Eigentums
nach Art. 14 Abs. 2 GG gleichgesetzt werden.
Das Sozialstaatsprinzip fordert unter anderem als Ziel, zu dessen
Verfolgung sämtliche Staatsorgane verpflichtet sind, die Förderung und
Gewährleistung
„Umsetzung
einer
des
„grundrechtlichen
grundrechtlichen
Chancengleichheit“797,
die
Wertesystems
die
in
Verfassungswirklichkeit“798. Allein die Gewähr grundrechtlicher Freiheiten
reicht nicht zu deren effektiven Verwirklichung aus, stattdessen müssen
staatlicherseits die wirtschaftlichen und strukturellen Voraussetzungen für
eine möglichst ungestörte Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen im
Rahmen seiner grundrechtlichen Freiheit eröffnet und gesichert werden. Es
geht also um die Schaffung gleicher faktischer „Startchancen“799. Mit der
durch
die
Grundrechtsverbürgung
geschaffenen
bloßen
rechtlichen
Chancengleichheit soll auch die Gewähr einer faktischen Chancengleichheit
im Rahmen der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten korrespondieren800.
Diese
faktische
Chancengleichheit
Entwicklungstendenzen
im
ist
Bereich
aber
der
durch
die
Kontrolle
derzeitigen
privater
Vervielfältigungstätigkeiten bedroht.
Die „Rückbildung“ des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts zu einem
absoluten Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers würde die Ausübung der
grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit durch den Werknutzer 801
vollständig in die Hände der Rechteinhaber legen. Hinzu kommt die zu
794
BVerfGE 31, 229 (242).
BVerfGE 79, 29 (42).
796 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 97; Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20,
VIII, Rn. 6; Zacher, Staatsziel, Rn. 2; Badura, DÖV 1989, S. 493.
797 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 105f. m.w.N..
798 BVerfGE 33, 303 (331) mit Verweis auf BVerwGE 27, 360.Hervorhebung durch
Verfasser.
799 So Benda/Maihofer/Vogel – Benda, § 17, Rn. 169; Mangoldt/Klein/Starck –
Sommermann, Art. 20, Rn. 105.
800 Dazu Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20 VIII, Rn. 39f..
801 Dazu umfassend oben unter A. III. 3. b) bb) (b).
795
179
beobachtende Tendenz zur Privatisierung des Rechtsschutzes durch die
Verwendung von DRM-Systemen als technischen Schutzmaßnahmen vor
unliebsamen Vervielfältigungen802. Die Durchsetzung von Urheberrechten
liegt damit aber nicht mehr in den Händen entscheidungsbefugter Gerichte,
sondern faktisch in denen der Inhalteanbieter, die mittels technischer
Verfahren über Zugang und Nutzung urheberrechtlicher Werke bestimmen,
ohne dass dabei die notwendige Differenzierung zwischen rechtmäßiger
und rechtswidriger Nutzung ausreichend gewährleistet wäre. Indes verlangt
das
Sozialstaatsprinzip
unter
anderem
zur
Schaffung
faktischer
Chancengleichheit, dass für den Grundrechtsinhaber die reale Möglichkeit
besteht, seine Rechte vor Gericht zu verfolgen803. Grundrechtlich verbürgte,
für den Werknutzer aber nicht (gerichtlich) durchsetzbare Freiheiten jedoch,
sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Trotz jenes materiellen Gehalts des Sozialstaatsprinzips können diesem
keine konkreteren Aussagen für die gesetzliche Ausgestaltung einer
urheberrechtlichen Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit entnommen
werden. Denn zum einen wird dem Gesetzgeber bei der Beachtung der
Ausgestaltung
dieser
Staatszielbestimmung
ein
weiter
Gestaltungsspielraum zugestanden804, was schon angesichts deren hohen
Unbestimmtheit805 erforderlich ist. Überdies gewährt das Sozialstaatsprinzip
keine
subjektiven
Rechtspositionen806,
vermag
also
die
verfassungsrechtlichen Positionen der Werknutzer allenfalls mittelbar zu
beeinflussen.
2. Das Kulturstaatsprinzip
Wie beim Sozialstaatsprinzip auch, handelt es sich beim Kulturstaatsprinzip
um eine grundgesetzliche Staatszielbestimmung, wenngleich sich eine
802
Vgl. Lessig, S. 226, 240ff.; Peukert, UFITA 2002, 689ff. (712); Bechtold, S. 439ff..
Vgl. BVerfGE 1, 109 (111); 56, 139 (143).
804 Dazu Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 109ff.; BVerfGE 1, 97 (105);
18, 257 (273); 29, 221 (235); 59, 231 (263); 82, 60 (80); 100, 271 (284).
805 Zur verfassungsimmanenten „Wandlungsfähigkeit“ des Begriffs der Sozialstaatlichkeit
Benda/Maihofer/Vogel – Benda, § 17, Rn. 112ff..
806 Maunz/Dürig – Herzog, Art. 20 VIII, Rn. 28; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art.
20, Rn. 97.
803
180
ausdrückliche
Stellungnahme
des
Grundgesetzes
zu
dieser
Staatszielbestimmug nicht finden lässt.
Doch hat das Bundesverfassungsgericht längst die Kulturstaatlichkeit des
Grundgesetzes anerkannt807. Auch in der Literatur werden am Bestand der
kulturstaatlichen Verfassung der Bundesrepublik keine grundlegenden
Zweifel geäußert808.
Eine materielle Verfassungsleitlinie zur Ausfüllung des schwer greifbaren
Inhalts der bundesstaatlichen Kulturstaatlichkeit809 findet dieses Prinzip
(unter anderem) in seinem Bezugspunkt zur Sozialstaatlichkeit810. Der
grundgesetzliche Sozialauftrag bezieht sich auch auf die kulturstaatliche
Prägung des Grundgesetzes811 und verlangt demnach auch kulturelle
Daseinsvorsorge812
dergestalt,
dass
staatlicherseits
für
akzeptable
Zugangsbedingungen zur öffentlichen Kultur gesorgt werden muss813. Denn
die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Kultur bildet eine wesentliche
Facette der freien Persönlichkeitsentfaltung814. Kurz: Chancengleichheit im
Sinne des Sozialstaatsprinzips heißt auf dem Gebiet der Kulturstaatlichkeit
die Schaffung und Gewährleistung eines angemessenen kulturellen
Mindeststandards für alle Bevölkerungsgruppen815.
Angesichts der schon angesprochenen Tendenzen im Rahmen des
Schutzes urheberrechtlicher Werke vor privater Vervielfältigungstätigkeit 816
bestehen insoweit Gefahren für ein so verstandenes Kulturstaatsprinzip. Ein
mögliches urheberrechtliches absolutes Ausschließlichkeitsrecht im Bereich
privater Vervielfältigung führt ebenso wie die uneingeschränkte Verwendung
von technischen Schutzmaßnahmen letztlich zur Monopolisierung der
Rechte an urheberrechtlichen Werken (einem wesentlichen Bestandteil
807
Vgl. BVerfGE 36, 321 (331); zur Kritik an der wenig eindeutigen Begrifflichkeit, Steiner,
Kulturpflege, Rn. 3; ders. VVDStRL 42 (1984), S. 13f..
808 Vgl. bspw. Benda/Maihofer/Vogel – Maihofer, § 25, insb. Rn. 50ff.; Maunz/Dürig –
Scholz, Art. 5 Abs. III, Rn. 8; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 106;
Mangoldt/Klein/Starck – Robbers, Art. 7, Rn. 176; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 12ff..
809 Zum Kulturbegriff in diesem Kontext, Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 59f..
810 Dazu Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 33f.; umfassend auch Palm, S. 145ff.; in diesem
Sinne auch Benda/Maihofer/Vogel – Maihofer, § 25, Rn. 88ff..
811 Palm, S. 145 m.w.N..
812 So Palm, a.a.O..
813 Vgl. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 33; Palm, S. 146 je m.w.N..
814 Zur soziointegrativen Wirkung der individuellen Teilhabe an Kultur, Grimm, VVDStRL 42
(1984), S. 61f., 65f..
815 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 106.
816 Oben unter 1..
181
dessen, was „Kultur“ ausmacht) zugunsten der Urheber, eher noch
zugunsten der Werkmittler. Die Vereinigung von urheberrechtlichen Rechten
alleine in einer Hand konterkariert auf diese Weise ein als Auftrag zur
Verwirklichung
„kultureller
Daseinsvorsorge“
verstandenes
Kulturstaatsprinzip, da die Schaffung angemessener Zugangsbedingungen
schon von vorneherein nicht mehr möglich ist: Der Staat - geschweige denn
der Einzelne - hat es nicht mehr in der Hand, den Zugang zu Kulturgütern
wenigstens mitzubestimmen.
Indes können, wie bei der Sozialstaatlichkeit auch, konkretere Aussagen
nicht getroffen werden, welche für die vorliegend zu untersuchende
gesetzliche Ausgestaltung der privaten Vervielfältigung urheberrechtlich
geschützter Werke von Bedeutung sein könnten. Denn als bloße
Staatzielbestimmung
räumt
die
Kulturstaatlichkeit
einen
weiten
Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber ein817. Ferner
ist auch dem Kulturstaatsprinzip keine subjektive Rechtsposition immanent,
welche dem Werknutzer eine schützenswerte Rechtsposition verleihen
könnte. Schließlich lässt sich das Kulturstaatsprinzip ebenso zugunsten der
Urheber bemühen: Denn die (auch sozialstaatlich gebotene) wirtschaftliche
Existenzsicherung818
von
Urhebern
vor
den
Gefahren
privater
Vervielfältigungstätigkeit lässt sich ebenso als Gebot der Kulturstaatlichkeit
klassifizieren.
3. Zusammenfassung
Zusammenfassend
lässt
sich
die
Relevanz
des
Sozial-
und
Kulturstaatsprinzips für die vorliegende Untersuchung wie folgt beurteilen:
Als Staatszielbestimmungen vermögen Sozial- und Kulturstaatsprinzip keine
konkreten
verfassungsrechtlichen
Vorgaben
für
den
urheberrechtsgestaltenden Gesetzgeber zu bestimmen. Indes bieten sie
eine weitere verfassungsrechtliche Legitimation dafür, den Zugang zu
Kulturgütern und damit die Frage der Vervielfältigung urheberrechtlich
geschützter Werke nicht alleine in die Hände der Rechteinhaber bzw.
817
Vgl. dazu bspw. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 28ff. und S. 35ff..
Allgemein dazu Palm, S. 151ff.; Steiner, Kulturpflege, Rn. 6; Schricker – Schricker, Einl.
Rn. 14.
818
182
Rechteverwerter zu legen. Insoweit gilt es aber zu berücksichtigen, dass
Sozial- und Kulturstaatsprinzip nicht alleine zu Gunsten der Werknutzer
streiten, sondern sich ebenfalls zu Gunsten der Urheber anführen lassen.
183
Teil 5: Der Schutz des Werknutzers durch Vorgaben des Völker- und
Europarechts
Entsprechend den oben in Teil 3 gemachten Ausführungen ist an dieser
Stelle auf den Schutz des Werknutzers durch Vorgaben des Völker- und
Europarechts einzugehen.
A. Völkerrechtlicher Schutz des Werknutzers
Der völkerrechtliche Schutz des Urhebers weist eine bei weitem höhere
Regelungsdichte
auf,
Bedeutungszuwachs
als
des
derjenige
des
Schutzobjekts
Werknutzers819.
„Information“820
Mit
dem
sowie
den
gewandelten technischen Möglichkeiten zu Lasten der Gefährdung der
Privatsphäre der Werknutzer821 dürfte diese Sichtweise indes nicht mehr
angemessen sein.
An völkerrechtlichen Verträgen sollen an dieser Stelle alleine die
einschlägigen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK)822 einer Betrachtung unterzogen werden.
Es wurde bereits geklärt, dass völkerrechtliche Verträge innerstaatlich
rechtsverbindlich und von den Normadressaten zu beachten sind823. Ihnen
kommt der Rang einfacher Gesetze zu824. Auch besteht eine - hier allein
interessierende - verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zur
Umsetzung der Vorgaben völkerrechtlicher Verträge in nationales Recht als
Konsequenz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes825.
819
Vgl. Ausführungen bei Hohagen, S. 49ff., einerseits und S. 125ff., andererseits. Auch in
der sonstigen urheberrechtlichen Literatur findet der Schutz des Werknutzers durch
internationale Rechtsvorschriften kaum bis keine Berücksichtigung. Vgl. bspw. Loewenheim
– Vogel, § 2, Rn. 27ff., 37; Schricker – Schricker, Einl., Rn. 47f..
820 Dazu oben Teil 4, A. III. 3. a).
821 Dazu oben Teil 4, B. I. 2. a) und II. 2. b).
822 Die Bestimmungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR),
insbesondere dessen Art. 27, der ein kulturelles Teilhaberecht des Einzelnen jedenfalls
systematisch über die materiellen Interessen der Urheber stellt, sollen an dieser Stelle
keine Berücksichtigung finden. Denn die AEMR stellt nicht einmal eine verbindliche Norm
des Völkerrechts dar, folglich kann auch nicht von einer wenigstens mittelbaren
verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers an dessen Vorgaben ausgegangen
werden. Umfassend zum gesamten aber Hohagen, S. 125ff..
823 Für die EMRK, Peters, S. 15; allgemein dazu bereits oben Teil 3, A. II..
824 Für die EMRK, Grabenwarter, S. 21.
825 Dazu oben Teil 3, A. II.; die völkerrechtliche Bindung des Privatrechtsgebers anhand der
Vorgaben der EMRK betont Hohagen, S. 131 m.w.N..
184
I. Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers durch Art. 10
EMRK826
Zunächst ist festzuhalten, dass unmittelbar aus der EMRK Verpflichtete nur
die beteiligten Konventionsstaaten sind827, d.h. deren Vorgaben betreffen
zunächst nur das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Dieses ist für die
vorliegende Untersuchung aber nicht von Belang, da es um die
Ausgestaltung eines reinen Privatrechtsverhältnisses geht, also um das
Verhältnis zwischen Bürger und Bürger. Doch verpflichten die Vorgaben der
EMRK die jeweiligen Konventionsstaaten ebenso für deren Durchsetzung
im Verhältnis der Privaten untereinander zu sorgen828. Die Vorgaben der
EMRK beinhalten also ebenso wie die Grundrechte des Grundgesetzes
einen Schutzauftrag an den Privatrechtsgesetzgeber zur Durchsetzung der
Menschenrechte im Verhältnis der Privaten untereinander.
1. Schutzbereich des Art. 10 EMRK
Der Schutzbereich der passiven Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK
umfasst die Freiheit des Einzelnen, sich aktiv um den Erhalt von
Informationen829 zu bemühen830. Hierunter fällt auch die Anfertigung von
Art. 10 EMRK in der (authentischen, vgl. Art. 59 EMRK) englischen Fassung lautet: „(1)
Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold
opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public
authority and regardless of frontiers. This article shall not prevent States from requiring the
licensing of broadcasting, television or cinema enterprises.
(2) The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and responsibilities, may
be subject to such formalities, conditions, restrictions or penalties as are prescribed by law
and are necessary in a democratic society, in the interests of national security, territorial
integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health
and morals, for the protection of the reputation or rights of others, for preventing the
disclosure of information received in confidence, or for maintaining the authority and
impartiality of the judiciary.”.
827 Peters, S. 15 m.w.N..
828 Umfassend dazu Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 13, 55 bis 60, 76 bis 94; Peters, S. 16.
Grundlegend für dieses Verständnis der EMRK das Urteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte vom 13. Juni 1979, EuGRZ 1979, S. 454f..
829 Teilweise wird angenommen, die passive Informationsfreiheit beziehe sich nur auf
„allgemein zugängliche Quellen“, vgl. Grabenwarter, S. 271 m.w.N.. In diesem Sinne
Peters, S. 73; anders hingegen Hohagen, S. 135, Fn. 378. Angesichts der sich dann
stellenden Frage nach der Einordnung DRM-geschützter urheberrechtlicher Werke (vgl.
dazu oben Teil 4, A. I. 2.) ist folgendes anzumerken: Wie im Rahmen des Art. 5 GG ist
auch an dieser Stelle um einer möglichst effektiven Gewährleistung der Schutzfunktion der
passiven Informationsfreiheit willen davon auszugehen, dass der Begriff der „allgemeinen
826
185
Vervielfältigungsstücken zum privaten Gebrauch, da der einmalige rezeptive
Werkgenuss oftmals nicht zur adäquaten Aufnahme der Information
ausreicht. Ferner ist im digitalen Kontext die Vervielfältigung oftmals bereits
Voraussetzung für den einmaligen rezeptiven Werkgenuss 831. Ebenso
wenig
wie
die
Vorgaben
des
Art.
5
GG,
verlangt
die
passive
Informationsfreiheit der EMRK allerdings die Unentgeltlichkeit des Zugangs
zur
Information832,
sprich:
die
Unentgeltlichkeit
der
privaten
Vervielfältigungstätigkeit.
2. Eingriffsverständnis des Art. 10 EMRK
Ein
Eingriff
in
die
passive
Informationsfreiheit
droht
angesichts
urheberrechtlicher Regelungen zur privaten Vervielfältigungstätigkeit von
zwei Seiten.
Jede Form
von
Ausschließungsmöglichkeiten privater
Vervielfältigungsmöglichkeit zugunsten der Urheber - mögen diese rechtlich
durch
die
Ausgestaltung
von
Urheberrechten
als
absoluten
Ausschließlichkeitsrechten für den Bereich der privaten Vervielfältigung
geschaffen werden oder tatsächlich durch die Einführung von Zugangs
kontrollierenden DRM-Systemen - stellt einen Eingriff in das passive
Informationsrecht des Art. 10 EMRK dar.
3. Schranken und Schranken - Schranken des Art. 10 EMRK
Die Schranken der passiven Informationsfreiheit ergeben sich aus Art. 10
Abs. 2 EMRK. Diese müssen demnach auf einer gesetzlichen Grundlage
beruhen, einem der dort genannten Ziele dienen und der erforderlichen
Abwägung der Umstände des Einzelfalls zur Herbeiführung eines
Interessenausgleichs
unter
Beachtung
des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen833.
Zugänglichkeit“ objektiv zu bestimmen sei und so nicht zur Disposition des unmittelbar
verpflichteten Konventionsstaates bzw. der mittelbar verpflichteten Privaten stehe. In
diesem Sinne auch Grabenwarter, a.a.O., m.w.N..
830 Grabenwarter, S. 271 m.w.N.; Villiger, Rn. 611; Macdonald/Matscher/Petzold – Lester,
S. 481f..
831 Hohagen, S. 134; zum Gesamten oben Teil 4, A. I. 3..
832 Hugenholtz, S. 362.
833 Grabenwarter, S. 277ff.; Peters, S. 22ff., 60.
186
Fragen werfen hier alleine die Anforderungen der Schranken - Schranke der
„Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft“ auf, welche einer
Verhältnismäßigkeitsprüfung entspricht834. Einen engeren Prüfungsmaßstab
als die Verhältnismäßigkeitskontrolle nach dem Grundgesetz für Eingriffe in
die
Informationsfreiheit
legt
die
Schranken
-
Schranke
dieser
„Notwendigkeit“ indes nicht an: Das Kriterium der „Notwendigkeit in einer
demokratischen
Gesellschaft“
verlangt
eine
Rechtsgüter-
und
Interessenabwägung, wie sie vergleichbar auch das grundgesetzliche
Verhältnismäßigkeitsprinzip
fordert.
Die
einer
solchen
Abwägung
innewohnenden Wertungsfrage berücksichtigt der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte dergestalt, dass er den Konventionsstaaten einen
Spielraum und Vorrang sowohl bei der Beurteilung835 der maßgeblichen
Interessen und deren Beeinträchtigungen wie auch bei der Wahl seiner
Mittel836 zum Erreichen eines verhältnismäßigen Ausgleichs der beteiligten
Interessen zugesteht. Dies entspricht dem in Art. 60 EMRK niederlegten
Ziel der Konvention, lediglich einen Menschenrechtsmindeststandard zu
gewährleisten837.
Ferner
prüft
der
Europäische
Menschenrechte jedenfalls teilweise die fragliche
Gerichtshof
für
staatliche Maßnahme
nicht im Hinblick auf seine Geeignetheit und Erforderlichkeit838.
Eine engere Verhältnismäßigkeitsprüfung als Schranken - Schranke der
Informationsfreiheit
des
Art.
10
EMRK
als
jene
grundgesetzliche
Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt sich also, dem subsidiären Charakter der
Konvention entsprechend, nicht ableiten.
4. Zusammenfassung
Unabhängig davon, welcher konkrete Kontrollmaßstab bei der Prüfung der
Schranken der passiven Informationsfreiheit letztlich zugrunde gelegt
wird839, ergibt sich für den Schutz der Informationsfreiheit der Werknutzer
nach den Vorgaben der EMRK folgendes Bild:
834
Umfassend dazu Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 659ff..
Sog. „margin of appreciation“; allgemein dazu Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 661; 679ff..
836 Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 707.
837 Vgl. Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 663ff..
838 Dazu Hohagen, S. 137f.m.w.N.; Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 712f..
839 Dazu umfassend Hohagen, S. 136ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
835
187
Der durch die Informationsfreiheit der EMRK gezogene sachliche
Schutzbereich umfasst in gleicher Weise wie die Informationsfreiheit des
GG die private Vervielfältigungstätigkeit. Jedoch sind Schranken und
Schranken - Schranken des Art. 10 Abs. 2 EMRK, die der bundesdeutsche
Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer urheberrechtlichen Regelung zur
privaten Vervielfältigungstätigkeit zu beachten hat, jedenfalls nicht enger als
die durch das Grundgesetz gezogenen840. Eine gesetzliche Regelung,
welche den in Teil 4 herausgearbeiteten grundrechtlichen Anforderungen
der Informationsfreiheit der Werknutzer genügt, genügt demnach auch
denjenigen
der
EMRK.
Für
die
vorliegend
zu
beurteilenden
verfassungsrechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung
des Urheberrechts bezüglich privater Vervielfältigungsmöglichkeit vermögen
demnach die Vorgaben der EMRK keine verbindliche Bedeutung zu
erlangen, bestenfalls die verfassungsrechtlichen Vorgaben des GG
entsprechend zu unterstreichen.
II. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers durch Art. 8 EMRK 841
Der Schutz der Privatsphäre wird durch Art. 8 EMRK gewährleistet.
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
hat die Praxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte, als
Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK auch das Sammeln,
Speichern, Weitergeben und Verarbeiten von Daten fallen zu lassen 842,
ausdrücklich anerkannt843.
Entsprechend den oben gemachten Ausführungen zum Recht auf
informationelle
Selbstbestimmung
nach
den
Vorschriften
des
Grundgesetzes844 ist damit festzuhalten, dass die Möglichkeiten moderner
Datenverarbeitung mittels DRM-Systeme einen Eingriff auch in den
840
In diesem Sinne letztlich Hohagen, S. 139ff..
Art. 8 EMRK lautet: „(1) Everyone has the right to respect for his private and familiy life,
his home and his correspondence.
(2) There shall be no interference by a public authority with the exercise of this right except
such as is in accordance with the law and is necessary in a democratic society in the
interests of national security, public safety or the economic well-being for the country, for
the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals, or for the
protection of the rights and freedoms of others.”.
842 Nachweise bei Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 323, Fn. 71.
843 Nachweise bei Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 324.
844 Dazu oben Teil 4, B. I. 2. a).
841
188
Schutzbereich des Art. 8 EMRK bedeuten845. Zwar ist dieser Eingriff nicht
von staatlicher, sondern vielmehr von privater Seite zu befürchten. Doch mit
der Verpflichtung der Konventionsstaaten die Rechte der EMRK in ihrem
Verhältnis gegenüber ihren Staatsbürgern zu wahren, korrespondiert auch
ein entsprechender Schutzauftrag, diese Rechte auch im Verhältnis der
Privaten untereinander zur Geltung zu bringen846.
