Textauszug zur Gaza-Problematik aus dem Hörbuch von Jürgen Jung: „Söldner gegen die Zukunft“ Hörbild zum Zionismus [Anmerkung des Autors: Da es sich um den Text aus einem Hörbuch handelt, finden sich hier keine Anmerkungen und Quellenangaben. Der Leser darf versichert sein, dass all das hier Zusammengestellte sorgfältig recherchiert und zitiert wurde.] Der 1994 verstorbene Naturwissenschaftler und Religionsphilosoph Yeshayahu Leibowitz - der israelische Staatspräsident Ezer Weizman nannte ihn „eine der größten Gestalten im Leben des jüdischen Volkes und des Staates Israel in den letzten Generationen.“ Leibowitz fasste die israelische Politik gegenüber den Arabern im November 1973 folgendermaßen zusammen. Seit der Staatsgründung... “Seit 25 Jahren haben wir uns nicht um Frieden bemüht – alle dahingehenden Erklärungen waren nie mehr als blumige Behauptungen oder bewusste Lügen.... Es muss .... betont werden, dass wir nicht nur keine Versuche unternommen haben, Frieden zu erreichen, sondern bewusst und vorsätzlich jede Möglichkeit dazu sabotiert haben.... Die Richtschnur unserer Politik war immer die Vorstellung, dass eine permanente Situation des Nicht-Friedens und ein latenter Krieg für uns das Beste ist, und dass dies unter allen Umständen so bleiben muß.... Wir werden Jahr für Jahr stärker in dieser Situation des drohenden Krieges, in der es immer möglich ist, dass von Zeit zu Zeit Kämpfe ausbrechen. Solche Kriege werden normalerweise kurz sein und das Ergebnis wird von vornherein feststehen, da die Lücke zwischen uns und den Arabern sich ständig vergrößert. Auf diese Weise schreiten wir voran von Besetzung zu Besetzung ... Diese kriminelle und bösartige Politik hat uns in die Krise geführt, in der wir jetzt stecken.“ Yeshayahu Leibowitz - 1973! 20 Jahre später sagte er – in einem Spiegel-Interview -, dass die Gewalt das Bewußtsein und die Gesellschaft Israels korrumpiere. Insofern seien Israels demokratische Fundamente in Gefahr: (Seit unserem Sieg im Sechstagekrieg 1967) – - den er an anderer Stelle als historische Katastrophe für Israel bezeichnet hatte – Seit 1967 halten wir Millionen Palästinenser in unserer Gewalt, denen alle bürgerlichen und politischen Rechte geraubt worden sind. Ist das Demokratie? Dann war Südafrika in der Vergangenheit auch eine Demokratie - schließlich gab es für die fünf Millionen Weißen dort freie Wahlen.“ Zur in Israel gängigen Infragestellung der Palästinenser als Volk meinte er: „Der Slogan: Es gibt kein palästinensisches Volk, - so etwa die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir - „...dieser Slogan bedeutet Völkermord! Nicht im Sinne einer physischen Vernichtung des palästinensischen Volkes, sondern im Sinne der Vernichtung einer nationalen oder politischen Einheit.“ Im übrigen: “Israel ist kein Staat, der eine Armee unterhält, es ist eine Armee, die einen Staat besitzt.“ Das Kernproblem formulierte er in einer Auseinandersetzung mit Ben-Gurion so: “Ben-Gurion war sehr zornig auf mich, als ich ihm erklärte, seine Betonung der Staatlichkeit werde zwangsläufig zum Faschismus ausarten...Er verstand nicht, dass man auf einen Hitler, wenigstens aber auf einen Mussolini zusteuert, wenn man den Staat zum höchsten Wert erklärt.“ Soweit Yeshayahu Leibowitz. Schon 1961 hatte Martin Buber in einem Aufsatz für die hebräische Zeitschrift Ner (= die Kerze) gleich mehrere zionistisch-israelische Mythen radikal in Frage gestellt: „Nur eine innere Revolution kann die Kraft haben, unser Volk von seiner mörderischen Krankheit grundlosen Hasses zu heilen....Dann erst werden die Alten wie die Jungen in unserem Land erkennen, wie groß ihre Verantwortung für das Elend der arabischen Flüchtlinge ist, in deren Städten wir Juden angesiedelt haben, die von weit her gebracht wurden; deren Häuser wir geerbt haben, auf deren Feldern wir jetzt säen und ernten; deren Früchte aus Gärten und von Weinbergen wir einsammeln; und in deren Städten, die wir geraubt haben, wir Häuser der Erziehung, wohltätiger Einrichtungen und des Gebets errichten, während wir herumfaseln, dass wir „das Volk des Buches“ und „das Licht für die Völker“ seien.“ ERICH FRIED: DAS BITTERE Du willst mich nicht hören denn du willst dir nicht rauben lassen das von dem ich dir sage es ist ein Unrecht. Glaubst du ich sage es leichthin und ohne Zögern? Glaubst du es macht mir Spaß gegen Menschen zu sprechen von denen viele nur durch Verfolgung und durch Verzweiflung auf den Irrweg getrieben wurden auf dem sie verrannt sind? Glaubst du es ist sehr leicht zu rufen in alle vier Winde daß einige meiner Verwandten die der SS entgingen das Tun ihrer Mörder zu ihrem Vorbild nahmen? Ich sage das fast so ungern wie du es hörst Die Frühgeschichte des israelischen Staates wurde hier [im Hörbuch!] einigermaßen ausführlich thematisiert, weil die damals auf der Basis einer exklusionistischen und expansiven Ideologie vorgenommenen Entscheidungen und Festlegungen nach wie vor die Politik des Landes dominieren. Diese These soll im Folgenden vor allem am Beispiel des Gaza-Massakers von 2008/2009 und des 2010 erfolgten Piratenaktes gegen die „Free Gaza“-Flotte plausibel gemacht werden. Der gängige Diskurs über den sog. Gaza-„Krieg“ besagt, er sei in Folge des Raketenbeschusses der Hamas unvermeidlich gewesen und außerdem habe diese ihn ja durch die Aufkündigung des Waffenstillstandes, der am 19. Juni 2008 in Kraft getreten war, selbst provoziert. Die Bundesregierung richtete an die Hamas die Aufforderung, den Beschuss von israelischen Siedlungen mit Raketen «sofort und dauerhaft» einzustellen. Zugleich äußerte sie sich davon überzeugt, dass Israel alles unternehme, um bei seinen Luftangriffen auf den Gazastreifen zivile Opfer zu vermeiden. Diese Überzeugung teilte die Bundesregierung offensichtlich mit Ehud Barak, dem israelischen Verteidigungsminister, der nicht müde wird zu betonen, dass die israelische Armee „die moralischste Armee der Welt“ ist.“ dass sie „chirurgisch“ operiere, dass die Zerstörung Gazas selbstverständlich „auf humane Weise“ vor sich gehe. Resultat dieses humanen Vorgehens: Gaza war ein Trümmerhaufen, als wäre es einem schweren Erdbeben zum Opfer gefallen. Aber das Ziel der Bombardierungen war, so heißt es, ausschließlich die Terrorgruppe der Hamas, deren Raketenbeschuß ein für alle mal unterbunden werden müsse. Kein Staat auf der Welt kann sich sowas schließlich bieten lassen. Die Ausschaltung des militärischen Potentials der HAMAS also – so geht diese Logik - sei eine Voraussetzung für den Frieden in der Region. Alle anderen Behauptungen, wie die, dass die HAMAS bewusst Zivilisten als menschlichen Schild benutze, dass sie den Tod von Zivilisten bewusst einkalkuliere, erscheinen dann ganz logisch als Konsequenz ihrer Friedensunwilligkeit und fanatischen Militanz. Dabei wird systematisch Israels Anteil an dem Konflikt ausgeblendet: Dazu unmittelbar nach dem Krieg die Politikwissenschaftlerin Ivesa Lübben: Der Raketenbeschuss israelischer Siedlungen hat strukturelle Gründe. Er ist das Ergebnis der über 40 Jahre währenden Besatzung und der fortgesetzten Blockade des Gazastreifens und nicht das Resultat der politischen Option einzelner Gruppen. Das bedeutet aber auch, dass sich eine Befriedung Südisraels nicht durch die Ausschaltung der HAMAS lösen lässt, sondern nur durch die Behebung der strukturellen Ursachen, die der Gewalt zugrunde liegen. Auch ohne HAMAS wird sich der Widerstand immer wieder neu formieren. Es ist im Gegenteil zu befürchten, dass eine Nicht-Behebung der strukturellen Krise zu immer radikaleren Formen des Widerstandes..... führen wird. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass zwei Drittel der Menschen im Gazastreifen Flüchtlinge aus dem heutigen Südisrael sind, die seit ihrer Vertreibung 1947/48 - von der Weltöffentlichkeit vergessen - in einer “closed zone”, einer „geschlossenen Zone“ leben. Ivesa Lübben: Ohne positive Lebensperspektiven und die Wiederherstellung von Gerechtigkeit für die Menschen in Gaza wird das historisch an ihnen begangene Unrecht der Vertreibung - gerade wegen der großen Nähe zu ihrer ehemaligen Heimat - ständig im kollektiven Gedächtnis reproduziert werden und neuen Hass und neue Gewaltbereitschaft hervorrufen. Rückblende: 25. 