Der geplante VN-Libanon-Einsatz der Bundeswehr gemessen an

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Der geplante VN-Libanon-Einsatz der Bundeswehr:
gemessen an Kriterien für Auslandseinsätze im Rahmen des
Friedensauftrages des Grundgesetzes (W.Nachtwei, 18.9.2006)
Vorbemerkung: Die Kriterien sind gedacht als Orientierungshilfen, nicht als „Einsatz-Fahrplan“.
Im Rahmen des Friedensauftrages des Grundgesetzes (Präambel: „… als gleichberechtigtes Glied in
einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“; Art. 24 zu kollektiver Sicherheit und
Friedensicherung) und der VN-Charta kann das Spektrum möglicher Auslandseinsätze reichen von
humanitären + Hilfseinsätzen über unbewaffneter Berater- und Beobachtermissionen, Unterstützung
von Rüstungskontrolle + Abrüstung, logistischer Unterstützung bis zu verschiedenen Graden von
Einsätzen bewaffneter Streitkräfte, die dem Parlamentsvorbehalt unterliegen. Dieser können
wiederum reichen vom Einsatz einzelner Spezialisten und Stabspersonal über Kontingenteinsätze von
Heeres-, Luftwaffen- und Marinekräften zur Friedenssicherung, also Kriegsverhinderung – über 95 %
aller Einsätze bisher - bis zur „Friedenserzwingung“, also Einsätzen kriegerischer Gewalt.
Angesichts der kaum berechenbaren Herausforderungen für kollektive Sicherheit sind ehrlicherweise
Prognosen – hier ja, dort nie – kaum noch möglich.
Die Schlüsselfragen lauten zusammengefasst: Ist ein Einsatz dringlich, sinnvoll, legal, leistbar +
verantwortbar, oder weder noch?
1. Ziel der Gewalt-/Kriegseindämmung und –verhütung/Friedensunterstützung im Rahmen kollektiver
Sicherheit, Durchsetzung internationalen Rechts gegen illegitime Gewalt, Abwehr von Völkermord und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit (responsibility to protect), wo die Staatengemeinschaft zur
Nothilfe verpflichtet ist. Nicht: Krieg als Mittel der Politik, Interventionen zur Durchsetzung partikularer
Machtinteressen, Abwehr von Flüchtlingen. (Werteorientierung)
Die gestärkte und erweitere UNIFIL-Mission dient eindeutig der Kriegsbeendigung und -verhütung
zwischen Israel, Hisbollah + Libanon. Ohne UNIFIL-neu kein Waffenstillstand, sondern Fortsetzung
des Krieges.
2. Stellenwert/Dringlichkeit eines Friedenseinsatzes allgemein für internationale, europäische
und deutsche Sicherheit + Frieden: Trotz aller Globalisierung von (Un-)Sicherheit und
Interdependenzen von Krisenregionen gibt es Weltregionen, die für die Sicherheit
Deutschlands/Europas von primärem (Balkan, Nahost), sekundärem und nachgeordnetem Interesse
sind, woraus sich eine abgestufte (Mit-)Verantwortung ergeben kann. (Interessen + Verantwortung)
Die Stabilisierung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Hisbollah/Libanon und das sich damit
öffnende window of opportunty für die Wiederbelebung eines Verhandlungs- und Friedensprozesses
ist von aller höchstem internationalen, europäischen und deutschen Interesse. Der hochkomplexe und
eskalationsträchtige Nahostkonflikt hatte bisher eine extrem destruktive globale Ausstrahlung.
Hier wie in vielen anderen Krisenregionen der Welt geht es um die Schlüsselfrage, wie man vom Krieg
über Waffenstillstand zu Frieden kommen kann. Kofi Annan in seinem Bericht „In größerer Freiheit“
vom März 2005 „In den vergangenen 15 Jahren wurden mehr Bürgerkriege durch Vermittlung beendet
als in den zwei Jahrhunderten zuvor, was hauptsächlich darauf zurückzuführen war, dass die
Vereinten Nationen die Führung übernahmen (…)“ Aber: „Etwa die Hälfte der Länder, die gerade Krieg
überwunden haben, gleiten binnen fünf Jahren wieder in die Gewalt ab. (…) Wenn wir Konflikte
verhüten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Friedensabkommen auf dauerhafte und nachhaltige
Weise durchgeführt werden.“
Der Schlüsselfrage, wie der Waffenstillstand am besten gefestigt und die Tür zu politischer
Konfliktlösung geöffnet werden kann, weicht FDP-Chef Westerwelle mit der Masche aus, Bedenken
auf Bedenken zu häufen und damit den Eindruck von nachdenklicher Zurückhaltung zu simulieren.
