Informationen in chronologischer Reihenfolge

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DOSSIER:
Informationen in chronologischer Reihenfolge
über die Rote Armee Fraktion
1. Die Geschichte der RAF:
1.1 Das Entstehen der RAF
Alles fing eigentlich mit dem Besuch des Schahs von Persien an Berlin, am 2. Juni 1967, an.
Bereits vor dem Besuch wurden oppositionelle Perser in Berlin festgenommen. Als der Schah
am 2. Juni am Schöneberger Rathaus ankam, erwarteten ihn schon hunderte von
Demonstranten - meistens Studenten -, die "Mörder! Mörder!" riefen und mit Farbeiern
warfen. Der iranische Geheimdienst und die sogenannten Jubelperser fingen darauf an, mit
Holzlatten auf die Demonstranten einzuschlagen. Erst nach einigen Minuten griff die Polizei
ein - auf Seiten der Jubelperser und des iranischen Geheimdienstes.
Es folgten noch verschiedene andere Demonstrationen gegen den Schah, die meistens in
Handgemänge zwischen Polizei und Demonstranten endeten. Während einer dieser
Demonstrationen wurde der Student Benno Ohnesorg durch einen Schuss aus der entsicherten
Pistole vom Kriminalobermeister in zivil Karl-Heinz Kurras getötet. Kurras wurde später
freigesprochen, weil er behauptete, der Schuss sei ihm unabsichtlich losgegangen.
Am 2. April 1968, kurz vor Ladenschluss, legten Andreas Baader und Gudrun Ensslin in die
Frankfurter Kaufhäuser Schneider und Kaufhof zwei Sprengladungen, die nachts
explodierten.
Niemand wurde bei dieser “politischen Racheakt” verletzt und die
Versicherung trug die Kosten von 282.339 DM bei Schneider und 390.865 DM bei Kaufhof.
Als die Brandstifter bei einer Bekannten untertauchten, wurden sie am nächsten Morgen auf
Grund eines "konkreten" Hinweises verhaftet. Sie wurden zu drei Jahren Haft verurteilt, aber
bereits nach vierzehn Monaten waren sie wieder auf freiem Fuß und sie tauchten unter.
Dann fängt die Presse in Deutschland mit einer großen Hetzkampagne gegen die APO und die
deutsche Linke an. Der Springerverlag, der wochentags 30% und sonntags sogar 90% der
Gesamtauflagen an Zeitungen stellte, spielte dabei eine wichtige Rolle. Und auch die
rechtsradikale Presse machte mit. In der Deutsche Nationalzeitung erscheint die Schalgzeile
"Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg" mit darunter fünf Fotos von
Studentenführern die aussahen wie Fahndungsfotos der Polizei.
Am 11. April 1968 wird der Studentenführer Rudi Dutschke vor dem SDS-Zentrum am
Kurfürstendamm von einem jungen Mann mit kurzgeschnittenen Haaren erschossen. Dieser
Mann ist Jozef Bachmann. Schon wenige Minuten nach dem Attentat wird er von der Polizei
verhaftet und man findet auf ihm einen Ausschnitt aus der Deutschen Nationalzeitung. Für
alle Studenten ist klar, dass der eigentliche Täter der Springerverlag ist. In einer Protestaktion
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versuchen die Studenten die Ausfahrten der Springerdruckerei mit Autos zuzuparken unter
der Parole "Heute darf keine Springerzeitung die Druckerei verlassen". Die Studenten werden
von der Polizei hart angepackt.
Durch Verrat von Peter Urbach, einem Spionen der Verfassungsschutz, wird der
untergetauchte Andreas Baader verhaftet und ins Gefängnis Moabit gebracht. Dort besuchen
ihn regelmäßig seine Mutter, Ulrike Meinhof, die für Konkret arbeitete, und Horst Mahler, der
sein Anwalt war. Auch Gudrun Ensslin besuchte Baader einige Male unter falschem Namen.
Ensslin organisierte währenddessen mit der Hilfe von Ulrike Meinhof, die damals durch ihre
Arbeit bei Konkret, aber auch durch verschiedene Fernsehauftritte bekannt war, eine
Gefangenenbefreiung.
