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SIMULATION
mdl. Abitur 2008 GK D/13-Wolff
Jan Paul Splett
Die 'organische Verbindung' von 1. und 2. Prüfungsteil wird versucht über ein Mixtum aus
poetologischer und problembezogener Verknüpfung.
poetologisch: Realität und Wirklichkeit/Wahrnehmung und Darstellung
problembezogen:»Gesellschaft – soziale Regeln im Wandel der Zeit«
1. Prüfungsteil
Analyse und Interpretation eines Kurzprosatextes (s.u.)
Überleitung:
Methodenreflexion (Interpr.)
2. Prüfungsteil
Prüfungsgespräch über:
»Emilia Galotti«
»Der Vorleser«/»Irrungen, Wirrungen«
evtl. Lyrik nach 1945
Franz Kafka
Zum Nachdenken für Herrenreiter
Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der Erste sein zu wollen.
Der Ruhm, als der beste Reiter eines Landes anerkannt zu werden, freut beim Losgehn des
Orchesters zu stark, als dass sich am Morgen danach die Reue verhindern ließe.
Der Neid der Gegner, listiger, ziemlich einflussreicher Leute, muss uns in dem engen Spalier
5 schmerzen, das wir nun durcheilen nach jener Ebene, die bald vor uns leer war bis auf einige
überrundete Reiter, die klein gegen den Rand des Horizonts anritten.
Viele unserer Freunde eilen, den Gewinn zu beheben, und nur über die Schultern weg schreien sie
von den entlegenen Schaltern ihr Hurra zu uns; die besten Freunde aber haben gar nicht auf unser
Pferd gesetzt, da sie fürchteten, käme es zum Verluste, müssten sie uns böse sein, nun aber, da
10 unser Pferd das Erste war und sie nichts gewonnen haben, drehn sie sich um, wenn wir
vorüberkommen und schauen lieber die Tribünen entlang.
Die Konkurrenten rückwärts, fest im Sattel, suchen das Unglück zu überblicken, das sie getroffen hat,
und das Unrecht, das ihnen irgendwie zugefügt wird; sie nehmen ein frisches Aussehen an, als müsse
ein neues Rennen anfangen und ein ernsthaftes nach diesem Kinderspiel.
15 Vielen Damen scheint der Sieger lächerlich, weil er sich aufbläht und doch nicht weiß, was
anzufangen mit dem ewigen Händeschütteln, Salutieren, Sich-Niederbeugen und In-die-FerneGrüßen, während die Besiegten den Mund geschlossen haben und die Hälse ihrer meist wiehernden
Pferde leichthin klopfen.
Endlich fängt es gar aus dem trüb gewordenen Himmel zu regnen an.
aus: „Betrachtung" (1913); die erste Auflage des Bändchens [800 nummerierte Exemplare] war erst
1924 vergriffen. Zuerst in der ‚Bohemia’ vom 27.3.1910 veröffentlicht und wohl kurz vorher
entstanden; hier aus: F.K.: „Die Erzählungen“, S.Fischer, Ffm, 1961, S. 17/18
Aufgabe:
Analysieren und interpretieren Sie den Text!
Kafka, Franz (* 1883 Prag, † 1924 Wien) entstammte einer jüdischen Familie in Prag. Sein Vater war
vom Lande zugewandert und hatte in das deutschsprachige Bürgertum eingeheiratet. Franz Kafka
selbst verbrachte fast sein ganzes Leben in der Stadt, studierte dort und arbeitete als Jurist. Er war
gesundheitlich stets anfällig und l917 entwickelte sich eine Lungentuberkulose, die ihn 1922 zur
Aufgabe des Berufs veranlasste und an der er 1924 in einem Sanatorium bei Wien starb.
Erwartungshorizont:
vermutetes Thema: z.B.: Vom Erfolg / Von den Versprechungen/Regeln der Gesellschaft / ...
Autor: (unter Benutzung der gegebenen biographischen Daten und im U. erworbener Kenntnisse):
z.B.: Prag, dreifaches Ghetto; Jurist; Werteverfall; Zusammenbruch der alten Ordnungen;
Entfremdung; 'transzendentale Obdachlosigkeit'
Stil: z.B.: von best. Moden (Ismen!) frei, eigenständig; klar und lapidar-schmucklos
sonstige Werke: (relevante!) z.B.: Romane(drei!); KP / Epoche: 19./20.Jhdt.!
Erzählperspektive: („uns“): ‚wir’ - Erzähler kann heißen: es trifft alle, geht alle an.
Entstehungssituation: Moderne; hier sollten die Schüler, an ihre Erfahrungen mit anderen modernen
Texten anknüpfend, zu Aussagen über grundlegende Zeitphänomene gelangen.
Erzählperspektive
Textsorte: Parabel - wichtig, da sich von hier für die Deutung als ein sinnvolles Verfahren ergibt:
Herauslösen der Wirklichkeit hinter bzw. jenseits der im Text gegebenen Situation
Zeit/Ort: gezeigt wird eine in unserer Gesellschaft recht bekannte Konstellation: ein „Wettrennen“
(Z.1); eine Situation, die - in passende Kontexte übertragen jedem jederzeit und überall zustoßen
kann (Parabel!)
Das Erzählte
mögliche Gliederung: offensichtlich: Absätze:
1. Sinneinheit: These: „Nichts .. kann dazu verlocken“
2. Sinneinheit: „Reue“
3. Sinneinheit: „Neid“
4. Sinneinheit: „Verluste“
5. Sinneinheit: „Unrecht“
6. Sinneinheit: „lächerlich“
7. Sinneinheit: (selbst der Himmel ..)
Figuren/Charakteristik und Konstellation: Was eine Erfüllung der Verlockungen wirklich wert ist,
zeigt sich an den Reaktionen der anderen - und wird mit dem ersten Wort des Textes zum Ausdruck
gebracht („Nichts“). Der Text nennt diese anderen und deren Verhalten; wer zu bestimmten Dingen
antritt, weiß, dass er siegen soll - Irritation der anderen jedoch ist die Folge, nicht das, was als
Versprechen in dem Kampf lag.
sprachliche Mittel
syndetische Hypotaxe; Gegenüberstellungen (z.B.: „Gegner“ - „Freunde“); Nominalstil; NeologismenKomposita; ... – Hier ist darauf zu achten, inwieweit die Schüler den herauspräparierten sprachlichen
Elementen sinnvolle und kräftige Wirkungen (Funktionen) zuerkennen (z.B.: Satzbau reflektiert Enge
der sozialen Welt; Komposita verweisen auf Sperrigkeit; Antithetik zeigt eine kontroverse Welt etc.).
Deutung: (z.B. vom Thema her): Der Erfolg bietet nicht das, was er verspricht; das, was alle
anstreben (sollen), ist, wenn es denn glückt, etwas, das zur Isolation führt...
Der Text ist in seiner Struktur ohne größere Schwierigkeiten zu durchschauen; er enthält jedoch eine
Problematik, die unterschiedlich („tief“) gedeutet werden kann: Die „Tiefe“ der Interpretation ist darum
ein wichtiges Kriterium der Benotung. Entdecken die Schüler in dem Text ein wesentliches
Konstituens unserer Zivilisation (s.: „Konkurrenten“)) oder erkennen sie Fragen der Identität bzw.
Grenzen der Ich-Entfaltung; oder gelingt es ihnen, darüber hinaus zu spezielleren Fragen (z.B.:
Sinnleere oder gesellschaftliche Prägung oder auch moderner Welt- und Kunstbegriff) vorzustoßen.
Das sollte dann auch zur Schilderung des im Text dargelegten Menschen-/Weltbildes gelangen – mit
der Erörterung / Bewertung einer solchen Weltsicht.
Die Erörterung des gewählten Interpretationsverfahrens sollte den Übergang zum zweiten Teil
bilden. Erwartet wird hier eine Darstellung des Verfahrens und möglicher Alternativen, deren Vorzüge
und Nachteile dann zu diskutieren wären.
Zurückgreifend auf das erarbeitete Thema (hier z.B.: Wie verhalte ich mich zu den Erwartungen der
anderen? etc.) sollen nun andere im Unterricht erarbeitete Schriften in den Blick genommen werden.
Erwartungen hierzu s.u.
Ans Thematische angebunden, sollen die Schüler die wesentlichen inhaltlichen Punkte der Werke
darstellen und dabei auf die Entstehungszeit der Texte Acht haben.
zu: „Emilia“
Drama: Trauerspiel
Das in Prosa geschriebene Stück nimmt ein häufig gestaltetes Dramenmotiv auf: Die junge,
unschuldige Römerin Virginia wird von ihrem Vater Virginius getötet, weil er sie nur so von den
Nachstellungen des Appius bewahren kann. Ihr Tod ist der Anlass zu einem Volksaufstand.
„Emilia Galotti“ wurde eines der ersten politischen Dramen der neueren dt. Literatur, das die folgende
Generation der Stürmer und Dränger beeinflusste.
kurz: Vater tötet Tochter, um sie zu retten.
Epoche
Aufklärung
Handlung
die Handlung spielt zwischen dem frühen Morgen und dem Abend eines einzigen Tages.
Struktur
5 Akte
1.-3. steigende Handlung
4. Peripetie (Wendepunkt)
5. Katastrophe
wenig Schauplätze
Themen
Konflikt zwischen Adel und Bürgertum
Grund: Liebe und Eifersucht
heute wohl übersteigert erscheinendes Ehrgefühl führt zum Tod
Personen
Emilia Galotti
Hauptperson der Geschichte, Schönheit, will ihre Unschuld nicht verlieren (Ehre retten); brave, artige
Tochter, unfähig, sich im öffentlichen Leben zurechtzufinden
Odoardo Galotti, Vater
Familienoberhaupt, klug (misstraut Prinz), streng aber gutmütig, will nur das Beste für die Familie,
bestimmt Ehepartner für Emilia
Claudia Galotti, Mutter
ist Vater unterstellt, Vertrauensperson von Emilia, will nur das Beste für Emilia, nicht so „hell“,
unkritisch, naiv, anfällig für den Glanz des Hofes
Der Prinz
wenig verantwortungsbewusst, da er verliebt ist, blind, absolutistisch
Marinelli, Kammerherr des Prinzen
hinterhältig, gescheit, will wahrscheinlich selbst Anspruch auf Macht des Prinzen
Conti, Maler
kommt nur im ersten Aufzug vor; lässt Zuschauer Dinge erfahren: Vorgeschichte, Emilia ist schön,
Charakter des Prinzen
Graf Appiani
Sollehemann von Emilia (keine weiteren Angaben: wahrscheinlich gescheit, nett..)
Gräfin Orsina
aufgeklärte Frau („Philosophin“), die Mut hat, ihren Verstand zu benutzen, denkt selber und lässt sich
nicht täuschen, kritisch, kann kombinieren, mutig, nicht faul, auch nicht feige
Inhaltszusammenfassung
Emilia soll verheiratet werden mit dem Grafen Appiani. Doch der Prinz ist in Emilia verliebt und will die
Heirat verhindern. Er zieht Marinelli zu Hilfe. Dieser plant einen Hinterhalt auf die Kutsche der Galottis,
wobei der Graf Appiani getötet wird. Da dieser Überfall in der Nähe des Schlosses des Prinzen
geschieht, wird Emilia auf dieses Schloss „gerettet“. Hierher kommt schließlich auch ihr Vater
Odoardo. Odoardo trifft auf Orsina, der Ex-Geliebten des Prinzen. Diese durchschaut gleich das
Spielchen und erklärt es Odoardo. Dieser bringt mit Hilfe eines Dolches, den Orsina ihm gegeben hat,
seine Tochter Emilia um.
Thematisches
Die Liebesbeziehungen des Prinzen zu Orsina und Emilia werden von der tief eingewurzelten
Vorstellung der Käuflichkeit und der Beherrschbarkeit durch Macht bestimmt. Der Prinz ist der
absolute Herrscher. Diesem feudalistischen Prinzip steht das erwachende, in Emilia und ihrem Vater
verkörperte Bürgertum gegenüber, das sich nicht länger beherrschen lassen will, den Gegensatz aber
nicht revolutionär, sondern durch ein Selbstopfer (Tod Emilias), aufhebt.
Die Familie (dargestellt durch Odoardo und den Grafen Appiani) fällt dem Herrscher zum Opfer
(Hauptvorwurf des Stückes), obwohl sie sich der Welt des Hofes schon weitgehend entzogen hat.
