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NORDICO Stadtmuseum Linz
Presseunterlage
GETEILTE STADT
Linz 1945–55
17. April bis 26. Oktober 2015
NORDICO Stadtmuseum Linz, A-4020 Linz, Dametzstraße 23
T+43 (0)732.7070.1901 www.nordico.at
Inhalt
Ausstellungsdaten …………………………………………….…….…….……………… 3
Allgemeiner Text zur Ausstellung ……………………………………………………….. 4
Kunst- und Veranstaltungsprogramm ….…………………….……….……..….….…….
5
Saalhefttexte ……………………………………………………………….……………... 7
Pressebilder ………………………………………………….….….………………….…. 16
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Ausstellungsdaten
Ausstellungstitel
GETEILTE STADT
Linz 1945–55
Ausstellungsdauer
17. April bis 26. Oktober 2015
Pressekonferenz
Mittwoch, 15. April 2015, 10 Uhr
Eröffnung
Donnerstag, 16. April 2015, 19.30 Uhr
Ausstellungsort
NORDICO Stadtmuseum Linz, 1. OG
KuratorInnen
Klaudia Kreslehner und Georg Thiel
Ausstellungsarchitektur
anytime:Architekten
Exponate
Zahlreiche S/W-Fotografien und Original-Dokumente, wertvolle wie
ebenso kuriose Gebrauchs- und Alltagsgegenstände sowie Relikte aus
der militärischen Besatzungszeit sind zu sehen. In 15 extra für die
Ausstellung produzierten Videos kommen ZeitzeugInnen mit ihren
persönlichen Geschichten der Linzer Nachkriegszeit zu Wort.
Katalog
Begleitend zur Ausstellung erscheint das Buch Geteilte Stadt. Linz
1945–55 im Verlag Anton Pustet, Salzburg. Mit Textbeiträgen von
Arabelle Bernecker, Andrea Bina, Maria Jenner, Michael John, Klaudia
Kreslehner, Herta Neiß und Georg Thiel. Hardcover, 248 Seiten,
durchgehend farbig bebildert, Preis: € 22
Kontakt
Dametzstr. 23, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-1901;
[email protected], www.nordico.at
Öffnungszeiten
Di–So 10–18 Uhr; Do 10–21 Uhr
Am 26. Oktober 2015 hat das NORDICO geöffnet.
Eintritt
€ 6,50 ermäßigt € 4,50
Pressekontakt
Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603; [email protected]
GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz:
Andrea Bina, Leiterin des NORDICO Stadtmuseum Linz
Klaudia Kreslehner, Kuratorin
Georg Thiel, Kurator
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Allgemeiner Text zur Ausstellung
8. Mai 1945: der Krieg endet, die Zeit der Besatzungsmächte beginnt. Die Donau wird zur
Demarkationslinie, die das Mühlviertel vom restlichen Land trennt und somit auch Linz in zwei
Zonen teilt – in einen russischen Norden und einen amerikanischen Süden.
Woran erinnern sich jene, die damals in Linz gelebt haben? Fast jede/r ZeitzeugIn weiß von den
alliierten Wachposten an der Brücke zu berichten. Von langwierigen Kontrollen der Russen und
der Furcht der Amerikaner vor Ungeziefer, der sie mit DDT begegneten. Der legendäre Satz von
Landeshauptmann Heinrich Gleißner: „Wir haben die längste Brücke der Welt. Sie beginnt in
Washington und endet in Sibirien“, hat sich gleichfalls tief ins kollektive Gedächtnis gegraben.
Die Erzählungen über die ersten Besatzungsjahre drehen sich oft um die Versorgungslage.
Unzureichende Lebensmittelkarten, kaum genießbare Schulausspeisungen und Transporte
unterernährter Kinder in die Schweiz werden erwähnt, ebenso die aus verwurmten Erbsen
bestehenden Lebensmittelspenden der Sowjets und die in einem scharfen Kontrast dazu
stehenden üppig gefüllten CARE-Pakete aus Amerika.
Den täglichen Kampf ums Überleben führen nicht nur UrfahranerInnen und LinzerInnen, sondern
auch tausende HeimkehrerInnen, Displaced Persons und Flüchtlinge, die die Kapazität der
ohnehin schon überfüllten Stadt zu sprengen drohen.
Unabhängig von der Besatzungszone gibt es eine starke Sehnsucht nach Ablenkung
aus der Misere, sei es durch kulturelle oder sportliche Aktivitäten. Die Gründung der
Neuen Galerie, der Bau des Sportstadions auf der Gugl und eine blühende Theaterszene
sind Zeugnisse für eine langsame Rückkehr in die Normalität. 1947 wird in der Voest der erste
Hochofen nach dem Krieg angeblasen, zwei Jahre später revolutioniert das LD-Verfahren die
weltweite Stahlproduktion.
