Wenn Niere, Blase und Schlaf sich gegenseitig stören

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Ao.Univ.-Prof. Dr. Bernd Saletu
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Wien, Leiter des Instituts für Schlafmedizin
im Rudolfinerhaus, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und
Schlafforschung
Unruhige Nächte: Wenn Niere, Blase und Schlaf sich gegenseitig stören
Wien, 9. März 2010 – Etwa ein Viertel der Österreicher leidet an Schlafstörungen. Ein
Problem, das nicht nur die Nacht zur Qual, sondern auf Dauer krank macht. Der Schlaf dient
der Erholung und beeinflusst das gesamte Wohlbefinden. Kommt er zu kurz oder wird er
durch äußere oder innere Einflüsse gestört, hat das mitunter schwere Folgen für Körper,
Geist und Seele. So bewirken Schlafstörungen, die mit einer Abnahme von Tiefschlafstadien
verbunden sind (z.B. Enuresis, Apnoe, Depression) eine Abnahme von Renin-Ausschüttung.
Das hat eine Abnahme von Plasma-Aldosteron zur Folge, was wiederum eine Zunahme der
Harnmenge bewirkt. Die Klärung der Ursache für Schlafstörungen sowie deren Behandlung
sollte daher rasch in Angriff genommen werden.
Rund 25 Jahre, ein Drittel unserer Zeit, verbringt ein Mensch mit durchschnittlicher
Lebenserwartung mit Schlafen. Wie viel Schlaf jeder einzelne Mensch für die Erholung braucht ist
individuell unterschiedlich. Durchschnittlich benötigt man zwischen sechs und acht Stunden
Schlaf, um sich am nächsten Morgen körperlich und geistig wieder fit zu fühlen. „Kurzschläfer“
finden bereits mit fünf Stunden ihr Auslangen und „Langschläfer“ brauchen wiederum doppelt
soviel Schlaf, um ausgeruht zu sein.
Insgesamt gibt etwa 100 verschiedene Formen von Schlafstörungen, die zur Diagnose aber auch
ein Schlaflabor brauchen. Eine einfachere Einteilung ist die ICD-10 der WHO, die Schlafstörungen
grob in zwei Gruppen unterteilt: nicht-organische und organische. Diese werden wieder unterteilt
in sogenannte Dyssomnien (Störungen in Bezug auf Schlafdauer, -qualität und zeitliches
Auftreten) und Parasomnien (Funktionsstörungen im Schlaf wie z.B. Bettnässen).
Schlafstörungen vermindern Lebensqualität …
So unterschiedlich die Gründe für Schlafstörungen auch sein können, eines haben sie
gemeinsam: die starke Beeinträchtigung der Lebensqualität. Im Schlaf tankt der Körper Energie,
entspannt und erholt sich und verarbeitet das Erlebte. Er ist für die Konzentration, das
Gedächtnis (im Schlaf wird Wissen abgespeichert) sowie das rationale und kreative Denken
verantwortlich. Menschen mit Schlafstörungen fühlen sich müde, gestresst und neigen zu
Stimmungsschwankung. Dauerhafter Schlafmangel schränkt die Gedächtnisleistung ein und die
Patienten werden vergesslicher. Die starke Müdigkeit unter Tags mindert zudem die
Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Vor allem jüngere, im Berufsleben stehende und aktive
Personen sowie auch Kinder und Jugendliche leiden an den Folgen von Schlafentzug [1].
… und beeinträchtigen Gesundheit
Neben dem körperlichen und geistigen Abbau steigt durch einen langfristig gestörten Schlaf
auch das Gesundheitsrisiko. Zum einen kommt es durch Schlafstörungen zu einer geringeren
Immunabwehr. Zum anderen führt dauerhafter Schlafmangel vermehrt zu Diabetes,
Herzkreislauf-Erkrankungen oder Depressionen. Außerdem steigt die Unfallgefahr im
Straßenverkehr, Haushalt und am Arbeitsplatz. Trotzdem wird die individuelle, aber auch
gesundheitsökonomische Auswirkung der Tagesmüdigkeit unterschätzt.
Schlafstörung und Nykturie: eine unselige Allianz
Übermäßiger nächtlicher Harndrang, medizinisch Nykturie, ist einer der wesentlichsten Ursachen
für gestörten Schlaf. Und ein häufiger Grund für Nykturie sind Schlafprobleme. Nächtliches
Wasserlassen kann also Folge oder auch Ursache einer Schlafstörung sein. Es lassen sich mehrere
Verbindungen zwischen einer Schlafstörung und einer Nykturie erkennen, die wiederum
wechselseitig zusammenhängen.