(Odoardo und Appiani wohnen auf dem Land)
Aber auch innerhalb der Familie gibt es „Probleme.“ Odoardo repräsentiert ganz den herkömmlichen
Patriarchen, der alle Macht über seine Familie hat.
Funktion der bürgerlichen Familie: Der Eigenwille des Kindes soll gebrochen und der ursprüngliche
Wunsch nach freier Entwicklung seiner Triebe und Fähigkeiten durch den inneren Zwang zur
unbedingten Pflichterfüllung ersetzt werden.
Der Schluss des Dramas ist umstritten. Einige sehen darin eine Vertröstung auf eine jenseitige
Erlösung, andere eine Kritik Lessings an der unpolitischen Haltung des dt. Bürgertums.
Problem (z.B.):
Was verleitet den Vater dazu, zu denken, er müsse seine Tochter töten?
- übertriebenes Tugendbedürfnis?
- Rebellion gegen Adel?
-?
zu: „Irrungen, Wirrungen“:
Handlung (aus: zumwiki)
Der Roman handelt von der Liebe zwischen dem Adligen Offizier Baron Botho von Rienäcker und der
jungen Näherin Lene Nimptsch. Beide wollen ihre Standesgrenzen nicht überwinden und heiraten
einen anderen Partner, mit dem sie ein mäßig glückliches Leben bestreiten.
Lene wohnt mit ihrer alten Pflegemutter in einem kleinen Häuschen auf dem Gelände einer Gärtnerei
in der Nähe des Zoologischen Gartens in Berlin. Bei einer Bootspartie lernt sie Botho kennen.
Während des Sommers kommen sich die beiden näher und verlieben sich rasch. Das Paar genießt
seine Verliebtheit, ohne illusionäre Zukunftspläne zu schmieden oder von einer längeren Beziehung
auszugehen.
Nach einigen Treffen mit Lene wird der Baron per Brief eines Tages zu einer Unterredung mit seinem
Onkel Kurt Anton von Osten bestellt. Dieser erinnert ihn daran, dass er seiner reichen Cousine Käthe
von Sellenthin so gut wie versprochen ist.
Eine gemeinsame Landpartie zu Hankels Ablage scheint zum Höhepunkt in Lenes und Bothos
Beziehung zu werden. Als jedoch drei Freunde Bothos hinzukommen, bemerkt der Aristokrat, dass er
in der Öffentlichkeit keinen natürlichen Umgang mit Lene pflegen kann und die Stimmung des Paares
verschlechtert sich nachhaltig. Bald darauf erhält Botho einen Brief seiner Mutter, der die prekäre
Finanzlage der Familie bemängelt und die Abhilfe durch Heirat Käthes empfiehlt, so dass sich Botho
von Lene trennt. Da Lene von Anfang an damit gerechnet hat, hat sie dafür Verständnis.
Einige Wochen später heiratet der Offizier seine Kusine, wobei ihn vor allem Vernunftgründe dazu
bewogen haben. Bald bemerkt er die Oberflächlichkeit seiner neuen Ehefrau, der es zudem an
Ernsthaftigkeit fehlt. Sobald Lene ihren Exfreund zufällig auf der Straße sieht, beschließt sie, das
Stadtviertel zu verlassen.
Im neuen Stadtviertel lernt Lene den Fabrikmeister Gideon Franke kennen. Nachdem dieser ihr einen
Heiratsantrag gemacht hat, erzählt Lene von ihrem Vorleben. Franke, ein etwa fünfzigjähriger
Sektierer, der schon einen Amerikaaufenthalt hinter sich hat, ist geneigt, über diese Vorgeschichte
hinwegzusehen, sucht aber dennoch Botho in dessen Wohnung auf, um sich von der Beziehung zu
Lene erzählen zu lassen. So erfährt der Baron vom Tod der Frau Nimptsch und besucht anschließend
deren Grab, um dort einen Kranz niederzulegen.
Außerdem verbrennt er, von alten Erinnerungen aufgewühlt, Lenes Briefe. Dennoch kann dieser
symbolische Akt seine Sehnsucht nach seiner ehemaligen Geliebten nicht beseitigen. Der Roman
endet damit, dass er mit einer kleinen Bemerkung - anlässlich der Hochzeitsanzeige Lenes und
Gideon Frankes in einer Zeitung - zu Selbsterkenntnis kommt: "Gideon ist besser als Botho."
Figurenübersicht
Interpretation
Fontanes Hauptintention ist der Protest gegen die Konventionen und Sittenkodex seiner Zeit. Obwohl
das Paar eher als Antiheld handelt und nicht wie beispielsweise in Schillers "Kabale und Liebe" die
Standesgrenzen zu sprengen versucht, regt es doch an, die Zustände der Gesellschaft in Frage zu
stellen. Der Autor stellt die Normen seiner Zeit als einengend dar. Er diskreditiert insbesondere den
Adel und schafft in Käthe oder dem Onkel negative Vertreter. Fontane verarbeitet zudem persönliche
Erlebnisse, weil auch er in seinem Leben wie Botho gehandelt hat.
Das Motiv der klassenübergreifenden Liebe
Das Motiv der standes- und klassenübergreifenden Liebe war im Jahr 1888 durchaus nicht neu für die
Literatur. Auch im vorhergehenden Jahrhundert schon wurden Freiheit des Individuums und freie
Partnerwahl als miteinander im Zusammenhang stehend betrachtet. Am Ende des Romans haben
Botho und Lene jeweils einen akzeptablen Ehepartner. Käthe zeichnet sich durch ihre Attraktivität, die
finanzielle Absicherung, sowie durch die Sicherung der adligen Familientugend aus. Über Bothos
Vorleben macht sie sich keine großen Gedanken, und als sie die verbrannten Briefe Lenes im Kamin
findet, geht sie recht oberflächlich darüber hinweg. Auch Gideon sichert seine Partnerin finanziell ab.
Im Gegensatz zu Käthe weiß er über Lenes frühere Liebschaften genauer Bescheid, entschließt sich
aber bewusst, ihr diese zu verzeihen. Allerdings wird die Eheschließung zwischen Lene und Gideon
Franke gleich vor der Kirche von Passantinnen kommentiert, die betonen, dass ein Ehemann, der
doppelt so alt ist wie seine junge Frau, ohnehin keine großen Ansprüche erheben könne, und die ein
mögliches Scheitern der Ehe andeuten: Franke könne Lene, wenn es wieder munkele, gleich mit
seinen Vatermördern töten.
Die Wahl der Namen
Zweimal wird im Roman selbst auf die Namen der Personen eingegangen: Frau Dörr meint, ein
Christenmensch könne doch eigentlich gar nicht Botho heißen, und Botho selbst kommentiert Lenes
Eheschließung gegenüber seiner jungen Frau mit dem vieldeutigen Satz: Gideon ist besser als Botho.
Dies bezieht sich im Kontext des Romans allerdings eher auf die Namensträger als auf die Namen
selbst, denn während Botho der Gebieter bedeutet, lässt sich Gideon mit Hacker, Zerstörer
übersetzen - beides keine ausschließlich positiven Assoziationen. In Kombination mit den Nachnamen
der Figuren ergeben sich jedoch weitere Zusammenhänge.
Botho, dessen klägliche Vermögenslage im Roman von verschiedenen Personen ausgiebig
besprochen wird, gebietet fast über rien - das französische Wort für nichts. Tatsächlich bestehen die
Ländereien der Familie Rienäcker nicht mehr aus Äckern, sondern aus sumpfigen Ranunkelwiesen
und einem romantischen, aber nutzlosen Muränensee. Er hat ebenfalls die gleichen Initialen wie
Rexin (B. v. R.), dem er auch von der Liebe zu einer Bürgerlichen abrät.
Gideon, der wie sein biblischer Namensvetter gegen Ungläubige ins Feld zieht, trägt den Nachnamen
Franke - der Freie. Tatsächlich erhebt er sich über gesellschaftliche Konventionen und besitzt die
Freiheit, Lene trotz ihres nicht mehr makellosen Rufes zu ehelichen.
Lenes Vorname Magdalena wird dem Leser erst in der zweiten Hälfte des Romans deutlich. Man kann
hier an die Assoziationen denken, die die katholische Kirche zeitweise zu Maria Magdalena hatte,
aber auch daran, dass diese Frau eine der wenigen weiblichen biblischen Gestalten ist, die nicht nur
über ihren Mann oder ihren Vater definiert werden, sondern eine gewisse Selbstständigkeit besitzen.
In der ersten Hälfte des Romans allerdings lässt Lene auch an den Namen Helena denken, die auf die
Helena von Troja, die schönste Frau im alten Griechenland, zurückzuführen ist. Auch Lene Nimptsch
hat sich von Jugend auf daran gewöhnt, für sich selbst zu entscheiden und einzustehen. Ihr von der
Adoptivmutter übernommener Nachname Nimptsch spielt auf den wirklichen Namen des Dichters
Nikolaus Lenau an.
Käthe, eigentlich also Katharina, ist im Kontrast zu Lene durch ihren Namen als die Reine
gekennzeichnet. Obwohl im Club besprochen wird, dass sie schon mit vierzehn Jahren in der Berliner
Pension umcourt wurde, hat sie offenbar kein nennenswertes Vorleben hinter sich, sondern ihr
Lebenslauf entspricht den Normen und Standeskonventionen.
Rezeption des Romans
Der Roman erschien im Jahre 1887 zunächst in der Vossischen Zeitung und stieß bei den Lesern
durchgängig auf Ablehnung und heftige Kritik.
Heutzutage ist nur noch schwer nachvollziehbar, dass die Darstellung dieser Liebesbeziehung als zu
freizügig angesehen wurde. Auf Ablehnung stieß nicht nur, dass der Roman eine Beziehung zeigt,
welche die Standesschranken nicht respektiert, von den meisten Lesern wurde es auch als
problematisch empfunden, dass Fontane die Frau aus niederem Stand nicht nur als gleichwertig,
sondern in mancher Weise auch als moralisch überlegen dargestellt hat.
zu: „Der Vorleser“
Inhaltsübersicht nach Kapiteln
Erster Teil
Kapitel 1. (Seite 5)
Der Ich-Erzähler erzählt von dem Vorfall, als er sich einst im Oktober auf dem Nachhauseweg von der
Schule auf der Strasse übergeben muss und dabei von einer Frau erblickt wird, die sich seiner
annimmt, ihn auf dem Hof vor ihrem Haus in der Bahnhofstrasse wäscht und ihn anschließend nach
Hause, in die Blumenstrasse, bringt. Da seine Mutter darauf besteht, dass er sich bei dieser Frau mit
einem Blumenstrauß bedankt, sein Arzt jedoch noch am gleichen Tag Gelbsucht diagnostiziert, kann
er dies erst 5 Monate später, also im Februar, tun.
Kapitel 2. ( Seite 8)
Er beschreibt das Haus in der Bahnhofstraße, das bereits abgerissen worden ist, und das neue Haus,
das heute an dessen Stelle steht. Auch schildert er seine Träume, in denen immer wieder und an den
verschiedensten Orten das alte Haus der Bahnhofstrasse vorkommt. Seine Träume wiederholen sich
ständig.
Kapitel 3. (Seite 12)
Eine Erinnerung an den Besuch dieser Frau mit dem Namen Schmitz, an das Haus in dem sie wohnt
und an ihre Wohnung. (Er kann sich zwar sehr gut an sie selber, jedoch bis heute nicht an ihr
damaliges Gesicht erinnern.)
Kapitel 4. (Seite 15)
Die Handlung setzt bei seinem ersten Besuch bei Frau Schmitz ein und endet damit, dass er sich vom
fesselnden Anblick ihres nackten Körpers losreißt, indem er einfach davonläuft. Weiterhin beschreibt
er sehr genau den Nachhauseweg und die Tatsache, dass er sich ziemlich über sein Verhalten
geärgert hat und seine Reaktion selbst nicht ganz hat verstehen können. Denn vom Typ her, wie er
feststellt, wäre Frau Schmitz nicht gerade die Frau gewesen, die ihm auf der Strasse aufgefallen wäre.
Und so erkennt er erst Jahre später, dass es nicht ihr Äußeres, sondern ihre Art sich zu bewegen und
ihr Inneres war, was ihn damals beeindruckt hat.