1. 2006: Die Hamas gewinnt - gegen alle Vorhersagen – in den besetzten Gebieten die absolute Mehrheit bei den Wahlen zum palästinensischen Parlament. Israel, USA und EU erkennen das Ergebnis der Wahl nicht an – die Hamas sei schließlich eine Terrororganisation! Demokratie schon, ja, ja, aber nur solange die richtigen Leute gewählt werden. Diese Politik der gespaltenen Zunge dürfte der Idee der Demokratie im Nahen Osten nicht gerade förderlich sein. Der große alte Mann der israelischen Friedensbewegung, Uri Avnery, mittlerweile 88 Jahre alt, u. a. Träger des Alternativen Friedensnobelpreises und des Aachener Friedenspreises, stellt die gebetsmühlenartig von der Hamas verlangte Anerkennung Israels grundsätzlich in Frage. In einem Beitrag vom 1. März 2008 – also lange vor Ausbruch des Krieges, schrieb er: Die Sache mit der Anerkennung ist Unsinn, ein Vorwand, um Gespräche zu vermeiden. Wir brauchen von niemandem „anerkannt“ zu werden. Als die USA Verhandlungen mit Vietnam begannen, forderten sie auch nicht, als angelsächsischer, christlicher... Staat anerkannt zu werden. Wenn A mit B einen Vertrag unterschreibt, heißt das, A erkennt B an. Alles andere ist Firlefanz Die Charta der Hamas erinnert an die damalige Charta der PLO. Ein ziemlich unwichtiges Dokument, das von unseren Repräsentanten jahrelang dazu benützt wurde, Gespräche mit der PLO zu verweigern. Himmel und Erde wurden bewegt, um die PLO dazu zu bringen, die Charta zu annullieren. Wer erinnert sich heute noch daran? Wichtig sind die Taten von heute und morgen, nicht Papiere von gestern. Hegt Uri Avnery etwa Sympathien für die sog. „radikal-islamische“ Hamas? Überhaupt nicht. Ich bin ein säkularer Mensch. Ich bin gegen jede Ideologie, die Politik und Religion vermengt – sei sie jüdisch, islamisch oder christlich, in der arabischen Welt wie in Amerika. Das hat mich aber nicht gehindert, mit Hamas-Leuten zu sprechen, wie ich auch mit anderen Leuten gesprochen habe, mit deren Meinung ich nicht übereinstimme. Es hat mich nicht gehindert, in ihrem Hause zu Gast zu sein, Meinungen auszutauschen, zu versuchen, sie zu verstehen. Im übrigen weist Avnery darauf hin, daß Israel erheblich zur Entstehung der Hamas beigetragen hat. In den ersten zwanzig Jahren der Besatzung sah die israelische Regierung in der PLO ihren Hauptfeind. Deshalb unterstützte sie palästinensische Organisationen, die die PLO unterminieren konnten.... Sie glaubte, die Gründung einer islamischen Körperschaft würde die säkulare PLO schwächen... Die Ironie des Schicksals bringt es mit sich, dass die israelische Führung jetzt die PLO unterstützt, um Hamas zu untergraben. Es gibt wohl kein deutlicheres Zeichen für die Dummheit unserer „Fachmänner“ in allen arabischen Angelegenheiten, eine Dummheit, die ihren Ursprung hat in Überheblichkeit und Verachtung.... Der Grund für den Wahlsieg der Hamas 2006 war – so Uri Avnery: die wachsende Überzeugung bei den Palästinensern, dass sie auf gewaltlosem Wege bei den Israelis nie etwas erreichen würden.... Außerdem: Die Korruption, die sich in den Führungskreisen der Fatah breit gemacht hatte, erreichte Dimensionen, die die Mehrheit der Palästinenser empörte.... Hamas dagegen galt als sauber, ihre Führer wurden als nicht korrupt eingeschätzt.“ Um den Wahlsieg der Islamisten zu verhindern, hätte eine israelische Regierung, die wirklich am Frieden interessiert ist “...der Fatah-Führung weitreichende Konzessionen machen müssen: Ende der Besatzung, Unterzeichnung eines Friedensvertrages, die Gründung eines palästinensischen Staates, Rückzug hinter die Grenzen von 1967, eine vernünftige Lösung des Flüchtlingsproblems, Entlassung der Gefangenen. Das hätte der Hamas sicher Einhalt geboten. Aber.... Abbas wurde nicht die geringste politische Errungenschaft zugestanden. Die Verhandlungen wurden – unter amerikanischer Schirmherrschaft – zum Witz... und Hamas errang einen überwältigenden Sieg bei den palästinensischen Wahlen – den demokratischsten Wahlen, die je in der arabischen Welt abgehalten worden waren.“ Uri Avnery sieht als Konsequenz der Gaza-Invasion: ag für Tag, Nacht für Nacht sendet der arabische Aljazeera-Kanal die grauenhaftesten Bilder: Berge von verstümmelten Leichen, weinende Verwandte, die unter den Dutzenden von Leichen, die neben einander liegen, nach ihren Lieben suchen. Eine Frau zieht unter den Trümmern ihre junge Tochter hervor, Ärzte versuchen, ohne Medikamente das Leben der Verletzten zu retten...Millionen sehen diese schrecklichen Bilder.....Tag für Tag. Diese Bilder werden sich ihnen auf immer ins Gedächtnis einbrennen: schreckliches Israel, abscheuliches Israel, unmenschliches Israel. Eine ganze Generation von Hassenden wird heranwachsen. Das ist der schreckliche Preis, den wir werden zahlen müssen, wenn längst alle anderen Folgen des Krieges in Israel vergessen sind. Erich Fried: Das Bittere Glaubst du es läßt mich kalt einen Brief zu bekommen von einer alten Mutter deren drei Söhne in Auschwitz vergast worden sind und die mich fragt wie könne ich sprechen gegen meine eigenen Leute da schon soviel vergossen wurde von unserem Blut? Zwar weiß ich daß ich nicht wirklich gegen die Juden spreche sondern nur gegen den Irrweg jener Juden die glauben auf Verbrechen gegen die Palästinenser läßt sich ein Land und eine Zukunft bauen Zwar weiß ich daß ich versuche die Juden in Israel und ihre Kinder retten zu helfen indem ich beizeiten Klage erhebe gegen jene Verbrechen begangen in ihrem Namen die sonst ihr Untergang werden Doch vor dem Brief der Frau mit den toten Söhnen ist es kein Trost daß ich es besser weiß Nach dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 versuchten Israel und die USA, ihr das Regieren - u. a. durch einen Finanzboykott - unmöglich zu machen, indem etwa Israel die Gelder, die der Autonomiebehörde aus den Zolleinnahmen zustehen, nicht mehr überwies und USA und EU, die größten internationalen Geldgeber, ihre Zahlungen einstellten. Die abgewählte Fatah des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas dagegen wurde von Israel und den USA mit Geld und Waffen ausgestattet und zu einem Putsch gegen die Hamas ermuntert. Es war also mitnichten die Hamas, die – wie es in unseren Medien immer heißt – durch einen Putsch im Gazastreifen die Macht an sich riss, sondern sie kam dem geplanten und schon vorbereiteten Militärschlag der abgewählten Fatah zuvor und übernahm die ihr durch die gewonnene Wahl zustehende Regierungsgewalt. Daraufhin verschärfte Israel die seit Juni 2006 – also bereits ein Jahr vor der Machtübernahme der HAMAS in Gaza – verhängte Blockade, und die Staatengemeinschaft stellte alle Kontakte und Überweisungen ein. Seither leben die Menschen dort unter einem unvorstellbaren israelischen Staatsterror: Schutzlos in einem riesigen Freiluftgefängnis eingesperrt, aus dem es kein Entrinnen gibt, gänzlich abhängig von der hochgerüsteten Militärmacht Israel, die Wasser, Elektrizität, Lebensmittel, Medikamente nach Belieben in dieses Ghetto „Gaza“ hineinlässt oder auch nicht. Darüber hinaus hat Israel ein Drittel der frei gewählten palästinensischen Parlamentsabgeordneten der Hamas verhaftet, wenn nicht ermordet. Dazu muß man wissen, dass ohnehin - sage und schreibe – an die 10 000 Palästinenser, zu einem erheblichen Teil ohne Prozeß, in israelischen Gefängnissen und Lagern sitzen. Die Menschenrechtsverletzungen, für die die ganze Welt die USA empört angeklagt hat – Stichwort Guantanamo und Abu Ghraib –, praktiziert Israel schon seit Jahrzehnten – straflos. Der ehemalige amerikanische Präsident und Friedensnobelpreisträger Jimmy Carter bezeichnete diese vom Westen unterstützte Politik als ein schweres Verbrechen am palästinensischen Volk. Ist es angesichts all dessen verwunderlich, daß Hamas Raketen nach Israel hineinschießt? Die Hamas-Führer von Gaza machten geltend - so Jimmy Carter: „dass die Raketen nur eine Methode seien, um auf ihr Eingesperrtsein zu reagieren und auf die humanitäre Not aufmerksam zu machen.