Am 14. Mai 1970 wurde Andreas Baader unter der Begleitung von zwei Polizeibeamten in
das Institut für soziale Fragen gebracht, wo Ulrike Meinhof auf ihm wartete unter dem
Vorwand einen Buch mit Baader über randständige Jugendliche zu schreiben. Dazu hatte sie
die Einstimmung der Gefängnisleitung bekommen. Die zwei Polizeibeamten wurden
überwältigt, wobei der Institutangestellte Georg Linke verletzt wurde, und der Gefange und
seine Befreier entkamen durch ein Fenster und führen in zwei Wagen davon. Andreas Baader
und seine Befreier reisten nach dieser Aktion mit Hilfe eines Verbindungsmannes der
palästinensischen Befreiungsorganisation El Fatah namens Said Dudin nach Jordanien, wo
sie eine militärisch Ausbildung bekamen. Dies war der Beginn der Rote Armee Fraktion.
Nach ihrem Rückkehr aus Jordanien 1970 begang die Baader-Meinhof-Gruppe verschiedene
kleine Aktionen. Vor allem wurden Banken überfallen um an das nötige Geld für ihre
Aktionen zu kommen und wurde in Rathäuser eingebrochen um an Blankopapiere und
Dienstsiegel zu kommen. Die Gruppe um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun
Ensslin wuchs und man verbrachte die Zeit mit Vorbereitungen um an Waffen, Autos,
Wohnungen und Geld zu geraten. Währenddessen wurden verschiedene RAF-Mitglieder
verhaftet, wie Horst Mahler, oder erschossen. Die Jagd auf die Baader-Meinhof-Gruppe
übersteigte jedes Maß und die Hysterie erreichte ihren Höhepunkt in einem Artikel der Welt
am Sonntag mit der Schlagzeile: “Bonner Geheimpolizei jagt Staatsfeind Nr.1: die BaaderBande”.
1.2 Die Bombenanschläge
Und dann gings los. Als Reaktion auf die Ereignisse in Vietnam verübte die RAF vor allem
Anschläge auf amerikanische Ziele in Deutschland.
 Am 11. Mai 1972 zerstörten drei Rohrbomben das Eingangsportal und das Offizierskasino
des fünften US-Korps im IG-Farben-Haus in Frankfurt/Main. Bei diesem Anschlag
wurden dreizehn Personen verletzt und wurde eine Person getötet.
 Am 12. Mai 1972 explodierten zwei Rohrbomben in der Polizeidirektion Augsburg. Fünf
Polizisten wurden dabei schwer verletzt.
 Am 12. Mai 1972 explodierte auf dem Parkplatz des LKA München eine Autobombe.
Sechzig Autos wurden zerstört und in sechs Stockwerken sprangen die Rahmen.
 Am 15. Mai 1972 explodierte der Volkswagen des Bundesrichters Buddenberg, an dessen
Steuer seine Frau saß, die aber überlebte.
 Am 19. Mai 1972 explodierten im Axel-Springer-Haus mehrere Bomben. Obwohl es
zuvor mehrere Warnanrufe gegeben hatte, war das Gebäude nicht geräumt worden.
Bilanz: Siebzehn Verletzte.
 Am 24. Mai 1972 explodierten vor dem Kasernenblock 28 und dem Casino des EuropaHauptquartiers der US-Armee in Heidelberg zwei Autobomben. Dabei kamen drei
amerikanische Soldaten ums Leben und wurden fünf verletzt.
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Auf die Bombenanschläge folgte die größte Fahndungsaktion in der Geschichte der
Bundesrepublik. Am 31. Mai 1972 wurden alle Polizisten direkt dem BKA untergeordnet
und jeder staatliche Hubschrauber befand sich an diesem Tag in der Luft. Überall wurden
Straßensperren errichtet und Fahrzeuge kontrolliert.
Am 1. Juni 1972 wurden Andreas Baader und Holger Meins am Hofeckweg in Frankfurt
verhaftet. Dort befand sich die Garage in der die RAF ihren Sprengstoff lagerte. Diese
Garage wurde schon lange observiert.
Am 7. Juni 1972 wurde Gudrun Ensslin in einer Boutique verhaftet, wo eine Verkäuferin die
Pistole in ihrer Jacke fand.
Am 15. Juni 1972 wurde auch Ulrike Meinhof verhaftet. Sie war bei einem Lehrer
untergetaucht, der sie bei der Polizei verriet um kein Ärger zu bekommen.
Am 7. Juli 1972 wurden auch Klaus Jünscke und Irmgard Möller verhaftet.