Für die vom nationalen Gesetzgeber dabei zu beachtende Schranke des
Art. 8 Abs. 2 EMRK gilt das soeben zu Art. 10 EMRK ausgeführte847: Eine
dem Schutze geistigen Eigentums dienende urheberrechtliche Regelung,
welche einen Eingriff in den Schutzbereich der Privatsphäre darstellt, muss
den Anforderungen an einen verhältnismäßigen Ausgleich der beteiligten
Interessen
genügen.
Unabhängig
davon,
wie
eng
man
den
Prüfungsmaßstab der Schranken des Art. 8 Abs. 2 EMRK dabei konkret
zieht, gilt auch hier, dass jedenfalls ein engerer Maßstab, als derjenige
welcher durch das Grundgesetz gezogen wird, nicht angenommen werden
kann, da die EMRK - wie bereits ausgeführt - von einem Beurteilungs- wie
Gestaltungsvorrang des nationalen Gesetzgebers ausgeht848. Die Vorgaben
des Art. 8 EMRK vermögen daher vorliegend ebenso wenig wie die des Art.
10 EMRK für den, an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des GG
gebundenen
bundesdeutschen
Gesetzgeber
verbindliche
Richtlinien
aufstellen.
B. Europarechtlicher Schutz des Werknutzers
Ähnlich wie auf völkerrechtlicher Ebene, stellt sich der Schutz des
Werknutzers auf europarechtlicher Ebene dar. Rechtspositionen, die
zugunsten des Werknutzers gegenüber dem Urheber in Stellung gebracht
werden können, finden hier kaum Berücksichtigung.
I. Schutz des Werknutzers durch die Info - RL 2001/29 EG
845
So auch Hohagen, S. 144.
Ausdrücklich für die Anerkennung eines staatlichen Schutzauftrags durch den
europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch für den Bereich des Art. 8 EMRK,
Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 337.
847 Oben unter I. 3..
848 Vgl. dazu Villiger, Rn. 553; Wildhaber/Breitenmoser, Rn. 661.
846
189
Die bereits angesprochene Info - RL 2001/29 EG jedenfalls beinhaltet keine
Vorgaben,
welche
dem
Werknutzer
eine
anspruchsbegründende
Rechtsposition gegenüber dem Urheber und dessen Interessen einräumen
würden849. So spricht Art. 5 der Info - RL beispielsweise von „Ausnahmen
und Beschränkungen“ des Vervielfältigungsrechts des Urhebers nach Art. 2,
nicht von Rechten des Werknutzers; auch Art. 6 Info - RL, der der
Durchsetzung dieser Schranken des Art. 5 Info - RL dienen soll, spricht von
den
Werknutzern
als
„Begünstigten“,
nicht
als
Berechtigten.
Die
Erwägungsgründe sprechen in aller Regel ausschließlich vom Schutz des
Urhebers850,
welchen Schutz der
Werknutzer erfährt, findet keine
Berücksichtigung.
Dennoch scheint auch die Info - RL davon auszugehen, dass dem
Werknutzer grundsätzlich ebenso originär rechtsbegründende Positionen
zustehen, ohne diese freilich explizit zu bestimmen oder auch nur zu
benennen. So spricht aber beispielsweise Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 1
Info - RL vom „rechtmäßigen Zugang“, den ein Werknutzer zu einem
urheberrechtlich geschützten Werk haben solle, Erwägungsgrund (31)
spricht vom „Rechts[…]ausgleich zwischen […] Rechtsinhabern und
Nutzern“. Auch in Erwägungsgrund (57) findet sich ein Hinweis auf eine
berücksichtigungsfähige Rechtsposition des Werknutzer, wenn es zu
dessen Gunsten im Rahmen der Implementierung von DRM-Systemen die
Beachtung
von
datenschutzrechtlichen
Grundsätzen
der
Datenschutzrichtlinie 94/46/EG anregt.
II. Der Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers
Nachdem sich auf Grundlage der Info-RL keine für den Gesetzgeber
relevanten Rechtspositionen zu Gunsten des Werknutzers ableiten
849
Zum gesamten, Hohagen, S. 262ff.; so auch Diemar, Digitale Kopie, S. 203, 205, die
ausdrücklich davon ausgeht, dass dem Werknutzer kein urheberrechtlicher
Vervielfältigungsanspruch zustehe (S. 205) und dieses Ergebnis u. a. auch auf ihre Analyse
der Vorgaben der Info - RL stützt (S. 205).
850 Vgl. bspw. Erwägungsgründe (4), (5), (6), (7), (9), (10), (11), (12), (13) und (14), um nur
einige zu nennen.
190
lassen851, ist auf europarechtlicher Ebene nach weiteren Vorschriften des
primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts zu suchen, aus denen sich
berücksichtigungsfähige Rechtspositionen zugunsten des Werknutzers
ableiten lassen.
1. Auf Primärrechtsebene
Der Grundrechtsschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht wird in Art.
6 des Unionsvertrages (EUV) erwähnt. Dessen Abs. 2 zufolge, verpflichten
sich die Mitgliedsstaaten der Union zur Achtung der Grundrechte, wie sie
sich
aus
der
EMRK
und
Gemeinschaftsrechts852
als
allgemeine
ergeben853.
Grundsätze
des
Formen
der
Beide
Grundrechtsgewährleistung stehen auf jeweils gleicher Rangstufe und sind
als
primäres
Gemeinschaftsrecht
Gemeinschaftsrecht
genießen
behandeln854.
zu
beide
Formen
Als
primäres
europäischer
Gemeinschaftsgrundrechte grundsätzlichen Anwendungsvorrang auch vor
nationalem Verfassungsrecht, sprich: vor den grundrechtlichen Regelungen
des Grundgesetzes855.
In den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie sie vom
EuGH
als
allgemeine
Rechtsgrundsätze
richterrechtlich
entwickelt
wurden856, finden sich bislang keine Ausführungen zur Informationsfreiheit
im Sinne einer Informationszugangsfreiheit857, die auf die Gestattung
privater Vervielfältigungstätigkeit Anwendung fände.
Sofern der Grundrechtsschutz nach Maßgabe der Vorgaben der EMRK
erfolgen soll, gilt das bereits oben ausgeführte: Der Grundrechtsschutz des
Art.
10
EMRK
Grundgesetzes858.
geht
jedenfalls
Daher
nicht
ergeben
weiter
sich
als
aus
derjenige
dem
des
primären
Gemeinschaftsrecht keine Vorgaben, die für die vorliegende Untersuchung
851
Kritisch zu diesem Befund auch Hohagen, S. 264f..
Zum Begriff: Oppermann, Europarecht, Rn. 491f..
853 Streinz – Pechstein, Art. 6 EUV, Rn. 8, 10.
854 Oppermann, Europarecht, Rn. 496.
855 Dazu oben unter Teil 3, B. II.; Oppermann, Europarecht, Rn. 497.
856 Streinz – Pechstein, Art. 6 EUV, Rn. 8.
857 Vgl. Rengeling/Sczcekalla, Rn. 713ff..
858 Dazu oben unter A. I..
852
191
beachtlich wären, da die insoweit maßgeblichen Grenzen bereits durch die
Vorgaben des Grundgesetzes gezogen werden.
2. Auf Sekundärrechtsebene
Dasselbe gilt für den Schutz durch Sekundärrecht. Auch hier lassen sich
jenseits der unbestimmten Ausführungen der Info - RL keine Hinweise
finden, welche den Schutz der Informationsfreiheit des Werknutzers zum
Ziel hätten.
III. Der Schutz der Privatsphäre des Werknutzers
1. Auf Primärrechtsebene
Auch hier gilt das bereits zu Art. 6 Abs. 2 EUV Gesagte, nämlich, dass die
Mitgliedsstaaten zur Achtung der Grundrechte, wie sie sich aus der EMRK
und als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben,
verpflichtet sind859. Angesichts des Schutzes durch die EMRK kann auf die
Ausführungen oben verwiesen werden: Die EMRK schafft kein höheres
Schutzniveau als der durch das Grundgesetz gewährleistete Schutz der
informationellen Selbstbestimmung860. Was den Schutz der Privatsphäre
durch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts angeht, ist
festzustellen, dass es auch in dieser Hinsicht an Rechtsfindung durch den
EuGH mangelt861, die weiterführend herangezogen werden könnte.
2. Auf Sekundärrechtsebene
Auf der Ebene des Sekundärrechts hingegen ergibt sich ein anderes Bild.
Umfassenden Schutz erfährt die Privatsphäre im Sinne der Wahrung des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Richtlinie 95/46/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz
natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und
Vgl. Roßnagel – Brühann, 2.4, Rn. 4.
Dazu oben unter A. II..
861 Vgl. Rengeling/Sczcekalla, Rn. 675ff..
859
860
192
zum freien Datenverkehr862 (kurz: DSRL) sowie durch die Richtlinie
97/66/EG des Europäischen Parlament und Rates vom 15.12.1997 über die
Verarbeitung personenbezogener Daten und des Schutzes der Privatsphäre
im Bereich der Telekommunikation863 (kurz: TK - DSRL).
Der
Bundesgesetzgeber
hat
Bundesdatenschutzgesetz864
die
Vorgaben
umgesetzt865.
der
Dieser
DSRL
im
neuen
sekundärrechtlichen
Verpflichtung ist der Gesetzgeber also bereits nachgekommen, so dass sich
hieraus weitere Verpflichtungen bezogen auf die urheberrechtlichen
Regelungen zur privaten Vervielfältigung nicht mehr ableiten lassen 866.
C. Zusammenfassung
Zusammenfassend
lässt
sich
festhalten,
dass
die
Interessen
der
Werknutzer an der Gewährleistung ihrer Informationsfreiheit wie am Schutz
ihrer Privatsphäre auch völker- und europarechtliche Verankerung finden.
Für die vorliegende Untersuchung sind diese Vorgaben allerdings insofern
ohne Bedeutung, als diese Vorgaben allesamt ein niedrigeres Schutzniveau
als diejenigen des Grundgesetzes gewährleisten. Daher bleiben sie in der
vorliegenden
Vorgaben
Untersuchung außen
für
die
Vervielfältigungstätigkeit
vor, denn
urheberrechtliche
lassen
sich
ihnen
rechtlich
verbindliche
Ausgestaltung
nach
privater
Befolgung
der
verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht mehr entnehmen. Freilich aber
verstärken und unterstreichen sie die auf verfassungsrechtlicher Ebene
gefundenen Ergebnisse zum Schutze der Interessen der Werknutzer867.
EG – Abl. L 281 vom 23.11.1995, 31ff..
EG – Abl. L 24 vom 30.01.1998, 1.
864 In der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl. I, S. 66ff..
865 Vgl. Amtl. Anmerkung, ebenda.
866 Eine andere Frage ist freilich die, ob der Schutz, wie er durch das BDSG zugunsten der
Privatsphäre bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewährt wird,
ausreicht, das verfassungsrechtlich zu gewährleistende Schutzniveau zu garantieren. Vgl.
dazu oben Teil 4, B. II. 2. c) cc). Kritisch zu den Möglichkeiten des nationalen
Datenschutzgesetzgebers auch Hohagen, S. 299; die Grenzen des nationalen
Gesetzgebers angesichts der Internationalität der Bedrohung deutet an Schaar, Rn. 71ff..
867 So auch Hohagen, S. 146f..
862
863
193
Teil 6: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die gesetzliche
Ausgestaltung
geschützter
privater
Werke
Vervielfältigungstätigkeit
angesichts
der
urheberrechtlich
Herausforderungen
der
Digitalisierung - Versuch eines Regelungsmodells
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, welche die Digitalisierung
und mit ihr die Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft mit sich
bringt868,
wurden
im
Rahmen
der
bisherigen
Untersuchung
die
Interessenlagen der beteiligten Kreise869 ebenso dargestellt wie die
verfassungsrechtlichen Positionen der Urheber (einschließlich deren völkerund
Überlagerung)870
europarechtliche
und
der
gegenläufigen
verfassungsrechtlichen Positionen der Werknutzer (einschließlich deren
völker- und
verfassungsrechtlichen
Überlagerung)871.
Anhand dieser
Vorgaben soll nun in einem letzten Schritt ein verfassungskonformes Modell
zur Regelung der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu
privaten Zwecken unter Berücksichtigung der Herausforderungen, welche
die zunehmende Digitalisierung mit sich bringt, skizziert werden.
In einem ersten Schritt ist hierfür der systematische Ausgangspunkt dieser
Überlegungen
mitsamt
seinen
Implikationen
auf
den
erforderlichen
Abwägungsprozess zu beleuchten.
A. Systematischer Ausgangspunkt
Systematischer Ausgangspunkt zum Entwurf eines Regelungsmodells der
Vervielfältigung zu privaten Zwecken ist die Eigentumsgarantie des Art. 14
GG.
Denn
Urheberrecht
in
seiner
Bedeutung
als
wirtschaftliches
Verwertungsrecht geistiger Schöpfungen ist Eigentum im Sinne des Art. 14
GG872. Als solches unterliegt das Urheberrecht der Sozialbindung nach Art.
868
Speziell zur Digitalisierung im Hinblick auf private Vervielfältigungstätigkeit, Wiegand, S.
350ff..
869 Oben Teil 1.
870 Oben Teil 2 und 3.
871 Oben Teil 4 und 5.
872 Schricker – Schricker, Einl. Rn. 12, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Hubmann,
Geistiges Eigentum, S. 4f.; Weber, S. 12ff.; Engel, AöR 118 (1993), S. 186; Kreile,
Sozialbindung, S. 252f.; BVerfGE 31, 229; 49, 382; 79, 29; 81, 12.
194
14 Abs. 2 GG873. Daher ist der Gesetzgeber angehalten, im Rahmen seiner
Urheberrechtsgesetzgebung „ein Sozialmodell zu verwirklichen, dessen
normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung
des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und andererseits aus
dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben“874.
Die einfachgesetzliche Ausgestaltung urheberrechtlicher Rechtspositionen
an
der
eigenen
geistigen
Schöpfung
in
Form
urheberrechtlicher
Schrankenbestimmungen zur Regelung privater Vervielfältigungstätigkeit
stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S.2 GG
dar875. Dies verlangt vom Gesetzgeber zunächst, die schutzwürdigen
Belange der beteiligten Interessengruppen, wie sie oben herausgearbeitet
wurden, in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu
bringen, also dem Gebot gerechter Abwägung unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
Folge
zu
leisten876.
Sofern
das
verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis dieses Abwägungsvorgangs indes
zu unzumutbaren Auswirkungen zu Lasten des geistigen Eigentümers führt,
sind diese im Wege von Ausgleichsregelungen zu dessen Gunsten
entsprechend zu kompensieren877.
B.
Die
Vervielfältigungsfreiheit
zu
privaten
Zwecken
als
verfassungsrechtliche Notwendigkeit
Die herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben zugunsten der
Urheber wie zugunsten der Werknutzer führen zu einer Grundrechtskollision
- verstärkt und ergänzt durch das Sozial- und Kulturstaatsprinzip als
Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 1 m. w. N.; umfassend auch Pahud,
Sozialbindung.
874 So BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); vgl. auch BVerfGE 31, 229 (241). Zum gesamten
Fechner, S. 239; Hohagen, S. 276f.; Wendt, S. 299f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
308.
875 Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 44; Diemar, GRUR 2002, S. 590; Loewenheim –
Götting, §. 3 Rn. 3; BVerfGE 31, 229 (241); 49, 382 (393f.); 79, 29 (42); vgl. auch Pahud,
Sozialbindung, S. 81.
876 Vgl. BVerfGE 25, 112 (117ff.); 31, 229 (242); 58, 300 (335); 79, 174 (198); 100, 226
(240f.); Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310ff., 315ff. je m.w.N.; Leinemann, S. 70;
Leisner, Eigentum, Rn. 143ff.; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Wendt, S. 306f..
877 Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42;Pahud,
Sozialbindung, S. 81; letztlich auch Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Leisner, Eigentum,
Rn. 151f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262; BVerfGE 100, 226
(243f.).
873
195
verfassungsrechtliche Staatszielbestimmung. Diese ist im Rahmen der
Güterabwägung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu einem verhältnismäßigen
Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz878 zu bringen879, um somit alle
betroffenen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter zu optimaler
Wirksamkeit gelangen zu lassen. Dem einen oder anderen Grundrecht
dabei von vorneherein einen höheren Rang als anderen Grundrechten
einzuräumen,
kommt
nicht
in
Betracht:
Denn
die
Inhalts-
und
Schrankenbestimmung muss sowohl der Eigentumsgarantie wie der
Sozialbindung gerecht werden. Insbesondere eine Bevorzugung der
vermögensrechtlichen Komponente des Eigentumsrechts zugunsten des
Urhebers
würde
sozialgebundenen
der
verfassungsrechtlichen
Eigentums
nicht
gerecht880.
Vorstellung
Allenfalls
ist
des
der
Informationsfreiheit angesichts des Bedeutungswandels, welchem das
Rechtsgut „Information“ in den letzten Jahrzehnten unterworfen war, eine
gewisse Präferenz zuzugestehen881, ohne dass dies freilich das konkrete
Abwägungsergebnis vorwegnehmen würde.
I. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Güterabwägung
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Angesichts
der
geschilderten
Bedrohung
der
wirtschaftlichen
Verwertungsrechte an urheberrechtlich geschützten Positionen durch die
Möglichkeiten privater Vervielfältigung, wie sie insbesondere durch die
Digitalisierung geschaffen wurde882, bildet der Schutz des Urhebers (bzw.
der Werkmittler) in vermögensrechtlicher Hinsicht den Ausgangspunkt der
erforderlichen Güterabwägung. Dieser wird durch Art. 14 GG gewährleistet.
a) Schutz der Urheber und Werkmittler
878
Zu dessen inhaltlichen Vorgaben umfassend Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84.
Vgl. Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 82, 8; Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 3.
880 Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 306 m.w.N..
881 Dazu oben Teil 4, A. III. 3. a); auch das Bundesverfassungsgericht gesteht in seiner
Judikatur den Kommunikationsgrundrechten eine gewisse Vorrangstellung zu, vgl. dazu
Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84, IV. 4. m.w.N..
882 Dazu oben Teil 1, B. I.; Wiegand, S. 351.
879
196
Dem Leistungsprinzip als Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen
Eigentumsgarantie folgend, hat die Freiheitsgarantie des Art. 14 GG die
materielle Basis der individuellen Freiheitsbetätigung als notwendige
Ergänzung anderweitig gewährleisteter grundrechtlicher Freiheiten zu
schaffen und zu sichern. Dies setzt in jedem Falle voraus, dass dem
Schöpfer
die
vermögensrechtliche
Zuordnung
und
wirtschaftliche
Verwertung seiner geistigen Leistung, dem Objekt seines geistigen
Eigentums, vorbehalten bleibt883. Anders als beim Sacheigentum impliziert
diese Prämisse aber nicht, dass dem Inhaber geistigen Eigentums auch
zwingend die uneingeschränkte Verfügungsfreiheit über den Gegenstand
seines
geistigen
Eigentums
in
Form
eines
absoluten
Ausschließlichkeitsrechts zugeordnet werden muss884. Denn die bloße
Nutzung immaterieller Güter durch Dritte hat unter der Prämisse, dass der
Inhaber geistigen Eigentums hierfür eine wirtschaftliche Vergütung erfährt im Gegensatz zur Nutzung materieller Eigentumsobjekte - keinen die
Eigentumsfunktion aushöhlenden Charakter885. Eine verfassungsrechtliche
Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art. 14 GG kann sich demnach nur
dahingehend ergeben, dass er die angemessene wirtschaftliche Verwertung
des
verfassungsrechtlichen
Schutzguts
zu
Gunsten
des
geistigen
Eigentümers gewährleistet886.
Die gleiche Abwägungsprämisse ergibt sich aus der für den Urheber
streitenden Kunstfreiheit: Auch hier verbietet der geschützte Kernbereich
des Art. 5 Abs. 3 GG einen Eingriff in die wirtschaftliche Verwertbarkeit des
urheberrechtlich geschützten Ergebnisses künstlerischer Betätigung. Nicht
hingegen untersagt die Kunstfreiheit den Eingriff in Verfügungsfreiheit über
das Ergebnis der betätigten Kunstfreiheit887.
Ein
uneingeschränktes,
Urhebers
an
seinem
Ausschließlichkeitsrechts
ausschließliches
Werk
wird
also
im
nicht
Vervielfältigungsrecht
Sinne
schon
des
eines
absoluten
von
denjenigen
883
Vgl. BVerfGE 31, 229 (240f.); 49, 382 (394); Kreile, Sozialbindung, S. 256f..
Dazu oben Teil 2, B. III..
885 Vgl. Fechner, S. 220; Reinhardt, S. 39; Roeber, S. 26.; gegen eine Gleichsetzung von
geistigem mit Sacheigentum mit der Konsequenz eines absoluten Ausschließlichkeitsrechts
auch bereits BT – Drucksache IV/270, S. 63.
886 BVerfGE 81, 12 (17).
887 Zum gesamten oben Teil 2, D. II..
884
197
verfassungsrechtlichen Vorgaben verlangt, die zugunsten des Urhebers
angeführt werden können.
Auch die Berücksichtigung der Interessen der Werkmittler ergibt kein
anderes Bild. Den Werkmittlern steht ein eigenes (im Falle des Verlegers
indes
abgeleitetes888)
Leistungsschutzrecht
hinsichtlich
des
Vervielfältigungsrechts an den jeweiligen urheberrechtlichen Werkformen
zu889. Die damit vermittelten ausschließlichen Nutzungsrechte an den
jeweiligen Werkformen stellen somit eigentumsrechtliche Positionen der
Werkmittler dar, welche dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterliegen890.
Hat
allerdings
bereits
der
Urheber
Einschränkungen
in
seine
Verfügungsmacht über sein Urheberrecht zugunsten der Werknutzer zu
dulden, so muss dies - argumentum a fortiori - auch für die erst nachfolgend
berechtigten
gelten891.
Werkmittler
Eine
weitergehende
verfassungsrechtliche Schutzpflicht als gegenüber dem Urheber kann
gegenüber dem Werkmittler nicht angenommen werden, zumal sich der
Werkmittler nur auf seine wirtschaftlichen, nicht aber auf seine ideellen
Interessen berufen kann892. Die Schranken, welche sich der Urheber
gefallen lassen muss, müssen auch für den Werkmittler Anwendung finden.
b) Schutz der Werknutzer
Die Berücksichtigung der kollidierenden, verfassungsrechtlich geschützten
Interessen
auf
Seiten
der
Werknutzer
hingegen
findet
ihre
verfassungsrechtliche Rechtfertigung zum einen in der Sozialpflichtigkeit
geistigen Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. Diese verlangt, das
Individualinteresse des Eigentümers und die berechtigten Interessen der
Werknutzer an einer möglichst unbeeinträchtigten Nutzung geistigen
Eigentums einem angemessenen Ausgleich zuzuführen893. Je intensiver
888
Dazu Schricker, Verlagsrecht, § 8, Rn. 1; Schack, Rn. 1007.
Für den Hersteller von Tonträger, vgl. dazu Schricker – Vogel, § 85, Rn. 10f. m.w.N.; für
den Hersteller von Filmwerken, Schricker – Katzenberger, § 94, Rn. 1 m.w.N..
890 Für das Vervielfältigungsrecht der Hersteller von Tonwerken, BVerfGE 81, 12 (Leitsatz).
891 Vgl. BVerfGE 81, 12 (19).
892 Vgl. BVerfGE, a. a. O..
893 Vgl. Maunz, GRUR 1973, S. 108; Hohagen, S. 281.
889
198
dabei der Allgemeinbezug der Nutzung geistigen Eigentums 894, je
elementarer (in verfassungsrechtlich relevanter Hinsicht) dabei jene
Allgemeininteressen sind, desto stärker sind diese Interessen im Rahmen
des vorzunehmenden Ausgleichs zu berücksichtigen895.