De facto läuft das darauf hinaus, UNIFIL insgesamt für unverantwortbar zu erklären – und damit den
Waffenstillstand praktisch zu kündigen.
3. Legalität: Strikte Bindung an Völkerrecht und Menschenrechte, VN-Mandat bzw. völkerrechtlich
korrekte Unterstützungsbitte einer Regierung; bei Friedenssicherung Zustimmung der Konfliktparteien.
Nicht: entgrenzter Verteidigungsbegriff, „Recht des Stärkeren“ + im Widerspruch zur VN-Charta.
Die VN-Sicherheitsratsresolution 1701 ist völkerrechtlich korrekt. Ihr stimmten auch Israel, Libanon
und Hisbollah-Minister, Syrien und andere arabische und islamisch-geprägte Staaten zu.
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4. Stärkung von effektivem Multilateralismus auf VN-, EU- und NATO-Ebene (VN-Verlässlichkeit):
wichtig, aber – außer bei Kleinsteinsätzen - nicht primär. Nicht: unilaterale Alleingänge,
Bündnisautomatismen (Dabeisein ist nicht alles!), Vernachlässigung von VN-geführten Missionen.
(Ende Juli stellten von den insgesamt über 70.000 VN-Soldaten und –Polizisten Bangladesh 10.000,
Pakistan 9.800, Indien 9.300, Nepal 3.500 (…), China 1.600, Polen 700/20. Stelle, Russland 305/36.,
DEU mit 255 an 39. Stelle!)
Angesichts der Verhandlungsunfähigkeit der Konfliktparteien, der Selbstausgrenzung der USA sind
jetzt zu allererst VN und EU gefragt, als „Dritte“ zum Auseinanderhalten, dann zum
Aufeinanderzugehen der Konfliktparteien beizutragen. Bei UNIFIL geht es um eine VN-geführte
Mission – im Unterschied zu VN-mandatierten Einsätzen von NATO oder EU. Wegen der äußerst
zurückhaltenden Beteiligung der reicheren Länder an VN-geführten Einsätzen waren diese bisher in
der Regel politisch und operativ schwächer – bei zugleich höherem Risiko. Insofern geht es bei
UNIFIL-neu um Stärkung des VN-Multilateralismus und der verantwortlichen Rolle der EU dabei. In
der Resolution 1701 fordert der Sicherheitsrat die VN-Mitgliedsstaaten „nachdrücklich auf, geeignete
Beiträge zur UNIFIL zu erwägen und den Ersuchen um Unterstützung durch die Truppe zu
entsprechen“.
Mit ihrer ideologischen Ablehnung von robusten und Kapitel-VII-Einsätzen (diese sind eine Lehre aus
zu schwachen und damit wehrlosen Missionen der Vergangenheit, Extrembeispiel UNPROFOR und
Srebrenica) sperrt sich die Linksfraktion generell gegen eine Unterstützung von VN-Friedensicherung.
In einem Kernbereich globaler Friedenspolitik beweist sie damit Friedensunfähigkeit.
5. Stellenwert eines deutschen Beitrags, bzw. spezifischer Fähigkeiten (Unverzichtbarkeit/Dringlichkeit/Ersetzbarkeit) für einen multinationalen Friedenseinsatz, für die Konfliktlösung insgesamt (Teil der
Problemlösung oder Teil des Problems?). Mit Arbeitsteilung im Bündnis, integrierten schnellen Einsatzverbänden (NATO-Response Force, EU-Battle-Groups) und angesichts der (Führungs-)Verantwortung Deutschlands in EU und VN steigt der Einsatzdruck. Trotzdem: Kein Automatismus, auch
kein aufgeschobener („Wir werden uns nicht entziehen können.“).
Die spezifische deutsche doppelte Mitverantwortung für das Existenzrecht Israels und einen
dauerhaften Frieden im Nahen Osten gebietet eine deutliche Mitwirkung Deutschlands an der
Friedensicherung dort und schließt keineswegs eine Beteiligung deutscher Soldaten daran von
vorneherein aus. So ist die Sicht der VN, arabischer Staaten, verschiedenster Gruppen im Libanon
wie auch der israelischen Friedensbewegung, die sogar ausdrücklich eine deutsche Beteiligung
wünschen.
Für das Zustandekommen von UNIFIL-neu wart eine deutsche Beteiligung nicht in der Weise
zwingend notwendig wie z.B. bei EUFOR Kongo oder bei ISAF. Politisch ist es allerdings für UNIFIL
und die EU von erheblicher Bedeutung, ob das bei allen Konfliktparteien relativ gut angesehene
Deutschland auch bei den Lasten und Risiken der multilateralen Friedensbemühungen mitmacht.
