H ohere Mathematik f ur Ingenieure I Script zur

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Hohere Mathematik fur Ingenieure I
Script zur Vorlesung an der TU Berlin
im WS 98/99
PD Dr. Gunter Barwol 1
Oktober 98 - Februar 99
1
Technische Universitat Berlin, email:[email protected]
1
0 Vorbemerkungen
Ausgangspunkt fur die Vorlesung HM I fur Ingenieure war die Frage, womit
der Ingenieur in seiner Arbeit konfrontiert wird. Es entstehen mathematische
Aufgaben u.a. bei
der mathematischen Modellierung von technischen Prozessen (Reaktionen),
der Optimierung von Prozessablaufen,
der Beschreibung von naturlichen Phanomenen wie Klima, Umwelt,
aber auch z.B. der Bevolkerungsentwicklung (Populationsdynamik) und
der Experimentauswertung.
Die genannten Aufagbenstellungen bedeuten konkret
die Losung von Dierentialgleichungen,
die Losung von linearen und nichtlinearen Gleichungssystemen,
die Auswertung von Integralen,
die Bestimmung von Extremalstellen von Funktionen,
die Interpolation von Mewerten und
die naherungsweise Beschreibung von nichtlinearen Zusammenhangen
durch lineare oder polynomiale Beziehungen,
womit gleichzeitig die Thematik der HM I-Vorlesung umrissen ist.
Diese Script kann und will nicht die Standard-Lehrbucher der "Hoheren
Mathematik fur Ingenieure" [1], [2], [3], [5], [4] oder [6] ersetzen, soll aber die
mathematischen Themen incl. der grundlegenden Axiome und Denitionen
geschlossen, wenn auch weitestgehend ohne sophistische Beweise, darstellen.
Aus diesem Grund werden im Script auch Themen angesprochen, fur die
in der Vorlesung kein Raum bleibt, die aber hinsichtlich einer halbwegs geschlossenen Darstellung interessant sind. Da diese Themen bei Klausuren
2
und Prufungen von Ingenieurstudenten nicht gefragt sind, werden die entsprechenden Abschnitte mit einem versehen, d.h. sie konnen, mussen aber
nicht gelesen werden.
1 Mathematische Grundlagen
1.1 Logische Grundlagen
1.1.1 Aussagen und Aussagenformen
Die Mathematik prasentiert sich in Aussagen, z.B.,
A := "625 ist durch 5, 25 und 125 teilbar",
B := "x + 1 = 0 hat keine reelle Losung",
C := "P = (1; 2), P = (2; 4) und P = (3; 5) liegen auf einer Geraden."
Aussagen sind dadurch gekennzeichnet, da man in der Regel in der Lage
ist klar zu entscheiden, ob sie wahr oder falsch sind. Wenn wir mit !(A),
!(B ) usw. den jeweiligen Wahrheitswert (W fur eine wahre Aussage und F
fur eine falsche Aussage) der Aussagen A, B usw. bezeichnen , erhalt man
sofort
2
1
2
3
1
!(A) = W ,
!(B ) = W
und im Ergebnis
einer kleinen Skizze
!(C ) = F .
wir
5
4
2
P3
P2
P1
1 2
3
Abbildung 1: Gerade in der Zahleneben
Fur die weitere Beschaftigung mit der Hohren Mathematik postulieren
Postulat 1.1.
Eine Aussage ist entweder wahr oder falsch - ein Drittes gibt es nicht.
1!
ist eine Abbildung von der Menge aller Aussagen auf die Menge fW; F g.
3
Dieses Postulat bezeichnet man auch als "Satz vom ausgeschlossenen
Dritten" und damit arbeiten wir von nun an mit einer zweiwertigen Logik.
Wir denieren nun den Begri der Aussageform.
Denition 1.2.
Eine Aussageform ist ein Satz, der eine oder mehrere Variable enthalt und
der nach dem Ersetzen der Variablen durch konkrete Werte in eine Aussage
ubergeht.
Im Falle einer Variablen x verwenden wir die Schreibweise A(x) fur eine
Aussageform, z.B.,
A(x) := "P = (1; 2), P = (2; 4) und P = (3; x) liegen auf einer Geraden",
bzw. im Falle zweier Variablen x; y die Schreibweise
B (x; y) := "x = 5y".
Man sieht nun sofort, da
A(6) wahr ist,
also !(A(6))=W,
B (25; 5) wahr ist,
also !(B (25; 5))=W,
und z.B.
A(8) falsch ist,
also !(A(8))=F,
B (1; 1) falsch ist,
also !(B (1; 1))=F.
1
2
3
1.1.2 Logische Operationen und Aussagenverbindungen
Denition 1.3.
Logische Operationen sind Operationen, die auf Aussagen angewandt neue
Aussagen bzw. Aussagenverbindungen erzeugen.
a) Negation
Das der Ergebnis der Negation einer Aussage A, bezeichnet durch
A (gesprochen "nicht A");
bedeutet, da
4
!(A) = F gilt,
wenn !(A) = W ist,
!(A) = W gilt,
wenn !(A) = F ist.
Diesen Sachverhalt fassen wir in einer Wahrheitswerttabelle zusammen.
Fur die Negation erhalten wir
Negation A A
W F
F W
Wenn A beispielsweise die Aussage
A := "25 ist eine Quadratzahl"
ist, und damit !(A) = W gilt, so ist A die Aussage
A := "25 ist keine Quadratzahl",
was ja bekanntlich nicht richtig ist, so da sich !(A) = F ergibt.
b) Konjunktion
Die Konjunktion der Aussagen A und B bezeichnen wir durch
A ^ B (gesprochen "A und B");
und denieren
!(A ^ B ) = W genau dann, wenn !(A) = W und !(B ) = W ist,
womit wir die Wahrheitswerttabelle
Konjunktion A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
A^B
W
F
F
F
erhalten. Die Konjunktion A ^ B der Aussagen
5
A := "Politiker sagen immer die Wahrheit" und
B := "alle Studenten haben mindestens eine 2 als Abiturabschlu"
ist auf jeden Fall falsch, also gilt !(A ^ B ) = F , da !(A) = F , so da unabhangig davon, ob B zutrit oder nicht.
Technisch wird die Konjunktion durch eine Reihenschaltung zweier Schalter
(fur A und B ) realisiert (fruher wurden in Schaltkreisen Relais, ElektronenRohren bzw. Transistoren verwendet, heute bringt man die gesamte Transistorenund Rohrenproduktion eines Markfuhrers bekanntlich auf einem HalbleiterChip unter), so da nur dann Strom iet, wenn beide Schalter geschlossen
(A und B zutreen) sind.
c) Alternative
Die Alternative der Aussagen A und B bezeichnen wir mit
A _ B (gesprochen "A oder B");
und denieren
!(A _ B ) = F genau dann, wenn !(A) = F und !(B ) = F ist.
Damit ergibt sich die Wahrheitswerttabelle
Alternative A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
A_B
W
W
W
F
Die technische Realisierung der Alternative erfolgt uber eine Paralellschaltung zweier Schalter (fur A und B ), so da nur dann kein Strom iet, wenn
beide Schalter geonet (A und B nicht zutreen) sind.
d) Implikation
Die Implikation der Aussagen A und B wird mit
A =) B (gesprochen "aus A folgt B");
bezeichnet und ist deniert durch
6
!(A =) B ) = F genau dann, wenn !(A) = W und !(B ) = F ,
was die Wahrheitswerttabelle
Implikation A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
A =) B
W
F
W
W
ergibt. Hierzu ist anzumerken, da man in der Mathematik bei korrekten
Schlufolgerungen aus einer falschen Voraussetzung allen moglichen Unsinn,
also sowohl falsche, als auch wahre Aussagen herleiten kann.
e) A quivalenz
Die A quivalenz zweier Aussagen A und B wird mit
A () B (gesprochen "A gilt genau dann, wenn B gilt");
bezeichnet und ist deniert durch
!(A () B ) = W genau dann, wenn A; B den gleichen Wahrheitswert haben.
Damit ergibt sich die Wahrheitswerttabelle
A quivalenz A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
A () B
W
F
F
W
Als Beispiel betrachten wir die Aussageformen A(a) :="a=0" und B (b) :="b=0"
und erhalten fur die Aussagenverbindung A(0) () B (1)
!(A(0) () B (1)) = F ,
da !(A(0)) = W und !(B (1)) = F gilt, also sind die Aussagen A(0) und
B (1) nicht aquivalent. A quivalent sind hingegen die Aussagen
7
A := "mindestens eine der Zahlen x; y ist gleich 0" und
B := "xy = 0".
Es gilt !(A () B ) = W .
Bei komplizierteren Aussagenverbindungen stellt man zur Entscheidung,
ob die Aussage in Abhangigkeit von den Wahrheitswerten der beteiligten
Aussagen und Aussageverbindungen zutrit oder nicht, die Wahrheitswerttabelle fur die gesamte Aussagenverbindung und deren Bestandteile auf. Dies
wollen wir exemplarisch fur die Aussagenverbindung
C := (A ^ (B =) A)) =) B
tun. Die sorgfaltige Betrachtung der einzelnen Bestandteile von C ergibt die
Wahrheitswerttabelle
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
A
F
F
W
W
B
F
W
F
W
B =) A
F
W
W
W
A ^ (B =) A
F
W
F
F
C
W
W
W
W
die Aussagenverbindung C ist also immer wahr. "Immerwahre" Aussagenverbindungen werden Tautologien genannt.
Abschlieend wollen wir einige logische Regeln in einem Satz formulieren.
Satz 1.4.
a) A = A
b) (A =) B ) = (A _ B ) = (B =) A)
c) (A () B ) = ((A =) B ) ^ (B =) a)) = (A () B )
d) A ^ B = A _ B
e) A _ B = A ^ B
Der Beweis des Satzes ergibt sich sofort aus den Wahrheitswerttabellen
der zu vergleichenden Aussagenverbindungen.
8
1.1.3 Quantoren
Bei Aussageformen A(x) oder B (x; y) ist oftmals die Frage interessant, furr
welche konkreten x oder y die Aussagen A bzw. B zutreen oder nicht.
Besondere Bedeutung haben die Falle "fur alle x mit einer vorgegebenen
Eigenschaft" und "es existiert mindestens ein x". Fur diese Falle werden
Quantoren, namlich
8x
"fur alle x"
9x
"es existiert ein x"
eingefuhrt. Betrachten wir beispielsweise die Aussagenform A(x) =00 x = 100
so erhalten wir mit dem Allquantor 8 die Aussage
P := 8x; reell : A(x) = 8x; reell :00 x = 100
und bemerken, da !(P ) = F gilt, da die Gleichung x = 1 nicht fur alle
reellen Zahlen gilt. Fur die Aussage
Q := 9x; reell : A(x) = 9x; reell : 00x = 100
erhalten wir dagegen !(Q) = W , da die Gleichung ja fur die reelle Zahl x = 1
erfullt ist.
Abschlieend wollen wir noch die Verneinung von Aussagen der Form
P := 8x : A(x) und Q := 9x : A(x) betrachten.
2
2
2
2
Denition 1.5.
P = 8x : A(x) := 9x : A(x)
Q = 9x : A(x) := 8x : A(x)
Da diese Denitionen vernunftig sind zeigt das folgende Beispiel. Wir
betrachten die Aussageform B (x) :=00 x + x + 1 = 000 und die Aussage
P := 9x; reell : B (x). Wie stellen fest, da die Aussage P falsch ist, da man
keine reelle Zahl x nden kann, die die Gleichung x + x +1 = 0 erfullt. Nach
Denition ergibt sich fur P
P = 9x; reell : B (x) = 8x; reell : B (x) = 8x; reell :00 x + x + 1 6= 000
Da es keine reelle Zahl x gibt, die die Gleichung x + x + 1 = 0 erfullt, ist
"logischerweise" fur alle reellen Zahlen x die Ungleichheit x + x + 1 6= 0
erfullt, und damit ist die Aussage P wahr, also !(P ) = W .
2
2
2
2
2
9
1.2 Grundlagen der Mengenlehre
1.2.1 Begri der Menge und Mengenbeziehungen
Der Begri der Menge wird von uns in verschiedenen Bereichen unseres Lebens wie selbstverstandlich benutzt. Auf die mathematisch strengen Grundlagen der Mengentheorie kann in dieser Lehrveranstaltung nicht eingegangen werden. Zum Verstandnis des HM I-Stoes ist ein sogenannter "naiver"
Standpunkt ausreichend. Deshalb verwenden wir die Cantorsche "naive"
Mengendenition.
Denition 1.6.
Eine Menge ist eine Zusammenfassung wohlunterscheidbarer Objekten der
Anschauung oder des Denkens.
Wir schreiben x 2 A falls das Objekt x zur Menge A gehort, und x 62 A.
Fur jedes Objekt gilt
x 2 A oder x 62 A:
Die leere Menge bezeichnen wir mit ;.
Es gibt zwei Moglichkeiten der Charakterisierung bzw. Darstellung von Mengen,
a) die enumerative Darstellung, d.h., die Elemente werden explizit aufgelistet
A := fOtto; Ottmar; Ole; Oswaldg;
b) die deskriptive Darstellung, d.h. die Charakterisierung der Elemente
durch eine Eigenschaft,
B := fnj!(C (n)) = W g;
wobei C (n) eine Aussageform ist, z.B.,
C (n) :=00 n ist nat. Zahl und es gibt eine nat. Zahl p mit n = 2p00:
In diesem Fall ist B die Menge der geraden naturlichen Zahlen 2N.
Denition 1.7. Mengenbeziehungen
10
(i) A ist Teilmenge von B
A B; falls gilt x 2 A =) x 2 B
(ii) Mengengleichheit
A = B; falls gilt A B und B A
(iii) A ist echte Teilmenge von B
A B; falls gilt A B und A 6= B
1.2.2 Mengenoperationen
Denition 1.8.
(i) Vereinigungsmenge
A [ B := fxjx 2 A _ x 2 B g;
(ii) Durchschnittsmenge
A \ B := fxjx 2 A ^ x 2 B g;
(iii) Dierenzmenge
A n B := fxjx 2 A ^ x 62 B g;
(iv) Komplementmenge
sei X eine Menge, fur A X ist das Komplement von A in X (Schreibweise A) deniert durch
A := X n A;
11
(v) Potenzmenge (Menge aller Teilmengen)
P (A) := fUjU Ag;
(vi) kartesisches Produkt zweier Mengen
A B := f(a; b)ja 2 A ^ b 2 B g:
Mit den sogenannten Venn-Diagrammen konnen Mengenoperationen grasch dargestellt werden. Die folgenden beiden Diagramme zeigen den Durchschnitt bzw. die Vereinigung zweier Mengen A und B .
B
A
B
Abbildung 2: Durchschnitt A \ B
A
Abbildung 3: Vereinigung A [ B
1.2.3 Mengenalgebraische Regeln
Satz 1.9. Gesetze der Mengenalgebra
a) A \ (B [ C ) = (A [ B ) \ (A [ C ), 1. Distributivgesetz,
b) A [ (B \ C ) = (A \ B ) [ (A \ C ), 2. Distributivgesetz,
c) A [ B [ C = (A [ B ) [ C = A [ (B [ C ) ,
d) A \ B \ C = (A \ B ) \ C = A \ (B \ C ) ,
e) A B () A [ B = B () A \ B = A,
f) A; B X : A \ B = ; () A B () B A,
e) A; B X , de Morgansche Regeln: A [ B = A \ B; A \ B = A [ B
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Proof. Wir beschranken uns auf den Beweis der de Morganschen Regeln.
x 2 X n (A [ B ) () x 2 X ^ x 62 (A [ B )
() x 2 X ^ (x 62 A ^ x 62 B )
() (x 2 X ^ x 62 A) ^ ((x 2 X ^ x 62 B )
() x 2 (X n A) \ (X n B )
x 2 X n (A \ B ) () x 2 X ^ x 62 (A \ B )
() x 2 X ^ (x 62 A _ x 62 B )
() (x 2 X ^ x 62 A) _ ((x 2 X ^ x 62 B )
() x 2 (X n A) [ (X n B )
Beispiele:
1. Wenn wir die Menge der naturlichen Zahlen wie ublich mit N und die
geraden naturlichen Zahlen mit 2N bezeichnen, dann erhalten wir mit
2N = N n 2N = fkjk = 2n + 1; n 2 Ng
die Menge der ungeraden naturlichen Zahlen als Komplement der geraden
naturlichen Zahlen in N.