Doch nicht alleine die Sozialpflichtigkeit der Eigentumsgarantie verlangt die
Berücksichtigung
verfassungsrechtlich
geschützter
Interessen
der
Werknutzer: Die geschilderten Bedrohungen für die Informationsfreiheit
durch eine denkbare Ausgestaltung des Urheberrechts als absolutes
Ausschließlichkeitsrecht im Bereich privater Vervielfältigung, wie auch durch
die technischen Möglichkeiten sog. DRM-Systeme zur Kontrolle privater
Vervielfältigungstätigkeit führen vor dem Hintergrund der gesteigerten
Bedeutung
der
Informationsfreiheit
im
verfassungsrechtlichen
Gesamtkontext896 darüber hinaus zu einer grundrechtlichen Schutzpflicht
des Gesetzgebers897. Die Informationsfreiheit verlangt demnach im Bereich
des reinen Privatrechtsverkehrs die Möglichkeit der Vervielfältigung
urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken 898. Dieses
verfassungsrechtliche Postulat gilt unbesehen der Möglichkeiten, welche
sich dem Werknutzer angesichts der Digitalisierung bieten899.
c) Schlussfolgerung
Die Ausgestaltung des urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts als
absolutes Ausschließlichkeitsrecht zugunsten des Urhebers mit der
Konsequenz eines Verbotes privater Vervielfältigungstätigkeit kommt daher
nicht in Betracht. Diese bedeutete nämlich einen Eingriff in den
Dazu BT - Drucksache X/837, S. 9: „Die Berechtigung bestimmter Einschränkungen des
Urheberrechts ergibt sich aus den Tatsache, dass der Urheber seine schöpferische
Tätigkeit nicht losgelöst von seiner Umwelt, sondern eingebunden in seinen Kulturkreis und
auf der Grundlage des Kulturschaffens vergangener Generationen entfaltet. Andererseits
ist der Urheber auf die Annahme und Aufnahme seines Werkes durch seine Zeitgenossen
angewiesen. Kulturelle Schöpfung bedarf deshalb stets eines gegenseitigen Gebens und
Nehmens. Dem Recht des Urhebers an der Nutzung seines Werkes steht daher das Recht
der Allgemeinheit an dem ungehinderten Zugang zu den Kulturgütern gegenüber.“.
895 Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 312 m.w.N..
896 Dazu oben Teil 4, A. III. 3. a).
897 Zum Gesamten oben Teil 4, A. III. 3..
898 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Starck, Art. 5, Rn. 51; Münch/Kunig – Wendt, Art. 5, Rn. 29
je m.w.N.; Langer, Informationsfreiheit, S. 124; in diesem Sinne auch Metzger/Kreutzer,
MMR 2002, S. 142.
899 Vgl. Hohagen, S. 313f..
894
199
Wesensgehalt der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit zu
Lasten der Werknutzer. Denn angesichts der zunehmenden Bedeutung der
Information für den Einzelnen als Teil der sich Bahn brechenden
Informationsgesellschaft, angesichts auch der stetigen Zunahme von
Information
und
deren
Verfügbarkeit,
stellt
die
Möglichkeit
der
Vervielfältigung zu privaten Zwecken unabdingbare Voraussetzung zur
adäquaten Verarbeitung von Information und damit zur Meinungsbildung
wie zur Persönlichkeitsentfaltung überhaupt dar. Auch bringt die technische
Entwicklung mit sich, dass die Vervielfältigung in zunehmendem Maße
(auch) Voraussetzung für den bloß rezeptiven Werkgenuss wird.
Verstärkt wird dieses verfassungsrechtlich legitimierte Interesse der
Werknutzer durch das Sozialstaatsprinzip. Demnach hat der Gesetzgeber
nicht nur für die Gewähr verfassungsrechtlich verbürgter Positionen der
Werknutzer zu sorgen, vielmehr muss er auch dafür Sorge tragen, dass die
Durchsetzung von Verfassungspositionen ebenso faktisch möglich ist. Die
Ausgestaltung
urheberrechtlicher
Vervielfältigungsrechte
als
absolute
Ausschließlichkeitsrechte im Bereich privater Vervielfältigung zugunsten der
Urheber würde dieses sozialstaatliche Postulat konterkarieren. Denn dem
Werknutzer wären von vorneherein in rechtlicher Hinsicht die Möglichkeiten
zur Durchsetzung seiner soeben beschriebenen verfassungsrechtlich
abgesicherten Position beschnitten: So wäre im Falle der Ausgestaltung der
Vervielfältigungsfreiheit
als
Zwangslizenz900
(was
dem
Urheber
ein
absolutes Ausschließlichkeitsrecht verschaffen würde) die Nutzung des
Werkes (zum Zwecke privater Vervielfältigung) ohne vorherige Einwilligung
des Urhebers auch dann rechtswidrig, wenn der Urheber seine Einwilligung
zu Unrecht versagt hätte. Mit anderen Worten läge die Ausübung der
verfassungsrechtlich
legitimierten
Vervielfältigungsfreiheit
zu
privaten
Zwecken weitgehend in den Händen des Urhebers, von einer sozialstaatlich
geforderten Chancengleichheit zur Durchsetzung verfassungsrechtlich
legitimierter Werknutzerinteressen könnte nicht die Rede sein901.
Dazu Schricker – Melichar, Vor §§ 45ff., Rn. 29ff..
Die Gefahr einer „Privatisierung“ des Rechtsschutzes durch die Ausgestaltung des
Vervielfältigungsrechts als rechtliches oder (mittels DRM-Technologie) faktisches
Ausschließlichkeitsrecht beschreibt umfassend Bechtold, S. 370f., 384ff..
900
901
200
Der
Gesetzgeber
ist
also
kraft
verfassungsrechtlichem
Postulat902
verpflichtet, die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu
privaten Zwecken zuzulassen.
2. Rechtspolitische Erwägungen
Rechtspolitische Bestätigung findet dieses verfassungsrechtliche Postulat
der
Zulassung
privater
Vervielfältigung
in
Erwägungen
zum
verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre.
Im Bereich analoger wie digitaler, aber offline vertriebener Werke wäre die
Durchsetzung eines Verbots der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch
nicht durchsetzbar, ohne dass es zu einem Konflikt mit der Privatsphäre
käme903. Denn jedenfalls für die genannten Bereiche gilt, was bereits bei der
Verabschiedung des UrhG von 1965 Geltung beanspruchte904: Nämlich,
dass die Kontrolle oder Verhinderung privater Vervielfältigung nur mit einem
unverhältnismäßigen Eingriff in den häuslichen Lebensbereich möglich
wäre905.
Im digitalen Online-Kontext wiederum gebietet die Bedrohung des Rechts
auf informationelle Selbstbestimmung906 den gebotenen Schutz der
Werknutzer: Nur die gesetzliche Freigabe der Vervielfältigung zu privaten
Zwecken
vermag dem Werknutzer die
Werknutzung zu
verschaffen und
Möglichkeit der anonymen
so vor ungeliebter Verarbeitung
personenbezogener Daten zu schützen907.
902
So Hohagen, S. 607; im Ergebnis auch Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, 767ff.
(769f.); Hoeren, Verbraucherschutz, S. 21ff.; Lindhorst, S. 158; Kröger, Informationsfreiheit,
S. 223f.; Ott, ZRP 1985, S. 13; Geiger, Beschränkungen, S. 148 unter Hinweis auf Art. 27
Abs. 1 AEMR; ausdrücklich anders dagegen Bundesministerium der Justiz in seiner
Presseerklärung
vom
9.
September
2004,
S.
2
(abrufbar
unter
http://www.bmj.bund.de/media/archive/749.pdf am 11.11.2004); Berger, ZUM 2004, 257ff.
(264); Ulmer-Eilfort S. 286; Diemar, GRUR 2002, 578ff. (592); Goldmann/Liepe, ZUM 2002,
362ff. (364ff.).
903 Hohagen, S. 311, 608; vgl. auch Schricker, Informationsgesellschaft, S. 165f.; Schack,
ZUM 2002, S. 499.
904 Nachweise bei Maracke, S. 475, Fn. 550; S. 492, Fn. 645.
905 So bereits BVerfGE 31, 255 (268); 81, 12 (19). Hierin freilich die „entscheidende Zäsur,
welche die teilweise Vorenthaltung der Verfügungsmacht rechtfertigt“ (BVerfGE 81, 12 (19))
zu erblicken, erscheint m. E. durchaus fragwürdig. Die materielle Ausgestaltung eines
Rechts von dessen faktischen Durchsetzbarkeit abhängig zu machen, mag ein
rechtspolitisches, aber kein (zwingendes) rechtliches Argument sein. Vgl. dazu auch
Wiegand, S. 348ff..
906 Dazu umfassend oben Teil 5, C..
907 In diesem Sinne auch Hohagen, S. 423.
201
Und letztlich gilt es rechtspolitisch weiterhin zu berücksichtigen, dass auch
im
Rahmen
digitaler
Werknutzung
ein
effektiver
technischer
Schutzmechanismus nur schwer zu erreichen, wenn nicht unmöglich ist.
Digitale Kopien werden sich faktisch also kaum verhindern lassen 908. Vor
diesem
Hintergrund
würde
Vervielfältigungsrechts
zugunsten
des
zu
schließlich
einem
Urhebers
-
die
„Rückentwicklung“
absoluten
was
des
Ausschließlichkeitsrecht
die
Verwendung
von
Kopierschutzmechanismen zur Regel machen würde - auch deren eigenen
wirtschaftlichen Interessen widersprechen. Denn konsequenterweise könnte
bei
einer
solchen
Vergütungsanspruch
gesetzlichen
vorgesehen
Ausgestaltung
werden,
mit
kein
der
gesetzlicher
Folge,
dass
Rechteinhaber an den dann rechtswidrig hergestellten privaten Kopien nicht
wirtschaftlich partizipieren könnten909.
3. Internationale Vorgaben
Auch
widerspricht
Schutzauftrags
an
die
den
Annahme
Gesetzgeber
eines
zur
verfassungsrechtlichen
Gewährleistung
eines
Vervielfältigungsrechts zu privaten Zwecken nicht den internationalen
Vorgaben, welche völkerrechtliche Verträge und Europarecht an den
nationalen Gesetzgeber stellen.
a) Vorgaben des Völkerrechts
Auf völkerrechtlicher Ebene sind zunächst die Vorgaben der RBÜ zu
beachten. Diese gestatten allerdings den nationalen Gesetzgebern in Art. 9
Haber, e. al., S. 224: „We conclude that given the current and foreseeable state of
technologie the content protection features of DRM are not effective at combating piracy.“;
so beispielsweise auch die Stellungnahme der ifpi (International Federation of the
Phonographic Industry): „Kopierschutzsysteme verhindern das Kopieren nicht gänzlich aber
sie
erschweren
es
für
die
meisten
Nutzer.“,
abrufbar
unter
http://www.ifpi.de/service/kopierschutz.htm (abgerufen am 22. Juni 2005); ferner Deutscher
Multimedia – Verband (dmmv), Erste Schlussfolgerungen der Verbände auf Grundlage der
Ergebnisse der Gutachten zu den `Anforderungen an die gesetzliche Regulierung zum
Schutz digitaler Inhalte unter Berücksichtigung der Effektivität technischer
Schutzmechanismen`, September 2002: „Technische Schutzmechanismen sind - isoliert
betrachtet - auch mittelfristig nur rudimentär geeignet, digitale Güter, wie Audio-, Video- und
Softwareinhalte effektiv vor Piraterie zu schützen.“, abrufbar unter http://www-sec.uniregensburg.de/drm/vprtdmmvfolgerungen.pdf (abgerufen am 22. Jun. 2005).
909 Dazu Hohagen, S. 425f..
908
202
RBÜ eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des
Urhebers zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer zu privaten
Zwecken.
Denn
eine
solche
Durchbrechung
ausschließlicher
Vervielfältigungsrechte des Urhebers stellt jedenfalls so lange keinen
Verstoß gegen den Dreistufentest des Art. 9 Abs. 2 RBÜ dar, als der
Rechteinhaber
für
diesen
Eingriff
in
seine
wirtschaftlichen
Verwertungsinteressen im Wege gesetzlicher Lizenz nicht beeinträchtigt
wird und hierfür einen angemessenen Ausgleich erhält910. Die RBÜ lässt
also
die
Reduzierung
des
grundsätzlich
ausschließlichen
Vervielfältigungsrechts des Urhebers an seinem Werk zu einer gesetzlichen
Lizenz zugunsten privater Vervielfältigungsfreiheit zu, sofern der Urheber
hierfür wirtschaftliche Kompensation erhält911.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorgaben des TRIPS - Abkommens
wie des WCT912.
Art. 9 des TRIPS - Abkommens inkorporiert die Vorgaben der RBÜ
hinsichtlich möglicher Schranken urheberrechtlicher Verwertungsrechte an
Vervielfältigungsmöglichkeiten
zu
privaten
Zwecken,
ohne
an
den
materiellen Vorgaben der RBÜ etwas zu ändern 913. Denn der Dreistufentest
ist im Rahmen des TRIPS - Abkommens genauso zu interpretieren, wie im
Rahmen der RBÜ914. Gleiches gilt im Ergebnis für den WCT: Das hierin
grundsätzlich ausschließlich gewährte Verwertungsrecht der Urheber ist
ebenso auszulegen wie dasjenige der RBÜ. Dies gilt auch im Hinblick auf
die Vorgaben des Dreistufentests915. Folglich erlaubt auch der WCT den
Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der Urheber zugunsten
einer gesetzlichen Lizenz der Werknutzer zur Anfertigung privater
Vervielfältigungsexemplare.
b) Vorgaben des Europarechts
910
Dazu oben Teil 3, A. III. 1..
Reinbothe, WCT, S. 260; Hohagen, S. 117; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10 WCT,
Rn. 23; Senftleben, CR 2003, S. 919.
912 Dazu oben Teil 3, A. III. 2. und 3..
913 Vgl. Hohagen, S. 85ff.; in diesem Sinne auch Reinbothe, ZUM 1996, S. 739.
914 Hohagen, S. 94f. m.w.N..
915 Vgl.. Lewinski, CR 1997, S. 440; dies., GRUR Int. 1997, S. 673.
911
203
Auf der Ebene des europäischen Rechts gestatten die Vorgaben der Info RL 2001/29/EG916 ebenso die Einräumung der Vervielfältigungsfreiheit der
Werknutzer zu privaten Zwecken. Die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2
lit. a) Info - RL gestattet eine nationale Ausnahme vom ausschließlichen
Vervielfältigungsrecht des Urhebers nach Art. 2 Info - RL zugunsten
reprographischer Vervielfältigungen ohne dabei auf den Zweck der
Vervielfältigung abzustellen917. Jede andere Form der Vervielfältigung sofern diese auf private Zwecke beschränkt bleibt - gestattet ausdrücklich
Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL, ohne dabei nach der Art der Vervielfältigung zu
fragen. Analoge wie digitale Kopie sind demnach gleichermaßen als
nationale Schranke des Vervielfältigungsrechts des Urhebers zulässig918.
4. Ergebnis
Zusammenfassend
bleibt
festzuhalten,
dass
dem
Gesetzgeber
die
verfassungsrechtliche Pflicht obliegt, die Vervielfältigung urheberrechtlich
geschützter Werke zu privaten Zwecken auf urheberrechtlicher Basis zu
gestatten. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um eine analoge
oder digitale Werkvorlage
handelt.
Denn
der verfassungsrechtliche
Schutzauftrag zugunsten der Informationsfreiheit der Werknutzer gebietet
die ausreichende Sicherung dieses Grundrechts auf einfachgesetzlicher
Ebene.
Nur
durch
die
uneingeschränkte
Zulassung
der
Vervielfältigungsfreiheit bleibt es dem Einzelnen auch in Zukunft ermöglicht,
in gesicherter und ausreichender Weise am Kommunikationsprozess der
Informationsgesellschaft teilzunehmen, um so an der kollektiven wie
individuellen
Meinungsbildung
als
Grundlage
unseres
pluralistisch
fundierten und demokratisch legitimierten Gemeinwesens wie als Basis
persönlicher Freiheitsentfaltung zu partizipieren.
Verfassungsrechtlich ermöglicht wird dieser Schutzauftrag durch die offene
Ausgestaltung
des
in
Art.
14
Abs.
1
S.
2
GG
vorgesehenen
Interessensausgleichs zwischen der Privat- und Gemeinnützigkeit geistigen
916
Dazu oben Teil 3, B. III..
Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 112; Bayreuther, ZUM 2001, S. 830; Schippan, ZUM
2001, S. 119. Ausgenommen hiervon ist lediglich die Vervielfältigung von Notenblättern.
918 Vgl. Bayreuther, ZUM 2001, S. 831; Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR
Int. 2001, S. 739; Kröger, CR 2001, S. 319f..
917
204
Eigentums. So verlangt der verfassungsrechtliche Schutz geistigen
Eigentums
gerade
nicht,
zugunsten
des
Urhebers
ein
absolutes
Ausschließlichkeitsrecht im Hinblick auf die Vervielfältigung seines Werkes
aufzustellen. Der Gesetzgeber hat lediglich dafür Sorge zu tragen, dass
dem Urheber die wirtschaftliche Verwertung seines geistigen Eigentums
erhalten bleibt.
Auch Kultur- und Sozialstaatsprinzip unterstützen dieses Ergebnis, indem
sie die Schaffung und Gewährleistung kultureller Daseinsvorsorge im Sinne
eines gewissen kulturellen Mindeststandards für alle Bevölkerungsschichten
verlangen.
II. Ausgestaltung
Wenn in einem ersten Schritt festgestellt wurde, dass das Recht zur
Privatkopie als verfassungsrechtliche Notwendigkeit vom Gesetzgeber
zuzulassen ist, knüpft sich hieran unmittelbar die Frage an, wie ein solches
Recht zur Privatkopie im Einzelnen inhaltlich ausgestaltet werden soll.
1. Zum Begriff des „privaten Gebrauchs“
Zunächst ist nach dem Begriff des „privaten Gebrauchs“ bzw. nach dessen
personeller Reichweite in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu fragen.
a) Begriff des „privaten Gebrauchs“ unter der Geltung des bisherigen
§ 53 Abs. 1 UrhG
Unter der Geltung des bisherigen § 53 Abs. 1 UrhG ist es ganz einhellige
Meinung, dass das Recht zur Privatkopie nicht nur das Recht umfasst, für
sich selber, also für die Person des Vervielfältigenden mehrere919
Vervielfältigungsexemplare herzustellen, sondern dass eine Kopie auch
dann zu privaten Zwecken erfolge, wenn sie den „durch ein persönliches
919
Anknüpfend an BGH GRUR 1978, S. 476 (m.w.N.) geht die ganz h. M. davon aus, dass
die Fertigung von maximal 7 Vervielfältigungsexemplaren zum privaten Gebrauch die
Grenze der Zulässigkeit bilde, vgl. bspw. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14 m. w. N.;
umfassend Wiegand, S. 204ff..
205
Band
verbundenen
Personen“920
zugute
käme.
Kurz:
Die
private
Vervielfältigung darf demnach auch für Familienangehörige oder Freunde
vorgenommen werden.
Doch lässt sich eine Rechtfertigung für diese Auslegung des Begriffs vom
„privaten Gebrauch“ in den zitierten Fundstellen921 nicht finden. Erst die
Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs. 2 LUG, welcher die Vervielfältigung
literarischer oder tonkünstlerischer Werke zu privaten Zwecken zum
Gegenstand hatte, lassen eine Begründung erkennen. So würde den
„geistigen Interessen des Volkes und dem häusliche Leben“ nicht gedient,
wenn
das
Vervielfältigungsexemplar
nicht
nahe
stehenden
Dritten
überlassen werden könne922. Denn nicht jeder sei in der Lage, selber eine
solche
Vervielfältigung
Überlassung
durch
vorzunehmen,
den
weswegen
Vervielfältigenden
an
die
schenkweise
Freunde
und
Familienmitglieder möglich bleiben müsse923.
Diese Argumentation vermag m. E. indes nicht recht verfangen. Denn hier
wird bereits der Ausgangspunkt falsch gewählt. Das Argument, nicht jeder
sei zur Vervielfältigung gleichermaßen (technisch oder manuell) imstande,
ist keine Frage des „Weitergebens“ von Vervielfältigungsstücken, sondern
eine
Frage,
ob
der
Vervielfältigende
den
Kopiervorgang
selber
bewerkstelligen muss oder ob er diesen auch in die Hände Dritter legen
darf. Dies aber ist keine Frage des Begriffs vom „privaten Gebrauch“,
sondern
eine
Frage,
welche
Person
das
Vervielfältigungsexemplar
herstellt924.
b) Eigene Begriffsbestimmung
So Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 12; Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 13 je
m.w.N.; Flechsig, GRUR 1993, S. 535; vgl. auch BGHZ 8, 88 (96); Ulmer, S. 299; BT –
Drucksache IV/270, S. 70.
921 Dazu soeben vorherige Fußnote.
922 Reichstagsdrucksache 10. Legislaturperiode, II.
Session 1900/1901, Nr. 214
(Kommissionsbericht zum Entwurf des LUG), S.23.
923 Vgl. Reichstagsdrucksache 10. Legislaturperiode, II. Session 1900/1901, Nr. 214
(Kommissionsbericht zum Entwurf des LUG), a.a.O..
924 Zu dieser Fragestellung, Hohagen, S. 330ff.; ferner sogleich unter 2..
920
206
Aus der verfassungsrechtlichen Perspektive betrachtet, lassen sich indes
keine Gründe finden, weshalb der „private Gebrauch“ auch die Weitergabe
an nahe stehende Dritte gestatten sollte925.
Seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet das Recht auf Vornahme
privater
Vervielfältigungen
urheberrechtlicher
Werke
in
der
Informationsfreiheit der Werknutzer, verstärkt durch das Sozialstaatsprinzip
sowie rechtspolitischen Erwägungen zum Schutz der Privatsphäre. Danach
ist das Recht zur privaten Vervielfältigung zur Gewährleistung und
Sicherung der Informationsfreiheit des jeweiligen Werknutzers geboten. Es
ist
aber
abzulehnen,
Informationsbedürfnis
des
dem
verfassungsrechtlich
Werknutzers
auch
abgesicherten
ein
eventuelles
Informationsbedürfnis Dritter - und seien diese auch Nahestehende zuzuordnen. Denn die Informationsfreiheit schützt gerade das Recht, sich
selbst, nicht aber Dritte, zu informieren926. Auch liegt es nahe, in der
Weitergabe urheberrechtlicher Werke an Dritte einen Eingriff in das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Urhebers zu erblicken, da diesem dann
nicht mehr die Entscheidung darüber zusteht, wem er sein Werk zugänglich
machen will927.
Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL, welche die Vervielfältigung
zu
privaten
Zwecken
zum
Gegenstand
hat,
bestätigt
diese
verfassungsrechtlich determinierte Auslegung. Denn wenn unter dem dort
genannten „usage privé“ nur die ganz persönliche Nutzung928, also der
Gebrauch innerhalb der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher
Bedürfnisse zu verstehen ist, dann liegt es schon begrifflich nahe, die
Weitergabe an Dritte929 nicht mehr als „ganz persönliche Nutzung“ in
So deutlich an sich auch BT - Drucksache X/837, S. 9: „Das geltende Urheberrecht sieht
[…] als Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers vor, dass
ohne seine Zustimmung Vervielfältigungen zum persönlichen - d.h. privaten - oder zum
sonstigen eigenen Gebrauch gestattet sind (§§ 53, 54 UrhG). In beiden Fällen dürfen nur
einzelne Vervielfältigungsstücke hergestellt werden, die überdies einem Verbreitungsverbot
unterliegen. Der Begriff „eigener Gebrauch“ erfasst alle Fälle, in denen jemand
Vervielfältigungsstücke zur eigenen Verwendung und nicht zur Weitergabe an Dritte
herstellt oder herstellen lässt.“.