“ Haben die Palästinenser nicht jedes – übrigens auch völkerrechtlich legitimierte Recht auf Widerstand? Im Juni 2008 kommt auf Vermittlung von Jimmy Carter - der selbstverständlich auch die „verfemte“ Hamas in seine Gespräche einbezog - ein halbjähriger Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas zustande. Obwohl die Hamas nachweisbar alles tut, um ihn aufrecht zu erhalten - sogar Mitglieder der anderen, etwa 10 Widerstandsgruppen, die noch vereinzelt Raketen auf Israel schießen, festnimmt und ins Gefängnis wirft -, weigert sich Israel, die Blockade des Gazastreifens, wie vereinbart, aufzuheben. Darüber hinaus kommt es fast täglich zu israelischen Übergriffen: Beschuss von Fischern unter Verletzung der palästinensischen Hoheitsgewässer, Beschuss von Bauern und Schäfern, deren Felder und Häuser hinter dem Grenzzaun liegen, Verletzung des Luftraums, Militärpatrouillen, die in den Gazastreifen eindringen. Und dennoch hält die Hamas den Waffenstillstand weiter ein. Von Juni bis zum 5. November, also annähernd 5 Monate lang, wird so gut wie keine Rakete mehr abgeschossen – was übrigens zunächst sogar auf der Website des israelischen Verteidigungsministeriums dokumentiert wird. Der Raketenbeschuss Israels ließ sich also sehr wohl ohne einen Krieg abstellen. Am 4. November aber - in der Nacht, in der die Aufmerksamkeit der Welt auf die amerikanische Präsidentenwahl gerichtet war – kommt es zu einem größeren israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen während der Waffenruhe, unter dem Vorwand, man habe einen Tunnel entdeckt, der zerstört werden müsse. Dreizehn Palästinenser werden bei den darauf folgenden Gefechten getötet. Daraufhin erst – das betont auch Jimmy Carter in einem Beitrag für die Washington Post vom 8. Januar 2009 mit dem bezeichnenden Titel „An Unnecessary War“ ( Ein unnötiger Krieg ) – daraufhin erst nimmt auch die Hamas den Raketenbeschuß wieder auf. Bleibt festzuhalten: Es war eindeutig und nachweislich Israel, das den Waffenstillstand gebrochen hat. Aber unsere Medien wiederholen stereotyp die israelische Behauptung, es sei die Hamas, die den Waffenstillstand gebrochen habe. Dennoch war sie bereit - wie wir durch Carter wissen –, mit Israel über eine Verlängerung des Waffenstillstands zu verhandeln. Carter macht ganz unzweideutig klar, daß der Hauptgrund für die NichtVerlängerung des Waffenstillstands Israels Weigerung war, die Blockade des Gazastreifens aufzuheben, also endlich wieder die normale Versorgung der ausgehungerten Bevölkerung zuzulassen. Sein Fazit: „Ich weiß aufgrund meiner persönlichen Beteiligung, dass die verheerende Invasion von Gaza durch Israel leicht hätte vermieden werden können.“ Am 26. Dezember 2008 stellt die israelische Regierung der Hamas ein 48-stündiges Ultimatum, aber schon am folgenden Tag beginnt die groß-flächige Bombardierung. D.h.: man hat der Hamas und der Bevölkerung des Gazastreifens eine Falle gestellt, was auch die vielen Toten der ersten Angriffswelle erklärt. Ein zentraler Vorwurf Israels an die Adresse der Hamas lautet, dass die „fundamentalistischen Chaoten“, nachdem Ariel Sharon im Jahr 2005 - friedenswillig und großzügig! - die israelischen Siedlungen in Gaza aufgegeben hatte, den Streifen – statt ihn in einen blühenden Landstrich zu verwandeln - zu einer Abschussrampe für Raketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung gemacht habe. Dazu Henry Siegman, früherer Direktor des American Jewish Congress, eine der einflussreichen jüdischen Stimmen in den USA, gegenwärtig Gast-Professor an der Universität von London und Leiter des US Middle East Project in New York: „(Dieser) Vorwurf ist eine doppelte Lüge. Erstens hat die Hamas …in Gaza für Gesetz und Ordnung gesorgt in einem Maße, das in den vorange-gangenen Jahren unbekannt war...Nicht-praktizierende Muslime, Christen und andere Minderheiten hatten mehr religiöse Freiheit unter der Hamas-Regierung, als sie beispielsweise in Saudi-Arabien oder unter vielen anderen mit uns verbündeten arabischen Regierungen haben. Die zweite und größere Lüge: Sharons Rückzug aus Gaza sei gedacht gewesen als erster Schritt zu weiteren Rückzügen und zu einem Friedensvertrag.“ Siegman zitiert hier Dov Weisglass, wichtigster Berater des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und zugleich sein Chef-Unterhändler für Vereinbarungen mit den Amerikanern, der sich (über den Rückzug aus Gaza) in einem Interview mit Ha’aretz schon im August 2004 folgendermaßen äußerte: “Mit den Amerikanern habe ich mich klipp und klar darauf geeinigt, dass über die größeren Siedlungsblöcke der Westbank überhaupt nicht verhandelt wird … Die Bedeutung (dieser Vereinbarung) besteht im Einfrieren des politischen Prozesses. Und solange er eingefroren ist, kommt es nicht zur Bildung eines palästinensischen Staates und auch nicht zu einer Diskussion über die Flüchtlinge, die Grenzen und Jerusalem. Kurz, das ganze Paket namens Palästinensischer Staat - mit allem was dazugehört - ist für unbegrenzte Zeit von der Tagesordnung. Und dies mit der Absegnung durch… beide Häuser des (amerikanischen) Kongresses.“ Daran knüpft Henry Siegman die Frage: „Glauben die Israelis und die Amerikaner, dass die Palästinenser keine israelischen Zeitungen lesen?..... Es ist zu einfach, Hamas lediglich als eine „TerrorOrganisation“ zu beschreiben.... Zwar fordert die offizielle Ideologie der Hamas, den palästinensischen Staat auf den Ruinen des Staates Israel zu errichten. Dies ist für die tagtägliche Politik von Hamas jedoch ebenso wenig maßgebend, wie es die gleichlautende Erklärung in der PLO-Charta für die tatsächliche Politik der Fatah (unter Yassir Arafat) war.“ Die Charta hat übrigens auch Itzhak Rabin nicht daran gehindert, mit Arafat in Verhandlungen einzutreten. Die Siegman’schen Schlussfolgerungen sind nicht etwa die eines HamasApologeten. Auch Ephraim Halevy, der frühere Mossad-Chef und nationale Sicherheitsberater von Ariel Sharon, schrieb in Yedioth Ahronoth, die HamasFührung habe sich „direkt vor unseren Augen“ verwandelt. Sie hat zur Kenntnis nehmen müssen,...dass ihr ideologisches Ziel unerreichbar ist und für alle absehbare Zukunft bleiben wird. Sie ist nun bereit und willens, einen palästinensischen Staat in den … Grenzen von 1967 zu akzeptieren…..“ In einem früheren Artikel hatte Halevy dargelegt, dass es absurd sei, Hamas mit alQaida in Verbindung zu bringen, daß Israel also nicht nur für seine eigene Verteidigung sorge, sondern zugleich Teil nehme am Kampf der westlichen Demokratien gegen den Terrorismus. Halevy: „In den Augen von al-Qaida sind die Hamas-Mitglieder Häretiker, Abtrünnige, seit sie (zumindest indirekt) an Verständigungs- oder Vereinbarungs-Verhandlungen mit Israel beteiligt zu werden wünschen.“ Halevy bezieht sich u. a. auf eine Erklärung von Khaled Mashal, dem Chef des Politbüros von Hamas, der im März 2008 in einem Interview feststellte: „Die meisten palästinensischen Kräfte, auch Hamas, akzeptieren einen Staat Israel in den Grenzen von 1967… Auch die arabischen Länder stimmen zu; dies ist eine einmalige historische Situation.....