Alle Gefangenen der RAF gerieten in Isolationshaft und durften untereinander keinen Kontakt
haben. Nur ihre Verwandte dürften sie besuchen und das nur alle vierzehn Tage eine halbe
Stunde unter Aufsicht. In Ulrike Meinhofs Zelle wurde sogar nachts das Licht nicht gelöscht.
Um gegen diese Haftbedingungen zu protestieren fingen die Gefangenen mit einem
Hungerstreik an (dem ersten aus einer langen Reihe), die sie nach zwei Monaten beendeten,
ohne Erfolg.
Und auch im Knast blieb die RAF aktiv. Gudrun Ensslin entwickelte ein "Info-System" um
mit einander in Kontakt bleiben zu können. Alle bekamen Decknamen aus dem Buch "Moby
Dick" und schrieben sich Briefe die sie über die Post ihrer Anwälte, die damals noch nicht
kontrolliert wurde, bekamen.
Auch die Bücher die sie sich schicken liesen, wurden nicht kontrolliert. So konnten sie sich
eine umfangreiche Bibliothek zusammenstellen, die sie in ihrer Ausbildung als Stadtguerilla
weiterbrachte.
Über das Infosystem wurde der 2. Hungerstreik, der vom 8. Mai bis zum 29. Juni 1973 lief,
organisiert. Hier kam zum ersten Mal das Mittel der Zwangsernährung zum Einsatz.
Dennoch brachte dieser Hungerstreik leichte Haftverbesserungen.
Am 27. August 1974 began der 3. Hungerstreik. Ende Oktober wurden alle Gefangenen
zwangsernährt. Nach fast zwei Monaten Hungerstreik starb Holger Meins am 9. Februar
1974 und noch am selben Tag gab es in der gesamten Bundesrepublik
Protestdemonstrationen. Für die Sympathisanten der RAF war klar, dass Holger Meins
ermordet worden war.
Der Hungerstreik dauerte noch bis zum 2. Februar 1975 und brachte erhebliche
Haftverbesserungen.
1.3 Unterstützung von draußen
Der Tod von Holger Meins war für viele ein großer Schock. Man fragte sich ob die RAF tot
war, aber das war nicht der Fall. Zwar saß die erste Generation von RAF-Mitglieder im
Gefängnis, es gab eine Nachfolgegruppe, die sogenannte “zweite Generation”.
Am 10. November 1974 versuchten einige Terroristen den obersten Richter von Berlin
Günther von Drenkmann zu entführen, aber die Aktion misslang und Drenkmann wurde dabei
getötet.
Am 27. Februar 1975 entführte die “Bewegung 2. Juni” den Berliner
Bürgermeisterkandidaten der CDU Peter Lorenz.
Am nächsten Tag wurden ihre
Forderungen, zusammen mit einem Polaroidfoto des Entführten veröffentlicht. Sie forderten
die Freilassung von Horst Mahler und einigen anderen Gefangenen aus dem Umfeld der
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Bewegung 2. Juni. An die RAF-Gefangenen schrieben sie: "An die Genossen im Knast: Wir
würden gern mehr von euch rausholen, sind aber dazu bei unserer jetzigen Stärke nicht in der
Lage." Weil keiner der Gefangenen wegen Mordes angeklagt oder verurteilt war, ging der
Staat auf die Forderungen ein und die Gefangenen außer Mahler, der auf die Freilassung
verzichtete, wurden freigelassen. Am 4. März 1975 wurde dann auch Peter Lorenz
freigelassen.
Am 25. April 1975 stürmten 6 deutsche Terroristen bewaffnet mit Pistolen und Sprengstoff
die deutsche Botschaft in Stockholm und nahmen elf Personen als Geisel. Sie besetzten das
obere Stockwerck der Botschaft und verkündeten ihre Forderungen: die Freilassung von
sechsundzwanzig Gefangenen u.a. Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Esslin und JanCarl Raspe.
Zuerst wurde der deutsche Militärattaché Andreas Baron von Mirbach erschossen, weil die
schwedische Polizei, die das untere Stockwerk besetzte, auch nach zweiter Warnung nicht
abzog, worauf sich die Polizei in eine Nebengebäude zurückzog.
Als die Geiselnehmer der Beschluss des Bundeskanzler Helmut Schmidt hörten, dass er nicht
auf die Forderungen eingehen wollte, erschossen sie die nächste Geisel, der
Wirtschaftsattaché Dr. Hillegart.
Wenige Minuten vor Mitternacht, kurz bevor die schwedische Polizei die Botschaft mit
Betäubungsgas angreifen wollte, explodierte der von den Terroristen instalierte Sprengstoff.