926 So BVerfGE 27, 71 (81); 27, 104 (108f.).
927 Dazu oben Teil 2, C..
928 So KOM (97), 628 endg., S. 34 zitiert nach Hohagen, S. 228, Fn. 360.
929 Die Frage der Weitergabe ist zu unterscheiden, von der Frage, wer das
Vervielfältigungsexemplar erstellt (dazu unten sub b)); offenbar wurde dieser Punkt auch im
europäischen Gesetzgebungsverfahren nicht differenziert behandelt. Denn der Vorschlag
des Parlaments in erster Lesung, dass der private Gebrauch immer eine strikt persönliche
925
207
diesem Sinne zu verstehen. Eine systematische Auslegung dieser Vorschrift
bestätigt diese grammatische Interpretation. Denn dem Begriff vom
„privaten Gebrauch“ muss innerhalb dieser Vorschrift eine weitere
Bedeutung zukommen als diejenige, lediglich die Verfolgung kommerzieller
Zwecke auszuschließen. Andernfalls würde das in Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info RL genannte zusätzliche Erfordernis, dass die Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch „weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“
vorgenommen werden dürfte, eine bloße Floskel darstellen930, weil ein
geschäftliches Verhalten des Vervielfältigenden bereits durch den Begriff
des „privaten Zwecks“ ausgeschlossen wäre 931. Somit erscheint es
jedenfalls nicht abwegig, der Formulierung des „privaten Gebrauchs“ im
Falle der Info - RL eine Bedeutung beizumessen, welche über die
Abgrenzung zur Vervielfältigung zu kommerziellen Zwecken hinausgeht und
damit die Vervielfältigungsfreiheit nur dem Werknutzer zu dessen eigenen
Verwendung zuzugestehen, ohne die Weitergabe an (nahe stehende) Dritte
zu gestatten.
Mangels verfassungsrechtlich legitimierbarer Interessen der durch die
bisherige Auslegung vom „privaten Gebrauch“ privilegierten „durch ein
persönliches Band [mit dem Werknutzer] verbundenen Personen“ erscheint
es daher angesichts der dann überwiegenden Interessen der Urheber an
der ungeschmälerten wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes nicht
angebracht,
an
einer
Auslegung
des
Begriffs
„privater
Gebrauch“
festzuhalten, welche die Weitergabe an nahe stehende Dritte gestattet 932.
Es wird an dieser Stelle dafür plädiert, den Begriff des „privaten Gebrauch“
ausschließlich auf die Verwendung der Vervielfältigungsexemplare durch
den Werknutzer zu beschränken und nicht deren Weitergabe an Dritte zu
gestatten.
Verwendung sein müsse, wurde so nicht aufgegriffen. Durch die gewählte Formulierung
sollte stattdessen der Fall erfasst sein, dass eine dritte Person für eine andere die Kopie
erstellt, vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739. Dabei wird aber nicht klar, ob dies den Fall
der Weitergabe eines eigenen Vervielfältigungsexemplars umfassen soll oder lediglich den
Fall der Herstellung der Kopie durch Dritte, also nicht durch den Werknutzer.
930 So Bayreuther, ZUM 2001, 832.
931 In diesem Sinne auch Hohagen, S. 229f..
932 Kritisch zu dieser Auslegung des Begriffs vom „persönlichen Gebrauch“ in § 15 Abs. 2
LUG (der dem „privaten Gebrauch“ in der Diktion des § 53 Abs. 1 UrhG entspricht) bereits
Allfeld, S. 145ff. (insbesondere S. 147f.).
208
2. Zur Person des Vervielfältigenden
Die derzeit geltende Regelung des Urheberrechts lässt in § 53 Abs. 1 S. 2
UrhG die Herstellung von Vervielfältigungsstücken durch andere als den
eigentlichen
Werknutzer
ausdrücklich
zu,
jedenfalls
sofern
die
Vervielfältigung unentgeltlich erfolgt933. Der Gesetzgeber wollte mit dieser
Regelung erreichen, dass ein einmal zugestandenes Vervielfältigungsrecht
nicht dadurch entwertet wird, dass es dem berechtigten Werknutzer
tatsächlich nicht möglich ist, von seinem Recht mangels technischer
Vervielfältigungsmöglichkeit Gebrauch zu machen934.
Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist diese Regelung nicht zu
beanstanden, im Gegenteil die Vervielfältigung durch Dritte ausdrücklich zu
fordern.
Das Sozialstaatsprinzip verlangt vom Gesetzgeber die Förderung und
Gewährleistung grundrechtlicher Chancengleichheit935, die Umsetzung des
grundrechtlichen Wertesystems in die Verfassungswirklichkeit936. Der Staat
ist demnach angehalten, die strukturellen Voraussetzungen faktischer
Chancengleichheit zur Ausübung grundrechtlich verbürgter Freiheiten zu
schaffen und zu sichern. Diesem Gebot der Herstellung faktischer
Chancengleichheit widerspräche es, die Möglichkeit zur Vornahme von
Vervielfältigungen
urheberrechtlich
geschützter
Werke
als
Ausfluss
individueller Informationsfreiheit rechtlich davon anhängig zu machen, ob
der Vervielfältigende selbst die wirtschaftlich-technischen Möglichkeiten zur
Vervielfältigung in der Hand hätte oder diese bei einem Dritten suchen
müsste. Denn die rechtliche Absicherung grundrechtlich verbürgter
Freiheiten kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der einzelne
auch faktisch in der Lage ist, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen.
Demjenigen,
der
Geltendmachung
schon
seiner
aufgrund
Freiheiten
tatsächlicher
erschwert
ist,
Umstände
auch
noch
die
von
vorneherein den gebotenen rechtlichen Schutz seiner Grundfreiheiten zu
Dazu bspw. Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 15f.; Möhring/Nicolini – Decker, § 53,
Rn. 10; umfassend Wiegand, S. 230ff..
934 Hintergrund war die Überlegung, dass sich nicht jeder Haushalt ein (damals noch sehr
kostspieliges) Kopiergerät würde leisten können. Vgl. dazu BT - Drucksache IV/270, S. 72,
74.
935 Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 105f. m.w.N..
936 BVerfGE 33, 303 (331) mit Verweis auf BVerwGE 27, 360.
933
209
verwehren, ist mit dem Gedanken der Grundrechte als Schutzgebote
schwer vereinbar.
Rechtspolitisch lässt sich weiterhin einwenden, dass es in der Praxis schon
nicht
kontrollierbar
sein
dürfte,
ob
nun
der
Werknutzer
das
Vervielfältigungsstück auf einem fremden Vervielfältigungsgerät in persona
erstellt oder er diesen Vorgang einem Dritten überlässt, der in Besitz eines
solchen Gerätes ist. Zu Recht stellt die geltende urheberrechtliche Regelung
daher zur Beurteilung der Frage, wer die Vervielfältigung tatsächlich
herstellt, nicht auf die Person ab, welche den Vervielfältigungsprozess
technisch
steuert,
sondern
auf
diejenige,
die
sich
des
Vervielfältigungsvorgangs zum Zwecke der eigenen Werknutzung kraft
eigener
Organisationshoheit
über
Gegenstand
und
Umfang
der
Vervielfältigung bedient937.
Auch die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2, lit. b) Info - RL lässt die
Vervielfältigung zum privaten Gebrauch durch dritte Personen zu938, was
sich aus Entstehungsgeschichte wie Wortlaut der Bestimmung folgern
lässt939
Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist es also angebracht, auch in
Zukunft die Vervielfältigung durch Dritte - der bisherigen Regelung des § 53
Abs. 1 UrhG entsprechend - zu privaten Zwecken zuzulassen.
3. Zur zulässigen Anzahl der Vervielfältigungsexemplare
Eine weiter zu beachtende Frage ist diejenige nach der zulässigen Anzahl
der zu fertigenden Vervielfältigungsexemplare940.
Ausgehend von der Gesetzesbegründung des UrhG von 1965941 wird die
Frage nach der konkreten Anzahl der in § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG gestatteten
„einzelnen Vervielfältigungsstücke“ derzeit ganz überwiegend mit 7
Vgl. dazu BGHZ 141, 13 (21): „Werknutzer ist nicht, wer die Nutzung technisch
bewerkstelligt, sondern derjenige, der sich des technischen Vorgangs zum Zwecke der
Werknutzung bedient.“. Dazu auch Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 15, 19.
938 Übereinstimmend Spindler, GRUR 2002, S. 112; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739;
Bayreuther, ZUM 2001, S. 832; Kröger, CR 2001, S. 320; Mayer, CR 2003, S. 277.
939 Ausführlich dazu Hohagen, S. 230f..
940 Überblick zur geltenden Rechtslage bei Nippe, GRUR Int. 1995, S. 202ff.; Wiegand, S.
218ff..
941 Vgl. BT - Drucksache IV/270, S. 73; grundlegend dazu BGH GRUR 1978, S. 474ff..
937
210
Vervielfältigungsstücken
beantwortet942.
Doch
die
für
die
Ziffer
7
vorgebrachten Begründungen lassen darauf schließen, dass es sich dabei
um eine mehr oder minder willkürliche
zahlenmäßige Ausfüllung eines
unbestimmten Rechtsbegriffs handelt943.
Angesichts
der
Herausforderungen,
welche
die
Möglichkeiten
der
Digitalisierung mit sich bringt, ist es demnach angebracht, diese nicht als
Dogma zu betrachtende944 zahlenmäßige Begrenzung einer erneuten
Beurteilung aus verfassungsrechtlicher Perspektive zu unterwerfen945.
Ausgangspunkt
einer
eigenen
verfassungsrechtlich
determinierten
Bestimmung der Anzahl zulässiger Vervielfältigungsexemplare ist die
Zweckbestimmung, zu deren Erfüllung die Vervielfältigung erfolgt 946.
Verfassungsrechtlich formuliert stellt sich also die Frage, welche Anzahl von
Vervielfältigungsexemplaren verhältnismäßig erscheint, das im wesentlichen
aus der Informationsfreiheit abgeleitete Recht auf Privatvervielfältigung
zugunsten des Werknutzers ausreichend zu gewährleisten.
Die
Gewährleistung
privater
Vervielfältigungsfreiheit
als
verfassungsrechtliche Notwendigkeit, stellt sich in erster Linie als Folge des
Schutzgebots der Informationsfreiheit an den Gesetzgeber dar. Die
Informationsfreiheit
der
Werknutzer
würde
in
ihrem
Wesensgehalt
beeinträchtigt, würde die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nicht durch
Dazu Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14 m. w. N..
Vgl. Rehbinder, Rn. 256: „…was bleibt dem Richter angesichts dieses ‚genialen’
Gesetzestextes anderes als Willkür übrig!“. Auch die grundlegende Entscheidung des BGH
vom 14. April 1978 (BGH GRUR 1978, 474, 476) ergibt insoweit kein klares Bild: Denn das
Gericht schließt dabei lediglich aus, dass nicht mehr als sieben Vervielfältigungsexemplare
hergestellt werden können, ohne dabei allerdings festzustellen, dass nicht bereits eine Zahl
darunter schon nicht mehr vom Begriff „einzelner Vervielfältigungsstücke“ umfasst sei. Vgl.
auch den amtlichen Leitsatz der Entscheidung, der davon spricht, dass man „jedenfalls die
Zahl von 7 Exemplaren nicht überschreiten“ (Hervorhebung durch den Verfasser) dürfe.
Auch die amtliche Begründung in BT - Drucksache IV/270, S. 73, bietet allenfalls einen
Hinweis. Bezug nehmend auf die Vervielfältigung zum „sonstigen eigenen Gebrauch“
(heute § 53 Abs. 2 UrhG) beschränkt sich der Gesetzgeber darauf festzustellen, es
erscheine „unter den heutigen technischen Möglichkeiten unwirtschaftlich, fünf oder sechs
Exemplare einer Zeitschrift zu kaufen, nur um einen darin enthaltenen, wenige Seiten
umfassenden Aufsatz mehrfach zu erhalten.“.
944 So Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14; vgl. auch Wandtke/Bullinger, Erg. Band –
Lüft, § 53, Rn. 10.
945 Auch Nippe, GRUR Int. 1995, S. 204, sieht angesichts veränderter Bedingungen durch
die Digitalisierung die Notwendigkeit des Überdenkens der bisherigen Lösung. Hohagen, S.
618, möchte „vor dem Hintergrund der gewandelten technischen Möglichkeiten im digitalen
Umfeld“ die Anzahl zulässiger Vervielfältigungsexemplare auf eines beschränken.
946 Diesem methodischen Ansatz folgen auch (freilich nicht aus verfassungsrechtlicher
Perspektive) Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14; Nippe, GRUR Int. 1995, S. 204;
Möhring/Nicolini – Decker, § 53, Rn. 8.
942
943
211
entsprechende urheberrechtliche Regelung ermöglicht947. Andernfalls bliebe
von der verfassungsrechtlichen Garantie der Informationsfreiheit nicht viel
übrig.
Der Gewährleistung verfassungsrechtlich garantierter Informationsfreiheit
der Werknutzer ist aber genüge getan, wenn diesem lediglich jeweils948 ein
einziges
Vervielfältigungsexemplar
zugestanden
wird949.
Durch
die
Gewährung der Vervielfältigung zu privaten Zwecken soll dem Werknutzer
die
Möglichkeit
verschafft
werden,
in
heutigen
Anforderungen
entsprechender Weise Informationen aufzunehmen und entsprechend zu
verarbeiten. Hierfür ist es allerdings ausreichend, wenn ihm lediglich ein
Vervielfältigungsexemplar zur Verfügung steht, da ihm damit eine
permanente Rezeptionsmöglichkeit an die Hand gegeben ist, über die er frei
von äußeren Umständen nach eigenem Gutdünken verfügen kann. In der
tatsächlichen Ausübung der ihm zustehenden Informationsfreiheit, also dem
(ggf. wiederholten) rezeptiven Genuss eines urheberrechtlich geschützten
Werkes, ist er damit nicht mehr an vertragliche oder technische Vorgaben
des Informierenden gebunden.
Angesichts
der
entgegenstehenden
berechtigten
Interessen
der
Rechteinhaber erscheint es nicht mehr erforderlich, dem Werknutzer mehr
als ein Vervielfältigungsexemplar zuzugestehen. Denn der mit der
Vervielfältigungsfreiheit
verfolgte
Zweck,
die
Informationsfreiheit
der
Werknutzer zu wahren, wird bereits mit der Erstellung bloß eines
Vervielfältigungsexemplars gewahrt950.
947
Dazu soeben unter I. 1. c).
Dies soll heißen, dass dem Werknutzer nicht über einen längeren Zeitraum hinweg
mehrere Vervielfältigungsexemplare zugestanden werden sollen. Mit dieser Formulierung
soll das Problem technisch bedingter (also für den rezeptiven Werkgenuss
notwendiger)Vervielfältigung beispielsweise auf Proxy-Cache, Festplatten-Cache oder RAM
umgangen werden. Denn hier entstehen schon durch den bloßen Werkgenuss mehrere,
aber nur temporär verfügbare Vervielfältigungsexemplare; dazu bereits Hackemann, GRUR
1982, S. 264f..
949 So auch Hohagen, S.618; in diesem Sinne auch Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14:
„…während für den Gebrauch durch die eigene Person meist ein einziges Exemplar
genügt…“; ähnlich Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Lüft, § 53, Rn. 10;
Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht, 9. Auflage – Nordemann, § 53, Rn. 3 plädieren
beispielsweise mit einem Wortlautargument für eine Obergrenze von 3
Vervielfältigungsstücken; anders aber noch die Vorauflage, Nordemann/Vinck/Hertin,
Urheberrecht, 3. Auflage – Nordemann, § 53, Rn. 5 a. E.: „Erlaubt ist die Herstellung
einzelner Exemplare, also in der Regel 1 Stück.“; offengelassen bei Möhring/Nicolini –
Decker, § 53, Rn. 8.
950 Vgl. dazu auch die Begründung für die Anzahl von 7 Vervielfältigungsexemplaren bei
Nippe, GRUR 1995, S. 204; Schricker – Loewenheim, § 53, Rn. 14: Hier wird jeweils darauf
948
212
4. Zum rechtlichen Schutz technischer Schutzmaßnahmen
Der gefundene verfassungsrechtlich gebotene Interessenausgleich, der die
Vervielfältigung zu privaten Zwecken durch den Werknutzer zulässt 951, sieht
sich durch die Möglichkeit der Rechteinhaber, ihre Werkstücke durch
technische Schutzmaßnahmen vor unliebsamen Vervielfältigungen zu
schützen952, in Frage gestellt. Denn technische Schutzmaßnahmen legen es
faktisch in die Hände der Rechteinhaber über Art und Umfang der Nutzung
des Werkes durch den Rezipienten zu entscheiden, ohne sich dabei um
diejenigen gesetzgeberischen Wertungen kümmern zu müssen, wie sie in
den urheberrechtlichen Schranken zur zugunsten privater Vervielfältigung
zum Ausdruck kommen953. Unter dem Banner des erforderlichen Schutzes
von Urheberrechten kann so mit Hilfe technischer Schutzmaßnahmen jede
gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit
ausgehebelt werden. Zu befürchten steht eine „Privatisierung“ des
Rechtsschutzes
gegen
verfassungsrechtlich
Urheberrechtsverletzungen,
geforderten
ohne
Interessenausgleich
dabei
den
zwischen
den
Beteiligten zu wahren954.
a) Verfassungsrechtlicher Rahmen
abgestellt, dass für die Weitergabe von Vervielfältigungsexemplaren innerhalb des
Freundes- und Familienkreises durchaus 7 (oder auch mehr) Kopien zur Befriedigung
dieses „privaten Gebrauches“ erforderlich seien. Wenn man aber die Weitergabe an Dritte
auch innerhalb des Freundes- und Familienkreises ablehnt (vgl. oben unter a)), dann kann
konsequenterweise dieses Argument auch nicht für eine Begründung oder Erweiterung der
Anzahl zulässiger Vervielfältigungsexemplare herangezogen werden.
951 Oben unter I..
952 Zu den technischen Grundlagen solcher Schutzmaßnahmen, Wand, S. 7ff..
953 Vgl. Geiger, GRUR Int. 2004, S. 821; Hilty, GRUR 2005, S. 820; Spindler, GRUR 2002,
S. 115; Mayer, CR 2003, S. 278. Als Schlagwort für diese Gefahr steht der „Code as Code“,
d.h. das technische Programm, welches Umfang und Inhalt des Vervielfältigungsschutzes
determiniert, bestimmt damit auch über die Vervielfältigungsrechte der Werknutzer, nicht
mehr die einschlägigen Vorschriften des UrhG. Der Progammiercode wird also zur
kodifikatorischen Regelung erhoben, die Technik schafft ihr eigenes Urheberrecht.
Grundlegend dazu Lessig, S. 19ff..
954 Dazu Lessig, S. 240ff.; Bechtold, S. 439ff.; Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 139; BT Drucksache XV/38, S. 26f.: „Diese Ausgewogenheit [eines ausgewogenen Verhältnisses
zischen den berechtigten Interessen der Urheber und denjenigen der Allgemeinheit] geriete
für das digitale Umfeld in Gefahr, wenn im Anwendungsbereich technischer
Schutzmaßnahmen gemäß § 95 a ein umfassender und weit in das Vorfeld verlagerter
Schutz gewährt würde, ohne zugleich als Äquivalent ein hinreichendes Instrumentarium zur
wirksamen Durchsetzung von Nutzungsmöglichkeiten für die Begünstigten von Schranken
zu garantieren.“.
213
Ausgangspunkt der Fragestellung bildet dabei die Feststellung der
verfassungsrechtlichen
Pflicht
des
nationalen
Gesetzgebers,
die
Vervielfältigung zu privaten Zwecken auf urheberrechtlicher Basis gesetzlich
anzuerkennen955.
Um
diese
verfassungsrechtlich
determinierte
Wertentscheidung nicht zu unterlaufen, muss hiermit auch ein Schutzauftrag
dahingehend korrespondieren, die Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer
auch
gegenüber
technischen
Schutzmaßnahmen
durchsetzungsstark
auszugestalten956.
Dies
ist
letztlich
Sozialstaatsprinzips957:
ein
Gebot
Dieses
des
verlangt
verfassungsrechtlichen
die
Umsetzung
des
grundrechtlichen Wertesystems in die Verfassungswirklichkeit958 und damit
die Schaffung faktischer Chancengleichheit dergestalt, dass für den
Begünstigten einer grundrechtlich abgesicherten Position - in diesem Fall
der durch die Informationsfreiheit berechtigte Werknutzer - auch eine reale
Möglichkeit
bestehen
muss,
diesen
verfassungsrechtlich
verbürgten
Anspruch Wirklichkeit werden zu lassen959.
b) Europarechtliche Vorgaben
Die verfassungsrechtliche Vorgabe, eine Verpflichtung der Rechteinhaber
gesetzlich festzulegen, mit deren Hilfe die Werknutzer von der ihnen
eingeräumten Vervielfältigungsfreiheit auch tatsächlich Gebrauch machen
können, wird durch europarechtliche Vorgaben teilweise überlagert.
Art. 6 Abs. 1 Info - RL verpflichtet die Mitgliedsstaaten, einen
angemessenen Rechtsschutz gegen Akte der Umgehung wirksamer
955
Dazu oben unter I..
Hohagen, S. 510f.; an dieser Stelle darauf zu hoffen, die Rechteinhaber werden freiwillig
dafür Sorge tragen, dass Werknutzer von der ihnen kraft Verfassung zustehenden
Vervielfältigungsfreiheit nicht durch technische Schutzmaßnahmen gehindert würden,
erscheint angesichts des anhaltenden Widerstands der Rechteinhaber gegen die
Privatkopie (vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 113) mehr als unwahrscheinlich. Aus
europarechtlicher Sicht dazu Erwägungsgrund (52) zur Info - RL, nach dem die
Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, „Maßnahmen [zu] ergreifen, damit die
Begünstigten der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung sie tatsächlich nutzen
können“. Vgl. auch Linnenborn, K&R 2001, S. 399f.; Metzger/Kreutzer, MMR 2003, S. 139.
957 Dazu oben Teil 4, C. III. 1..
958 BVerfGE 33, 303 (331) mit Verweis auf BVerwGE 27, 360.
959 Vgl. BVerfGE 1, 109 (111); 56, 139 (143).
956
214
technischer Schutzmaßnahmen vorzusehen. Art. 6 Abs. 4 Info - RL
wiederum ist als Gegengewicht zu Abs. 1 konzipiert. Mit dieser Regelung
soll verhindert werden, dass die Schranken des Art. 5 Abs. 2, 3 Info - RL
(welche dem nationalen Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 2 lit. a und b Info - RL
die Vervielfältigung zu privaten Zwecken ermöglichen) dadurch leer laufen,
dass sich diese Schranken nicht gegenüber den rechtlich geschützten
technischen Schutzmaßnahmen durchsetzen können960.
aa) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Info - RL961
In Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Info - RL ordnet die Richtlinie (u.a.) die
Durchsetzung der Schranke des Art. 5 Abs. 2 lit. a Info - RL
(Vervielfältigungsfreiheit auch zu privaten Zwecken ausschließlich im Wege
der
Reprographie)
gegenüber
technischen
Schutzmaßnahmen
der
Rechteinhaber als zwingend an962. Der nationale Gesetzgeber ist insoweit
also zur Umsetzung in nationales Recht gezwungen. Ein Ergebnis, welches
sich mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gesetzgeber
deckt: Denn auch diese verlangen vom Gesetzgeber, dass sich das Recht
auf private Vervielfältigung gegenüber technischen Schutzmaßnahmen
durchsetzen muss963.
bb) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Info - RL964
960
Vgl. Mitteilungen der Kommission an das Europäische Parlament, Dok. SEK (2000)
1734 vom 20.10.2000, S. 10 zitiert nach Reinbothe, GRUR Int 2001, S. 741, Fn. 47; Dreier,
ZUM 2002, S. 36.