2. Seien die Mengen
A := fxj6 x < 25g = [6; 25),
B := fxjx teilt 625 ^ x 6= 1g und
C := f7; 8; 9g
gegeben. Die Mengen A \ B , A [ B , (A \ B ) [ C und A [ (B \ C ) sind zu
bilden.
Fur B ergibt sich B = f5; 25; 125g. Man sieht sehr schnell, da A und B bzw.
B und C keine gemeinsamen Elemente haben (die Mengen sind disjunkt), so
da
A \ B = ; und B \ C = ;
gilt. Damit ist
A [ (B \ C ) = A und (A \ B ) [ C = C:
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Fur A [ B ergibt sich schlielich
A [ B = [6; 25] [ f125g:
Bemerkung 1.10.
Mengenalgebraischen Ausdrucken (Mengenverbindungen) sind in der Regel
durch konsequente Klammersetzung klar deniert. Wenn in Ausdrucken keine
Klammern gesetzt sind, so gilt die Konvention aus der Grundschule "Punktrechnung geht vor Strichrechnung", wobei in der Mengenalgebra der Durchschnitt \ der Multiplikation in der Arithmetik und die Vereinigung [ bzw.
die Dierenz n der Addition bzw. Subtraktion von Zahlen entspricht. Der
Ausdruck
A[B\C[D\E
ist gleichbedeutend mit dem geklammerten Ausdruck
A [ (B \ C ) [ (D \ E ) = (A [ (B \ C )) [ (D \ E ):
1.3 Abbildungen
Denition 1.11.
Seien A und B Mengen, dann verstehen wir unter einer Abbildung f von A
nach B ,
f : A ! B; a 7! f (a);
eine Zuordnungsvorschrift, die jedem a 2 A genau ein b 2 B; b = f (a)
zuordnet.
A wird Denitionsbereich und B wird Wertebereich oder Wertevorrat der
Abbildung f genannt.
Ist A0 A und B 0 B dann nennen wir
f (A0) := fy 2 B j es gibt ein x 2 A0 mit y = f (x)g
die Bildmenge von A0, und
f , (B 0) := fx 2 Ajf (x) 2 B 0g
1
die Urbildmenge von B 0.
14
Denition 1.12.
Eine Abbildung f : A ! B heit injektiv (eineindeutig), falls
f (a) = f (b) =) a = b gilt.
f heit surjektiv (Abbildung auf, f (A) = B ), falls es zu jedem b 2 B ein
a 2 A gibt, so da f (a) = b gilt.
f heit bijektiv, falls f injektiv und surjektiv.
Beispiel 1:
Sei A die Menge der Studenten des Studienganges Verkehrswesen und B = N,
dann ist
f : A ! N; s 7! Matrikel-Nr. von s
eine Abbildung, die jedem Studenten des Stg. Verkehrswesen seine MatrikelNr. zuordnet.
Diese Abbildung ist injektiv.
Beispiel 2:
Sei M die Menge der mannlichen Studenten der TUB, und W die Menge der
weiblichen Studenten. Die Zuordnung
f : M ! W; m 7! Freundin von m
ist nur dann eine Abbildung, wenn jeder Student nur eine Freundin hat.
Es ist allerdings moglich, da eine Studentin zwei Freunde haben kann. Dann
ist die Abbildung aber nicht mehr injektiv.
Beispiel 3:
Es sei f : R ! R deniert durch f (x) = x .
Es sollen die Bildmenge von R und die Urbildmenge von [1; 2] bestimmt
werden. Man uberlegt
2
f (R) = R := fx 2 Rjx 0g;
0
p
p
f , ([1; 2]) = [, 2; ,1] [ [1; 2]:
1
Die Abbildung f (x) = x ist weder surjektiv, noch injektiv, und damit schon
gar nicht bijektiv.
2
15
1.4 Die naturlichen Zahlen und
die Methode der vollst. Induktion
Die naturlichen Zahlen entspringen dem Zahlen, einer Fahigkiet, die in (fast)
allen Kulturen existiert.
Ausgehend von der Mengenlehre konnen die naturlichen Zahlen und auch die
anderen Zahlenbereiche mathematisch streng axiomatisch aufgebaut werden,
was jedoch den Rahmen dieser Lehrveranstaltung sprengen wurde (selbst bei
der Mathematikerausbildung wird dies oft nicht getan). Der Mathematiker
Peano hat mit den Peanoschen Axiomen eine treiche Charakterisierung
der naturlichen Zahlen vorgenommen, auf die wir uns im Folgenden stutzen
werden.
Axiom 1.13. (Peano Axiome fur N)
(I) 0 ist eine naturliche Zahl,
(II) Jede naturliche Zahl n hat genau einen Nachfolger n' (Schreibweise
1=0', 2=1' usw.),
(III) 0 ist kein Nachfolger einer naturlichen Zahl,
(IV) ist n' Nachfolger von n und m' Nachfolger von m und gilt n'=m', dann
gilt n=m (d.h., jede naturliche Zahl hat genau einen Vorganger),
(V) Induktionsprinzip
Sei A N mit
(i) 0 2 A,
(ii) n 2 A =) n0 2 A.
Dann ist A = N.
Insbesondere das V. Peanosche Axiom wird uns noch viel Freude (oder
auch A rger) bereiten, denn es ist die Grundlage fur das Prinzip der vollstandigen Induktion.
Satz 1.14. Prinzip der vollstandigen Induktion
Sei A(n) eine Aussage fur jedes n 2 N, n n . Wenn gilt
A(n ) ist wahr,
0
0
16
A(k) ist wahr =) A(k + 1) ist wahr (k n beliebig, fest).
Dann gilt die Aussage A(n) fur alle n 2 N, n n .
0
0
Da das Prinzip der vollstandigen Induktion ein wichtiges Beweisprinzip
der Mathematik darstellt, wollen wir den Satz 1.14 etwas genauer analysieren.
Um den Satz anwenden zu konnen, sind die Voraussetzungen zu sichern. Es
ist zum einem der Induktionsanfang zu machen, d.h., die Gultigkeit der
Aussage A(n ) ist zu zeigen. Als zweite Voraussetzung ist ausgehend von
der Induktionsannahme, d.h. der Annahme, da A(k) wahr ist (k n
beliebig, fest), zu zeigen, da A(k + 1) wahr ist.
Gelten die beiden Voraussetzungen, kann man gema Satz 1.14 mit dem
Induktionsschlu die Gultigkeit einer Aussage A(n) fur alle n 2 N, n n
schlufolgern.
Beispiel 1:
Wir vermuten, da
n 2n + 1
fur n 3 gilt, und wollen die Vermutung mit dem Prinzip der vollst. Induktion beweisen. Unsere Vermutung fassen wir in der Ausageform
A(n) :=00 n 2n + 1 ^ n 300
zusammen.
0
0
0
2
2
Induktionsanfang:
A(3) gilt, da 9 = 3 3 2 3 + 1 = 7 ist.
Die Induktionsannahme lautet
A(k) gilt fur k 3 beliebig, fest:
Unter Nutzung der Induktionsannahme ist nun die Gultigkeit von A(k + 1)
zu zeigen.
A(k) =00 k 2k + 1; k 300 ist wahr =)
=)
=)
=)
=)
2
k + (2k + 1) 2k + 1 + (2k + 1)
(k + 1) 2k + 2 + 2k
(k + 1) 2(k + 1) + 2k
(k + 1) 2(k + 1) + 1
A(k + 1); k 3; gilt.
2
2
2
2
17
Mit dem Induktionsschlu ist die Aussage A(n) =00 n 2n + 1 ^ n 300
nach Satz 1.14 fur alle n 2 N, n 3 bewiesen.
2
Bemerkung 1.15.
Bei dem eben durchgefuhrte Induktionsbeweis wurde eigentlich nur benotigt,
da k 1 sein mute. Wenn man nun allerdings denkt, da die Aussage schon
fur naturliche Zahlen groer oder gleich 1 gilt, so irrt man, denn man mu
feststellen, da A(1) nicht gilt, man hat also keinen Induktionsanfang fur
n < 3.
Andererseits ist es unzureichend, Vermutungen fur einige naturliche Zahlen
n = 1; 5; 6; 7; :::; p nachzuweisen, und dann zu schlufolgern, da die Vermutung fur alle naturlichen Zahlen zutrit. So zum Beispiel gilt die Aussage
A(n) :=00 2n > n 00 fur n = 1; 5; 6; 7; :::. Beim Versuch den Nachweis zu
erbringen, da
2
(A(k) ist wahr =) A(k + 1) ist wahr)
gilt, stellt man fest, da der Nachweis nur fur n 5 gelingt, und in der Tat
gilt die Vermutung 002n > n 00 nicht fur n = 2; 3; 4.
2
Beispiel 2.:
Wir vermuten, da die Beziehung
2 + 2 + 2 + ::: + 2n, = 2n , 1; n 1; n 2 N
0
1
2
1
gilt, und wollen dies mit der vollst. Induktion beweisen.
Induktionsanfang, n = 1:
1 = 2 = 2 , 1 = 1;
0
1
Induktionsannahme, Beziehung gilt fur k = n; n 2 N; k fest:
2 + 2 + 2 + ::: + 2k, = 2k , 1
0
1
2
1
Unter Nutzung der Gultigkeit der Induktionsannahme ist
2 + 2 + 2 + ::: + 2k = 2k , 1
0
1
2
+1
18
zu zeigen:
2 + 2 + 2 + ::: + 2k, = 2k , 1 =) 2 + 2 + 2 + ::: + 2k, + 2k = 2k , 1 + 2k
=) 2 + 2 + 2 + ::: + 2k = 2 2k , 1
=) 2 + 2 + 2 + ::: + 2k = 2k , 1
0
1
2
1
0
1
2
0
1
2
0
1
2
1
+1
Mit dem Induktionsschlu nach Satz 1.14 ist die Beziehung
2 + 2 + 2 + ::: + 2n, = 2n , 1
0
1
2
1
fur alle n 1; n 2 N bewiesen.
1.5 Zahlbereiche
Obwohl wir voraussetzen, da die Zahlbereiche Z, Q und R aus der Schule
bekannt sind, sei an dieser Stelle auf die grundlegenden Eigenschaften, die
bei fast allen Rechnungen stillschweigend vorausgesetzt werden, der ganzen,
rationalen und reellen Zahlen hingewiesen.
(Wer sich genauer fur die streng axiomatische Einfuhrung der Zahlbereiche
interessiert, dem sei z.B. die grundlegenden Bucher von Dieudonne oder E.
Landau: Grundlagen der Analysis, Leipzig 1930, empfohlen).
1.5.1 Gruppen
Denition 1.16.
Eine nichtleere Menge G heit Gruppe, wenn die Axiome
(G 1) es gibt eine Operation, die angewandt auf x 2 G und y 2 G eindeutig
x + y ergibt, mit x + y 2 G,
(G 2) es gilt mit a + (b + c) = (a + b) + c das Assoziativgesetz (a; b; c 2 G),
(G 3) es exisitiert ein Element e 2 G, so da fur alle x 2 G e + x = x = x + e,
e wird neutrales Element oder auch Eins genannt,
(G 4) es existiert eine solche Eins e, so da es fur alle a 2 G ein ainv 2 G gibt
mit ainv + a = e,
ainv wird Linksinverses von a genannt,
19
erfullt sind. Gilt auerdem fur alle a; b 2 G a + b = b + a, dann heit G
kommutativ oder abelsch (benannt nach dem norwegischen Mathematiker
N.H. Abel)
G heit Halbgruppe, wenn nur (G 1) und (G 2) gelten, und G heit
Monoid, wenn (G 1), (G 2) und (G 3) gelten.
Beispiele:
Die ganzen Zahlen Z mit der Standard-Addition, (Z; +) bilden eine
abelsche Gruppe mit 0 als neutralem Element.
(N; +) ist ein Monoid, 0 ist das neutrale Element.
(N n f0g; +) ist eine Halbgruppe.
1.5.2 Ringe und Korper
Denition 1.17.
Eine nichtleere Menge R heit Ring, wenn auf R zwei Verknupfungen (genannt Addition und Multiplikation) +; erklart sind, die Elementen aus RR
wiederum Elemente aus R zuordnen, und den Axiomen (R 1)-(R 3)
(R 1) (R; +) ist eine abelsche Gruppe,
(R 2) Fur x; y 2 R gilt x (y + z) = x y + x z, (x + y) z = x z + y z.
(R 3) Fur x; y 2 R gilt x (y z) = (x y) z.
genugt.
Gilt auerdem x y = y x fur alle x; y 2 R heit R kommutativer Ring.
Bemerkung 1.18.
Ein Ring R braucht keine multiplikative Eins, d.h. kein Element 1 mit 1 a =
a = a 1 zu besitzen.
Beispiel:
Die ganzen Zahlen Zmit den Operationen "+" und "", dafur schreibt man
auch das Tripel (Z; +; ), sind ein kommutativer Ring mit einer multiplikativen Eins.
20
Denition 1.19.
Ein kommutativer Ring (K; +; ) mit multiplikativer Eins heit Korper, falls
K n feg bezugl. der Multiplikation eine Abelsche Gruppe bildet (e ist das
bei der Ring-Denition angesprochene Einselement der Addition).
Beispiel:
Die rationalen Zahlen Q und die reellen Zahlen R sind bezugl. der landlaugen Addition und Multiplikation Korper.
Das trit auch auf die komplexen Zahlen, die etwas spater ausfuhrlich besprochen werden, zu.
In den folgenden Kapiteln werden nun verstarkt Themen behandelt, bei denen die bisher besprochenen Begrie verwendet werden.
1.6 Ungleichungen
Hauptgegenstand dieses Abschnittes sind Ungleichungen reeller Zahlen, also
etwa Beziehungen der Form
1x 3 :
5
Bevor wir die Methoden zur Behandlung und Losung von Ungleichungen
diskutieren, wollen wir uns mit dem Begri des absoluten Betrages einer
reellen Zahl kurz befassen.
1.6.1 Betrage
Denition 1.20.
Der Betrag einer reellen Zahl x wird mit jxj bezeichnet und ist deniert durch
8x
<
jxj = : 0
,x
fur
fur
fur
x > 0;
x = 0;
x<0
Geometrisch gesehen, ist jxj der Abstand der Zahl x auf der Zahlengeraden vom Nullpunkt und jx , aj der Abstand der Zahl x von der Zahl a.
21
y
y=|x|
x
Abbildung 4: Verlauf von jxj in der Zahlenebene
1.6.2 Rechenregeln fur Ungleichungen
Satz 1.21. Sei die Ungleichung
a>b
fur a; b 2 R gegeben. Dann gilt
(i)
a + c > b + c; fur beliebige reelle Zahlen c;
(ii)
a p > b p; fur beliebige positive reelle Zahlen p;
(iii)
a n < b n; fur beliebige negative reelle Zahlen n;
(iv)
a < b ; falls a > 0; b > 0;
(v) a > b ^ c > d =) a + c > b + d; gleichger. Ungl. kann man add.;
(vi)
a > b > 0 =) an > bpn; 8n 2 N; n 1;
(vii)
a > b > 0 =) pn a > n b; 8n 2 N; n 1:
1
1
Die Regeln (i) bis (iv) erklaren sich aus den arithmetischen Grundregeln
des Rechnens mit reellen Zahlen, und die Regeln (vi) und (vii) lassen sich
recht einfach mit der Methode der vollst. Induktion zeigen.
Satz 1.22.
Fur alle x; y 2 R gilt
(i)
ja bj = jaj jbj
a
(ii)
j b j = jjabjj ; fur b 6= 0;
(iii)
jaj < b () ,b < a < b;
(iv) ja + bj jaj + jbj; Dreiecksungleichung
22
Proof.
Zuerst soll (iii) bewiesen werden.
jaj < b =) a < b ^ ,a < b =) a < b ^ a > ,b;
,b < a < b =) ,b < a ^ a < b =) b > ,a ^ b > a =) jaj < b;
Damit ist (iii) bewiesen. Unter Nutzung von (iii) beweisen wir (iv), die Dreiecksungleichung. Es gilt
(I ) ,jaj a jaj
(II ) ,jbj b jbj
Die Addition der gleichgerichteten Ungleichungen (I) und (II) (nach Satz
1.21 (v) moglich) ergibt
,(jaj + jbj) a + b jaj + jbj:
Aus (iii) folgt sofort die Dreieckungleichung.
