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Rechtliche, Politische und Mediale Prespektive auf den Freispruch der Klimaaktivisten am 25. Januar 2020

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Universität Luzern
Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
BA Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
Hauptseminar Medientheorien
Rechtliche, massenmediale und politische Perspektive auf
den Freispruch der Klimaaktivisten am 13. Januar 2020
Anwendung der Systemtheorie von Luhmann auf ein konkretes Fallbeispiel
Vorgelegt von:
Dan Büeler
Adresse:
Guggenbüel 10
6340 Baar
Tel:
041 761 88 51
Mail:
[email protected]
Matrikel-Nummer:
S18-451-641
Eingereicht bei:
Prof. Dr. Gaetano Romano
Ort und Datum:
Baar, 21.04.2020
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung ........................................................................................................ 1
2
Die „Systemtheorie“ ....................................................................................... 2
2.1
Die funktionalistisch differenzierte Gesellschaft ................................... 2
2.2
Die „binäre Codierung“ .......................................................................... 3
2.3
Die „Programmierung“ .......................................................................... 4
3
Der Freispruch der Klimaaktivisten in Lausanne ......................................... 4
4
Die Anwendung der „Systemtheorie“ ............................................................ 5
4.1
Die rechtliche Perspektive auf den Freispruch ...................................... 5
4.2
Die massenmediale Perspektive auf den Freispruch ............................. 9
4.3
Die politische Perspektive auf den Freispruch..................................... 11
5
Fazit............................................................................................................... 13
6
Literaturverzeichnis ..................................................................................... 14
1 Einleitung
Beim Zusammenleben in der modernen Gesellschaft wird oftmals von verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen gesprochen. Dies zeigt sich auch daran, dass gesellschaftliche Themen in der Regel einem Überbegriff zugeordnet werden können. So
spricht man beispielsweise von wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Themen.
Das moderne gesellschaftliche Leben wird folglich durch das Zusammenspiel verschiedener gesellschaftlicher Gebiete mit unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen
definiert. In dieser Hauptseminararbeit soll anhand eines konkreten gesellschaftlichen
Vorfalls aufgezeigt werden, inwiefern sich drei dieser gesellschaftlichen Bereiche,
nämlich das Recht, die Massenmedien und die Politik, wie auch deren Weltanschauungsweisen voneinander unterscheiden. Da der Klimawandel als eines der grössten
globalen Probleme der Gegenwart gilt und sich somit auf alle Bereiche der Gesellschaft auswirkt, eignet sich für diese Untersuchung ein gesellschaftlicher Vorfall, der
sich um die Thematik des Klimawandels dreht. Deshalb wird in dieser Hauptseminararbeit der gerichtliche Freispruch mehrerer Klimaaktivisten am 13. Januar 2020 in
Lausanne unter die Lupe genommen. Für die genauere Betrachtung dieser drei Gesellschaftsbereiche dient die vom Soziologen Niklas Luhmann entwickelte „Systemtheorie“, in der er auf einzelne gesellschaftliche Bereiche und deren Zusammenwirken eingeht, als theoretische Grundlage.
In einem ersten Schritt werden deshalb die zentralen und für diese Hauptseminararbeit
relevanten Aspekte der „Systemtheorie“ ausgearbeitet. Anschliessend wird der gesellschaftliche Vorfall, auf den die „Systemtheorie“ angewendet werden soll, nämlich der
Freispruch der Klimaaktivisten in Lausanne, genauer erläutert. Im Hauptteil der Arbeit
wird auf der theoretischen Grundlage der „Systemtheorie“ die rechtliche, massenmediale und politische Perspektive auf besagtes gesellschaftliches Ereignis untersucht.
Dabei wird auch spezifisch auf den Bezug der „Systemtheorie“ zu den Massenmedien,
dem Recht und der Politik eingegangen. In einem abschliessenden Fazit werden die
Erkenntnisse aus dieser „systemtheoretischen“ Untersuchung des Freispruchs der
Klimaaktivisten aufgeführt.
1
2 Die „Systemtheorie“
In diesem Kapitel wird, wie bereits erwähnt, die „Systemtheorie“ von Niklas Luhmann
aufgegriffen. Dabei wird der Fokus zuerst auf Luhmanns Auffassung der Entstehung
und des Aufbaus der modernen respektive funktionalistisch differenzierten Gesellschaft gerichtet. Anschliessend werden die beiden theoretischen Begriffe „binäre Codierung“ und „Programmierung“ eingeführt, die für die „systemtheoretische“ Analyse
von Gesellschaftsbereichen von grosser Wichtigkeit sind.
