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Ein Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat
Traunstein. (al) Die „Freihandelsabkommen „ CETA (Canadian European Trade Agreement), TTIP
(Transatlantic Trade and Investment Partnership) und TiSA (Trade in Services Agreement)
beschäftigen offensichtlich immer mehr Menschen. Bei einer Veranstaltung neulich im Pfarrsaal St.
Oswald in Traunstein, veranstaltet von der Intitiative, „Stopp TTIP BGL/TS“ im Bündnis mit etwa 20
weiteren Organisationen, wie AbL, Agrarbündnis BGL/TS, BDM, BUND, DGB und ver.di mit dem Titel
„Ein Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat“, hatten die Organisatoren 200 Stühle in den Raum
gestellt. Diese erwiesen sich als nicht genug, denn etwa 50 Nachzügler im Publikum mussten mit
dem Sims, das entlang den Wänden verläuft, als Sitzplatz vorlieb nehmen.
Als Referenten zum Thema CETA und TTIP und um mit den Besuchern zu diskutieren hatte
die Initiative die MdEP (Mitglied des Europäischen Parlaments) der SPD, Maria Noichl und den
Journalisten Fritz Glunk aus München eingeladen. In ihrer Begrüßung und Einführung zum Thema
sagte Margot Rieger, die zusammen mit ihrem Mann Franz, die Initiative gegründet hat, es gehe
längst nicht mehr um Chlorhühnchen, oder den Abbau von Zöllen. Vielmehr gehe es bei diesen
Abkommen um Einschnitte in die staatliche Souveränität, Demokratie, Rechtsstaat und Dinge wie die
kommunale Selbstverwaltung, Arbeitnehmerrechte, Umwelt- und Verbraucherschutz und den Erhalt
unseres gesamten Sozialsystems. Durch die Abkommen solle Gemeineigentum an Investoren
preisgegeben und im Zuge einer großen Privatisierungswelle verschachert werden. Um die
Interessen großer Konzerne gegenüber dem Staat durchzusetzen enthielten die Abkommen, unter der
Bezeichnung „ISDS“ (Investor-State-Dispute-Settlement) ein Sub-Abkommen über Schiedsgerichte, in
denen private „Schiedsstellen“ Staaten, sogar wegen zu erwartender entgangenen Gewinnen,
verklagen können. Ein zusätzlich eingeplanter Regulierungsrat soll zudem von vorneherein Einfluss
auf Gesetzesvorhaben nehmen können. Die Abkommen seien auch als sogenannte „Living
Agreements“ ausgelegt, wodurch ihre Inhalte später durch Gremien wirtschaftlichen
Machtverhältnissen und Interessen angepasst werden könnten. Weil das Handelsrecht durch den
Lissabon Vertrag von 2009 von den Einzelstaaten an die EU übertragen wurde und auf der Ebene des
Völkerrechts angesiedelt ist, ist es jetzt jeglichem staatlichem Recht übergeordnet, selbst dem EURecht. In ihrer Vorstellung der Referenten sagte Rieger, Maria Noichl sitze seit der letzten EU Wahl
für unsere Region im Europäischen Parlament und habe schon in ihrem Wahlkampf, als eine der
wenigen Kandidaten CETA und TTIP kritisch thematisiert. Fritz Glunk sei Journalist und Herausgeber
des politischen Kulturmagazins „Gazette“ und habe sich seit Jahren mit internationalen
Handelsverträgen befasst.
In einem Frage und Antwort Dialog präsentierte Franz Rieger den Referenten dann Fragen,
wie, ob das EU-Parlament den Abkommen zustimmen müsse, um sie zu implementieren. Maria
Noichl antwortete dazu, das sei zwar nötig, aber es hänge von den Machtverhältnissen ab, wie diese
Abstimmung ausgehe. Als Block seien die Konservativen und damit potentiellen Befürworter dieser
Abkommen im EU Parlament in der Übermacht. Deshalb hänge es von jedem und jeder Einzelnen
Abgeordneten ab, welches Ergebnis es dabei gebe und es sei enorm wichtig für die Bevölkerung den
Abgeordneten die Abneigung gegen diese Abkommen mitzuteilen. Glunk zeigte sich derselben
Meinung, als er sagte, die Abkommen bekämen sehr viel „Gegenwind“ weshalb sicher die eine oder
andere Fraktion dagegen stimmen würde und es liege daran, wie viel öffentlicher Druck aufgebaut
werden könne, um eine Zustimmung zu verhindern.
Noichl meinte zu Riegers Frage, ob CETA sofort implementiert werde, falls das EU Parlament
zustimmen sollte, das Abkommen enthalte so viele kontroverse Punkte, dass sicher eine oder mehr
der europäischen Regierungen dagegen klagen und es lange dauern würde, bis vom obersten
europäischen Gerichtshof ein finales und bindendes Urteil gefällt würde. Eine Gefahr sehe er darin,
sagte Glunk, wenn das Abkommen durch das EU Parlament ratifiziert und vorläufig implementiert
würde, dass es trotz einer schlussendlichen Absage durch den Europäischen Gerichtshof lange
Nachwirkungen zeigen könnte, bevor die Spuren des Abkommens gelöscht seien. Zu einer Frage
über die völkerrechtliche Bedeutung von CETA, TTIP und TiSA meinte Glunk, das Völkerrecht sei
etwas sehr flexibles und großenteils ungeklärt zwischen Recht und Macht. Ob etwas völkerrechtlich
Vereinbartes zum Tragen komme, hänge sehr von den vorherrschenden Machtverhältnissen ab.