Beispiele:
1 > 1:
25 < 30 =) 25
30
1 > 0:9 =) 1 , 99 = ,98 > 0:9 , 99 = ,98:1:
1 > ,2 =) 1 (,1) = ,1 < (,2) (,1) = 2:
1.6.3 Wichtige Ungleichungen
1) Die verallgemeinerte Dreiecksungleichung
Eine Verallgemeinerung der Dreiecksungleichung ergibt sich zu
j
n
X
i
=1
aij n
X
i
=1
jaij:
23
Die verallgemeinerte Dreiecksungleichung beweist man unter Nutzung der
Dreiecksungleichung mit der Methode der vollst. Induktion.
2) Die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung
Seien mit a ; a ; :::; an und b ; b ; :::; bn reelle Zahlen gegeben. Es gilt die
Cauchy-Schwarzsche Ungleichung
(a b + a b ) (a + a )(b + b ):
Wenn man die Multiplikationen weiter ausfuhrt, erhalt man
a b + 2a b a b + a b a b + a b + a b + a b :
Wenn man berucksichtigt, da aus (x , y) 0 die Ungleichung
x + y 2xy
folgt, und x = a b und y = a b setzt, ist der Beweis fur die CauchySchwarzsche Ungleichung erbracht.
Mit der Methode der vollst. Induktion ergibt sich die verallgemeinerte CauchySchwarzsche Ungleichung
1
2
1
2
2
1
2
2
1
1
1
1
1
2
2
2
2
2
2
2
2
1
2
1
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
1
1
1
2
2
1
2
2
2
2
1
2
2
n
X
(
i
=1
2
1
n
X
aibi) (
2
i
n
X
ai )(
2
=1
i
bi ):
2
=1
Aus der verallgemeinerten Cauchy-Schwarzsche Ungleichung folgt unmittelbar die Gleichung
2
n
X
i
=1
v
v
u
u
n
n
X
X
u
u
t
t
aibi ai
bi :
2
i
=1
2
i
=1
3) Bernoulli'sche Ungleichung
Sei a < ,1; a 6= 0. Dann gilt die Bernoullische Ungleichung
(1 + a)n > 1 + na; 8n 2:
Die Bernoullische Ungleichung beweist man mit der Methode der vollst.
Induktion, also
die linke Seite dieser Gleichung bezeichnet man als Skalarprodukt zweier Vektoren, und
die Gleichung besagt, da das Skalarprodukt nicht groer als das Produkt der Betrage der
Vektoren sein kann.
2
24
I Induktionsanfang fur n = 2
(1 + a) = 1 + 2a + a > 1 + 2a; da a 6= 0;
0
2
2
II Ungl. gilt fur festes k 2 N; k 2 (Induktionsannahme). Unter dieser
Ann. ist die Gultigkeit der Gleichung fur k + 1 zu zeigen.
III Induktionsbeweis
(1 + a)k > 1 + ka =) (1 + a)k (1 + a) > (1 + ka)(1 + a)
=) (1 + a)k > 1 + (k + 1)a + ka
=) (1 + a)k > 1 + (k + 1)a; da ka > 0:
+1
+1
2
2
IV Damit gilt die Ungleichung 8n 2 N; n 2.
4) Beziehung zwischen arithmetischen und geometr. Mittel
Sei a 0, b 0, dann gilt
p a+b
ab 2 ;
d.h. das geometr. Mittel ist kleiner oder gleich dem arithm. Mittel.
Die Verallgemeinerung dieser Ungleichung fur die reellen Zahlen a ; a ; :::; an
lautet
1
2
v
u
n
Yn 1 X
u
n
t
ai:
i
=1
ni
=1
1.6.4 Ungleichungen mit einer Variablen
Bei Ungleichungen oder Ungleichungssystemen, in denen Variablen vorkommen, besteht das Ziel in der Bestimmung von Variablenmengen, deren Elemente die Ungleichungen erfullen. Zur Bestimmung der Losungsmengen werden die in den Ungleichungen vorkommenden Variablen durch aquivalente
Umformungen isoliert. In der Regel sind bei komplizierteren Ungleichungen
Fallunterscheidungen erforderlich, um wirklich alle Losungen zu bestimmen.
Besondere Sorgfalt, sprich Fallunterscheidungen sind erforderlich, falls in den
Ungleichungen
25
Betragsterme, wie z.B. jx , 3j, vorkommen, oder
die Nenner von Bruchen Nullstellen haben und das Vorzeichen wechseln
konnen, z.B. im Ausdruck x, .
1
1
Beispiel 1:
Wir wollen zum Einstieg die Ungleichung
jx , 3j < 15
diskutieren und losen. Wir erinnern uns an die Denition des Betrags und
bemerken, da
jx , 3j = x , 3 gilt, wenn x , 3 > 0 () x > 3 ist, und
jx , 3j = ,(x , 3) = 3 , x gilt, wenn x , 3 0 () x 3 ist.
Den Wert x = 3, bei dem der Betrag jx , 3j eine Nullstelle hat, nennen wir
auch kritischen Wert oder kritischen Punkt. Wenn man die Falle
I x > 3 und
II x 3
unterscheidet, kann man, abhangig vom Fall jx,3j durch x,3 oder ,(x,3) =
3 , x in der ursprunglichen Ungleichung ersetzen, und die Isolierung von xx
in Angri nehmen.
Fall I, x > 3, d.h. die Menge der Losungskandiaten ist Lcand = (3; 1):
jx , 3j < 51 () x , 3 > 15 () x > 3 + 15 ;
Damit haben wir eine Bedingung x > erhalten, so da die Betrachtung
des Falles I die Losungsmenge
16
LI = fx 2 Rjx > 16
g
\
L
cand = ( ; 1)
5
5
erhalten.
Fall II, x 3, Lcand = (,1; 3]:
16
5
jx , 3j < 51 () 3 , x > 15 () 145 > x;
26
womit sich fur den Fall II die Losungsmenge
14
LII = fx 2 Rjx 14
g
\
\
L
cand = (,1; )
5
5
ergibt. Insgesamt erhalten wir mit
16 ; 1)
L = LI [ LII = (,1; 14
)
[
(
5
5
die Losungsmenge fur unsere Ausgangsungleichung.
Geometrisch bedeutet dies,
L II
LI
14/5
16/5
Abbildung 5: LI und LII auf der reellen Zahlengerade
Beispiel 2:
Die Ungleichung
j2x + 5j 25x , 3
ist zu losen. Wir erkennen mit x = , den kritischen Punkt und unterscheiden die Falle x < , und x , .
Fall I, x < , , Lcand = (,1; , ):
5
5
5
5
2
2
5
2
2
2
j2x + 5j 25x , 3 () ,(2x + 5) 25x , 3 () ,2 27x () x , 272 :
Damit erhalten wir mit
2 g\L =;
LI = fx 2 Rjx , 27
cand
als Losungsmenge des Falles I.
Fall II, x , , Lcand = [, ; 1):
5
5
2
2
j2x + 5j 25x , 3 () 2x + 5 25x , 3 () 8 23x () x 238 ;
27
womit sich fur den Fall II die Losungsmenge
8 ; 1) \ [, 5 ; 1) = [ 8 ; 1)
LII = [ 23
2
23
ergibt. Als Losungsmenge der Ausgangsungleichung erhalten wir schlielich
8 ; 1):
L = LI [ LII = [ 23
Beispiel 3:
Erhohen wir die Schwierigkeit, und betrachten die Ungleichung
jx , 3j > x ,1 1 :
Wie oben bemerkt, mussen wir den Wert x = 1 von vorneherein ausschlieen,
damit x, einen vernunftigen Wert hat. Zur Behandlung bzw. Beseitigung
des Betrages haben wir eben die Falle I und II erhalten, die wir nun genauer
analysieren mochten.
Fall I, x > 3, Lcand = (3; 1):
1
1
jx , 3j > x ,1 1 () x , 3 > x ,1 1 :
An dieser Stelle wird evtl. eine weitere Fallentscheidung notig, denn wir
mussen die Ungleichung mit x , 1 multiplizieren, um der Isolation von x
naher zu kommen. Beim Fall I ist x > 3, so da x , 1 in jedem Fall positiv
ist.
x , 3 > x ,1 1 () (x , 3)(x , 1) > 1 () x , 4x + 3 > 1
() x , 4x + 2 > 0:
2
2
x , 4x + 2 = p
(x , 2) , 2 beschreibt
p eine Parabel, die die x-Achse an den
Stellen x = , 2 + 2 und x = 2 + 2 schneidet (x ; x sind die Losungen
der Gleichung x , 4x +2 = 0, auch die Nullstellen des Polynoms x , 4x + 2
genannt).
p Hieraus kannpmann nun schlufolgern, da x , 4x + 2 > 0 fur
x < , 2 + 2 und x > 2 + 2 gilt.
2
2
1
2
1
2
2
2
2
28
x=a
x
x=b
Abbildung 6: Parabel schneidet die x-Achse
Erinnern wir uns nun daran, da beim Fall I generell x > 3 zu gelten hat, so
erhalten wir als Losungsmenge im Fall I
p
p
p
LI = Lcand \ ((,1; 2 , 2) [ (2 + 2; 1)) = (2 + 2; infty):
Fall II, x 3; x 6= 1:
jx , 3j > x ,1 1 () 3 , x > x ,1 1 :
An dieser Stelle wird eine weitere Fallentscheidung notig, denn wir mussen
die Ungleichung mit x , 1 multiplizieren, um der Isolation von x naher zu
kommen.
IIa 1 < x 3, d.h. x , 1 > 0, Lcand = (1; 3]:
3 , x > x ,1 1 () (3 , x)(x , 1) > 1 () 4x , x , 3 > 1
() x , 4x + 4 < 0:
Die Parabel x , 4x + 4 = (x , 2) hat die doppelte Nullstelle x ; = 2,
d.h. die Parabel schneidet die x-Achse nicht, sondern beruhrt sie nur,
so da die Ungleichung x , 4x + 4 < 0 fur keine reelle Zahl x erfullt
ist. Damit erhalten wir im Fall IIa die Losungsmenge
LIIa = ; \ Lcand = ;:
2
2
2
2
1 2
2
IIb x < 1, d.h. x , 1 < 0, Lcand = (,1; 1):
3 , x > x ,1 1 () (3 , x)(x , 1) < 1 () 4x , x , 3 < 1
() x , 4x + 4 > 0:
2
2
29
Die Ungleichung x , 4x +4 > 0 gilt fur alle x 6= 2, so da wir aufgrund
der Forderung von x < 1 im Fall IIb die Losungsmenge
2
LIIb = ((,1; 2) [ (2; 1)) \ Lcand = (,1; 1)
erhalten.
Als Losungsmenge der Ungleichung jx , 3j >
Auswertung aller Falle
1
x,
1
erhalten wir nach der
L = LI [ LIIa [ LIIb = (3; 1) [ (2; 3] [ (,1; 1) = (,1; 1) [ (2; 1):
Wenn die Ungleichungen mehrere Betragsterme oder Glieder mit veranderlichen Nennern haben, erhoht sich die Zahl der zu diskutierenden Falle. Bei
der Ungleichung
jx , 1j + 2 , jx + 1j < 5
x
x
stellen wir die kritischen Punkte x = 1 und x = ,1 hinsichtlich der vorkommenden Betragsterme fest, so da die Falle
I x < ,1 =) jx , 1j = ,(x , 1) ^ jx + 1j = ,(x + 1) ,
II ,1 x 1; x 6= 0 =) jx , 1j = x , 1 ^ jx + 1j = ,(x + 1) und
III x > 1 =) jx , 1j = x , 1 ^ jx + 1j = x + 1
bei der Losung der Ungleichung zu unterscheiden sind. Bei Fall II sind aufgrund des Vorzeichenwechsels von x die zwei "Unterfalle" IIa mit x < 0 und
IIb mit x > 0 zu unterscheiden. Die Losung der Ungleichung sei als gute
U bung empfohlen.
1.6.5 Geometrische Losung von Ungleichungen
mit einer Variablen
Bei den eben durchgefuhrten Fallunterscheidungen ist die Gefahr gro, einen
Fall zu vergessen oder ungenugend zu wurdigen.
Eine Methode, die weniger fehleranfallig ist als die oben beschriebene algebraische Methode, wollen wir geometrische Methode nennen. Zur Erlauterung
30
der Methode betrachten wir das Beispiel 2 aus dem vorigen Abschnitt, also
die Ungleichung
j2x + 5j 25x , 3:
(1)
Wenn wir g(x) = j2x+5j und f (x) = 25x,3 setzen, dann bedeutet die Losung
der Ungleichung (1) nichts anderes, als die Bestimmung der Intervalle oder
Punkte auf der reellen Zahlengeraden, fur die
g(x) f (x)
ist. Wenn wir die Funktionsgraphen aufzeichen konnen wir die Losung der
Zeichnung entnehmen. Die Abb. 7 verdeutlicht die geometrische Methode und
ergibt, ebenso wie die algebraische Methode die Losungsmenge L = [ ; 1),
wobei der Intervallendpunkt genau die x-Koordinate des Schnittpunktes
der Funktionen g(x) und f (x) ist, also die Gleichung g(x) = f (x) erfullt.
8
8
23
23
g(x)
f(x)
g(x)
-2.5
3/25
x
-3
Abbildung 7: geometr. Losung von j2x + 5j 25x , 3
Als weiteres Beispiel fur die geometrische Losung betrachten wir die Ungleichung
jx + 1j , jx , 2j < 1;
also eine Aufgabe, die der 11. U bungsaufgabe sehr ahnlich ist. Wahrend wir
bei der algebraischen Betrachtung 3 Falle aufgrund der 2 kritischen Punkte
31
x = ,1 und x = 2 zu betrachten haben, geht es geometrisch recht einfach.
Wir setzen g(x) = jx + 1j und f (x) = jx , 2j + 1 und suchen Intervalle auf
der reellen Zahlengeraden, fur die g(x) < f (x) gilt.
f(x)=|x+2|+1
g(x)=|x+1|
x
Abbildung 8: geometr. Losung von jx + 1j , jx , 2j < 1
Aus der Grak liest man sofort
L = (,1; 1)
als Losungsmenge der Ungleichung ab.
1.6.6 Ungleichungen mit 2 Variablen
Wahrend die Losungen von Ungleichungen mit einer Variablen in Intervallen auf der reellen Zahlengeraden zu suchen waren, sind die Losungsmengen
von Ungleichungen, in denen die reellen Variablen x und y vorkommen, Teilmengen der reellen Zahlenebene. Hilfreich bei der Losung von Ungleichungen
mit 2 Variablen ist in vielen Fallen eine geometrische Betrachtung oder eine
graphische Losung. Die Ungleichung
xy
beschreibt die Menge aller Paare (x; y), x; y 2 R und x y. In der reellen
Zahlenebene sind dies alle Punkte, die auf und oberhalb der Geraden y = x
liegen. Diese Losungsmenge bezeichnet man auch als Halbebene x y.
32
y=x
x
Abbildung 9: Halbebene x y
Als weiteres Beispiel betrachten wir die Ungleichung
x , 4x + 4 < y:
2
Wenn wir die Funktion y = f (x) := x , 4x +4 und ihren Verlauf betrachten,
ergibt sich die schraerte Flache der Abb. 10 als Losungsmenge, wobei die
Parabel nicht mit zur Losungsmenge gehort.
2
y
y=x^2-4x+4
x
Abbildung 10: Losungsmenge von x , 4x + 4 < y
2
Hat man es mit Systemen von Ungleichungen, etwa mit
2x + 5 < y
x+y < 1
(2)
33
zu tun, bestimmt man die Losungsmengen L und L der beteiligten Ungleichungen und erhalt die gesamte Losungsmenge als Durchschnitt der Losungsmengen
1
2
L=L \L :
1
2
y
y=2x+5
y=1-x
x
Abbildung 11: Losungsmenge des Ungleichungssystems (2)
1.7 Die komplexen Zahlen
1.7.1 Grundlagen und Denition der komplexen Zahlen
Die hierarchische Einfuhrung der Zahlsysteme
N,
Z,
Q,
R
lat sich mit dem Wunsch, Gleichungen zu losen motivieren. Die Gleichung
n+x=0
34
hat in N fur n 2 N keine Losung, allerdings in Z, namlich die eindeutige
Losung x = ,n.
