Krankenpflegeausbildung in Europa

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Leonardo-Projekt: Eurobac II Schlussbericht von der Hochschule in Bodø, Norwegen
LEONARDO PROJEKT
EUROBAC II – SCHLUSSBERICHT
NORWEGISCHER PARTNER:
REGIONALE HOCHSCHULE BODØ, MO I RANA
Lehrbeauftragte Tone K. Oddvang
Lehrbeauftragter Øyvind Christiansen
GRUNDLAGEN UND ÜBERLEGUNGEN IM BEREICH
KRANKENPFLEGEAUSBILDUNG IN EUROPA
Im Rahmen unserer Teilnahme am Leonardo-Projekt Eurobac II wurde entschieden, dass wir
uns dem Bereich der Krankenpflegeausbildung widmen.
Am Anfang unserer Arbeit in diesem Projekt stand die Frage, ob es möglich wäre, eine
gemeinsame Prüfung für Krankenschwestern/-pfleger zu erarbeiten, die die Möglichkeit
geben würde, in verschiedenen Ländern zu arbeiten bzw. zu studieren. Wir stellten dann fest,
dass das Ausbildungsniveau in den verschiedenen (Hoch-) Schulsystemen so unterschiedlich
war, dass eine gemeinsame Prüfung für angehende Krankenschwestern/-pfleger noch nicht
möglich war. Während unserer Arbeit im Rahmen dieses Projekts wurden – beispielsweise in
Italien und den Niederlanden – einige Änderungen in den Ausbildungssystemen mit dem Ziel
vorgenommen, gesamteuropäische Standards zu erfüllen. Es scheint, dass die europäischen
Länder, die diese Anpassung noch nicht vorgenommen haben, an einer Implementierung
dieser Hochschulreformen in ihre Ausbildungseinrichtungen arbeiten.
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Leonardo-Projekt: Eurobac II Schlussbericht von der Hochschule in Bodø, Norwegen
Nach Abschluss unserer Untersuchungen blieben derart viele Unterschiede und Fragen, dass
wir uns entschieden, mit der Arbeit an einer Übersicht über die Krankenpflegeausbildungen in
den europäischen Ländern zu beginnen.
Die Krankenpflegeausbildungen in den verschiedenen europäischen Ländern befinden sich
auf verschiedenen Niveaus der Ausbildungssysteme. Es gibt Unterschiede in den Inhalten,
den Bewertungen und in der Organisation der Ausbildung. Soweit wir feststellen konnten,
liegt bis jetzt kein geeigneter Überblick bzw. eine geeignete Beschreibung über die
verschiedenen europäischen Krankenpflegeausbildungen vor. Um dies zu illustrieren, haben
wir eine kurze Beschreibung über die Ausbildung in einigen europäischen Ländern erstellt.
Wir erarbeiteten einen Fragebogen, der an die Ausbildungsinstitutionen für Krankenpflege in
vielen europäischen Ländern geschickt wurde. Wir bekamen Antworten von
Ausbildungsstätten in insgesamt acht Ländern.
Bei diesen Ländern handelt es sich um:
Spanien
Island
Schweden
Österreich
Norwegen
Italien
Schweiz
Niederlande
Ergebnisse der “Umfrage zu den Qualifikationen für die
Krankenpflegeausbildung in den europäischen Ländern.”
Diese Umfrage beinhaltete 10 Fragen, und die wichtigsten Inhalte aus den Antworten werden
im folgenden vorgestellt. Die Ergebnisse sind der jeweiligen Frage nachgestellt:
1. Formelle Qualifikationen für die Aufnahme als Schüler/Student an Ihrer
Schule/Hochschule /Universität.
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Aus den Fragebögen geht hervor, dass es bei der Länge der Schulausbildung als Grundlage
für eine höhere bzw. weitere Ausbildung einige kleine Unterschiede gibt. Die Länge der
Schulausbildung variiert zwischen elf und 13 Jahre, bevor man mit dem Studium beginnen
kann. Zu diesem Zeitpunkt ist der Studierende zwischen 18 und 19 Jahre alt.
2. Wie lang ist die grundlegende Krankenpflegeausbildung in Ihrem Land ? (bitte mit x
markieren)
a. 1 Jahr
b. 2 Jahre
c. 3 Jahre
d. 4 Jahre
e. Anderes
Bei der Beantwortung dieser Frage gibt es einige Unterschiede.
In Schweden, Spanien, Norwegen, der Schweiz und Österreich beträgt die Dauer der
Krankenpflegeausbildung drei Jahre. Soweit wir verstanden haben, gilt dies auch für Italien.
In Island, den Niederlanden und in einigen Schweizer Kantonen dauert die Ausbildung vier
Jahre.
