Die DDR - ein totalitaristischer Staat

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Die DDR - ein totalitaristischer Staat ?
Eine wichtige Epoche in der deutschen Geschichte stellt ohne die Frage die Zeit der DDR dar. Immer wieder ist sie Thema in Medien und Diskussionen. Ich
erachte es als wichtig, sich mit diesem Stück Geschichte auseinanderzusetzen, stellt jede Beschäftigung damit schließlich ein Stück Vergangenheitsbewältigung
dar. Auch deshalb möchte ich mich nun einmal mit dem Aspekt der Totalitarismusfrage auseinandersetzen. Dabei ist zunächst zu klären, was man unter
Totalitarismus überhaupt verstehen will. Ich werde im Folgenden mit den Kriterien der identifizierenden Totalitarismustheorie arbeiten. Diese Theorie definiert
Totalitarismus zunächst allgemein als Staatsform, die eine "Reglementierung aller persönlichen und gesellschaftlichen Herrschaftsbereiche" einschließt. Sie setzt
dann im Einzelnen folgende Kriterien für einen totalitären Staat an: "Herrschaft einer ausgearbeiteten Ideologie, Einparteiensystem ohne Opposition, Fehlen der
Gewaltenteilung, Zentralverwaltungswirtschaft, Existenz einer mit terroristischen Mitteln arbeitenden Geheimpolizei, mangelnder Grundrechtsschutz" 1.
Inwiefern
diese
Kriterien
erfüllt
sind,
möchte
ich
nun
untersuchen.
Ich beginne mit der Ideologie der DDR. Zunächst einmal verstand die DDR sich als sozialistischer Staat, ging also von der sozialistisch-kommunistischen
Ideologie nach Marx aus, und sie bezeichnete sich als demokratischer Staat (Deutsche Demokratische Republik). Sie strebte also quasi eine sozialistische
Demokratie an, welche in ihrem Verständnis einer Diktatur der Mehrheit, also des Proletariats gleichkommt. Jene sollte dienen als Übergang zu einem
kommunistischen Staat, indem keine Klassenkonflikte mehr existieren, da jegliches Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft ist. Diese Ideologie
beherrschte das ganze Staatssystem. So legitimierte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (die SED) ihre zentrale Rolle und ihre Maßnahmen stets als
notwendig für die Erhaltung des Sozialismus. Außerdem waren Erziehung und Bildung stets auf Erziehung im sozialistischen Sinne ausgerichtet. Schon die
Schule sollte ihre Schüler von dieser Ideologie überzeugen. Dabei bediente man sich Mitteln wie bewußt gesteuerter Auslegung der Geschichte im marxistischen
Sinne (als Geschichte von Klassenkämpfen) und daraus resultierenden Manipulationen (Verändern und Auslassen wichtiger Geschehnisse, die nicht zu der
Ideologie paßten). Ziel war die Differenzierung von allen anderen Gesellschaften als einzige klassenlose Gesellschaft. Dies sollte erreicht werden, indem man
Klassengesellschaften als von vornherein undemokratisch hinstellte, weil hier "Macht stets Herrschaft einer ausbeutenden Minderheit über eine ausgebeutete
Mehrheit" sei und somit die DDR der einzige wirklich demokratische Staat sein könne. Dazu war es nötig, die Bevölkerung von dieser Ideologie zu überzeugen,
Gegner der Ideologie also "umzuerziehen" oder politisch zu verfolgen. Man kann also eindeutig von der Herrschaft einer Ideologie sprechen.
Betrachtet man das Parteisystem der DDR, so lassen sich eindeutig totalitaristische Merkmale erkennen. Am auffallendsten ist zunächst die zentrale Rolle der
SED. Sie verstand sich als die führende Partei dieses Staates. Formal betrachtet gab es zwar noch weitere Parteien (CDU, LDPD, NDPD, DBD) und
Massenorganisationen (FDGB, FDJ, DFD, KB), jedoch waren alle diese in der Nationalen Front zusammengefaßt. Dies bedeutete für die Parteien, sich der SED
völlig unterzuordnen, ihren Herrschaftsanspruch anzuerkennen. Deshalb fällt es schwer, sie überhaupt als Opposition zu bezeichnen, eigentlich gab es nur die
eine Partei. Jene verstand sich selbst als "die Vorhut der Arbeiterklasse" . Da sie sozialistische Demokratie ja als Diktatur eben dieser Klasse darstellte,
legitimierte sie so ihre zentrale Führungsrolle. Also hätte sie gar keine starke Opposition dulden können. So heißt es wörtlich "Die Duldung von Fraktionen und
Gruppierungen
innerhalb
der
Partei
ist
unvereinbar
mit
ihrem
marxistisch
leninistischen
Charakter"
2.