Nach und nach verschwinden Bezugsscheine für Lebensmittel und Textilien, die Geschäfte füllen
sich wieder mit Waren. Der erste Selbstbedienungsladen Österreichs öffnet nach amerikanischem
Vorbild 1950 seine Pforten in Linz. Der Nachholbedarf ist nach zehn Jahren Rationierung gewaltig:
Zunächst wird der Hunger nach lang entbehrten Lebensmitteln gestillt, dann folgt die Phase der
Neueinkleidung, gegen Mitte der 1950er Jahre richtet man sich die Wohnung neu ein. Wäre die
Stadt nicht besetzt, könnte man recht zufrieden sein.
Als 1953 die Brückenkontrollen aufgehoben werden, feiert die ganze Stadt. Und als
Bürgermeistersgattin Elmira Koref zu diesem Anlass mit Landeshauptmann Gleißner auf
der Nibelungenbrücke Walzer tanzt, tanzt Linz gleichzeitig in das Konsumzeitalter hinein.
Das Stadtmuseum NORDICO hat für diese Ausstellung seine umfassende Fotosammlung
durchforstet und präsentiert ein großes Konvolut daraus zum ersten Mal der Öffentlichkeit.
Neben dem fotografischen Schwerpunkt sind zahlreiche originale Dokumente aus der damaligen
Zeit zu sehen. Ergänzt wurden die Stücke aus den museumseigenen Beständen um großzügige
Leihgaben aus öffentlichen Institutionen und von privaten LeihgeberInnen und ZeitzeugInnen.
Wertvolle wie ebenso kuriose Gebrauchs- und Alltagsgegenstände sowie Relikte aus der
militärischen Besatzungszeit ergänzen die historische Aufarbeitung der Besatzungszeit in Linz. In
extra für die Ausstellung produzierten Videos kommen ZeitzeugInnen mit ihren persönlichen der
Linzer Nachkriegszeit zu Wort.
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Kunstvermittlungs- sowie Veranstaltungsprogramm
VERANSTALTUNGEN
BESATZUNGSKINDER IN ÖSTERREICH
Dienstag, 26. Mai, 18 Uhr
Buchpräsentation mit Barbara Stelzl-Marx (stv. Leiterin Ludwig Boltzmann Institut für KriegsfolgenForschung) mit anschließender Diskussion
DIE GRÜNDUNG DER NEUEN GALERIE
Donnerstag 9. Juli, 19 Uhr
Mit der Gründung der Neuen Galerie begann 1946 der künstlerische Aufschwung der Stadt Linz.
Die ehrenamtliche Leitung übernahm der deutsche Kunsthändler Wolfgang Gurlitt, dessen
teilweise aus dem Krieg geretteten Kunstbestände zunächst als Leihgaben am Hauptplatz zur
Schau gestellt wurden. In ihrem Vortrag begibt sich Elisabeth Nowak-Thaller auf die Spuren des
Museumsdirektors und Kunsthändlers, der sich in Deutschland für österreichische Kunst
engagierte und der im Handel mit vom NS-Regime beschlagnahmter Kunst involviert war.
WEISST DU NOCH?
Donnerstag, 10. September, 19 Uhr
ZeitzeugInnen sprechen mit dem Publikum über ihre Erinnerungen aus der Zeit der „geteilten“
Stadt.
STREIFZUG DURCH DIE NACHKRIEGSZEIT
Donnerstag, 24. September, 19 Uhr
Die KuratorInnen Klaudia Kreslehner und Georg Thiel lesen aus Briefen, Dokumenten und
Literatur der 1940er- und 1950er-Jahre. In Akten oder Benimm-Büchern entdeckt, vermitteln die
Texte ein Gespür für das Leben in dieser Zeit.
Anmeldung bei allen Veranstaltungen erbeten: T 0732 7070 (Teleservice Center der Stadt Linz)
Eintritt frei
FÜHRUNGEN
Dauer 1 Stunde, Führungskarte € 3 zzgl. Eintritt.