2.1 Die funktionalistisch differenzierte Gesellschaft
Mit der Umstellung auf eine funktionalistische Differenzierung erreichte die Gesellschaft gemäss Luhmann die letzte von drei Entwicklungsstufen, weshalb funktionalistisch differenzierte Gesellschaften als moderne Gesellschaften angesehen werden können (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 131). Dieser Entwicklungsprozess, der sich über
drei Formen der gesellschaftlichen Differenzierung vollzog, startete mit der segmentären Differenzierung. Eine segmentär differenzierte Gesellschaft basiert auf gleichartigen Zusammenschlüssen von Menschen. Das bedeutet, dass Familien, Dörfer und
Stämme, die sich nicht gross voneinander unterscheiden, das Fundament des Gesellschaftsaufbaus bilden (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 122). Der Zuwachs an Gesellschaftsmitgliedern, der mit der Zeit anfiel, führte dazu, dass segmentär differenzierte
Gesellschaften mit einer zunehmenden Komplexität konfrontiert wurden. Dies leitete
den Übergang zur zweiten gesellschaftlichen Differenzierungsform ein, mit der dieser
Komplexität entgegengewirkt werden konnte (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 124f.).
Die zweite gesellschaftliche Differenzierungsform nennt Luhmann die stratifikatorische Differenzierung. Stratifikatorisch differenzierte Gesellschaften zeichnen sich
durch hierarchisch angeordnete Gesellschaftsschichten und einer grossen Ungleichheit
zwischen den Gesellschaftsmitgliedern aus (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 126). Diese
Ungleichheit war einerseits eine Folge der Aufteilung der Gesellschaft in ein stadtähnliches Zentrum und ein darum liegendes Bauernland. Andererseits resultierte diese
Ungleichheit zwischen den Gesellschaftsmitgliedern aus der Entstehung einer Adelsschicht (vgl. Luhmann 2005: 249f.). Nun erzielte die Menschheit mit der Zeit einige
evolutionäre Fortschritte, in Folge dessen sich mehrere Gesellschaftsbereiche vom Gesellschaftsapparat loslösten. So führte beispielsweise die Erfindung des Münzgelds
und die damit verbundene Entstehung eines einheitlichen Währungssystems dazu, dass
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sich die Wirtschaft als eigenes gesellschaftliches Teilsystem ausdifferenzierte (vgl.
Luhmann 2017: 25f.). Diese Ausdifferenzierung einzelner Gesellschaftsbereiche, die
von Luhmann gesellschaftliche Teilsysteme genannt werden, leitete den Übergang zur
funktionalistischen Differenzierung ein (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 131f.). Funktionalistisch differenzierte Gesellschaften basieren nämlich auf besagten ausdifferenzierten Teilsystemen. Obwohl diese Teilsysteme unterschiedliche gesellschaftliche
Funktionen übernehmen, haben alle den gleichen Stellenwert in der Gesellschaft. So
ist beispielsweise das rechtliche System von gleicher Bedeutung für die Koordination
des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie das politische System (vgl. Luhmann
2005: 254).
2.2 Die „binäre Codierung“
Die verschiedenen gleichwertigen Teilsysteme der funktionalistisch differenzierten
Gesellschaft sind um eine sogenannte „binäre Codierung“ aufgebaut (vgl. Kneer und
Nassehi 2000: 132). Diese „binäre Codierung“, bei der zwischen einem positiven und
einem negativen Wert unterschieden wird, steht bei systeminternen Handlungen oder
Entscheidungen im Zentrum (vgl. Luhmann 1986: 77; Luhmann 2005: 264). Diese
„positiv/negativ-Unterscheidung“ dient dabei jedoch lediglich einer Erleichterung der
Kommunikation und bedeutet nicht, dass der positive Wert immer Vorteile mit sich
bringt (Luhmann 1986: 78). Die „binäre Codierung“ des wissenschaftlichen Teilsystems dreht sich beispielsweise um die Unterscheidung zwischen den beiden Werten
„wahr“ und „falsch“. Das bedeutet, dass es bei der Wissenschaft grundlegend darum
geht, Aussagen als „wahr“ oder als „falsch“ zu deklarieren (vgl. Kneer und Nassehi
2000: 132). Wie die verschiedenen Teilsysteme die Welt beobachten, hängt somit immer von der „binären Codierung“ des jeweiligen Systems ab. Da jedes Teilsystem auf
einer eigenen „binären Codierung“ basiert, bedeutet dies, dass die Teilsysteme unterschiedliche Perspektiven auf die Welt einnehmen (vgl. Luhmann 1986: 77f.). Die gesellschaftlichen Systeme verwenden bei ihrer Beobachtung der Welt ausschliesslich
die beiden Werte, die in der systemeigenen „binären Codierung“ enthalten sind (vgl.
Luhmann 1986: 91). Dieser Verzicht auf mögliche andere Werte aus systemfremden
„binären Codierungen“ sorgt dafür, dass Systeme in deren Weltanschauungsweise so
wenig wie möglich durch andere Teilsysteme beeinflusst werden. Somit bleiben gesellschaftliche Systeme durch die systemeigene „binäre Codierung“ in sich geschlossen (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 133).