Zugleich ist wegen der besonderen deutschen Verpflichtung gegenüber Israel eine uneingeschränkte
UNIFIL-Teilnahme nicht möglich, weil Bundeswehrsoldaten die gebotene VN-Neutralität konfrontativ
gegenüber israelischen Soldaten kaum durchsetzen könnten. Deshalb der Bundesrepublik generell
Parteilichkeit und VN-Missions-Unfähigkeit im Nahen Osten zu unterstellen, ist abwegig.
6. Übereinstimmung von offiziellen Zielen und tatsächlichen Interessen, verdeckte Agenden. Nicht:
Prestigeinteressen von Bundesregierung, EU, Teilstreitkräften; machtpolitischer Interventionismus.
Das offizielle Ziel, zur Existenzsicherung Israels, zur Stabilisierung des Waffenstillstandes und zur
Wiederbelebung des Friedensprozesses beizutragen, ist auch das tatsächliche Interesse und
ausschlaggebende Motiv. Die Annäherung an eine UNIFIL-Beteiligung war zunächst eher zögerlich.
Das Jung`sche Drängeln war nicht exemplarisch. Ausdrücklich machtpolitische Interessen werden
wohl von manchen Kritikern unterstellt, spielen aber in den politischen Diskussionen in Berlin keine
erkennbare Rolle – erst Recht nicht die Vorbereitung von „Flankenschutz“ für einen späteren IranKrieg.
7. Ausschöpfung der vorrangigen nichtmilitärischer Krisenbewältigung: Mögliche Alternativen zum
Militäreinsatz (ggfs. polizeilich, differenzierte Sanktionen). Nicht: Vorrang militärischer „Lösungen“, die
eine Illusion sind.
Der ausgehandelte Waffenstillstand ist zwingend an eine stärkere UNIFIL gebunden. Die
Unterstützung der libanesischen Armee im Süden, die Überwachung der Pufferzone und der Seeseite
kann nicht von Polizisten oder gar zivilen Beobachtern, sondern nur von robusten Blauhelm-Militärs
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geleistet werden. Ohne ein Mindestmaß an militärisch gewährleisteter Sicherheit gibt es keinen
Aufbau, keine Chance auf Konfliktlösung.
8. Einbettung in politische Deeskalations- und Konfliktlösungsstrategie und -bemühungen,
andernfalls drohen teure + riskante Endloseinsätze: fundierte Konflikt- und Risiko- und
Chancenanalyse, politisches Konzept/ Wegmarken, Kohärenz verschiedener Ressortpolitiken,
energisches politisches Engagement, langer Atem. Nicht: Militärfixiertheit oder –lastigkeit, politische
Vernachlässigung und Krisenhopping, Ressortborniertheiten.
UNIFIL kann nur eine Atempause und Zeit für politische Konfliktlösung schaffen. Wird diese nicht
genutzt, ist ein Wiederaufflammen von Kämpfen vorprogrammiert. Die Notwendigkeit der begleitenden
politischen Konfliktlösung wird offiziell betont. Der Außenminister nennt auch wichtige Schritte (Lösung
der Gefangenen-/Geiselfrage, Wiederbelebung des Nahost-Quartetts, Einbeziehung Syriens). Hier
fordert die Grüne Fraktion in ihrem Entschließungsantrag klarere Ansagen – und vor allem ein
Dranbleiben. (vgl. www.gruene-fraktion.de)
9. Klarer Auftrag + reale Erfolgsausichten in einer konkreten, in der Regel asymmetrischen
Konfliktkonstellation (realitätsnahe Zielsetzung, klare Führungsstruktur, angemessene/ausreichend
robuste Einsatzregeln/rules of engagement und Ausrüstung). Nicht: diffuser Auftrag, Politikersatz,
unklare Führung, schwaches Mandat, „mission creep“ (schleichende Ausweitung von Einsätzen).
Die VN-Resolution 1701 dient der Wiederherstellung der Souveränität und Handlungsfähigkeit der
libanesischen Regierung. Sie ist als Kompromiss streckenweise vage formuliert. Mit dem Concept of
Operations und den Rules of Engagement haben Auftrag und Führung erheblich an Klarheit
gewonnen. Die Assistance-Rolle von UNIFIL gegenüber libanesischer Regierung/Streitkräften prägt
die Aufgaben und Kooperationsstrukturen. Die Eingriffsrechte von UNIFIL sind sehr differenziert und
grundsätzlich auf Deeskalation gerichtet. Sie erlauben für klar beschriebene Situationen auch den
verhältnismäßigen und begrenzten Einsatz von Gewalt. Die höchste Eskalationsstufe (beim
Marineeinsatz das zwangsweise Boarding) ist an die militär-strategische Ebene des VN-Departement
for Peacekeeping Operations/Military Cell gebunden.