“ Eine Chance, die Israel und die USA aber ungenutzt verstreichen ließen. Palästina Ein Gedicht von Gerhard Schönberner: Der Publizist und Schriftsteller Gerhard Schoenberner ist u. a. Gründungsdirektor der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin. Palästina Wenn du in mein Haus trittst dich ungebeten hinsetzt und mir freundlich erklärst ab heute wohntest du hier und ich müsste gehen ist das völlig in Ordnung Wenn ich laut werde und mich zur Wehr setze wenn ich mich weigere mein Feld herzugeben mache ich mich der Aggression schuldig das ist eindeutig. Wenn ich im Gefängnis sitze und du in meinem Haus. wirst du den Vorübergehenden die nach mir fragen, erklären: Ich musste mich verteidigen er ist ein Gewalttäter So ist das. Beide Parteien, sagt man uns hätten Fehler gemacht und müssten jetzt Frieden schließen Ein Kompromiss wäre: Ich werde entlassen Dafür verzichte ich auf meine Felder Das wäre ein Zeichen von Einsicht und gutem Willen auf beiden Seiten Er bleibt in meinem Haus Ich erhalte eine Kammer und werde sein Diener Eine gerechte Lösung von salomonischer Weisheit Das lässt sich nicht leugnen Die Frage bleibt natürlich, warum? Warum hat Israel den Gaza-Krieg begonnen, wenn er – wie Jimmy Carter meinte doch so leicht vermeidbar gewesen wäre? Eine weiter ausholende Antwort auf die Frage nach den Kriegszielen gibt der amerikanische Politologe Norman Finkelstein in einem Aufsatz vom 19. Januar 2009: „Ausschlaggebend für den jüngsten israelischen Angriff auf Gaza (ist) zum einen, den Glauben an Israels Abschreckungsfähigkeit wiederherzustellen; zum andern, die Drohung einer neuen palästinensischen Friedensoffensive abzuwehren,...die Drohung einer neuen palästinensischen Friedensoffensive abzuwehren.“ Die Abschreckungsfähigkeit zu erhalten, hat immer eine vorrangige Rolle in der israelischen Strategie-Doktrin gespielt. In diesem Sinne warnte schon 1967 kurz vor dem 6-Tage-Krieg ein gewisser Ariel Sharon, damals Divisions-Kommandeur, jene Mitglieder des israelischen Kabinetts, die zögerten, einen Erstschlag gutzuheißen: „Israel ist im Begriff, seine Abschreckungsfähigkeit zu verlieren – unsere wichtigste Waffe – die Furcht vor uns.“ Also brach Israel den Krieg von 1967 vom Zaun - so der israelische StrategieAnalytiker Zeev Maoz im Jahr 2006 - „um die Glaubwürdigkeit der israelischen Abschreckung wiederherzustellen.“ Die Vertreibung der israelischen Armee aus dem Libanon durch die Hisbollah im Mai 2000, nach 18 Jahren Besatzung, stellte Israels Abschreckungskraft aufs Neue in Frage. Norman Finkelstein: „ Die Tatsache, dass Israel eine demütigende Niederlage erlitten hatte, die in der gesamten arabischen Welt gefeiert wurde, machte einen weiteren Krieg so gut wie unausweichlich. Israel bereitete sich sogleich auf einen neuen Waffengang vor. Im Sommer 2006 fand es den Vorwand dafür. Hisbollah hatte zwei israelische Soldaten gefangen genommen (einige weitere waren in dem Gefecht getötet worden) und verlangte zum Austausch die Freilassung von libanesischen Gefangenen in israelischer Hand. Obgleich Israel die Furie seiner Luftwaffe losließ und seine Bodentruppen in Marsch setzte, erlitt es abermals eine schmähliche Niederlage.... Daraufhin sank der Glaube an die Fähigkeit Israels, Terror auszuüben, weiter ab. Höchste Zeit, ein nicht verteidigungsfähiges Zielobjekt zum Vernichten zu finden. So kommt Gaza, Israels Lieblings-Schießbude, ins Visier. Dort hatte die islamische Bewegung Hamas, schwach bewaffnet wie sie war, dem Diktat Israels getrotzt und ( es ) im Juni 2008 sogar gezwungen, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Während des Libanon-Kriegs 2006 hatte Israel einen südlichen Vorort von Beirut, Dahiya, wo die Hisbollah großen Rückhalt in der Bevölkerung hatte, dem Erdboden gleichgemacht. In der Folgezeit sprachen israelische Offiziere von der „DahiyaStrategie“: Ein Oberst der Reserve am Israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien erläuterte: „Im Fall von Feindseligkeiten muß Israel sofort, entscheidend und mit einer Kampfkraft außerhalb jeder Proportion reagieren… Eine solche Antwort zielt darauf ab, Schaden zu verursachen und Strafe auszuteilen in einem Ausmaß, das einen lang andauernden und kostspieligen Wiederaufbau erfordert.“ Gaza sollte das erste Ziel für diese Blitzkrieg-und Blutbad-Strategie sein. Während Israel auf Schulen, Moscheen, Krankenhäuser, Krankenwagen und UNSchutzgebäude schoß, während es Gazas wehrlose Zivilbevölkerung abschlachtete und verbrannte, schrieben israelische Kommentatoren, etwa in Ha’aretz, „dass Gaza sich zum Libanon verhält wie ein zweiter Examenstermin zum ersten – eine zweite Chance, es richtig zu machen....Israel hat seine Abschreckungskraft wiedergewonnen, weil der Krieg in Gaza die Mängel des zweiten Libanonkriegs ausgebügelt hat. … Kein einziger Araber kann nun noch behaupten, dass Israel schwach sei“ Über die Wiederherstellung des israelischen Abschreckungspotentials hinaus war das zweite ausschlaggebende Motiv für den Gaza-Krieg - so Norman Finkelstein die Abwehr der drohenden palästinensischen Friedens- bzw. Verhandlungsbereitschaft . Er schreibt: „Während der letzten drei Dekaden hatte die internationale Gemeinschaft immer wieder für eine Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Basis von zwei Staaten, einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen auf die Grenzen von 1967 und einer „gerechten Lösung“ des Flüchtlingsproblems auf der Basis von Rückkehrrecht und Entschädigung plädiert....In jüngster Zeit hat die Hamas mehrmals ihre Zustimmung zu einer solchen Lösung signalisiert.........Für Israel bedeutete diese Entwicklung eine richtiggehende Katastrophe. Es konnte nicht länger rechtfertigen, die Hamas zu ignorieren, und es war nur eine Frage der Zeit, bis internationaler Druck zu verhandeln ausgeübt werden würde... (Also mußte) Israel die Palästinenser ... radikalisieren oder zerstören, um sie als legitimen Verhandlungspartner auszuschalten. Anfang Dezember 2008 stellte Außenministerin Tzipi Livni klar, dass Israel lediglich eine begrenzte Zeit der Ruhe mit Hamas anstrebe; ein länger andauernder Waffenstillstand würde – Zitat -„Israels strategischen Zielen schaden, die Hamas aufwerten und den Eindruck erwecken, dass Israel die Bewegung anerkennt“. Finkelstein: „Im Klartext: eine längere Feuerpause würde die Glaubwürdigkeit von Hamas stärken und Israels strategisches Ziel, die Kontrolle über das Westjordanland zu behalten, unterminieren. Bereits im März 2007 hatte Israel sich entschlossen, die Hamas anzugreifen. Den Waffenstillstand handelte es nur deshalb aus, weil... So konnte man in Ha’aretz am 8. Januar 2009 lesen: „weil die israelische Armee Vorbereitungszeit brauchte. Als die Vorbereitungen abgeschlossen waren, bedurfte Israel nur noch eines Vorwands.“ Und diesen Vorwand lieferte am 4. November besagter Tunnel, der just in der Nacht der amerikanischen Präsidentenwahl angeblich einen militärischen Einfall in den Gazastreifen notwendig machte und 13 Palästinenser das Leben kostete. Finkelstein: „Es war Israel vollkommen klar, dass diese Operation einen Gegenschlag provozieren würde. Der Tunnel, schrieb Ha’aretz Mitte November, stellte keine unmittelbare Gefahr dar. Sein Vorhandensein war die ganze Zeit bekannt. Seine Benutzung hätte auf der israelischen Seite leicht verhindert oder zumindest hätten die dort stationierten Soldaten aus der Gefahrenzone entfernt werden können.... Aber nachdem die Hamas, wie vorauszusehen, ihre Raketenangriffe zur Vergeltung wiederaufgenommen hatte, konnte Israel wieder einmal eine mörderische Invasion vom Stapel lassen mit dem Ziel, eine weitere palästinensische Friedensoffensive zu vereiteln.“ Erich Fried Ihr habt die überlebt die zu euch grausam waren Lebt ihre Grausamkeit in euch jetzt weiter? Eure Sehnsucht war so zu werden wie die Völker Europas die euch mordeten Nun seid ihr geworden wie sie Ich sage das nicht für die die euch immer schon Feinde waren und nur neue Vorwände suchen für ihren alten Haß auch nicht für die unter euch die lernten von ihren Hassern sich selbst zu hassen Doch ich sage das gegen die die sich heute erschaffen wollen nach dem Ebenbild ihrer Vernichter um selbst Vernichter zu werden denn wenn die euch beherrschen vernichten sie trotz ihrer Siege zuletzt sich selbst wie das eure Vernichter taten Im Herbst 2009 wurde der sog. Goldstone-Bericht der UNO veröffentlicht, benannt nach dem aus Südafrika stammenden Juden Richard Goldstone - hochangesehener Jurist und Völkerrechtler, u. a. Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda. Im Auftrag des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen untersuchte die nach Goldstone benannte Kommission mögliche Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen aller Parteien während der Militäroperation im Gazastreifen. Natürlich wurde der Bericht von Israel sofort mit den absurdesten Begründungen, u. a. der Jude und bekennende Zionist Goldstone sei ein Antisemit, zurückgewiesen. Die fürchterlichen Einzelheiten, die der äußerst akribische, 800 Seiten starke Bericht präzise auflistet, können hier nicht dargestellt werden, dafür aber ein fiktives Interview, zusammengestellt aus Veröffentlichungen von und Interviews mit Richard Goldstone. Dieses „Gespräch“ macht deutlich, was Goldstone bewog, den Auftrag der UNO-Menschenrechtskommission anzunehmen und worum es ihm bei der GazaMission ging. Herr Goldstone, mich interessiert zuerst die Frage nach Ihrer Motivation: was hat Sie als Jude - der Israel, wie Sie geschrieben haben, sein ganzes Leben lang unterstützt hat -, bewogen, den Gaza-Auftrag zu übernehmen. Nun, das war eine Gewissensfrage...Ich habe schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen untersucht in meinem Heimatland Südafrika während der Apartheid, später auf dem Balkan, in Ruanda, und ich wurde übrigens stets massiv angefeindet....Jude zu sein kann doch kein Grund sein, Israel anders zu behandeln als die genannten Länder oder zu sagen, weil ich Jude bin, untersuche ich all diese Länder, Israel aber nicht. Sie bezeichnen sich als Zionisten. Was meinen Sie damit? Daß ich Israels Existenzrecht voll unterstütze. In ihrem Bericht wird Israel beschuldigt, Krieg gegen ein ganzes Volk geführt zu haben. Das ist eine scharfe Verurteilung Israels. In der Tat, denn beispielsweise die Zerstörung der Infrastruktur in Gaza war meiner Ansicht nach in keiner Weise zu rechtfertigen. Haben Sie persönlich das Resultat dieser Zerstörung gesehen? Ja, ich habe die einzige Getreide-Fabrik in Gaza gesehen, ein Trümmerhaufen. Ich habe die Felder gesehen, die von israelischen Panzern umgepflügt worden waren, die Hühner-Farmen zur Eier-Produktion, total zerstört, Zehntausende von Hühnern – alle tot. Ich habe Familien getroffen, die ihre Angehörigen in Häusern verloren haben, in denen sie Schutz vor den israelischen Bodentruppen gesucht hatten. Ich habe emotional aufwühlende Gespräche mit Vätern geführt, deren kleine Töchter umgebracht wurden......21 Angehörige einer einzigen Familie waren durch israelische Granaten umgekommen. Es war eine sehr schwierige Untersuchung. Ich werde für den Rest meines Lebens Albträume haben. Im Krieg passieren immer schreckliche Dinge. Was genau macht diese Aktionen zu Kriegsverbrechen? Nun, der Kern des humanitären Völkerrechts ist das „Prinzip der Unterscheidung“. Es verlangt von allen am Krieg Beteiligten die Unterscheidung zwischen unschuldigen Zivilisten und Kombattanten. Und darüber hinaus stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Sog. Kollateralschäden müssen in einem angemessenen Verhältnis zum militärischen Ziel stehen... Da gibt es natürlich Ermessensspielräume, es werden Fehler gemacht. Letztendlich ist es eine Frage der Absicht und der Sorgfalt, mit der vorgegangen wird. Haben Sie Beweise für absichtliches Fehlverhalten gefunden? Nun ja, es gibt immerhin Äußerungen von politischen und militärischen Führern, die ganz offen von unverhältnismäßigen Angriffen gesprochen haben. „Falls der Raketenbeschuß nicht aufhört, werden wir unverhältnismäßig zurückschlagen. Wir werden euch dafür bestrafen.“ Und so etwas ist durchs Kriegsrecht selbstverständlich in keiner Weise gedeckt.“ Und dann wurde tatsächlich genau das gemacht, was angekündigt worden war? Ja, und die israelische ist eine der fähigsten Armeen der Welt. Wenn sie eine Moschee oder eine Fabrik angreifen – und es wurden über 200 Fabriken bombardiert ! -, dann lässt sich das nicht auf einen Irrtum zurückführen. Das ist eindeutig mit voller Absicht geschehen....Auch die Bombardierung des Legislativrats, also des Parlaments, ist illegal. Es stellt kein militärisches Ziel dar. Aber es ist doch nicht immer möglich, zwischen Zivilisten und Kämpfenden zu unterscheiden. Vor allem wenn sich die Kämpfer der Hamas in Häusern, in Krankenhäusern, Schulen in dicht besiedelten Gegenden verschanzen. Was soll die israelische Armee da tun? Nun, zum Beispiel mit Hilfe von Kommandounternehmen die Militanten angreifen und nicht die Zivilisten. Um die Raketenangriffe zu unterbinden, musste man nicht das ganze Land zerstören.....Die landwirtschaftlichen Flächen, die wahllos verwüstet wurden, gehörten ja schließlich nicht der Hamas, oder die Wasserwerke, das Abwassersystem, die Kanalisation von Gaza-Stadt, deren Bombardierung übrigens zu einer Überflutung einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer mit Abwässern und Fäkalien führte. Aber könnte dies nicht in der Folge von Angriffen gegen Militante passiert sein? Es ist gänzlich ausgeschlossen, dass die Hamas die erwähnten 200 Fabriken betrieb. Der Besitzer der schon erwähnten Getreidefabrik etwa besaß sogar eines jener seltenen israelischen Dokumente, das ihm die Einreise nach Israel ermöglichte. Er machte Geschäfte mit seinen israelischen Partnern. Interessanterweise erhielt er eine telephonische Bombenwarnung: er solle sein Haus verlassen. Also evakuierte er seine Belegschaft. Aber nichts geschah. Sie kehrten zurück, und er holte in Israel Erkundigungen mit Hilfe eines Freundes ein, der beim Militär nachfragte und ihn dann beruhigte: „Keine Sorge, sie werden deine Fabrik nicht bombardieren.“ Ein paar Tage später kriegt er wieder einen Anruf mit der Aufforderung zu evakuieren. Wieder verlassen sie das Gelände. Erneute Erkundigungen: „Keine Sorge, wir bombardieren nicht.“ Also gehen sie wieder zurück. Schließlich kommt eine dritte Warnung, und dann wird tatsächlich bombardiert. Die Israelis wussten genau, mit wem sie es zu tun hatten, schließlich besaß er ja jenes Dokument. Es ist dieses Verhalten, das auf die Absicht schließen lässt, die Zivilisten in Gaza, also im Prinzip alle für das zu bestrafen, was einige wenige getan haben. Stellen Sie sich vor, die USA würden beim Kampf gegen die Taliban die komplette Nahrungsinfrastruktur der Menschen bombardieren, die dort leben, wo sich die Taliban aufhalten, indem sie Felder verwüsten, Nahrungsmittelfabriken bombardieren usw. Ich glaube nicht, dass das amerikanische Volk dies als legitim akzeptieren würde. Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie sich in erster Linie mit dem Verhalten Israels auseinandersetzen, dass Sie Israel die größere Verantwortung anlasten. Es ist schwierig, einen Staat mit einer hochgerüsteten Armee, mit Marine und Luftwaffe einerseits und andererseits die Hamas mit ihren improvisierten, unpräzisen Waffen gleichzusetzen. Das bedeutet aber nicht, dass man beider Handlungen nicht genau untersuchen muss. Sie als Zionist werden von vielen Israelis beschuldigt, ihr Volk verraten zu haben. Nun ja, das ist Ausdruck derselben Krankheit wie in Südafrika....Es handelt sich hier um eine Form des Rassismus. Warum sollte mich mein Judesein daran hindern, Israel zu untersuchen? Das kann ich nicht nachvollziehen....Ich denke, wahre Freunde kritisieren ihre Freunde, wenn sie etwas Falsches machen. Ihr Bericht empfiehlt beiden Seiten, eigene Untersuchungen vorzunehmen und falls Kriegsverbrechen nachgewiesen würden, die Verantwortlichen ... in ihren Ländern zu bestrafen. Das ist ja der Ausweg für Israel und die Hamas – wenn sie eine ehrliche Untersuchung durchführen, bedeutet dies das Ende jeglicher Untersuchung auf internationaler Ebene, denn der Internationale Strafgerichtshof etwa ist ja nur die letzte Instanz, die über keine Jurisdiktion verfügt, wenn die Parteien selbst tätig werden Warum brauchen wir eigentlich einen internationalen Strafgerichtshof? Bis 1993 gab es keine Möglichkeit, Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Zuhause