Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt · Articles and Books Verhaltenstherapie 2005;15:188–191 Grawe, K. Neuropsychotherapie Göttingen, Hogrefe, 2004, 509 S., 39,95 EUR ISBN 3-8017-1804-2 Schon seit Jahren ist ein Trend zu beobachten, dass neuere psychotherapeutische Methoden auf Ideen der Neurowissenschaften zurückgreifen. Der Verdacht liegt nahe, dass es hier und da um nichts anderes geht, als eine besondere Wissenschaftlichkeit des Verfahrens zu suggerieren. Nun hat, zur Überraschung vieler, der renommierte Psychotherapieforscher Klaus Grawe ein Buch mit dem Titel «Neuropsychotherapie» vorgelegt und postuliert darin nichts anderes als einen Paradigmenwechsel in der Psychotherapie. Er behauptet, die Erkenntnisse der Gehirnforschung müssten das Vorgehen in der Psychotherapie grundlegend verändern. Das Buch ist in vier Abschnitte aufgeteilt. Grawe beginnt mit einer Darstellung der Grundlagen der Arbeitsweise des Gehirnes. Hierbei werden Prinzipien der Gedächtnisbildung und die Funktionsweise von etwa einem Dutzend relevanten Gehirnstrukturen in gut verständlicher Form erklärt. Im zweiten Abschnitt werden bisher erforschte neuronale Korrelate der Depression und Angststörungen beschrieben. Leider fehlen in der Darstellung zahlreiche psychische und psychophysiologische Störungen (etwa Schmerzstörung, Dyslexie, ADHD, Tinnitus etc.), zu denen es in den letzten Jahren einen großen Fortschritt in der neuropsychologischen Theorieentwicklung und teilweise auch Behandlung gegeben hat. Grawe hebt Studien hervor, in denen gezeigt werden konnte, dass Psychotherapie die Funktionsweise des Gehirns verändern kann. Die neurobiologische Psychotherapieforschung ist noch sehr jung, die Methodik der meisten Studien ist längst nicht optimal, aber es zeichnet sich ab, dass wir viel über die Grundlagen einer Symptomverbesserung oder Genesung über solche Studien lernen können. Zudem hat die Gehirnforschung den unschätzbaren Vorteil, in Tierversuchen direkte experimentelle Manipulationen im Gehirn vorzunehmen, um so in der Zusammenschau mit Studien beim Menschen umfassendere Modelle bilden zu können. Es liegt an der rasanten Dynamik der Gehirnforschung, dass ihre Darstellung in einem Lehrbuch nicht auf dem neuesten Stand sein kann. Die seit der Drucklegung des Buches erschienenen Arbeiten zu neuronalen Effekten der Behandlung von Depression und Angststörungen stellen Grawes Darstellungen allerdings nicht grundlegend in Frage. Die zunehmende Präzision der Messmethoden in der neurobiologischen Forschung führt dazu, dass die Unschärfen der derzeitigen Diagnosemanuale mehr und mehr zutage treten. Langfristig wird diese Entwicklung dazu führen, dass die bisher bewusst nicht ätiologisch orientierten Diagnosemanuale © 2005 S. Karger GmbH, Freiburg Fax +49 761 4 52 07 14 E-mail [email protected] www.karger.com Accessible online at: www.karger.com/ver Für die Schriftleitung: Wolfgang Hiller ersetzt werden durch eine Klassifikation, welche auf den Krankheitsursachen basiert, doch bis dahin ist ein langer Weg zu gehen. Grawe umgeht diese Frage, indem er, im dritten Abschnitt seines Buches, eine störungsunabhängige Theorie der Entstehung psychischer Krankheiten aufstellt. Er behauptet, psychischen Störungen liege, hauptsächlich aufgrund frühkindlicher Erfahrungen, eine Inkonsistenz in den Grundbedürfnissen Bindung, Kontrolle, Lust oder Selbstwerterhöhung zugrunde. Nicht alle in diesem Abschnitt aufgestellten Behauptungen sind gut belegt, der Bezug zu neurobiologischen Erkenntnissen ist hier und da etwas