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2.3 Die „Programmierung“
Bei der Entscheidung zwischen dem positiven und dem negativen Wert der „binären
Codierung“ greifen die Teilsysteme auf sogenannte „Programmierungen“ zurück. Unter dem Begriff „Programmierung“ kann man sich spezifische Kriterien oder Voraussetzungen vorstellen, anhand derer die Systeme abschätzen, ob der positive oder der
negative Wert der „binären Codierung“ vergeben wird (vgl. Kneer und Nassehi 2000:
133). Im Teilsystem Wissenschaft entscheidet man beispielsweise anhand von Theorien und Methoden, die in diesem Fall als „Programmierungen“ fungieren, ob eine
Aussage als „wahr“ oder als „falsch“ angesehen wird (vgl. Kneer und Nassehi 2000:
133; Luhmann 2005: 266). Diese „Programmierungen“ sind im Gegensatz zur „binären Codierung“ variabel und können auch durch systemexterne Begebenheiten beeinflusst werden (vgl. Luhmann 1986: 91). Durch die „Programmierungen“ bleiben Teilsysteme somit bis zu einem gewissen Grad offen (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 133).
3 Der Freispruch der Klimaaktivisten in Lausanne
Im November 2018 machten mehrere Anhänger der klimaaktivistischen Bewegung
mit einer Protestaktion in einer Filiale der Credit Suisse in Lausanne auf sich aufmerksam. Die Klimaaktivisten drangen nämlich in besagte Filiale ein und stellten darin einen Tennismatch nach, um gegen die Unterstützung der Credit Suisse von „klimaschädliche[n] Projekte[n] und Unternehmen“ zu protestierten (Fumagalli 2020b). Mit
der Nachstellung eines Tennismatches symbolisierten die Protestanten den weltweit
beliebten Credit-Suisse-Werbeträger Roger Federer, welcher der Credit Suisse zur
Image-Aufpolierung verhilft. Da die Klimaaktivisten weder den Aufforderungen des
Filialleiters noch den Aufforderungen der Polizei, das Gebäude zu verlassen, Folge
leisteten, wurden sie daraufhin von der Polizei abgeführt. In der Folge wurden die
Protestanten von der Schweizer Bank „wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands
gegen Anordnungen der Polizei“ angezeigt (Fumagalli 2020b). Nun lag es am Einzelrichter Colelough, dieses heikle Ereignis juristisch zu beurteilen (vgl. Fumagalli
2020b). Dieser entschied, dass der Klimawandel als „rechtfertigende[r] Notstand“ angesehen werden muss und die damalige Aktion der Angeklagten somit notwendig war,
um die Bank zur Einsicht zu bewegen (Matt 2020). Als Folge davon wurden die
Klimaaktivisten aufgrund dieser Notwendigkeit von allen Anklagepunkten freigesprochen (vgl. Fumagalli 2020b).
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4 Die Anwendung der „Systemtheorie“
Im anschliessenden Hauptteil der Hauptseminararbeit wird das oben erwähnte gesellschaftliche Ereignis aus „systemtheoretischer“ Perspektive des rechtlichen, massenmedialen und politischen Teilsystems untersucht. Dabei steht die Frage, wie die jeweiligen Teilsysteme besagten Vorfall mithilfe der systemeigenen „binären Codierung“
und „Programmierungen“ einschätzen, im Zentrum dieser Untersuchung. Deshalb
wird in einem ersten Schritt spezifisch auf die „binäre Codierung“ und „Programmierungen“ wie auch auf die Funktion dieser drei Teilsysteme eingegangen.
4.1 Die rechtliche Perspektive auf den Freispruch
Die „binäre Codierung“ des Teilsystems Recht unterscheidet zwischen den beiden
Werten „rechtmässig“ und „rechtswidrig“ respektive „legal“ und „illegal“. Dabei ist
„rechtmässig“ der positive und „rechtswidrig“ der negative Wert dieser „binären Codierung“ (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 132). Die „Programmierungen“ des rechtlichen Teilsystems, mit deren Hilfe zwischen „rechtmässig“ und „rechtswidrig“ entschieden wird, sind Gesetze, Rechtsnormen, Verordnungen und Verträge (vgl. Kneer
und Nassehi 2000: 133). Das rechtliche Teilsystem ist verantwortlich für die Durchsetzung von Gesetzen und Rechtsnormen und ist bei Verstössen auch dazu berechtigt,
Sanktionen zu verhängen. Diese Gesetze und Rechtsnormen verhelfen den Mitgliedern
einer Gesellschaft, in der diese Gesetze respektive Rechtsnormen gültig sind, zu einer
gewissen Klarheit. Die gesetzliche Regelung gibt Gesellschaftsmitgliedern nämlich
Gewissheit, was man von anderen Mitgliedern dieser Gesellschaft an Verhaltensweisen erwarten kann. Weiter lassen sich die Verhaltensweisen von Gesellschaftsmitgliedern mithilfe der Sanktionen bei Verstössen gegen Gesetze und Rechtsnormen regulieren und kontrollieren (vgl. Luhmann 2016: 73f.). Somit kann dem rechtlichen Teilsystem entweder die Funktion der „Stabilisierung von Verhaltenserwartungen“ oder
die Funktion der „Verhaltenssteuerung“ zugewiesen werden (Luhmann 2016: 73.).