Kapitel 5. (Seite 19)
Es dauert eine Woche, bis er Frau Schmitz wieder besucht, eine Woche voller Sehnsüchte, Gedanken
und Träume. Dass er die Schule noch nicht besuchen darf, macht die Zeit noch qualvoller. Er erzählt
von seinen Phantasien und Träumen im Krankenbett und Krankenzimmer, das nach der langen
Krankheit völlig damit imprägniert ist, obwohl es ihm bereits besser geht. Er schildert auch seine
Gedanken, die ihm in der Frage, ob er Frau Schmitz besuchen solle oder nicht, begleiten und erkennt,
dass sein Verhalten oftmals nicht seinem Denken und Entscheiden folgt.
Kapitel 6 (Seite 23)
Als er vor ihrer Tür auf sie wartet und sie schließlich von der Arbeit nach Hause kehrt, erkennt er an
ihren Kleidern, dass sie Straßenbahnschaffnerin ist. Nachdem er einige Augenblicke später völlig
verschmutzt mit zwei Koksschütten, die sie ihn gebeten hat aus dem Keller zu holen, wieder nach
oben in ihre Wohnung zurückkehrt, lässt sie ihm ein Bad einlaufen, da sie der Meinung ist, dass er so
schmutzig nicht wieder nach Hause könne, und verführt ihn schließlich, als er sich aus der
Badewanne erhebt, um von ihr abgetrocknet zu werden.
Kapitel 7 (Seite 28)
Bereits in der nächsten Nacht merkt er, dass er sich in sie verliebt hat, und versucht sich klar zu
machen, ob dies der Preis für die Nacht mit ihr sei und dafür, dass sie ihn verwöhnt hat. Er erinnert
sich an seine Kindheit und daran, wie er von seiner Mutter umsorgt und verwöhnt worden ist, und fragt
nach den Gründen dafür. Daraufhin entscheidet er sich, wieder in die Schule zu gehen. Erstens will er
seine Männlichkeit, die er erworben hat, zur Schau stellen und zweitens will er Frau Schmitz von nun
an jeden Tag sehen, was er nicht könnte, wenn er noch weiterhin zu Hause bleiben würde. Von
seinem Entschluss, wieder in die Schule zu gehen, berichtet er sofort seinen Eltern, wobei er aber
immer stärker merkt, wie er sich von seiner Familie und seinem Zuhause entfernt und gleichzeitig ein
neuer Lebensabschnitt für ihn beginnt.
Kapitel 8 (Seite 33)
Die folgenden Tage schwänzt er die letzte Stunde, damit er bereits um zwölf Uhr, wenn ihre Schicht
endet, bei ihr sein kann. Sie duschen und lieben sich. Um halb zwei muss er schnellstens nach Hause
zum Mittagessen. Am 6. oder 7. Tag fragt er schließlich nach ihrem Vornamen und merkt, dass sie
auch seinen noch nicht weiß, obwohl er täglich seine, mit seinem Namen versehenen Bücher auf
ihren Küchentisch legt. Auch erzählt er ihr von seiner bereits so lange andauernden Krankheit und
davon, dass er für sie die Schule schwänzt, da er keine Hoffnung mehr hat, noch versetzt zu werden.
Doch schon sehr bald bemerkt er ihre Wut darüber und verspricht ihr sofort wieder, sich zwar noch mit
ihr zu treffen, jedoch auch wieder für die Leistungen in der Schule zu kämpfen.
Kapitel 9 (Seite 38)
Die ersten Gedanken sind die Gedanken an damals, an die Zeit des gemeinsamen, jedoch
vergangenen Glücks, die Gedanken an die Schulzeit, daran, dass er von seinen Lehrern und
manchen Mitschülern nicht richtig wahrgenommen wurde und wie sich dies dann durch ihn, aber auch
durch Hanna änderte. Er erzählt aus der Zeit mit Hanna, als er sich mit ihr über ihre Vergangenheit
und Zukunft unterhielt und davon, dass er mit ihr in den Osterferien mit dem Fahrrad wegfahren
wollte. Im Gegensatz zu der Gegenwart seiner Mutter, die er damals bereits als peinlich empfand,
macht ihm die Gegenwart Hannas, obwohl sie 21 Jahre älter ist als er, stolz. Heute staunt er über die
Sicherheit, die ihm Hanna damals gab. Er erinnert sich an die letzten Wochen, bevor das Schuljahr
endete und daran, wie er gekämpft hat, es zu bestehen, doch auch daran, wie oft er sich noch mit
Hanna traf und wie er ihr aus verschiedenen Büchern vorlas.
Kapitel 10 (Seite 45)
Als die Osterferien anfangen, steigt er gleich am ersten Tag um halb fünf Uhr morgens in den Zug, in
dem auch Hanna unterwegs ist, setzt sich jedoch nicht in den ersten Wagen, wo sich Hanna und der
Fahrer befinden, sondern in den zweiten, in dem er sich mehr Privatheit und wenigstens einen Kuss
von ihr erhofft. Während der langen Fahrt bis nach Schwetzingen, die ihm wie ein Alptraum vorkommt,
ignoriert ihn Hanna. Und auch mittags um zwölf, als er traurig, enttäuscht und über ihr Verhalten
verwundert zu ihr kommt und nach den Gründen für ihre Ignoranz fragt, verhält sie sich nicht anders.
Dass er natürlich nur ihretwegen mitgefahren ist, sieht sie nicht ein. Stattdessen redet sie ihm ein,
dass er sie nicht habe kennen wollen. Sie bittet ihn aus der Wohnung, lässt ihn aber eine halbe
Stunde später, als er wiederkommt und die ganze Schuld auf sich nimmt, wieder ein und verzeiht ihm.
Doch auch die folgenden Wochen verlaufen nicht anders. Bei jedem Streit verzeiht sie ihm und liebt
ihn erst dann wieder, wenn er kapituliert, ganz gleich, ob er Recht oder Unrecht hat.
Kapitel 11 (Seite 51)
In der Woche nach Ostern fahren sie für vier Tage mit dem Fahrrad weg. Um für Hanna zu sorgen
und für sie zahlen zu können, verkauft Michael seine Briefmarkensammlung. Ihre gemeinsame Zeit ist
sehr harmonisch und Hanna genießt die Tage, ohne sich um irgendetwas kümmern zu müssen. Doch
eines Morgens, als Michael früher aufsteht, um ihr gemeinsames Frühstück und eine Rose für Hanna
zu holen, und ihr die Nachricht auf einen Zettel schreibt, den er auf den Nachttisch legt, ist es vorbei
mit Hannas guter Laune. Empört und enttäuscht darüber, dass er einfach so gegangen ist, schlägt sie
ihm mit einem Gürtel ins Gesicht und lässt ihn erst wieder an sich heran und schläft mit ihm, als er die
Schuld auf sich genommen hat. Doch vorher muss er ihr natürlich wieder vorlesen. Somit ist alles
wieder in Ordnung und Michael ist sogar der Meinung, der Streit habe sie noch näher zueinander
geführt. Daraufhin schreibt er ihr ein Gedicht.
Kapitel 12 (Seite 58)
Michael erinnert sich an den Preis, den er bezahlen musste, um auch noch die letzte Woche der
Ferien alleine mit Hanna zu verbringen. Er ließ sich von seiner kleinen Schwester erpressen, für die er
Kleider stehlen musste, damit diese in der einen Woche zu Bekannten käme, so wie es Michaels
Eltern planten, und nicht darauf bestünde mit ihm zu Hause zu bleiben. Auch für Hanna stiehlt er ein
Nachthemd, das er ihr in dieser Woche zum Geschenk macht. Er kocht für sie bei sich zu Hause, liest
ihr aus seines Vaters Büchern vor und schläft mit ihr.
Kapitel 13 (Seite 63)
Er beschreibt Erinnerungen an den Wechsel von der Unter- in die Obersekunda, bei dem seine alte
Klasse aufgelöst wurde und er in eine neue Klasse kam, in der er unter anderen Sophie kennenlernte,
die ihm gut gefiel und mit der er sich gut verstand.
Kapitel 14 (Seite 67)
Michael erzählt von dem gemeinsamen Sommer mit Hanna, den er einen Gleitflug seiner Liebe nennt,
und davon, dass er ihr aus Tolstois Roman „Krieg und Frieden" vorliest, was viel Zeit in Anspruch
nimmt. Auch erzählt er von der lustigen Zeit, in der sie die verschiedensten Kosenamen füreinander
erfanden oder sich eines Tages „Kabale und Liebe" im Theater ansahen. Doch genauso
erwähnenswert wie die gute ist auch die weniger gute Zeit mit Hanna. Denn schon bald merkt
Michael, wie gerne er sich mit seinen Freunden im Schwimmbad, ja manchmal sogar lieber als mit
Hanna trifft. Besonders stark zeigt sich das Gefühl, als er an seinem Geburtstag aus dem
Schwimmbad zu ihr kommt und das Treffen aufgrund ihrer schlechten Laune im Streit ausartet, den
Michael jedoch nach einigen Augenblicken aus der blitzartig zurückkehrenden Angst, sie zu verlieren,
schlichtet.
Kapitel 15 (Seite 72)
Michael verrät Hanna, indem er sich vor seinen Freunden nicht zu ihr bekennt, was ihm aber zu
schaffen macht. Auf seine Bedrücktheit hin wird er eines Tages von seiner Mitschülerin Sophie
angesprochen, vor der er es aber trotz des Gefühls, es ihr anvertrauen zu können, nicht schafft, sein
Geheimnis um Hanna zu lüften.
Kapitel 16 (Seite 75)
Nie erfährt Michael, was Hannas Leben ausfüllt, wenn sie nicht gerade arbeitet oder mit ihm
zusammen ist. Und wenn er es gerne erfahren will, weicht Hanna immer wieder mit ihren Antworten
aus. Er weiß, dass sie manchmal allein ins Kino geht, erinnert sich auch an Filme, die sie beide
mögen. Doch trotzdem ist Hanna immer diejenige in der Beziehung, die den Ton angibt und bestimmt,
ob und wann sie sich sehen. Nur ein einziges Mal, erinnert sich Michael, sah er sie unverabredet und
nur ein Mal traf er sie mehr oder weniger durch Zufall im Schwimmbad, kam jedoch nicht dazu mit ihr
zu reden, da sie sofort wieder verschwand, als er aus der Ferne einen kurzen Moment lang seinen
Blick von ihr ließ.
Kapitel 17 (Seite 79)
Am folgenden Tag, nach der Begegnung im Schwimmbad, ist Hanna verschwunden und Michael
versucht alles, was in seiner Macht steht, um sie wiederzufinden, doch leider vergeblich. Er beschreibt
seine folgenden und sehr qualvollen Tage ohne Hanna.
Zweiter Teil
Kapitel 1
Michael verdrängt die Erinnerung an Hanna und ist gleichzeitig in seinen Empfindungen abgestumpft,
weil er sich nie wieder demütigen lassen will. Seine Mitmenschen müssen unter seinem
„großspurigen, überlegenen Gehabe" leiden. Oft verspürt Michael sogar Genugtuung, wenn er andere
verletzt.
Kapitel 2
Zum ersten Mal nach ihrem Verschwinden sieht Michael Hanna im Gerichtssaal bei einem KZProzess wieder, den das Seminar, an dem er während seines Jurastudiums teilnimmt, zum
Gegenstand hat. Die Studenten des Seminars wollen die Verbrechen und Greuel ihrer Eltern voller
Eifer ans Licht bringen und triumphierend hochhalten.
Kaiptel 3
Bei der Gerichtsverhandlung erfährt Michael, dass Hanna vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1944 in
Auschwitz sowie im Winter 44/45 in einem Arbeitslager bei Krakau als Wächterin eingesetzt war. Sie
hatte sich für diese Tätigkeit freiwillig gemeldet, obwohl ihr Siemens zuvor eine Stelle als Vorarbeiterin
geboten hatte. Michael sieht diese Frau, mit der er viele glückliche Stunden verbracht hatte, ohne
dabei irgend etwas zu empfinden („Ich fühlte nichts").
Kapitel 4
Michael ist wie betäubt gegenüber Hanna, obwohl er sie genau betrachtet und sie sich vorzustellen
versucht. Die gleiche Betäubung wirkt sich auf seine gesamte Wahrnehmung aus, weil er dem
Prozess jeden Tag beiwohnt und täglich mit den Geschehnissen aus dem KZ konfrontiert wird, so
dass er sich nach einiger Zeit daran gewöhnt und sich davon distanziert.