Keine Anmeldung erforderlich. Begrenzte TeilnehmerInnenzahl
KURATOR/INNENFÜHRUNGEN
Donnerstag, 23. April, 18.30 Uhr
mit Klaudia Kreslehner
Samstag, 3. Oktober, 18 Uhr
mit Georg Thiel
Im Rahmen der Langen Nacht der Museen
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FÜHRUNGEN MIT KULTURVERMITTLER/IN
Kombinierte Führungen durch die Ausstellungen Geteilte Stadt und 100% Linz
Jeden Dienstag, 16 Uhr
Jeden Sonntag, 15 Uhr
MIR ALLE SAN IN LINZ DAHAM
Tandemführungen durch die Ausstellungen Geteilte Stadt und 100% Linz mit einem
Kulturvermittler und einer russischen Kulturlotsin von ibuk. Verein für interkulturelle Begegnung &
Kulturvermittlung, Eintritt und Führung frei
Dienstag, 28. April, 16 Uhr
Sonntag, 17. Mai, 15 Uhr (Teilnahmekarte erforderlich, siehe LINZFEST)
Dienstag, 9. Juni, 16 Uhr
Sonntag, 5. Juli, 15 Uhr
Dienstag, 15. September, 16 Uhr
Sonntag, 11. Oktober, 15 Uhr
FÜHRUNGEN FÜR GEHÖRLOSE
mit Gebärdensprachdolmetscherin. Eintritt und Führung für Gehörlose frei
Samstag. 2. Mai, 16 Uhr
Samstag, 6. Juni, 16 Uhr
LINZFEST
Samstag, 16. Mai, 15 und 16 Uhr
Sonntag, 17. Mai, 15 Uhr
Gratis-Führungen durch die Ausstellung im Rahmen des LINZFESTs
Die erforderlichen Teilnahmekarten sind bis 15 Minuten vor Führungsbeginn an der
Museumskasse erhältlich. Ermäßigter Eintritt für alle: € 4,50
FÜHRUNG AM SÜDBAHNHOFMARKT
Freitag, 29. Mai, 10 Uhr
mit Stadträtin Susanne Wegscheider
Dauer 2 Stunden, Treffpunkt: Ecke Eisenhandstraße / Krankenhausstraße
Anmeldung erbeten: T 0732 7070 (Teleservice Center der Stadt Linz)
LINZ IN DEN 1950ER-JAHREN
Freitag, 12. Juni, 16 Uhr
Stadtführung: Linz in den 1950ern – Andrea Bina, Gabriele Kaiser und Christoph Weidinger
begeben sich auf die architektonischen Spuren der Nachkriegszeit.
Dauer 2 Stunden, Treffpunkt: NORDICO Stadtmuseum. Anmeldung erbeten: T 0732 7070
(Teleservice Center der Stadt Linz)
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Saalhefttexte
RAUM 1A
ENDE UND ANFANG
In den späten Vormittagsstunden des 5. Mai 1945 wird Linz von amerikanischen Truppen
eingenommen. Die „Patenstadt des Führers“ ist von den Folgen des Krieges schwer gezeichnet.
Seit sie in den Radius der alliierten Bomberverbände gekommen ist, muss sie 22 Fliegerangriffe,
zuletzt auch noch Artilleriebeschuss, über sich ergehen lassen. Die Zerstörungen sind beträchtlich.
An die 20.000 EinwohnerInnen sind obdachlos. Etliche von ihnen hausen behelfsmäßig in Bunkern
und Stollen, den letzten Zeugnissen nationalsozialistischer Bautätigkeit. Die Bomben haben aber
nicht nur Wohnraum vernichtet, sondern auch wichtige Versorgungsleitungen für Wasser, Gas und
Strom an vielen Stellen unterbrochen. In den Straßen türmt sich der Schutt, der Verkehr ist
zusammengebrochen. Von den 3.700 Straßenlampen, die 1939 existierten, sind nur noch 230 in
Betrieb – ein in jeder Hinsicht düsteres Szenario. Aufgehellt von der Erleichterung, dass der Krieg
zu Ende, und man noch einmal davongekommen ist.
DER PAPIERENE ARM
Zu Beginn der Besatzungszeit dürfen Zivilpersonen im Mai 1945 zunächst nur mit einem
Passierschein der jeweiligen Besatzungsmacht ihren Wohnort und unmittelbare Umgebung
verlassen. Dieser wird ab 20.11.1945 durch einen viersprachigen Identitätsausweis (Englisch,
Französisch, Russisch und Deutsch) ersetzt und erlaubt bis 1955 das Überschreiten aller
Demarkationslinien. In den ersten zwei Nachkriegsjahren ist es den Linzer WassersportlerInnen
übrigens verboten, auf der Donau zu rudern oder zu paddeln. 1947 gelingt es der Stadtverwaltung
Urfahr, eine Bewilligung bei der russischen Kommandantur zu erwirken: Österreichische
StaatsbürgerInnen dürfen von nun an in Booten fahren, jedoch nicht die Donau queren.
DIE AMERIKANISCHEN TRUPPEN
Befreier oder Eroberer? Das Verhältnis der amerikanischen Truppen zur Linzer Bevölkerung ist
lange gespalten. Es wird nie endgültig geklärt, ob Österreich nun als befreiter Freundstaat oder als
besetzter Feindstaat zu sehen ist. Der Anfang war schwierig, geprägt von
Wohnungsrequirierungen und der Auslieferung zehntausender Kriegsgefangener an die russische
Armee.
Die darauf folgende Phase der Annäherung bleibt nicht auf Politik und Verwaltung beschränkt:
Nach Abzug der Truppen bleiben als „Strandgut der Nachkriegszeit”, 996 Kinder von
Besatzungssoldaten zurück, darunter „56 Mischlinge”, wie das Fürsorgeamt extra erwähnt.