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Die Gesetze und Rechtsnormen einer Gesellschaft entscheiden, ab wann das Teilsystem Recht eine Handlung respektive Verhaltensweise als „rechtswidrig“ ansieht. Im
zu untersuchenden Ereignis entschied das rechtliche System, das in diesem Fall vom
Einzelrichter Colelough repräsentiert wurde, dass sich die Klimaaktivisten mit ihrer
Protestaktion nicht strafbar gemacht haben (vgl. Fumagalli 2020b). Bei der juristischen Entscheidung, ob ein Gesetz gebrochen wurde und eine Handlung oder Verhaltensweise somit strafbar ist oder nicht, unterscheidet das rechtliche System der
Schweiz drei sogenannte Deliktsebenen (vgl. Stratenwerth 2011: 137). Beim richterlichen Beschluss, die Anklage gegen die Klimaaktivisten fallen zu lassen, waren nur die
ersten beiden Ebenen, nämlich die Ebene des Tatbestands und die Ebene der Rechtswidrigkeit, von Bedeutung. Deshalb wird nachfolgend nur auf diese beiden Ebenen
eingegangen.
Auf der Tatbestandsebene wird geprüft, ob die zu beurteilende Handlung oder Verhaltensweise spezifische Kriterien erfüllt, die in diesem Kontext Tatbestandselemente genannt werden. Damit eine Handlung oder Verhaltensweise nämlich potentiell als
Verstoss gegen einen Gesetzesartikel betrachtet werden kann, müssen bestimmte mit
dem Gesetzesartikel verbundene Tatbestandselemente erfüllt werden (vgl. Stratenwerth 2011: 139). Ein Anklagepunkt gegen die Klimaaktivisten, der vom rechtlichen
System überprüft werden musste, lautete, dass diese sich des Hausfriedensbruchs strafbar gemacht haben (vgl. Fumagalli 2020b). Für diese rechtliche Entscheidung ist der
Art. 186 StGB relevant, der sich um die Straftat des Hausfriedensbruchs dreht. Der mit
besagtem Gesetzesartikel verbundene Tatbestand prüft fünf verschiedene Tatbestandselemente. Als erstes Tatbestandselement muss es sich bei den Angeklagten um natürliche und strafmündige Personen handeln, damit deren Handlung potentiell als Hausfriedensbruch angesehen werden kann (vgl. Ackermann et al. 2019: 349). Die Artikel
der „Neuen Zürcher Zeitung“ geben keine Auskunft über das Alter der Klimaaktivisten. Da der Fall jedoch vom Bezirksgericht behandelt wurde, kann davon ausgegangen
werden, dass die angeklagten Klimademonstranten zum Tatzeitpunkt volljährig waren
und dieses Tatbestandselement somit erfüllt wurde (vgl. Fumagalli 2020b). Das zweite
Tatbestandselement des Hausfriedensbruchs schreibt vor, dass die Tat in einem Haus,
einem zum Haus gehörenden Platz oder Garten, einer Wohnung oder einem Werkplatz
stattgefunden haben muss (vgl. Ackermann et al. 2019: 350). Mit dem Begriff Haus
ist dabei nicht nur ein Wohnhaus gemeint, sondern jede „mit dem Boden fest und dauernd verbundene Baute“ (Ackermann et al. 2019: 350). Somit ist die Filiale der Credit
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Suisse, in der die Protestaktion stattfand, als Haus im Sinne von Art. 186 StGB zu
betrachten, womit das zweite Tatbestandselement ebenfalls erfüllt wurde. Das dritte
Element betrifft die eigentliche Handlung. Die Handlung der Klimaaktivisten kann
nämlich nur als Hausfriedensbruch angesehen werden, wenn das Haus entweder entgegen dem Willen einer berechtigten Person betreten oder den Aufforderungen einer
berechtigten Person, das Haus zu verlassen, nicht Folge geleistet wurde (vgl. Ackermann et al. 2019: 356f.). Da sich die Klimaaktivisten den Aufforderungen des Filialleiters zum Verlassen des Gebäudes widersetzten, ist auch dieses Tatbestandselement
als erfüllt zu betrachten (vgl. Fumagalli 2020b). Weiter darf als viertes Tatbestandselement auf der Seite des Hausbesitzers kein Einverständnis vorliegen, was bei der Protestaktion in der Credit-Suisse-Filiale definitiv nicht der Fall war (vgl. Ackermann et
al. 2019: 358). Das letzte Tatbestandselement eines Hausfriedensbruchs schreibt vor,
dass die Angeklagten wissentlich und willentlich gehandelt haben müssen (vgl. Ackermann et al. 2019: 358). Auch dieses Tatbestandselement ist, spätestens nachdem sich
die Protestierenden den Anweisungen des Filialleiters und der Polizei widersetzten,
als erfüllt zu betrachten. Somit lässt sich sagen, dass die Protestaktion der Klimaaktivisten alle fünf Merkmale respektive Tatbestandselemente eines Hausfriedensbruchs
aufweist und der Tatbestand als erfüllt angesehen werden kann. Das bedeutet, dass
sich die Angeklagten mit ihrer Tennismatch-Inszenierung potentiell strafbar gemacht
haben.
Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit wird entschieden, ob es Gründe gibt, welche die
auf Tatbestandsebene als strafbar qualifizierte Handlung oder Verhaltensweise rechtfertigen. Hier kommt nun der „rechtfertigende Notstand“ ins Spiel, welcher im rechtlichen System als einer dieser Rechtfertigungsgründe gehandhabt wird (vgl. Stratenwerth 2011: 220). Der Einzelrichter Colelough entschied nämlich im Fall der angeklagten Klimaaktivisten, dass der Klimawandel als Notstand angesehen werden muss
und die damalige Handlung der Klimaaktivisten somit als notwendig und gerechtfertigt einzustufen ist (vgl. Fumagalli 2020b). Damit ein „rechtfertigender Notstand“ als
Rechtfertigungsgrund in Kraft treten kann, müssen ebenfalls einige Kriterien erfüllt
werden. So muss die Straftat, die durch den Notstand gerechtfertigt wird, ein sogenanntes Individualrechtsgut einer natürlichen Person betreffen. Damit ist das Leben,
das Eigentum, die Ehre, die Freiheit oder die Menschenwürde einer spezifischen Person gemeint (vgl. Stratenwerth 2011: 241). Weiter muss die durch die Straftat geschädigte Person von einer unmittelbaren Gefahr bedroht werden. Das bedeutet, dass sich
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diese Gefahr wesentlich erhöht, wenn nicht sofort eingeschritten wird (vgl. Stratenwerth 2011: 241). Letztlich muss die strafbare Handlung, die begangen wurde, um
Schlimmeres zu verhindern, die mildeste und schonendste Möglichkeit zur Abwendung dieser Gefahr sein (vgl. Stratenwerth 2011: 242).
Mit seiner richterlichen Entscheidung plädierte der Einzelrichter Colelough somit,
dass der Klimawandel eine unmittelbare Gefahr für die Credit Suisse und deren Mitarbeiter darstellt und die Handlung respektive Protestaktion der Klimaaktivisten notwendig war, um auf diese Gefahr aufmerksam zu machen (vgl. Schöchli 2020). Dass
die Klimaaktivisten mit ihrer Aktion gegen einen Gesetzesartikel verstossen haben,
lässt sich, wie oben aufgezeigt, nicht bestreiten. Wenn es aber um den Klimawandel
als Rechtfertigungsgrund geht, sind nicht alle Experten der gleichen Meinung wie
Colelough. Nach dem richterlichen Beschluss von Colelough meinten nämlich viele
Strafrechtsspezialisten, dass die Kriterien eines „rechtfertigenden Notstands“ bei der
Protestaktion der Klimaaktivisten nicht erfüllt wurden und dieser somit auch nicht als
Rechtfertigungsgrund aufgeführt werden kann (vgl. Schöchli 2020). Einerseits meinten diese Strafrechtsexperten nämlich, dass die Aktion der Klimaaktivisten nicht als
letzte Möglichkeit zur Abwendung der vom Klimawandel ausgehenden Gefahr angesehen werden kann, bevor diese Gefahr wesentlich erhöht wird. Andererseits hätten
die Klimaaktivisten ihrem Interesse, die Credit Suisse zu einer Umstellung der Investitionspolitik zu bewegen, auch ohne Betreten der Credit-Suisse-Filiale und somit auch
ohne strafbare Handlung nachkommen können (vgl. Schöchli 2020). Da viele Fachpersonen dem Urteil des Einzelrichters Colelough aus juristischer Sicht widersprechen
würden, kann in diesem Kontext von einem richterlichen Entscheid mit Signalwirkung
gesprochen werden. Das bedeutet, dass Colelough mit seinem richterlichen Beschluss
gezielt auf die Wichtigkeit dieser Thematik aufmerksam machen wollte (vgl.