Kapitel 5
Die Anklage wird verlesen: Hanna soll eine von fünf Aufseherinnen gewesen sein, die aus Auschwitz
in ein kleines Außenlager bei Krakau beordert worden waren. Wahrend ihres Zugs nach Westen, den
sie gegen Kriegsende zusammen mit den Gefangenen antraten, kamen bei einer Bombennacht
mehrere Hundert Frauenhäftlinge in einer Kirche, die durch die Bomben angezündet worden ist, ums
Leben. Der Hauptanklagepunkt gilt jener Bombennacht, weil die Aufseherinnen die Gefangenen in der
brennenden Kirche eingesperrt ließen und so alle Frauen bis auf eine Mutter mit ihrer Tochter
verbrannten. Beide sind nach Israel ausgewandert. Die Tochter hat ihre Erlebnisse im Lager und beim
Zug nach Westen in einem Buch festgehalten. Mutter und Tochter sind die Hauptzeugen, wobei die
Tochter nach Deutschland gekommen ist und die Anhörung der Mutter in Israel erfolgt.
Kapitel 6
Es entstehen Widersprüche zwischen dem, was Hanna aussagt und was sie an anderer Stelle im
Protokoll gelesen und unterschrieben hat. Sie redet mit keiner der anderen Angeklagten und
protestiert gegen deren angeblich falschen Aussagen. Sie gibt zu, an den Selektionen der schwachen
Arbeiterinnen, die nach Auschwitz gebracht wurden, beteiligt gewesen zu sein. Auch obwohl sie
wusste, dass man die Gefangenen dort tötete, tat sie ihre Aufgabe. Sie stellt dem Richter die prekäre
Frage, was er denn an ihrer Stelle unternommen hätte, und bekommt vom verwirrten Richter nur eine
unzureichende Antwort.
Kapitel 7
Hanna beharrt weiterhin auf der Wahrheit, auch wenn es durchaus möglich wäre die Aussagen der
Tochter zu bestreiten, was im Sinne aller Beteiligten, so auch der Zeugen aus dem Dorf, wäre. Zum
Beispiel könnte man versichern, dass man immer noch unter dem Befehl der Wachmannschaften
stand und dadurch weder den Angeklagten noch den Zeugen vorgeworfen werden kann, nicht
gehandelt zu haben. Doch Hanna verstrickt sich in noch tiefere Widersprüche mit den anderen
Angeklagten und schürt damit ihren Hass. Es kommt dabei zur Aussprache, dass Hanna Schützlinge
unter den Häftlingen hatte, um die sie sich verstärkt kümmerte und die nicht zu arbeiten brauchten.
Sie holte sie abends zu sich, um sich von ihnen vorlesen zu lassen, bis sie sie eines Tages zum
Transport nach Auschwitz auswählte.
Kapitel 8
Michael liest in dem Buch der Tochter auf Englisch die genaue Schilderung der letzten Monate im
Krakauer Lager sowie den für die meisten letzten Aufenthalt in der Kirche eines verlassenen Dorfes.
Man erfährt auch, wie es Mutter und Kind geschafft hatten, den Brand in der Kirsche zu überleben: Sie
sind in der allgemeinen Panik und dem Geschrei auf die Empore geflüchtet, die erstaunlicherweise
vom Feuer verschont geblieben war.
Kapitel 9
Entgegen dem Bericht aus den Akten der SS beteuern alle außer Hanna ihre Unschuld. Dieser sei
falsch. Darin steht, dass die unter den Angeklagten befindlichen Häftlinge dafür sorgen mussten, dass
keine der Gefangenen aus der Kirche fliehen konnte. Die anderen behaupten, bei dem Einschlag
verletzt worden zu sein oder sich um die Verwundeten gekümmert und so nichts vom Brand in der
Kirche mitbekommen zu haben. Hanna aber beharrt darauf, den Bericht gemeinsam mit den anderen
verfasst und geschrieben zu haben, nachdem die anderen sie für die alleinige Schreiberin erklären.
Als es jedoch zu einer Untersuchung der Schrift kommen soll, gibt es Hanna unvermittelt zu, den
Bericht alleine geschrieben zu haben. Sie gesteht zudem, die Kirche deshalb nicht aufgeschlossen zu
haben, weil sie befürchtet habe, dass im allgemeinen Aufruhr alle Gefangenen fliehen könnten und sie
ihre Aufsichtspflicht verletzen würde.
Kapitel 10
Michael kommt bei einem Spaziergang plötzlich zur Lösung aller Fragen: Hanna kann nicht lesen und
schreiben. Nur aus Angst vor Bloßstellung hatte sie es zugegeben, den Bericht geschrieben zu haben,
und so die gesamte Schuld auf sich genommen. Deshalb ließ sie sich vorlesen. Jene Angst vor
Bloßstellung hat sie ihr gesamtes Leben lang bei allen Entscheidungen begleitet.
Kapitel 11
Nun schieben die übrigen Angeklagten alle Schuld von sich auf Hanna. Sie soll als Hauptakteurin
Befehle erteilt und Entscheidungen getroffen haben. Michael ist unsicher, ob er sich in den Prozess
einmischen und dem Vorsitzenden Richter die Wahrheit über Hanna anvertrauen sollte.
Kapitel 12
Michael hat eine Unterredung mit seinem Vater, die zu keiner Lösung seines Problems führt.
Kapitel 13
Die Gerichtsverhandlung wird für zwei Wochen zur Befragung der Mutter nach Israel verlegt. Obwohl
er es sich vorgenommen hat, kann sich Michael nicht aufs Studium konzentrieren, weil er ständig an
Hanna denken muss und sie sich als KZ-Aufseherin vorzustellen versucht.
Kapitel 14 / 15
Michael beschließt zum Konzentrationslager Struthof zu fahren. Er wird von einem Mann
mitgenommen, mit dem er darüber ins Gespräch kommt, was die Gründe für ein solches
Massenmorden wie im Dritten Reich sein konnten. Der Mann versucht ihm klarzumachen, dass die
Offiziere lediglich ihrer Arbeit nachgingen und weder aus Hass noch aus Abscheu, sondern allein aus
Routine die Hinrichtungen vollstrecken ließen. Als Michael den Mann fragt, ob er einer von den
besagten Offizieren gewesen sei, wirft ihn dieser aus dem Wagen. Seine Besichtigung des
Arbeitslagers verhilft ihm nicht zu der gewünschten Veranschaulichung, weil das Lager ohne die
vielen tausend Häftlinge eine vollkommen friedliche Stimmung zur Schau trägt.
Kapitel 16
Obwohl er sich dazu entschließt, Hannas „Lebenslüge" dem Vorsitzenden Richter aufzudecken,
kommt es zu keiner Aussage und Michael wird erneut von der anfänglichen Betäubung und
Gleichgültigkeit gefangengenommen.
Kapitel 17
Bei der Urteilsverlesung im Juni bekommen Hanna lebenslänglich und die anderen zeitlich begrenzte
Freiheitsstrafen.
Dritter Teil
1. Kapitel, S.159
Im Winter nach dem Prozeß wird Michael, obwohl er kaum noch soziale Kontakte pflegt, von einer
Gruppe anderer Studenten über Weihnachten auf eine Skihütte eingeladen. Dort bekommt er, da er
nie friert und immer im Hemd fährt, eine starke Erkältung und hohes Fieber. Seine Erklärung dafür,
warum er "nicht friert, obwohl er frieren müßte" (S.160) lautet: "Die Betäubung (mußte) sich meiner
körperlich bemächtigt haben..., ehe sie mich loslassen, ehe ich sie loswerden konnte."
Nach Beendigung seines Studiums erlebt Michael als Referendar den Sommer der
Studentenbewegung mit, nimmt jedoch nicht aktiv an dieser teil. Er erklärt seine Passivität mit der
Distanz, die er zu den anderen Studenten verspürt, wenn es um die Aufarbeitung der
nationalsozialistischen Vergangenheit geht.
2. Kapitel, S.164
Michael heiratet Gertrud, eine ehemalige Mitstudentin und Kollegin, die er auf der Skihütte
kennengelernt hat, als diese von ihm ein Kind erwartet. Nach fünf Jahren jedoch lässt er sich
scheiden, da seine Ehe, wie auch alle anderen späteren Beziehungen zu Frauen, immer durch die
Erinnerung an Hanna belastet ist.
3. Kapitel, S.167
Während er sein zweites Examen macht, erfährt Michael vom Tod des Professors, der das KZSeminar geleitet hat. Auf der Beerdigung trifft er einen alten Kommilitonen und unterhält sich mit
diesem über alte Zeiten. Als er ihn jedoch über seine Beziehung zu Hanna befragt - die unter den
Studenten im Seminar durchaus bemerkt worden ist - ergreift Michael buchstäblich die Flucht und
rennt ohne große Verabschiedung zu seiner Straßenbahn.
4. Kapitel, S.171
Nach dem Referendariat arbeitet Michael zunächst bei einem Professor an der Universität und
wechselt später an eine Forschungseinrichtung, wo er über Rechtsgeschichte forscht.
5. Kapitel, S.174
Michael beginnt, für Hanna auf Kassetten zu lesen und ihr diese ins Gefängnis zu schicken. Auch als
er selbst zu schreiben anfängt, liest er Hanna vor und merkt dabei stets, ob an seinem Manuskript
noch Korrekturen und Veränderungen vorzunehmen sind. Er sagt von sich selbst: "Hanna wurde die
Instanz, für die ich noch mal alle meine Kräfte, alle meine Kreativität, alle meine kritische Energie
bündelte." (S.176)
6. Kapitel, S.177
Im vierten Jahr ihres Kontaktes erhält Michael von Hanna eine kurze handschriftliche Nachricht. So
erfährt er, dass sie im Gefängnis begonnen hat, schreiben und lesen zu lernen. Hanna schickt ihm
nun immer wieder kurze Kommentare zu den einzelnen Autoren, welche von Michael über die Jahre
hinweg alle aufbewahrt werden.
7. Kapitel, S.181
Nach neun Jahren erhält Michael einen Brief von der Gefängnisleiterin. Sie eröffnet ihm, dass Hanna
im folgenden Jahr entlassen werden soll. Gleichzeitig bittet sie ihn, als deren einzige Kontaktperson
Hanna nach ihrer Entlassung ein wenig zu betreuen und sie auch davor noch einmal zu besuchen.
Michael beginnt daraufhin, sich um Arbeit, Wohnung und soziale Bildungsmöglichkeiten für Hanna zu
kümmern. Den Gefängnisbesuch jedoch schiebt er auf bis zu letzten Woche vor Hannas Entlassung.
8. Kapitel, S.184
Michael besucht Hanna im Gefängnis. Obwohl er versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, ist
Michael erschrocken von Hannas stark gealtertem Gesicht und ihrer Gestalt, er empfindet Distanz und
Entfremdung.
9. Kapitel, S.189
In großer Eile trifft Michael die letzten Vorbereitungen für Hannas Besuch. Am Nachmittag, bevor er
sie abholen soll, ruft er noch einmal im Gefängnis an und spricht zunächst mit der Gefängnisleiterin
und dann mit Hanna über ihre Entlassung und das "Programm" des folgenden Tages.
10. Kapitel, S.191
Als Michael am nächsten Morgen ins Gefängnis kommt, erfährt er, daß Hanna sich erhängt hat.
Zusammen mit der Leiterin besucht er ihre Zelle. Dort liest ihm diese Hannas Testament vor, in
welchem sie ihm aufträgt, ihr gespartes Geld der Tochter zu geben, die mit ihrer Mutter den Brand in
der Kirche überlebt hat. Bevor er das Gefängnis verlässt, wirft Michael noch einen Blick auf Hannas
Leiche und hat ein letztes Mal den Eindruck, als "schiene im toten Gesicht das Lebende auf." (S.197)
11. Kapitel, S.199
Im folgenden Herbst fährt Michael nach New York, um der Tochter das Geld zu übergeben. Er erzählt
ihr von seiner Beziehung zu Hanna, und beide beschließen, das Geld einer jüdischen Vereinigung zur
Bekämpfung des Analphabetismus zu spenden.