Betrachtet man in Zdie Gleichung
ax = b;
so ist diese i. allg. nicht in Z losbar, allerdings fur a 6= 0 eindeutig losbar in
Q mit der Losung x = ab .
Aus der Schule ist die Losung der quadratischen Gleichung
x + px + q = 0
(3)
mit der p , q-Formel
r
p
x ; = , 2 p4 , q
bekannt. Allerding kann die Wurzel in R nur im Fall d = p , q 0 gezogen
werden. Mit der Einfuhrung des Korpers der komplexen Zahlen C sind auch
Wurzeln aus negativen Zahlen erklart und die Gleichung (3) wird in C losbar.
2
2
1 2
2
4
Denition 1.23.
Die durch i = ,1 erklarte Groe i nennt man imaginare Einheit.
Denition 1.24.
a) Die Menge C := fa + bija; b 2 Rg, ausgestattet mit der gewohnlichen
Addition und Multiplikation, wobei i = ,1 zu beachten ist, heit Korper
2
2
der komplexen Zahlen, d.h. es gelten die gleichen Gesetze wie im Falle der
reellen Zahlen (Kommutativgesetz fur die Addition und Multiplikation, Distributivgesetz und Assoziativgesetze Addition und Multiplikation).
b) Sei z = a + bi, dann heit a =: Re z Realteil von z und b =: Im z Imaginarteil von z.
c) z = a , bi heit die zu z = a + bi konjugiert komplexe Zahl (z und z bilden
ein Paar konjugiert komplexer Zahlen.
d) Durch
p
jzj := z z
denieren wir den Betrag der komplexen Zahl z, und rechnen fur z = a + bi
p
p
p
jzj = (a + bi)(a , bi) = a + ba i , ab i , i b = a + b
aus.
2
2
2
2
2
35
Die Division zweier komplexer Zahlen z und w; jwj 6= 0; wird durch
z = 1 zw
w jwj
erklart. Zur Motivation der Denition der Division betrachten wir z = 1 + i
und w = 2 , i. Fur wz schreiben wir nun formal ,ii . Die Rechnung (Erweiterung)
1 + i = (1 + i)(2 + i) = 1 (2 + 3i + i ) = 1 + 3 i
2 , i (2 , i)(2 + i) 5
5 5
fuhrt auf die bekannte Darstellungsform wz = + i der komplexen Zahlen, und bedeutet nichts anderes als den "Nenner reell zu machen", unter
Berucksichtigung des Faktes, da das Produkt einer komplexen Zahl mit der
konjugiert komplexen Zahl immer reell ist.
Bemerkung 1.25.
R C ist ein Unterkorper.
2
1+
2
2
1
3
5
5
Satz 1.26.
Fur z und z gelten die Regeln
(i) z = z,
(ii) z + w = z + w,
(iii) z w = z w.
Gleichheit von komplexen Zahlen z = a + bi und z = c + di liegt vor,
genau dann, wenn a = c und b = d gilt.
Unter Nutzung der komplexen Zahlen konnen wir nun die Gleichung (3) auch
fur den Fall d = p , q < 0 losen und konnen mit
1
2
2
r
4
x ; = , p2 i q , p4
zwei komplexe Losungen angeben (x ist dabei die zu x konjugiert komplexe
Zahl).
Bei der weiteren Beschaftigung mit den komplexen Zahlen stellt man fest, da
auch Gleichungen hoherer Ordnung im Bereich der komplexen Zahlen losbar
sind, so da man von der algebraischen Abgeschlossenheit der komplexen
Zahlen spricht, und der folgende Satz gilt:
2
1 2
1
2
36
Satz 1.27. (Fundamentalsatz der Algebra)
Sei p(z) = zn + an, zn, + + a z + a mit a ; : : :; an, 2 C ein komplexes
1
1
1
0
0
1
Polynom.
Dann gibt es genau n komplexe Nullstellen x ; : : :; xn 2 C , die nicht notwendigerweise paarweise verschieden sein mussen, und es gilt
1
p(z) = (z , x )(z , x ) (z , xn ):
1
2
Bemerkung 1.28.
Betrachten wir noch einmal die quadr. Gleichung x + px + q = 0. Nach Satz
1.27 mu gelten
2
p(z) = z + pz + q = (z , x )(z , x ):
2
1
Das rechnet man mit
r
2
r
(z , x )(z , x ) = (z + 2p , i q , p4 )(z + p2 + i q , p4 )
r
r
p
p
p
= z + z + zi q , + z , i q , p z + p , i (q , p )
2
4 2
4
4
4
= z + pz + q;
1
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
auch erfolgreich nach.
1.7.2 Die komplexen Zahlen in der Gauschen Zahlenebene
Wenn wir in der Ebene ein kartesisches (x; y)-Koordinatensystem einfuhren
und auf der x-Achse den Realteil und auf der y-Achse den Imaginarteil einer
komplexen Zahl z = a + bi auftragen, entspricht jede komplexe Zahl einem
Punkt in der Ebene, die man Gausche Zahlenebene nennt.
In der Gauschen Zahlenebene ist eine komplexe Zahl durch ihre Polarkoordinaten (r; ), also den Radius r und einen Winkel , charakterisiert.
r = jzj ist der absolute Betrag (Abstand des Punktes in der Gauschen
Zahleneben vom Ursprung) von z und Arg z := nennt man Argument von
z (arg z ist der Hauptwert von Arg z aus dem Intervall (,; ]).
Der U bergang von den Polarkoordinaten zu den kartesischen Koordinaten
37
Im z
z=2+i
1
r
φ
2
Re z
Abbildung 12: komplexe Zahl z = 2 + i in der Gauschen Ebene
einer komplexen Zahl z wird durch die Gleichungen
a = r cos b = r sin hergestellt, und ausgehend von den kartesischen Koordinaten a; b erhalt man
p
r = a + b = jzj
tan = ab :
2
2
Da tan = ab im Intervall (,; ] zwei Losungen hat, ist durch den Quadranten (Vorzeichen von a und b), in dem die Zahl z liegt, zu entscheiden,
welche Losung die richtige ist (Abstand der Losungen ist ).
Beispiele:
a) z = 2 p+ i =) p
jzj = 2 + 1 = 5, tan = ! = 26:56o ,
da die
p komplexe Zahl im ersten Quadranten liegt, also
z = 5(cos 26; 56o + i sin 26; 56o ),
b) z = ,p
2 + i =)
p
jzj = (,2) + 1 = 5, tan = , ! = ,26; 56o + 180o ,
da die
p Zahl im zweiten Quadranten liegt, also
z = 5(cos 153; 44o + i sin 153; 44o ),
c) z = 1 p, i =)
jzj =p 2, tan = ,1 ! = ,45o , p
z = 2(cos(,45o ) + i sin (,45o )) = 2(cos 45o , i sin 45o ),
2
1
2
2
2
2
1
2
38
d) z = ,i (a 6= 0) =)
jzj = 1, tan = ,1 ! = ,90o,
z = (cos(,90o ) + i sin(,90o )) = cos 90o , i sin 90o ).
Im Ergebnis der Beziehungen zwischen kartesischen und Polarkoordinaten
erhalt man die Polarkoordinatendarstellung (trigonometrische Darst.) der
Zahl z mit
z = r(cos + i sin '):
(4)
Die Multiplikation der komplexen Zahlen z = jzj(cos + i sin ) und w =
jwj(cos + i sin ) ergibt unter Nutzung der Additionstheoreme fur die trigonometrischen Funktionen
z w = jzjjwj((cos cos , sin sin ) + i(cos sin + sin cos ))
= jzjjwj(cos( + ) + i sin( + )):
Damit ergibt sich die Multiplikation zweier komplexer Zahlen, mit der Multiplikation ihrer Betrage und der Addition ihrer Argumente.
Fur die Division zweier komplexer Zahlen z und w; (jwj 6= 0) erhalt man auf
ahnliche Weise
z = jzj (cos( , ) + i sin( , ));
w jwj
also bedeutet die Division zweier komplexer Zahlen die Division ihrer Betrage
und die Subtraktion ihrer Argumente.
Von L. Euler stammt die Abkurzung
Denition 1.29. Eulersche Formel
ei := cos + i sin :
(5)
Mit der Eulerschen Formel ergibt sich fur eine komplexe Zahl z ihre
Exponentialdarstellung
z = jzjei;
wobei die gleichen Potenzgesetze fur komplexe Exponenten wie bei reellen
Exponenten verabredet werden. Wir werden spater feststellen, da somit die
Exponetialdarstellung das Rechnen mit komplexen Zahlen und die Losung
komplexer Gleichungen angenehm vereinfacht.
39
Bemerkung 1.30.
Aufgrund der Eigenschaften der trigonometrischen Funktionen und der Exponentialfunktion gilt fur eine komplexe Zahl z
z = r(cos + i sin ) = r(cos( + k2) + i sin( + k2)) bzw.
z = rei = rei k ;
(
+ 2
)
fur beliebige k 2 Z.
1.7.3 Operationen mit komplexen Zahlen und
die Losung von Gleichungen mit komplexen Variablen
Wir konnen bisher komplexe Zahlen addieren, subtrahieren, multiplizieren
und dividieren. Mit der Kenntnis der Multiplikation konnen wir auch ganzzahlige Potenzen komplexer Zahlen bilden. Die Berechnung von z , z.B. fur
z = 2 + 2i ist allerdings auf dem Wege
12
z = z z z z z z z z z z zz
12
recht muhselig und es lohnt sich, uber einen eleganteren Weg nachzudenken,
der neben dem Potenzieren auch eine elegante Methode des Radizierens beinhaltet.
Wir erinnern uns an die Exponentialdarstellung einer komplexen
Zahl und
p
schreiben z = 2 + 2i in der Form (Radius von z ist hier 8 und arg z = )
4
p
z = 8ei 4
auf. Mit der Anwendung der aus der Schule bekannten Potenzgesetze erhalt
man
p
p
z = ( 8ei ) = ( 8) (ei ) = 8 ei :
12
4
12
12
4
p
12
6
3
Ist die Gleichung z = w = ,3+ 3i zu losen, sind alle komplexen Zahlen zu
ermitteln, fur die die Gleichung gilt. Aus dem Fundamentalsatz der Algebra
wissen wir, da es genau 3 Losungen geben mu. Zur Bestimmung dieser
p3
Losungen betrachten
wir nun die Exponentialdarstellung von w = ,3 + 3i
p
(Radius ist 12 und arg z = )
3
5
6
p
w = 12ei ;
5
6
40
und erinnern uns an die Bemerkung 1.30, wonach auch
p
w = 12ei
(
k
5
+2
6
(6)
)
fur beliebige k 2 Zgilt.
Denition 1.31. (n-te Wurzel) Fur die weitere Betrachtung verabreden wir,
dass eine Zahl a n-te Wurzel der komplexen
Zahl b heit, wenn an = b ist.
pn
Fur a wird auch die Bezeichnung b verwendet.
p
Wenn wir nun die 3. Wurzel aus der Zahl w = ,3 + 3i ziehen, und die
Beziehung (6) berucksichtigen, erhalten wir mit
p
zk = ( 12) (ei
1
3
(
k
5
+2
6
)
) = 12 ei
1
3
1
6
(
k )
5
2
+
18
3
p
fur k 2 Z die Losungen der Gleichung z = w = ,3 + 3i, und stellen fest,
da z = z = z = z = : : : , z = z = z = : : : und z = z = z = : : :
gilt, so da wir entsprechend dem Fundamentalsatz der Algebra auf dem
beschrittenen Weg tatsachlich nur die drei Losungen z ; z und z der Gleichung erhalten.
In der Gaup
schen Zahlenebene liegen z ; z ; z auf einem Kreis mit dem
Radius 12 = 12. Die Positionen von z ; z ; z auf dem Kreis markieren ein
regelmaiges Dreieck (siehe auch Abb. 13).
3
0
3
6
9
1
4
7
2
0
0
1
6
1
1
5
8
2
2
6
0
1
2
Im z
z
z
1
0
5π
18
Re z
z2
Abbildung 13: 3. Wurzeln der Zahl w in der Gauschen Zahlenbene
Das Ergebnis der U berlegungen zum Potenzieren und Radizieren fassen wir
im folgenden Satz zusammen.
41
Satz 1.32. (Formeln von Moivre)
Sei n 2 N.
a) Die n-te Potenz von z = a + bi = r(cos + i sin) = rei ergibt sich zu
zn = rn (cos(n) + i sin(n)) = rn ein:
b) Fur jede komplexe Zahl w; jwj =
6 0; w = rei hat die Gleichung zn = w
genau n verschiedene Losungen, namlich die n n-ten Wurzeln
p
zk = n r(cos( n + kn2 ) + i sin( n + kn2 ))
p = n rei n kn
fur k = 0; 1; : : : ; n , 1.
p
Die n-ten Wurzeln liegen auf einem Kreis mit dem Radius n r um den Nullpunkt der Gauschen Zahlenebene
und bilden ein regelmaiges n-Eck.
p
n
z nennt man Hauptwert von z.
Beispiele:
a) Zu bestimmen sind die komplexen Zahlen, fur die
z+1 = 1+i
4
z ,1
gilt. Wegen des Nenners der rechte Seite suchen wir nur nach kompl.
Zahlen, die ungleich 1 sind. Nach der Beseitigung der Nenner durch
Multiplikation mit 4(z ,1) erhalt man die Gleichung z ,1 = 4+4i bzw.
z = 5 + 4i. Um die beidenpWurzeln aus 5 + 4i zu bestimmen, rechnen
wir Radius r = j5 + 4ij = 41 und Argument = arctan = 38; 65o
aus und erhalten mit derMoivreschen Formel
p
z = 41(cos 0; 67474 + i sin 0; 67474)
= 2p:53(0:78086 + i 0:62469) und
z = 41(cos(0; 67474 + ) + i sin(0; 67474 + ))
= 2:53(,0:78086 , i 0:62469):
Bei der Quadratwurzel aus einer komplexen Zahl liegen die beiden
Losungen um auf dem Kreis in der Gauschen Zahlenebene versetzt, so da man hier ein "2-Eck", sprich die geradlinige Verbindung
der 2 Punkte in der Ebene erhalt.
(
+
2
)
0
2
2
4
5
4
0
4
1
42
b) Es sind alle Losungen der Gleichung z = 1 zu ermitteln. Wir erhalten
j1j = 1 und arg 1 = arctan 0 = 0. Die Anwendung der Moivreschen
Formel ergibt die 4 Wurzeln
4
z = cos 0 + i sin 0 = 1
z = cos(0 + 2 ) + i sin(0 + 2 ) = i
z = cos(0 + ) + i sin(0 + ) = ,1
z = cos(0 + 32 ) + i sin(0 + 32 ) = ,i
0
1
2
1
Mit den 4 Wurzeln konnen wir nach dem Fundamentalsatz der Algebra
das komplexe Polynom p(z) = z , 1 in Linearfaktoren zerlegen, und
erhalten
p(z) = z , 1 = (z , 1)(z , i)(z + 1)(z + i):
4
4
c) Es sind alle z 2 C zu bestimmen, die der Gleichung
z + 2z + 1 = 0
genugen. Wir bemerken z + 2z + 1 = (z + 1) , so da wir nur nach
den Nullstellen von z + 1 zu suchen haben. Diese sind uns allerdings
mit
z = i und z = ,i
bekannt. In diesem Fall sind z = i und z = ,i doppelte Nullstellen,
d.h., z und z haben jeweils die algebraische Vielfachheit 2, und die
Zerlegung nach dem Hauptsatz der Algebra lautet
z + 2z + 1 = (z , i)(z + i)(z , i)(z + i) = (z , i) (z + i) :
4
2
4
2
2
2
2
0
1
0
0
4
1
1
2
2
2
1.8 Polynome
1.8.1 Denition und Grundlagen
U ber dem Korper der komplexen Zahlen C wollen wir Polynome denieren.
Es sei darn erinnert, da wir den Begri Polynom schon im Abschnitt "Komplexe Zahlen" beim Fundamentalsatz der Algebra verwendet haben und ihn
sicherlich auch aus der Schule kennen.