10. Ausgewogene Fähigkeiten: (a) der multinationalen militärischen Beiträge (internationales burden
sharing) und (b) der nichtmilitärischen diplomatischen, polizeilichen + zivilen Beiträge angesichts
komplexer multidimensionaler Missionen. Bei Stabilisierungseinsätzen strategische Schlüsselrolle vor
allem einer schnellen Polizeikomponente und einer energischen Unterstützung der
Sicherheitssektorreform (Demilitarisierung, Demobilisierung und Reintegration; Reform von
Streitkräften, Polizei, Justiz, Zoll). Nicht: bloß eindimensionaler Militäreinsatz.
Der deutsche militärische Beitrag ist substanziell, zugleich auch weniger riskant als der Landeinsatz
von UNIFIL. Mit Dänemark, Norwegen, Schweden und Niederlanden haben erfahrene VN-Truppensteller eine Marinebeteiligung zugesagt. Bisher stellen Ghana 648, Indien 673, Polen 214, China 187,
Italien 53 Soldaten. Zugesagt sind größere Bodenkontingente (mindestens ein Bataillon mit je 800
Soldaten) von Frankreich, Spanien, Italien Nepal und Indonesien.
So früh wie bei keinem anderen Friedenseinsatz stellte Deutschland Polizei- und Zollexperten sowie
Gerät zur Grenzkontrolle zur Verfügung. Syrien wünscht ebenfalls deutsche Unterstützung bei seiner
Grenzabsicherung! Richtig ist das Angebot von bis zu hundert Beratern für die libanesischen
Streitkräfte. Seit Wochen läuft humanitäre und Wiederaufbauhilfe. Das THW ist bei der
Wiederherstellung der Wasserversorgung aktiv. Außerdem gibt es Unterstützung bei der Bekämpfung
der Ölpest. Da die nichtmilitärischen Beiträge weniger spektakulär und sichtbar sind, müssen wir auf
diese Seite des deutschen und EU-Engagements ganz besonders achten und drängen.
11. Exit-Kriterien z.B. selbsttragende Sicherheitsstrukturen (angesichts der Vielzahl von Akteuren und
Unwägbarkeiten ist eine explizite Exit-Strategie eher eine Fiktion), Ablösbarkeit durch internationale
Polizei, Mentoren und Monitore; Evakuierungsvorsorge für den Abbruch + Rückzug eines Einsatzes
Nicht: „Mal sehn“.
Im Concept of Operations sind drei Phasen genannt: Übergang (Einrücken libanesische Armee und
Abzug israelische Armee), Stabilisierung und Endphase (wenn libanesischer Staat z.B. den Schutz
der Seegrenze selbst gewährleisten kann).
12. Leistbarkeit spezifischer Fähigkeitsbeiträge bez. (spezialisiertem) Personal und Ausrüstung auch
über längere Zeitspannen; hier sind vor allem „Nadelöhrfähigkeiten“ und Rotationsbedarf zu
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berücksichtigen; Kosten. Nicht: Omnipotenzerwartungen bzw. –versprechungen von Politikern,
Generalen, Öffentlichkeit.
Die UNIFIL-Beteiligung wird über etliche Jahre gehen. Die personellen und materiellen Kapazitäten
der Marine sind vorhanden. Ob es Kollisionen mit anderen Einsätzen gibt, ist bisher nicht bekannt.
13. verantwortbare politische + persönliche Risiken und Belastungen für die Soldaten und ihre
Angehörigen. Berücksichtigung von möglichen Eskalationsszenarien auch auf der Zeitschiene. Nicht:
zu hohe Einsatzdichte, beschönigende oder dramatisierende Risikowahrnehmung; parallele
Entwicklung von Besoldung + Versorgung.
Seit 1978 kamen 258 Angehörige von UNIFIL ums Leben, davon 85 durch feindliche Einwirkung.
UNIFIL ist damit nicht nur eine der ältesten, sondern auch die opferreichste VN-Operation.