Zudem sei durch „Wortspiele“ und mögliche, verschiedene Auslegungen von Definitionen in anderen
Verträgen, wie zwischen der EU und der WTO (World-Trade-Organisation) gezeigt worden, es
könnten Dinge in Verträgen erscheinen, die nicht einmal die Unterhändler der einen oder anderen
Seite beim Ausarbeiten der Verträge darin haben wollten. Auf eine Frage, was von den
Versprechungen von mehr Arbeitsplätzen und einer generellen Verbesserung der Lebensbedingungen
durch CETA, TTIP oder TiSA zu halten sei, meinten beide entschieden, dies sei sehr fraglich, wie
andere, ähnliche Abkommen wie NAFTA (North-American-Free-Trade-Agreement), zwischen den
USA, Kanada und Mexiko gezeigt hätten. Die Reichen in diesen Ländern seien zwar noch viel reicher
geworden, Arbeiter, Normalbürger und vor Allem die Unterschicht würden aber sehr unter den Folgen
des Abkommens leiden. Zum Hinweis, es werde behauptet auch Mittelständler würden von CETA und
TTIP profitieren, meinte Noichl, der Großteil der Mittelständler würde, wegen der Vorherrschaft und
Konkurrenz durch große Konzerne voraussehbar in Mitleidenschaft gezogen. Glunk pflichtete bei und
sagte, die Dimensionen, in denen die großen Konzerne arbeiteten seien kaum vorstallbar für
Mittelständler. So habe der Prozess von Vattenfall gegen die Bundesregierung, letztere schon elf
Millionen Euro gekostet und es sei überhaupt noch nichts geschehen in diesem Verfahren. Auch bei
der Frage der Vorteile von Privatisierungen, die Abkommen wie CETA, TTIP und TiSA, wegen der
dadurch nötigen öffentlichen Ausschreibungen, fraglos bringen würden, meinten Noichl und Glunk, es
sollten einfach die Bemühungen vieler kommunaler Regierungen als Beispiele genommen werden.
Diese versuchten jetzt verzweifelt schon vollzogene Privatisierungen rückgängig zu machen, weil sie
den Kommunen so teuer zu stehen kämen. Wassersysteme und andere Dinge würden gnadenlosem
Profitdenken geopfert und befänden sich oft schon nach kurzer Zeit in verwahrlostem Zustand.
Auch im Teil der generellen Diskussion der Veranstaltung wurde klar, die Besucher waren
sehr besorgt über die Effekte, welche die Abkommen haben würden. Es könne nicht mehr von
Demokratie, oder Rechtsstaatlichkeit die Rede sein, wenn Abkommen wie diese, von deren
Auswirkungen praktisch Alle betroffen seien, im Geheimen, hinter verschlossenen Türen und nur von
nicht gewählten Kommissionsmitgliedern und Repräsentanten und Lobbyisten großer
Wirtschaftsinteressen ausgehandelt würden, war der Tenor der Beiträge. Auch Noichl sagte, ihr seien
auf Nachfragen hin, einige Dokumente ausgehändigt worden. Diese seien aber teilweise geschwärzt,
in einem komplett undverständlichen und komplizierten Englisch verfasst und es sei ihr strikt verboten
worden, über die Inhalte, selbst mit Mitarbeiten oder Familie, zu sprechen. Es wurden auch Stimmen
laut, die meinten, bei diesen Abkommen gehe es gar nicht um Handel, sondern darum die
amerikanische Vormachtstellung, im Welthandel, unter Einbeziehung der Europäer, zu erhalten und
Anderen diese Handelsweisen aufzuzwingen, oder sie andernfalls Auszuschließen. Die von den
Abkommen erzwungenen Privatisierungen sollen auch dazu genutzt werden Investment Möglichkeiten
für Konzerne und Reiche zu schaffen um ihr Kapital möglichst gewinnbringend anlegen zu können.
Zu einer Frage, was sie von der CETA und TTIP zustimmenden Haltung des SPD Vorsitzenden
Sigmar Gabriel halte, antwortete Noichl, jede Familie habe halt einen „schwierigen Onkel“.
Abschließend bedankte sich Margot Rieger bei den Referenten, den Teilnehmern an der
Diskussion und allen Besuchern. Noichl und Glunk überreichte Rieger eine Brotzeitplatte, auf der die
Wurst noch aus Waging stammte und nicht aus Kentucky und das möge so bleiben, meinte Rieger.
Sie rief dazu auf sich zu engagieren, denn wenn diese Abkommen ratifiziert würden, meine das eine
Weichenstellung weg von der sozialen Marktwirtschaft, der Souveränität der Staaten und weg von
politischen Gestaltungsmöglichkeiten von Bürgern und hin zu einer Wirtschaftsdiktatur. Es mache
aber Mut, so viele interessierte Bürger bei dieser Veranstaltung zu sehen. Rieger lud auch gleich ein
zur nächsten Versammlung der Initiative am 26. 3. um 19:30 Uhr im Wochinger Bräu und zum
europäischen – transatlantischen Aktionstag, einer überregionalen Demonstration gegen CETA und
TTIP am 18. 4. in München.
Bildtexte:
#. 5:
MdEP Maria Noichl und Journalist Fritz Glunk waren die Referenten bei einer
Diskussionsveranstaltung der „Initiative stopp TTIP BGL/TS“ im Pfarrsaal St. Oswald
in Traunstein.
#. 8:
Franz Rieger, Mitbegründer der „Initiative stopp TTIP BGL/TS“ präsentierte
Fragen an die Referenten und moderierte die nachfolgende Diskussion.
Fotos: Alois Albrecht
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