zur Frau als Retterin

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Zur Kritik des Phantasmas von der Frau als Retterin
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der Erde und der Menschheit
Diese berückende Vorstellung der Frau als Retterin der Erde und der Menschheit ist
interessanterweise zwei ideologisch gegensätzlichen Diskursen über Frau, Natur und
Gesellschaft gemeinsam :
1. Feminismus oder Tod - ein Slogan von der ökofeministischen Seite, die den „Mann“ des patriarchalen Systems
für die tödlichsten Bedrohungen wie Überbevölkerung und Naturzerstörung
verantwortlich macht.
„Da er sich des Bodens, also der Fruchtbarkeit (später der Industrie) bemächtigt hatte
und des Bauches der Frau (also der Empfängnisfähigkeit), war es nur logisch, dass die
Überausbeutung der einen und des anderen zu einer doppelten Gefahr führten: die
Überbevölkerung als Geburtenexzess, die Umweltzerstörung als Produktionsexzess“ (
Francoise d`EAUBONNE, 1977 (1974), S 173). Und der Titel ihres Buches „Feminismus
oder Tod“ ist die Kampfparole für die Frauen, die Macht zu übernehmen. „Den Planeten
heute der Herrschaft der Männer entreißen – um ihn morgen der Menschheit
wiederzugeben“ (dieselbe, Klappentext des Buches).
2. Feminismus und (daher) Tod
Eine andere Angst, die die „Frau“ für das Menschliche in dieser Welt auf andere
(traditionelle) Weise verantwortlich macht : Wenn die Frauen gleichberechtigt wie
Männer ihr Leben führen, würden Werte wie Fürsorglichkeit, Wärme, Geborgenheit von
gar niemandem mehr gelebt. Die Mütterlichkeit sei in Gefahr, die Familie, die nächste
Generation, die Menschlichkeit. >Frauen an den Herd< - GeschlechterKonservatismus mit seiner >Wiederverzauberung< der Privatsphäre
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In beiden Versionen geht es um tödliche Gefahren. In beiden werden die Frauen und die
ihnen zugeschriebenen Werte zu den Hoffnungsträgerinnen aus der Misere gemacht.
Beide Male wird die Wirkfähigkeit und das >Wesen < der Frau stereotypisiert und
überschätzt. Und beide Male werden die Kategorien >Mann – Frau< nicht wirklich
hinterfragt ; hier v.a. die gesellschaftliche Zuordnung von Fürsorge und Bezogenheit auf
die Frau, was genau wieder mit der traditionellen geschlechtsspezifischen Aufteilung und
der von öffentlichem und privatem Raum korrespondiert. – siehe
Geschlechterdichotomien
Für 1. - Feminismus oder Tod - sprechen zwar die aktuellen globalen destruktiven
Entwicklungen durchaus. Für die angeführten theoretischen Zusammenhänge sprechen
auch Ergebnisse der Frauen- und Genderforschung, die Gender als zentrale
Strukturkategorie jeglichen kulturellen Systems untersucht.
So ist unser neuzeitliches kulturelles System von Zweigeschlechtlichkeit in engem
Wechselwirkungszusammenhang mit dem Naturbeherrschungsphantasma und somit
unserer Ressourcenkrise (Naturzerstörung) zu sehen, wobei die jeweilige
Eingebundenheit von Mann und Frau differenziert – individuell/persönlich, sozial und
symbolisch - zu betrachten ist.
Aber auch wenn individuelle Männer und patriarchale Systeme als Hauptverursacher
bedenklicher ökologischer und sozialer Entwicklungen auszumachen sind und auch wenn
sich Frauen >im Schatten der Macht< Wertvolles erhalten und angeeignet haben
mögen - das selbstverständliche Vertrauen, dass sie in den Schaltstellen der Macht
anders herumhebeln würden, scheint naiv und verleugnend.
Und für 2. - Feminismus und (daher) Tod - sprechen Folgen von Entfremdung und
Leiden an kalten Konkurrenzsystemen und ein massives Anwachsen „psychischer
Störungen“ allgemein - fachlich gilt allseits die Zunahme narzisstischer
Persönlichkeitsstörungen und Traumatisierungsfolgen.
Aber Wortgewalt ist schon bei diesen Mutterwärmebeschwörungen im Spiel, wo es nur
darum geht die Frau als Mutter zu sehen und zu erhalten – vorzüglich als Mutter für den
Mann. Bekanntlich gibt es Frauen, die keine Mütter sind, und Männer, die sich um sich
selbst und andere kümmern. Und nur mit Wärme in der Stube wird’s in einer sonst
immer kälter werdenden Welt auch nicht getan sein.
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Donna ORANGE, Psychoanalytikerin aus New York, bezeichnete 25% der Kinder in N.Y.
seit dem 11.9.2001 als traumatisiert - und dass diesbezüglich woanders das Vielfache
davon passiert - nur nicht im Licht der Medien - wissen wir auch alle.
Also die Mütter sind weder allmächtig (ihre Kinder zu schützen), noch an allem schuld.
Die ganzen Lebensumstände und damit auch wirtschaftliche und politische beeinflussen
ihr „Muttern“ und das „Vatern“ selbstverständlich auch und die Beziehung zwischen
beiden, so es 2 gibt, auch.
Die Auswirkungen der Geschlechterungerechtigkeit, die sich erst so richtig zuspitzt, wenn
Frau nicht in gut abgesicherten Umständen Kinder kriegt, betreffen die Kinder ebenso
vielfältig.
Andrerseits ist die Vorstellung, dass die finanzielle Abhängigkeit der
Männertraumhausfrau ihr und ihren Kindern nicht zum Verhängnis werden kann, naiv bis
verleugnend. Auch hier wird Gewalt, die sog. private gegen Frauen, ausgeblendet und
die viel gerühmte und viel missbrauchte „weibliche“ Opferbereitschaft hochgehalten.
Machtzuschreibungen und –abschreibungen an Mütter stehen dichotom und gespalten
auf 2 Seiten einer Medaille. Abwertung und Idealisierung der Mütter gehen Hand in Hand
im herrschenden Diskurs, ebenso wie an der Aufspaltung zwischen Fürsorge und
Rationalität im sozialen Leben nach Geschlecht nicht gerüttelt wird.
Für jegliches emanzipatorisches Unterfangen tut eine kritische Reflexion unseres
modernen dichotomen Geschlechtersystems not. Jede Rede von Geschlecht ist nur unter
der Einbeziehung des gesamten Systems von Zwei-Geschlechtlichkeit sinnvoll.
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