43
Denition 1.33.
a) Ein Polynom uber dem Korper der komplexen Zahlen ist eine Abbildung p : C ! C der Form
p(x) =
n
X
i
aixi; ai 2 C :
=0
b)
c)
d)
e)
Die Elemente ai 2 C heien Koezienten von p.
Ist an 6= 0, so heit n der Grad von p und wird mit deg p bezeichnet..
Ein Element 2 C heit Nullstelle von p, wenn p() = 0.
Die Menge aller Polynome uber dem Korper der komplexen Zahlen
bzeichnen wir mit C (x).
Satz 1.34.
Sei p ein Polynom mit dem Grad n, und 2 C eine Nullstelle, so existiert
ein Polynom q mit dem Grad n , 1 und p(x) = q (x)(x , ).
Satz 1.35.
Seien p und q Polynome mit einem Grad kleiner oder gleich n und x ; x ; : : :xn 2
C paarweise verschieden und gilt p(xi ) = q (xi ) f
ur i = 0; 1; : : : ; n. Dann gilt
p(x) = q(x) fur alle x 2 C .
0
1
Satz 1.36. (Polynomdivision)
Seien p ein Polynom aus C (x) mit dem Grad n und q ein Polynom aus C (x)
mit dem Grad m, und sei n > m. Dann existiert genau ein Polynom s 2 C
und ein Polynom r 2 C mit deg r < deg q , so da
p(x) = s(x)q(x) + r(x) bzw. pq((xx)) = s(x) + rq((xx))
gilt.
Beispiel fur die Polynomdivision:
Gegeben seinen die Polynome p(x) = x + 2i und q(x) = x + 2ix , 1. Die
4
2
44
Division pq xx ergibt
( )
( )
(x + 2i) : (x + 2ix , 1) = x , 2ix , 3
,(x + 2ix , x )
(,2ix + x + 2i)
,(,2ix + 4x + 2ix)
(,3x , 2ix + 2i)
,(,3x , 6ix + 3)
4ix , 3 + 2i
und damit gilt s(x) = x , 2ix , 2 bzw. r(x) = 4ix , 3 + 2i, und
x + 2i = x , 2ix , 3 + 4ix , 3 + 2i :
x + 2ix , 1
x + 2ix , 1
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, da die Ergebnisse der elementaren
Teilbarkeitstheorie (Euklidischer Algorithmus) mit dem Satz 1.36 gewissermaen auf Polynome ubertragen werden.
Satz 1.37. (Lagrange-Interpolation)
Seien x ; : : : ; xn 2 C paarweise verschieden und y ; : : : ; yn 2 C beliebig. Dann
gibt es genau ein Polynom L(x) mit L(xi ) = yi und deg L n.
Da der Beweis konstruktiv ist, und eine nutzliche Formel enthalt, soll er
kurz dargelegt werden.
Proof. Wir denieren mit
Yn x , xi
Lj (x) =
2 C (x)
i ;i6 j xj , xi
die Lagrange-Koezientenpolynome. Lj sind Polynome vom Grad n. Man
rechnet leicht
1; i = j
Lj (xi) = 0; i 6= j
4
2
4
2
3
2
3
2
3
2
2
2
2
4
2
2
2
0
0
=0
=
nach und erhalt mit
L(x) :=
n
X
j
yj Lj (x)
=0
ein Polynom mit den im Satz geforderten Eigenschaften. Auf den Nachweis
der Einzigkeit verzichten wir hier.
45
Beispiel:
Gegeben seien mit x = 1, x = 2 und x = 3 drei Stutzwerte, und mit
y = 1, y = 3 und y = 2 drei Mewerte an den Positionen x ; x und x .
Gesucht ist ein Polynom L(x) mit L(xi) = yi; i = 0; 1; 2:
Aus dem Satz 1.37 folgt
0
0
1
1
2
2
L (x) =
L (x) =
L (x) =
0
1
2
0
x,x1
x ,x1
x,x0
x1 ,x0
x,x0
x2 ,x0
(
x,x2
x ,x2
x,x2
x1 ,x2
x,x1
x2 ,x1
)(
( 0
(
)( 0
)(
(
)(
(
(
)(
)(
)
)
)
)
)
)
=
=
=
x, x,
x, x,
,
x, x,
(
2)(
3)
2
(
1)(
(
1)(
3)
1
2
2)
1
2
= x , x +3
= ,x + 4x , 3 ;
= x , x +1
2
5
2
2
2
2
2
3
2
bzw.
L(x) = 1 ( x , x + 3) + 3 (,x + 4x , 3) + 2 ( x , x + 1) :
= , x + x,4
2
3
5
2
2
2
2
13
2
2
2
3
2
2
y
y1
3
L(x)
2
y2
1
y
0
1
2
3
x
Abbildung 14: Interpolation von Mewerten nach Satz 1.37
Satz 1.38.
Jedes nichtkonstante Polynom p 2 C (x) hat mindestens eine Nullstelle.
Aus dem Fundamentalsatz der Algebra folgt der
Satz 1.39.
Sei p ein Polynom uber C mit dem Grad n, dann existiert fur p(x) eine
Zerlegung in Linearfaktoren
p(x) = an(x , z )(x , z ) (x , zn);
1
2
46
wobei z ; : : :; zn 2 C die Nullstellen von p sind. Wenn Indizes i 6= j mit
zi = zj existieren, dann werden zi; zj zu einer Nullstelle zusammengefat,
und man erhalt
1
p(x) = an(x , z )m (x , z )m (x , zr)mr ;
1
1
2
2
wobei die, moglicherweise mehrfachen Nullstellen, nun paarweise verschieden
sind. Weiterhin gilt
r n;
mi 1;
m + m + + mr = n:
1
2
mi heit Vielfachheit der Nullstelle zi.
1.8.2 Eigenschaften von Nullstellen und speziellen Polynomen
Wir betrachten
nun die Polynome p 2 C (x) mit reellen Koezienten, d.h.,
P
p(x) = ni aixi mit ai 2 R.
Satz 1.40.
Sei p 2 C (x) ein Polynom mit reellen Koezienten und sei zi 2 C eine
=0
Nullstelle von p, also p(zi) = 0.
Dann ist zi ebenfalls Nullstelle mit p(zi ) = 0.
Proof.
Es gilt oensichtlich p(zi) = 0, da die konjugiert komplexe Zahl zu p(zi) = 0
ebenfalls gleich 0 ist.
Aufgrund der oben angegebenen Eigenschaften von komplexen Zahlen und
der Eigenschaft ai = ai; fur ai 2 R gilt
p(zi) =
=
=
n
X
j
X
j
=
=0
n
X
j
aj zij
=0
n
=0
aj zij
=
n
X
j
n
X
j
aj zij
=0
aj zij
=0
aj zij = p(zi ) = 0:
47
Bemerkung 1.41.
Als Schlufolgerung aus dem Satz 1.40 ergibt sich fur ein Polynom p 2 C
mit reelllen Koezienten mit dem Grad n, da mit einer Nullstelle zi der
Vielfachheit mi, auch zi eine Nullstelle von p mit der Vielfachheit mi ist.
Ist der Grad des Polynoms p ungerade, so hat p mindestens eine reelle Nullstelle, denn nach dem man alle Paare konjugiert komplexer Nullstellen gebildet hat, mu mindestens eine Nullstelle ubrig bleiben, fur die kein konjugiert
komplexer Partner mehr vorhanden ist (was ja nach dem Satz 1.40 fur jede
komplexe Nullstelle moglich sein mu).
Ist Grad des Polynoms p gerade, so ist die Zahl r der reellen Nullstellen
ebenfalls gerade (moglicherweise gibt es auch uberhaupt keine reelle Nullstelle (r = 0)).
Lemma 1.42.
Das Produkt der Linearfaktoren (x , zj ) und (x , zj ) ist ein Polynom 2.
Grades mit reellen Koezienten.
Proof.
Man erhalt
(x , zj )(x , zj ) = x , xzj , xzj + zj zj
= x , (zj + zj )x + zj zj ;
2
2
also ein Polynom mit den reellen Koezienten a = 1, a = ,(zj + zj ) =
,2 Re zj und a = zj zj = jzj j .
Beispiel:
Wir betrachten das konjugiert komplexe Zahlenpaar z = 2+5i und z = 2,5i.
Dann ergibt die Rechnung
2
0
1
2
(x , (2 + 5i))(x , (2 , 5i)) = x , (2 + 5i)x , (2 , 5i)x + (2 + 5i)(2 , 5i)
= x , 4x + 4 , 25i = x , 4x + 29;
2
2
2
2
also ein Polynom mit den reellen Koezienten
a = 1, a = ,4 = ,2 Re z und a = 29 = jzj .
Im direkten Ergebnis des Fundamentalsatzes der Algebra, des Satzes 1.40
und des Lemmas 1.42 konnen wir den folgenden Satz zur Zerlegbarkeit von
Polynomen mit reellen Koezienten formulieren.
2
1
0
2
48
Satz 1.43.
Ein Polynom p 2 C (x) n-ten Grades mit reellen Koezienten kann man in
lineare und quadratische Faktoren mit reellen Koezienten zerlegen. Es gilt
die Zerlegungsformel
p(x) = an
Yr
k
(x , zk
)mk
=1
Ys
j
(x + pj x + qj
2
)nj ;
Xr
mit
k
=1
=1
mk + 2
Xs
j
nj = n:
=1
Proof.
Da mit jeder komplexen Nullstelle wj auch wj Nullstelle des Polynoms p ist,
ndet man insgesamt s komplexe Nullstellenpaare wj ; wj , deren Vielfachheit
jeweils nj sein soll.
Die restlichen r Nullstellen sind reell. Wir bezeichnen sie mit zk , wobei mit
mk die Vielfachheit von zk bezeichnet wird.
Nach dem Fundamentalsatz der Algebra bzw. Satz 1.39 gibt es fur das Polynom p die Darstellung
p(x) = an(x , z )m (x , z )m : : : (x , zr )mr
(7)
n
n
n
n
n
s
+ (x , w ) (x , w ) (x , w ) (x , w ) : : : (x , ws) (x , ws)ns :
1
1
1
2
2
1
1
1
2
2
2
2
Wenn wir das Produkt der Linearfaktoren x , wj und x , wj bilden, erhalten
wir nach Lemma 1.42 mit
x + pj x + qj = (x , wj )(x , wj )
2
ein quadratisches Polynom mit reellen Koezienten. Damit folgt aus (7) die
behauptete Zerlegungsformel.
Die Anzahl und die VielfachheitPder reellen Nullstellen
und komplexen NullP
stellenpaare erklart die Formel rk mk + 2 sj nj = n.
=1
=1
Beispiel 1:
Wir betrachten das Polynom p(x) = x , x + x , 1 und nden mit z = 1
durch genaues Hinsehen eine Nullstelle. Beim zweiten Hinsehen nden wir
mit z = i eine Nullstelle und konnen mit dem Satz 1.40 schlufolgern, da
auch z = z = ,i eine Nullstelle ist, da unser Polynom reelle Koezienten
hat. Wir erhalten also die Faktorisierung
3
2
2
3
2
p(x) = (x , 1)(x , i)(x + i);
1
49
bzw. nach der Produktbildung (x , i)(x + i) = x + 1 mit
p(x) = (x , 1)(x + 1)
die Zerlegung in einen Linearfaktor und einen quadratischen Faktor. In diesem Fall gilt fur die Zahlen des Satzes 1.43
n = 3; k = 1; m = 1; s = 1 n = 1;
und damit m + 2n = 1 + 2 1 = 3 = n.
Beispiel 2:
Sei das Polynom p(x) = x , 2x + 3x , 2x + 1 gegeben.
p Wir nden mit
einem kommerziellen
p Programm die Nullstelle z = + i. Da wir wissen,
da z = z = , i ebenfalls eine Nullstelle ist, konnen wir das Polynom
p(x) ohne Rest durch (x , z )(x , z ) dividieren, und erhalten ein Polynom
q(x), so da
p(x) = q(x)(x , z )(x , z )
gilt. Konkret ergibt sich
p
p
3
1
1
(x , z )(x , z ) = ( 2 + 2 i)( 2 , 23 i) = x , x + 1;
und
(x , 2x + 3x , 2x + 1) : (x , x + 1) = x , x + 1
,(x , x + x )
(,x + 2x , 2x + 1)
,(,x + x , x)
(x , x + 1)
,(x , x + 1)
0:
Damit haben wir fur p(x) die Zerlegung
p(x) = (x , x + 1)
erhalten, und mit den Bezeichnungen des Satzes 1.42 haben wir
n = 4; k = 0; s = 1; n = 2;
und damit 2n = 2 2 = 4 = n.
2
2
1
1
1
1
4
3
2
1
1
2
2
3
1
1
3
2
2
2
1
2
1
2
2
1
4
2
3
4
2
3
2
2
2
3
2
3
2
2
2
2
2
1
1
50
1.8.3 Berechnung von Polynomen - Hornerschema
Die Berechnung des Wertes eines Polynoms p(x) fur eine vorgebene Zahl
x 2 C oder x 2 R lat sich auf verschiedene Weise durchfuhren, jedoch ist
das Hornerschema eine besonders eektive Methode. Dabei uberlegt man,
da fur ein Polynom p(x) mit dem Grad n gilt
p(x) = anxn + an, xn, + + a x + a
= x(anxn, + an, xn, + : : :a ) + a
= x[: : : (x(x(x((anx + an, ) + an, ) + an, ) + + a ] + a
1
1
1
1
0
2
1
1
0
1
2
3
1
gilt. Betrachten wir konkret ein Polynom 4. Grades q(x) =
0
P a xj , so gilt
j
j
4
=0
q(x) = a x + a x + a x + a x + a
= x[x(x(a x + a ) + a ) + a ] + a ;
4
3
4
2
3
2
4
1
3
0
2
1
0
womit sich die rekursive Berechnung des Polynomwertes q(x ) durch die Berechnung von
0
b
b
b
b
b
4
3
2
1
0
=a
=a
=a
=a
=a
4
3
2
1
0
+b x
+b x
+b x
+b x
4
0
3
0
2
0
1
0
b =a ;
bj = aj + bj x ; j = 3; 2; 1; 0
4
4
+1
0
mit b = q(x ) ergibt. Man kann das Hornerschema in der Tabelle
0
0
a
a
a
a
a
bx bx bx bx
x b % b % b % b % b = q(x )
4
+
3
4
0
4
3
2
0
3
2
1
0
2
0
0
1
1
0
0
0
zusammenfassen. Fur das Polynom q(x) = 3x + 2x , 20x + 4 berechnet
man q(4) mit dem Hornerschema
4
3
2
0
,20 4
+
12
56
224
816
4 3 % 14 % 56 % 204 % 820 = q(4):
3
(8)
51
Fur ein Polynom p(x) mit dem Grad n notieren wir zur Berechnung des
Wertes von p(x ) das Hornerschema
0
an
an,
::: a
a
+
bnx
::: b x b x
x bn = an % bn, % % b % b = p(x ):
0
1
1
0
2
1
1
0
0
1
(9)
0
0
0
Die Schluzahl der dritten Zeile des Hornerschemas (9) ist der Wert p(x )
und die ubrigen Zahlen der dritten Zeile sind die Koezienten des Polynoms
g(x), das man bei der Division von p(x) durch den Linearfaktor x , x erhalt.
Es gilt der Satz
0
0
Satz 1.44.
n,
p(x) = g(x) + b ; mit g(x) = X
bj xj :
x,x
x,x
j
1
(10)
0
+1
0
0
=0
Proof.
Die Multiplikation von (10) mit x , x ergibt
0
p(x) =
n,
X
1
j
bj
+1
=0
= an
xn +
xj
+1
1
0
n,
X
1
k
n,
,x
n,
X
bk
j
= an
X
j
1
0
xj
aj =
=0
n,
X
j
n
X
j
+1
1
xk , x
=0
xn +
=0
bj
xj + b
bj
0
+1
xj
=
n
X
k
=1
= an
=0
bk
xk , x
xn +
0
n,
X
1
j
n,
X
1
j
bj xj + b
+1
0
=0
(bj , x bj )xj
0
+1
=0
aj xj
=0
Bemerkung 1.45.
Ist x eine Nullstelle des Polynoms p(x), so sieht man mit dem Satz 1.44
sofort, da p(x) durch x , x ohne Rest teilbar ist, da b = p(x ) = 0.