Insgesamt aber tragen die Amerikaner, durch ihr Hilfe bei der Westintegration Österreichs, beim
Wiederaufbau des Landes und durch den Marshall-Plan, ganz entscheidend zum wirtschaftlichen
Wiederauferstehen Österreichs bei.
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RAUM 1B
GETEILTE STADT
Die Lebensumstände der BewohnerInnen bleiben vorerst prekär. Linz ist überfüllt, hat mehr als
doppelt so viele EinwohnerInnen als im Jahr 1938. Es ist eine durchmischte Notstandsgesellschaft,
die sich unter anderem aus Ortsansässigen, Flüchtlingen, ZwangsarbeiterInnen und ehemaligen
KZ-Häftlingen zusammensetzt. In der Anfangszeit der Besatzung kommt es zu zahlreichen
Übergriffen und Plünderungen, an denen sich amerikanische Soldaten, LinzerInnen und
„landfremde Elemente“ gleichermaßen beteiligen. Als wäre die Situation nicht kompliziert genug,
wird das Mühlviertel, bis dato amerikanisch, den Sowjets zugesprochen. Im Sommer 1945
besetzen Truppen der Roten Armee Urfahr und sperren die Donaubrücken. Sie können fortan nur
noch unter erheblichem bürokratischem Aufwand passiert werden. Linz wird zur „geteilten“ Stadt.
Ein Zustand, der bis 1953 anhalten wird.
STADTVÄTER
Die Bürgermeister (Ernst Koref in Linz und Ferdinand Markl in Urfahr) haben einen – wie Koref es
ausdrückt – „mühsamen und verantwortungsreichen Brückendienst“ zwischen Rathaus und den
Besatzungsmächten zu leisten. Erschwert wird dieser dadurch, dass die Russen das Mühlviertel
zu einem eigenständigen Bundesland mit Urfahr als Hauptstadt ernannt haben. Gleichzeitig
werden alle offiziellen Verbindungen zu Linz untersagt, was nur durch viel Improvisation und
verschiedene Tricks zu umgehen ist. Die Kooperation mit den Besatzungsmächten verbessert sich
allerdings bald – und zwar auf unerwartete Weise: Die Russen müssen erkennen, so berichtet das
Tagebuch Urfahr, dass sie „ein durchaus friedliches Volk vor sich hatten, das weder ein
Rachegefühl kannte, noch einer Grausamkeit fähig war“.
Auf amerikanischer Seite wiederum tritt ein neuer Stadtkommandant seinen Dienst an, den Koref
diplomatisch als „Frohnatur mit Sinn für menschliche Begegnung“ beschreibt, die sich von ihren
„schweren Besatzungspflichten mit seiner schönen österreichischen Freundin im lieblichen
Aschachtal erholte und das Regieren dem Bürgermeister überließ“.
DIE RUSSISCHEN TRUPPEN
Als es in Urfahr heißt „die Russen kommen!“, machen sich 249 Familien auf die Flucht:
Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde sind vor allem in den ersten Wochen an der
Tagesordnung; Hilfegesuche an die Führung verhallen ungehört.
Danach kehrt etwas Ruhe ein, wobei die Militärverwaltung den Fokus weniger auf das Politische,
sondern auf die Lösung der unmittelbaren praktischen Probleme legt. Allerdings erfolgen laut
Tagebuch Urfahr die Anordungen „nach sowjetischer Gepflogenheit bei Tag und Nacht, die
Erfüllungsfrist hatte nur einen Termin: sejtschas, das heißt: sofort!“
Während die russische Besatzung von der Bevölkerung vielfach als „das Nachkriegstrauma
schlechthin“ erlebt wird, ergibt sich aus politischer Perspektive ein ganz anderes Bild: Die Sowjets
haben Österreich − stärker als die anderen Alliierten − bei der Wiedererlangung seiner
Unabhängigkeit unterstützt.
GROSSE NOT
Die Ernährungssituation ist angespannt. Da man am freien Markt nichts kaufen kann, muss man
sich registrieren lassen, um in den Besitz von Lebensmittelkarten zu gelangen. Die erste unter
amerikanischer Besatzung ausgegebene Wochenration besteht pro Kopf aus 200 g Fleisch, 500 g
Brot, 200 g Mehl, 100 g Fett, 125 g Zucker, 75 g Trockenerbsen, 25 g Kaffeemittel und einem Ei.