12. Kapitel, S.205
Nach zehn Jahren, während derer Michael sich ständig mit seiner und Hannas Geschichte innerlich
auseinandersetzen muss, meint er schließlich, seinen "Frieden mit ihr gemacht" (S.206) zu haben. Ein
einziges Mal nur hat er Hannas Grab besucht, um dort das Dankesschreiben, der "Jewish League of
Illiteracy", das er für die Spende erhalten hat, abzulegen.
Im Roman erwähnte Autoren und Werke / Wort- und Sacherklärungen
S.29 Rekonvaleszentenspaziergang – von Rekonvaleszenz: Zeit, in der ein Kranker auf dem Wege
der Genesung ist
S.36 Untersekunda – viertletzte Klasse eines Gymnasiums (10. Schulbesuchsjahr)
S.40 Siebenbürgen – Landesteil in Rumänien, innerhalb des Karpatenbogens
S.40 Julien Sorel, Madame de Rênal, Mathilde de la Mole – Figuren aus «Le Rouge et le Noir »
Chronik des 19. Jhdts. von Stendhal (Marie-Henri Beyle), franz. Schriftsteller (1783-1842)
S.40 Thomas Mann – dt. Schriftsteller, 1875-1955; Roman: "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix
Krull"
S.40 Johann Wolfgang von Goethe – dt. Schriftsteller, 1749-1832 und Charlotte von Stein, 17421842, enge Freundin und vertraute Goethes.
S.42 Homer – griech. Schriftsteller, 8.Jhd.v.Chr.(?); Epos: "Odyssee" Die Odyssee ist mit ihren 24
Gesängen in Hexametern das zweitälteste Werk der abendländischen Literatur. Das Epos
schildert die zehn Jahre währende Irrfahrt des Odysseus aus dem Trojanischen Krieg und
seine Abenteuer.
S.42 Cicero – Marcus Tullius (106-43 v. Chr.), berühmter römischer Redner, Schriftsteller und
Politiker, bekanntestes Werk: 4 Reden gegen den Verschwörer Catilina
S.42 Ernest Hemmingway – amerik. Schriftsteller, 1898-1961; Roman :"Der alte Mann und das
Meer"
S.43 Gotthold Ephraim Lessing – dt. Dramatiker, 1729-1781; Drama: Emilia Galotti
S.43 Friedrich Schiller – dt. Schriftsteller; Drama: Kabale und Liebe
S.51 Wimpfen, Amorbach, Miltenberg – Orte in der Landschaft zwischen Neckar und Main
S.53 Forsythie – (Goldglöckchen), frühblühender Zierstrauch
S.56 Joseph von Eichendorff, dt. Schriftsteller, 1788-1857; Erzählung: "Aus dem Leben eines
Taugenichts"
S.57 Gottfried Benn – dt. Lyriker, 1886-1956
S.57 Rainer Maria Rilke – dt. Schriftsteller, 1875-1926
S.61 Immanuel Kant – dt. Philosoph, 1724-1804
S. 61
Hegel- Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831), deutscher Philosoph. Er lehrte, dass sich der
absolute Geist", Gott in der Kunst der Religion und der Geschichte offenbare.
S. 62
Analytik- Prüfung eines verwickelten Tatbestandes
S. 62
Dialektik- Von dem griechischen Philosophen Zeno, Sokrates, Plato entwickelte Kunst, im
Zwiegespräch (Dialog) Erkenntnisse zu finden. Heute gelegentlich auch als spitzfindige Art
der Rede oder Beweisführung bezeichnet.
S.63
S.66
S.67
Obersekunda- drittletzte Klasse eines Gymnasiums (11. Klasse).
Nausikaa- Homer erzählt in der Odyssee, dass Odysseus auf seiner Irrfahrt zu der Insel der
Phäaken, einem sagenhaften Volk, gelangte. Die Königstochter Nausikaa fand ihn am
Strand und führte ihn zu ihrem Vater, den König Alkinoos, der Odysseus in seine Heimat
Ithaka bringen ließ.
„Krieg und Frieden"- (Vojna i Mir )- Roman von Lev. N. Tolstoi (1828-1910)
In seinem Werk gestaltet Tolstoi die Epoche der Napoleonischen Kriege von 1805- 1812, an
deren Ende der Sieg Russlands stand, wobei der Epilog aber einen Ausblick auf das Jahr
1820 enthält.
In den „Friedensepisoden" sowie in den „Kriegsschilderungen", zeigt sich Tolstois
realistische Erzählkunst in nahezu hoher Meisterschaft. Doch hier wie dort, kommt es
Tolstoi nicht so sehr auf den Hergang des Geschehnisses selbst, sondern auf das
Verhalten der daran beteiligten Menschen an.
So wird für die Charaktere vor allem der Krieg zu einer Art Prüfstein, der Eigenschaften wie
Tapferkeit, Feigheit, Opferbereitschaft oder Egoismus zutage fördert (Hier schneiden Andrei
und Natasa gut ab).
Von den historischen Persönlichkeiten, erscheint Kutuzov bescheiden und wohl wissend,
dass es nicht in seiner Macht steht, den Gang der Dinge zu lenken, als wahrer Held des
Krieges. Der Gegensatz dessen, ist Napoleon .
Tolstoi schildert auch gerne historische und militärische Ereignisse vom Standpunkt eines
Augenzeugen.
Die Szenen kontrastieren ständig mit wechselnden Bildern und Stimmungen (Freude,
Trauer, Begeisterung, Verzweiflung), was dem Leser noch mit dem raschen Ortswechsel
den Eindruck einer stetigen Bewegung vermittelt.
S. 68
Auch ist die Personendarstellung ziemlich komplex, wobei Tolstoi die alte sokratische
Spruchweisheit von der körperlichen Schönheit als Spiegelung der seelischen, umkehrt.
Natasa, Andrei, Pierre- Figuren aus „Krieg und Frieden" von TolstoiNeben der ursprünglichen Zentralfigur Pierre (illegitimer Sohn und alleiniger Erbe des
steinreichen Grafen Bezuchov), treten auch Familien des gutmütigen verarmten Grafen
Rostov, des strengen Fürsten Bolkonskij und als Gegenstück zu diesem alten, echt
russischen Gutsadel, die des Höflings Fürst Kuragin.
Während die Familien mit den Töchtern Natasa, Marja und Helene als weibliche
Hauptcharaktere in den im „Frieden" spielenden Szenen auftreten, nehmen die Söhne
Nikolaj, Andrei und Anatol am Krieg teil.
Die Freunde Andrei Bolkonskij und Pierre Bezuchov, die zwar in ihrem Äußeren und z.T. in
ihren Anschauungen kontrastieren, sind mit ihrem Schöpfer aber geistesverwandt: Wie er
sind sie auf der Suche nach sittlichen Idealen und dem Sinn des Lebens.
Ihre sich auf einer höheren geistigen Ebene vollziehende Entwicklung, verläuft in manchem
parallel, doch führt Pierres Weg weiter: Er wird zu einem mit seinem Volk verbundenen
Bürger, der sich sieben Jahre nach Kriegsende (1820) einem dekabristischen Geheimbund
anschließt.
Aber auch Andrei wandelt sich: Zunächst hochmütiger Staboffizier und ruhmsüchtiger
Bewunderer Napoleons, wird er zum aktiven Frontsoldaten und glühenden Patrioten von
Borodino, wo er schwer verletzt seinem Rivalen Anatol wegen der versuchten Entführung
seiner ehemaligen Verlobten Natasa, vergibt.
Diese anmutige, lebhafte, natürliche und gefühlsvolle Natasa, wird im Epilog als eine in ihrer
glücklichen, kindergesegneten Ehe mit Pierre, aufgehende Frau gezeichnet.
S.174 Anton Tschechow, russ. Dramatiker, 1860-1904
S.174 Arthur Schnitzler, österr. Schriftsteller, 1862-1931
S.175 Theodor Fontane, dt. Schriftsteller, 1819-1898
S.175 Heinrich Heine, dt. Lyriker, 1797-1856
S.175 Eduard Mörike, dt. Schriftsteller, 1804-1875
S.176 Franz Kafka, dt. Schriftsteller, 1883-1924
S.176 Max Frisch, dt. Schriftsteller, 1911-1991
S.176 Ingeborg Bachmann,dt. Lyrikerin, 1926-1973
S.176 Uwe Johnson, dt. Schriftsteller, *1934
S. 176 Siegfried Lenz, dt. Schriftsteller, *1926
S.179 Stefan Zweig, dt. Schriftsteller, 1881-1942
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Schlink, Der Vorleser - 1. Teil
Wie baut man einen Interpretationsaufsatz auf?
Interpretation des 10. Kapitels
Bei der Abfassung eines Interpretationsaufsatzes ist eine Gliederung zugrunde zu
legen, die das Gerüst der Gedankenführung im Zuge der sprachlichen Ausarbeitung
darstellt. Am Beispiel des 10. Kapitels von Bernhard Schlinks Roman »Der
Vorleser« könnte man dabei von folgenden Überlegungen ausgehen.
Ist das Thema z. B. wie in der nachfolgenden mehrteiligen Arbeitsanweisung
gestellt, lässt es sich nach der Erfassung der darin formulierten Anforderungen in
die anschließenden Gliederung bringen. Diese stellt dabei nur eine Variante
verschiedener Gliederungsmöglichkeiten eines Interpretationsaufsatzes dar.
Arbeitsauftrag:
Interpretieren Sie das Geschehen im 10. Kapitel (Teil 1) des Romans.
1. Ordnen Sie dazu das Kapitel in das Geschehen des 1. Teils des
Romans ein.
2. Fassen Sie den Inhalt des Kapitels in Form einer kurzen
Inhaltsangabe zusammen.
3. Untersuchen Sie das Verhalten von Hanna und Michael in diesem
Kapitel.
Arbeiten Sie dabei heraus, welche Ursachen der entstehende Konflikt
hat und wie die beiden Personen damit umgehen.
4. Zeigen Sie auch über die Kapitelgrenze hinweg auf, welche
Bedeutung dem Geschehen für die weitere Entwicklung der
Beziehung von Hanna und Michael zukommt.
Grundsätzlich kann sich der Aufbau des Interpretationsaufsatzes auch am allgemeinen
Gliederungsschema orientieren, wobei freilich die jeweiligen Vorgaben in der mehrteiligen
Arbeitsanweisung zu berücksichtigen sind.
A. EINLEITUNG
Variante 1 (autor- und werkorientierte Einleitung)
 Informationen über Bernhard Schlink, seinen Lebenslauf und/oder sein Gesamtwerk
 Entstehungszeit des Textes
 Titel, Thema, Textsorte (Überblicksinformation), Kurzinhalt
Variante 2 (rezeptionsorientierte Einleitung)



Darlegung der bei der ersten Lektüre des Textes gewonnenen Erstleseeindrücke
Beschreibung der Entwicklung des Verständnisprozesses von der ersten Lektüre hin zu
dem gewonnenen Stand des Vorverständnisses nach seiner Behandlung im Unterricht
Entwicklung einer oder mehrerer zum Thema passenden Interpretationshypothese(n)
Variante 3 (themenorientierte Einleitung)


Bei der Interpretation des 10. Kapitels des 1. Teils stellt die Entwicklung der Beziehung
von Hanna und Michael während ihrer Affäre den thematischen Schwerpunkt dar. Daher
könnte eine themenorientierte Einleitung sich prinzipiell oder unter aktuellem Vorzeichen
damit befassen. Sie könnte
o die auch heute noch „anrüchige“ Beziehung einer so viel älteren Frau mit einem
Jugendlichen ansprechen
o Prinzipien einer gleichberechtigten Beziehung zwischen Männer und Frauen
darstellen
o die Rolle der Sexualität für das Funktionieren einer Beziehung thematisieren.
Die themenorientierte Einleitung darf dabei nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss
mit einer Überleitung zum Hauptteil enden, nach dem Muster: „... Was heute vielen
Menschen noch anrüchig erscheint, war früher noch in erheblich stärkerem Maße
gesellschaftlich geächtet.
Die Beziehung zwischen der 36-jährigen Hanna Schmitz und dem 15-jährigen Schüler
Michael Berg, die Bernhard Schlink in seinem Roman „Der Vorleser gestaltet, ist eine
solche Affäre, die in Ende der fünfziger Jahre spielt. ....