Fumagalli 2020a). Trotzdem lässt sich abschliessend sagen, dass bei diesem gesellschaftlichen Vorfall nicht alle Vertreter des Teilsystems Recht der Meinung sind, dass
die richtige „binäre Codierung“ vergeben wurde. Viele Vertreter des rechtlichen Systems sind nämlich der Ansicht, dass die damalige Aktion der Klimaaktivisten bei korrekter Anwendung der „Programmierung“, nämlich des Strafgesetzbuchs, als „rechtswidrig“ einzustufen ist (vgl. Schöchli 2020).
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4.2 Die massenmediale Perspektive auf den Freispruch
Das Teilsystem Massenmedien beobachtet die Welt mithilfe der „binären Unterscheidung“ zwischen den beiden Werten „Information“ und „Nicht-Information“, wobei
der Wert „Information“ positiv und somit auch anschlussfähig ist. Bei der Entscheidung, ob ein beobachteter gesellschaftlicher Vorfall „informativ“ ist oder nicht, greift
das massenmediale System auf mehrere „Programmierungen“ zurück (vgl. Luhmann
2017: 28f.). Diese „Programmierungen“ können im Fall der Massenmedien als Kriterien angesehen werden, die, wenn ein gesellschaftliches Ereignis diese Kriterien erfüllt, auf einen hohen Informationswert hinweisen. Im massenmedialen Teilsystem
werden drei verschiedene „Programmbereiche“, nämlich Nachricht respektive Bericht, Werbung wie auch Unterhaltung, voneinander abgegrenzt. Die Kriterien, anhand
derer in besagten drei „Programmbereichen“ die „binäre Codierung“ zugewiesen wird,
unterscheiden sich voneinander (vgl. Luhmann 2017: 37). Da das zu untersuchende
gesellschaftliche Ereignis in die Kategorie Nachricht fällt, wird nachfolgend nur auf
die Kriterien dieses „Programmbereichs“ eingegangen. Fünf dieser Kriterien respektive Merkmale, die für einen hohen Informationsgehalt einer Nachricht sprechen, wären „Überraschungen, Konflikte, Normverstösse, Aktualitäten und Lokalbezüge“ (vgl.
Weingart 2001: 238; Luhmann 2017: 42 – 49). Die Massenmedien erfüllen die Funktion der Formung der öffentlichen Meinung (vgl. Luhmann 1990: 176). Die öffentliche
Meinung ist gemäss Luhmann als Medium zu betrachten. Luhmann definiert ein Medium als ein Repertoire vieler loser Elemente, die sinnvoll miteinander verknüpft werden können und somit eine Form erhalten (vgl. Jäckel 2008: 245f.). So sind die losen
Elemente des Mediums Sprache beispielsweise einzelne Wörter oder Buchstaben, die
durch die sinnvolle Verknüpfung zu einem Satz eine Form erhalten. Führt man diesen
Gedankengang weiter, sind im Fall der öffentlichen Meinung die individuellen Meinungen der Mitglieder einer Öffentlichkeit die losen Elemente des Mediums. Die Massenmedien sind somit verantwortlich für die sinnvolle Verknüpfung dieser individuellen Meinungen zu einer Form (vgl. Jäckel 2008: 246).
Der gesellschaftliche Vorfall des Freispruchs der Klimaaktivisten in Lausanne wurde
vom massenmedialen Teilsystem als „informativ“ eingestuft, was sich an den verschiedenen Artikeln der „Neuen Zürcher Zeitung“ über dieses gesellschaftliche Ereignis erkennen lässt. Nachfolgend wird deshalb aufgezeigt, inwiefern besagter gesellschaftliche Vorfall die oben erwähnten Kriterien des „Programmbereichs“ Nachricht
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erfüllt. Der damalige richterliche Entscheid, die Klimaaktivisten von jeglichen Anklagepunkten freizusprechen, kam durchaus überraschend. Viele Vertreter des rechtlichen Teilsystems hätten im Fall der Protestaktion in der Credit-Suisse-Filiale nämlich
anders entschieden als der Einzelrichter Colelough (vgl. Schöchli 2020). Somit ist das
erste Kriterium der „Überraschung“ als erfüllt zu betrachten. Weiter basiert das zu
untersuchende gesellschaftliche Ereignis auf einem grundlegenden Konflikt zwischen
den Klimaaktivisten, die sich für den Umweltschutz einsetzen, und der Credit Suisse,
die als Teil des wirtschaftlichen Systems auf Profit ausgerichtet ist und die Investition
in klimaschädliche Projekte und Unternehmen als gewinnbringend betrachtet (vgl.