Noch deutlicher wird die zentrale Rolle der SED, betrachtet man sich das Staatssystem der DDR. Hier gab es ein zentrales Organ: die Volkskammer. Jene stellte
den Staatsrat (das "kollektive Staatsoberhaupt" 3 mit legislativen und exekutiven Kompetenzen), den Ministerrat ("die Regierung der DDR" 3, oberstes Organ
der Exekutive) und das oberste Gericht mit dem Generalstaatsanwalt (also die Judikative), hatte außerdem legislative Funktion. Sie umfaßte also eine erhebliche
Macht über alle drei Gewalten, Gewaltenteilung existierte nicht. Die Volkskammer wurde von der Bevölkerung "gewählt". Diese Wahl kann insofern nur als
Pseudowahl bezeichnet werden, als daß die Bevölkerung lediglich die Möglichkeit hatte, von einer Liste Kandidaten zu streichen. Diese Liste beinhaltete
ausschließlich Kandidaten der Nationalen Front (also der SED und der ihr hörigen Blockparteien), die aus Vorschlägen der Kollektiven entstand. Jene
Vorschläge wurden von der NF dann gesammelt, geprüft und daraus schließlich die Wahllisten erstellt. Somit fehlte dieser Wahl die wesentliche Eigenschaft,
daß die Herrschenden ihre Macht zur Disposition stellen, was auch mit der Ideologie der SED unvereinbar gewesen wäre, der Wähler entscheiden kann (wählen
!) und kann somit kaum als Wahl bezeichnet werden. Außerdem war die Wahl nicht geheim, das Benutzen der Wahlkabinen zumindest unüblich und ein
Streichen von Kandidaten hatte für den Wähler meist negative Konsequenzen. Das Wahlergebnis stand also schon vor der Wahl fest, noch dazu weil das
Ergebnis zum Schluß unter Umständen noch manipuliert wurde. Es hieß stets neunundneunzigprozentige Zustimmung zu den Kandidaten der Nationalen Front.
Man kann also kaum von einem Mitspracherecht der Bevölkerung sprechen. Die Macht über alle drei Gewalten in diesem Staate hatte auf jeden Fall die SED. Sie
versuchte ihre absolute Position lediglich durch Scheinoppositionen und Scheinwahlen zu verschleiern. Ihre zentrale Rolle war jedoch schon in der Verfassung
verankert und ausgehend von der Ideologie selbstverständlich ("zentralistische Demokratie"). Das Kriterium des Einparteiensystems ist also mit kleinen
Einschränkungen
erfüllt.
Auch die Organisation der Wirtschaft wies stark zentralistische Merkmale auf. Es handelte sich um eine "sozialistische Planwirtschaft". Das hieß im Einzelnen
eine Verstaatlichung aller privaten Betriebe zu volkseigenen Betrieben und damit eine Abschaffung von jedem Privateigentum an Produktionsmitteln als Schritt
zum Kommunismus, anschließend eine zentrale Planung der Produktion, der Preise und des Bedarfes. Eine Zentralplanungskommission erstellte einen Plan für
die Wirtschaft, meist für fünf Jahre im Voraus (· Planwirtschaft). Jener wurde dann weitergereicht in die Bezirks-, Kreisplanungskommissionen, die sie auf die
Betriebe und Kombinate (Zusammenschluß mehrerer Betriebe) verteilten. Dieses Wirtschaftssystem sollte garantieren, daß kein Privateigentum an
Produktionsmitteln existiert, um eine klassenlosen Gesellschaft zu ermöglichen und den antagonistischen Konflikt kapitalistischer Systeme zu verhindern, und
daß jeder Bürger das Recht auf Arbeit hat, welches sogar als Grundrecht in der Verfassung verankert war. Es stellte außerdem eine deutliche Differenzierung von
kapitalistischen Systemen, wie dem der freien Marktwirtschaft dar, da Konkurrenz und Preisregelung am freien Markt von vornherein ausgeschlossen waren.
Dies verhinderte natürlich auch Konkurrenzfähigkeit mit anderen Ländern. Man kann also eindeutig von einer Zentralverwaltungswirtschaft sprechen.
Sucht man in der DDR nach einer terroristischen Geheimpolizei, so stößt man schnell auf die Staatssicherheit. Inwiefern kann man sie so bezeichnen? Nun, die
erste Auffälligkeit ist die Existenz eines eigenen Ministeriums (des MfS, Ministerium für Staatssicherheit), abgekoppelt von der Polizei. Dieses gab ihr die
Möglichkeit, geheim zu arbeiten. Außerdem stand sie über dem Gesetz, das heißt, sie konnte Grundrechte verletzen, auch mit illegalen Methoden arbeiten.