3. Ist die grundlegende Krankenpflegeausbildung Pflichtvoraussetzung, um folgende
Berufe ausüben zu können:
(bitte mit x ankreuzen)
a. Hebamme
b. Kinderkrankenschwester/-pfleger
c. Psychiatriekrankenschwester/-pfleger
d. Operationskrankenschwester/-pfleger
e. Anderes
Bei dieser Frage gibt es einige Unterschiede zwischen den verschiedenen Fachgebieten. In
einigen Ländern ist eine komplette Krankenpflegeausbildung Voraussetzung für die weitere
Spezialisierung in den verschiedenen Bereichen. Diese Länder sind: Schweden, Norwegen,
Spanien, Island. In der Schweiz (und wie wir bereits wissen auch in England) ist die
Ausbildung zur Hebamme eine unabhängige Ausbildung. In Österreich scheinen
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Kinderkrankenpflege und Psychiatrie eigene Ausbildungsgänge zu sein. In der Schweiz gibt
es je nach Kanton Unterschiede. In Italien und Österreich war es schwierig, genaue
Informationen zu diesen Fragen zu erhalten.
4. Wenn nein, wie sind diese Ausbildungen organisiert ? (bitte beschreiben)
In der Schweiz gibt es einen eigenen Zweig für die OP-Krankenpflege. Es handelt sich um
eine Spezialisierung von der/vom Medizinisch-Technischen Assistentin/en zur OPKrankenschwester bzw. zum OP-Krankenpfleger. Aus dem Fragebogen können wir auch
ersehen, dass die klinische Praxis in der Grundausbildung darüber entscheidet, in welchem
Fachgebiet die Spezialisierung erfolgt.
5. Mit welchem Titel und mit welcher Kompetenz wird die grundlegende
Krankenpflegeausbildung abgeschlossen?
Aus dem Fragebogen können wir ersehen, dass jedes Land für die/den fertig ausgebildete/n
Krankenschwester/-pfleger einen eigenen Titel hat. In Schweden heißen sie: eingetragene
Krankenschwester und bachelor of science in der Krankenpflege, in Spanien: diplomado
universitario enfermeria, in Island: Bachelor of science, in der Schweiz und in Österreich:
Diplomierte Krankenschwester/diplomierter Krankenpfleger, in den Niederlanden:
Krankenschwester/-pfleger, Norwegen: Autorisierte/r Krankenschwester/-pfleger, Italien:
unbekannt.
6. Baut die Krankenpflegeausbildung an Ihrer Ausbildungsinstitution auf nationalen
Rahmenvorschriften auf und wird durch diese kontrolliert ?
Sämtliche Länder haben nationale Rahmenvorschriften, und die verschiedenen
Schulen/Hochschulen erstellen ihre Lehrpläne auf der Grundlage dieser Vorschriften. Dies
gilt auch für die Schweizer Kantone.
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7. Bitte beschreiben Sie kurz das Bewertungssystem an Ihrer Ausbildungsinstitution und
stellen Sie einen Bezug zum ECTS (European Credit Transfer System)her.
Die Antworten auf diese Fragen zeigen, dass es früher große Unterschiede gegeben hat. In
den letzten Jahren wurden jedoch Änderungen in Richtung auf ein gemeinsames europäisches
Bewertungssystem (ECTS) gemacht. Dieses System ist mittlerweile in allen an dieser
Umfrage beteiligten Ländern mit Ausnahme der Schweiz eingeführt. Ein einjähriges
Vollzeitstudium ergibt 60 ECTS-Punkte. Eine dreijährige Ausbildung ergibt 180 ECTSPunkte, eine vierjährige Ausbildung 240 ECTS-Punkte.
8. Würden Sie bitte die Punktbewertung auf die folgenden Bereiche des Pensums
verteilen, um so die Verteilung zu illustrieren:
a. Sozialwissenschaftliche Fächer:
b. Naturwissenschaftliche Fächer:
c. Krankenpflegefächer:
d. Praxis:
Die Antworten auf diese Fragen lassen sich nicht eindeutig interpretieren, weil die
verschiedenen Ausbildungsinstitutionen das Pensum ganz offensichtlich unterschiedlich auf
die Bereiche Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und Krankenpflegefächer verteilen.
Auch ist aus den Antworten schwer zu erkennen, welches Pensum auf die klinische Praxis
bezogen ist. Ausgehend von den Antworten können wir jedoch grob sagen, dass die Inhalte
insgesamt ziemlich ähnlich zu sein scheinen. Die Unterscheidung zwischen Praxis und
Theorie scheint bei dieser Frage unter den Ländern gleich zu sein.
9. Wie ist der Umfang des Pensums in Ihrer Ausbildung berechnet ? Bitte beschreiben
Sie !
Diese Frage wurde wegen Unklarheit aus der Umfrage gelöscht.
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10. Bitte beschreiben Sie die Möglichkeiten zur weiteren Ausbildung von
Krankenschwestern/-pflegern in Ihrem Land.
Sämtliche Länder mit Ausnahme von Island geben an, dass sie höhere Ausbildungsniveaus an
Hochschulen anbieten. Das höchste Niveau ist Ph.D. Die Titelbezeichnungen variieren von
Land zu Land. Dies kann auch die Quelle für Unklarheiten und Missverständnisse sein.