gewollt und auch die Beschränkung auf diese vier Grundbedürfnisse (z.B. fehlt gerade sensation seeking als neurobiologisch gut untersuchte Motivation) ist, wie Grawe zugesteht, etwas künstlich. Trotzdem erscheint dieser Abschnitt als eine reiche Ansammlung von höchst relevanten psychologischen und neurobiologischen Erkenntnissen, die allesamt noch nicht ausreichend in der psychopathologischen Theoriebildung genutzt wurden. Im letzten Abschnitt zieht Grawe die Schlussfolgerungen aus seinen Erkenntnissen. Diese werden dargestellt in einer Reihe von Leitregeln für den therapeutischen Prozess und von Methoden zur «Konsistenzverbesserung». Einige der Leitregeln, etwa die Notwendigkeit der Ressourcenaktivierung oder die zentrale Bedeutung der therapeutischen Beziehung, sind nicht ganz neu und werden auch bestätigt durch Ergebnisse der psychotherapeutischen Prozessforschung. Grawes theoretische Begründung dieser Regeln ist jedoch durchaus aufschlussreich und originell. Andere Regeln mögen einer strengen Überprüfung nicht unbedingt standhalten, und die Liste enthält sicherlich nicht alle erdenklichen Konsequenzen aus neurobiologischer Perspektive. So erscheint der Anspruch, auf der Grundlage dieser Leitlinien von einer neuen Therapie, einer Neuropsychotherapie zu reden, verfrüht. Die Stärke von Grawes Buch liegt in der Provokation. Seine Konsistenztheorie mag in sich nicht vollständig konsistent und belegt sein. Aber es ist wichtig zu erkennen, dass viele der psychologischen Theorien, welche die Grundlage gegenwärtiger Goldstandard-Verfahren darstellen (etwa die kognitive Theorie der Depression von Beck) einer aktuellen empirischen Überprüfung nicht mehr standhalten würden. Gerade sein Abweichen von kognitiven, humanistischen oder tiefenpsychologischen Leitgedanken eröffnet den Freiraum, sich in der psychologischen und neurobiologischen Forschung neu umzusehen. Und diese Freiheit wird nötig sein, denn, so zeigt Grawe eindrucksvoll, die mit den gegenwärtigen Behandlungsverfahren erreichten Therapieerfolge sind, beispielsweise bei Depressionen, absolut nicht befriedigend. Gleichzeitig gibt es viele ungenutzten Erkenntnisse, und jeden Tag kommt neues Wissen hinzu, welches unser bisheriges therapeutisches Denken in Frage stellt. Psychotherapeuten werden sich in Zukunft damit Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 8:02:51 PM Verhaltenstherapie Spitzer, M. Von Geistesblitzen und Hirngespinsten Stuttgart, Schattauer, 2004, 122 S., 22,95 EUR ISBN 3-7945-2349-0 Welche Bedeutung hat die Wissenschaft, gerade die Grundlagenforschung, jenseits von wirtschaftlichem Nutzen für die Gesellschaft? Diese Frage verdeutlicht, wie weit die Wissenschaft häufig von den Problemen der Menschen entfernt ist und wie schwer es auch der Gesellschaft fällt, die Bedeutung von Forschungsergebnissen einzuschätzen. Das vorliegende Buch zeigt auf, dass die Neurowissenschaften zentrale Aspekte des menschlichen Zusammenlebens untersuchen. Daher ist es gerade für Neurowissenschaftler besonders wichtig, sich der Bedeutung und möglichen Konsequenzen ihrer Forschungsergebnisse für die Gesellschaft bewusst zu werden. Und die Gesellschaft erwartet, dass die neurowissenschaftliche Forschung bei der Lösung der aktuellen Probleme der Gesellschaft – man denke nur an das deutsche Schulsystem – hilft. Manfred Spitzer hat es mit dem vorliegenden Band ein weiteres Mal geschafft, neue Ergebnisse der Neuropsychologie zu 20 spannenden Geschichten zusammenzustellen. Grundlage dafür sind meist in «Nature» veröffentlichte Artikel, die