Der Vater des Staates Israel:

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Der Vater des Staates Israel:
David Ben Gurion (1886-1973)
„Der Staat Israel wurde vom jüdischen Volk für das jüdische Volk geschaffen. Das ist
seine Existenzberechtigung und die Bedingung für sein Überleben.“
David Ben Gurion wurde 1886 als David Gruen in Plonsk geboren. Sein Vater war
Hebräischlehrer und ein glühendes Mitglied der Chovevei Zion. Die Mutter starb, als
David elf Jahre alt war. Avigdor Gruen war auf seinen Sohn David immer stolz
gewesen und hatte sich entschlossen, ihm die bestmögliche Ausbildung zu bieten.
Besorgt über Davids Zukunft schrieb er am 1. November 1901 seinem geistigen
Mentor, Theodor Herzl, dem Präsidenten der Zionistischen Organisation, und bat ihn
um Rat, da er David nach Wien zur Ausbildung schicken wollte. Er nannte Herzl
“Führer unseres Volkes, Sprecher der Nation“, nicht ahnend, dass David eines Tages
beides sein würde, ein Staatsmann, dessen Aktivitäten von einer Vision inspiriert
wurden, und der ihre Verwirklichung mit bemerkenswerter Flexibilität steuerte.
Im Alter von 14 Jahren wurde David der Begründer der Ezra Jugendbewegung, die
sich für die Verwendung des Hebräischen als Umgangssprache einsetzte. Er schloss
sich im Alter von siebzehn Jahren der „Poalei Zion“, der zionistischen
Arbeiterbewegung, an und wurde während der Revolution 1905/1906 zwei Mal
verhaftet.
1906 ließ er sich in Eretz Israel nieder, wo er zuerst in Orangenhainen und
Weinkellern arbeitete. Wie viele andere Pioniere litt Ben Gurion an Malaria und
hungerte in Zeiten der Arbeitslosigkeit. Als Wächter und landwirtschaftlicher Arbeiter
gewann er die Überzeugung, dass wahrer Zionismus die Besiedlung des Landes
bedeutet.
1910 begann er in Jerusalem gemeinsam mit Jitzchak Ben Zwi und Rachel Yanait
(später die Ehefrau Ben Zwis) für die Zeitung der Poalei Zion, „Ahdut“, zu schreiben.
Damals benutzte er zum ersten Mal den Namen Ben Gurion.
Während des Ersten Weltkriegs favorisierte er zuerst die Türkei, wo er seit 1912 an
der Universität von Istanbul Rechtswissenschaft studierte, und strebte die Erlangung
der türkischen Staatsbürgerschaft an. Anti-zionistische Verfolgungen änderten jedoch
bald seine Einstellung. Ben Gurion und Ben Zwi wurden im März 1915 von den
ottomanischen Behörden nach Ägypten ausgewiesen. Ben Gurion ging nach New
York, wo er maßgeblich an der Vorbereitung Jugendlicher für die Einwanderung in
Palästina nach dem Krieg, beteiligt war. 1917 heiratete er Paula Munweis, die bis zu
ihrem Tod, 1968, ein integraler Bestandteil all seiner Aktivitäten bleiben würde.
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Als Großbritannien 1917 die Balfour-Erklärung veröffentlichte, erhielten die
zionistischen Hoffnungen auf eine jüdische nationale Heimstätte neuen Auftrieb. Ben
Gurion half bei der Organisation der Jüdischen Legion im Rahmen der britischen
Armee. Er schrieb sich 1918 in Kanada ein, aber der Krieg war zu Ende, als er
Palästina erreichte. Nach dem Krieg wurde Ben Gurion 1921 Generalsekretär der
Histadrut; 1930 gründete er die „Mapai“, die zionistische Arbeiterpartei.
1935 wurde er Vorsitzender des Exekutivkomitees der Jewish Agency for Palestine,
eine Position, die er bis zur Staatsgründung innehatte. Ben Gurion legte den Kurs der
Zionistischen Bewegung fest, der auf der Verbindung von politischer Vision und
Pragmatismus beruhte. Als die Briten im Weißbuch von 1939 – kurz vor dem
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – die jüdische Einwanderung nach Palästina
empfindlich einschränkten, begann ein Jahrzehnt des zionistischen Kampfes.