Während der Arbeit tauchten verschiedene Gedanken auf:
Die Krankenpflegeausbildung hat sich von einer Ausbildung als reine Fachausbildung in den
Institutionen zu einer akademischen Ausbildung auf Hochschul- oder Universitätsniveau
gewandelt. Die Entwicklung vom Lernen in den Institutionen zu Hochschulen und
Universitäten hat sich in den verschiedenen europäischen Ländern mit unterschiedlicher
Geschwindigkeit vollzogen, und einige Ausbildungen sind bis heute unter dem
Hochschulniveau angesiedelt. In einigen Ländern wird die Krankenpflege mittlerweile als
natürlicher Bestandteil der akademischen Tradition angesehen. Andere Länder wiederum
teilen diese Auffassung nicht. Der Status der Fachausbildung ist in den verschiedenen
Ländern sehr unterschiedlich, und der Abstand zwischen der Fachausbildung und der
theoretischen/akademischen Ausbildung wird auch verschieden interpretiert. Die Länder, die
an dieser Umfrage teilnehmen, haben alle – bis auf einige schweizerische Kantone - eine
Krankenpflegeausbildung auf Hochschulniveau.
Die einzige gemeinsame internationale Grundlage für die Krankenpflegeausbildung sind die
ethischen Standards des International Council of Nurses (ICN). Dies ist jedoch ein viel zu
schwaches Fundament für die Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Zulassung für die
Krankenpflegeausbildung. Das gemeinsame ECTS-Punkte-System in den europäischen
Ausbildungen gibt uns ein gemeinsames Werkzeug zum Vergleich und zur Anerkennung der
Ausbildung in verschiedenen Ländern.
Für die Schwierigkeiten beim Vergleich der derzeitigen Krankenpflegeausbildungen gibt es
verschiedene Gründe. Krankenpflege ist nicht in jedem Land die gleiche Arbeit. In einigen
Ländern ist die/der Krankenschwester/-pfleger eine Art Assistent für den Arzt, während sie/er
in anderen Ländern unabhängiger und selbstständiger arbeitet. Heute baut der Beruf der/des
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Krankenschwester/-pflegers auf eigenständigen wissenschaftlichen Forschungen auf, und in
vielen Ländern wie auch international ist eine unabhängige Wissensgrundlage entstanden.
Krankenpflege als akademische Tradition hat ihren Ursprung in den USA, und diese
Entwicklung hat einen unterschiedlichen Einfluss auf die Entwicklung der
Ausbildungssysteme in vielen Ländern gehabt.
Deshalb sind Status, Unabhängigkeitsgrad und Verantwortungsbereiche der
Krankenschwestern/-pfleger sowohl in der praktischen Arbeit als auch im Ausbildungssystem
sehr unterschiedlich. Wir glauben, dass es viele Jahre dauern wird, bis die
Krankenpflegeausbildungen angeglichen sind und sich innerhalb Europas leicht vergleichen
lassen. Doch obwohl die Krankenpflegeausbildung auf verschiedenen Niveaus angesiedelt ist,
braucht die Ausbildung aus einem Land nicht besser oder schlechter als die eines anderen
Landes zu sein. Dies hängt von vielen Faktoren ab: die theoretischen Inhalte, das praktische
Studium, die Wertigkeit des Lehrplans und/oder wie die Ausbildung organisiert ist. Ein
anderer Aspekt ist, wie Fachwissen und Fertigkeiten in der Arbeitssituation gelernt und
gesichert wurden und wie die Lernsituation im allgemeinen organisiert ist. Wenn
Krankenschwestern/-pfleger in den verschiedenen Ländern eine Anerkennung benötigen, wird
man sowohl die Ausbildung als auch die Praxis beurteilen.
Bevor also nicht jedes Land die Krankenpflegeausbildung als Hochschulstudium anerkennt,
wird es unmöglich sein, einen einfachen Vergleich anzustellen. In der Zwischenzeit wird man
andere Wege zum Vergleich der Ausbildungen finden müssen. Dies erfordert gute und
detaillierte Kenntnisse über die Ausbildungen in den verschiedenen Ländern.
Zusammenfassung:
Ein Hauptziel für alle Ausbildungsinstitutionen muss sein, ihre Studienpläne klar und leicht
lesbar zu gestalten. Es muss leicht sein, die Dauer, die Inhalte, das Pensum,
Unterrichtsstunden, Unterrichtsniveaus und Bewertungsformen festzustellen. Aus dem
Prüfungssystem und den Leistungsnachweisen müssen der Inhalt der Ausbildung und die
durchgeführten Prüfungen und Evaluationen hervorgehen.
Ebenfalls wichtig ist es, die Wertigkeit und die Inhalte der klinischen Praxis sowie die hierfür
genutzten Prüfungen und Evaluationsformen zu zeigen.
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Wenn all diese Einzelheiten klar und deutlich genannt werden, hätten wir eine Grundlage, die
sich vergleichen ließe.
Mo i Rana 14 May 2016
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