er in allgemein verständlicher Sprache zu erklären versteht. Die einzelnen Forschungsergebnisse werden darüber hinaus im Kontext eigener Gedanken und Ideen in einen gesellschaftlichen Rahmen gestellt. Insbesondere der Brückenschlag zwischen aktuellen, gesellschaftspolitisch relevanten Themen und den spannenden Forschungsergebnissen regt zum Lesen an. Die ausgewählten Beiträge behandeln neurowissenschaftliche Befunde zu Bereichen wie Lernen, Gedächtnis, Emotionen, Musik und Glaube. Befunde der Neurowissenschaften über Zeugenaussagen, Annahmen zum Glauben, zum optimalen Lernkontext (für Kinder) oder zum Egoismus der Menschen werden anregend dargestellt. Themen wie die immunologischen Effekte von Spermata oder die Effekte von Antidepressiva auf die Plastizität des Gehirns werden spannend aufbereitet. Obgleich gerade bei den ersten Beiträgen die persönliche Sicht des Autors stark im Vordergrund steht und wissenschaftlich Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt Erkenntnisse eher am Rande relevant sind, sollte sich der Leser davon nicht abschrecken lassen. Denn insgesamt findet sich in den meisten Beiträgen eine gelungene Mischung aus amüsant aufbereiteten wissenschaftlichen Informationen und einer klaren Stellungnahme des Autors. Und einen Vorschlag für die Umsetzung der Ergebnisse in die gesellschaftliche Praxis bekommt der Leser gleich mitgeliefert. Dies lädt zur Diskussion ein, die bei dem großen Sprung zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und gesellschaftspolitischer Anwendung auch unerlässlich ist. Somit könnte das Buch auch als anregende Literatur für politische Entscheidungsträger dienen, die empirische Daten, besonders wenn sie durch die Gehirnforschung belegt sind, auch in gesellschaftspolitische Entscheidungen mit einfließen lassen sollten. Das Buch regt den Leser dazu an, über den Rand der wissenschaftlich fundierten, engen und methodenkritischen Diskussion in den Neurowissenschaften hinauszublicken und die Befunde in ihrer gesamten Tragweite zu reflektieren. Er bekommt einen verständlichen Einblick in zentrale Befunde der aktuellen Forschung und wird dadurch sensibilisiert für die Notwendigkeit und den gesellschaftlichen Nutzen der Neurowissenschaft. Grundwissen im Bereich Psychiatrie ist allerdings notwendig, um die zahlreichen Anspielungen der Texte zu verstehen. Zusammenfassend ist das Buch für wissenschaftlich und gesellschaftspolitisch Interessierte eine entspannende und spannende Lektüre, die zum weiteren Nachdenken anregt. Nach der Lektüre hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man liest mehr in «Nature», worauf das Buch Lust macht, oder man bleibt bei den Miniaturen aus der Nervenheilkunde. Als dritte Möglichkeit bietet sich natürlich an, beides zu kombinieren! Andreas Mühlberger und Paul Pauli, Würzburg Hartje, W. Neuropsychologische Begutachtung. Fortschritte der Neuropsychologie, Band 3 Göttingen, Hogrefe, 2004, 108 S., 19,95 EUR ISBN 3-8017-1667-8 Die sachverständige Beurteilung kognitiver und psychischer Funktionsstörungen nach erworbener Hirnschädigung hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Zeichen dafür sind die steigende Zahl von Gutachtenaufträgen gesetzlicher und privater Unfallversicherer und insbesondere der Sozialgerichte. Diagnostisches Wissen allein reicht aber für die professionelle Durchführung einer Begutachtung nicht aus. Notwendig sind auch Kenntnisse der Rechtsgrundlagen, der Untersuchungsplanung und -durchführung, des formalen Aufbaus von Gutachten usw. Dieses Wissen wird im Studium und