In seinem Ausspruch:
Wir werden mit den Briten gegen Hitler kämpfen, als ob es kein Weißbuch gebe, und
wir werden das Weißbuch bekämpfen, als ob es keinen Krieg gebe!“
drückt sich Ben Gurions Strategie in diesen Jahren des Konfliktes aus.
1942 war Ben Gurion an der Ausarbeitung des Biltmore-Programms beteiligt, das die
jüdische Masseneinwanderung forderte und – zum ersten Mal – öffentlich zur
Gründung eines jüdischen Gemeinwesens in Palästina aufrief. Die Annahme des
Biltmore-Programms durch die Zionistische Bewegung bedeutete auch die Annahme
der Aktivitäten Ben Gurions.
Nach dem Krieg forcierte Ben Gurion die illegale Einwanderung und die landesweite
Gründung von Siedlungen. Dadurch wurden die de-facto Grenzen eines jüdischen
Staates festgelegt. 1946 übernahm Ben Gurion in der Jewish Agency den Geschäftsbereich Verteidigung und führte den Kampf gegen die Briten an. In all diesen Jahren
hatte Ben Gurion nur das eine Ziel vor Augen: den Aufbau einer Nation und eines
Staates.
Nachdem sich die Situation sich in Palästina immer mehr verschlechterte, sahen sich
die Briten veranlasst, die Palästinafrage den Vereinten Nationen zu übergeben, die
am 29. November 1947 für eine Teilung in einen jüdischen und einen
palästinensischen Staat stimmten.
Am 14. Mai 1948, als das britische Mandat über Palästina zu Ende ging, traf sich der
Nationalrat zu seiner vierten Sitzung im Museum von Tel Aviv, am RothschildBoulevarde. Zu den Anwesenden gehörten Mitglieder des Rates, Vertreter der Jewish
Agency, der WZO, des Nationalkomitees der palästinensischen Juden, des Jüdischen
Nationalfonds, des Keren Hajessod sowie Schriftsteller, Künstler, Journalisten, Führer
der Parteien, die Oberrabbiner, Mitglieder des Stadtrates von Tel Aviv, die Führer der
Hagana, verdiente Pioniere und Repräsentanten der Wirtschaft.
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Hier proklamierte David Ben Gurion – als Oberhaupt der Provisorischen Staatsregierung – die Gründung des Staates Israel.
„Das Land war vor Freude überwältigt“, notierte Ben Gurion in seinem Tagebuch.
„Aber wie am 29. November enthielt ich mich der Freude. Der Staat war gegründet.
Unser Schicksal liegt nun in den Händen der Verteidigungskräfte.“
Unmittelbar nach der Zeremonie war Ben Gurion in das militärische Hauptquartier
zurückgekehrt und hatte die sich verschlechternde Lage besprochen. Innerhalb
weniger Stunden marschierten die Armeen von fünf arabischen Staaten in Israel ein.
Am 26. Mai 1948 befahl er die Bildung der IDF, der israelischen Verteidigungskräfte.
Der israelische Schriftsteller Amos Oz schreibt:
„Ben Gurions eiserner Führungswille in diesen eineinhalb schicksalhaften Jahren des
Unabhängigkeitskrieges verwandelten ihn vom “Ersten unter Gleichen“ in der
zionistischen Führung in einen modernen König David.“
In den ersten fünf Jahren des jungen Staates kam es durch die charismatische und
kraftvolle Führung Ben Gurions als Ministerpräsident zu großen Einwanderungswellen, die die Bevölkerung Israels verdoppelten. 1953 zog sich Ben Gurion erstmals
aus der Politik ins Privatleben, in den von ihm gegründeten Kibbuz Sde Boker in der
Negev-Wüste zurück, wo er mit seiner Frau Paula lebte.
In ihren Memoiren schreibt Golda Meir:
„…Aber ich sage Dir eines, Ben Gurion. Wenn wir heute auf den Time Square gingen
und Leute nach dem Namen der Präsidenten und Ministerpräsidenten der wichtigsten
Länder fragten, sie würden uns nicht antworten können. Aber wenn wir sie fragten,
wer ist der israelische Ministerpräsident, würden es alle wissen. Das machte keinen
großen Eindruck auf Ben Gurion, aber ich glaube, es stimmt. Und noch mehr: Ich bin
sicher, dass die Namen Israel und Ben Gurion sehr lange, vielleicht für immer, im
Geist der Menschen verbunden sein werden.“
Nach den Wahlen von 1955 wurde Ben Gurion nochmals Ministerpräsident. Er trat für
ein resoluteres Vorgehen gegen terroristische Angriffe der Fedajin ein und schloss
sich in seinen Verteidigungsstrategien Frankreich an. Der Sinai Feldzug von 1956
beendete die Terrorangriffe auf die Siedlungen im Süden.