Risiken bei der Durchführung des Kontrollauftrages: Erhebliches Risiko bei „opposed boarding“
(gegen Willen und Widerstand eines verdächtigen Schiffes); hierfür stehen spezielle Bordingteams zur
Verfügung. Unterhalb dieser höchsten Eskalationsstufe steht aber ein breites Spektrum möglicher
Maßnahmen zur Verfügung. Generell gehen Sicherheitsrisiken für die Schiffe nicht von Hisbollah,
nicht von Israel oder anderen Marinen aus. Denkbar sind Attacken von Selbstmordattentätern mit
Speedbooten von dritter Seite. Hiergegen wird Vorsorge getroffen.
Das Risiko, zwischen die Fronten zu geraten, besteht auf See praktisch nicht.
Das Risiko einer Konfrontation Bundeswehr – israelische Streitkräfte ist als äußerst gering
einzuschätzen. Je wirksamer UNIFIL ist, desto unwahrscheinlicher sind militärische israelische
Alleingänge. Die Überwachung der libanesischen Küste hat eine abhaltende Wirkung. Schließlich
entspräche es nicht den UNIFIL-Einsatzregeln, mit Waffeneinsatz Störer des Waffenstillstandes zu
bekämpfen. Solche Brüche des Waffenstillstandes wären politisch zu behandeln.
Angesichts des Konfliktverhaltens in der Region sind Terrorattacken, massive Brüche des
Waffenstillstandes bis zu einem Wiederaufflammen von Kämpfen – mit massiven Risiken für die
UNIFIL-Truppen - keineswegs auszuschließen, bei einer stärkeren UNIFIL aber zumindest
unwahrscheinlicher.
Perspektivisch könnten Risiken erheblich zunehmen bei einer Eskalation des Konflikts mit den USA.
Würden z.B. USA und Israel Iran wegen dessen Atomprogramms angreifen, wären vor allem
europäische UNIFIL-Truppen erste Ziele für Gegenattacken. Daraus ergibt sich ein elementares
Interesse der UNIFIL-Staaten an einer friedlichen Lösung des Konflikts mit dem Iran. Dass die
massive EU-Teil-nahme an UNIFIL eine vorbereitende Vornestationierung („Flankenschutz“) für einen
Iran-Krieg wäre, wird z.B. vom Bundesausschuss Friedensratschlag (14.9.) behauptet, ist aber
abwegig. Von Zusammensetzung, Auftrag und Einstellung der Teilnehmerstaaten her ist diese VNgeführte Mission denkbar ungeeignet für eine solche Art der Kriegsvorbereitung.
14. Politische Akzeptanz: Überzeugungskraft + Durchhaltefähigkeit der politischen Führung; die
Parlamentsarmee Bundeswehr braucht für ihre Einsätze breite Zustimmung im Parlament und eine
kontinuierliche und sorgfältige Begleitung und Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit. Nicht:
bloße Mehrheiten aus Koalitionsdisziplin, auf Dauer geheime Auslandseinsätze, bloße
Tätigkeitsberichte statt Evaluierungen.
Zu erwarten ist eine deutliche Parlamentsmehrheit für die UNIFIL-Unterstützung. Wir fordern eine
regelmäßige Evaluierung des Einsatzes über die üblichen Unterrichtungen hinaus.
15. Alternativen + Konsequenzen einer Nichtbeteiligung bzw. des Nichtzustandekommens eines
Friedenseinsatzes insgesamt.
Käme die stärkere UNIFIL nicht zustande, wäre der siebte Nahostkrieg vorprogrammiert.
Würde sich Deutschland nur an humanitärer und Wiederaufbauhilfe, nicht aber an UNIFIL und den
damit verbundenen Lasten und Risiken beteiligen, würde das das Gewicht der deutschen „MaklerRolle“ eher beinträchtigen als stärken.
Eine breite Unterstützung von lagerübergreifender gesellschaftlicher Verständigungsarbeit wird nur
dann genügend Partner finden und Aussicht auf mittelfristige Wirksamkeit haben, wenn die politische
Konfliktlösung in Angriff genommen wird. Solange die „Elefanten trampeln“, hat die notwendige
gesellschaftliche Graswurzelarbeit keine Aussicht auf Erfolg.
16. Friedens- und sicherheitspolitisch fragwürdige Nebenwirkungen?
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Weitere Entgrenzung deutscher Militäreinsätze? Die Häufung von Entscheidungen zu
Bundeswehreinsätzen und Mandatsverlängerungen verstärken eine öffentliche Perzeption von Außenund Sicherheitspolitik, die sich in erster Linie für ihre militärische Komponente interessiert. Dem kann
und muss durch eine viel stärkere Darstellung, Vermittlung und eine Stärkung der zivilen Außenpolitik
und ihrer Kapazitäten entgegengewirkt werden.
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