0
0
0
0
Beispiel:
Betrachten wir das Polynom q(x) = 3x + 2x , 20x + 4 zur Berechnung von
4
3
52
qx
x,
nehmen wir die Zahlen der 3. Reihe des Hornerschemas (8) und nden
nach Satz 1.44
q(x) = 3x + 14x + 56x + 204 + 820 :
x,4
x,4
Mit dem Hornerschema berechnet man also mit minimalem Aufwand
1) den Funktionswert p(x ) eines Polynoms p, und
2) die Division von p(x) durch den Linearfaktor x , x .
Desweiteren istPes moglich mit dem vollstandigen Hornerschema ein Polynom p(x) = nj aj xj nach Potenzen von x , x umzuordnen, d.h., Zahlen
cj zu berechnen, so da
(
)
4
3
2
0
0
0
=0
p(x) =
n
X
j
cj (x , x )j
0
(11)
=0
gilt . Ohne an dieser Stelle naher auf den Begri der Ableitung einer Funktion
einzugehen sei darauf hingewiesen, da fur die Koezienten cj die Beziehung
3
j
cj = p j(!x ) ; j = 0; 1; : : : ; n;
gilt, wobei p n fur n-te Ableitung der Funktion p steht.
Wir schreiben das vollstandige Hornerschema fur das Polynom f (x) =
2x , x , x , 18 auf und wollen zum einen f (2) berechnen, und zweitens f
( )
(
4
3
0
)
3
Die Beziehung (11) heit auch die Taylorentwicklung von p(x) an der Stelle x , x0.
53
nach Potenzen von x , 2 umordnen.
2
,1
0
,1
,18
+
4
6
12
22
2 2 % 3 %
6%
11 % 4 =: c ) f
+
4
14
40
2 2 % 7 %
20 % 51 =: c
)f
+
4
22
2 2 % 11 % 42 =: c
)f
+
4
2 2 % 15 =: c
)f
+
2 2 =: c
)f
(0) (2)
0
0!
(1) (2)
1
1!
(2) (2)
2
2!
(3) (2)
3
3!
(4) (2)
4
4!
=4
= 51
= 42
(12)
= 15
=2
Mit den Koezienten c ; c ; c ; c ; c konnen wir das Polynom nach Potenzen
von x , 2 umordnen und erhalten
0
1
2
3
4
f (x) = 2x , x , x , 18
= 2(x , 2) + 15(x , 2) + 42(x , 2) + 51(x , 2) + 4:
4
3
4
3
2
1.8.4 Zerlegungsatz fur komplexe Polynombruche
Zum Abschlu des Kapitels "Polynome" soll noch auf eine wichtige Zerlegung
von "Polynombruchen" hingewiesen werden, die etwas spater, im Vorfeld der
Berechnung von Integralen, noch ausfuhrlicher diskutiert wird.
Denition 1.46. (rationale Funktion)
Seien p(x) und q(x) Polynome aus C (x) mit deg p = n und deg q = m.
Quotienten von p und q
f (x) = pq((xx))
heien rationale Funktionen.
Ist n < m, nennt man den "Polynombruch" f (x) eine echte rationale Funktion.
54
Nach Satz 1.36 kann man jede rationale Funktion f (x) darstellen als Summe
einer echten rationalen Funktion g(x) und einem Polynom s(x). g(x) und
s(x) erhalt man im Ergebnis der Polynomdivision.
Fur echte rationale Funktionen bzw. Polynombruche gilt der folgende Satz.
Satz 1.47. (komplexe Partialbruchzerlegung)
Seien p(x) und q(x) Polynome aus C (x) mit deg p = n und deg q = m
und n < m. q (x) hat die Nullstellen z ; z ; : : :; zr mit den Vielfachheiten
m ; m ; : : :; mr und somit die Darstellung
q(x) = bn(x , z )m (x , z )m : : : (x , zr)mr :
Dann gibt es fur die rationale Funktion f (x) = pq xx die Zerlegung
1
1
2
2
1
1
2
2
( )
(
px
qx
( )
(
)
=
a11
x,z1
a21
x,z2
+
+
+
+ :::
+ xa,rzr +
a12
x,z1
a22
x,z2
(
)2
(
)2
+ +
+ +
(
(
a1m1
x,a z1 m1
2m2
x,z2 m2
)
)
(13)
armr
ar2
x,zr 2 + + x,zr mr
mk akj ;
j x,zk j
P P
1
(
)
r
=
k
mit akj 2 C ; k = 1; 2; : : : ; r; j = 1; 2; : : : ; mr :
=1
)
=1 (
(
)
)
Satz 1.48.
Es mogen die Voraussetzungen und Konventionen des Satzes 1.47 gelten.
Weiterhin seien die Koezienten der Polynome p(x) und q (x) reell.
Bezugl. der Partialbruchzerlegung gilt
a) Ist eine Nullstelle zk reell, so sind auch die Koezienten ak ; ak ; : : :; akmk
reell.
b) Ist eine Nullstelle zk mit der Vielfachheit mk komplex, dann gibt es
eine Nullstelle zl mit zk = zl und zl mit der gleichen Vielfachheit mk ,
und fur die Koezienten akj und alj , j = 1; 2; : : : ; mk , gilt
akj = alj :
1
2
Statt des Beweises der Satze 1.47 und 1.48 wollen wir uns die Zerlegung der
rationalen Funktion
x +x,1
x , 2x + 3x , 2x + 1
2
4
3
2
55
uberlegen. Wir erinnern uns daran, da das Nenner-Polynom q(x) = x ,
2x + 3x , 2x + 1 die Nullstellen
p
p
1
1
3
z = 2 + 2 i; z = 2 , 23 i;
mit den Vielfachheiten m = 2 und m = 2 hat, so da es nach dem Satz
1.47 die Zerlegung
x +x,1
x +x,1
=
(14)
x , 2x + 3x , 2x + 1
(x , z ) (x , z )
+ a + a
= a + a
x , z (x , z ) x , z (x , z )
geben mu. Wenn wir die Gleichung (14) mit (x,z ) multiplizieren, erhalten
wir
x + x , 1 = a (x , z ) + a + a (x , z ) + a (x , z ) ;
(x , z )
x,z
(x , z )
und konnen a fur x = z bestimmen als
p
p
z
+
z
,
1
,
1
+
3
i
1
a = (z , z ) = ,3 = 3 , 33 i:
Aus Satz 1.48 folgt fur a
p
1
a = a = 3 + 33 i:
Wenn wir nun die Beziehung (14) umschreiben zu
x +x,1 , a
a + a + a ;
=
(x , z ) (x , z ) (x , z ) x , z x , z (x , z )
mu die "linke" Seite nach Satz 1.47 mit einem Polynom s(x) in der Form
x +x,1 , a
s(x)
=
(x , z ) (x , z ) (x , z ) (x , z )(x , z )
darstellbar sein. Nach einigem Rechnen erhalt man fur s(x)
p
p
1
2
3
s(x) = ( 3 + 3 i)x + 6 , 63 i:
4
3
2
1
2
1
2
2
4
2
3
2
2
1
2
2
12
11
1
1
1
2
21
2
11
2
1
2
22
2
1
2
1
2
1
1
12
1
2
2
22
22
2
12
12
1
2
2
2
11
1
2
2
21
1
22
2
2
12
1
2
2
2
1
2
2
2
1
2
12
2
2
2
12
22
21
2
1
2
2
2
56
Aus
s(x)
a + a + a
=
(x , z )(x , z ) x , z x , z (x , z )
ergibt sich durch Multiplikation mit x , z
11
1
2
2
21
1
22
2
2
1
p
p
2
p
+ i+ , i
,
s
(
z
)
3 i;
a = (z , z ) =
=
,
,3
9
und damit nach Satz 1.48
p
a = a = 93 i:
Zusammenfassend erhalten wir die komplexe Partialbruchzerlegung
3
1
1
6
11
1
2
2
1
6
3
6
2
11
21
p
p
p
p
, i + , i + i + + i : (15)
x +x,1
=
x , 2x + 3x , 2x + 1 x , z (x , z ) x , z (x , z )
Mit Blick auf die Nutzung der Partialbruchzerlegung bei der Integration fassen wir die Glieder der rechten Seite der Gleichung (15) paarweise zusammen,
wir erhalten
p
p
, i x,z + i x,z =
x , z x , z x , z x , z x , x + 1;
3
2
1
9
4
3
2
3
3
3
3
1
1
3
3
2
2
2
1
1
2
p
3
2
1
9
2
1
9
3
2
9
p
3
3
2
1
( , i) (x , z ) ( + i) (x , z )
(x + 2x , 2)
+
=
(x , z ) (x , z ) (x , z ) (x , z )
(x , x + 1)
1
3
3
2
3
1
2
2
2
1
3
2
3
2
2
1
3
2
2
2
3
2
1
2
2
= x , x + 1 + (x 2,x x,+2 1) ;
2
3
2
2
2
und damit letztendlich mit
1
2x , 2
x +x,1
=
+
x , 2x + 3x , 2x + 1 x , x + 1 (x , x + 1)
eine Zerlegung in reelle Anteile, die uns bei der Integration rationaler Funktionen die Arbeit sehr erleichtern wird.
2
4
3
2
2
2
2
57
2 Lineare Algebra I
In diesem Kapitel werden die Grundbegrie und grundlegenden Techniken
zur Losung von linearen Gleichungssystemen behandelt.
Im einfachsten Fall hat man es mit zwei Gleichungen und zwei Unbekannten
zu tun, also etwa
5x + 3y = 1
3x + 4y = 3:
(16)
Mit der Elimination von y durch die Subtraktion des vierfachen der ersten
Gleichung von der dem dreifachen der zweiten erhalt man x = , und der
Elimination von x durch die Subtraktion des funachen der zweiten Gleichung von dem dreifachen der ersten Gleichung erhalt man y = .
Wenn wir statt der konkreten Koezienten 5, 3, 4,... nun allgemeine Koezienten und das allgemeine lineare algebraische Gleichungssystem mit 2
Gleichungen und 2 Unbekannten in der Form
5
11
12
11
a x +a x =b
a x +a x =b ;
11
21
1
12
1
2
22
(17)
1
2
2
betrachten, erhalten wir nach der oben beschriebenen Elimination von x
bzw. x die Losung in der Form
b a ; x = b a ,b a :
(18)
x = ab aa ,
,a a
a a ,a a
An den Beziehungen (18) erkennt man sofort, da man nur dann eine Losung
erhalt, wenn der Ausdruck a a , a a von Null verschieden ist. Bevor
wir zu den Begrien und Losungstechniken fur "groere" Gleichungssystem
kommen, sei auf die geometrische Bedeutung von Gleichungssystemen hingewiesen. Wenn wir die beiden Gleichungen (16) nach y auosen haben wir
mit y = , x + und y = , x + zwei Funktionen f (x) und g(x) oder
zwei Geraden in der Ebene. Die Losung der Gleichungssystems (16) ist der
Schnittpunkt der beiden Geraden. Aus der Skizze 15 ndet man den Schnittpunkt (xs ; ys) = (, ; ). Der Fall a a , a a = 0 bedeutet geometrisch
die Parallelitat der Geraden (es existiert kein Schnittpunkt und damit keine
Losung).
2
1
1
22
2
12
2
11
1
11
22
21
21
2
1
11
22
21
11
12
22
21
5
1
3
3
3
3
4
4
5
12
11
11
11
12
22
21
12
12
58
f(x), g(x)
ys
xs
x
f(x)
g(x)
Abbildung 15: Geometrische Losung von (16)
2.1 Determinanten
Bei der Betrachtung von linearen Gleichungssystemen (2 Gleichungen, 2 Unbekannte) haben wir festgestellt, da das Koezientenschema
a a
a a
mit den Elementen aij , i steht fur die Zeile und j fur die Spalte im Schema
das Gleichungssystem beschreibt, und, abhangig von den "rechten Seiten"
der Gleichungen bi die Losung in der Form (18) ergibt. Fur die Elemente
der Koezientenschemata verabreden wir, da sie Elemente des Korpers der
reellen Zahlen sind.
Wir wollen uns nun mit Koezientenschemata der allgemeinen Form
a a ::: a n
a a ::: a n
(19)
::: ::: ::: :::
an an : : : ann ;
also Schemata zur Beschreibung von linearen Gleichungssystemen mit n Gleichungen und n Unbekannten der Form
a x +a x + : : : +a nxn = b
a x +a x + : : : +a nxn = b
...
...
...
an x +an x + : : : +ann xn = bn ;
11
12
21
22
11
12
1
21
22
2
1
2
11
1
12
2
1
1
21
1
22
2
2
2
1
1
2
2
59
und ihren Eigenschaften befassen.
2.1.1 Determinatendenition
Denition 2.1. (Determinante 2. Ordnung)
Als Determinante 2. Ordnung bezeichnet man den Wert, der einem geordnetem Koezientenschema mit 2 2 Elementen durch
a a a a det a a
= a a := a a , a a
11
12
11
12
21
22
21
22
11
22
21
(20)
12
zugeordnet wird. Die Determinante 2. Ordnung ist also eine Abbildung von
der Menge der 2 2-Koezientenschema in die Menge der reellen Zahlen R.
Denition 2.2. (Determinante n-ter Ordnung)
Als Determinante n-ter Ordnung bezeichnet man den Wert, der einem geordnetem Koezientenschema mit n n Elementen durch
0 a a : : : a 1 a a : : : a n
a a : : : a n B
C
a
a
:
:
:
a
n
det B
(21)
@ ::: ::: ::: ::: C
A = : : : : : : : : : : : :n an an : : : ann an an : : : ann
11
12
1
11
12
1
21
22
2
21
22
2
1
2
1
2
:= a A + a A + + a nA n =
11
11
12
12
1
1
n
X
j
a jA j
1
1
=1
zugeordnet wird.
Mit Aij bezeichnet man die Adjunkte des Elements aij , die erklart ist durch
a
: : :
a
i
j
Aij := (,1) ai,
: :i :
a
n
11
+
12
11
+11
1
a
:::
ai,
ai
:::
an
12
+12
2
:::
:::
:::
:::
:::
:::
a j,
:::
ai, j,
ai j,
:::
anj,
1
1
1
1
+1
1
1
aj
:::
ai, j
ai j
:::
anj
1 +1
1 +1
+1 +1
+1
:::
:::
:::
:::
:::
:::
ai, n ;
ai n : : : ann an
1
1
+1
(22)
also die mit (,1)i j zu multiplizierende Determinante des n , 1 n , 1Koezientenschemas, das durch Streichen der i-ten Zeile und j -ten Spalte
aus einem n n-Koezientenschema ensteht.
+
60
Denition 2.3. (Determinante 1. Ordnung)
Der Vollstandigkeit halber verabreden wir
det(a ) = ja j := a
als Determinante 1. Ordnung.
11
11
11
Indem wir die Determinante 1. bzw. 2. Ordnung deniert haben, und die
Berechnung der Determinante n-ter Ordnung auf die Berechnung von Determinanten n,1-ter Ordnung zuruckgefuhrt haben, konnen wir Determinanten
n-ter Ordnung rekursiv berechnen.
Beispiele fur die Berechnung von Determinanten:
1) Die Berechnung einer Determinante 3. Ordnung wird auf die Berechnung von Determinanten 2. Ordnung zuruckgefuhrt:
3 1 5 2 ,1 2 =
1 1 1 = 3 (,1)
1+1
,1
1
2 + 1 (,1)
1
1+2
2
1
2 + 5 (,1)
1
1+3
2 ,1 1 1 = 3 ((,1) 1 , 2 1) , (2 1 , 2 1) + 5(2 1 , 1 (,1)) =
= ,9 , 0 + 15 = 6:
2) Berechnung einer parameterabhangigen Determinante:
a 2 1 2 a 3 =
1 3 a = a (,1)
1+1
a
3
3 + 2 (,1)
a
1+2
2 3 1 a + 1 (,1)
1+3
2 a 1 3 =
= a(a , 9) , 2(2a , 3) + (6 , a) = a , 14a + 12:
2
3
61
2.1.2 Regeln zur Determinantenberechnung
Bei der rekursiven Denition der Determinante n-ter Ordnung wurde die
Determinante nach der ersten Zeile entwickelt. Die Berechnung einer Determinante n-ter Ordnung kann man auch durch eine Entwicklung nach einer
anderen Zeile oder Spalte vornehmen. Es gilt der
Satz 2.4. Determinantenentwicklungsatz.