1963, nach fast drei Jahrzehnten der Führerschaft, darunter 13 Jahre als Ministerpräsident, trat David Ben Gurion enttäuscht wegen der Lavon-Affäre zurück. 1965
unterstützte er die Gründung einer neuen Partei, Rafi, die in den Wahlen zur Knesset
zehn Mandate erhielt. Ben Gurion blieb Parlamentsmitglied bis 1970, als er sich im
Alter von 84 Jahren endgültig aus dem öffentlichen Leben nach Sde Boker zurückzog.
David Ben Gurion starb am 1. Dezember 1973 in Sde Boker.
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Shimon Peres schreibt in seinen Memoiren über David Ben Gurion:
„Die Größe von Ben Gurions Führung lag in seiner Fähigkeit, den innersten Geist des
jüdischen Volkes zu wecken, einen Geist voll unermüdlicher Entschlossenheit, einen
rastlosen, rebellischen Geist, einen Geist der Wiedergeburt und der Kreativität. Er
war nicht nur ein Beispiel dieses Geistes, er personifizierte ihn. Er erhöhte ihn,
behütete ihn, führte ihn und gab ihm seine Richtung.
Als Verkörperung dieses Geistes, stieg er in jene seltenen Höhen empor, wo eine
Nation ihre Zukunft trifft und wo neue Horizonte geschaffen werden. Als er die
Bühne der jüdischen Geschichte verließ, befand sich die Nation auf dem neuen Pfad,
den er vorgegeben hatte. Als zerstreutes und sterbendes Volk ohne eigenes Land
und ohne eigene Sprache, hatten die Juden ihre Souveränität in ihrem Land wieder
etabliert. Nach einem zweitausendjährigen Zwischenspiel hatten sie wieder den
Anschluss an ihre Geschichte gefunden. Und all dies fand unter Ben Gurions Führung
statt.“
Quelle: www.jafi.org.il
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Nicht wie jeder andere.
Ben Gurions Staatsidee.
Quelle: Das in hebräischer Sprache geführte Gespräch wurde aufgezeichnet, von Yitzhak Navon
redigiert und von Ilan Hameiri übersetzt.
Als ich in Jerusalem geboren wurde, lebten im ganzen Land Israel etwa sechzigtausend Juden. Heute haben wir viereinhalb Millionen Juden, bald werden es fünf
Millionen sein – das ist einfach ein Traum. Als ich der Sekretär von David Ben Gurion
war, fragte ich ihn einmal, wie viele Juden seiner Meinung nach im Staat Israel leben
werden. Er sagte, dass er 1906, als er ins Land einwanderte, betete: „ Möge ich doch
erleben, eine halbe Million Juden im Land Israel zu sehen“ – und er konnte zwei ein
halb Millionen, fast drei Millionen Juden sehen. Dies war in seinen Augen schon
etwas Gewaltiges. Als er über den Staat sprach, stand selbstverständlich die
Verwirklichung des Zionismus im Mittelpunkt. Dies bedeutet, dass wir aufhören
werden, ein Spielball in den Händen anderer zu sein, dass wir selbst mit unseren
eigenen Händen unser Schicksal bestimmen können nach unserem Willen, nach
unserem Streben und entsprechend unserer Überlieferung. Dies ist die eigentliche
Zielsetzung des Zionismus: Nicht länger abhängig zu sein vom Willen anderer Völker.
In seinem Büro hing eine riesige Landkarte des ganzen Nahen Ostens. Alle
arabischen Länder waren mit der gleichen Farbe eingezeichnet, der Staat Israel mit
einer anderen Farbe. Einmal sagte er mir: „Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen
können wegen dieser Karte. Die arabischen Staaten, das sind Millionen von
Quadratkilometern, Israel hat nur einundzwanzigtausend Quadratkilometer. Wie
können wir leben? Wie werden wir bestehen können gegenüber all diesen Feinden?“
Damals war noch kein Friedensvertrag abgeschlossen, mit niemandem. Als er
Ministerpräsident und Verteidigungsminister war, gab es nur Kämpfe, Überfälle und
Kriege. Er pflegte zu sagen: „Der Staat Israel kann nicht wie jeder andere Staat sein.