mussten sie keine Ahndung fürchten, galten sie doch normalerweise als Kriegshelden...Das hat sich geändert. Heute haben Kriegsverbrecher Schwierigkeiten, in so manches Land zu reisen. Und das ist auch die Sorge der israelischen Regierung, dass sie nämlich mit Untersuchungen in einigen europäischen und afrikanischen Ländern rechnen muss, falls sie keine eigene Untersuchung anstellt. Diese liegt also in ihrem ureigenen Interesse. Israel erwartet ja von den USA, dass sie im Sicherheitsrat wie üblich ihr Veto einlegen werden, um jedes rechtliche Vorgehen gegen Israel zu verhindern. Und das US- Außenministerium hat Ihre Untersuchungsergebnisse sofort als unfair gegenüber Israel bezeichnet. Ich fordere die US- Regierung auf, mir mitzuteilen, inwiefern der Bericht fehlerhaft oder unausgewogen ist. Bisher ist noch niemand auf den Inhalt unserer Darlegungen eingegangen, auf den konkreten einzelnen Fall. Und falls wir Fehler gemacht haben sollten, wäre ich der erste, der dies zugeben würde. Israel sagt, der Bericht sei ein Hindernis für den Frieden, Sie sagen, er sei die Voraussetzung für den Frieden. Inwiefern? In der Folge ernsthafter Verletzungen der Menschenrechte lässt sich kein Frieden erreichen, wenn man Groll und Rachegefühlen in der Opferbevölkerung nicht begegnet. Was die Opfer brauchen, ist Anerkennung, die offizielle Anerkennung ihrer Opferrolle. Das heißt, die Wahrheit ist eine wesentliche Brücke zu einem dauerhaften Frieden. Am 1. April 2011, also etwa anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung des UNReports, stellte Richard Goldstone in einem Gastbeitrag für die Washington Post überraschenderweise seinen eigenen Bericht zumindest in einem Punkt in Frage. 'Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre der Goldstone-Report ein anderes Dokument geworden.... Neuere Untersuchungen lassen erkennen, dass Zivilisten nicht absichtlich zum Ziel israelischer Angriffe gemacht worden sind.“ Und er lobt Israel dafür, dass mittlerweile mehr als 400 Fälle von möglichen Vergehen der Armee intern untersucht worden seien. Dabei beruft er sich auf eine seinem Report nachfolgende Untersuchung der UNO unter Vorsitz der ehemaligen New Yorker Richterin Mary McGowan Davis, die allerdings zu dem Ergebnis kommt, dass diese 400 Untersuchungen zu gerade einmal zwei Verurteilungen geführt hätten: Eine zu sieben Monaten Haft wegen Diebstahls einer Kreditkarte, die andere zu einer Bewährungsstrafe, weil ein palästinensisches Kind als menschlicher Schutzschild missbraucht wurde. Im übrigen gebe es - so wörtlich: „... keinerlei Hinweise darauf, dass Israel Untersuchungen begonnen hätte bezüglich der Handlungen derjenigen, die die Operation „Gegossenes Blei“ konzipiert, geplant, angeordnet und geleitet haben. Die Opfer beider Seiten können keine echte Verantwortlichkeit und keine Gerechtigkeit erwarten.“ Selbst der juristische Laie fragt sich, was für einen Wert überhaupt Untersuchungen haben sollen, die von der beschuldigten Partei in eigener Sache durchgeführt werden? Was immer Richard Goldstone gesagt oder später revidiert hat, ändert allerdings kein Jota an der Faktenlage des Massakers. Die umfangreichen Untersuchungsergebnisse der Goldstone-Kommission bestätigen die Darstellungen israelischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem, Amnesty International, Human Rights Watch und Medico International ebenso wie Zeugenaussagen beteiligter israelischer Soldaten, die im April 2009 von der Zeitung Ha’aretz veröffentlicht wurden. Israels Ministerpräsident Netanjahu nahm Goldstones Stellungnahme zum Anlaß, vom UN-Menschenrechtsrat die Annullierung des Berichts von 2009 zu verlangen, was ein Sprecher der Vereinten Nationen mit dem Argument zurückwies, die private Äußerung eines Kommissionsmitglieds könne nicht zur Revision eines zuvor offiziell erstellten Berichts führen. Auch Goldstone selbst hat Aussagen des israelischen Innenministers Eli Jischai zurückgewiesen, laut denen er den UN-Bericht zurücknehmen wolle. Die drei anderen hochgeachteten Mitglieder der Kommission haben sich übrigens klar von Goldstones Sinneswandel distanziert. Bleibt die Frage nach seinem Motiv? Seit der Veröffentlichung des Reports wurde eine schier unglaubliche Schmutzkampagne gegen den bekennenden Zionisten losgetreten. Er sah sich als angeblicher Antisemit und selbsthassender Jude regelrecht an den Pranger gestellt. Man wollte ihm, dem Verräter, sogar die Teilnahme an der Bar Mitzwa seines Enkels verwehren! Und für Netanyahu gehörte er - neben der iranischen Atombombe und den Raketen der Hamas - zu den „drei strategischen Herausforderungen“, mit denen Israel sich konfrontiert sehe. Angesichts dieser üblen Rufmordkampagne ist es kaum verwunderlich, wenn Roger Cohen am 7. 4. 2011 in der New York Times vermutet, Goldstone sei „gebrochen“ worden. Erich Fried: Widerstand Immer noch suchend wo Gegenwehr möglich ist (möglich bleibt oder wird) nicht nur als Geste oder zumindest als Geste die etwas lebendig unabgestumpft erhalten hilft wenn das vielleicht auch zuerst nur der eigene Abscheu ist Angst die sich weigert sich zu ducken vor dem was so mächtig scheint allmächtig bis auf die Hoffnung daß diesen Abscheu diese Angst diese Weigerung sich zu ducken andere teilen John Ging, der Leiter der UN-Hilfsorganisation für Gaza, in einem Interview vom 28. Mai 2010, also annähernd anderthalb Jahre nach dem Gaza-Massaker: „Die Lage in Gaza ist gekennzeichnet von menschlichem Elend. Die Menschenwürde wird mit Füßen getreten, und die einfachen Menschen kämpfen Tag für Tag ums Überleben. Israel hat das glatt abgestritten. Angesichts der Tatsache, dass 80 Prozent der Menschen In Gaza von Nahrungsmittelhilfe abhängen, lässt sich dies nur als Zynismus bezeichnen. John Ging: Ursache der Tragödie ist, dass es der internationalen Gemeinschaft nicht gelungen ist, die Einhaltung von Grundrechten sicherzustellen.... Die Blockade des Gazastreifens ist eine Art Sippenhaft für ein ganzes Volk – ein Verstoß gegen internationales Recht.... Die internationale Gemeinschaft muß ihre Verantwortung übernehmen und nach praktischen Wegen suchen, die Blockade zu durchbrechen...Wir empfehlen der Welt, Schiffe nach Gaza zu schicken, und wir glauben, dass Israel diese Schiffe nicht aufhalten würde, denn das Meer ist (rechtlich gesehen) frei. Nun, da hat er sich getäuscht, denn am 31. Mai 2010 nimmt eine israelische Marineeinheit die sechs Schiffe der Free-Gaza-Flotte in internationalen Gewässern unter ihre Kontrolle, wobei auf der türkischen Mavi Marmara neun Friedensaktivisten getötet werden. Der emeritierte Professor des Völkerrechts, Norman Paech, selbst an Bord eines der Schiffe des Hilfskonvois, weist in einer längeren Analyse, erschienen kurz nach dem Zwischenfall, darauf hin, dass „dieser Angriff, die Besetzung der Schiffe, die Tötung von mindestens neun und Verletzung von über 20 Passagieren, die Fesselung aller Besatzungsmitglieder und Passagiere sowie Entführung in den Hafen von Aschdod ein schwerer Verstoß gegen geltendes Völkerrecht ist. Es war schlicht ein Akt der Piraterie. ...Man kann nicht ein Schiff angreifen und sich dann auf Notwehr berufen, wenn sich Besatzung und Passagiere wehren.