in der praktischen Berufstätigkeit meist nur unzureichend vermittelt. Der in der Reihe «Fortschritte in der Neuropsychologie» erschienene Band von Wolfgang Hartje versteht sich als praxisorientierter Leitfaden für klinisch tätige Neuropsychologen mit dem Anspruch, theoretische Grundlagen und praktische Gesichtspunkte bei der Begutachtung gleichermaßen zu berücksichtigen und zu verknüpfen. Der Autor weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um eine diagnostische Verhaltenstherapie 2005;15:188–191 189 Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 8:02:51 PM auseinandersetzen müssen, wie man etwa mit der Hilfe von transkranieller Magnetstimulation eine Expositionstherapie wirkungsvoller macht oder wie man mit Medikamenten die Konsolidierung von in der Therapie neu gelernten Gedächtnisinhalten fördert. All diese neuen Entwicklungen werden sich einer rigorosen Evaluierung unterziehen müssen. In diesem Sinne hinterlässt Grawes Buch viele offene Fragen. Die Behauptung, dass die Berücksichtigung einer motivationspsychologischen Perspektive die Rückfallhäufigkeit nach einer Depressionsbehandlung reduziere, ist von großer Bedeutung und Tragweite. Hier genügt nicht der Rückgriff auf Prozessforschung und Korrelationskoeffizienten. Diese Hypothese ist in einer experimentellen Untersuchung zu testen. Denn erst wenn sich in kontrollierten Studien zeigt, dass die neu entwickelten Behandlungsverfahren den herkömmlichen Methoden überlegen sind, wird der Paradigmenwechsel vollzogen sein. Frank Neuner, Konstanz 190 Verhaltenstherapie 2005;15:188–191 der Fahreignung und in Kurzform die wichtigsten Elemente der Durchführung einer Begutachtung sowie Empfehlungen für die Strukturierung eines Gutachtens befinden. Insgesamt bietet das Buch bei manchmal etwas knapper Darstellung zwar nichts wirklich Neues, erfüllt aber durchaus seinen Anspruch als praxisorientierter Leitfaden. Es richtet sich vor allem an Kliniker mit wenig Übung in Begutachtungsfragen. Aber auch der erfahrene Gutachter kann in Hinblick auf künftig anzustrebende einheitliche Standards bei der Erstellung neuropsychologischer Gutachten davon profitieren. Dieter Gottschalg, Hamburg Winiarski, R. Beratung und Kurztherapie mit kognitiver Verhaltenstherapie Weinheim, Beltz PVU, 2004, 175 S., 32,90 EUR ISBN 3-621-27547-9 Die Arbeit in Beratungsstellen ist nicht nur ein wichtiges Tätigkeitsfeld von Psychologinnen und Psychologen, darüber hinaus haben auch viele der in diesem Kontext tätigen Kollegen eine Therapieausbildung bzw. Approbation. Trotzdem wurde dieser Bereich bislang in der kognitiven Verhaltenstherapie wenig beachtet. Umso erfreulicher ist, dass Winiarski der Anwendung von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) im Beratungsbereich ein Buch widmet. Hauptanliegen des Autors ist es, Methoden der KVT für die Beratung zugänglich und im Rahmen unterschiedlicher Beratungsschulen anwendbar zu machen. Er möchte dem Leser ein praxisnahes Manual an die Hand geben, das unter anderem Konzepte beinhaltet, mit denen Probleme identifiziert werden können, die für die Beratung geeignet sind. In den ersten beiden Kapiteln beschreibt Winiarski Basisvariablen im beraterischen Kontext und widmet sich der Beratungssprache. Anschließend gibt er eine Einführung in die KVT, insbesondere in die rational-emotive Verhaltenstherapie von Ellis. Der Autor macht Vorschläge bezüglich einer einfach handhabbaren Beratungsdiagnostik, um Probleme, für die eine Beratung angezeigt ist, von anderen, die z.B. einer Psychotherapie bedürfen, zu