Analog lassen sich thematische Einleitungen zu den anderen wichtigen Themen des
Romans gestalten wie Adoleszenz, Schuld, Nationalsozialismus oder Analphabetismus.
B. HAUPTTEIL
(Je nach gewählter Einleitung kann der Übergang zum Hauptteil ohne Überleitung erfolgen. In
jedem Fall aber muss - wenn nicht schon in der Einleitung geschehen - der Autor und sein Werk sowie die zu interpretierende Textstelle bzw. das zu interpretierende Kapitel erwähnt werden.)
1. Textwiedergabe / Inhaltsangabe
 Einordnung der Textstelle in das Textganze ggf. unter Berücksichtigung
des Text- bzw. Handlungsaufbaus in gegliederter Form
 Inhaltsangabe der zu interpretierenden Textstelle ggf. unter
Berücksichtigung des Textaufbaus (Sinnabschnitte)
2. Textbeschreibung / -analyse
 Analyse des 10. Kapitels unter dem Blickwinkel der Fragestellung:
o Anlass und Ursache des Streites zwischen Hanna und Michael
o Das Verhalten Michaels und die Beweggründe für sein Verhalten
o Das Verhalten Hannas und die Beweggründe ihres Verhaltens
o Die Beurteilung des Konfliktes durch das erlebende Ich des jungen
Michael Berg und das erzählende Ich des 50-Jährigen
 Formanalyse: Analyse der verwendeten Darbietungsformen (z. B.
szenische Darstellung, Erzählerbericht, innerer Monolog) und ihrer
Wirkung
 Erfassen und Darlegen der Aussageabsicht des Textes bzw. der
vermuteten Autorintention
3. Gesamtinterpretation
 Gesamtwertung, persönliche Stellungnahme, Bezugnahme auf das dargelegte
Vorverständnis des Textes
C. SCHLUSS
(Auf einen gesonderten Schluss kann u. U. auch verzichtet werden, wenn er nicht wirklich
Gesichtspunkte beinhaltet, die über das bisher Gesagte hinausweisen. Auf keinen Fall einfach
einen Standardsatz „ankleben“ wie: „ Ich finde den Text sehr interessant und ich finde gut, was da
erzählt wird.“)



Zusammenfassung der Ergebnisse
Bedeutung des Textes für die Gegenwart
Beurteilung der Wirkung
Was ist bei diesen Anweisungen verlangt?
Interpretation des 10. Kapitels
Zur Interpretation des 10. Kapitels von Bernhard Schlinks Roman »Der Vorleser«
könnte die folgende mehrteilige Arbeitsanweisung gestellt werden:
Arbeitsauftrag:
Interpretieren Sie das Geschehen im 10. Kapitel (Teil 1) des Romans.
1. Ordnen Sie dazu das Kapitel in das Geschehen des 1. Teils des Romans ein.
2. Fassen Sie den Inhalt des Kapitels in Form einer kurzen Inhaltsangabe
zusammen.
3. Untersuchen Sie das Verhalten von Hanna und Michael in diesem Kapitel.
Arbeiten Sie dabei heraus, welche Ursachen der entstehende Konflikt hat und
wie die beiden Personen damit umgehen.
4. Zeigen Sie auch über die Kapitelgrenze hinweg auf, welche Bedeutung dem
Geschehen für die weitere Entwicklung der Beziehung von Hanna und Michael
zukommt.
Was ist bei diesen Arbeitsanweisungen verlangt?
Ganz allgemein gilt: Eine mehrteilige Arbeitsanweisung ist stets nur ein Hinweis auf die
Gesichtspunkte, die bei der Interpretation in jedem Fall behandelt werden müssen. Zugleich stellt sie
meistens eine Art „Fahrplan“ dar, nach der eine Interpretation aufgebaut sein sollte. Die meistens
durchnummerierte Form der Arbeitsanweisung darf aber nicht so aufgefasst werden, als handle es
sich dabei um einzelne Aufgaben, die wie in einer Klassenarbeit, z. B. in Biologie, nacheinander
„abgehakt“ werden können. Alle Teile zusammen geben das Ganze des Interpretationsaufsatzes, der
ein zusammenhängendes Textganzes darstellt.
Die Nummern der einzelnen Arbeitsanweisungen haben daher in der schriftlichen Ausarbeitung des
Interpretationsaufsatzes nichts zu suchen!
Wer dem „Fahrplan“ der mehrteiligen Arbeitsanweisung folgt, sollte dabei zwischen den einzelnen
Teilen des Aufsatzes Absätze einfügen. Wer kann, fügt eine Überleitung hinzu, ansonsten kann der
Übergang aber auch ohne sie erfolgen.
Grundsätzlich kann sich der Aufbau des Interpretationsaufsatzes auch am allgemeinen
Gliederungsschema orientieren, wobei freilich die jeweiligen Vorgaben in der mehrteiligen
Arbeitsanweisung zu berücksichtigen sind. (vgl. Wie baut man einen Interpretationsaufsatz auf?)
ad 1)
Ordnen Sie das Kapitel in das Geschehen des 1. Teils des Romans ein.
Handlungsverlauf
davor liegende Handlung
danach kommende Handlung
Das Wesentliche
Textstelle
Inhalt
Analyse
Interpretation
Wichtiges auf
die Textstelle
fokussiert
©teachSam
Grundsätzlich geht es bei dieser Aufgabe darum, die zu analysierende und zu interpretierende
Textstelle in ihren inhaltlichen und strukturellen Bezügen zum Gesamttext zu betrachten. (vgl. FAQ:
Wie ordnet man eine Textstelle ein?)
Grundsätzlich geht es bei dieser Aufgabe darum, die zu
analysierende und zu interpretierende Textstelle in ihren
inhaltlichen und strukturellen Bezügen zum Gesamttext zu
betrachten.
W



Das Wesentliche der Handlung vor und nach der zu analysierenden Textstelle, und zwar
auf diese fokussiert (s. Abb.), zu erfassen und wiederzugeben.
Darüber hinaus sollen Handlungselemente erfasst und wiedergegeben werden, die für das
Geschehen der Textstelle bzw. dessen Verständnis besonders wichtig sind.
Wesentliche und auf das Geschehen der Textstelle fokussierte Handlungselemente nach
der Textstelle zu erfassen und wiederzugeben.
Ehe man sich also an eine wahllose Wiedergabe des gesamten Textinhalts vor und nach der
betreffen Textstelle macht, muss man also folgende Fragen beantworten:





Was ist vor der zu analysierenden Textstelle geschehen?
Was sind die wichtigsten Geschehnisse?
Welche Geschehnisse usw. sind unter dem Blickwinkel dessen, was in der zu
analysierenden Textstelle bzw. der Fragestellung dazu passiert, besonders wichtig?
Was geschieht unmittelbar nach der Textstelle, was im weiteren Verlauf der
Handlung?
Welche der nachfolgenden Geschehnisse sind in einem besonders engen
Zusammenhang mit dem zu sehen, was sich in der zu analysierenden Textstelle
ereignet?
Die Fragen zeigen aber auch, dass ein Text bestimmte Strukturen aufweisen muss, damit die
Einordnungsaufgabe in dieser Weise angegangen werden kann.
Eine einfache Eindordnungsaufgabe bezieht sich dabei auf einen Text, der z. B. dessen Inhalt z.
B. zeitlich linear und einsträngig mit einer Haupthandlung und ohne Nebenhandlungen auskommt.
Hier ist entscheidend, dass man, ebenso linear, das tut, was
Wenn, wie im obigen Beispiel, eine detailliertere Inhaltsangabe der zu analysierenden Textstelle
verlangt ist, kann man nach dem Reißverschlussprinzip oder nach dem Blockprinzip verfahren.


Beim Reißverschlussprinzip baut man die inhaltliche Wiedergabe der betreffenden
Textstelle in den Teil seines Textes dort ein, wo sie bei der Einordnung hingehört. In diesem
Fall kann es daher sinnvoll sein, den Inhalt dieser Textstelle unter Beachtung der
vorgegebenen Arbeitsanweisung ausführlicher als das andere auszubreiten. Im Anschluss
daran fährt man dann mit der Wiedergabe der weiteren Handlung fort.
Beim Blockprinzip nimmt man die Einordnung der Textstelle vor, indem man das
Wesentliche der gesamten Handlung und des für die Textstelle Wichtigen wiedergibt, ohne
der Textstelle selbst besonderes Gewicht zu geben oder eine besondere Ausführlichkeit
zuteil werden zu lassen. Im Anschluss daran verfasst man dann eine Inhaltsangabe der
Textstelle unter Berücksichtigung der betreffenden Arbeitsanweisung.
An den Anfang der Einordnung stellt man eine Überblicksinformation über den Text, aus der
zumindest Autor, Titel und Textart hervorgeht.
Im vorliegenden Fall des 10. Kapitels des „Vorlesers“ bedeutet dies:



Das Wesentliche der Handlung vor und nach dem Geschehen im 10. Kapitel wiederzugeben.
Handlungselemente zu erfassen und wiederzugeben, die für das Geschehen im 10. Kapitel
bzw. dessen Verständnis besonders wichtig sind.
Wesentliche und auf das Geschehen im 10. Kapitel fokussierte Handlungselemente nach
diesem Kapitel zu erfassen und wiederzugeben.
Wie geht man vor?
Zunächst einmal muss man natürlich erfassen, worum es im 10. Kapitel des Romans geht. Dies lässt
sich u. a. durch die Beantwortung der folgenden Fragen klären:










Was ereignet sich am ersten Tag der Osterferien während der Straßenbahnfahrt nach
Schwetzingen?
Warum unternimmt Michael die Fahrt?
Wie erlebt Michael die Tatsache, dass er von Hanna während der Fahrt ignoriert wird?
Wie verläuft die Begegnung von Michael und Hanna am Mittag des gleichen Tages?
Was beabsichtigt Michael in diesem Gespräch mit Hanna?
Wie geht Hanna mit Michael in diesem Gespräch um?
Wie endet das Gespräch bzw. die Auseinandersetzung?
Welchen Stellenwert hat diese „Geschichte“ im Verlauf der Beziehung zwischen Hanna und
Michael bis zu diesem Zeitpunkt?
Welche Bedeutung hat sie für die weitere Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden?
Welche Bedeutung hat Michaels Verhalten für seine spätere Entwicklung?
Als kurz gefasste Antwort auf diese Fragen lässt sich festhalten:
Die Auseinandersetzung, die zwischen Hanna und Michael wegen der Geschehnisse während der
frühmorgendlichen Straßenbahnfahrt nach Schwetzingen zu Beginn der Osterferien stattfindet, stellt
den ersten ernsthaften Streit der beiden dar, wenn man von der Auseinandersetzung um das
Schulschwänzen Michaels (Teil I, 8. Kap., S.36) absieht. Michael sieht sich in seinen Motiven
missverstanden und von Hanna zu Unrecht verletzt und gedemütigt. Er ist auf dem Heimweg von
seinen Gefühlen so überwältigt, dass er länger weint. Als er Hanna gegen Mittag zu Hause zur Rede
stellen will, dreht Hanna den Spieß um. Sie macht Michael nun ihrerseits die heftigsten Vorwürfe.
Zugleich droht sie ihm mit Liebesentzug und fordert ihn mit klaren Gesten auf zu gehen. Sie tut dies,
obgleich Michael völlig verunsichert beginnt, den Fehler allein bei sich zu suchen, und sich
entschuldigt. Eigentlich entschlossen, für immer zu gehen, verlässt Michael Hanna, kehrt aber nach
einer halben Stunde wieder zurück und nimmt alle Schuld auf sich. Mit dem Ritual ihres sexuellen
Zusammenseins gewährt ihm Hanna, ohne dass offenbar weitere Worte nötig sind, ihre Verzeihung.
Sie beantwortet Michaels verunsicherte Frage danach, ob sie ihn liebe, sogar mit einem gestischen
Ja. Dem erzählenden Ich des reifen Michael Berg erscheint freilich das, was sich an diesem Tag
ereignet hat, besonders wichtig. Es erkennt, dass es sich an diesem Tag um eine strategische
Niederlage in einem von Hanna unter Umständen bewusst inszenierten Machtspiel gehandelt hat:
Von diesem Tag an, so urteilt Michael Berg im Nachhinein, habe er Hanna gegenüber stets
bedingungslos kapituliert. Sein Versuch, mit Hanna schriftlich in Form zweier Briefe darüber ins
Gespräch zu kommen, scheitert: Hanna ist schließlich Analphabetin.