Kneer und Nassehi 2000: 132; Fumagalli 2020b). Der gesellschaftliche Vorfall erfüllt
somit aus massenmedialer Perspektive auch das Kriterium des „Konflikts“. Ebenfalls
lässt sich sagen, dass der Freispruch der Klimaaktivisten in Lausanne auf einem Normverstoss gründet. Gesetze können nämlich, wie auch soziale Normen, als Verhaltensregeln angesehen werden. Im Gegensatz zu Verstössen gegen soziale Normen werden
Verstösse gegen Gesetze aber nicht sozial, sondern mit Geld- oder Freiheitsstrafen
sanktioniert, weshalb Gesetze eine verbindlichere Wirkung für Gesellschaftsmitglieder haben als soziale Normen (vgl. Kopp und Steinbach 2018: 343 – 346). Da sich
Gesetze nur hinsichtlich der Härte der Bestrafung bei einem Verstoss von den sozialen
Normen unterscheiden, kann auch das dritte Kriterium des „Normverstosses“ aufgrund
des den Klimaaktivisten vorgeworfenen Gesetzesbruchs als erfüllt angesehen werden
(vgl. Luhmann 2017: 44). Die vier in dieser Hauptseminararbeit aufgeführten Artikel
der „Neuen Zürcher Zeitung“ erschienen alle zwischen dem 13. und 14. Januar 2020.
Das bedeutet, dass das zu untersuchende gesellschaftliche Ereignis vom 13. Januar
2020 zum Zeitpunkt, an dem darüber berichtet wurde, aktuell war und das Kriterium
der „Aktualität“ somit ebenfalls erfüllt wurde. Auch das Kriterium des „Lokalbezugs“
kann aus Sicht der „Neuen Zürcher Zeitung“ respektive aus Sicht des massenmedialen
Systems der Schweiz als erfüllt angesehen werden, da ein gesellschaftliches Ereignis
dieser Art auf ganzer nationaler Ebene und nicht nur in Lausanne selbst relevant ist.
Somit lässt sich abschliessend sagen, dass diese fünf Kriterien, die der Freispruch der
Klimaaktivisten in Lausanne am 13. Januar als gesellschaftlicher Vorfall erfüllt, auf
einen hohen Informationswert hindeuten. Da diese Kriterien für die Massenmedien als
„Programmierungen“ fungieren, begründet dies auch, weshalb die massenmediale
Landschaft der Schweiz, der auch die „Neue Zürcher Zeitung“ angehört, besagtes Ereignis als „Information“ einstufte und darüber berichtete.
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4.3 Die politische Perspektive auf den Freispruch
Bei der „binären Codierung“ des Teilsystems Politik wird zwischen dem positiven
Wert „Macht“ und dem negativen Wert „keine Macht“ respektive „Ohnmacht“ unterschieden (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 132). Beim politischen Teilsystem geht es
also grundsätzlich darum, politische Positionen einzunehmen, in denen politische
Macht ausgeübt werden kann (vgl. Luhmann 1986: 170). Positionen dieser Art, wie
etwa Positionen im Parlament, werden in demokratischen Nationen wie der Schweiz
oftmals über einen Wahlprozess besetzt, bei dem alle wahlberechtigten Staatsbürger
ihre Stimme abgeben können. Dabei dienen politischen Programme wie beispielsweise
Parteiprogramme der Wählerschaft als Orientierungshilfe (vgl. Luhmann 1986: 170f.).
Oftmals entscheiden sich die Wahlberechtigten nämlich für denjenigen Kandidierenden, der „persönlich und sachlich die Gewähr für die Durchführung bevorzugter politischer Programme zu bieten schein[t]“ (Luhmann 1986: 171). Da politische Programme einen grossen Einfluss auf politische Wahlen und somit auch auf die Besetzung politischer Positionen haben, fungieren sie im Teilsystem Politik als „Programmierungen“ (vgl. Kneer und Nassehi 2000: 133). Was die gesellschaftliche Funktion
der Politik anbelangt, so ist das politische Teilsystem zuständig für das Treffen von
„kollektiv bindende[n] Entscheidungen“, die das Zusammenleben in der Gesellschaft
regeln und koordinieren (Luhmann 1986: 208).
Durch die Entstehung der Klimabewegung mit einer grossen Anzahl an Anhängern
zeichnet sich ein zunehmendes weltweites Bedürfnis nach politischen Veränderungen
ab. Die Formation von Menschengruppen aus aller Welt, die auf den Strassen für politische Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels demonstrieren, macht den
gesellschaftlichen Wunsch nach einer politischen Machtverschiebung ersichtlich. Die
Besetzung politischer Positionen mit umweltfreundlich denkenden Politikern, die besagte Massnahmen umsetzen, kann nämlich sicherlich als Ziel der Klimabewegung
angesehen werden. Deshalb ist die Beobachtung der Klimabewegung, der auch viele
wahlberechtigte Personen angehören, für das politische System von grossem Interesse.