961 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 der Info – RL lautet: „Werden von Seiten der Rechtsinhaber
freiwillige Maßnahmen, einschließlich Vereinbarungen zwischen den Rechtsinhabern und
anderen betroffenen Parteien, nicht ergriffen, so treffen die Mitgliedstaaten ungeachtet des
Rechtsschutzes nach Absatz 1 geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die
Rechtsinhaber dem Begünstigten einer im nationalen Recht gemäß Artikel 5 Absatz 2
Buchstaben a), c), d), oder e) oder Absatz 3 Buchstaben a), b) oder e) vorgesehenen
Ausnahme oder Beschränkung die Mittel zur Nutzung der betreffenden Ausnahme oder
Beschränkung in dem für die Nutzung der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung
erforderlichen Maße zur Verfügung stellen, soweit der betreffende Begünstigte rechtmäßig
Zugang zu dem geschützten Werk oder Schutzgegenstand hat.“.
962 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 741; Meyer, CR 2003, S. 279; Linnenborn, K&R 2001, S.
399.
963 Dazu soeben unter a).
964 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Info – RL lautet: „Ein Mitgliedstaat kann derartige
Maßnahmen auch in Bezug auf den Begünstigten einer Ausnahme oder Beschränkung
gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) treffen, sofern die Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch nicht bereits durch die Rechtsinhaber in dem für die Nutzung der betreffenden
Ausnahme oder Beschränkung erforderlichen Maße gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b)
215
Anders hingegen Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Info - RL. Dieser gibt den
Mitgliedsstaaten vor, dass sie die Schranke der (übrigen) privaten
Vervielfältigung
(also
außerhalb
des
reprographischen
Vervielfältigungsverfahrens) nach Art. 5 Abs. 2 lit. b Info - RL gegenüber
technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark ausgestalten können;
im Gegensatz zu Unterabs. 1 sind die Mitgliedsstaaten aber zu einer
solchen Durchsetzung der Privatkopierschranke gegenüber technischen
Schutzmaßnahmen
verfassungsrechtliche
nicht
verpflichtet965.
Vorgabe
an
den
Allerdings
nationalen
gilt
es
hier
die
Gesetzgeber
zu
beachten, der zufolge die Privatvervielfältigungsschranke gegenüber
technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark auszugestalten ist966.
Von der europarechtlich eingeräumten Wahlfreiheit in diesem Bereich kann
der Gesetzgeber also keinen Gebrauch machen, da er insoweit zwingender
grundgesetzlicher Bindung unterliegt967.
cc) Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL968
Besonderer Betrachtung bedarf indes die
Vorschrift des Art. 6 Abs. 4
Unterabs. 4 Info - RL. Nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften der Art.
6 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Info - RL nicht für solche Werke und
Schutzgegenstände, welche der Öffentlichkeit aufgrund einer vertraglichen
Vereinbarung in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass sie
Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich
sind.
Der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift bezieht sich nach dem
europäischen Gesetzgeber auf interaktive online-Dienste auf Abruf969.
und Absatz 5 ermöglicht worden ist; der Rechtsinhaber kann dadurch nicht gehindert
werden, geeignete Maßnahmen in Bezug auf die Zahl der Vervielfältigungen gemäß diesen
Bestimmungen zu ergreifen.“.
965 Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 742; Mayer, CR 2003, S. 279; vgl. auch
Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 139.
966 Dazu soeben unter a).
967 So im Ergebnis auch Hohagen, S. 511; 626f..
968 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 der Info - RL lautet: „Die Unterabsätze 1 und 2 gelten nicht für
Werke und sonstige Schutzgegenstände, die der Öffentlichkeit aufgrund einer vertraglichen
Vereinbarung in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der
Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“.
216
Andere online-Dienste sollen hingegen nicht unter den Anwendungsbereich
des Unterabs. 4 fallen970. „Interaktive online-Dienste auf Abruf“ sind vor
allem die sog. on-demand-Dienste971, mithin also eine Form des
e-Commerce, deren wirtschaftliche Bedeutung bereits jetzt beträchtlich ist
und in Zukunft noch weiter zunehmen wird 972. Nicht hierunter zu
subsumieren
sind
hingegen
Dienste
wie
Pay-per-View
oder
Video-on-Demand973.
Inhaltlich räumt diese Vorschrift den genannten Diensten die Möglichkeit
ein,
sich
gezielt
den
Schrankenbestimmungen
zugunsten
der
Vervielfältigungsfreiheit (welche durch Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Info RL vor „technischer Aushebelung“ geschützt werden sollen) zu entledigen.
Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift haben im elektronischen
Geschäftsverkehr
Vereinbarungen
der
Vorrang
genannten
vor
dem
online-Dienste
Schutz
der
vertragliche
urheberrechtlichen
Schrankenbestimmungen zugunsten der Vervielfältigungsfreiheit: Wer also
bei einem entsprechenden online-Angebot einer Vereinbarung zustimmte,
nach deren Inhalt die Vervielfältigung zu privaten Zwecken ausgeschlossen
wäre,
könnte
sich
nicht
mehr
auf
sein
gesetzlich
vorgesehenes
Vervielfältigungsrecht berufen974. Im Ergebnis würde diese Vorschrift dazu
führen,
dass
Werknutzer
faktisch
durch
vertraglich
vereinbarte
Kopiersperren an der verfassungsrechtlich verbürgten Anfertigung von
privaten
Vervielfältigungsstücke
gehindert
würden975:
Denn
der
online-Werknutzer hat in aller Regel nicht die Möglichkeit, einzelne
Nutzungsbedingungen mit dem Inhalteanbieter auszuhandeln, stattdessen
ist er darauf verwiesen, solcherlei formularmäßige Vertragsbedingungen im
Wege einer sog. „click-wrap licence“ zu akzeptieren oder eben keinen
Zugang zu dem so gleichermaßen vertraglich wie technisch geschützten
Werk zu erhalten976.
969
So die Stellungnahme der Kommission vom 29.03.2001, KOM (2001) 170, S. 3
(abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/regdoc/liste.cfm?CL=de, am
8.Juli 2005).
970 Vgl. Stellungnahme der Kommission vom 29.03.2001, KOM (2001) 170, S. 3.
971 Mayer, CR 2003, S. 280; Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 742; Hohagen, S. 250f..
972 Vgl. Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Dreier, ZUM 2002, S. 37.
973 Mayer, CR 2003, S. 280; Hohagen, S. 250.
974 Vgl. Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 742.
975 Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Mayer, CR 2003, S. 281.
976 Vgl. Hohagen, S. 253.
217
(a) Verfassungsmäßigkeit des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info-RL?
Eine solche faktische Konsequenz des Art. 6 Absatz 4 Unterabs. 4 Info-RL
sieht
sich
freilich
verfassungsrechtlichen
in
einem
Schutzauftrag
Wertungswiderspruch
zur
Wahrung
zum
privater
Vervielfältigungsfreiheit der Werknutzer977.
Zugunsten der Abdingbarkeit des Rechts auf Privatvervielfältigung im Wege
formularvertraglicher
Vereinbarungen
allerdings
lässt
sich
aus
verfassungsrechtlicher Sicht der Grundsatz der Privatautonomie ins Feld
führen. Dieser garantiert eine verfassungsrechtliche Vermutung gegen
gesetzliche,
zwingende
Regulierungen
von
privatrechtlichen
Verhältnissen978: Denn jede gesetzliche privatrechtliche Regelung stellt
einen Widerspruch gegen das der Privatautonomie innewohnende Prinzip
der
Selbstbestimmung
und
Selbstverantwortung
dar979.
Der
verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Staat entfaltet sich indes auch
in denjenigen Privatrechtsbeziehungen, die durch Ungleichgewichtigkeiten
beider Seiten gekennzeichnet sind. Also gerade dort, wo private Macht ähnlich wie sonst nur staatliche Macht - durch monopolartige Stellung
individualfreiheitsgefährdend
Privatrechtsverkehr
ist
wirksamen
und
Schutz
nicht
durch
individueller
den
sonst
Freiheit
im
durch
Wettbewerb konterkariert wird980.
Da
der
formularvertragliche
Ausschluss
eines
Rechts
auf
Privatvervielfältigung der Werknutzer in den Anwendungsfällen des Art. 6
Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL den Regelfall darstellen dürfte981, mithin
faktisch kaum eine Möglichkeit für den einzelnen Werknutzer besteht, sein
verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf Vornahme einer privaten
Vervielfältigung in die Tat umzusetzen, ist von einer strukturellen Schieflage
zwischen beiden Seiten dieses Privatrechtsverhältnisses auszugehen.
Daher kann der verfassungsrechtliche Schutzauftrag zugunsten der
977
Oben unter I. und II. 4. a).
Zum Gesamten Schmitt Glaeser, Privatsphäre, Rn. 90ff..
979 Vgl. Stern, Grundrechte, § 76, III. 2. b).
980 Vgl. Stern, Grundrechte, § 76, IV. 8. e).
981 Kröger, CR 2001, S. 323; Mayer, CR 2003, S. 280; Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S.
141; im Ergebnis auch Hohagen, S. 253.
978
218
Informationsfreiheit nicht hinter dem Grundsatz der Privatautonomie
zurücktreten. Die Regelung des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL ist also
bei diesem Lichte nicht mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 5
GG vereinbar982.
(b) Verfassungskonforme Auslegung
Bevor nun die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift des europäischen
Sekundärrechts und dessen Konsequenzen festgestellt werden, ist
vorrangig nach der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des
Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL zu fragen983. Die Vorschrift spricht von
„Werke[n]
[…],
die
der
Öffentlichkeit
aufgrund
einer
vertraglichen
Vereinbarung […] zugänglich gemacht worden sind“. Vor dem Hintergrund
des Schutzzwecks dieser Vorschrift ist diese Formulierung durchaus
auslegungsfähig984.
Erwägungsgrund (53) der Info - RL beschreibt den Sinn des rechtlichen
Schutzes technischer Maßnahmen damit, „ein sicheres Umfeld […] für die
Erbringung interaktiver Dienste auf Abruf“ zu gewährleisten. Allerdings ist
nicht ohne weiteres einsichtig, warum ein online geliefertes Werkstück einen
anderen Schutzmaßstab verdienen sollte, als ein offline geliefertes
Werkstück985.
Oder
mit
anderen
Worten,
weshalb
allein
die
Distributionsform eines urheberrechtlich geschützten Werkes über dessen
Schutzfähigkeit entscheiden sollte986. Dies erschiene schon vor dem
Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes überaus zweifelhaft, würde
982
In diesem Sinne auch Geiger, GRUR Int. 2004, S. 821, der urheberrechtliche Schranken
zugunsten der Werknutzer aufgrund ihrer Verkörperung und Konkretisierung
„demokratischer Grundwerte“ als zwingendes Recht ausgestaltet wissen will.
983 Allgemein zum Vorrang verfassungskonformer Auslegung, Hesse, Rn. 79ff. mit
zahlreichen weiteren Nachweisen.
984 Vgl. identische Ansätze bei Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Linnenborn, K&R
2001, S. 400f.; Hohagen, S. 251; die Wortlautgrenze betonend hingegen Mayer, CR 2003,
S. 281.
985 Hohagen, S. 252.
986 Das identische Werkstück könnte im Wege der online-Distribution mit einem
Kopierschutz versehen werden, womit dem Regelungsgehalt des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4
Info - RL zufolge dem Werknutzer auch die rechtliche Möglichkeit (entsprechende
vertragliche Abbedingung vorausgesetzt) zur privaten Vervielfältigung genommen wäre.
Anders wenn er sich das identische Werkstück offline verschaffen würde: Dann hätte der
Rechteinhaber nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 Info - RL dafür zu sorgen, dass dem
Werknutzer die Umgehung eines Kopierschutzes zu Zwecken privater Vervielfältigung
technisch ermöglicht würde, Unterabs. 4 käme gerade nicht zur Anwendung. Dazu auch
Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141.
219
doch der e-commerce (jedenfalls aus Sicht der Rechteinhaber) gegenüber
konventionellen Distributionsmethoden ohne nachvollziehbaren Grund
bevorzugt987. Darüber hinaus würde der Schutzzweck der Privilegierungen
des Art. 5 Info - RL untergraben. Denn nicht nur die Vervielfältigung zu
privaten Zwecken (Art. 5 Abs. 2 lit. a und b Info - RL), auch die Bibliotheksund Haftungsanstaltsprivilegierung (Abs. 2 lit. c und e) wie auch die
Schranke für die Nutzung im Unterricht und durch Behinderte (Abs. 3 lit. a
und b) könnte der Rechteinhaber allein durch die Wahl der Vertriebsform
faktisch außer Kraft setzen988.
Diese Erwägungen führen dazu, nicht die Distributionsform alleine über den
Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL entscheiden zu
lassen, sondern den Werkbegriff dieser Vorschrift zusätzlich einschränkend
auszulegen. Die besondere Schutzbedürftigkeit der online-Distribution, auf
welche der genannte Erwägungsgrund abstellt, ergibt sich aus der
besonderen Gefährdung von urheberrechtlichen Inhalten gerade infolge der
nicht körperlichen Übertragung über das grundsätzlich für jedermann offene
Kommunikationsnetz „Internet“989. Hierdurch ist es sehr viel leichter möglich,
unberechtigt auf Werkinhalte zuzugreifen und von einem solchen Zugriff
(möglicherweise rechtmäßig) eine private Kopie anzufertigen. Hinsichtlich
des beim Werknutzer bereits befindlichen Werkexemplars ergibt sich
hingegen keinerlei unterschiedliche Schutzbedürftigkeit, welche mit der Art
der
Erlangung
desselbigen
(also
im
online-
oder
offline-Wege)
korrespondierte. Ob das Werkstück online oder offline erworben wurde,
macht dieses - ist erst beim Rezipienten angelangt - nicht mehr oder
weniger schutzbedürftig. Denn die besonderen Gefahren für das Werkstück
bestehen allein während des Vermittlungsvorgangs, nicht mehr hingegen,
wenn dieser abgeschlossen ist.
Es daher folgerichtig, als „Werke“ im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4
Info - RL nur das online vorgehaltene, auf dem Server des Anbieters
befindliche Werkstück sowie den Vorgang der Übertragung desselbigen an
den Werknutzer zu verstehen, nicht mehr allerdings das bereits beim
987
Vgl. Spindler, GRUR 2002, S. 120.
Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141.
989 Vgl. auch Erwägungsgrund (25), der von der Rechtsunsicherheit hinsichtlich des
Schutzes der netzvermittelten Übertragung urheberrechtlich geschützter Werke spricht.
988
220
Werknutzer befindliche Werkstück990. Letzteres unterfällt damit nicht dem
Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL. Art. 6 Abs. 4
Unterabs. 2 der Info - RL, welcher die Durchsetzungsstärke der
Privatvervielfältigungsschranke gegenüber technischen Schutzmaßnahmen
garantiert, bleibt insoweit unberührt.
Damit ergibt sich für das beim Rezipienten befindliche Werkstück kein
Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Diese sehen vor, dass
der Werknutzer das in seinen Händen befindliche Werkstück zu privaten
Zwecken vervielfältigen darf und der Gesetzgeber dafür Sorge tragen muss,
dass die Rechteinhaber dieses Vervielfältigungsrecht nicht durch die
Verwendung technischer Maßnahmen aushebeln. Eine Auslegung des Art.
6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL in dem Sinne, dass sich dessen
Regelungsgehalt nur auf das online vorgehaltene Werkstück und dessen
Übertragung, nicht aber auf das dann beim Werknutzer befindliche
Exemplar bezieht, wird diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen
gerecht.
c) Ergebnis
Die
vorhergehenden
verfassungsrechtliche
Überlegungen
Verpflichtung
haben
des
gezeigt,
Gesetzgebers
dass
eine
besteht,
die
Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken auf gesetzlichem Wege
gegenüber
technischen
Schutzmaßnahmen
durchsetzungsstark
auszugestalten991. Die europarechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 Info RL lassen dies jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung zu.
Vor diesem Hintergrund ist die derzeit gültige Regelung des § 95 b Abs. 1
UrhG als unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu
qualifizieren992. Denn § 95 b Abs. 1 UrhG, welcher die Durchsetzung
verschiedener
Schrankenbestimmungen
zugunsten
der
Werknutzer
990
Ebenso Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141; Hohagen, S. 252; Linnenborn, S. 400f.;
anders hingegen Mayer, CR 2003, S. 280f..
991 Zur Frage, wie die Durchsetzungsstärke urheberrechtlicher Schranken bei deren
Nichtbeachtung durch Rechteinhaber konkret in geeigneter Weise Umsetzung erfahren
kann, vgl. Metzger/Kreutzer, MMR 2002, S. 141f.. Diese befürworten bei Nichtbeachtung
die Einführung eines Busgeldtatbestandes verbunden mit der Möglichkeit einer
Verbandsklage. Andere Überlegungen hierzu bei Hohagen, S. 633ff..
992 So nur Hohagen, S. 630f.; anders hingegen Wandtke/Bullinger, Erg. Band –
Wandtke/Ohst, § 95 b, Rn. 4f..
221
gegenüber technischen Schutzmaßnahmen gewährleisten soll993, nimmt
gerade die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nach § 53 Abs. 1 UrhG
zum überwiegenden Teil aus seinem Anwendungsbereich aus. Nach § 95 b
Abs. 1 Satz 1 Ziff. 6 lit. a UrhG ist nämlich die Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch
nur
zulässig,
soweit
es
sich
um
reprographische
Vervielfältigungen handelt. Insbesondere die Vervielfältigung auf digitalen
Zielmedien kann sich damit - entgegen der Schrankenbestimmung des § 53
Abs. 1 UrhG, welcher ausdrücklich nicht nach der Art des Zielmediums
differenziert994 - nicht gegenüber technischen Maßnahmen durchsetzen995.
Auch § 95 b Abs. 3 UrhG sieht sich vor dem beschriebenen
verfassungsrechtlichen Hintergrund Bedenken ausgesetzt. Diese Regelung
setzt Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL in deutsches Recht um996. Wie
schon die europäische Richtlinie, so bedarf auch deren Umsetzung in
nationales Recht durch § 95 b Abs. 3 UrhG einer verfassungskonformen
Auslegung997:
Andernfalls
läge
die
Durchsetzung
der
Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken allein in den Händen der
Inhalteanbieter, welche durch die Wahl der geeigneten Distributionsform
über die Verwirklichung des gefundenen, verfassungsrechtlich gebotenen
Interessensausgleichs
zwischen
Rechteinhabern
und
Werknutzern
entscheiden könnten998. Der sachliche Anwendungsbereich ist daher durch
eine verfassungskonforme Interpretation des Werkbegriffs in § 95 b Abs. 3
UrhG auf den ausschließlichen Schutz des online-Vertriebs gerade wegen
dessen spezifischer Gefährdung zu beschränken. Als „Werk“ im Sinne des §
95 b Abs. 3 UrhG ist demnach nur das auf dem Server des Inhalteanbieters
vorgehaltene Werkexemplar und dessen Übertragung zu betrachten. Ist das
Werkexemplar erst beim Werknutzer angelangt, unterliegt es nicht mehr der
Regelung des § 95 b Abs. 3 UrhG. Nur eine solche Auslegung wird den
beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
Vgl. Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Wandtke/Ohst, § 95 b, Rn. 8.
Vgl. schon den Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG: „Zulässig sind einzelne
Vervielfältigungen […] auf beliebigen Trägern […].“;Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Lüft, §
53, Rn. 9.
995 Vgl. Wandtke/Bullinger, Erg. Band – Wandtke/Ohst, § 95 b, Rn. 28.
996 Vgl. BT - Drucksache XV/38, S. 27.
997 Vgl. Hohagen, S. 633; kritisch zum Inhalt des § 95 b Abs. 3 UrhG auch Geiger, GRUR
Int. 2004, S. 820f..
998 Vgl. dazu soeben die entsprechenden Überlegungen zu Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info –
RL unter b) cc).
993
994
222
C. Die Vergütung als verfassungsrechtlich gebotener Ausgleich
Mit Anerkennung der privaten Vervielfältigungsfreiheit als zwingendem
verfassungsrechtlichem Postulat999, stellt sich die Frage nach einer ebenso
zwingenden Pflicht des Gesetzgebers, zugunsten des Urhebers eine
Vergütung für
die private Vervielfältigung seines Werkes durch den
Werknutzer einzuführen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob der Gesetzgeber kraft
Verfassung verpflichtet ist, dem Urheber eine Vergütung für die Herstellung
privater
Vervielfältigungsexemplare
zuzugestehen,
ausdrücklich
offen
gelassen1000.
I. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage
Es wurde bereits dargelegt1001, dass es sich bei jedweder denkbaren Form
der Gewähr privater Vervielfältigungsfreiheit zulasten des Urhebers um eine
Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG
handelt, nicht hingegen um eine Form der Enteignung1002.
Bei der Ausgestaltung solcher Inhalts- und Schrankenstimmungen ist der
Gesetzgeber indes nicht völlig frei, sondern muss die durch die Verfassung
gesetzten
Grenzen
beachten1003.
Unter
Beachtung
des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes1004 hat der Gesetzgeber demnach die
schutzwürdigen Belange der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und
ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder
Benachteiligung ist mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines
sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang zu bringen.
1. „Zumutbarkeit“ als ausgleichspflichtbegründendes Moment
999
Dazu oben unter B. I..
Vgl. BVerfG NJW 1997, 248 (249); BVerfGE 79, 1 (25); auch BVerfGE 31, 255 (263).
1001 Dazu oben Teil 2, E. II. 1..
1002 Vgl. Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 44; Diemar, GRUR 2002, S. 590; eindeutig
auch Loewenheim – Götting, §. 3 Rn. 3; BVerfGE 31, 229 (241).
1003 BVerfGE 31, 229 (244); 49, 382 (394).
1004 Vgl. BVerfGE 25, 112 (117ff.); 58, 300 (335); 79, 174 (198); 100, 226 (240f.);
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 310ff., 315ff. je m.w.N.; Leinemann, S. 70; Leisner,
Eigentum, Rn. 143ff.; Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Wendt, S. 306f..
1000
223
Zu fragen ist also an dieser Stelle, ob die entschädigungslose Einräumung
eines privaten Vervielfältigungsrechts noch den Anforderungen eines
sozialgebundenen Eigentums entspräche oder ob diese vielmehr einen
Ausgleich für die Einräumung eines privaten Vervielfältigungsrechts
erforderte.
Grundsätzlich sollen Inhalts- und Schrankenbestimmungen der Konzeption
des Art. 14 GG zufolge nicht ausgleichspflichtig sein. Stattdessen stellt die
entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung den
verfassungsrechtlichen Regelfall dar1005, was sich im Umkehrschluss aus
der Entscheidung des Art. 14 Abs. 3 GG ergibt. Allerdings findet dieses
Konzept der nicht ausgleichpflichtigen Sozialbindung dort seine Grenze, wo
eine Inhalts- und Schrankenbestimmung unzumutbare Auswirkungen
zulasten des Berechtigten einer Eigentumsposition zeitigt 1006.
Die Grenze für dieses Unzumutbarkeitskriterium wiederum verläuft entlang
des Schutzzwecks des Art. 14 GG1007. Die Eigentumsgarantie des GG soll
dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen
Bereich
sicherzustellen
Lebensgestaltung
und
ihm
ermöglichen1008.
damit
Erst
eine
durch
eigenverantwortliche
die
Privat-
oder
Individualnützigkeit des Eigentums wird der Einzelne auch faktisch in die
Lage versetzt, sein Leben eigenverantwortlich nach eigenem Gutdünken zu
gestalten1009. Das Privat- oder Individualnützigkeitskriterium findet seinen
Maßstab grundsätzlich - also im Bereich des Sacheigentums - im Grad der
gewährten
Verfügungsfreiheit
Eigentumsobjekt1010.