Später stellte sich heraus, dass sie den Sprengstoff wohl aus Versehen zur Explosion gebracht
hatten. Bei der Explosion kam einer der Terroristen ums Leben, alle anderen Personen
erlitten schwere Verbrennungen.
1.4 Der Prozess
In der für den Prozess gebauteten Mehrzweckhalle in Stammheim fing am 21. Mai 1975 der
Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe an.
Bereits beim Aufrufen der Verteidiger begannen die Angeklagten zu stören, weil das Gericht
neben den Vertrauensanwälten der Häftlinge auch Pflichtverteidiger bestimmt hatte. Dazu
kam, dass der Bundestag vor diesem Prozess die Strafprozessordnung geändert hatte und es so
ausgeschlossen war, dass die RAF-Gefangenen mehrere Anwälte hatten. Der Prozess
schleppte sich hin, so verlangten die Gefangenen u.a. den Ausschluss aus dem Verfahren bis
sie von Ärzten ihres Vertrauens untersucht worden waren, wurde ein neuer Paragraph der
Strafprozessordnung eingeführt, der besagte das ein Verfahren auch ohne die Angeklagten
durchgeführt werden konnte, wenn deren Verhandlungsunfähigkeit selbstverschuldet war,
usw.
Am 9. Mai 1976 trafen Justizbeamten Ulrike Meinhof tot an. Sie hing an einem aus
Handtüchern zusammengeknoteten Seil, das am Fenstergitter ihrer Zelle befestigt war.
“Selbstmord durch erhängen” hieß es, aber dieser Version war zweifelhaft, u.a. weil es keinen
Abschiedsbrief gab und Sachbverständiger meinten, dass das Seil zu dick gewesen wäre, um
es ohne Hilfsmittel durch das engmaschige Gitter des Fensters zu ziehen. Ein solches
Hilfsmittel wurde aber nicht in ihrer Zelle gefunden. Außerdem ergab ein Experiment, dass
das Seil zu dünn wäre, um die Last des Körpers zu halten.
Später fand ein Untersuchungsausschuss heraus, dass Pakete an die restlichen Angeklagten
mit Stricken und der Aufforderung sich zu erhängen, durch die Postzensur zu den Gefangenen
gelangten.
Inzwischen wurde die Vermutung geäußert, dass vertrauliche Gespräche zwischen den
Anwälten und ihren Mandanten mit Wanzen abgehört worden waren. Tatsächlich waren in
den Zellen in denen diesen Gesprächen stattfanden u.a. durch den Verfassungsschutz Wanzen
installiert worden.
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Am 7. April 1977 wurde der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, zusammen mit seinem
Chauffeur und dem Chef der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft von RAF-Terroristen
erschossen, als der Dienstmercedes an einer roten Ampel hielt. Wenige Tage später erreichte
ein Bekennerschreiben die DPA mit der Unterschrift "Kommando Ulrike Meinhof".
Am 28. April 1977 endete der Prozess der RAF-Gefangenen nach 192 Tagen. Andreas
Baader, Gudrun Esslin und Jan-Carl Raspe wurden für schuldig befanden und zu
lebenslänglicher Haft verurteilt.
1.5 Der “Deutsche Herbst” '77
Am 5. September 1977 wurde Hans-Martin Schleyer in einer gewaltigen Aktion von fünf
Terroristen entführt, wobei sie die drei begleitende Polizisten und Schleyers Chauffeur
erschossen.
In einem Brief an die Bundesregierung forderten die Terroristen die Freilassung von u.a.
Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe und bei der Freilassung sollte auch jeder
Gefangene 100.000 DM mitbekommen. Bei dem Brief steckte ein Polaroidfoto von Schleyer
und der Brief war mit "Kommando Siegfried Hausner" unterschrieben.
Als Reaktion auf die Entführung wurde in Stammheim eine Kontaktsperre verhängt. Auch
wurden die Anwälte nicht mehr zu ihren Mandanten gelassen. Dafür gab es keine
Rechtsgrundlage, aber wie schon so oft davor wurde diese extra für die RAF nachträglich
geschaffen.