unterscheiden. Darüber hinaus stellt er ein dreiphasiges Konzept kognitiver Beratung und Kurztherapie dar. Das folgende Kapitel beschreibt anhand von beispielhaften Problemstellungen das kognitive Arbeiten. Kapitel 5 und 6 widmen sich spezifischen Problemstellungen in der Beratung wie Trauer, Entscheidungs- und Zeitmanagementproblemen. Anschließend werden Techniken zur Verankerung neuer Kognitionen vorgestellt. Kapitel 8 enthält Anregungen zum Erkennen von Widerstand und dem Umgang damit. Schließlich beschäftigt sich das letzte Kapitel mit häufigen Dialogfehlern und dysfunktionalen Therapeutenkognitionen. Sehr positiv ist, dass alle Kapitel des Buches ausführliche Anwendungsbeispiele und Übungsaufgaben enthalten. Die gewählten Beispiele sind praxisnah und typisch für verschiedene Bereiche des Beratungsalltags. Zudem werden für verschiedene, manchmal schwierige Beratungssituationen konkrete und hilfreiche Interventionsmöglichkeiten vorgeschlagen. Das Manual bietet somit die Möglichkeit, KVT-Techniken einzuüben. Leider fehlt dem Buch jedoch eine differenzierte Klärung des- Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 8:02:51 PM Anleitung handelt. Auch wird nicht auf besondere Probleme bei der Bewertung einzelner neurologischer Krankheitsbilder oder ZNS-Schädigungen eingegangen. Zunächst erfolgt eine Darstellung der Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen von Gutachten im Allgemeinen sowie im Besonderen, was bestimmte Auftraggeber und Zielsetzungen angeht. Unterschieden werden dabei finalitätsbezogene (z.B. gesetzliche Rentenversicherung, Versorgungsämter) und kausalitätsbezogene Gutachten (z.B. gesetzliche und private Unfallversicherung, Haftpflichtversicherung) mit ihren besonderen Fragestellungen nach den Auswirkungen bestehender Gesundheitsstörungen (Finalität) bzw. nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen den festgestellten Gesundheitsstörungen und einem schädigenden Ereignis (Kausalität). Eingegangen wird dabei auch auf spezielle Fragestellungen wie Fahreignung, Geschäfts- bzw. Schuldunfähigkeit usw. Anschließend werden spezielle Probleme der neuropsychologischen Begutachtung dargestellt. Erwähnt werden dabei unter anderem Schwierigkeiten bei der Abgrenzung eines Normal-/ Regel-Zustands vom pathologischen, Probleme im Umgang mit Aggravation und Simulation sowie bezüglich der Beweiskraft neuropsychologischer Diagnosen und des festgestellten Kausalzusammenhangs. Zudem wird die Relevanz testpsychologischer Untersuchungen vor dem Hintergrund oft unzureichender Normierungen und nicht immer gesicherter Alltagsvalidität der verfügbaren Verfahren beleuchtet. Die oft ungünstigen Rahmenbedingungen neuropsychologischer Gutachten werden diskutiert. Im Weiteren beschreibt der Autor die Vorbereitung und Durchführung einer neuropsychologischen Untersuchung, wobei insbesondere die Relevanz einer differenzierten Anamneseerhebung bzw. Exploration hervorgehoben wird. Auch werden die zu prüfenden Funktionen mit Hinweisen auf die bekanntesten Testverfahren sowie wichtige Aspekte der Verhaltensbeobachtung in tabellarischer Form aufgeführt. Weitere Themen sind der formale und inhaltliche Aufbau schriftlicher Gutachten sowie das Vorgehen bei der Interpretation der Befunde in Hinblick auf die an den Gutachter gestellten Fragen. Es folgen im Abschlusskapitel drei Fallbeispiele aus unterschiedlichen Rechtsgebieten mit jeweils dafür typischer Fragestellung. Dabei werden die für den jeweiligen Auftraggeber charakteristischen Anforderungen, Möglichkeiten und Probleme