“ Israel hat ja sogar behauptet, dass seine Soldaten sich gegen eine drohende Lynchung durch die angeblichen „Terroristenfreunde verteidigen“ musste. Dazu Ken O’Keefe, früherer US-Marineinfanterist und Golfkriegsveteran, der sich an Bord der „Mavi Marmara“ befand: Obwohl ich davon überzeugt bin, dass Gewaltlosigkeit immer die erste Option sein sollte... schloss ich mich selbstverständlich der Verteidigung der Marmara an. ...Am Morgen des Angriffs war ich direkt an der Entwaffnung von zwei israelischen Soldaten beteiligt. Dies war eine zwangsweise Entwaffnung von Soldaten, die bereits zwei meiner Brüder ermordet hatten, die ich noch kurz zuvor gesehen hatte. Der eine hatte eine Kugel mitten in die Stirn bekommen – das war eine Exekution.. Es war mir klar, die Soldaten hatten einen Mordauftrag, und ich nahm dem einen eine 9mm-Pistole weg. Ich hatte das Ding in meiner Hand, und als ehemaliger Marinesoldat mit Training im Gebrauch von Waffen, wäre es mir durchaus möglich gewesen, die Waffe gegen den Soldaten zu richten, der womöglich der Mörder einer meiner Brüder gewesen war. Aber das genau war es, was weder ich noch ein anderer der Verteidiger des Schiffes tat. Im Gegenteil, ich nahm die Kugeln aus der Pistole raus und versteckte die Waffe. Ich tat dies in der Hoffnung, dass wir den Angriff abwehren und diese Waffe dann in einem Strafverfahren gegen die israelischen Behörden als Beweis ... vorlegen könnten. Ich half auch mit, einem weiteren Soldaten sein Sturmgewehr zu entreißen, das ein anderer dann wohl ins Meer geworfen hat. Ich und mit mir Hunderte andere kennen die Wahrheit, die das ‚tapfere und moralische israelische Militär’ zum Gespött macht. Wir hatten drei völlig entwaffnete und hilflose Soldaten in unserer Gewalt. Diese Jungs waren uns auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie waren außer Reichweite ihrer Mordgesellen mitten im Schiff und von Hundert oder mehr Männern umgeben. Ich sah in die Augen der drei Jungs, und sie hatten Todesangst. Sie schauten uns an, als wären wir so wie sie, und ich zweifle nicht daran, dass sie glaubten, diesen Tag nicht zu überleben …. Aber sie standen nicht einem Feind gegenüber, der so unbarmherzig wie sie war. Im Gegenteil, die Frauen leisteten erste Hilfe, und schließlich wurden sie entlassen, verletzt, aber lebendig. Sie erlebten den nächsten Tag.... anders als die, die sie umgebracht hatten. Obwohl wir über den Verlust unserer Brüder verzweifelt waren und eine Stinkwut auf diese Burschen hatten ..., wir ließen sie gehen. Während wir in israelischer Haft waren … wurden wir in jeder nur möglichen Weise misshandelt. Ich wurde geschlagen und gewürgt bis zur Bewusstlosigkeit … Bei all dem begriff ich, dass sie Feiglinge sind – und doch sah ich in ihnen meine Brüder. Egal wie abscheulich und falsch die Israelis sich verhalten… , sie sind doch meine Brüder und Schwestern. Ich habe Mitleid mit ihnen, weil sie das Kostbarste, was Menschen besitzen, aufgegeben haben - ihre Menschlichkeit.“ Prof. Norman Paech betont: die gemeinsame Basis des von der amerikanischbritischen „Free Gaza“-Organisation betriebenen Unternehmens war und ist „der Aufruf an die Weltgemeinschaft zur gewaltfreien Beendigung der Blockade und Hilfe für die Bevölkerung durch Auslieferung von Hilfsgütern... Die Verteilung sollte durch Nichtregierungsorganisationen in Gaza vorgenommen werden. Gleichgültig, ob Christen, Muslime, Buddhisten oder Atheisten, es waren Menschen aus über 30 Staaten auf den Schiffen, die einigen wenigen gemeinsamen Grundprinzipien verpflichtet waren: weder parteipolitische Ziele noch Missionierung, absolute Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit, Verzicht auf jegliche Waffen an Bord und Toleranz untereinander. Es gibt keine Anzeichen, daß diese Grundprinzipien nicht eingehalten wurden.“ Ergänzend dazu der Augenzeugenbericht des kanadischen Lehrers und ehemaligen Zivilingenieurs des Verteidigungsministeriums, Kevin Neish, der sich gleichfalls auf der Mavi Marmara befand: „Als ich an Bord ging, wurde ich gründlich abgetastet, und mein Gepäck wurde auf Waffen hin untersucht. Als Ingenieur hatte ich natürlich ein Taschenmesser bei mir. Das nahmen sie mir ab und warfen es ins Meer. Keiner durfte irgendwelche Waffen mit sich führen. Darauf wurde ganz sorgfältig geachtet....Während der ganzen Zeit an Bord habe ich bis zum Schluss nie eine Waffe in den Händen der Mannschaft oder der Friedensaktivisten gesehen.... Während der Auseinandersetzungen sah ich, wie sie einen der Soldaten herunterbrachten. Er sah sehr verängstigt aus, als wenn er dachte, er würde umgebracht. Aber als ein kräftiger Türke, der gerade schwer verletzte Passagiere gesehen hatte, die von den Soldaten angeschossen worden waren, versuchte, sich auf ihn zu stürzen, drängten ihn die anderen türkischen Entwicklungshelfer zurück und hielten ihn an der Wand fest. Sie schützten diesen israelischen Soldaten. Als das israelische Kommando die Mavi Marmara übernommen hatte, mussten sich Frauen und Männer getrennt auf den Boden setzen und ihre Hände wurden so streng mit Plastikbindern gefesselt, dass sie ganz schnell stark anschwollen. An den Nachwirkungen hat Kevin Neish noch lange gelitten. Sie wiesen uns an, still zu sein. Aber da erhob sich dieser türkische Imam und begann, einen Gebetsaufruf zu singen. Alles wurde totenstill – selbst die Israelis. Aber nach vielleicht 10 Sekunden stürmte ein israelischer Offizier durch die Reihen der am Boden Sitzenden, zückte seine Pistole, richtete sie auf den Kopf des Imams und schrie: „Shut up!“ Der Imam schaute ihm direkt in die Augen - und sang einfach weiter. Ich dachte, um Gottes Willen, er wird ihn töten. Dann dachte ich, nun, dafür bin ich wohl hier und stand auch auf. Der Offizier wirbelte herum und zielte mit seiner Waffe auf meinen Kopf. Der Imam beendete sein Lied, setzte sich ruhig hin, und auch ich setzte mich wieder.“ Die Vorgänge bei der Kaperung der sechs Schiffe sind inzwischen weitgehend bekannt und werden durch weitere Zeugen immer detaillierter ergänzt. In zwei Dingen stimmen sie alle überein: Es gab auf keinem Schiff Waffen, außer den stets in den Medien präsentierten Stöcken, Eisenstangen und Messern. Keine Bilder gibt es von dem Waffenarsenal der israelischen Armee und ihrem tödlichen Einsatz: Blendschockgranaten, Maschinengewehre, Pistolen, PaintbulletPumpguns und Elektroschockwaffen. Kaum Bilder der toten oder verwundeten Passagiere, alle Film- und Fotoapparate der Mitfahrenden wurden konfisziert, ihr Filmmaterial befindet sich im Besitz der israelischen Streitkräfte. Zu sehen waren nur Bilder von verletzten israelischen Soldaten mit Netanyahu an ihrer Seite – deutlicher kann man in diesem Konflikt kaum Partei ergreifen. Die Medien, mit sehr wenigen Ausnahmen, haben allein durch ihre Bildauswahl das Verhältnis von Angreifer und Verteidiger umgekehrt. Die Medien haben sich - so Norman Paech „vollständig der Bilderhoheit der israelischen Armee unterworfen... . Mit der schwindenden Überzeugungskraft des Bildmaterials, mit welchem die israelische Regierung alle internationalen Medien versorgt, beginnt nunmehr der Abwehrkampf an der ideologischen Front. Er wird von vielen Medien bereitwillig aufgenommen und als ...Entlastungsangriff gegen »Free Gaza« und ihre Schiffe geführt. Es geht zum einen darum, die »Free Gaza«-Bewegung zu delegitimieren und zum anderen wird bezweckt, die israelische Aktion als »Selbstverteidigung« zu rechtfertigen. Ansatzpunkt für die Delegitimierung des »Free Gaza«-Unternehmens ist die Beteiligung der IHH, der »Stiftung für Menschenrechte und Freiheit« mit Sitz in Istanbul; sie organisierte als einer der zahlreichen Koalitionspartner von »Free Gaza« die »Mavi Marmara«. Der Vorwurf lautet, es handele sich um eine Ansammlung radikaler Islamisten, Antisemiten und Faschisten, „Eine wohlorganisierte, islamistische Kadergruppe« - o die Frankfurter Allgemeine vom 11.6. Tatsache ist, daß die IHH eine von weltweit 3000 Nichtregierungsorganisationen ist, die beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat beratenden Status haben. Die IHH steht auf keiner der berüchtigten Terrorlisten. Norman Paech: “Sie ist mit ähnlichen Entwicklungsprojekten tätig, wie wir sie von Misereor, der evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe, Medico International oder dem Deutschen Entwicklungsdienst kennen. Seit der vollständigen Abriegelung des Gazastreifens durch Israel im Juli 2007 arbeitet die IHH auch in Gaza und sendet Hilfskonvois über ( das ägyptische ) Rafah. Daß sie dabei mit der Hamas kooperiert, ist selbstverständlich und nur noch bei den verbohrtesten Köpfen ein Stein des Anstoßes – schließlich fordert selbst Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in der BRD, öffentlich Gespräche mit der Hamas.