Die Bundesregierung rief inzwischen einen Krisenstab zusammen auf dem man beschloss,
nicht auf die Forderungen einzugehen, sondern auf eine Verzögerungstaktik zu setzen bis man
wusste, wo an dem Schleyer gefangengehalten wurde. Die RAF-Gefangenen wurden
inzwischen befragt in welches Land sie ausreisen wollten, falls die Regierung auf die
Forderungen eingehen wurde. Auf den anschließenden Anfragen in den genannten Ländern
folgte meistens ein Besuch eines Regierungsvertreters und so gewann die deutsche Regierung
immer wieder Zeit.
Am 13. Oktober 1977 wurde dem Flug LH 181 Palma de Mallorca/Frankfurt (M) vom
palästinensischer Kommando "Kofre Kaddum" entführt.
Die Forderungen dieses
Kommandos stimmten mit den der Schleyer-Entführer uberein. Sie fügten nur noch zwei
Namen von in der Türkei festgehaltenen Palästinenser hinzu und forderten darüber hinaus
noch 15 Millionen Dollar.
Am 18. Oktober 1977 stürmte das GSG9-Kommando das Flugzeug. Dabei wurden drei
Terroristen sofort erschossen und eine Terroristin schwer verletzt. So wurden die Geiseln
befreit.
Am 18. Oktober 1977 fand man die RAF-Gefangenen tot in ihrer Zelle zurück. Allein
Irmgard Möller lebte noch, aber war schwer verletzt. Offiziell hieß es Selbstmord, aber viel
Fragen blieben unbeantwortet.
Am 19. Oktober 1977 gab das "Kommando Siegfried Hausner" bekannt, dass man HansMartin Schleyer erschossen habe. Man fand ihn in Mülhausen zurück, wie die Terroristen es
in ihre Erklärung geschrieben hatten.
1.6 Die dritte Generation der RAF
Nachdem auch das größte Teil der zweiten Generation der RAF verhaftet war, erschien eine
dritte Generation, deren Hauptziel nicht mehr die Befreiung der RAF-Gefangenen war,
sondern ein gemeinsamer Kampf gegen den Imperialismus in Europa - die Bildung einer
"antiimperialistische Front", wie es 1982 im Flugblatt Guerilla, Widerstand und
antiimperialistische Front beschrieben wurde. Dieser gemeinsame Kampf bestand aus
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militärischen Angriffen, koordinierten militanten Projekten und politischen Initiativen in ganz
Europa. Die RAF verstand sich also nicht mehr als verlängerten Arm der unterdrückten der
dritten Welt, sondern als eigenständige Guerilla im Herzen des europäischen Imperialismus.
Am 18. Dezember 1984 misslang ein Anschlag auf der NATO-Schule in Oberammergau.
Der verwendete Sprengstoff war am 4. Juni 1984 in Belgien gestohlen worden und Teile
davon wurden schon bei einer Aktion der Action Directe in Frankreich benutzt.
Am 1. Februar 1985 wurde Ernst Zimmerman, Vorstandsvorsitzender der Machinen- und
Turbinenunion (MTU) in seinem Haus von zwei Terroristen erschossen. Der Konzern war
u.a. der Hersteller des Triebwerks für "Tornado"-Kampfflugzeuge und des Motors für den
"Leopard"-Panzer. Die Täter des Mordes hinterliesen - typisch für die dritte Generation keine Fingerabdrücke oder andere verwendbare Spuren.
Am 8. August 1985 explodierte eine Autobombe auf dem militärischen Teil der US-Airbase
in Frankfurt. Die 50kg-Bombe tötete zwei Menschen, verletzte elf Menschen und richtete
einen Sachschaden von einer Millionen Mark an.
Am 9. Juli 1986 explodierte eine 50kg-Bombe direkt neben dem Fahrzeug des
Siemensvorstandsmitglieds Karl-Heinz Beckurts. Sowohl Beckurts, als auch sein Chauffeur
starben an Ort und Stelle. Beckurts war damals einer der bedeutesten Industriemanager und
Atomphysiker der BRD und er war auch ein starker Verfechter der Atomenergie.
Am 10. Oktober 1986 wurde Gerold von Braunmühl von zwei Terroristen erschossen. Er
war Leiter der Abteilung 2 des Auswärtigen Amtes, verantwortlich für Europäische
Zusammenarbeit, Europarat, Westeuropäische Union, NATO, Beziehungen mit
Westeuropäischen Staaten, Amerika und Canada sowie den Ost-West-Beziehungen. Die
Kugel die man später in seinem Kopf fand, stammte aus derselben Waffe, mit der man schon
Hans-Martin Schleyer erschossen hatte.
Am 30. November 1989 wurde der Deutsche Bank Vorstand Alfred Herrhausen getötet.