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ÜBERFÜLLTE STADT
1945: Der Krieg ist vorbei – und Linz und Urfahr platzen aus allen Nähten. Nicht nur weil die
Besatzer für Truppen und Militärverwaltung Quartiere brauchen, sondern vor allem auch deshalb,
weil beide Städte Knotenpunkte für Ströme von ehemaligen KZ-Häftlingen, Sudetendeutschen,
Displaced Persons (Zivilpersonen, die sich kriegsbedingt außerhalb ihrer Heimat aufhalten) und −
ab 1947 − HeimkehrerInnen werden. Die Versorgung ist ein Problem, die Unterbringung kaum
möglich, man schläft in Schulen, Amtsgebäuden, Lagern. Sogar in Kellern suchen einige
Unterschlupf.
ENTNAZIFIZIERUNG
Die Entnazifizierung sehen die Alliierten als zentrale Aufgabe an, auch wenn sie sich in der Praxis
oft schwierig gestaltet. Ehemalige Mitglieder der NSDAP werden verstärkt zu Aufräumarbeiten
herangezogen und erst ab 1949 wieder zu Wahlen zugelassen.
CARE-PAKET
CARE wird am 27. November 1945 in Genf gegründet. Ursprünglich steht der Name für
„Cooperative for American Remittances to Europe", später erfolgt die Zuordnung in „Cooperative
for Assistance and Relief Everywhere“. Ende 1946 von der US-Regierung genehmigt, sind es
zunächst Pakete von privaten US-BürgerInnen an Hilfsbedürftige, sogenannte „Liebesgaben“.
Erst später finden organisierte Lieferungen von CARE-Paketen an die Bevölkerung statt. Diese
„General-Relief“-Pakete beinhalten laut ihrer Bezeichnung „allgemeine Unterstützung“: haltbare
Nahrungsmittel, vorzugsweise in Dosen, aber auch Kleidung und Decken. In der Nachkriegszeit
werden etwa eine Million Pakete in Österreich verteilt. Die Hilfsorganisation besteht bis heute.
GANG / KINO
KINO – FLUCHT AUS DER TRÜMMERWELT
Da es noch kein Fernsehen gibt, kommt dem Kino die wichtige Rolle zu, das übergroße Bedürfnis
nach Unterhaltung und Zerstreuung zu bedienen. Der Wunsch nach einer heilen Welt ist
unübersehbar. Heimatfilme, Komödien und unkomplizierte Liebesfilme: Alles, was einen den
schwierigen Alltag für ein paar Stunden vergessen lässt, ist willkommen.
In den ersten Nachkriegswochen ist die Filmherstellung sowie -vorführung verboten. Erst im Juli
1945 wird die Spielerlaubnis für alle Kinos in Oberösterreich erteilt. Für den ab 31. Juli von den
Sowjettruppen besetzten Norden Oberösterreichs gelten eigene Vorschriften. In Linz können
anfangs nur vier Lichtspielhäuser ihren Betrieb wieder aufnehmen: das Landestheater-Kino, das
Lifka-Kino als ältestes Linzer Lichtspieltheater, das Klangfilm-Theater sowie das Kino in
Kleinmünchen. Die Bombardierungen zerstören drei Kinos (Kolosseum-Kino, Atlantis-Lichtspiele
und Phönix-Lichtspiele) so stark, dass sie vorläufig geschlossen bleiben. 1950 eröffnet an der
Landstraße das erste Nonstop-Kino in Linz. 1953 folgt die Freigabe des Kolosseum-Kinos am
Schillerplatz für den Spielbetrieb.
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RAUM 1 C
ERLEBEN. ERINNERN. ERZÄHLEN
ZEUG/INNEN DER ZEIT
ZeitzeugInnen aus Linz und Urfahr sprechen über ihre Eindrücke der Nachkriegszeit. Ihre
Erzählungen sind wertvolle Zeugnisse unserer Geschichte. Die zugänglich gemachten
Erinnerungen, diese sehr persönlichen Einblicke von ZeitzeugInnen, geben uns die Möglichkeit,
die Vergangenheit aus anderer Sicht zu betrachten. Ihre Geschichten zur „geteilten“ Stadt spannen
einen Bogen von den letzten Kriegstagen bis hin zum Alltag mit den Alliierten. Auch
Besatzungskinder, die der Verbindung von österreichischen Frauen mit amerikanischen Soldaten
entstammen, kommen zu Wort. In Österreich wurden nach 1945 etwa 20.000 Besatzungskinder
geboren. Viele von ihnen haben ihren leiblichen Vater nie kennen gelernt.
„Ich bin eigentlich von Geburt an Amerikaner“, erzählt Helmut Bauer (geb. 1949). Der Linzer
erfährt erst als junger Erwachsener, dass er das Kind eines amerikanischen Besatzungssoldaten
ist, ein „GI-Kind“. Sein zweiter Vorname „Stanley“, den er auf seiner Geburtsurkunde entdeckte,
gab den Anstoß: Er machte sich auf die Suche nach seinen Wurzeln. Heute hat er eine zweite
Familie in den USA und ist Besitzer eines amerikanischen Passes.