“ Die unterstellte Verbindung zu Al-Qaida oder dem Dschihad erwies sich als eine bloße Verdächtigung, die allein dem Zweck diente, das ganze Unternehmen »Free Gaza« in Misskredit zu bringen. Die zweite Strategie zielt auf die völkerrechtliche Legitimierung des israelischen Angriffs. Ihr Grundtenor lautet: Selbstverteidigung, da man sich mit Gaza im Krieg befinde. Aber auch außerhalb Israels erheben sich Stimmen, die den israelischen Streitkräften ein Recht zur Seeblockade zugestehen wollen. Norman Paech: „Die in Gaza leider üblichen gegenseitigen Gewaltmaßnahmen – vereinzelte Raketen auf die Grenzgebiete Israels und gezielte israelische Tötungen durch Drohnen und Artillerie im Gazastreifen – erfüllen nicht die Kriterien eines Krieges oder bewaffneten Konflikts. Die Militärintervention der israelischen Streitkräfte im Dezember 2008 bis Januar 2009 war ein Krieg....jetzt ist es ein Wirtschaftskrieg, den Israel gegen den Gazastreifen führt – eine Seeblockade außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer und der selbsterklärten militärischen Sperrzone ist (daher) völkerrechtlich nicht zu legitimieren. Die israelische Regierung selbst vertritt den Standpunkt, daß Gaza nach dem Rückzug 2005 nicht mehr zu ihrem Besatzungsgebiet im Sinne des Kriegsvölkerrechts gehöre, sie also auch keine Hoheitsrechte in diesem Gebiet mehr habe. Wenn das so ist, dann hat sie damit logischerweise auch nicht das Recht, Gaza vom Meer abzuschneiden und den Hafen für ausländische Schiffe zu sperren. Da sich die Schiffe aber in internationalen Gewässern befanden, gilt für sie das Jahrhunderte alte Prinzip der »Freiheit der Meere«. Norman Paech weiter: “Ist also Kriegsrecht nicht anwendbar, so reduziert sich die Möglichkeit der israelischen Marine, Schiffe auf hoher See zu kontrollieren und zu durchsuchen, auf jene Ausnahmefälle, in denen ein begründeter Verdacht besteht, das Schiff verfolge illegale Ziele und Aktivitäten, wie Schmuggel, Piraterie oder Menschenhandel. Die Güter unserer Flottille waren aber öffentlich verladen und durch die Hafenbehörden kontrolliert worden, es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Waffen geschmuggelt werden sollten. Die Israelis haben ja auch keine vorweisen können, was sie sicher gern getan hätten. Selbst wenn man den israelischen Streitkräften angesichts der immer wieder aufflammenden Gewalttätigkeiten ein Selbstverteidigungsrecht oder ein Kontrollrecht der Schiffe einräumen würde, - so Norman Paech „war diese Art Kontrolle - mit Waffengewalt, mit Toten und Verletzten -vollkommen unverhältnismäßig und schon deshalb rechtswidrig. Das internationale Seerecht fordert, das solche Durchsuchungen mit der größten Zurückhaltung vorgenommen werden, denn es handelt sich für gewöhnlich um einen Eingriff in fremde Souveränitätsrechte. Da ein Angriff auf ein Schiff wie ein Angriff auf das Territorium des Heimatstaates zu werten ist, hätte dieser Vorfall sogar zu einer dramatischen Konfrontation mit der Türkei führen können. Denn die Türkei hätte ihrem Schiff militärisch zu Hilfe eilen können.... Wir können froh sein, daß es dazu nicht gekommen ist. Norman Paechs Fazit: Wie man es auch dreht und wendet, ob wir die israelische Position akzeptieren, dass Gaza ein hoheitsfreies Territorium ist und damit Friedensrecht gilt, oder Gaza erneut besetzt ist und sich im Krieg mit Israel befindet und deshalb Kriegsvölkerrecht anzuwenden ist: Die Blockade ist in jedem Fall rechtswidrig. Sie wirkt wie eine Kollektivbestrafung, die nach internationalem Recht verboten ist. Ja, es wäre zu prüfen, ob sie nicht den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllt, wie es (im) Römischen Statut von 1998 als...“Angriff gegen die Zivilbevölkerung« definiert wird. Dieser Vorwurf trifft nicht allein Israel, sondern die USA und die EU-Staaten gleichermaßen, da sie in voller Kenntnis des Elends und der Zerstörungen diese Blockade unterstützen. Eine vom UN-Menschenrechtsrat berufene Untersuchungskommission kam im September 2010 gleichfalls zu dem Ergebnis, dass Israel bei der Erstürmung der Hilfsflotte internationales Recht gebrochen habe, und die israelische Blockade des Gazastreifens ungesetzlich sei. Der Menschenrechsausschuss hatte den Angriff auf unschuldige Zivilisten bereits im Juni zuvor mit großer Mehrheit scharf verurteilt. Laut UN-Bericht haben die israelischen Soldaten ein "nicht zu akzeptierendes Maß an Brutalität" gezeigt. Sie hätten sich während und nach dem Einsatz schwerer Rechtsbrüche wie vorsätzlicher Tötung und Folter schuldig gemacht. Israel lehnte die Untersuchungsmission des Menschenrechtsrats als partei-isch ab und verweigerte jede Zusammenarbeit. Dagegen unterstützte es eine von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon eingesetzte Kommission, die den offiziellen Auftrag hatte, die wegen der Tötung der türkischen Friedensaktivisten zerrütteten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel positiv zu beeinflussen. Anders als bei der Kommission des UN-Menschenrechtsrats war Grundlage dieser Untersuchung nicht etwa das Geschehen selbst, sondern nur die Berichte der Türken und der Israelis. Der unparteiische und sorgfältige, auf einer „fact-finding-mission“ beruhende Report des UN-Menschenrechtsrats fand dabei keine Berücksichtigung. Es verwundert daher kaum, dass die israelische Seeblockade des Gazastreifens als "rechtmäßig und angemessen", der israelische Einsatz allerdings als "exzessiv" und "unverhältnismäßig" bezeichnet wurde. Juristisch ist das Ergebnis jedenfalls nach Einschätzung von Experten des Völkerrechts ein Fehlgriff, was – so Norman Paech: „so oft geschieht, wenn die Diplomatie Vorrang hat“. So geriet der Versuch, den Streit zwischen den beiden Ländern auf diplomatischem Wege zu entschärfen, zu einem kompletten Misserfolg. Angesichts der widersprüchlichen Rechtslage wird die türkische Regierung den Fall dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorlegen, wo er letztlich auch hingehört. Sie wies zudem den israelischen Botschafter aus und kündigte die militärische sowie die umfangreiche rüstungstechnische Zusammenarbeit auf. Darüber hinaus erwog der türkische Ministerpräsident Erdogan als erster amtierender Regierungschef, dem Gaza-Streifen einen offiziellen Besuch abzustatten, »um die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf die Zustände in Gaza zu lenken und die Internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, das von Israel durchgesetzte illegale Embargo zu beenden«. Die Organisatoren der zweiten „Freedom Flotilla“, die im Sommer 2011 einen weiteren Anlauf unternahmen, die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen, sind an den machtpolitischen Realitäten in den internationalen Beziehungen formal zwar gescheitert - da das bankrotte und von den USA und der EU total abhängige Griechenland wohl einen Wink erhielt, die Schiffe der Friedensaktivisten nicht aus seinen Häfen auslaufen zu lassen -, doch in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit war es nur ein weiterer Pyrrhussieg des „grenzenlosen“ Israels. ERICH FRIED Frage an den Sieger Nach deiner Landnahme als das Blut schrie von der Erde und als man dich fragte „Wo ist dein Bruder im Land?“ da sagtest du „Ich weiß nicht“ und du fragtest „Soll ich der Hüter meines Bruders sein?“ Nun sagst du man muß dich vor der Rache der Sippe deines Bruders von dem du nichts weißt beschützen Und du trägst ein Zeichen das sagt wer dich totschlägt an dem soll siebenfach Rache genommen werden ( kurze Pause! ) Wer bist du? Dies ist wohlgemerkt nur ein Text-Auszug aus dem vom Bayerischen Rundfunk zum „Hörbuch der Woche“ gekürten „Hörbild zum Zionismus“. Bei Interesse: Es kostet € 15.- (einschließlich Versand) und ist zu beziehen direkt über den Autor. Jürgen Jung T. 08441-860855 H. 0179-2950442 [email protected] SALAM SHALOM Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. www.salamshalom-ev.de [email protected]