herausgearbeitet. Dargestellt werden die gutachterliche Bewertung eines Dialysezwischenfalls (Haftpflichtversicherung), eines Unfalls mit substantiellem Schädel-Hirn-Trauma (private Unfallversicherung) sowie ein komplexes Gutachten in einem Sozialgerichtsstreit zwischen einem Schädel-Hirn-Verletzten und einer Berufsgenossenschaft, bei dem psychoreaktive Störungen und Aggravationsverdacht im Vordergrund stehen. Alle Beispiele stammen aus der Gutachtenspraxis des Autors. Das Buch endet mit Ausführungen zur Vergütung neuropsychologischer Gutachten. Im Anhang finden sich hierzu auch Textbeispiele für entsprechende Kostenrechnungen. Recht praktisch sind die dem Buch beigefügten, herausnehmbaren stabilen Karten, auf denen sich Tabellen für die Bewertung von Hirnschäden bzw. hirnorganisch bedingten Leistungsbeeinträchtigungen, Verfahrensgrundsätze für die Beurteilung Hoffmann, N.; Hofmann, B. Arbeitsstörungen. Ursachen, Selbsthilfe, Rehabilitationstraining Weinheim, Beltz PVU 2004, 191 S., 32,90 EUR ISBN 3-621-27558-4 Vor 10 Jahren stellte Zielke [1995] fest, dass die psychotherapeutisch orientierte Literatur den Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzanforderungen und psychischer Gesundheit bzw. Erkrankungen nahezu völlig ausblendet. Psychotherapeuten hätten häufig kein konkretes Bild von der Arbeitsrealität ihrer Patienten und beurteilten die Wichtigkeit dieses Bereichs auch unterschiedlich. Umso erfreulicher ist es, dass sich Hoffmann und Hofmann dieses Themas angenommen haben und mit dem vorliegenden Buch Hilfestellungen bei arbeitsbezogenen Problemen geben, wobei die Autoren dies auf den Bereich der geistigen Arbeit eingrenzen. Das Buch umfasst drei Hauptteile: nach einer kurzen Einführung, in der die Autoren auf die Merkmale und die Bedeutung der Arbeit sowie auf die Folgen und Ursachen von Arbeitsstörungen eingehen, werden in einem zweiten, sehr anschaulichen Teil unterschiedliche Selbsthilfeansätze beschrieben. Im dritten Hauptabschnitt wird ein Rehabilitationstraining darge- Neuigkeiten vom Buch- und Zeitschriftenmarkt stellt. Ergänzt werden die Kapitel um spezielle Arbeitsblätter. Das Buch soll nach Angaben der Autoren vielfältig genutzt werden können: als Anleitung für Betroffene selbst, im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung oder Beratung (ambulant oder stationär), als Rehabilitationstraining in Gruppen. Das einführende Kapitel ist – sicherlich beabsichtigt – sehr kurz und eher allgemein geraten, wobei sich die Autoren, abgesehen von Hacker (1998), überwiegend auf ältere Literatur beziehen. Das folgende Kapitel zu Auswirkungen und Ursachen widmet sich der Diagnose von Arbeitsstörungen. Die Autoren entwickeln ein Modell zu Ursachen von Arbeitsstörungen. Sie gehen davon aus, dass Arbeitsstörungen auf individuelle Ursachen, ungünstige Arbeitsbedingungen, zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz, Auftragsbeschaffenheit und Aufgabenübernahme, mangelhafte Antriebsregulation, Ausführungsregulation sowie Selbstorganisation zurückzuführen sind. Anhand von diagnostischen Fragen, die sich wohl eher an Behandler oder Berater als an Betroffene wenden, soll eine Zuordnung erfolgen. Dabei ist allerdings insbesondere für Betroffene nicht konkret genug beschrieben, ab wann professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Ein großer Pluspunkt ist sicherlich der zweite Teil, in dem in 13 Modulen Selbsthilfeansätze dargestellt werden. Hier werden Aspekte beschrieben wie Entlastung, Motivation, Zeitplanung, Umgang mit Misserfolgen und