Eine Determinante n-ter Ordnung kann durch eine Entwicklung nach einer
beliebigen Zeile i oder Spalte j berechnet werden. Es gilt
a a : : : a a a : : : a n X
n
n
: : : : : : : : : : : n: = ai j Ai j = X aij Aij :
(23)
a a : : : a j
i
n
n
nn
0
0
11
12
1
21
22
2
0
0
0
=1
1
0
=1
2
Beispiel (Beispiel 1 von oben), Entwicklung nach der 2. Spalte:
= 1 (,1)
1+2
2
1
3 1
2 ,1
1 1
2 + ,1 (,1)
1
2+2
5 2 =
1
3
1
5 + 1 (,1)
1
3+2
3
2
5 =
2
= ,(2 , 2) , (3 , 5) , (6 , 10) = ,0 + 2 + 4 = 6:
2.1.3
Sarrussche Regel
Fur Determinanten 3. Ordnung gibt es eine Berechnungsregel, die sich leicht
einpragt und keine Entwicklung nach Zeilen oder Spalten erforderlich macht.
Wir schreiben das 3 3-Koezientenschema auf und erganzen es, indem
wir die erste und zweite Spalte als 4. und 5. Spalte neben das ursprungliche
Schema schreiben:
a
a
a
a
a
11
a
21
a
31
&
%
12
11
13
a
a
a
a
a
a
22
32
23
33
21
31
%
&
12
a
22
a
32
(24)
62
Die Determinante 3. Ordnung berechnet man nun durch die Summe der durch
die sudostlich gerichteten Pfeile durch Multiplikation verknupften Elemente,
also
SP = a a a + a a a + a a a ;
11
22
33
12
23
31
13
21
32
minus der Summe der durch die nordostlich gerichteten Pfeile durch Multiplikation verknupften Elemente, also
SM = a a a + a a a + a a a ;
31
22
13
32
23
11
33
21
12
so da sich fur die Determinante 3. Ordnung
a a a a a a = SP , SM
a a a 11
12
13
21
22
23
31
32
33
ergibt.
Beispiel:
4 2
3 ,1
2 1
3
6
5
= 4 (,1) 5 + 2 6 2 + 3 3 1 , (2 (,1) 3 + 1 6 4 + 5 3 2)
= ,20 + 24 + 9 + 6 , 24 , 30 = ,35:
Mit der Sarrusschen Regel kann man die Berechnung von Determinanten hoherer Ordnung auf die Berechnung von Determinanten 3. Ordnung
reduzieren. Es empelt sich jedoch in jedem Fall nach "gunstigen" Zeilen
oder Spalten mit moglichst vielen Nullen zu suchen, um den Aufwand
bei der Determinantenberechnung moglichst gering zu halten. Wenn wir die
Determinante
4 2 3 1 5 3 ,1 6 0 1 D = 2 0 5 0 2 3 0 1 0 4 3 1 3 1 4
63
berechnen wollen, entwickelt man
erhalt
3 ,1 6
2 0 5
D = (,1) 3 0 1
3 1 3
1+4
sinnvollerweise nach der 4. Spalte und
1 2 + (,1)
4 4
5+4
4 2
3 ,1
2 0
3 0
3
6
5
1
5 1 2 4
Die Determinanten 4. Ordnung entwickelt man nun jeweils nach der 2. Spalte
und erhalt
3 6 1 2 5 2 D = (,1)(,1) (,1) 3 1 4 + (,1) (,1) 2 5 2 3 1 4
3 3 6 3 1 4
4 3 5 +2(,1) (,1) 2 5 2 + (,1)(,1) (,1) 2 5 2 2 5 2 33 61 14 3 6 1 4 33 51 4
= , 3 1 4 , 2 5 2 + 2 2 5 2 + 2 5 2 3 3 4 3 1 4 3 1 4 3 1 4
5
9
5
1+2
4+2
1+2
9
2+2
Von hier ab kann mit der Sarrusschen Regel der Werte der Determinante
5. Ordnung schnell berechnet werden.
2.1.4 Hilfreiche Eigenschaften von Determinanten
Im Folgenden werden Eigenschaften von Determinanten diskutiert, die oft
zu drastischen Vereinfachungen bei der Berechnung von Determinanten genutzt werden konnen. Die Beweise der Eigenschaften ergeben sich aus dem
Entwicklungssatz.
Denition 2.5. (Vereinfachung der Schreibweise)
Zur Vereinfachung der Darstellung von Determinaten verabreden wir fur die
j -te Spalte eines Koezientenschemas
a a ::: a j ::: a n
a a ::: a j ::: a n
(25)
... ...
...
...
an an : : : anj : : : ann
11
12
1
1
21
22
2
2
1
2
64
die Bezeichnung
aj ;
und sprechen auch von Spaltenvektor aj , so da wir das Koezientenschema
(25) auch in der Form
(a ; a ; : : :; aj ; : : :; an) ;
und die Determinante in der Form
det(a ; a ; : : : ; an )
aufschreiben konnen.
1
1
1
2
Satz 2.6.
Die Determinanten eines Koezientenschemas und des an der Hauptdiagonale gespiegelten Koezientenschemas sind gleich, d.h.
a
a
:
:
:
a
a
a
:
:
:
a
n
n
a. a. : : : a. n = a. a. : : : a. n :
.. .. ..
.. .. ..
an an : : : ann a n a n : : : ann 11
12
1
11
21
1
21
22
2
12
22
2
1
2
1
2
Satz 2.7.
Sei 2 R, dann gilt
det(a ; a ; : : :; ai + bi; : : : ; an )
1
2
(26)
= det(a ; a ; : : :; ai; : : :; an) + det(a ; a ; : : : ; bi; : : : ; an ):
1
2
1
2
Aus dem Satz 2.7 ergeben sich die Folgerungen
Korollar 2.8.
Sei 2 R und i 6= k , dann gilt
det(a ; a ; : : :; ; an) = det(a ; a ; : : :; ai; : : :; ak + ai; : : :; an);
1
2
1
2
d.h., man kann das Vielfache einer Spalte zu einer anderen Spalte addieren,
ohne da sich der Wert der Determinante andert.
65
und
Korollar 2.9.
Tauscht man zwei Spalten eines Koezientenschemas aus, so wechselt die
Determinante das Vorzeichen, also gilt fur i 6= k
det(a ; a ; : : :ai; : : :; ak ; : : : ; an ) = ,det(a ; a ; : : :; ak ; : : :; ai; : : :; an):
1
2
1
2
Korollar 2.10.
Sind zwei Spalten eines Koezientenschemas gleich oder sind alle Elemente
einer Spalte gleich Null, so ist die Determinante gleich Null,
det(a ; a ; : : : ai ; : : :; ai; : : : ; an ) = 0:
1
2
Aufgrund des Satzes 2.6 gelten die Eigenschaften 2.7 und 2.8 und die Schlufolgerungen auch im Falle der Kombination von Zeilen, d.h., man kann in
den Satzen 2.7, 2.8 und 2.9 die Bezeichnung ak auch als eine Bezeichnung
fur eine Zeile verstehen. Als Oberbgri fur Spalten und Zeilen fuhren wir
deshalb den Begri der Reihe ein.
Beispiele zur Anwendung der Regeln:
1.) Anwendung des Satzes 2.8 (Spaltenoperationen)
3 ,1 6 7 3 ,1 5 7 2 2 3 5 2 2 5 5 3 2 1 3 =[
] 3 2 3 3 =[
]
3 1 3 4 3 1 4 4
(3):=(2)+(3)
3 ,1
2 2
= 3 2
3 1
(4):=(4)-(3)
2 2 5 5 2 5 0 = ,2 3 2 3 = ,2(16 + 18 + 15 , (30 + 6 + 24)) = 22:
3 1 4 3 0 4 0
2.) Anwendung des Satzes 2.8 (Zeilenoperationen) zur Berechnung von
4 ,1 6 7 2 2 3 5 4 2 1 3 :
4 1 3 4 66
Die Subtraktion des 2-fachen der 2. Zeile von der 1., 3. und 4. Zeile ergibt
4 ,1
2 2
4 2
4 1
6
3
1
3
7 0 ,5 0 ,3 5 = 2 2 3 5 =
3 0 ,4 ,5 ,7 4 0 ,3 ,3 ,6 ,5 0 ,3 = ,2 ,4 ,5 ,7 = ,2(,150 + 0 , 36 , (,45 , 105 + 0)) = 72:
,3 ,3 ,6 3.) Ein glucklicher Umstand.
Zu berechnen ist die Determinante 8. Ordnung
3
0
0
0
D = 0
0
0
0
8
3 1075 ,99 25 1 999 2 2 773
1 0 12 4 61 0
4 33 21 1 0 51 0
0 5 1 2 3 19 :
0
0 0 2 1 23 12 0
0 0 0 9 1 13 0
0 0 0 0 21 1 0
0 0 0 0 0 3
Die konsequente mehrfache Anwendung des Determinantenentwicklungssatzes bzw. der rekursiven Denition ergibt fur D genau das Produkt der Diagonaelemente, also
8
D = 3 2 4 5 2 9 21 3 = 136080:
8
Bemerkung 2.11.
Dieses Beispiel zeigt uns den Vorteil von sogenannten "oberen" oder "unteren" Dreiecksschemen, deren Determinanten man sofort durch das Produkt
der Diagonalelemente aufschreiben kann. Es ist also immer sinnvoll, durch
die geschickte (zulassige) Kombination von Zeilen oder Spalten eine weitestgehende Dreiecksgestalt des Koezientenschemas anzustreben, um dadurch
die Berechnung von Determinanten zu erleichtern.
67
2.2 Cramersche Regel
Mit der Fahigheit, Determinanten zu berechnen, ist es nun moglich, die
Losbarkeit vorausgesetz, das lineare Gleichungssystems der Form
a x +a x + : : : +a nxn = b
a x +a x + : : : +a nxn = b
(27)
...
...
...
...
an x +an x + : : : +ann xn = bn ;
mit der Cramerschen Regel zu bestimmen.
Dazu denieren wir das Koezientenschema
0 a a ::: a b a ::: a 1
j,
j
n
B
a
a
:
:
:
a
b
a
:
:
:
a
j
,
j
n C
C
Aj := B
B
C
...
...
...
@ ... ...
A
an an : : : anj, bn anj : : : ann ;
11
1
12
2
1
1
21
1
22
2
2
2
1
1
2
2
11
12
1
1
1
1 +1
1
21
22
2
1
2
2 +1
2
1
2
1
+1
= (a ; : : :; aj, ; b; aj ; : : :; an )
1
1
+1
als das Schema, das aus dem Schema
0 a a ::: a a a
j,
j
j
B
a
a
:
:
:
a
a
a
j,
j
j
A := B
B
.
.
.
.
.
.
.
.
@. .
.
.
1
11
12
1
1
1
1 +1
21
22
2
1
2
2 +1
an an : : : anj, anj anj
1
2
1
+1
::: a n
::: a n C
C
C
...
A
: : : ann;
1
2
= (a ; : : : ; aj, ; aj ; aj ; : : :; an)
1
1
+1
durch das Ersetzen der j -ten Spalte durch die "rechte Seite", also die Spalte
b, entsteht.
Satz 2.12. (Cramersche Regel)
Das linearen Gleichungssystems (27) ist unter der Voraussetzung det(A) 6= 0
eindeutig losbar und fur die Losung gilt
(Aj ) = det(a ; : : :; aj, ; b; aj ; : : :; an ) ; j = 1; : : : ; n: (28)
xj = det
det(A)
det(a ; a ; : : : ; an )
1
1
1
2
+1
68
Proof.
Wir beschranken uns darauf, die Gultigkeit der Formel (28) fur eine Losung
des linearen Gleichungssystems
(27) zu zeigen. Sei also x ; x ; : : :; xn eine
P
n
Losung. Dann gilt b = k xk ak und damit
1
2
=1
Dj = det(a ; : : :; aj, ; b; aj ; : : :; an )
1
1
= det(a ; : : : ; aj, ;
1
1
n
X
k
+1
(29)
xk ak ; aj ; : : : ; an ):
+1
=1
Zur j -ten Spalte in (29) addiert man nacheinander
,x a ; : : :; ,xj, aj, ; ,xj aj ; : : : ; ,xnan :
1
1
1
+1
1
+1
Aufgrund der Determinanteneigenschaften bleibt der Wert der Determinante
unverandert, und damit folgt
Dj = det(a ; : : :; aj, ; xj aj ; aj ; : : : ; an ) = xj = det(a ; : : :; an) = det(A);
1
1
+1
bzw.
1
(Aj ) ;
xj = det
det(A)
also die Gultigkeit der Formel.
Beispiel:
Es soll das Gleichungssystem
3x +x ,x
=0
,x +2x +x ,5x = 2
7x +x +x = 0
2x ,4x +8x ,3x = 0
1
2
3
1
2
3
4
2
3
4
2
3
4
1
mit der Cramerschen Regel gelost werden. Zuerst ist die Determinante
3 1 ,1 0 ,1 2 1 ,5 det(A) = 0 7 1 1 2 ,4 8 ,3 69
zu berechnen, man erhalt
3
,1
det(A) = 0
0
7
= 7
0
1 ,1
0 2 1 ,5 = 7 1
1 0 10 ,13 0
,1
0
0
7
2
7
0
2 ,15 1 ,5 =
1 1 10 ,13 1 ,16 2 ,15 0 1 ,16 1 = ,7 10 ,13 = ,7 147 = ,1029:
1
1 = 7 1
10 ,13 0 10 ,13 Die Berechnung von det(A ) ergibt
0 1 ,1 0 1 ,1 0 1 ,1 0 2 2 1 ,5 det(A ) = 0 7 1 1 = ,2 7 1 1 = ,2 8 0 1 =
,4 8 ,3 ,4 8 ,3 0 ,4 8 ,3 1
1
1 ,1 0 8 1 = ,2 8 0 1 = ,2 4 ,3 = 56:
4 0 ,3 Die Berechnung von det(A ) ergibt
3 0 ,1 0 ,1 2 1 ,5 3 ,1 0 det(A ) = 0 0 1 1 = 2 0 1 1 =
2 0 8 ,3 2 8 ,3 2
2
3 ,1 0 3 ,1 = 2 0 0 1 = ,2 2 11 = ,70:
2 11 ,3 Die Berechnung von det(A ) ergibt
3 1 0 0 3 1 0 ,1 2 2 ,5 det(A ) = 0 7 0 1 = ,2 0 7 1 =
2 ,4 0 ,3 2 ,4 ,3 3
3
3
= ,2 0
14
70
7 1 1 0 1 0 7 1 = ,2 3 0 ,3 , 2 14 7 1 = 126 , 28 = 98:
0 ,3 Die Berechnung von det(A ) ergibt
3 1 ,1 0 ,1 2 1 2 3 1 ,1 det(A ) = 0 7 1 0 = 2 0 7 1 =
2 ,4 8 0 2 ,4 8 4
4
3 8
= 2 0 7
2 ,4
7 1 8 0 0 1 = 2 3 ,4 8 + 2 2 7 1 = 360 + 32 = 392:
8
Damit ergibt sich
56 ; x = 70 ; x = , 98 ; x = , 392 :
x = , 1029
1029
1029
1029
Glucklicherweise gibt es neben der Cramerschen Regel noch andere Methoden zur Losung linearer Gleichungssysteme, denn schon bei einem Gleichungssystem mit 4 Gleichungen und 4 Unbekannten hat man mit der Berechnung von 5 Determinanten 4. Ordnung schon zuviel zu tun. Die Cramersche Regel sollte man auf die Losung von Systemen mit 3 Gleichungen
beschranken. Alles was daruber hinaus geht, wird besser mit dem weiter unten diskutierten Gaussschen Eliminationsverfahren behandelt.
1
2
3
4
2.3 Matrizen
Nachdem wir Determinanten von quadratischen Koezientenschemata erklart haben, wollen wir den allgemeineren Begri der Matrix einfuhren und
die Verknupfung von Matrizen durch Operationen mit dem Ziel der systematischen Beschreibung von linearen Gleichungssystemen und deren Losung
erklaren.
2.3.1 Denition und Operationen
Wir verabreden, da die Elemente der Koezientenschemata bzw. Matrizen
Elemente aus einem Korper K sind, also im Falle K = R reelle Zahlen, und
im Fall K = C komplexe Zahlen.