Eine mit TNT gefüllte "Hohlladungsmine" ließ die gepanzerte Limosine durch die Luft
fliegen, beschädigte die Panzerung und ein Metallteil aus der Tür traf Herrhausens
Oberschenkel. Während sein Fahrer nur leicht verletzt war, verblutete Herrhausen. Am Tatort
fand man auch einen RAF-Stern mit der Unterschrift "Kommando Wolfgang Beer".
Am 1. April 1991 wurde der Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder zu Hause erschossen
aus ca. 63m Entfernung. Auch seine Frau wurde bei diesem Anschlag getroffen. Am Tatort
fand man ein Bekennerschreiben, das mit "Kommando Ulrich Wessel" unterzeichnet war.
1.7 Das Ende der RAF
Am 20. April 1998 empfing die Nachrichtenagentur Reuters in Köln einen Brief in dem die
RAF sich auflöst. Der Brief von acht Seiten enthielt kein Wort des Bedauerns für die Opfer
der RAF und redete nur über Selbstgerechtigkeit und späten Einsichten. Die Erklärung war
auf März 1998 datiert und an der Echtheit der RAF-Abmeldung gibt es mittlerweile kein
Zweifel mehr. Wer zur Kader der dritten Generation der RAF gehörte, ist bis heute
unbekannt, aber der ehemaligen deutschen Staatsfeind Nummer Eins war nicht mehr.
_______________________
2. Die Ideologie der RAF
2.1 Die Entstehung der RAF
Die Rote Armee Fraktion hatte ihre Wurzeln in der Berliner Studentenbewegung der 60er
Jahre. In Berlin befand sich damals die größte Einrichtung zur Ausbildung von Politologen,
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das Otto-Suhr-Institut. Das bedeutet, dass man dort viele junge, politisch interessierte und
auch engagierte Menschen antraf. Auch die Tatsache, dass man dort vom Wehrdienst
freigestellt war, übte wohl eine große Anziehungskraft auf junge Männer, die Kritik auf den
Staat hatten, aus. Letztlich spielte die geografische Lage Berlins, als kapitalistische und
marktwirtschaftlich orientierte Enklave im Staatsgebiet der sozialistischen und
volkswirtschaftlich ausgerichteten DDR, auch eine wichtige Rolle.
Am Anfang organisierte die Studentenbewegung vor allem Demonstrationen, Sit-ins, Teachins usw. Man diskutierte über die Anti-Imperialismus-Theorie, der Vietnam-Krieg, über das
Pressemonopol des Springerkonzerns, dessen Hetzkampagne gegen die Studentenbewegung
und auch schon damals über die Legimitation der Gewaltanwendung.
Als aber am 2. April 1968 in den beiden Frankfurter Kaufhäusern Schneider und Kaufhof
mehrere Brandsätze gezündet wurden, die nicht unerhebliche Sachschaden anrichteten,
verurteilte der gemäßigtere und auch größte Teil der Studentenbewegung diese Anschläge,
während einen radikaleren Teil diese Aktion gut hieß und aus dessen Kreisen sich die
späteren Mitglieder terroristischer Vereinigungen rekrutierten. Für diesen radikaleren Teil der
Studentenbewegung hatte der Staat die Frage nach der Legitimation der Gewaltanwendung
teilweise selbst beantwortet, als am 2. Juni 1967 den Demonstranten Benno Ohnesorg
während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs an Berlin vom
Kriminalobermeister Karl Heinz Kurras, und als am 11. April der SDS-Führer (der
Sozialistische Deutsche Studentenbund) Rudi Dutschke nach einer Hetzkampagne der Presse
gegen die studentische Protesbewegung von einem jungen Arbeiter erschossen wurden.
Während der Prozess gegen den Tätern der Brandstiftungen (Andreas Baader, Gudrun
Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein) sagten Baader und Ensslin, dass sie mit der
Brandstiftung gegen die Gleichgültigkeit der Menschen in der BRD gegenüber dem
Völkermord in Vietnam reagieren wollten. Sie redeten über die Ausbeutung der Dritten Welt
durch die westlichen Industrienationen zu deren eigenen Profit, über das Versagen der
Studentenbewegung und über das sogenannten "Primat der Praxis" (was bedeutet, dass der
Tat am Anfang stehen muss und erst später die Theorie folgt).