Hier zeichnet sich nämlich ab, welche Politiker zukünftig politische Macht erhalten
respektive welche politischen Parteien zukünftig an politischer Macht gewinnen. Da
der zu untersuchende gesellschaftliche Vorfall auf einer Protestaktion basiert, die der
Klimabewegung angehört, ist auch dieser Vorfall und dessen Beobachtung für das
Teilsystem Politik bedeutsam.
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Mit der richterlichen Entscheidung, den Klimawandel als „rechtfertigenden Notstand“
anzusehen und mit dieser Begründung die Protestierenden freizusprechen, signalisierte Colelough - ob gewollt oder nicht - die Notwendigkeit einer baldigen Lösung
des Klimaproblems (vgl. Fumagalli 2020a). Im Fall des Freispruchs der Klimaaktivisten stellte sich das rechtliche Teilsystem somit auf die Seite der Klimabewegung, was
ebenfalls als Ausdruck dieses gesellschaftlichen Bedürfnisses nach politischen Veränderungen respektive Machtverschiebungen angesehen werden kann. Somit lässt sich
sagen, dass das politische Teilsystem den Freispruch der Klimaaktivisten als Vorfall
betrachtet, der auf eine mögliche baldige Verschiebung der positiven Dimension
„Macht“ der systemeigenen „binären Codierung“ hinweist. Aus der politischen Beobachtung der Klimabewegung im Allgemeinen lassen sich auch Erkenntnisse gewinnen, die für die Ausarbeitung politischer Programme von Interesse sein könnten. Eine
mögliche Schlussfolgerung aus dieser Beobachtung der Klimabewegung wäre, dass
politische Programme wie beispielsweise Parteiprogramme, in denen als anvisiertes
Ziel eine umweltfreundliche Politik angegeben wird, aufgrund der grossen Anhängerschaft der Klimabewegung Anklang finden dürften.
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5 Fazit
Die drei gesellschaftlichen Teilsysteme Recht, Massenmedien und Politik betrachten
den Freispruch der Klimaaktivisten am 13. Januar 2020 auf unterschiedliche Art und
Weisen. So ist es aus massenmedialer Sicht nicht relevant, ob im Fall der Protestaktion
der Klimaaktivisten die richtige rechtliche Entscheidung zwischen den beiden Werten
„rechtmässig“ und „rechtswidrig“ getroffen wurde. Der Umstand, dass das richterliche
Urteil von Colelough aus rechtlicher Sicht eher überraschend kam, spielt den Massenmedien sogar in die Karten, da das Ereignis dadurch an Informationswert gewann und
somit darüber berichtet werden konnte. Trotzdem wird durch die „systemtheoretische“
Untersuchung ersichtlich, dass die Perspektiven der drei Teilsysteme auf den gesellschaftlichen Vorfall teilweise auch davon abhängen, wie die anderen Teilsysteme besagten Vorfall betrachten. So führt die Uneinigkeit bezüglich der korrekten Zuweisung
des „binären Codes“ im rechtlichen Teilsystem dazu, dass das massenmediale System
den Vorfall eher als „Information“ betrachtet. Dass das massenmediale System diesem
Vorfall wie auch anderen Vorfällen rund um die Klimabewegung den Wert „Information“ zuweisen, wirkt sich wiederum auf die politische Perspektive auf Vorfälle dieser
Art aus. Durch das Erscheinen von massenmedialen Berichterstattungen über die
Klimabewegung wird der Politik nämlich aufgezeigt, dass diese Thematik einen ernstzunehmenden Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt und eine zukünftige politische
Machtverschiebung somit als mögliches Szenario betrachtet werden muss. Weiter
wird im von Fumagalli (2020b) verfassten Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ von
einem richterlichen „Urteil [mit] Signalwirkung“ gesprochen. Damit mit einem gefällten richterlichen Urteil jedoch ein Signal ausgesendet werden kann, muss die massenmediale Betrachtungsweise von gesellschaftlichen Vorfällen berücksichtigt werden.
So muss bekannt sein, dass die Massenmedien bevorzugt über Überraschungen und
Sensationen berichten (vgl. Weingart 2001: 238). Um mit einem richterlichen Urteil
ein überraschendes respektive sensationelles Ereignis zu kreieren, mit dem mithilfe
der Massenmedien die Öffentlichkeit erreicht werden kann, muss somit eine kontroverse „binäre Codierung“ gewählt werden. Dies erhöht nämlich die Chance, dass die
Massenmedien dieses Ereignis als „Information“ einstufen und darüber berichten.
Wird also mit einem richterlichen Entscheid eine Signalwirkung beabsichtigt, hat die
massenmediale Perspektive auf gesellschaftliche Vorfälle ebenfalls einen Einfluss auf
die Zuweisung der „binären Codierung“ im rechtlichen Teilsystem.
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Selbständigkeitserklärung
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