Infolge
des
seiner
Eigentümers
Unkörperlichkeit
über
stellt
sein
die
Verfügungsfreiheit für das geistige Eigentum aber insoweit gerade keinen
Vgl. Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 338, 346ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27,
Rn. 84; Wendt, S. 314f..
1006 Vgl. dazu BVerfGE 100, 226 (243f.); Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 81;
Erichsen/Ehlers – Rüfner, § 48, Rn. 42; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 190; Leisner,
Eigentum, Rn. 151f.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 262.
1007 Vgl. BSGE 5, 40 (45). So auch Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375.
1008 BVerfGE 24, 367 (389).
1009 Zur Privatnützigkeit als Abgrenzungskriterium zwischen Ausgleichspflicht und
Ausgleichsfreiheit im Bereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, Leisner, Sozialbindung, S. 171ff.;
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 375ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn.
275ff..
1010 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Depenheuer, Art. 14, Rn. 275f..
1005
224
geeigneten Maßstab dar1011. Satt dessen verläuft die Grenze der
Ausgleichspflicht dort, wo der Eingriff in die Verfügungsfreiheit (auch) einen
Eingriff in die vermögensrechtliche Zuordnung des Werkes, in die insoweit
bestehende
wirtschaftliche
Verwertungsmöglichkeit
des
geistigen
Eigentümers zur Folge hat.
2. Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Zuordnung durch
private Vervielfältigung
Jede Vervielfältigung eines Geisteswerkes, sei es auch „nur“ zu privaten
Zwecken, stellt allerdings eine solche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen
Verwertungsmöglichkeit des Urhebers dar. Denn damit wird das potentielle
Bedürfnis nach einem weiteren Originalexemplar - und damit einer
wirtschaftlichen
theoretisch
Partizipationsmöglichkeit
befriedigt,
Vervielfältigungsexemplars
Verwertungsmöglichkeit
Vervielfältigungsexemplar
des
Urhebers
der
Urheber
also
einer
denkbaren
weiteren
beraubt1012.
ist
der
Kurz:
(ungleich
Für
-
jedenfalls
bezüglich
wirtschaftlichen
jedes
teurere)
des
vorhandene
Erwerb
eines
Originalexemplars nicht mehr zu erwarten, eine wirtschaftliche Verwertung
des Originals durch den Urheber insoweit also nicht möglich1013.
Doch selbst unterstellt, eine Koinzidenz zwischen dem zu erwartenden
Umsatzrückgang der Originalwerkstücke und der Möglichkeit zur Erstellung
von privaten Vervielfältigungsstücken bestünde nicht1014, die Vervielfältigung
zu privaten Zwecken also nur ein zusätzliches Bedürfnis befriedigte, ohne
hierbei zu einem konkreten Einkommensverlust der Urheber zu führen, ist
1011
Vgl. dazu Teil 2, B. III. und Teil 2, E. II. 1. b); vgl. auch Kirchhof, Geistiges Eigentum, S.
1654: „Das Urheberrecht gibt dem Urheber die ausschließlichen Verwertungsrechte an
seinem Werk, weniger um Nutzung durch Dritte zu verhindern, sondern um dem Urheber
die wirtschaftliche Nutzung seines Werkes zu sichern.“.
1012 Dazu Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, S. 42f.; Schricker/Katzenberger, GRUR 1985,
S. 95; Hohagen, S. 587.
1013 Dazu bspw. Jacob, S. 23ff..
1014 Dazu BT-Drucksache XIV/6993, S. 36: „Die Schlussfolgerung, dass jede Kopie einen
Verlust [für den Urheber in wirtschaftlicher Hinsicht] bedeute, […] [ist] in erheblicher Weise
spekulativ. In der Praxis dürfte bei weitem nicht jede verhinderte Vervielfältigung
stattdessen zu einem Kauf führen und damit eine entsprechende Umsatzsteigerung
bewirken. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Untersuchungen in den USA,
die auch positive Wirkungen z.B. der Verbreitung von Musiktiteln über das Internet auf das
Kaufverhalten bei bespielten Tonträgern festgestellt haben wollen. Zumindest ist auffällig,
dass die Umsätze der Tonträgerindustrie in den USA trotz Napster und Co. von 1999 zu
2000 gestiegen sind.“; dazu auch Jacob, S. 25, 28f..
225
eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit des
Urhebers zu bejahen. Denn ausgehend vom Leistungsprinzip als Grund und
Grenze der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie1015 ist allein der
Werkgenuss
als
Rechtfertigung für
einen
Vergütungsanspruch
des
Urhebers maßgeblich1016. Nach diesem Grundsatz soll der durch eigene
Leistung
erworbene
Bestand
an
vermögenswerten
Gütern
verfassungsrechtlich abgesichert und geschützt werden. Dem widerspräche
es aber, die Vergütung des Urhebers davon abhängig zu machen, ob der
jeweilige Werknutzer seinerseits aus der jeweiligen Nutzung des Werkes
(materiellen) Gewinn - in Form der Ersparnis eigenen Aufwands - ziehen
würde oder nicht1017. Eine Vergütungspflicht lässt sich also auch mit der
Erwägung rechtfertigen, die private Vervielfältigung ermögliche eine
(zusätzliche) Form des Werkgenusses.
Dem Urheber für die Gewährung der Vervielfältigung zu privaten Zwecken
eine gesetzliche Vergütungspflicht einzuräumen, stellt sich daher als
verfassungsrechtliche Notwendigkeit dar1018. Denn nur wenn sich der
Schutz des Urhebers auf alle Werknutzungsvorgänge, also auch auf die
Vervielfältigung zu privaten Zwecken erstreckt, kann dem Schutzzweck der
verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie ausreichend Genüge getan
werden.
Auch die verfassungsrechtlich relevanten Interessen der Werknutzer stehen
einer Vergütungspflicht zugunsten der Urheber nicht entgegen. Denn
wenngleich diese eine Beschränkung des Verfügungsrechts des Urhebers
an seinem Werk erfordern1019, so verlangt die insoweit maßgebliche
Informationsfreiheit die kostenfreie Werknutzung gerade nicht1020.
Das so gefundene verfassungsrechtliche Ergebnis deckt sich mit den
internationalen
Vorgaben:
Art.
9
RBÜ1021
lässt
im
Rahmen
des
1015
Dazu oben Teil 2, B. II. 1..
So im Ergebnis bereits BGHZ 17, 266 (278): „[…] so ist es letztlich gerade der
Werkgenuß des einzelnen - gleichgültig, ob dieser Werkgenuß in der Öffentlichkeit oder im
häuslichen Bereich stattfindet -, der die innere Rechtfertigung für den Anspruch des
Urhebers auf eine angemessene Vergütung bildet.“; ebenso Nipperdey, S. 58.
1017 Vgl. auch Zweigert, S. 31f..
1018 In diesem Sinne auch Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1656; Nipperdey, S. 59f.;
Zweigert, S. 33; Hohagen, S. 315; Wiegand, S. 340; Ott, ZRP 1985, S. 13.
1019 Dazu oben unter B. I..
1020 Vgl. Kirchhof, Geistiges Eigentum, S. 1654f.; Hohagen, S. 315; vgl. auch BVerfGE 31,
229 (243); dazu auch oben Teil 4, A. I. 3. b) .
1021 Dazu oben Teil 3, A. III. 1. d).
1016
226
Dreistufentests die Vervielfältigung zu privaten Zwecken nur unter der
Voraussetzung zu, dass der Urheber für den hinzunehmenden Eingriff in
sein Verwertungsrecht eine angemessene Entschädigung erhält1022. Auch
das TRIPS - Abkommen sowie der WCT gelangen zu keinem anderen
Ergebnis, da sie nur die Vorgaben des Dreistufentests nach der RBÜ
übernehmen, ohne diese inhaltlich zu modifizieren1023.
II. Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein Vergütungssystem –
Pauschal- oder Individualvergütung?
Es soll nun der Frage nachgegangen werden, ob das derzeit geltende
Pauschalvergütungssystem noch verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügt oder ob nicht ein System individueller Lizenzierung besser geeignet
wäre, die verfassungsrechtlich gebotene Vergütung für die private
Vervielfältigungsfreiheit
zu
realisieren1024.
Ausdrücklich
vom
Untersuchungsgegenstand sind dagegen ausgenommen Fragen nach den
verfassungsrechtlichen Anforderungen betreffend Höhe und Natur eines
Vergütungsanspruchs, Fragen nach möglichen Anspruchberechtigten und
Anspruchsverpflichteten
oder
nach
der
Wahrnehmung
möglicher
Vergütungsansprüche1025.
Wie die verfassungsrechtlich gebotene Vergütung des Urhebers im
Einzelnen
gesetzliche
Gesetzgeber
ein
Ausgestaltung
weiter
erfährt,
dabei
Gestaltungsspielraum
kommt
dem
zu.
Dem
Bundesverfassungsgericht zufolge1026, ist der Gesetzgeber von Verfassungs
wegen nur gehalten, eine angemessene Verwertung sicherzustellen, die der
Natur und sozialen Bedeutung des Urheberrechts entspricht1027. Wie diese
1022
Vgl. Reinbothe, WCT, S. 260; Hohagen, S. 117; Reinbothe/Lewinsky, WIPO, Art. 10
WCT, Rn. 23; Senftleben, CR 2003, S. 919.
1023 Bzgl. TRIPS – Abkommen, vgl. Hohagen, S. 85ff.; Reinbothe, ZUM 1996, S. 739; bzgl
WCT, vgl. Reinbothe/Lewinski, WIPO, Art. 1 WCT, Rn. 17; Hohagen, S. 95.
1024
Für
die
Implementierung
von
Individuallizenzierungssystemen
zulasten
Pauschalvergütungssystemen plädieren Geerlings, GRUR 2004, 207ff. (209f.); Diemar,
Digitale Kopie, S. 140; Wagner, ZUM 2004, 723ff. (730) m.w.N.; Barta/Markiewicz, FS für
Rehbinder, S. 177ff.; ähnlich auch Schippan ZUM 2004, 189ff. (189); Leinemann, S. 78; für
den Bereich der Fotokopiervergütung Möller, S. 37. Dagegen statt vieler Hohagen, S.
638ff..
1025 Dazu umfassend Hohagen, S. 519ff..
1026 BVerfGE 79, 1 (25).
1027 BVerfGE 31, 229 (241).
227
Verwertung, also der Vergütungsanspruch des Urhebers inhaltliche
Ausprägung
erhalten
soll,
dies
sei
im
Einzelnen
Sache
des
Gesetzgebers1028. Eine verfassungsrechtlich eindeutige Vorgabe, wie ein
Vergütungssystem seiner Art nach auszusehen habe, gibt es demnach
nicht, was freilich den Gesetzgeber nicht von der zwingenden Beachtung
verfassungsrechtlicher Vorgaben entbindet.
1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage
Die Sozialbindung der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie gibt dem
Gesetzgeber
bei
der
inhaltlichen
Ausgestaltung
einfachgesetzlicher
Eigentumspositionen die Richtung vor. Dabei hat er „ein Sozialmodell zu
verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der
grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1
S. 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG
ergeben“1029. Die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers ist keine
unbegrenzte, vielmehr wird diese durch das Gebot gerechter Abwägung im
Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung begrenzt1030.
Auch die internationalen Vorgaben schreiben dem Gesetzgeber nicht
konkret vor, wie er ein mögliches Vergütungssystem in nationales Recht
umzusetzen habe. Der Dreistufentest der RBÜ behält es dem nationalen
Gesetzgeber vor, wie der Vergütungsanspruch (dessen Existenz er
zwingend als Ausgleich für die Einführung eines Vervielfältigungsrechts
vorschreibt) im Einzelnen in nationales Recht umzusetzen sei1031. Ebenso
wenig ergeben TRIPS – Abkommen und WCT konkrete inhaltliche
Vorgaben, da diese lediglich den Dreistufentest der RBÜ übernehmen, ohne
diesen inhaltlich zu modifizieren1032.
Mit Einschränkungen gilt dies auch für die Vorgaben der Info - RL in Bezug
auf die Vergütung des Urhebers für die Vervielfältigungsfreiheit. Die
1028
Vgl. BVerfGE 31, 229 (241); 21, 73 (83).
So BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); vgl. auch BVerfGE 31, 229 (242). Zum gesamten
Fechner, S. 239; Hohagen, S. 276f.; Wendt, S. 299f.; Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn.
308.
1030 Papier, Wirtschaftsordnung, Rn. 84f.; Fechner, S. 240; Wendt, S. 315; Maunz/Dürig –
Papier, Art. 14, Rn. 310; vgl. auch Schricker – Melichar, Vor §§ 45 ff. Rn. 9..
1031 Dazu bereits oben Teil 3, A. III. 1. c) und d); Hohagen, S. 113f.; vgl. auch
Nordemann/Vinck/Hertin, Art. 9 BC, Rn. 4.
1032 Vgl. oben Teil 3, A. III. 2. und 3..
1029
228
Vorschriften der Art. 5 Abs. 2 lit. a und b Info - RL schreiben den
Mitgliedsstaaten zwar zwingend vor,
dass die Gestattung privater
Vervielfältigungsfreiheit nur dann erfolgen könne, wenn der Urheber hierfür
einen „gerechten Ausgleich“ erhält. Einen Hinweis darauf, nach welcher Art
das Vergütungssystem auszugestalten sei - als Pauschal- oder als
Individualvergütungssystem -, lässt sich diesem Begriff aber nicht
entnehmen1033. Allerdings gewährt Erwägungsgrund (35) in seinen Sätzen 4
und 5 bereits Hinweise auf das Verhältnis zwischen Individual- und
Pauschalvergütung1034: Während Satz 4 einer Doppelvergütung vorbeugen
will,
die
entstünde,
wenn
Pauschalvergütungssystem
individuell
lizenzierte
partizipieren
würden,
Werke
stellt
auch
Satz
5
am
ein
Differenzierungsgebot auf, den Einsatz technischer Schutzmechanismen bei
der Bemessung der Höhe einer Vergütung angemessen zu berücksichtigen.
Über
einen
möglichen
Vorrang
pauschaler
oder
individueller
Vergütungssysteme ist damit allerdings nichts ausgesagt1035, zeigen doch
die Prämissen beider Sätze, dass der europäische Gesetzgeber von einer
möglichen Koexistenz beider Vergütungssysteme ausgeht und nicht die
eine Vergütungsform der anderen gegenüber bevorzugen will.
Anders hingegen die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. b Info - RL, der zufolge
die Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung des „gerechten Ausgleichs“
ausdrücklich berücksichtigen müssen, ob technische Schutzmaßnahmen
auf das urheberrechtlich geschützte Werk Anwendung finden1036. Doch lässt
sich auch aus dieser Formulierung nicht folgern, der nationale Gesetzgeber
sei zur Etablierung gerade eines bestimmten (Individual- oder Pauschal-)
Vergütungssystems gezwungen1037. Stattdessen soll den Mitgliedsstaaten
1033
Dazu bereits oben Teil 3, B. III. 2. c). Umfassend dazu Hohagen, S. 220; Reinbothe,
GRUR Int. 2001, S. 738; vgl. dazu auch das Urteil des EuGH zum Begriff der
„angemessenen Vergütung“ in JZ 2003, S. 676.
1034 Satz 4 und 5 des Erwägungsgrundes (35) der Info - RL lauten: „In Fällen, in denen
Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer
Lizenzgebühr, kann gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein.
Hinsichtlich der Höhe des gerechten Ausgleichs sollte der Grad des Einsatzes technischer
Schutzmaßnahmen gemäß dieser Richtlinie in vollem Umfang berücksichtigt werden.“.
1035 So auch Hohagen, S. 222.
1036 Dazu oben Teil 3, II. 3. b) cc).
1037 Dazu oben bereits ausführlich unter Teil 3, B. III. 2. c) bb); letztlich auch Reinbothe,
GRUR Int. 2001, S. 739; ders., ZUM 2002, S. 49f.; Hohagen, S. 233; zweifelnd Spindler,
GRUR 2002, S. 112. Anders dagegen Geerlings, GRUR 2004, S. 112f., der m. E.
vorschnell aufgrund der Erwägungsgründe (38) und (39) - die gerade nicht zum bindenden
Bestandteil einer Richtlinie gehören - davon ausgeht, der europäische Gesetzgeber sähe
229
die Möglichkeit gewährt werden, Individualvergütungssysteme zu etablieren,
ohne
allerdings
durch
diese
Zielvorstellung
einem
Pauschalvergütungssystem die Existenzberechtigung abzusprechen 1038
oder auch eines der beiden Systeme zu präferieren. Dies ergibt sich auch
deutlich aus Erwägungsgrund (38)1039, der bestehende Unterschiede
zwischen einzelnen nationalen Vergütungsregelungen anspricht, diesen
aber
eine
nennenswerte
Auswirkung
auf
das
Funktionieren
einer
europäischen Informationsgesellschaft abspricht1040.
Festzuhalten bleibt also, dass sich die Frage, ob ein Individual- oder aber
ein Pauschalvergütungssystem im Zuge einer Urheberrechtsnovelle zu
etablieren
sei,
ausschließlich
am
verfassungsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren hat1041, ohne insoweit durch
internationale oder europarechtliche Vorgaben Überlagerung gefunden zu
haben.
2. Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
verlangt
die
verhältnismäßige
Zuordnung von Grundrechten1042. Inhaltlich muss es demnach einen
verfassungslegitimen Grund für den gesetzgeberischen Eingriff geben, das
die Etablierung von Individualvergütungssystemen durch den nationalen Gesetzgeber als
zwingend vor.
1038 Vgl. Hohagen, S. 233f..
1039 Erwägungsgrund (38) der Info - RL lautet: „Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit
erhalten, unter Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs eine Ausnahme oder
Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht für bestimmte Arten der
Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material zu privaten Zwecken
vorzusehen. Dazu kann die Einführung oder Beibehaltung von Vergütungsregelungen
gehören, die Nachteile für Rechtsinhaber ausgleichen sollen. Wenngleich die zwischen
diesen Vergütungsregelungen bestehenden Unterschiede das Funktionieren des
Binnenmarkts beeinträchtigen, dürften sie sich, soweit sie sich auf die analoge private
Vervielfältigung beziehen, auf die Entwicklung der Informationsgesellschaft nicht
nennenswert auswirken. Die digitale private Vervielfältigung dürfte hingegen eine weitere
Verbreitung finden und größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Daher sollte den
Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend
Rechnung getragen und hinsichtlich bestimmter Punkte zwischen ihnen unterschieden
werden.“.
1040 Erwägungsgrund (39) sieht hingegen vor, dass das jeweils gewählte Vergütungssystem
die Entwicklung technischer Schutzmaßnahmen nicht behindern sollte. Aus dieser
Formulierung wie auch aus dem systematischen Standort innerhalb des nicht bindenden
Teils der Richtlinie lässt sich folgern, dass darin nicht mehr zu erblicken ist, als ein
unverbindlicher Ratschlag an den nationalen Gesetzgeber. In diesem Sinne auch
Reinbothe, GRUR Int. 2001, S. 739; Spindler, GRUR 2002, S. 112.
1041 So im Ansatz auch Geerlings, GRUR 2004, S. 109f..
1042 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 298.
230
Eingriffsmittel muss ferner geeignet, erforderlich und angemessen sein,
diesen verfassungslegitimen Grund zu erreichen1043.
Bei
der
Bestimmung
verfassungsgemäßer
Grenzen
kollidierender
Grundrechte geht es also darum, den Schutzbereichen der betroffenen
Grundrechte diejenigen Grenzen zu ziehen, welche sämtliche grundrechtlich
geschützten Schutzgüter zu optimaler Wirksamkeit gelangen lassen1044. Ziel
und struktureller Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der
Konstituierung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art.
14 Abs. 1 Satz 2 GG ist die angemessene Kollisionslösung aller beteiligten
grundrechtlich geschützten Positionen1045. Anders als sonst, erhält die
Struktur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber bei der Ausgestaltung
von Privatrechtsverhältnissen notwendig einen flexibleren Bezugspunkt 1046:
Während üblicherweise der Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung
durch den Zweck einer Maßnahme, eines Gesetzes, etc. eindeutig fixiert
ist1047, gibt es bei der Ausgestaltung von Privatrechtsverhältnissen mehrere
Bezugspunkte1048. Denn der mit dem zu installierenden gesetzlichen
Vergütungssystem
verfolgte
Ausgleichsfunktion
verfassungsrelevanten
Zweck
hinsichtlich
Interessen
liegt
ja
gerade
der
vielfältigen
aller
Beteiligten.
in
seiner
widerstreitenden
Damit
wird
die
Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber nicht entbehrlich;
stattdessen muss eben „nach beiden Seiten“1049 abgewogen werden, alle
beteiligten Interessen (sofern von verfassungsrechtlicher Erheblichkeit)
müssen in den Ausgangspunkt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit - also
dem mit der Einführung eines Vergütungssystems verfolgten „legitimen
Zweck“1050 - miteinbezogen werden.
Mit der Etablierung eines Vergütungssystems sollen einerseits die
Interessen der Urheber wahrgenommen werden, an der Verwertung ihrer
Maunz/Dürig – Papier, Art. 14, Rn. 315.
Vgl. Hesse, Rn. 72.
1045 Dazu die Rechtsprechung des BVerfG, der zufolge die „schutzwürdigen Interessen aller
Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis [zu] bringen“
sind, so BVerfGE 37, 132 (142); vgl. auch BVerGE 25, 112 (117); 70, 191 (200); 79, 174
(198); 91, 294 (308).
1046 Vgl. Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 17.
1047 Vgl. Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304.
1048 Vgl. Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 17.
1049 So Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 17.
1050 Dazu Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20, Rn. 304.
1043
1044
231
Werke wirtschaftlich zu partizipieren1051. Auf der anderen Seite stehen die
Interessen der Werknutzer vor allem an einem angemessenen Zugang zu
urheberrechtlich geschützten Werken wie auch deren Interesse an einem
ausreichenden Schutz ihrer informationellen Selbstbestimmung1052. Von
diesem festen Bezugspunkt aus betrachtet, soll im Folgenden der Frage
nachgegangen
werden,
ob
ein
Individual-
oder
aber
ein
Pauschalvergütungssystem eher verhältnismäßig im verfassungsrechtlichen
Sinne ist, um den angestrebten Ausgleich zwischen den genannten
Positionen zu erreichen1053.
a) Geeignetheit
Das Kriterium der Geeignetheit ist erfüllt, wenn das eingesetzte Mittel
geeignet ist, den angestrebten Zweck zu erreichen, „wenn mit seiner Hilfe
der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“1054. Dabei reicht indes
bereits die teilweise Förderung des gesetzgeberischen Ziels aus1055.
b) Erforderlichkeit
Das eingesetzte gesetzgeberische Mittel ist dann erforderlich, wenn der
Gesetzgeber „nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht
nicht oder weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können“ 1056.
Zur Beurteilung dieser Frage werden nur „gleich wirksame“ Mittel
herangezogen. Die gleiche Wirksamkeit eines Mittels ist dann zu verneinen,
1051
Dazu oben im Überblick Teil 2, E..
Dazu oben im Überblick Teil 4, A. IV und Teil 4, B. III..
1053 Es geht an dieser Stelle nicht mehr um die Frage eines Ausgleichs zwischen den
verfassungsrechtlich geschützten Vervielfältigungsinteressen auf der einen und den
Vergütungsinteressen auf der anderen Seite (dazu oben unter II.). Hier geht es hingegen
um die Frage, welche Mittel zur Wahrnehmung des bereits gefundenen
verfassungsmäßigen Ausgleichs herangezogen werden können. Diese sind je gesondert
danach zu beurteilen, welches den feststehenden verfassungsrechtlichen Ausgleich am
besten erreichen lässt und nicht zueinander in Korrelation zu setzen.