Während sein Haus in Linz bei Fliegerangriffen zerstört wird, befindet sich der künftige Linzer
Bürgermeister Ernst Koref mit seiner Familie in Haslach. „Vater ist mit der allerletzten
Mühlkreisbahn nach Linz gefahren – ich glaube er hat damals schon damit gerechnet, dass
Besprechungen zwischen Angehörigen verschiedener künftiger politischer Parteien stattfinden
werden“, erinnert sich seine Tochter, Beatrix Eypeltauer (geb. 1929.) 1948 beginnt sie ihr
Studium in Wien, dort ist die Ernährungslage noch schwieriger als in Oberösterreich. Doch auch in
Linz waren es „bescheidene Verhältnisse, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann“.
„Ich wollte nur die Mikrofon-Angst verlieren“ – nach seinem Probetag als Tagessprecher bleibt
Wilfrid Freudenthaler (geb. 1927) 33 Jahre lang Sprecher des Radiosenders Rot Weiß Rot Linz
(RWR), später ORF. Das Wunschkonzert, bei dem Glückwunschbriefe der ZuhörerInnen
vorgelesen werden, ist in den 1950er Jahren ein besonders beliebtes Sendeformat. In einer
kleinen Aufnahmezelle im Studio am Hauptplatz wählt der Radio-Sprecher Musik aus, moderiert,
sagt das Wetter an oder spricht die Werbung – heute sind hierfür mehrere MitarbeiterInnen nötig.
Ursula Hackl (geb. 1954) erfährt als Jugendliche, dass ihr Vater nicht ihr biologischer Vater ist.
Sie ist die Tochter eines gewissen Thomas Fauley der als Besatzungssoldat in Hörsching
stationiert war. Jahrzehnte später sieht sie einen TV-Beitrag über Besatzungskinder und beschließt
nach ihm zu suchen. 2012 erhält die Linzerin Nachricht von der Organisation „GI-Trace“. Die
Suche nach ihren amerikanischen Verwandten war erfolgreich: „Ich wurde im Alter von 58 Jahren
Schwester von sechs Brüdern und Tante von 30 Nichten und Neffen.“
Irmhild Maaß (geb. 1939) wohnt als Mädchen in Urfahr. Nach dem Unterricht schaut sie öfter im
Hotel Achleitner vorbei. Dort gibt es nachmittags, initiiert von der russischen Besatzungsmacht,
Betreuung für Kinder und Jugendliche. Eines Tages wird sie Zeugin eines bedeutungsvollen
Moments: „Am 9. Juni 1953 als ich auf die Brücke komme, war keine russische Kontrolle mehr
dort, ich musste keinen I-Ausweis (Identitätsausweis) herzeigen. Die Brücke war frei. Und Linz und
Urfahr waren zum ersten Mal seit Kriegsende vereint. Der Donauwalzer wurde gespielt und der
Landeshauptmann Gleißner und die Frau des Bürgermeisters Koref haben getanzt, es war ein
unglaubliches Erlebnis.“
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„Die Linzer Luft war damals bekannterweise schlecht.“ Für Walter Marterer, ab 1954 Ingenieur der
Sendergruppe Rot Weiß Rot Linz (RWR), ist dieser Umstand bedeutend, da der hohe Gehalt an
Schwefeldioxid die Sendequalität des Radios beeinträchtigt. Die Technik sowie die Gerätschaften
von damals sind „primitiv und mit heute nicht vergleichbar“. Das Programm wird mit Mittelwelle
vom Sender Freinberg ausgestrahlt. Die Sendungen laufen von 5.30 Uhr früh bis ein Uhr nachts.
Dann werden die Sender und auch die Geräte im Studio abgeschaltet. „Das Radio war das einzige
Medium, das wir zur Unterhaltung und zur Information hatten.“
„Ich war weltweit der erste Coca-Cola-Lieferant, der in russisch besetztes Gebiet gefahren ist!“ Der
in Rumänien geborene Peter Potye (geb. 1925) bewirbt sich 1947 sich bei Coca-Cola. Bis 1953
darf er das Getränk nur an die amerikanischen Besatzer verkaufen, erst danach auch an die
Zivilbevölkerung. Schließlich wird er Lieferant für das westliche Linz sowie das westliche
Mühlviertel. Bei der russischen Brückenkontrolle an der Nibelungenbrücke gibt er der Wache bei
jeder Fuhre einen 6er-Tragerl Coca-Cola. Am Ende des Tages bei der Rückfahrt erhält er zu
seinem Erstaunen jedes Mal das vollständige Leergut zurück und kann ohne Probleme die
Kontrolle passieren.