Betrachtet man sich ihren Zweck, so findet man die Aufgabe der Spionage und die der Überwachung der Bevölkerung. Letztere war ursprünglich gedacht, um
gegen die Gegner der SED, des Staates vorzugehen und um die Bürger mit NS-Vergangenheiten zu überwachen. In den 50′er Jahren aber wurde diese Kontrolle
stark erweitert. Es wurde ein Spitzelsystem eingeführt, mit welchem praktisch die ganze Bevölkerung kontrollierbar wurde. Man fand in allen Betrieben,
Vereinigung, auf Versammlungen, überall Mitarbeiter der Staatssicherheit. Meist handelte es sich um sogenannte IM′s (Inoffizielle Mitarbeiter) und Spitzel,
deren Identität also geheim bleiben sollte. Jene überwachten alle Äußerungen, Gespräche, Reden und machten bei Auffälligkeiten Meldung an die
Staatssicherheit. Diese wiederum sammelte alle Meldungen in sogenannten Kaderakten, die für die überwachten Personen nicht einsehbar waren. Fiel eine
Person negativ auf, so wurde sie gesondert bespitzelt, hatte schließlich mit politischer Verfolgung zu rechnen. Da aber das MfS in keiner Weise kontrolliert
wurde, nutze es seine Freiheit aus, um schließlich mehr als 50% der Bevölkerung zu überwachen. Das Spitzelsystem nahm erschreckende Formen an. So
bespitzelte der Bruder den Bruder (Dr. Karl-Heinz Schädlich alias »IM Schäfer«), der Mann seine Ehefrau (Knud Wollenberger alias »IM Donald«), Lehrer ihre
Schüler und umgekehrt 4. Diese Kontrolle wirkte sich am Ende auf praktisch alle Lebensbereiche aus. Mit Beschluß vom 16.08.89 hatte das MfS die
Möglichkeit, Einsicht zu nehmen in alle Daten der: Eingabestellen des Staats- und Ministerrates; Staatliche Versicherung, Sparkassen, Banken; Post- und
Fernmeldeämter (Telegramme, abonnierte Zeitschriften etc.); staatliche Krankenhäuser; Bibliotheken (Intensität der Ausleihe, Interessenrichtungen,
Sondergenehmigungen für Einsicht in gesperrte Literatur) und viele mehr 4. Man kann also von einer Überwachung praktisch aller persönlichen und
gesellschaftlichen Herrschaftsbereiche sprechen, was eindeutig ein totalitaristisches Merkmal ist. Die Mittel, mit denen die Staatssicherheit gegen politische
Gegner vorging, wiesen durchaus terroristische Merkmale auf. So schreckten sie nicht zurück vor Arbeits- und Umerziehungslagern, sowie grausamer Folterung.
Meiner Meinung nach ist dieses Kriterium also auch erfüllt. Was an dieser Instanz weiterhin deutlich wird, ist einerseits erneut die zentrale Rolle der SED,
welche zwar keine direkte Kontrolle über sie hatte, aber letztenendes einen Großteil ihrer Mitglieder stellte und sicherlich jederzeit Einblick in ihre Ergebnisse
nehmen konnte. Andererseits wird eine deutliche Einschränkung der Grundrechte deutlich. So war in der DDR die Menschenwürde durchaus verletzlich, es galt
keine Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder Versammlungsfreiheit, das Postgeheimnis wurde verletzt, es gab keine Reisefreiheit. Schließlich existierte keine
unabhängige Judikative und keine Instanz wie ein Verfassungsgericht. Auch diese Fakten sprechen eindeutig für einen totalitären Staat.
Betrachtet man sich also zusammenfassend die gewählten Kriterien, so muß man eindeutig zu dem Schluß kommen, daß sie fast vollständig erfüllt sind. Will
man nun also ein Ergebnis formulieren, so ist es unabdingbar, sich noch einmal den Ursprung der Kriterien zu betrachten. Sie stammen aus der identifizierten
Totalitarismustheorie, bei welcher es sich um eine liberale und sozialdemokratische Herangehensweise handelt. Sie stellt das System also quasi im Vergleich zu
liberalen Systemen dar. Auch wenn das meiner Meinung nach an dieser Stelle die günstigste Variante ist, kann die hieraus gewonnene Bewertung keinen
Anspruch auf Absolutheit erheben. Ich komme also zu dem Schluß, daß es sich bei der DDR nach dieser Herangehensweise eindeutig um einen totalitären Staat
handelt.
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