Wenn er wie alle Staaten wäre, wüsste ich nicht, wie er existieren kann. Dieser muss
ein vorbildlicher Staat sein. Nicht nur, weil die Propheten gesagt haben, dass von
Zion die Weisung ausgeht und von Jerusalem das Wort des Ewigen, wie Jeschajahu
und andere prophezeiten.“ Er war ein Politiker, ein Staatsmann, also eine
Kombination von Herzenswünschen mit wirklichkeitsnaher realpolitischer Schau.
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Israel muss ein vorbildhafter Staat sein
Aus drei Gründen, sagte Ben Gurion, müsse der Staat Israel ein vorbildhafter Staat
sein: zum einen aus Sicherheitsgründen. Wir können nie und nimmer mit unseren
Rivalen – unseren Feinden – konkurrieren, weder zahlenmäßig noch mengenmäßig.
Selbst wenn wir fünf Millionen wären, zehn Millionen, wie viele auch immer, die
Araber werden quantitativ stets mehr sein. Wie viele Waffen wir auch haben werden,
sie werden mehr haben. Wie viele Leute – Soldaten – wir auch haben werden, sie
werden stets mehr haben. Wir haben kein Erdöl und keine Bodenschätze. Wir können
einzig und allein aufgrund eines qualitativen Vorteils existieren, dank humaner,
moralischer Überlegenheit – Ben Gurion betonte sehr die moralische Seite –
technologische, wissenschaftliche, kulturelle Überlegenheit, kurz gesagt, durch die
Überlegenheit des Geistes über die Materie.
Das ist das Geheimnis des Überlebens des jüdischen Volkes im Laufe der
Jahrhunderte. Nie waren wir viele, immer nur eine Minderheit. Nur eines stand uns
stets zur Seite: die Überlegenheit des Geistes. Wenn wir diese Erkenntnis in Waffen
übersetzen, brauchen wir überhaupt nicht die gleiche Anzahl von Flugzeugen wie
sie, nicht so viele Tanks, wie sie haben. Aber unser Pilot muss besser sein als ihre
Piloten, auch unser Flugzeug. Die Hauptsache ist Qualität, Qualität und nochmals
Qualität; in der Qualität liegt unsere Zukunft. Dies ist ein Grund, der sicherheitspolitische.
Die zweite Begründung ist politischer Art. Warum sollen die Staaten der Welt Israel
unterstützen? Auf politischer Ebene, da Israel den Arabern gegenübersteht, mit
ihrem Erdöl, das wir nicht haben, mit weitaus mehr Bevölkerung, Handels-, Industrieund Investment-Beziehungen? Für die Staaten der Welt lohnt es sich doch viel mehr,
die Araber zu bevorzugen. Warum sollten sie sich für Israel entscheiden, wenn dies
ein Staat wie jeder andere wäre. Wenn doch Israel in unserer Gesellschaft etwas
aufweisen kann, das mehr Kultur, mehr Qualität ausstrahlt, wird sie dies veranlassen,
uns zu bevorzugen. Erwähnen wir beispielsweise die Kibbuzbewegung; derzeit
befindet sie sich zwar in einer Krise, doch die Idee, hier eine Gemeinschaft
aufzubauen, die auf gesellschaftlicher Gleichberechtigung, auf sozialer Gerechtigkeit
basiert, das fesselt die Welt. Dann werden sie sagen: Gut, sie haben zwar kein Erdöl,
aber es ist da etwas Besonderes, wir werden sie bevorzugen. Oder erwähnen wir die
Histadrut, die nicht nur ein Berufverband ist, obwohl auch hier in letzter Zeit eine
Änderung eintrat, sondern für die die Sorge für den Arbeiter, für seine sozialen,
wirtschaftlichen, kulturellen Aspekte im Mittelpunkt steht. Wenn wir eine vorbildhafte
Gesellschaft sind, dann werden wir auch politische Anerkennung, Vertrauen von
anderen Staaten erlangen.