Hilde Röhrenbacher (geb. 1928) flieht zu Kriegsende aus Znaim und findet in Linz ihre neue
Heimat. In der von den Amerikanern beschlagnahmten Dürrnbergerschule, heute Otto-GlöckelSchule, findet sie Quartier. Der Turnsaal wird bald in eine Mannschaftsküche für die Alliierten
umfunktioniert, die 17-jährige Hilde spricht genug Englisch, um dort in der Essensausgabe arbeiten
zu dürfen: „Und von da an ist es uns tatsächlich gut gegangen. Der Amerikaner hat ja alles gehabt
zum Essen und was übergeblieben ist, haben wir gekriegt. Die Not, Hunger, das war vorbei. Zum
Wohnen haben wir halt nix gehabt, im großen Klassenzimmer haben wir geschlafen.“
„Ich seh‘ mich heute noch auf diesem LKW sitzen.“ Vera Rosenblattl ist sechs Jahre alt, als sie im
Mai 1945 in Deutschland auf einen mit Koffern, Kleidung und Möbeln vollgepackten LKW gesetzt
wird. An der österreichischen Grenze angekommen warten sie und ihre Familie mit anderen
Flüchtlingen drei Wochen auf die Einreise. In Linz beziehen sie eine Baracke am Bindermichl.
Tagsüber sind die Kinder auf sich allein gestellt: Der Vater findet Arbeit in der VÖEST und die
Mutter sammelt Nahrung und Holz zum Heizen. Einige Jahre muss die Familie in dieser NotUnterkunft hausen, dann übersiedelt sie in eine Wohnung in einem sogenannten „Hitlerbau“. Aus
einem Flüchtlingskind wird eine Linzerin.
Die letzten Wochen des Krieges erlebt Liselotte Schwarzlmüller (geb. 1924) wie so viele
LinzerInnen fern der Stadt bei Verwandten am Land. Sie erinnert sich noch gut an die Tage
unmittelbar vor Kriegsende: „Wir haben eine weiße Fahne am Haus aufgehängt und abgewartet, was
passieren wird. Da sind noch die Insassen der KZs von den deutschen Soldaten bei unserem Haus
vorbeigetrieben worden. Ein Huhn ist über die Straße gelaufen und die hungernden ‚KZler’ haben es
gefangen und lebend verspeist. Nur noch ein paar Federn sind geflogen und weg war es.“
„Es war ein bisserl rauer bei den Russen“, meint der Urfahraner Helmut Schwarzlmüller (geb.
1923). Bei der täglichen Brückenkontrolle ist er der Laune der Rotarmisten ausgeliefert, einmal
muss er der Wache sogar Rum besorgen, um seinen I-Ausweis zurückzuerhalten. Sein vom
Bomben schwer beschädigtes Haus baut er mit Hilfe seiner Frau wieder auf: „Keine
Mischmaschine, kein Aufzug, alles händisch. Jedes Wochenende sind Freiwillige gekommen und
haben geholfen.“
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„Kein Mensch hat gewusst, was ein Kaugummi ist. Einer hat gesagt: ‚Den musst in den Mund
nehmen und kauen!’ Sag ich: ‚Was, wieso kauen?’ Er: ‚Nein, nicht schlucken! Kauen musst!’ Wenn
man das heute jemandem erzählt, da sagt man, das gibt’s nicht. Aber so war das.“ Kurt Wieland,
1934 geboren, freundet sich schnell mit den Amerikanern an. Besonders Soldat Bill ist ihm zugetan
und nimmt ihn sogar heimlich in den Offiziersclub Paradiesgarten am Römerberg mit. Dort lernt er
die amerikanische Musik kennen und lieben.
Trude Wieland, 1938 geboren, ist die Enkelin eines Mitbegründers der Vereinigten
Sodawassererzeugung Linz (VESO). Sie erinnert sich auch noch gut an das VESO-Cola, das für
kurze Zeit im Betrieb hergestellt worden ist, „eine echte Linzer Cola!“. Auch sie kann sich für den
amerikanischen Flair begeistern: „Für uns war das eine Faszination, welchen Luxus die
Amerikaner schon hatten. Die Damen hatten rot lackierte Nägel und trugen Lippenstift, wir wollten
genauso werden. Auch die Nylonstrümpfe kamen aus Amerika.“
Helmut Zaiser, 1934 geboren, arbeitet in der Nachkriegszeit in einer Urfahraner Fleischhauerei.
Auch die russische Besatzung zählt zu seinen KundInnen. Eine strenge Offizierin ist dem
damaligen Gesellen besonders gut im Gedächtnis, da sie stets mehr Ware forderte als die
gebrachte Rohware hergab. Fleisch ist in dieser Zeit absolute Mangelware, Reste hat es daher
nicht gegeben: „Ein Zeichen der Zeit war, dass eine Verwertung zu 100 % erfolgte.“
ZEITUNG, KIOSK, ZIGARETTE
Improvisation wird in den Nachkriegsjahren großgeschrieben. Zwischen Schutt und Bombenruinen
tauchen erste Verkaufsstände im Linzer Straßenbild auf. Die wichtigsten Informationen zum Alltag
finden sich in Form gedruckter Ankündigungen auf den Bretterverschlägen. Tageszeitungen
erhalten großen Zuspruch. Rauchwaren, in den Trafiken erhältlich, dienen in dieser Zeit nicht nur
als Genuss-, sondern auch Zahlungsmittel. Sie gelten als verlässliche Währung.