Die zentralen Themen des Kapitels sind unter diesem Blickwinkel die Entwicklung der Beziehung
von Hanna und Michael und die Entstehung und Bedeutung von Schuldgefühlen Michaels.
Hat man so erfasst, worum es in der Textstelle geht, muss man sich an die Einordnung des
Geschehens in den Gesamtverlauf der Handlung machen. Das bedeutet zunächst einmal, den Inhalt
des Romans zu überblicken und zusammenzufassen. Dabei soll aber der Inhalt des Romans
keineswegs seitenlang ausgebreitet und jede Einzelheit erwähnt werden. Die Gesamthandlung muss
in ihren wesentlichen Zügen skizziert und jene Gesichtspunkte daraus besonders hervorgehoben
werden, die für das Verständnis des Kapitels besonders wichtig sind. Die Leistung, die hier erbracht
werden soll, ist also nicht der Nachweis darüber, dass man den Text bis zum Ende gründlich gelesen
hat, sondern dass man unter einer bestimmten Problemstellung - wie hier dem Geschehen im 10.
Kapitel - das Wesentliche aus dem Text „herauslesen“ kann.
Dabei können z. B. die folgenden Fragen helfen:





Was ist vor dem 10. Kapitel geschehen?
Was sind die wichtigsten Geschehnisse?
Welche Geschehnisse usw. sind unter dem Blickwinkel dessen, was im 10. Kapitel passiert,
besonders wichtig?
Was geschieht unmittelbar nach dem Geschehen des 10. Kapitels, was im weiteren Verlauf
des 1. Teils des Romans?
Welche der nachfolgenden Geschehnisse sind in einem besonders engen Zusammenhang
mit dem zu sehen, was sich im 10. Kapitel ereignet hat?
ad 2)
Fassen Sie den Inhalt des Kapitels in Form einer kurzen Inhaltsangabe zusammen.
Ohne Aussagekern wird dabei ein kurz gehaltene Inhaltsangabe des zu analysierenden Kapitels
verlangt. Dabei sollten Inhalt und Aufbau der äußeren und inneren Handlung des Kapitels
berücksichtigt werden. Äußere Handlung bedeutet dabei das, was sich als Getanes oder
Geschehenes von außen betrachten lässt, innere Handlung das, was die Personen, hier natürlich
nur der Ich-Erzähler selbst, denken. Wenn sowohl der Inhalt, als auch der Aufbau der inneren und
äußeren Handlung dargestellt werden soll, muss man die Handlung in Sinnabschnitte einteilen. Am
besten stellt man diese Beschreibung des Aufbaus an den Beginn, ehe man sich dann, noch einmal
darauf zurückgreifend, dem Inhalt des jeweiligen Sinnabschnittes wieder zuwendet.
ad 3)
Untersuchen Sie das Verhalten von Hanna und Michael in diesem Kapitel.
Arbeiten Sie dabei heraus, welche Ursachen der entstehende Konflikt hat und wie die beiden
Personen damit umgehen.
Bei diesem Arbeitsauftrag geht es zunächst darum, das Kapitel unter einem systematischen
Blickwinkel zu beschreiben und zu analysieren. Dies erfolgt systematisch, getrennt für Hanna und
Michael, und unter klarem Textbezug, der durch sinngemäßes und wörtliches Zitieren hergestellt
wird. (vgl. FAQ: Wie funktioniert das eigentlich mit einem korrekten Textbeleg?)
Bei der Analyse des Textes muss dabei besonderes Augenmerk auf die Entstehung des Konflikts
und den Umgang von Hanna und Michael damit eingegangen werden.
ad 4)
Zeigen Sie auch über die Kapitelgrenze hinweg auf, welche Bedeutung dem Geschehen für
die weitere Entwicklung der Beziehung von Hanna und Michael zukommt.
Dieser Arbeitsauftrag der Arbeitsanweisung lenkt den Blickwinkel auf den Stellenwert des im 10.
Kapitel stattfindenden Geschehens für die weitere Handlung. Auch an dieser Stelle wird ein
systematischer Ansatz verlangt, der bestimmte Gesichtspunkte der weiteren Handlung herausgreift,
die am Text belegt, den Blick auf die Gesamtinterpretation des Textes richten.
Arbeitsanregung:
Analysieren und interpretieren Sie das 10. Kapitel des 1. Teils aus dem Roman »Der Vorleser« mit
der obigen mehrteiligen Arbeitsanweisung.
Achten Sie dabei darauf, dass die einzelnen Arbeitsaufträge Teile in einem insgesamt
geschlossenen Text darstellen und nicht als einzelne Arbeitsaufgaben „abgehakt“ werden.
zu: Lyrik nach 45
Das visuelle Gedächtnis
oder
Bilder, die Vergangenes vergegenwärtigen &
Erinnerung stiften
Henk Verheugen:
Der Häftling trägt sein Kreuz ... (1947)
Hans Mroczinski:
Stalingradkämpfer (1946)
Rudi Stern: Illustration in Nelly Sachs
Die Wohnungen des Todes (1946)
Rudi Stern: Illustration in Nelly Sachs
Die Wohnungen des Todes (1946)
Titelseite des Buches
Udo Dietmar: Häftling X ... in der Hölle auf Erden. (1946)
Hans Schneider: Illustration zu
Karl Barthel Die Welt ohne Erbarmen (1946)
Karl Barthel:
ebd.
Georg Mc King: Illustration zu
Maria Zarebinska-Broniewska: Auschwitzer Erzählungen
(1949)
Lea Grundig: Vergasung
in: Im Tal des Todes (1946)
Lea Grundig: Das Ungeheuer
In: Im Tal des Todes (1946)
Fritz Taussig:
In the attic (1944)
(Theresienstadt)
Quellen:
Arbeitsgemeinschaft ehem. KZ Flossenbürg e.V. (Hg.):
"Ihrer Stimme Gehör geben." Bonn 2002.
Nelly Sachs: In den Wohnungen des Todes. Berlin 1946.
Lawrence Langer: Art from the Ashes: New York, Oxford
1995.
Lea Grundig: Im Tal des Todes. Dresden Sachsenverlag
1946.
Karl Barthel: Die Welt ohne Erbarmen. Bilder und Skizzen
aus dem KZ. Greifenverlag zu Rudolstadt 1946.
Udo Dietmar: Häftling ... X ... in der Hölle auf Erden.
Thüringer Volksverlag Weimar 1946.
Maria Zarebinska-Broniewska: Auschwitzer Erzählungen.
VVN-Verlag Berlin-Potsdam 1949.
© Material zum Kurs:
Erinnerung an die NS-Vergangenheit in der
Nachkriegsliteratur 1945-49
Thomas Jung (Inst. f. Germanistik)
zurück
Leo Haas:
Ghettoscene (1944)
(Theresienstadt)
Weitere Sekundärliteratur:
Habbo Knoch: Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust
in der deutschen Erinnerungskultur. Hamburg 2001.
Cornelia Brink: Ikonen der Vernichtung. Öffentlicher
Gebrauch von Fotografien aus nationalsozialistischen
Konzentrationslagern nach 1945. Berlin 1998.
Rudolf Wlaschek (Hg.): Kunst und Kultur in
Theresienstadt: eine Dokumentation in Bildern. Gerlingen
2001.
Helga Weissova-Hoskova: Zeichne, was du siehst.
Zeichnungen eines Kindes aus Theresienstadt. Frankfurt
a.M. 2001.
Yasmin Doosry (Hg.): Representations of Auschwitz: 50
years of photographs, paitings and graphics. Krakau 1995.
Nachkriegsliteratur
1945 - 1950
Inhalt
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I. Begriff
II. Historischer Hintergrund
1. Nachkriegsliteratur
o 1.1 Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation
o 1.2 Gruppe 47
o 1.3 Lyrik
o 1.4 Prosa
o 1.5 Drama
2. Literarische Formen
3. Vertreter
4. Werke
I. Begriff
Die Nachkriegsliteratur wird oft auch als "Trümmerliteratur" und "Kahlschlagliteratur" bezeichnet. Mit
Trümmer sind nicht nur die in Schutt und Asche liegenden Städte gemeint, sondern auch die
zerstörten Ideale und Utopien, die Wirklichkeit des Krieges und die Erfahrungen zwischen Tod und
Überleben innerhalb der Trümmer. Die Bezeichnung Kahlschlagliteratur weist auf den Bruch mit der
bisherigen Traditionen der Schriftsteller der Inneren Emigration und einen sprachlichen und
konzeptionellen Neubeginn hin. Dichtungen der Kahlschlagliteratur sind sowohl durch eine
Entpolitisierung und Enthistorisierung, als auch durch eine Zeitlosigkeit bestimmt. Die poetischen
Forderungen der Kahlschlagliteratur konnten jedoch nur in Ausnahmefällen verwirklicht werden.
II. Historischer Hintergrund
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation
Deutschlands. Nach dem Abwurf der amerikanischen Atombomben am 6. und 9. August 1945 auf
Hiroshima und Nagasaki kapitulierte auch Japan.
Mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches war das Leben in Deutschland bestimmt von
Hungersnot und Lebensmittelrationierung, zerstörten Städten und Wohnungsmangel, sowie
zahlreichen Flüchtlingsströmen. Auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 beschlossen die
Siegermächte die Aufteilung Deutschlands und Berlins in vier Besatzungszonen (Sowjetische,
Englische, Amerikanische und Französische Besatzungszone), die Entmilitarisierung (Entwaffnung,
Abrüstung) und Entnazifizierung (Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse), die Demokratisierung (durch
Alliierten Kontrollrat Neueinrichtungen der Medien, Presse und Parteien) und Umsiedlung Deutscher
z.B. aus Schlesien, aus Ostpreußen und aus dem Sudentenland.
In der Sowjetischen Besatzungszone wollte die UdSSR eine Zentralisierung nach sowjetischem
Muster. Die KPD und SPD wurden gezwungen, sich zur SED zu vereinigen. Industriebetrieben und
landwirtschaftliche Betriebe wurden enteignet und verstaatlicht. Reparationen mußten an die UdSSR
geliefert werden. Mit der Währungsreform 1948 wurde die Mark eingeführt. 1948 versuchte die
UdSSR mit der Berlin-Blockade die Kontrolle über die gesamte Stadt zu erlangen. Die Blockade
wurde 1949 mit dem Austritt der UdSSR aus dem Alliierten Kontrollrat beendet. Ein Volksrat, unter
dem Vorsitz Otto Grotewohls, wurde beauftragt eine Verfassung auszuarbeiten. Am 7. Oktober 1949
wurde die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik mit Genehmigung der UdSSR
verkündet. Der erste Staatspräsident wurde Wilhelm Pieck, erster Ministerpräsident Otto Grotewohl.
Die Westzonen Deutschlands sollten nach westlichem Vorbild demokratisiert werden und ein
eigenständiger wirtschaftlicher Neubeginn geschaffen werden. Nach den Parteiengründungen der
SPD, CDU, FDP und CSU wurden die Landesregierungen der einzelnen Bundesländer gewählt. 1947
trat der Marshall-Plan in Kraft. Für den Wiederaufbau und für die Abwendung des Kommunismus
erhielt Westdeutschland amerikanische Kredite. Mit der Währungsreform wurde die DM eingeführt.
Während der Berlin-Blockade unterstützten die Amerikaner und Engländer die Einwohner Westberlins
über eine Luftbrücke mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern. Mit dem Zusammenschluß der
Englischen und Amerikanischen Besatzungszone kommt es zur Bildung der Bizone. Aus der
Vereinigung der Bizone mit der Französischen Besatzungszone entstand die Trizone. Ein
parlamentarischer Rat, gebildet aus den Ministerpräsidenten der einzelnen Länder, wurde mit der
Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes beauftragt. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz mit
Genehmigung der Westmächte verkündet. Am 07. September 1949 wurde die Bundesrepublik
Deutschland gegründet. Konrad Adenauer wurde erster Bundeskanzler, Theodor Heuß erster
Bundespräsident.
Mit der Etablierung der beiden deutschen Einzelstaaten 1949 war die politische Teilung Deutschlands
vollzogen.