1054 BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); vgl. auch Mangoldt/Klein/Starck –
Sommermann, Art. 20, Rn. 304.
1055 BVerfGE 16, 147 (183).
1056 BVerfGE 25, 1 (17); 30, 292 (316), 33, 171 (187); vgl. auch Mangoldt/Klein/Starck –
Sommermann, Art. 20, Rn. 304.
1052
232
wenn bei gleicher Intensität des grundrechtseinschränkenden Effekts ein
Mittel noch weitere nachteilige Wirkungen hat als ein anderes1057.
c) Angemessenheit
Dem Grundsatz der Angemessenheit (oder Verhältnismäßigkeit im engen
Sinne) zur Folge, darf das eingesetzte gesetzgeberische Mittel den
Betroffenen nicht „übermäßig belasten“, es darf für ihn nicht „unzumutbar“
sein1058. Dabei wird das Verhältnis zwischen Mittel und Zweck der zu
beurteilenden
Erforderlichkeit,
Maßnahme
wo
nach
betrachtet
der
Relation
(anders
im
mehrerer
Rahmen
Mittel
zu
der
einem
feststehenden Zeck gefragt wird), diese dürfen nicht „außer Verhältnis“
zueinander
stehen1059.
Zur
Beurteilung
dieser
Frage
ist
es nicht
ausreichend, alleine nach der Wertigkeit der betroffenen Grundrechte oder
alleine nach Art und Ausmaß der jeweiligen Beeinträchtigung zu fragen:
Vielmehr müssen Eingriffsobjekt und Eingriffsqualität gemeinsam in einer
einheitlichen Betrachtung als korrelierendes tertium comparationis der
Angemessenheit herangezogen werden1060. Prägnant formuliert diese
zwingende Gesamtschau Robert Alexy1061: „Je höher der Grad der
Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen [grundrechtlichen] Prinzips,
um so größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein“.
Der negative Prüfungsmaßstab, den das Bundesverfassungsgericht indes
bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung anlegt - geprüft wird, ob die Maßnahme
unangemessen ist, nicht aber positiv, ob sie auch angemessen ist -, führt zu
einer
verkürzten
Beurteilung
verfassungsrechtlichen
der
materiellen
Anforderungen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
an
des
den
Gesetzgeber1062. Dies soll aber für die vorliegende Untersuchung nicht
genügen, welche die materiellen Anforderungen des Grundgesetzes auch
jenseits
deren
bundesverfassungsgerichtlichen
Überprüfbarkeit
zum
1057
Vgl. BVerfGE 13, 231 (241); Grabitz, AöR 98, S. 574.
Vgl. BVerfGE 26, 215 (226); 27, 88 (100); 29, 221 (235).
1059 Vgl. BVerfGE 25, 236 (247); 27, 211 (219); 28, 264 (280).
1060 Vgl. Wendt, AöR 104 (1979), S. 454ff.; Mangoldt/Klein/Starck – Sommermann, Art. 20,
Rn. 304; Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 908.
1061 Alexy, S. 146.
1062 Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab ist mit dem vom Bundesverfassungsgericht zu
respektierenden Prinzip der horizontalen Gewaltenteilung zu erklären, vgl. Grabitz, AöR 98,
S. 576.
1058
233
Gegenstand haben soll. Folglich soll an dieser Stelle nach dem Grundsatz
der praktischen Konkordanz gefragt werden. Diesem zufolge sollen die
beteiligten
verfassungsrechtlichen
Rechtsgüter
dergestalt
durch
den
Gesetzgeber angeordnet werden, dass allen zu optimaler Wirksamkeit
verholfen ist1063. Mit der Erfüllung der Anforderungen des Grundsatzes der
praktischen Konkordanz ist dann auch - als „minus“ - die Frage nach dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip geklärt: Denn die optimale Zuordnung von Mittel
und
Zweck
genügt
stets
auch
den
Anforderungen
des
Verhältnismäßigkeitsprinzips1064.
3. Konsequenzen für ein Vergütungsmodell
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Alternativität zwischen einem
Pauschal- und einem Individualvergütungssystem ist also das Gebot
praktischer
Konkordanz
unter
Beachtung
des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Unverrückbarer Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung der jeweiligen
Vergütungssysteme ist der mit diesen Mitteln verfolgte „legitime Zweck“:
Zum einen muss auch nach Einrichtung eines Vergütungssystems
gewährleistet
sein,
dass
die
private
Vervielfältigungsfreiheit
als
verfassungsrechtliche Notwendigkeit1065 gewahrt bleibt. Zum anderen muss
aber auch dem verfassungsrechtlichen Postulat einer (angemessenen 1066)
Vergütung der Urheber Genüge getan werden. Beide Zwecke sind in einen
verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, d.h. einer optimalen Entfaltung
zuzuführen1067. Beide Zwecke gilt es durch die Wahl eines entsprechenden
Vergütungssystems optimal zu verwirklichen.
Vgl. Hesse, Rn. 317f.; kritisch zum Begriff der „Optimierung“ Lerche,
Grundrechtsschranken, Rn. 6.
1064 Grabitz, AöR 98, S. 576, Fn. 40.
1065 Dazu oben unter B. I..
1066 Auf die Frage der Vergütungshöhe soll in der vorliegenden Untersuchung nicht
eingegangen werden. Dazu umfassend bspw. Zweiter Bericht der Bundesregierung für die
Entwicklung der urheberrechtlichen Vergütung gem. §§ 54ff. (2. Vergütungsbericht), BT –
Drucksache XIV/3972.
1067 Hesse, Rn. 72.; Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85 III. 2. c) α): „In […] wurde ausführlich
dargelegt, dass das Übermaßverbot ein Abwägungsgebot ist, welches letztlich zur
harmonisierenden Auslegung betroffener Rechtsgüter führt und damit zu deren
Relativierung.“.
1063
234
a) Ein „geeignetes“ Vergütungsmodell
Der „Geeignetheit“ von Individualvergütungssystemen (im Vergleich mit
Pauschalvergütungssystemen) lässt sich zunächst vorhalten, dass diese
angesichts ihrer technischen Unausgereiftheit gar nicht in der Lage seien,
eine
ausreichende
Sicherung
Vergütungsansprüche
der
der
(verfassungsrechtlich
Rechteinhaber
zu
gebotenen)
gewährleisten 1068.
Die
Möglichkeit der Umgehung technischer Schutzmechanismen (wie bspw.
DRM-Systemen) lasse sich nie ausschließen, der Durchsetzung von
Vergütungsansprüchen seien damit jedenfalls jene faktischen Grenzen
gesetzt1069.
Doch
greift
dieser
Einwand
jedenfalls
aus
verfassungsrechtlicher Perspektive ins Leere. Denn als „geeignet“ gilt ein
Mittel
schon
dann,
wenn
eine
teilweise
Verwirklichung
des
gesetzgeberischen Ziels erreicht wird1070.
Als ungeeignet erweist sich ein Individualvergütungssystem allerdings
bereits dort, wo eine individuelle Kontrolle der Werknutzung (in Form
privater Vervielfältigung) und damit deren individuelle Vergütung technisch
gar nicht möglich ist (jedenfalls nicht unter ausreichender Beachtung des
Schutzbereichs des Art. 13 GG1071). Jede Werknutzung, die nicht interaktiv
durch den Rechteinhaber erfasst werden kann (also beispielsweise digitale
offline-Werkstücke oder analoge Werkstücke), muss folglich auf das System
der Pauschalvergütung zurückgreifen, das sich an einer vermuteten
Werknutzung orientiert. Denn das Individualvergütungssystem beruht auf
der Voraussetzung, dass jeder einzelne Nutzungsvorgang durch den
Rechteinhaber kontrollierbar ist. So kommt schon aus dem Gesichtspunkt
der „Geeignetheit“ jedenfalls nur ein Nebeneinander zwischen den beiden
Vergütungssystemen in Betracht1072.
b) Ein „erforderliches“ Vergütungsmodell
Dazu. bspw. Pfennig, ZUM 2004, S. 200; Becker (Hrsg.) – Haber u.a., S. 224ff.; Hilty,
GRUR 2005, S. 820; Wiegand, S. 348ff..
1069 Grimm, DRM – Techniken, S. 94f..
1070 Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84, II. 2. m.w.N.; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 572 unter
Verweis auf BVerfGE 16, 147 (183).
1071 Dazu Maracke, S. 475, Fn. 550; S. 492, Fn. 645, mit weiterführenden Hinweisen.
1072 Im Ergebnis auch Geerlings, GRUR 2004, S. 209; Pfennig, ZUM 2004, S. 200.
1068
235
Einem Pauschalvergütungssystem lässt sich aus der Perspektive des
Erforderlichkeitsprinzips entgegenhalten, dass dies verglichen mit einem
Individualvergütungssystem stärker in Vermögenspositionen
einzelner
Werknutzer eingreift. Denn die wirtschaftliche Belastung des Werknutzers
richtet sich beim Pauschalvergütungssystem nach einer vermuteten
Werknutzung1073.
Hieraus
Gleichheitssatz
problematische
ergibt
sich
eine
vor
dem
allgemeinen
Ungleichbehandlung
desjenigen
Werknutzers, der von seiner Vervielfältigungsfreiheit nur gelegentlich
Gebrauch macht, gegenüber demjenigen, der sein Vervielfältigungsrecht
extensiver nutzt1074. So betrachtet stellt das Individualvergütungssystem ein
geeigneteres Vergütungssystem dar, da es eine exakte Erfassung der
individuellen Nutzung und damit der jeweils gebotenen wirtschaftlichen
Vergütung ermöglicht1075.
Doch auch ein Individualvergütungssystem erscheint - jedenfalls in seinen
bislang diskutierten und praktizierten Formen unter Ausschluss der
Beteiligung
von
Verwertungsgesellschaften1076
-
vor
dem
Erforderlichkeitsgrundsatz verglichen mit einem Pauschalvergütungssystem
angreifbar. Denn in dem Maße, in dem Individualvergütungssysteme die
Verwertungsgesellschaften aus der Verwertungskette von Urheberrechten
verdrängen1077,
soweit
besteht
auch
eine
Gefährdung
der
(verfassungsrechtlich geschützten) vermögensrechtlichen Interessen der
Urheber selbst. Diese sind bei der Rechtewahrnehmung auf die Betreiber
der Individualvergütungssysteme angewiesen1078 und befinden sich damit
gegenüber den
wirtschaftlich mächtigeren
Inhalteanbietern
in
einer
Abhängigkeitssituation, welche eine gerechte Verteilung der Nutzungserlöse
nicht
erwarten
lässt1079.
Anders
im
Rahmen
des
geltenden
1073
Grundlegend Kirchhoff, Gesetzgebungsauftrag, S. 31ff..
Das BVerfG hat diese Praxis des geltenden Urheberrechts in BVerfGE 31, 255 (266ff.)
vor dem Konflikt mit dem allgemeinen Gleichheitssatz allerdings ausdrücklich gebilligt.
1075 Geerlings, GRUR 2004, S. 209; Wiegand, S. 355.
1076 Dazu Pfennig, ZUM 2004, S. 199f..
1077 Bislang sind es die Rechteverwerter, also Unternehmen, nicht die kreativen Urheber,
die DRM Systeme entwickeln und betreiben, vgl. Peukert, UFITA 2002, S. 700; dazu auch
Hilty, GRUR 2005, S. 820.
1078 Zu diesem empirischen Befund, Hilty, GRUR 2005, S. 822.
1079 Vgl. Pfennig, ZUM 2004, S. 199f.; Peukert, UFITA 2002, S. 700f.; ders. ZUM 2003,
S.1053; Dietz, ZUM 1998, S. 448; Schulze, GRUR 2005, S. 831f.; zu den Grenzen
privatautonomer Gestaltungsfreiheit in solchen Fällen oben bereits Teil 4, B. II. 2. c) bb).
Insoweit könnte freilich Kompensation durch ein entsprechend restriktives (aus Sicht der
1074
236
Pauschalvergütungsmodells, wo die Verteilung des Gesamterlöses der
Pauschalgebühren
durch
Verwertungsgesellschaften1080
die
treuhänderische
gesteuert
wird
Tätigkeit
und
so
eher
der
eine
angemessene Verteilung der Erlöse an die Urheber zu erwarten ist.
Pauschal-
wie
Individualvergütungssystem
weisen
vor
dem
Erforderlichkeitsgrundsatz also beiderseits Schwächen auf. Denn beide
Vergütungsmodelle weisen in verschiedener verfassungsrechtlicher Hinsicht
jeweils eine geringere Eingriffsintensität als das Vergleichsmodell auf. Eine
Begrenzung des Gesetzgebers auf nur ein erforderliches Mittel verlangt das
Erforderlichkeitsprinzip aber nicht1081. Stattdessen reicht es aus, wenn die
zu beurteilenden Alternativen des Gesetzgebers nicht evident dem
Erforderlichkeitsprinzip
widersprechen1082.
Dies
ist
bei
beiden
Vergütungsmodellen nicht der Fall.
c) Ein „angemessenes“ Vergütungsmodell
Die Frage der Angemessenheit eines Pauschalvergütungsmodells erweist
sich jedenfalls in den Bereichen, in denen die Anwendung eines
Individualvergütungsmodells aus technischen Gründen von vorneherein
nicht in Betracht kommt1083, als unproblematisch. Es ist kaum ein anderes
Modell vorstellbar, das einerseits die verfassungsrechtlich garantierte
Vervielfältigungsfreiheit und andererseits den ebenso verfassungsrechtlich
verbürgten Vergütungsanspruch unter weitestgehender Schonung der
Inhalteanbieter) Urhebervertragsrecht geschaffen werden. Zu dieser Möglichkeit kritisch
Hilty, GRUR 2005, S. 820f..
1080 Vgl. bspw. § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung der GEMA in der Fassung vom 23./24. Juni
2003
(abrufbar
unter:
http://www.gema.de/media/de/jahrbuch04/183satzung_der_gema.pdf, abgerufen am 19. September 2005): „1. Zweck des Vereins ist der
Schutz des Urhebers und die Wahrnehmung seiner Rechte im Rahmen dieser Satzung.
Seine Einrichtung ist uneigennützig und nicht auf die Erzielung von Gewinn gerichtet. 2.
Dem Verein obliegt die treuhänderische Verwaltung der ihm von seinen Mitgliedern und
Dritten durch uni- oder bilaterale Verträge zur Verwertung übertragenen Rechte.“.
1081 Denn dies würde die Gewichtung und damit Wertung der Auswirkungen der zu
beurteilenden verschiedenen Eingriffsmittel erforderlich machen; die normative Betrachtung
sollte aber der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitskontrolle vorbehalten bleiben, vgl.
Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 84, II. 3. b).
1082 Stern, a.a.O., mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfGE 17, 232 (244f.); vgl.
auch Lerche, Grundrechtsschranken, Rn. 24.
1083 Dazu oben unter a).
237
Rechte der Werknutzer (insbesondere das Recht auf Privatsphäre) in
Einklang bringen kann1084.
Differenzierter ist die Frage der Angemessenheit allerdings zu beurteilen,
wo Individual- und Pauschalvergütungssystem grundsätzlich nebeneinander
in Betracht kommen, also im Bereich der interaktiven Nutzungskontrolle
digitaler Werkstücke.
aa) Bisher gängige Individualvergütungsmodelle
Nach der hier vertretenen Ansicht werden DRM-Systeme in ihrer derzeitigen
Form1085, durch welche Individualvergütungssysteme realisiert werden
sollen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der
privaten
Gründen
Vervielfältigungsfreiheit
nicht
gerecht.
Implementierung
aus
Deswegen
eines
zwei
nachfolgend
verbietet
sich
Individualvergütungssystems
die
aufgeführten
gesetzliche
(neben
einem
Pauschalvergütungssystem; für analoge bzw. nicht interaktive Werkstücke
scheidet die Individualvergütung schon mangels technischer Eignung
aus1086), jedenfalls in seiner bislang diskutierten Form.
(a)
Verstoß
gegen
die
verfassungsrechtlich
verbürgte
Vervielfältigungsfreiheit
Zum
einen
setzen
Individualvergütungssysteme
in
Form
von
DRM-Systemen die Nutzungskontrolle durch den Rechteinhaber über das
jeweilige Werkstück voraus, um die individuelle Abrechnungsmöglichkeit der
jeweiligen Werknutzung und damit die wirtschaftliche Partizipierung der
Rechteinhaber hieran überhaupt garantieren zu können1087. Dies aber
bedeutet
faktisch
eine
Rückkehr
des
Urheberrechts
zum
Ausschließlichkeitsrecht, das es seinem Inhaber ermöglicht, jeden Dritten
1084
Vgl. Geerlings, GRUR 2004, S. 209f.; zur Billigung des Pauschalvergütungssystems
durch das BVerfG vgl. BVerfGE 31, 255 (262ff.).
1085 Dazu Grimm, DRM – Techniken, S. 85ff.; Hess, S. 15ff.; Schippan, ZUM 2004, S. 189f..
1086 Dazu oben unter a).
1087 Hess, S. 15ff.: „Als Kombination aus Soft- und Hardware verfolgen DRMS daher im
engen Sinn eine vollständige Kontrolle über Verbreitung und Nutzung von Content. Im
weiten Sinn erlauben DRMS eine individuelle und differenzierte Abrechnung von Content.“.
238
von jeder beliebigen Art der Nutzung auszuschließen 1088. Doch ist die
Ausgestaltung des Urheberrechts als Ausschließlichkeitsrecht im Bereich
privater
Vervielfältigungstätigkeit
verfassungsrechtlich
nicht
verbürgter
zulässig,
da
Anspruch
insoweit
auf
ein
private
Vervielfältigungstätigkeit besteht1089.
(b) Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Des
Weiteren
hat
die
Implementierung
von
DRM-Systemen
zur
Durchsetzung von Individualvergütungssystemen den Eingriff in den
Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zur
Folge1090. Denn diese Systeme bieten die Möglichkeit zur Erstellung von
individuellen Nutzerprofilen1091, eine anonyme Werknutzung ist also nicht
mehr möglich. Ferner ist die Verwendung dieser personenbezogenen Daten
für den Werknutzer infolge der „Grenzenlosigkeit“ des Sozialraums Internet
(als wesentlichem Vertriebskanal urheberrechtlicher Werke, für die ein
Individualvergütungssystem
überhaupt
in
Betracht
kommt)
weder
überschau- noch kontrollierbar.
Mit der hier vertretenen Ansicht, dass der Einsatz von DRM-Systemen in
den Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
eingreift,
ist
freilich
einer
normativen
Bewertung
zwischen
dem
Eingriffsmittel „Individualvergütungssystem“ und dem verfolgten Zweck
„Ausgleich zwischen den Vergütungssinteressen der Rechteinhaber und
den Nutzungsinteressen der Werknutzer“ von vorneherein der Boden
entzogen. Denn die Grenze der Angemessenheitskontrolle bildet jedenfalls
die Wesensgehaltsgarantie, die auch im Wege der Abwägung nach dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht überwunden werden darf1092. Vor dieser
Erwägung
scheidet
Individualvergütungssystems
also
unter
die
Implementierung
Verwendung
derzeit
eines
praktizierter
DRM-Systeme aus verfassungsrechtlichen Gründen aus.
1088
Vgl. Reinbothe, ZUM 2002, S. 49; Hoeren, Verbraucherschutz, S. 41ff..
Dazu umfassend oben unter B. I..
1090 Dazu umfassen oben Teil 4, B. I. 2. a) bb) und Teil 4, B. II. 2. b) bb).
1091 So bspw. auch Wiegand, S. 356.
1092 Vgl. Stern, Grundrechte, Bd. 2, § 85 III. 2. c) α); dazu auch Krüger, DÖV 1955, S. 599.
1089
239
bb) Das geltende Pauschalvergütungsmodell
Verglichen mit diesen Erwägungen, die gegen die Etablierung eines
Individualvergütungssystems sprechen, scheinen die Bedenken gegen die
Angemessenheit eines Pauschalvergütungssystems zur Durchsetzung des
gefundenen Interessensausgleichs, der die Vervielfältigungsfreiheit genauso
wie eine angemessene Vergütung der Urheber erzielen soll, geringer.
Hieran ist zwar zu bemängeln, dass einem pauschalen Vergütungssystem
aus
Sicht
der
Werknutzer
eine
gewisse
Belastungsungerechtigkeit
innewohnt1093, da die Zahlungsverpflichtung eben an vermutete und nicht an
die tatsächliche Werknutzung anknüpft. Doch ist die einzige Alternative,
welche diese Belastungsungerechtigkeit auszuräumen vermag, nämlich die
Vergütung anhand der tatsächlichen Nutzung, nur unter massiven Eingriffen
in die Privatsphäre1094 (für den Bereich analoger bzw. offline vertriebener
Werkstücke) oder aber unter den genannten (verfassungsrechtlich ebenso
wenig tolerierbaren) Eingriffen in die Informationsfreiheit bzw. in das Recht
auf
informationelle
Selbstbestimmung1095
(für
den
Bereich
online
vertriebener Werkstücke) möglich.
Eine
weitere
Schwierigkeit
Pauschalvergütungssystems
ergibt
bei
sich
Beibehaltung
aus
dem
Erfordernis
eines
der
urheberrechtlichen Systemkonformität. Wenn ein urheberrechtliches Werk
an der Verteilung der Nutzungsvergütung teilhaben möchte, dann darf es
konsequenterweise nicht mit einem Kopierschutz versehen sein 1096. Denn
die Vergütung wird ja gerade für die Möglichkeit der Vervielfältigung des
nämlichen Werkes erhoben. Damit dürfte es allerdings sehr schwierig
werden, die (anderen) urheberrechtlichen Schranken des (privaten)
Vervielfältigungsrechts1097 technisch überhaupt umzusetzen. Ein solches
technisches Schutzdefizit wiederum ermöglichte den Missbrauch der
Vervielfältigungsfreiheit zu Zwecken, die nicht verfassungsrechtlich (oder
1093
Dazu oben unter b).
Dazu oben unter B. I. 2..
1095 Dazu oben unter aa).
1096 Vgl. Wiegand, S. 366 m.w.N.; ein solcher würde freilich ohnehin dem gesetzlichen
Schutzauftrag zur Gewährleistung privater Vervielfältigungsfreiheit widersprechen. Dazu
oben unter B..
1097 Es sei nur an die oben unter B. II. genannten Beschränkungen privater
Vervielfältigungsfreiheit erinnert.
1094
240
zumindest urheberrechtlich) legitimiert sind und konterkarierte damit den
gefundenen verfassungsrechtlichen Ausgleich einseitig zu Lasten der
Urheber.
cc) Eigenes alternatives Individualvergütungsmodell
Die Ausführungen zeigen, dass ein Individualvergütungsmodell in seiner
derzeit durch die Verwendung von DRM-Systemen geprägten Form aus
verfassungsrechtlichen Gründen das geltende Pauschalvergütungsmodell
auch nicht teilweise (also für den Bereich interaktiv kontrollierbarer digitaler
Werkstücke) ersetzen kann. Doch auch das Pauschalvergütungsmodell
garantiert keineswegs in optimaler Weise den anzustrebenden Ausgleich
zwischen Urheber- und Nutzerinteressen, sondern führt angesichts der
Gefahren digitaler Vervielfältigungsmöglichkeiten zu einer einseitigen
Überforderung der Rechteinhaber.
Es soll daher ein Modell skizziert werden, welches die Vorteile des
Individualvergütungssystems
gewährt
und
gleichzeitig
dessen
verfassungsrechtlichen Bedenken minimiert.