Die Brandstifter wurden zu drei Jahre Haft verurteilt. Während der Haft kam Gudrun Ensslin
zum ersten Mal mit der Konkret-Kolumnistin Ulrike Meinhof in Kontakt, die sie zum Zwecke
eines Interviews besuchte. Andreas Baaders Anwalt im Prozess war der Berliner
Rechtsanwalt Horst Mahler. Diese vier Personen wurden später das Führungskader der
sogenannten ersten RAF-Generation bekannt.
2.2 Die "Rote Armee Fraktion"
Am Anfang sah die RAF sich als kleinen Teil einer großen Bewegung, einer “Rote Armee”,
die noch aufgebaut werden musste. Eine Revolution war für die RAF unbedingt notwendig.
Die kommunistischen Parteien und die Neue Linke hatten in ihren Augen versagt. Die Neue
Linke wurde von der RAF als "Schwätzer", "Hosenscheißer" und "Alles-besser-Wisser"
bezeichnet. Auch das Industrieproletariat war nicht das revolutionäre Subjekt, weil es z.B. im
günstigen Erwerb von Kaffee, Bananen, sonstigen Produkten und Leistungen an der
Ausbeutung der Dritte Welt beteiligt war, aber sich davon nicht bewusst war.
Die RAF sah sich als eine 'Avantgarde', die durch einzelne Aktionen auf einer breiten Ebene
den Klassenkampf entfesseln musste und das nun in der Gesellschaft freigewordene
revolutionäre Potential zu organisieren und die entstandene Rote Armee in ihrem Kampf
gegen die herrschende Klasse zu führen hatte. Diese Rote Armee sollte sich rekrutieren aus
dem ausgebeuteten Industrieproletariat, das mit Hilfe der RAF seine eigene Lage und seine
Rolle in der Gesellschaft kennen lernen wurde. Die RAF war sich also bewusst, dass sie nur
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eine kleine Gruppierung waren und dass nur eine breite Massenbewegung imstande war, die
Missstände in der Gesellschaft abzustellen.
2.3 Kapitalismus
Das Kapital war die Wurzel allen Übels. Es verursachte die Ausbeutung der Dritten Welt
durch die Industriestaaten, weil es dort billige Arbeitskräfte gab die für ein Hungerlohn
arbeiteten und die Industriestaaten davon profitierten.
Das Kapital hatte auch einen großen Einfluss auf die westdeutsche Gesellschaft. Die
Anhäufung des Kapitals sei Hauptzweck der Produktionsmittelbesitzer und dadurch würde
das Industrieproletariat noch mehr ausgebeutet, und während der Einfluss und die Macht der
Produktionsmittelbesitzer größer wurde, büße das Industrieproletariat noch mehr an Macht
ein, weil kein Unternehmer an einem politisch mächtigen Proletariat interessiert war.
Der Kapitalismus wurde auch als revolutionischer Hemmner angesehen, weil er
verantwortlich dafür war, dass es kein einheitliches Proletariat weltweit geben konnte. Das
Industrieproletariat profitierte nAmlich auch von der Ausbeutung der Dritten Welt.
Die Lösung war einfach: der antiimperialistischer Kampf.
2.4 Die Faschismus-Theorie
Die Studentenbewegung und der RAF vermutete, dass man in einem mehr und mehr zum
Faschismus neigenden Land lebte. Dieses Vermuten wurde durch die Notstandsgesetze, die
harte Reaktion des Staates auf das Studentenprotest und durch die Rolle der BRD in dem
Vietnam-Krieg verstärkt.
Die RAF wollte den Staat durch ihre Aktionen zu Gegengewalt zwingen und dieses
Gegengewalt würde dann das wahre, faschistische Gesicht des Staates zeigen. So würde die
RAF die Akzeptanz und Unterstützung der Bevölkerung bekommen, um danach gemeinsam
den antiimperialistischen Kampf führen zu können.
Die Popularität der Faschismus-Theorie und der RAF erreichten ihren Höhepunkt nach der
Verhaftung des FUhrungskaders Baader, Raspe, Ensslin und Meinhof 1972 und der
anschließenden Haft in Stuttgart-Stammheim durch die sogenannte Isolationsfolter und den
Totentrakt. Die gefangengenommenen Köpfe der RAF wurden in einer Einzelzelle
untergebracht, voneinander und von den übrigen Häftlingen getrennt.
Mit der Faschismus-Theorie und der RAF-Köpfe der ersten Generation in Einzelzellen hatte
die zweite Generation der RAF einen neuen Legitimationsgrund für ihr gewalttätiges Handeln
gefunden: sichselbst.