1. Nachkriegsliteratur
Die Nachkriegsliteratur war auf vielfache Weise gespalten: ein Teil der Autoren bemühten sich um
eine Verarbeitung der NS-Diktatur, ein anderer Teil um die Verdrängung; es bestand eine Kontroverse
zwischen Innerer Emigration und Exilliteratur; bald vollzog sich auch eine politische Trennung mit der
Etablierung der beiden deutschen Einzelstaaten.
In der Sowjetischen Besatzungszone fand die Verarbeitung der Vergangenheit von vielen
zurückgekehrten Exilautoren eine breite Öffentlichkeit. Zu ihnen gehörten u.a. Bertolt Brecht, Anna
Seghers, Johannes Becher, Arnold Zweig, Stephan Hermlin, Stefan Heym, Erich Arendt und Ernst
Bloch. Die Veröffentlichung von Sammlungen von Werken der Inneren Emigration, wie die Moabitter
Sonette (1945) Alfred Haushofers oder der Gedichtband In den Wohnungen des Todes (1947) von
Nelly Sachs, waren ein anderer Weg den Nationalsozialismus zu verarbeiten.
Thomas Mann lehnte die von Walter von Molo angebotene Rückkehr nach Deutschland mit der
Begründung ab, sich nach der Zeit der NS-Diktatur von seiner Heimat entfremdet zu haben. Dies war
der Auslöser für einen Streit zwischen Exilliteratur und Innerer Emigration.
Exilautoren, die wie Alfred Döblin in die westlichen Besatzungszonen zurückgekehrt waren, mußten
bald feststellen, daß sich ihr Engagement zur Aufarbeitung der Vergangenheit nicht sehr erwünscht
war. Statt dessen setzten sich allmählich konservative Autoren durch, die jüngste Vergangenheit
verdrängte man. Aus Enttäuschung gingen viele der nach Westdeutschland zurückgekehrten
Exilautoren daraufhin erneut ins Exil oder siedelten in die Osthälfte Deutschlands über. Die
konservativen Autoren, wie Werner Bergengruen, Gertrud von Le Fort oder Ernst Wiechert, genossen
ein größeres Ansehen als die Autoren der Zeitschrift Der Ruf oder der Gruppe 47.
Eine endgültige Spaltung der Nachkriegsliteratur trat mit der Etablierung der beiden deutschen
Einzelstaaten ein. Nicht mehr Innere Emigration und Exilliteratur, sondern die politischen
Überzeugungen der Autoren trennte die Literatur in eine konservativ-bürgerliche Literatur und in eine
sozialistisch-orientierte Literatur. Die Differenz der politischen Ideologien der Siegermächte spielte
dabei eine wichtige Rolle. In der Sowjetischen Besatzungszone begann mit dem Aufbau des
Sozialismus auch der staatliche Eingriff auf das kulturelle Leben der Gesellschaft. In den westlichen
Besatzungszonen hingegen legte man Wert auf eine antikommunistische Haltung der Autoren. Eine
der wenigen Gemeinsamkeiten zwischen der Buch- und Zeitschriftproduktion in Ost- und
Westdeutschland war die Kontrolle durch die jeweiligen Besatzungsmächte.
1.1 Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation
Die Zeitschrift Der Ruf wurde 1945/46 von Alfred Andersch und Hans Werner Richter gegründet. Sie
war eine der wichtigsten neugegründeten Zeitschriften und konzentrierte sich v.a. auf kulturelle und
politische Inhalte. Nach einer heftigen Kritik an der amerikanischen Besatzungsmacht verbot diese
1947 die weitere Veröffentlichung der Zeitschrift. Erst mit der Ablösung der Herausgeber durch Eric
Kuby konnte Der Ruf wieder erscheinen. Jedoch verlor die Zeitschrift damit auch an Bedeutung und
wurde 1949 eingestellt.
1.2 Gruppe 47
Nach dem Verbot der Zeitschrift Der Ruf gründete Hans Werner Richter die Gruppe 47. Die Gruppe
47 war ein Netzwerk von Autoren und Verlegern, die sich einmal jährlich für 3 Tage zu einer
Versammlung trafen. Eingeladene Nicht-Mitglieder konnten dabei ihre noch nicht veröffentlichte
Werke vorstellen. Die erste Lesung wurde von Wolfdietrich Schnurre mit seiner Erzählung Das
Begräbnis eröffnet. Die Gruppe 47 galt auch als Talentschmiede, da viele der vorlesenden Autoren
später große Bekanntheit erlangten, z.B. Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, Paul
Celan, Günter Eich, Günter Grass, Wolfgang Hildesheimer, Uwe Johnson, Wolfdietrich Schnurre und
Martin Walser. Die Vereinigung besaß jedoch weder einen Vorstand noch eine Satzung und verfolgte
kein literarisches Programm. Problematiken wie Antisemitismus und Judentum wurden dabei nicht
behandelt. Ebenso wenig fand eine Diskussion über den verlorenen Krieg oder die Teilung
Deutschlands statt. Aktuelle politische Probleme wurden nicht behandelt. Die vorgetragenen Texte
bildeten allein den Schwerpunkt der Diskussionen. Der Auftritt Peter Handkes 1966 und seine
Beschimpfung der Gruppe 47 leitete deren Ende ein. 1967 fand die letzte Zusammenkunft der
Vereinigung statt.
1.3 Lyrik
Die Lyrik wurde in der Nachkriegsliteratur aus dem folgenden Grund zur wichtigsten Gattung: die
Prosa erschien vielen Autoren durch die nationalistische Sprache als verunglimpft und unglaubwürdig.
Viele Autoren sahen daher in der Lyrik die beste Möglichkeit, ihre Empfindungen und Erfahrungen
auszudrücken. Wie die gesamte Nachkriegsliteratur war auch die Lyrik geprägt von der Spannung
zwischen Aufbruchsstimmung und Untergangsstimmung. Die bekanntesten Lyriker waren Johannes
R. Becher, Bertolt Brecht, Günter Eich, Karl Krolow, Elisabeth Langgässer und Hans Erich Nossack.
Die Lyrik Johannes R. Bechers zeichnet sich v.a. durch Formtradition aus. Die häufige Verwendung
der Sonettform brachte ihm bei anderen Autoren, z.B. Stephan Hermlin, jedoch scharfe Kritik ein. Ein
poetischer Neubeginn in der Lyrik gelang keinem Autor. Denn dieser erforderte den Verzicht auf
Ausschmückungen jeglicher Art um die Wirklichkeit möglichst unverfälscht darzustellen. Eine
Ausnahme für diese Kahlschlagliteratur ist das Gedicht Inventur von Günter Eich, das 1945 in einem
Gefangenenlager entstand. Dieses Gedicht blieb jedoch die Ausnahme in seinem Gesamtwerk.
1.4 Prosa
Die Verunglimpfung und Unglaubwürdigkeit der Prosa im Nationalsozialismus bereitete vielen Autoren
der Nachkriegszeit Probleme, ihre Empfindungen in Prosa auszudrücken. Autoren der Inneren
Emigration, wie Werner Bergengruen oder Gertrud von Le Fort, setzten ihre konservativen Dichtungen
fort, die teilweise religiöse Tendenzen enthielten. Einige Exilromane, wie Hesses Glasperlenspiel
(1943) oder Thomas Manns Doktor Faustus (1947) genossen eine breite Rezeption. Der poetische
Neubeginn in der Prosa geschah durch den Anspruch des "Einfachwerdens".
Die wichtigste Prosaform in der Nachkriegszeit war die Kurzgeschichte. Sie wurde von vielen Autoren,
besonders von Borchert und Schnurre, genutzt. Als Vorbild hatten sie die amerikanische short story
sowie die Autoren William Faulkner, Ernest Hemingway und Edgar Allan Poe. Zu den bekanntesten
Kurzgeschichten Borcherts gehören: Die Küchenuhr, An diesem Dienstag und Die Kirschen.
1.5 Drama
Auf den Bühnen der Nachkriegszeit gab es ein unterschiedliches Bild in in der Sowjetischen
Besatzungszone und den westlichen Besatzungszonen. Während im Osten Werke von
Exildramatikern ein großes Publikum fanden, wurden im Westen Lessings Nathan und Goethes
Iphigenie wieder aufgeführt. Von den in der Nachkriegszeit entstandenen Theaterstücken gab es nur
wenige, die ein großes Publikum fanden: Borcherts Draußen vor der Tür (1947), Zuckmayers Des
Teufels General (1946) und Weisenborns Die Illegalen (1946). Diese wurden jedoch nicht in der
Sowjetischen Besatzungszone aufgeführt. Borcherts Draußen vor der Tür galt als Generationenstück,
da sich hier die junge Generation der Heimkehrer mit der Figur Beckmann identifizieren konnte, die
von Erinnerungen des Krieges geplagt ist, diese aber von den Mitmenschen verdrängt wurden.
Zuckmayers Des Teufels General beschäftigte sich mit der Thematik des Militärs im
Nationalsozialismus. Weisenborns Die Illegalen griff die Problematik der Widerstandsbewegungen
auf.
Brecht, dem die Einreise nach Westdeutschland verweigert wurde, übersiedelte 1949 nach Ostberlin,
wo er zusammen mit Helene Weigel das Berliner Ensemble gründete. Mutter Courage wurde im
gleichen Jahr uraufgeführt.
2. Literarische Formen
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Kurzgeschichte
Kurzgeschichte: ist eine leicht überschaubare epische Kurzform, die selten länger als 5 DIN A4
Seiten ist. Sie zeigt einen Ausschnitt aus einer Handlung oder einem Raum und gibt einen wichtigen
Lebensabschnitt eines Menschen wieder. Die handelnden Figuren werden nur gezeigt, sie können
nicht entwickelt werden. Eine Einleitung fehlt häufig, das Ende ist meist offen.
3. Vertreter
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Alfred Andersch (1914-1980)
Johannes R. Becher (1891-1958)
Bertolt Brecht (1898-1956)
Werner Bergengruen (1892-1964)
Heinrich Böll (1917-1985)
Wolfgang Borchert (1921-1947)
Paul Celan (1920-1970)
Günter Eich (1907-1972)
Rudolf Hagelstange (1912-1984)
Albrecht Haushofer (1903-1945)
Walter Kolbenhoff (1908-1993)
Hermann Kossack (1896-1966)
Karl Krolow (1915-1999)
Elisabeth Langgässer (1899-1950)
Gertrud von Le Fort (1876-1971)
Hans Erich Nossak (1901-1977)
Hans Werner Richter (1908-1993)
Nelly Sachs (1891-1970)
Reinhold Schneider (1903-1958)
Arno Schmidt (1914-1979)
Wolfdietrich Schnurre (1920-1989)
Günther Weisenborn (1902-1969)
Wolfgang Weyrauch (1904-1980)
Ernst Wiechert (1877-1950)
Carl Zuckmayer (1896-1977)
4. Werke
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Venezianisches Credo (1945) - Hagelstange
Moabitter Sonette (1945) - Haushofer
Heimkehr (1946) - Becher
An diesem Dienstag (1946) - Borchert
Die Illegalen (1946) - Weisenborn
Des Teufels General (1946) - Zuckmayer
Das ist unser Manifest (1947) - Borchert
Draußen vor der Tür (1947) - Borchert
Jeder stirbt für sich allein (1947) - Fallada
Von unserem Fleisch und Blut (1947) - Kolbenhoff
Doktor Faustus (1947) - Th. Mann
In den Wohnungen des Todes (1947) - Nelly Sachs
Volk, im Dunkeln wandelnd (1948) - Becher
Kalendergeschichten (1948) - Brecht
Interview mit dem Tode (1948) - Nossack
Der Zug war pünktlich (1949) - Böll
Kleines Organon für das Theater (1949) - Brecht
Die Geschlagenen (1949) - Hans W. Richter
Leviathan oder Die beste der Welten (1949) - Arno Schmidt
Tausend Gramm (1949) - Weyrauch
Märkische Argonautenfahrt (1950) - Langgässer
Mißa sine nomine (1950) - Wiechert
Der Gesang im Feuerofen (1950) - Zuckmayer
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Träume (1951) - Eich
Sie fielen aus Gottes Hand (1951) - Hans W. Richter
Der letzte Rittmeister (1952) - Bergengruen
Mohn und Gedächtnis (1952) - Celan
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