Parlamentarische Materialien

Werbung
127/A-BR BR
Eingelangt am:23.05.2001
ANTRAG
der Bundesräte Ing. Klamt, Weiss, Haselbach, Bieringer, Konecny, Dr. Böhm
und Kollegen
auf Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 GO - BR
zum Thema „Die föderalistischen Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU - Politik“
Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wird sein
politisches und wirtschaftliches Umfeld auch von wichtigen Entscheidungen auf
europäischer Ebene geprägt. Es liegt auf der Hand, daß wegen der Wichtigkeit der auf
EU - Ebene getroffenen Entscheidungen die Mitwirkung der innerstaatlichen Organe an
den Entscheidungsprozessen von großer Bedeutung ist.
Die österreichischen Bundesländer stehen im Hinblick auf die Auswirkungen der
europäischen Regelungen in unmittelbarer politischer Verantwortung ihrer Bürger und
sind daher aufgerufen, den europäischen Prozeß mitzugestalten.
Auf Grundlage ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Befugnisse wirken sie
innerstaatlich und auf gemeinschaftlicher Ebene speziell im Ausschuß der Regionen an
der europäischen Rechtsetzung mit. Sie setzen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten EU Recht in Landesrecht um und haben EU - Regelungen in ihren Verwaltungen
anzuwenden.
In der letzten Zeit wird die föderalistische Struktur Österreichs in der öffentlichen
Diskussion in zunehmendem Maße in Frage gestellt. Die Diskussionsbeiträge reichen von
der Forderung nach Abschaffung der Bundesländer, über eine Reduzierung ihrer Zahl,
über die Schaffung eines Generallandtages bis hin zur Forderung nach einer Stärkung
der Bundesländer und ihrer Vertretung gegenüber dem Bund. Daneben wird auch die
Stellung des Bundesrates und insbesondere seine Aufgabenstellung diskutiert.
Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat allerdings zu einer weiteren
Verlagerung zahlreicher und erheblicher Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenzen
an deren Organe geführt. Davon sind insbesondere die Gesetzgebungskompetenzen
sowohl des Bundes als auch der Länder betroffen. Andererseits wurden dem Bundesrat
und den Länderparlamenten Möglichkeiten zur Mitwirkung an der EU - Rechtsetzung
eingeräumt.
Die Staats - und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der Europäischen Unon haben
sich in der Erklärung 23 zur Zukunft der Europäischen Union des Vertrags von Nizza
dazu verpflichtet, eine eingehende und breit angelegte Diskussion über die Zukunft der
Europäischen Union durchzuführen. Bei diesem Prozeß werden unter anderen folgende
Fragen behandelt: Die Frage, wie eine genauere, dem Subsidiaritätsprinzip
entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und
den Mitgliedsstaaten hergestellt und danach aufrecht erhalten werden kann, oder nach
der Rolle der nationalen Parlamente in der Architektur Europas.
In der verfassungspolitischen Diskussion aller wesentlichen politischen und
gesellschaftlichen Kräfte Österreichs herrscht ein Grundkonsens über das Bekenntnis zu
den Prinzipien der österreichischen Bundesverfassung, die in den Art. 1 und 2 B - VG
festgelegt sind. Darunter befindet sich auch das bundesstaatliche Prinzip.
Der Föderalismus beruht auf dem Subsidiaritätsprinzip - einem heute allgemein
anerkannten Grundsatz, demgemäß die jeweils kleinere und daher dem Bürger nähere
Organisationsebene all das besorgen soll, wozu sie in der Lage ist, „was also ihre Kräfte
nicht übersteigt“ und deshalb nicht auf einer höheren Ebene - zunächst jener des
Landes, dann jener des Bundes und zu allerletzt jener der Europäischen Union - besorgt
werden muß. Zum Subsidiaritätsprinzip gehört aber auch die Autonomie der jeweiligen
Ebene. Es ist ein Zeichen eines funktionierenden Föderalismus, wenn die Länder ihre
Kompetenz aus eigener Initiative und ohne gesetzlichen Auftrag wahrnehmen und sich
dabei freiwillig und selbständig koordinieren.