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Der dritte Grund hängt mit der Einwanderung aus den westlichen Ländern, den
Ländern der Freiheit, zusammen. Juden kamen ins Land, entweder weil sie verfolgt
wurden – das war die Mehrzahl – oder weil sie unter ungünstigen Bedingungen leben
mussten. Damals kamen die Einwanderer aus unterdrückenden Ländern. Theodor
Herzl sah in der Judennot die treibende Kraft zur Einwanderung. Heutzutage, da die
treibende Kraft fehlt, muss es eine anziehende Kraft geben. Wenn der Staat Israel
wie jeder andere Staat sein wird, warum sollen dann die Juden, die in freien Ländern
wohnen, hierher kommen wollen? Wenn aber hier etwas Besonderes sein wird, etwas
Qualitatives humanitärer, jüdischer Qualität, wird dies vielleicht die jüdische Jugend,
vor allem aus den Ländern der Freiheit, anziehen. Ben Gurions Traum war also ein
Staat, der in gesellschaftlicher Qualität etwas ausstrahlt, sowohl nach innen, als auch
nach außen: ein vorbildlicher Staat, nicht ein Staat wie alle Staaten. In gewisser
Hinsicht natürlich schon, nämlich dass dieser Staat mit einer Regierung und einem
Parlament, mit einer Armee und mit einem Ministerpräsidenten sein wird, aber sein
Wesen, sein Inhalt und sein Charakter müssen verschieden sein.
Ben Gurion und Jabotinsky
Das war eine ernsthafte Meinungsverschiedenheit. Freilich, beide waren ähnlicher
Auffassung bezüglich der historischen Rechte des jüdischen Volkes auf das ganze
Land Israel. Die Frage war nur, wie sich diese Vision verwirklichen ließ. Der Zionist
und Schriftsteller Seev Jabotinsky meinte, dies sei möglich und notwendig. Ben
Gurion wusste bestens, dass das Land nicht leer war, sondern dass hier eine große
arabische Bevölkerung lebte.
Dies ist letztlich die ewige Meinungsverschiedenheit bis in unsere Tage zwischen der
Arbeiterpartei und den Revisionisten von damals und dem Likud von heute. Ben
Gurion fand sich damit ab, sich auf einen Teil des Landes zu beschränken. Jabotinsky
forderte alles oder nichts. Wäre die Auffassung von Jabotinsky und seiner Partei
akzeptiert worden, hätten wir keinen Staat. Nur die Fähigkeit Ben Gurions, sich auf
einen Teil des Landes zu beschränken ermöglichte den Beschluss der Vereinten
Nationen vom Jahre 1947, das Land in zwei Staaten aufzuteilen, einen jüdischen und
einen arabischen. Israel stimmte zu, die Araber stimmten nicht zu, sondern
begannen einen Krieg und verloren ihn. Damit schufen sie selbst das Problem der
Flüchtlinge. Nur darum entstand kein palästinensischer Staat. Hätten sie damals der
Teilung entsprechend dem UN- Beschluss zugestimmt, würde Frieden zwischen uns
herrschen, schon fünfzig Jahre lang.
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Jabotinsky und seine Bewegung fuhren fort, der Aufteilung des Landes zu
widersprechen. Sie forderten die beiden Ufer des Jordan – das war ja ihre Hymne -bis sie sich vor einigen Jahren mit der Realität abfanden; statt der beiden Jordanufer
blieb nur noch ein Ufer übrig, das Westufer. Dort stehen wir jetzt vor dem Problem,
wie wir bei der Regelung mit den Palästinensern vorankommen können. Ben Gurion
war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass Araber in diesem Lande wohnen, sehr
viele Araber. In den dreißiger Jahren schrieb er an den Oberrichter Brandeis, er solle
die Juden in den USA auffordern, den Negev anzukaufen. Dies ist die Brücke
zwischen Afrika, Asien und Europa. Dort befindet sich die Mehrheit der Böden im
Besitz der Regierung, fast kein Privatbesitz, keine Araber, außer einigen tausend
Beduinen. Dort ließe sich ohne Vertreibung von Personen aufbauen, ließen sich die
Naturschätze im Toten Meer abbauen, ohne Zusammenstöße zwischen uns und den
Bewohnern. In einem Land, dass nicht menschenleer ist, lässt sich der Traum von
einem ganzen Land Israel nicht verwirklichen. Es ist unser großes Glück, dass Ben
Gurions Auffassung mit großer Mehrheit akzeptiert wurde. Ohne Theodor Herzl, ohne
Chaim Weizmann und ohne David Ben Gurion hätten wir keinen Staat, zumindest
nicht in diesem Jahrhundert.