71
Denition 2.13.
Seien aij 2 K; i = 1; 2; : : : ; n; j = 1; 2; : : : ; m. Dann heit das rechteckige
Koezientenschema
1
0
a a ::: a m
B
a a ::: a m C
C
B
C
B
.
.
.
.
.
.
@ . .
.A
11
12
1
21
22
2
an an : : : anm
eine Matrix mit m Spalten und n Zeilen uber K , und wird auch durch
;:::;m bezeichnet. Man nennt solche Matrizen auch n m-Matrizen
(aij )ji ;:::;n
und bezeichnet die Menge aller Matrizen des Types n m iuber dem Korper
K auch mit M (n; m; K ). Wenn der Typ der Matrix unstrittig ist, verwenden
wir auch die Kurzbezeichnung A = (aij ) fur eine Matrix. In der Informatik
oder Numerik ist eine Matrix ein zweidimensionales Feld (Array).
1
2
=1
=1
Denition 2.14.
j ;:::;m
Sei A = (aij )i
=1
=1
;:::;n
eine Matrix (uber K ), dann heit
0 a a ::: a 1
n
B
a a : : : an C
C
AT := B
B
C
.
.
.
.
.
.
@ . .
.A
11
21
1
12
22
2
a m a m : : : anm
1
2
die zu A transponierte Matrix.
Die Addition von Matrizen gleichen Typs und die Multiplikation von Matrizen mit skalaren Groen (reelle oder komplexe Zahlen, also Elementen aus
dem Korper, uber den die Matrizen erklart sind), ist leicht vorstellbar, d.h.,
zwei Matrizen addiert man, indem man die Elemente addiert. Das Produkt
einer einer skalaren Groe mit einer Matrix A erhalt man, indem man die
Elemente der Matrix mit multipliziert.
Denition 2.15. (Matrizenaddition)
Seien A = (aij ) und B = (bij ) Matrizen gleichen Types, dann heit die
Matrix C = (cij ) die Summe der Matrizen A und B , C = A + B , wenn
cij = aij + bij
gilt.
72
Denition 2.16. (Multiplikation einer Matrix mit einer skalaren Groe)
Sei 2 K und A = (aij ) eine Matrix, dann heit die Matrix C = (cij ) das
Produkt der skalaren Groe mit A, C = A, wenn
cij = aij
gilt.
Denition 2.17. (Matrixmultiplikation)
;:::;m vom Typ n m und die Matrix
Betrachten wir die Matrix A = (aij )ji ;:::;n
;:::;p vom Typ m p uber R. Dann heit denieren wir die Matrix
B = (bij )ij ;:::;m
;:::;p;
C = (cij )ji ;:::;n
vom Typ n p mit
=1
=1
=1
=1
=1
=1
cij :=
m
X
k
aik bkj ;
=1
als das Produkt der Matrizen A und B , C = A B , also
0 Pm a b : : : Pm a b
k k
k kp
k
k
.
.
.
.
C = AB = B
@ .Pm
.P
m a b
nk kp
k ank bk : : :
k
=1
1
=1
1
=1
1
=1
1
1
C
A:
Denition 2.18.
Die Matrix des Typs n m, deren Elemente alle gleich Null sind, heit
Nullmatrix 0.
Die quadratische Matrix vom Typ n n
01
B0
In = E := B
B
@ ...
0 :::
1 :::
...
0 0 :::
1
0
0C
C
... C
A
1
nennen wir Einheitsmatrix.
Denition 2.19. (Kronecker-Symbol)
Das Symbol
1 fur i = j;
ij := 0 fur i =
6 j;
heit Kronecker-Symbol.
73
Bemerkung 2.20.
Mit Hilfe des Kronecker-Symbols kann man die Einheitsmatrix vom Typ nn
in der Form
E = (ij )
aufschreiben.
Beispiel:
1)
3 5
1 4
A= 1 2 ;
a b
AB =
+a b
a b +a b
2)
11
11
12
21
21
11
22
21
01
A=@ 1
3 5
2 0
1 2 5
B= 2 0 ;
a b +a b
a b +a b
1
A;
11
12
12
22
21
12
22
22
13
=
01 41
B = @ 2 0 A;
5 1
= 5;
0 32 9 1
A B = @ 5 4 A;
30 9
0 5
B = @ 10
20
0
25 5
3)
05 21 @ 6 1 A 14
4 8
2
3
1
A:
0 13
0 = @ 10
5
6 :
9 2
1
16 10
15 5 A :
36 32 40
74
Satz 2.21.
1) Das Matrizenprodukt ist assoziativ und distributiv.
2) Das Matrizenprodukt ist i.allg. nicht kommutativ.
3) Aus der Gleichung A B = 0, kann man i. allg. nicht schlufolgern,
da A oder B gleich der Nullmatrix 0 sind.
4) Es gilt
(A B )T = B T AT :
2.3.2 Spezielle Matrizentypen
Eine besondere Rolle spielen Matrizen des Types n 1 bzw. 1 n. In diesem Fall spricht man von Spalten- bzw. Zeilenvektoren. Unter Nutzung der
Matrixmultiplikation kann man ein lineares Gleichungssystem der Form
a x +a x + : : : +a nxn = b
a x +a x + : : : +a nxn = b
...
...
...
...
an x +an x + : : : +ann xn = bn ;
auch als Matrixgleichung der Form
0 a ::: a 1 0 x 1 0 b 1
n
B
.
... C
(30)
@ ..
AB
@ ... C
A=B
@ ... C
A; A x = b
an : : : ann
xn
bn
darstellen.
Denition 2.22. (Skalarprodukt)
Das Produkt einer Matrix vom Typ 1 n, also eines Zeilenvektors, mit einer
Matrix vom Typ n 1, also eines Spaltenvektors,
0 1
b
n
X
B
(a ; : : : ; an) @ ... C
=
aj bj ;
A
j
bn
nennt man Skalarprodukt der beiden Vektoren.
11
1
12
2
1
1
21
1
22
2
2
2
1
1
2
2
11
1
1
1
1
1
1
=1
75
Wichtige Eigenschaften der Einheitsmatrix E bzw. Nullmatrix 0, die sich
unmittelbar aus der Denition der Matrixmultiplikation ergeben, fassen wir
im folgenden Satz zusammen.
Satz 2.23.
Sei E die Einheitsmatrix n n, dann gilt fur Matrizen A vom Typ n p bzw.
Matrizen B vom Typ p n
E A = A; B E = B:
Das Produkt einer Matrix A mit einer Nullmatrix oder umgekehrt, sofern es
moglich ist, ist gleich einer Nullmatrix.
Denition 2.24.
Die Elemente der ajj der Matrix A = (aij ) vom Typ n n heien Diagonalelemente von A.
Denition 2.25.
Eine Matrix A = (aij ) vom Typ n n heit obere Dreiecksmatrix, falls
aij = 0
fur i > j gilt, also
0 a a ::: a a 1
n,
n
B
0
a
:
:
:
a
a
n
,
n C
B
C
B
0 0 : : : a n, a n C
A=B
C
B
C
.
.
.
.
.
.
.
.
@ . .
. .A
11
0
12
1
1
1
22
2
1
2
3
1
3
0 :::
0 ann
gilt (die untere Dreiecksmatrix ist analog deniert).
Korollar 2.26.
Fur obere bzw. untere Dreiecksmatrizen A = (aij ) gilt
det(A) =
Yn
j
=1
ajj :
76
Denition 2.27. (regulare Matrix)
Gilt fur die Determinante der Matrix A vom Typ n n
det(A) 6= 0;
dann heit A regular oder nicht singular.
Ist die Determinante det(A) = 0 heit A singular.
Denition 2.28. (inverse Matrix)
Sei A eine Matrix vom Typ n n. Wenn es eine Matrix B vom Typ n n
mit der Eigenschaft
BA=E
gibt, heit B linksinverse Matrix von A.
Wenn es eine Matrix C vom Typ n n mit der Eigenschaft
AC = E
gibt, heit B rechtsinverse Matrix von A.
Bemerkung 2.29.
Aufgrund der Assoziativitat der Matrixmultiplikation folgt aus
AC = E
nach der Multiplikation mit C von links die Beziehung
C = B =: A, ;
und wir konnen, die Existenz vorausgesetzt, von der inversen Matrix A,
sprechen.
Mit dem Matrixkalkul konnen wir nun die Losung eines linearen Gleichungssystems von n Gleichungen und n Unbekannten
Ax=b
auf die Bestimmung der inversen Matrix zuruckfuhren, immer vorausgesetzt,
da diese existiert, denn mit A, ergibt sich sofort
x = A, b:
1
1
1
1
77
Satz 2.30. (Determinatenmultiplikationssatz)
Seien A und B Matrizen vom Typ n n, dann gilt
det(A B ) = det(A) det(B ):
Korollar 2.31.
Aus dem Determinantenmultiplikationssatz folgt fur eine invertierbare Matrix
det(A, ) = det1(A) :
1
2.3.3 Inversenformel
Die Bestimmung der inversen Matrix X = A, bedeutet die Losung des
Matrixgleichungssystems
1
A X = E bzw.
0
10
1 0
a a ::: a n
x x ::: x n
1
B
C
B
C
B
a a ::: a n C B x x ::: x n C B 0
B
B
... C
... C
@ ...
AB
@ ...
A=B
@ ...
11
12
1
11
12
1
21
22
2
21
22
2
an an : : : ann
1
2
xn xn : : : xnn
1
2
0 ::: 0
1 ::: 0
...
0 0 ::: 1
1
C
C
C
A:
Diese Matrixgleichungssystem entspricht nun n linearen Gleichungssystemen
der Form
A xj = ej ;
wobei ej der Spaltenvektor ist, der nur in der j -ten Zeile eine 1 zu stehen hat
und in allen anderen Zeilen Nullen. Wir erinnern uns an die Denition der
Adjunkten (22) eines Matrixelements und erhalten mit der Cramerschen
Regel fur xj = (x j ; x j ; : : : ; xnj )T
1
2
0 Aj 1
BB detAjA C
det A C
; j = 1; 2; : : : ; n
xj = B
B@ ... C
C
A
Ajn
1
(
)
2
(
det A
)
(
)
78
(bei Aij handelt es sich jeweils um die Adjunkten des Matrixelements 1, das
bei der speziellen rechten Seite ei in der Cramerschen Regel das Matrixelement aij ersetzt). Schlielich erhalten wir fur X = A,
1
0 A
det A
A
B
B
det A
,
X=A =B
@ ...
11
(
)
12
(
1
)
A1n
det A
(
)
A21
det A
A22
det A
(
)
(
)
A2n
det A
(
...
)
An1
det A
An2
det A
:::
Ann
det A
1 0 A
det A
A
C
B
C
B
det A
... C
A=B
@ ...
:::
:::
11
(
)
(
)
(
(
)
21
(
An1
det A
)
(
)
)
A12
det A
A22
det A
(
)
(
)
An2
det A
...
(
)
A1n
det A
A2n
det A
:::
Ann
det A
1T
C
C
... C
A
:::
:::
(
)
(
)
(
)
die sogenannte Inversenformel.
Korollar 2.32.
Jede regulare Matrix ist invertierbar und hat genau eine inverse Matrix.
Beispiel:
Zu berechnen ist die Inverse der Matrix
0 3 1
B ,1 2
A=B
@ 0 7
2 ,4
,1
0
1 ,5
1 1
8 ,3
1
C
C
A:
Die Determinante von A haben wir weiter oben schon mit det(A) = ,1029
berechnet. Die Berechnung der Adjunkten ("vorzeichenbehaftete Unterdeterminanten") ergibt:
2
A = 7
,4
11
,1
A = , 0
2
12
1 ,5 1 1 = ,6 , 4 , 280 , 20 , 16 + 21 = ,305;
8 ,3 1 ,5 1 1 = ,(3 + 2 + 10 + 8) = ,23;
8 ,3 79
,1 2 ,5 A = 0 7 1 = 21 + 4 + 70 , 4 = 91;
2 ,4 ,3 13
,1 2
A = , 0 7
2 ,4
14
1 1 = ,(,56 + 4 , 14 , 4) = 70;
8
1 ,1 0 A = , 7 1 1 = ,(,3 + 4 , 8 , 21) = 28;
,4 8 ,3 21
3 ,1 0 A = 0 1 1 = ,9 , 2 , 24 = ,35;
2 8 ,3 22
3 1 0 A = , 0 7 1 = ,(,63 + 2 + 12) = 49;
2 ,4 ,3 23
3 1 ,1 A = 0 7 1 = 168 + 2 + 14 + 12 = 196;
2 ,4 8 24
1 ,1 0 A = 2 1 ,5 = ,3 , 20 + 40 , 6 = 11;
,4 8 ,3 31
80
3 ,1 0 A = , ,1 1 ,5 = ,(,9 + 10 + 120 + 3) = ,124;
2 8 ,3 3 1 0 A = ,1 2 ,5 = ,18 , 10 , 60 , 3 = ,91;
2 ,4 , 3 32
33
3 1 ,1 A = , ,1 2 1 = ,(48 + 2 , 4 + 4 + 12 + 8) = ,70;
2 ,4 8 1 ,1 0 A = , 2 1 ,5 = ,(1 + 35 + 5 + 2) = ,43;
7 1 1
34
41
3 ,1 0 A = ,1 1 ,5 = 3 , 1 + 15 = 17;
0 1 1
3 1 0 A = , ,1 2 ,5 = ,(6 + 1 + 105) = ,112;
0 7 1
42
43
3
A = ,1
0
44
so da sich die inverse Matrix0
,305 28 11 ,43 1
1 B
,23 ,35 ,124 17 C
B
A, = , 1029
@ 91 49 ,91 ,112 C
A
70 196 ,70 ,7
1
ergibt.
1 ,1 2 1 = 6 + 7 , 21 + 1 = ,7;
7 1
81
2.3.4 Rang einer Matrix
Denition 2.33. (Unterdeterminate)
Sei A eine Matrix vom Typ n m. Die Determinante einer k-reihigen Un-
termatrix von A heit Unterdeterminante von A mit der Zeilenzahl k, oder
eine k-reihige Unterdeterminante von A.
Denition 2.34. (Rang einer Matrix)
Sei A = (aij ) eine Matrix vom Typ n m. A hat genau dann den Rang p,
wenn gilt
a) Es gibt eine nichtverschwindende p-reihige Unterdeterminante von A.
b) Jede Unterdeterminante von A, deren Zeilenzahl groer als p ist, verschwindet.
Man schreibt
Rang A = rg A = p:
Bemerkung 2.35.
Der Rang einer Matrix ist die grote Zeilenzahl nichtverschwindender Unterdeterminanten der Matrix. Fur p = rg A (A vom Typ n m) gilt
p minfn; mg:
Beispiel:
05
B0
A=B
@0
2
1
8
0 3
Man ndet mit
5
0
0
1
4
1
12
4
3
5
9
1
C
C
A:
2 1 1 4 = ,155
8 1
eine nichtverschwindende 3-reihige Unterdeterminante von A, stellt aber durch
die Subtraktion des 3-fachen der 2. Zeile von der 4. Zeile sofort fest, da
det(A) = 0 ist. Daraus folgt, da A den Rang 3 hat.
LITERATUR
82
Satz 2.36.
Der Rang einer Matrix A, rg A, bleibt bei
a) der Vertauschung von parallelen Reihen ,
4
b) Multiplikation einer Reihe mit einem Element 2 K; 6= 0,
c) Addition des Vielfachen einer Reihe zu einer Parallelreihe,
d) Transponieren von A unverandert.
Literatur
[1] Meyberg, Vachenauer
Hohere Mathematik in 2 Banden,
Springer-Verlag
[2] Burg, Haf, Wille
Hohere Mathematik fur Ingenieure in 5 Banden,
Teubner-Verlag Stuttgart
[3] Jerey
Mathematik fur Ing. und Naturwissenschaftler in 2 Banden,
Verlag Chemie
[4] Bronstein, Semendjajew
Taschenbuch der Mathematik,
Teubner-Verlag
[5] Wust
Hohere Mathematik fur Physiker in 2 Banden,
Verlag W. de Gruyter
[6] Merziger, Wirth
Repetitorium der Hoheren Mathematik,
Binomi-Verlag
4
Wir hatten den Begri der Reihe als Oberbegri fur Zeile und Spalte eingefuhrt.
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