Die normale Schlafarchitektur ist für die körperliche Erholung sehr wichtig. Wird diese gestört,
leidet die subjektive Schlafqualität. Und genau hier liegt das Problem: Nykturie-Patienten müssen
mehrmals in der Nacht aufstehen, um ihre Blase zu entleeren. Der erste Gang zur Toilette erfolgt
durchschnittlich in den ersten zwei bis drei Schlafstunden [2], wodurch die erste wichtige
Schlafperiode (zumeist Tiefschlafstadien) unterbrochen wird.
Die durchschnittliche Einschlafzeit bei Gesunden beträgt 15 Minuten. 43% all jeder, die aufgrund
von Nykturie aufwachen, haben zum Teil massive Schwierigkeiten wieder einzuschlafen [3].
Betroffene häufen mit der Zeit enorme Schlafschulden an und leiden an einer daraus
resultierenden ausgeprägten Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit (Naps), was wiederum eine
eingeschränkte Vitalität und Leistungsfähigkeit zur Folge hat. 30% aller arbeitenden Menschen
stehen mindestens einmal pro Nacht aufgrund von Nykturie auf. Bei den 70-Jährigen sind es
bereits über 60% [4]. Der nächtliche Gang zur Toilette ist vor allem für ältere Menschen
zusätzlich auch gefährlich, da das Sturz- und Frakturrisiko und somit die Gefahr eines
Oberschenkelhalsbruchs steigen. Die unausweichliche Konsequenz ist eine erhöhte Mortalitätsund Morbiditätsrate.
Bettnässer schlafen oberflächlich
Bettnässen wird mit sehr tiefem Schlaf in Verbindung gebracht, da die Kinder nicht merken, dass
sie im nassen Bett liegen und auch aktiv sehr schwer aufzuwecken sind. Aktuelle
Untersuchungen des chinesischen Wissenschafters Yeung, der die Schlafmuster von
bettnässenden Kindern mit denen nicht bettnässender verglich, widerlegen diese Annahme. In
seinen Studien [5-7] zeigte sich, dass bettnässende Kinder im Vergleich zu gesunden eine
geringere Schlafqualität haben: geringerer Tiefschlaf, mehr Leichtschlaf, erhöhte MikroWeckreaktionen und weniger Traumschlaf. Der Schlaf wird von der häufigen Blasentätigkeit
unterbrochen und bleibt oberflächlich. Der permanente Schlafmangel ist assoziiert mit einer
Störung der Stammhirnfunktion, einer größeren Wahrnehmungsverzögerung sowie einer
verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit. Intelligenz, Aufmerksamkeit und Ablenkbarkeit, Kurzund Langzeitgedächtnis, Lern- und Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie die Reaktionen der
Kinder sind deutlich schlechter als bei gesunden Kindern.
Kontakt für Journalisten-Rückfragen:
Ao.Univ. Prof. Dr. Bernd Saletu
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Wien
T: 01/40 400 3683 (Sekretariat)
E: [email protected]
-------------------------------1 Wolfradt, U. (2006). Schlafverhalten, Lebenszufriedenheit und wahrgenommener Leistungsstress in der Schule. Psychologie in
Erziehung und Unterricht, 53, 12 – 21.
2 van Kerrebroeck et al.Eur Urol 2007; 52:221-229
3 Ohayon. J Psychiatr Res 2008; 43:48-54
4 Blanker M, Bohnen A: Normal Voiding Patterns and Determinants of Increased Diurnal and Nocturnal Voiding Frequency. In:
Elderly Men. Journal of Urology 2000
5 Yeung C K et al. Increased cortical arousal and light sleep in children with severe bedwetting: Evidences of a bladder-brain
dialogue. To be published in New England Journal of Medicine (NEJM)
6 Yeung C K. Bladder dysfunction, sleep disturbances and CNS function impairment in children with severe nocturnal enuresis:
Evidences of a "bladder-brain dialogue". To be published
7 Yeung C K et al.Data presented at the ICCS course and International Enuresis Symposium, Hong Kong. November 30 December 2, 2007. To be published
Text und Bildmaterial in Printqualität gibt’s unter www.ferring.at sowie bei
Elisabeth Leeb, ikp, T: 01/524 77 90-14, E: [email protected]
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