Am Anfang der Haft war die Sympathie für die RAF größer als je zuvor. Die gegründeten
Komitees gegen die Isolationsfolter waren dafür verantwortlich. Sie verteilten Flugblättern
und organisierten Demonstrationen. Gründer dieser Komitees waren die Köpfe der RAF
selber. Mit dem “Deutschen Herbst” 1977 verschwand aber diese Sympathie für die RAF wie
Schnee an der Sonne.
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3. Die Strategie der RAF
3.1 Das Konzept Stadtguerilla
Nach der Terroristenausbilding in Jordanien im Sommer 1970 kehrte die Gruppe nach
Deustchland zurück. Hier begannen sie die Logistik für das Konzept Stadtguerilla
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aufzubauen. Sie basierten sich dafür vor allem auf dem Minihandbuch der Stadtguerilla von
Marighella. Carlos Marighella war ein brasilianischer Guerillaführer und hatte dieses
Handbuch für den Kampf gegen südamerikanische Militärdiktaturen geschrieben.
Die RAF brauchte für ihren Kampf Motorisierung, Geld, Waffen, Munition und Sprengstoff.
Um an die finanzielle Mitteln zu geraten, benutzte die RAF die selbstentwickelte “Taktik des
Dreierschlags”, d.h. dass mehrere Mitglieder der RAF zur selben Zeit drei verschiedene
Banken der selben Stadt überfielen. So konnten die Bankräuber die polizeiliche Fahndung
besser entkommen.
Auch Autos, meistens große und starke Fahrzeuge, wurden gestohlen. Um bei einer
polizeiliche Abfrage der Kennzeichen keinen Argwohn zu erregen, entwickelte die RAF auch
hier ein neues System, das System der sogenannten "Doublettenfahrzeuge". Nachdem ein
Auto gestohlen wurde, wurden die amtliche Kennzeichen typen- und farbgleicher real
existierender Fahrzeuge nachgeahmt.
Mitglieder der RAF, die nicht mit nach Jordanien gereist waren, wurden in den Umgang mit
den aus Jordanien eingeführten Waffen und Sprengstoff unterrichtet.
Außerdem beschäftigte man sich mit dem Fälschen von Ausweisen, Pässen, Führerscheinen
und Kraftfahrzeugscheinen.
Man brauchte ebenfalls Unterschlupfmöglichkeiten. Diese wurden von Strohmänner
gemietet, die aus dem legalen Umfeld der RAF kamen.
Die Aufbau der Logistik war niemals abgeschlossen. Ständig brauchte man neue Fahrzeuge,
Wohnungen, Ausweisdokumente, Waffen und Munition. Die zweite Generation der RAF
legte auch Erddepots an. Auch heutzutage gibt es wahrscheinlich noch solche Erddepots,
aber man weiß nicht wo.
3.2 Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front
Die dritte Generation der RAF entwickelte ein neues Konzept für den strategischen Kampf
gegen den Weltimperialismus, die sogenannte "westeuropäische antiimperialistische Front".
Der antiimperialistische Kampf sollte auf zwei Frontlinien laufen: einerseits auf der auf
internationaler Zusammenarbeit basierenden "Auslandsfront", andererseits auf der auf einem
Zusammenschluss des bundesdeustchen linken Kräfte basierenden "Inlandsfront".
Die RAF wollte durch ihre Zusammenarbeit mit anderen europäischen Terrorgruppen, den
Kampf gegen das imperialistische System auf den gesamten europäischen Kontinent
gemeinsam führen.
Ein Grund dafür war vielleicht, dass die RAF erkennen musste, dass ihr revolutionäres
Subjekt - das Industrieproletariat und die Linke in Deutschland - nicht bereit war, mit ihr
gemeinsam den Kampf gegen den Staat zu führen, dass es also keine Massenbewegung geben
würde und das bedeutete eine Niederlage für die RAF. Deswegen stellte die RAF Kontakte
mit den Brigate Rosse in Italien, mit der Action Directe in Frankreich und den Cellules
Communistes Combattantes in Belgien her und versuchte sie durch gemeinsame Anschläge
auf dem gesamten europäischen Kontinent, Macht, Einigkeit und Größe zu demonstrieren.
Diese "Auslandsfront" misslang weil ein großer Teil der Brigate Rosse und der Action Directe
schon Mitte der 80er Jahre von der Polizei verhaftet wurde.
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