Ben Gurions Friedensbemühungen
Es gab viele Versuche zur Verständigung. Ben Gurion schrieb ein ganzes Buch, dass
die Treffen zwischen ihm und arabischen Führern aufzählt. Es bestand keine
Meinungsverschiedenheit über die Notwendigkeit, Frieden zwischen den beiden
Völkern zu erlangen, doch als Anliegen der Einwanderung oder der Böden zur
Sprache kamen, wurden alle Gespräche abgebrochen.
In den arabischen Staaten herrschte eine zu große Feindschaft, stets gewannen die
Extremisten mit ihrer ständigen Ablehnung einer Koexistenz die Oberhand. Ben
Gurion erzählte von seinen Studienjahren in Istanbul. Dort studierte er vom Jahre
1912 an Jura. Als er und Jitzhak Ben Zvi (der später der zweite Präsident des Staates
Israel war) 1915 aus Jerusalem ausgewiesen wurden, weil sie russische
Staatsangehörige waren und Russland ein Kriegsgegner der Türkei war, sagte ihm
sein arabischer Freund aus der Studienzeit: „Als dein Freund tut mir deine
Ausweisung sehr weh, als Araber freue ich mich überaus darüber. „
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Dies erklärt das ganze Problem: Auf persönlicher Ebene waren wir immer einer
Meinung, auf politischer Ebene gelangten wir zu keiner Übereinstimmung. Als
Ministerpräsident versuchte Ben Gurion mehrmals, zur Verständigung mit den
Arabern zu gelangen. Als er hörte, dass Präsident Nasser, der Herrscher Ägyptens, zu
einem Besuch nach Jugoslawien kommen werde, sandte er einen Sonderdelegierten,
der in den Reihen der Partisanen gekämpft hatte, zu Tito, um ihn zu bitten, ein
Geheimtreffen mit Nasser zu vereinbaren. Nichts kam dabei heraus. Tito erklärte
später, dass er das Anliegen zusammen mit Nasser geprüft habe und zu der
Schlussfolgerung gelangt sei, dass die Zeit für ein solches Treffen noch nicht reif sei.
Danach versuchte ein amerikanischer Vermittler, ein Treffen Ben Gurions mit Nasser
in Ägypten zustande zu bringen. Auch ein Londoner Journalist spannte sich in dieses
Bemühen ein. Nasser antwortete ihm, er könne wohl aus Ägypten ausreisen, ob er
aber auch nach Ägypten zurückkehren dürfe, wenn er zu einer Übereinkunft mit
Israel gelangt sei, stehe sehr in Zweifel. Trotz all einer vielen Versuche gelang es Ben
Gurion nicht, zu einer Vereinbarung mit den arabischen Staatsmännern zu gelangen.
Ben Gurion wies den Weg
Ich denke wie er, dass das Allerwichtigste die Qualität ist, in gesellschaftlicher,
technischer, wissenschaftlicher und moralischer Hinsicht, mit starker Betonung der
moralischen Qualität. Dieser Grundsatz leitete mich in all meinen Funktionen, als
fünfter Präsident des Staates Israel und als Erziehungsminister.
Als Gegenleistung für einen Frieden mit den Arabern war Ben Gurion bereit, alle
Gebiete zurückzugeben, außer Jerusalem und in einem gewissen Abschnitt auch
außer den Golanhöhen. Er wollte nicht über die Araber herrschen, auf keine Art und
Weise. Das Volk Israel muss ein moralisches Volk sein und auf moralische Weise
handeln. Der zentrale Schlüssel hierzu ist, zum Frieden zu gelangen. Wenn Friede
zwischen uns und den Arabern herrscht, gibt es ein gewaltiges Potential, dass dieses
Land zu einem wahren Paradies auf Erden werden lässt, zu einem blühenden Land,
das Investoren aus aller Welt anzieht. Schon sind wir zum Frieden mit Ägypten und
Jordanien gelangt – vielleicht nur zu einem kalten Frieden, der aber immerhin besser
ist als ein heißer Krieg. Es wäre einfach eine Phantasie zu meinen, dass ein Jude
eines Morgens aufwachen könne und keine Araber mehr hier sind oder ein Araber
keine Juden mehr im Lande Israel sieht.
Das ist das Schicksal, das uns auferlegt wurde: Hier miteinander zu leben. Angesichts
dieser Realität müssen wir in ein neues Zeitalter gelangen, in dem nicht mehr die
Väter ihre Söhne begraben, sondern die Söhne ihre Väter nach einem langen und
glücklichen Leben zur ewigen Ruhe betten.
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