Vor dem Hintergrund der europäischen Integration und der damit verbundenen
Änderung der traditionellen Strukturen kommt der Partizipation der Länder an den
rechtsetzenden Vorgängen der Union zunehmende Bedeutung zu. In diesem
Zusammenhang ist die vor einigen Jahren erfolgte Einrichtung des EU - Ausschusses des
Bundesrates sowie der Integrationskonferenz der Länder aber auch deren praktisches
Funktionieren von speziellem Interesse.
Auf Grund dieser Gesamtsituation ist es erforderlich, die föderalistischen
Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU - Politik grundsätzlich zu überdenken. Dabei
wird auch von Interesse sein, die Situation in anderen europäischen Staaten mit
vergleichbarer bundesstaatlicher Struktur zu beleuchten.
Die unterfertigten Bundesräte beantragen daher die Abhaltung einer Enquete, der 8
Bundesräte der ÖVP, 6 Bundesräte der SPÖ und 3 Bundesräte der FPÖ angehören.
1) Arbeitsauftrag
Der Arbeitsauftrag dieser Enquete soll wie folgt umschrieben werden:
• Bewertung der Mitwirkungsrechte in EU - Angelegenheiten durch den EU - Ausschuß
des Bundesrates sowie die Integrationskonferenz der Länder
• Die Erfahrungen der deutschen Länder und die Erwartungen der Schweizer Kantone
bei der Mitwirkung in EU - Angelegenheiten
• Resumee und Aussichten
2) Ziel
Ziel dieser Enquete ist, auf Grund der Diskussion föderalistischer Strukturen innerhalb
der EU sowie speziell der Untersuchung der Mitwirkungsrechte der Länder an den
Entscheidungen der EU Impulse für die Weiterentwicklung der Kooperation zwischen
Bund und Ländern zu erhalten.
3) Referenten und Teilnehmer:
Referate (je 15 Minuten):
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero - Waldner
Landeshauptmann Dr. Jörg Haider
Landtagspräsident Dr. Helmut Schreiner
Dr. Caspar Einem (Mitglied des EU - Hauptausschusses des Nationalrats)
1 Vertreter der Städte und Gemeinden (Nominierung durch SPÖ)
der gemeinsamer Ländervertreter in der österreichischen EU - Mission
1 Vertreter der deutschen Länder
1 Vertreter der Schweizer Kantone
Ferner sind Abgeordnete zum Nationalrat im Verhältnis 4 SPÖ : 3 FPÖ : 3 ÖVP :1 Grüne
beizuziehen sowie die Landeshauptleute und Landtagspräsidenten der Bundesländer
bzw. je ein von ihnen namhaft gemachter Vertreter einzuladen.
Zur Teilnahme an der Enquete sind weiters Bundesrat Stefan Schennach, je ein Vertreter
des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, des
Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport sowie des Bundesministeriums
für Finanzen; weiters ein Vertreter des österreichischen Gemeindebundes und ein
Vertreter des österreichischen Städtebundes berechtigt.
Wortmeldungen in der Debatte: je 1 Bundesrat pro Fraktion 10 Minuten
alle anderen Teilnehmer max. 5 Minuten
4) Vorsitzführung
9.00 Uhr bis 1 0.45 Uhr Präsident des Bundesrates Ing. Gerd Klamt
10.45 Uhr bis 12.30 Uhr Vizepräsident des Bundesrates Jürgen Weiss
12.30 Uhr bis 14.15 Uhr Vizepräsidentin des Bundesrates Anna Elisabeth Haselbach
ab 14.15 Uhr Präsident des Bundesrates Ing. Gerd Klamt
5) Termin
Die Enquete findet am 27. Juni 2001 statt.
In formeller Hinsicht soll dieser Antrag ohne Vorberatung durch den Ausschuß gemäß
§ 16 Abs. 3 GO - BR in Verhandlung genommen werden.
Herunterladen