Durch
die
Einbindung
urheberrechtliche
der
Verwertungsgesellschaften1098
Verwertungskette
Vergütungsansprüche
könnten
die
als
„Treuhänder“
verfassungsrechtlichen
in
die
gebotener
Bedenken,
welche sich zum einem aus der Gefährdung der verfassungsrechtlich
garantierten Vervielfältigungsfreiheit, zum anderen aus den drohenden
Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergeben,
reduziert werden.
1098
Ein ähnliches Modell skizziert auch Wiegand, S. 355f., allerdings ohne dies näher zu
erläutern bzw. auf dessen verfassungsrechtlichen Hintergrund einzugehen. Ähnlich auch
Peukert, UFITA 2002/III, S. 709.
241
Skizze:
Verwertungsgesellschaft
Weitergabe des
Kopierschlüssels
Weitergabe des
Kopierschlüssels
Personalisierte
Nutzer- und
Nutzungsdaten
+
Vergütung f.
Vervielfältigung
Lieferung des
Werkstücks ohne
Kopierschlüssel
Werk-
Privater
mittler
Werknutzer
Anonymer Erwerb
Das urheberrechtliche Werkstück wird von Seiten der Werkmittler auf dem
Markt
mit
einem
Kopierschutz
versehen
angeboten.
Die
private
Vervielfältigungsmöglichkeit ergibt sich nur mittels eines Kopierschlüssels,
der gesondert vom Kauf des Werkstücks zu erwerben ist. Dieser
Kopierschlüssel
wird
von
den
Werkmittlern
an
die
Verwertungsgesellschaften weitergeleitet. Bei Anfrage wird der nämliche
Werkschlüssel gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung an den
Werknutzer
weitergeleitet,
vornehmen
kann.
Die
Verwertungsgesellschaften
der
so
damit
erzielten
entsprechend
eine
private
Erlöse
der
Vervielfältigung
werden
pro
Werk
von
den
erzeugten
Vervielfältigungen treuhänderisch an die beteiligten Urheber verteilt.
Die Vorteile eines solchen Modells lassen sich wie folgt skizzieren:
Die
geschilderten
Eingriffe
in
das
Recht
auf
informationelle
Selbstbestimmung1099 lassen sich auf ein erträgliches Maß reduzieren. Zwar
1099
Dazu oben Teil 4, B. II. 2. b).
242
würden
auch
bei
diesem
Modell
bei
der
Verwertungsgesellschaft
zwangsläufig personalisierte Nutzerdaten anfallen1100. Doch wären die
Informationen, wer welches Werk erworben hat und wer dieses Werk wie
nutzt, nicht in einer Hand vereinigt; diese Entkopplung von Nutzer- und
Nutzungsdaten verspricht eine sehr viel effektivere Wahrung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung. Zumal die treuhänderisch agierenden
Verwertungsgesellschaften1101 schon nicht vermuten lassen, dass sie ein
besonderes Interesse an der kommerziellen Nutzung personalisierter
Nutzerdaten
staatlicher
Vorschriften
haben.
Zudem
Kontrolle1102,
wäre
die
weitaus
unterstehen
Einhaltung
leichter
zu
Verwertungsgesellschaften
bundesdatenschutzrechtlicher
kontrollieren,
das
beklagte
Vollzugdefizit1103 wäre in diesem Bereich geringer.
Ein weiterer Vorteil eines solchen Modells liegt darin, dass es nicht zu der
beschriebenen Abhängigkeit der Urheber1104 gegenüber den Werkmittlern
als Betreibern der Individualvergütungssysteme kommt. Denn die Verteilung
der
Vervielfältigungsgebühren
läge
in
Händen
der
Verwertungsgesellschaften als Treuhänder der Urheber selbst; jene
verfolgen keine eigenen wirtschaftlichen Interessen, eine Übervorteilung der
Urheber scheint weitestgehend ausgeschlossen.
Auch stellt dieses Modell keine Rückkehr zum - verfassungsrechtlich
verwehrten - Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers hinsichtlich der privaten
Vervielfältigung seines Werkes dar. Denn die Schlüsselerteilung und damit
die Einräumung der Möglichkeit privater Vervielfältigung obliegt nicht den
Rechteinhabern selbst, sondern dritten Verwertungsgesellschaften; es
besteht also keine Möglichkeit der Rechteinhaber selbst Dritte von der
Nutzung ihrer Werke auszuschließen1105. Die Verwertungsgesellschaften
1100
Denn es ist stets eine Personalisierung des Kopierschlüssels erforderlich, wenn - den
verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - gewährleistet werden soll, dass nur der
Werknutzer und nicht ein beliebiger Dritter die Vervielfältigung zur ausschließlich eigenen,
privaten Verwendung vornehmen könne soll.
1101 Vgl. Schricker – Reinbothe, WahrnG Vor §§ 1 ff., Rn. 6.
1102 Vgl. §§ 1, 2, 18 ff. WahrnG.
1103 Dazu oben Teil 4, B. II. 2. c) cc). Zumal den Verwertungsgesellschaften nicht der Weg
offen stünde, sich dem bundesdeutschen Datenschutzgesetzgeber durch „Flucht ins
Ausland“ zu entziehen.
1104 Oben unter b); auch Hilty, GRUR 2005, S. 823, 828, spricht sich für einen Zwang zur
kollektiven Rechtewahrnehmung vor dem Hintergrund der effektiven Wahrung der
Urheberrechte (ggü. den Rechteverwertern!) aus.
1105 Dies ist aber konstitutives Merkmal eines Ausschließlichkeitsrechts, vgl. Schricker –
Schricker, Einl., Rn. 19; Gamm, § 11, Rn. 8ff..
243
hingegen unterliegen bei der Zulassung privater Vervielfältigungsmöglichkeit
staatlicher Kontrolle.
Bei diesem Modell finden die Verwertungsgesellschaften also zu ihrer
ursprünglichen Aufgabe1106 zurück, die individuellen Werknutzungen einzeln
zu erfassen. Dabei kommt es zu einer weitaus stärkeren Schonung der
Grundrechte von Urhebern und insbesondere Werknutzern, als es bei der
Implementierung von Individualvergütungsmodellen unter Ausschluss der
Beteiligung der Verwertungsgesellschaften käme.
Abschließend
bleibt
daher
festzuhalten,
dass
eine
gesetzliche
Implementierung von Individualvergütungsmodellen jedenfalls nach den
derzeit diskutierten oder bereits praktizierten zweiseitigen Modellen (also
einem
Individualvergütungssystem
unter
Ausschluß
der
Verwertungsgesellschaften) aus den genannten verfassungsrechtlichen
Gründen nicht in Betracht kommt. Denkbar erscheint aber die gesetzliche
Verankerung eines Individualvergütungssystems unter Einschaltung der
Verwertungsgesellschaften, welche insbesondere die Gewähr für einen
ausreichenden Schutz der Werknutzer hinsichtlich deren Rechte auf
informationelle
Selbstbestimmung
bieten
würde.
Auch
wäre
das
verfassungsrechtlich verbürgte Recht der Werknutzer auf Vornahme privater
Vervielfältigungen weitestgehend durch staatliche Kontrolle geschützt.
Schließlich würde auch den Urheberinteressen gedient, welche sich bei der
Vergütungsverteilung
nicht
der
wirtschaftlichen
Übermacht
potenter
Werkmittler ausgesetzt sähen.
D. Ergebnisse der Untersuchung
Die wesentlichen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen sich
thesenartig wie folgt zusammenfassen:
1. Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG verlangt zwingend die
vermögensrechtliche
Zuordnung
der
wirtschaftlichen
Verwertbarkeit
geistigen Eigentums an den Urheber bzw. Rechteinhaber. Dies setzt aber anders als beim Sacheigentum - nicht auch die uneingeschränkte
1106
Dazu Loewenheim – Melichar, § 45, Rn. 28.
244
Verfügungsfreiheit über das Objekt geistigen Eigentums, also ein absolut
wirkendes Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers hinsichtlich jedweder
Vervielfältigung durch Dritte voraus. Denn infolge seiner Unkörperlichkeit
wird die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung geistigen Eigentums
nicht ausschließlich durch die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts
gewahrt. Stattdessen ist es ausreichend, wenn für Eingriffe in die
Verfügungsbefugnis des Urhebers über das Objekt geistigen Eigentums
eine wirtschaftliche Kompensation gewährt wird. Dazu oben Teil 2, B. III..
2.
Auch
die
Kunstfreiheit
Rahmenbedingungen
verlangt,
der
dass
wirtschaftlichen
der
Gesetzgeber
Verwertung
die
des
Schaffensergebnisses künstlerischer Betätigung in Form urheberrechtlich
geschützter Werke schafft und sichert. Der Schutz der Verfügungsfreiheit
über das urheberrechtlich geschützte Geisteswerk hingegen kann Art. 5
Abs. 3 GG ebenso wenig entnommen werden wie Art. 14 GG. Dazu oben
Teil 2, D. II..
3. Sofern der verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich zwischen den
beteiligten Interessen insbesondere der Werknutzer und Urheber die private
Vervielfältigungsfreiheit erfordert, verlangt die Schrankenqualifikation des
Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, dass dieser Eingriff in Eigentumspositionen - sofern
er
die
vermögensrechtliche
Zuordnung
des
Geisteswerks
an
den
Rechteinhaber in Frage stellt - eine entsprechende wirtschaftliche
Ausgleichspflicht begründet. Dazu oben Teil 2, E. II. 1. b).
4. Auch die völkerrechtlichen Vorgaben erlauben den Eingriff in das
ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers zugunsten privater
Vervielfältigungsfreiheit, sofern hierfür ein angemessener wirtschaftlicher
Ausgleich gewährt wird. Dasselbe gilt für die Vorgaben der Info - RL. Diese
lassen einen Eingriff in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des
Urhebers zu privaten Zwecken zu. Allerdings ist danach dem Urheber ein
„gerechter Ausgleich“ zu gewähren, ohne dabei allerdings Vorgaben zu
machen,
wie
dieser
gerechte
Ausgleich
auszusehen
habe.
Dazu
insbesondere oben Teil 3, A. IV. und B. IV..
245
5.
Der
sachliche
grundsätzlich
den
Schutzbereich
Zugang
Kopierschutzmechanismen,
„jedermann“
entzogen
Informationsfreiheit
nicht
auch
der
zu
Informationsfreiheit
solchen
DRM-Techniken
sein
den
sollen.
Werken,
etc.,
dem
gewährt
die
durch
Zugriff
durch
Allerdings
verlangt
die
unentgeltlichen
Zugang
zu
Informationsquellen. Dazu oben Teil 4, A. I. 2. und 3..
6. Der Bedeutungszuwachs von „Information“ verlangt die stärkere
Betonung des staatlichen Schutzauftrags, die Informationsfreiheit des
Einzelnen verstärkt durch staatliches bzw. gesetzgeberisches Eingreifen zu
sichern. Dazu oben Teil 4, III. 3. a).
7. In Anbetracht der Bedeutung, welche die Möglichkeit der Herstellung
privater Vervielfältigungsexemplare in der heutigen Informationsgesellschaft
angesichts der gegebenen technischen Rahmenbedingungen sowie der
gesteigerten „Informationsabhängigkeit“ des Einzelnen innehat, würde eine
Ausgestaltung des Urheberrechts, welche die private Vervielfältigung
rechtlich oder tatsächlich unmöglich machte, einen Eingriff in den
Wesensgehalt
der
Informationsfreiheit
der
Werknutzer
darstellen.
Angesichts dessen ist eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht des
Gesetzgebers zu bejahen, die Informationsfreiheit der Werknutzer bei der
Ausgestaltung eines urheberrechtlichen Instituts zur Regelung privater
Vervielfältigungstätigkeit angemessen zu berücksichtigen, ohne hierdurch
freilich ein konkretes Ergebnis vorzugeben. Dazu oben Teil 4, III. 3. b), c)
und d).
8. Die technischen Möglichkeiten, die sich durch die Verwendung der
vielgestaltigen DRM-Techniken ergeben, stellen eine Bedrohung für den
Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der
Werknutzer dar. Dieser Wesensgehalt bestimmt sich nicht danach, ob es
durch
entsprechende
Datenverarbeitung
zur
Erstellung
von
Persönlichkeitsbildern kommen kann. Vielmehr ist der Wesensgehalt dann
berührt,
wenn
hinsichtlich
personenbezogener
Informationen
246
Verwendungsmöglichkeiten bestehen, welche für den Grundrechtsinhaber
weder überschau- noch beeinflussbar sind und daher geeignet sind, sein
Verhalten als Informationsobjekt einem vermeintlichen oder tatsächlichen
Bild
seiner
selbst
entsprechend
zu
beeinflussen.
Eigene
Abhilfemöglichkeiten der Werknutzer zur Abwehr dieses drohenden Eingriffs
in den Wesensgehalt, welche die Annahme einer grundrechtlichen
Schutzpflicht entbehrlich machten, bestehen nicht. Dazu insbesonder oben
Teil 4, B. II. 2. b) und c).
9. Das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung lässt die bloß passive
Gewähr
grundrechtlicher
Freiheiten
durch
den
Gesetzgeber
nicht
ausreichen. Stattdessen sollen auch die faktischen Rahmenbedingungen
dafür
geschaffen
werden,
dass
grundrechtliche
Freiheit
in
der
Lebenswirklichkeit Umsetzung erfahren kann. Eine Ausgestaltung des
Urheberrechts
als
absolutes
Ausschließlichkeitsrecht,
welches
die
Möglichkeit privater Vervielfältigungstätigkeit vollständig in die Hände der
Rechteinhaber
legte,
würde
dieser
Staatszielbestimmung
ebenso
widersprechen wie die, durch die uneingeschränkte Verwendung von DRMSystemen drohende Privatisierung des Rechtsschutzes (vor tatsächlichen
oder
vermeintlichen
Urheberrechtsverletzungen
Vervielfältigungstätigkeit).
Auch
das
durch
Kulturstaatsprinzip
private
verlangt
zur
Verwirklichung kultureller Daseinsvorsorge die Schaffung angemessener
Partizipationsmöglichkeiten an Kulturgütern, also an urheberrechtlich
geschützten
Werken.
Schutzpflichten
Konkrete
können
beiden
Aussagen
oder
gar
Staatszielbestimmungen
besondere
indes
nicht
entnommen werden. Dazu oben Teil 4, C. III. 1. und 2..
10.
Zugunsten
des
verfassungsrechtliche
Urhebers
Pflicht
kann
abgeleitet
aus
Art.
14
werden,
die
GG
nur
die
angemessene
wirtschaftliche Verwertung geistigen Eigentums zu gewährleisten. Das
gleiche gilt für den Schutz des Urhebers aus der Kunstfreiheit. Zugunsten
der Werknutzer lässt sich am Rahmen der gebotenen Ausgleichsfindung die
Sozialpflichtigkeit geistigen Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG anführen,
welche die Berücksichtigung berechtigter Werknutzerinteressen bei der
247
gesetzlichen Ausgestaltung privater Vervielfältigungstätigkeit verlangt. Die
mögliche
Ausgestaltung
des
Urheberrechts
als
absolutes
Ausschließlichkeitsrecht im Hinblick auf private Vervielfältigungstätigkeit
(wie auch die uneingeschränkte Verwendung von DRM-Systemen) stellt
einen Eingriff in den Wesensgehalt der Informationsfreiheit der Werknutzer
dar. Deswegen ergibt sich die Notwendigkeit der Zulassung privater
Vervielfältigungsfreiheit als verfassungsrechtliches Postulat, unabhängig
davon, ob es sich um eine analoge oder digitale Werkvorlage handelt.
Rechtpolitische
Bestätigung
findet
dieses
Ergebnis
im
verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre und im Recht auf
informationelle Selbstbestimmung der Werknutzer. Denn nur die Freigabe
privater
Vervielfältigungstätigkeit
lässt
die
Notwendigkeit
der
Nutzungskontrolle urheberrechtlicher Werke und der damit einhergehenden
Bedrohung der genannten Verfassungsgüter erst gar nicht entstehen.
Ein Widerspruch zur Annahme eines verfassungsrechtlichen Auftrags zur
Gewährleistung privater Vervielfältigungsfreiheit findet sich auch nicht in den
einschlägigen völker- oder europarechtlichen Vorschriften. Dazu oben Teil
6, B..
11. Abweichend von der bisherigen Interpretation des „privaten Gebrauchs“
in § 53 Abs. 1 UrhG soll nach der hier vertretenen Auffassung die
Weitergabe
stehende
privat
Dritte
hergestellter
nicht
von
Vervielfältigungsexemplare
diesem
Begriff
umfasst
an
nahe
sein.
Denn
verfassungsrechtliche Gründe, welche die Weitergabe an (nahe stehende)
Dritte hinreichend rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Dazu oben
Teil 6, B. II. 1.b).
12. Abweichend von der bisher (überwiegend) als zulässig betrachteten
Anzahl von 7 Vervielfältigungsexemplaren wird hier für die Reduzierung auf
ein zulässiges Vervielfältigungsexemplar plädiert. Denn den Anforderungen
der
Informationsfreiheit
der
Werknutzer
ist
bereits
mit
einem
Vervielfältigungsexemplar genüge getan; verfassungsrechtliche Gründe,
welche für die Gestattung weiterer Exemplare sprächen, sind nicht
ersichtlich. Dazu oben Teil 6, B. II. 3..
248
13. Die verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, die private
Vervielfältigungsfreiheit auf gesetzlicher Basis anzuerkennen, droht durch
technische Schutzmaßnahmen ausgehebelt zu werden. Denn es ist damit
eine
Privatisierung
des
„Rechtsschutzes“
vor
privater
Vervielfältigungstätigkeit zu befürchten, welche es dem Rechtsinhaber
ermöglicht,
mit
Hilfe
urheberrechtlicher
Werke
Wertentscheidungen
zu
technischer
ohne
Maßnahmen
Rücksicht
unterlaufen.
auf
die
Nutzung
verfassungsrechtliche
Deswegen
reicht
die
einfache
Gewährung einer urheberrechtlichen Schrankenregelung zur Gestattung
privater Vervielfältigungstätigkeit nicht aus. Vielmehr muss eine solche
Schrankenregelung
auch
gegenüber
technischen
Schutzmaßnahmen
durchsetzungsstark ausgestaltet werden. Dazu oben Teil 6, B. II. 4. a).
14. Sofern Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 Info - RL diesbezüglich ein anderes
Ergebnis vorsieht, ist dieser verfassungskonform dahingehend auszulegen,
dass er sich nur auf solche Werkvorlagen bezieht, welche sich auf dem
Server des Inhalteanbieters bzw. im Übermittlungsvorgang an der
Werknutzer befinden. Nicht hingegen umfasst sind solche Werkvorlagen,
welche sich bereits beim Werknutzer befinden. Dazu oben Teil 6, B. II. 4. b)
cc).
15. Vor diesem Hintergrund ist die derzeit geltende Regelung des § 95 b
Abs.
1
UrhG
als
Privatkopieschranke
verfassungswidrig
hinsichtlich
zu
digitaler
qualifizieren,
Zielmedien
da
sie
entgegen
die
den
verfassungsrechtlichen Gewährleistungspflichten nicht durchsetzungsstark
ausgestaltet. § 95 b Abs. 3 UrhG ist hingegen wie Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4
Info - RL verfassungskonform auszulegen. Dazu oben Teil 6, B. II. c).
16. Jede Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten
Zwecken
stellt
eine
Beeinträchtigung
der
wirtschaftlichen
Verwertungsmöglichkeit geistigen Eigentums dar. Diese unzumutbare
Belastung der Eigentumsgarantie des Urhebers würde ohne entsprechende
wirtschaftliche Ausgleichspflicht den Schutzzweck der Eigentumsgarantie 249
nämlich die Sicherstellung eines Freiheitsraumes im vermögensrechtlichen
Bereich zum Zwecke eigenverantwortlicher Lebensgestaltung - aushöhlen.
Hieraus ergibt sich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, im Gegenzug
zur Gewährung privater Vervielfältigungsfreiheit eine Vergütungspflicht
hierfür zugunsten des Urhebers gesetzlich zu verankern. Dazu oben Teil 6,
C. I..
17. Die Frage, ob einem Pauschal- oder einem Individualvergütungssystem
der Vorzug bei der Gewährleistung der verfassungsrechtlich geforderten
Vergütungspflicht zu geben ist, bestimmt sich ausschließlich nach den
Vorgaben des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Dabei ist ein optimaler Ausgleich zwischen der verfassungsrechtlich
notwendigen Gewähr privater Vervielfältigungsfreiheit einerseits und dem
verfassungsrechtlichen Postulat einer angemessenen Urhebervergütung
andererseits zu finden. Dazu oben Teil 6, C. II. 1..
18. Als ungeeignet erweist sich das Individualvergütungsmodell dort, wo die
individuelle
Kontrolle der jeweiligen Werknutzung bereits
technisch
ausscheidet. Dies ist bei all jenen Werkstücken der Fall, die keinen
interaktiven Datenaustausch zwischen Werknutzer und Rechteinhaber
zulassen (also insbesondere bei analogen Werkstücken). Es kommt daher
bestenfalls ein Nebeneinander beider Vergütungssysteme in Betracht. Dazu
oben Teil 6, C. II. 3. a).
19. Den Maßstab der Erforderlichkeit angelegt, erweisen sich beide
Vergütungsmodelle als angreifbar. Das Pauschalvergütungsmodell basiert
auf einer - vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht unproblematischen vermuteten Werknutzung, welche das Individualvergütungsmodell umgeht.
Das
Individualvergütungsmodell
wiederum
lässt
-
jedenfalls
bei
Ausgestaltung unter Ausschluss der Verwertungsgesellschaften - eine
wirtschaftliche
Rechteverwertern
Benachteiligung
ernsthaft
der
Urheber
befürchten.
gegenüber
Anders
hier
den
das
Pauschalvergütungsmodell. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. b).
250
20. Auch für den Bereich, in welchem Individualvergütungsmodelle infolge
ihrer technischen Eignung überhaupt in Betracht kommen, scheidet deren
gesetzliche Implementierung aus verfassungsrechtlichen Gründen aus.
Denn faktisch macht die Verwendung derzeit praktizierter DRM-Systeme
(als
technisches
Individualvergütungsmodell)
das
Urheberrecht
zum
absoluten Ausschließlichkeitsrecht, kraft welchem alleine der Rechteinhaber
über Art und Umfang der jeweiligen Werknutzung entscheidet. Ein Ergebnis,
das mit der Annahme der verfassungsrechtlichen Verbürgung privater
Vervielfältigungsfreiheit
nicht
zu
vereinbaren
ist.
Ferner
stellt
die
Verwendung der derzeit gängigen DRM-Systeme einen Eingriff in den
Wesensgehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die
Wesensgehaltgarantie
bildet
Abwägungswege
Verhältnismäßigkeitsprüfung
der
aber
jene
Grenze,
die
nicht
auch
im
überwunden
werden darf. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. c) aa).
21. Für die Anwendungsbereiche, für welche die Implementierung eines
Individualvergütungsmodells geeignet ist, wird daher für ein alternatives
Regelungsmodell
plädiert.
Verwertungsgesellschaften
Dieses
in
die
sieht
die
Einbindung
Verwertungskette
(auch)
von
für
Individualvergütungsmodelle vor. Damit wäre einerseits den Werknutzern
gedient, da es hiermit nicht zu einem absoluten Ausschließlichkeitsrecht in
Händen der Rechteinhaber käme, welche andernfalls jede private
Vervielfältigung
beschriebenen
kontrollieren
Eingriffe
in
könnten.
den
Auch
stünden
Wesensgehalt
des
nicht
die
Rechts
auf
informationelle Selbstbestimmung zu befürchten. Schließlich wäre mit einem
solchen
Modell
geschützten
auch
die
Besserstellung
Vermögensinteressen
der
der
Urheber
verfassungsrechtlich
gegenüber
den
Rechteverwertern besser garantiert. Dazu oben Teil 6, C. II. 3. c) cc).
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