Erfolgen, Konflikte am Arbeitsplatz, soziale Kompetenz und Problemlösefähigkeit. Eine gute Orientierung zur Selbstdiagnose stellt die Übersicht auf Seite 27/28 dar. Angesichts der Wichtigkeit dieses Bereichs hätte das Modul 10, Konflikte am Arbeitsplatz, insgesamt etwas breiter bearbeitet werden können, wünschenswert wäre hier z.B. auch ein Verweis auf Beratungsstellen bzw. Mobbingstellen sowie Internetadressen gewesen. Auch das Arbeitsschutzgesetz stellt doch einen wichtigen Hintergrund dar. Ohne Zweifel setzt dieses Buch an den individuellen Bewältigungskompetenzen an, dennoch hätten arbeitsbezogene Überlegungen wie z.B. Anforderungen spezieller Arbeitsplätze oder typische Konfliktsituationen durchaus noch stärker einbezogen werden können. Der letzte Teil stellt auf 20 Seiten ein Rehabilitationstraining vor. Dieses kann als Anregung verstanden werden, wobei die professionellen Nutzer einzelne Aspekte noch weiter ausarbeiten oder andere Trainings heranziehen müssten. Bereiche wie die Vorbereitung der Arbeitswiederaufnahme oder ein Training der Belastbarkeit werden z.B. nur kurz angesprochen. Ohne Zweifel ist dieses anschauliche, gut strukturierte Buch eine Bereicherung für Psychotherapie, Beratung und Coaching. Am überzeugendsten sind dabei die in den 13 Modulen enthaltenen praktischen Anregungen und Übungen. Hier werden Betroffene wie Berater und Behandler sicherlich fündig. Ursula Luka-Krausgrill, Mainz Zielke M: Arbeitsbelastungen und Krankheitsverläufe bei Patienten mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Prax Klin Verhaltensmed Rehabil 1995;32: 271–281. Verhaltenstherapie 2005;15:188–191 191 Downloaded by: 88.99.70.242 - 11/3/2017 8:02:51 PM sen, in welchen Bereichen sich Beratung und Psychotherapie von einander unterscheiden. Die Vorschläge Winiarskis hierzu (z.B. Dauer, Leidensdruck und Veränderungsmotivation) sind in jedem Fall diskutabel. Durch die fehlende Abgrenzung von Beratung und Psychotherapie bleibt an einigen Stellen auch unklar, warum der Autor manche Interventionen als beratungsgeeignet und andere als ungeeignet definiert. Ein weiterer kritischer Punkt ist die vorgeschlagene Beratungsdiagnostik. Winiarskis Vorschlag, das Screening psychischer Störungen über eine einfache Intensitätseinschätzung zu handhaben, ist fachlich nicht angemessen. Hinsichtlich der kategorialen klinischen Diagnostik bleibt offen, wer in einer Beratungsstelle Diagnosen nach ICD-10 stellt und ob solche Kompetenzen in einer Beratungsstelle vorhanden sein sollten. Leider wird auf die gerade in diesem Zusammenhang wichtigen strukturellen Aspekte der Beratungsarbeit nicht eingegangen. Weiterhin muss auch kritisch darauf hingewiesen werden, dass wichtige Bestandteile der Beratung wie z.B. Problemkonzeptualisierung oder Aufbau von Therapiemotivation weitgehend fehlen. Schade ist auch die einseitige Betonung der kognitiven Therapie – hat doch die KVT sehr viel mehr für die Beratung zu bieten. Ein größerer Einbezug von Interventionen auf anderen Ebenen wäre prinzipiell möglich gewesen. Zuletzt bleibt kritisch anzumerken, dass die beispielhaften Themenbereiche (Trauer, Zeitmanagement und Entscheidungsprobleme) sehr kurz abgehandelt werden und dadurch wesentliche Aspekte im Umgang damit (wie z.B. eine genauere Differenzierung zwischen Trauer und Depression) offen bleiben. Somit ist das Buch zwar didaktisch sehr gelungen, aber wichtige theoretische und praktische Aspekte, deren Abhandlung in einem Buch zum Thema KVT in der Beratung wünschenswert wäre, sind leider zu kurz gekommen. Ines Leu, Mainz