PRESSE IN DER NACHKRIEGSZEIT
Das Ende des Zweiten Weltkriegs bringt eine Neugestaltung der österreichischen PresseLandschaft. Die Umerziehungs- und Medienpolitik der vier Besatzungsmächte ist verschieden,
enthält aber folgende Gemeinsamkeiten: Alle Zeitungen und Zeitschriften müssen im April/Mai
1945 ihr Erscheinen einstellen; die Besatzungsmächte gründen teils mehrere Zeitungen. In Linz
erscheint am 11. Juni 1945 die erste Ausgabe der Oberösterreichischen Nachrichten,
herausgegeben von den amerikanischen Alliierten. Bereits vier Monate später, am 8. Oktober
1945, geht die Tageszeitung an Österreich über und wird somit unabhängig. Mit dem 1. Jänner
1954 vereinigen sich die OÖN und die seit 1865 erscheinende Tagespost.
ZWEITWÄHRUNGEN
„Mit einer Schachtel Chesterfield macht er meine Schwester wild“: Obwohl nicht an der Börse
notiert, steigen Zigaretten in der Nachkriegszeit zu einer Leitwährung auf, mit der man am
Schwarzmarkt Dinge kaufen konnte, die auf regulärem Weg nicht zu bekommen sind. Gleichzeitig
steigt zwischen 1954 auf 1955 der Zigarettenkonsum im Vergleich zu den ohnehin hohen Werten
während des Krieges noch einmal um 13 % an. Die Abendzigarette, die man sich nach den Mühen
des Tages gönnt, wird zum weit verbreiteten Ritual und zum Symbol für die anbrechende bessere
Zeit.
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RAUM 1D
ES GEHT UNS GUT
Die Währungsreform im Dezember 1947 läutet bereits die „langen“ 1950er-Jahre ein. Der
Marshallplan läuft an – zumindest in der westlichen Zone –, die Schlote beginnen zu rauchen. Die
Hochöfen der ehemaligen Reichswerke AG „HermannGöring“, 1945 umbenannt in VÖEST,
werden angeblasen. Das LD-Verfahren (das auch als Linzer Düsenstahl gelesen werden kann)
revolutioniert die Metallindustrie weltweit. Linz bekommt den Beinamen: Das „österreichische
Duisburg beziehungsweise Detroit“. Dass es aufwärtsgeht, zeigt sich an vielen Details. Egal, ob
Tabakfabrik, Stickstoffwerke oder Werft: Sie alle arbeiten wieder im Vollbetrieb. Ab 1948 gibt es
keine Stromeinschränkungen mehr, immer weniger Waren müssen bewirtschaftet werden. Lang
aufgestaute Konsumwünsche brechen sich Bahn. Zunächst (und am heftigsten) die Fress-, dann
die Bekleidungs-, schließlich die Einrichtungswelle.
NACHKRIEGS-ARCHITEKTUR
Im NORDICO Stadtmuseum befindet sich eine große Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotografien
zur Stadtgeschichte und -entwicklung. Im heutigen Linz sind die Gebäude der 1950er-Jahre
weitgehend verschwunden. Wenige Gebäude sind noch im Originalzustand erhalten, mancherorts
findet man noch Details aus der Zeit. Überraschend ist die Qualität der Gebäude, wenn man an die
schwierigen Bedingungen wie Geld- und Materialmangel sowie Zeitdruck denkt. Die Bauten sind
in ihrem zeit- und kulturhistorischen Umfeld zu lesen. Das beschreibende Vokabular in Texten
reicht von „schlicht, solide, effizient, elegant, gediegen, konventionell“ bis zu „halbherzig“ oder
„hilflos“. Damals gilt: Verlässlichkeit statt Risiko, Kompromiss statt Radikalität.
COCA-COLA. EISKALT
Ab Ende des Zweiten Weltkrieges wird in Österreich das aus den USA über die Coca-Cola Export
Corporation importierte Getränk nur an die amerikanischen Soldaten verkauft. Die 1946 errichtete
Abfüllanlage in Lambach versorgt die Besatzer österreichweit. Auch im Linzer Stadtbild wird CocaCola sichtbar. An einfachen Verkaufsständen und an Schildern taucht das Logo auf: „Coca-Cola –
trink eiskalt.“ An der Stelle des heutigen Brucknerhauses befinden sich die zugehörigen
Lagerräume. Erst ab 1953, mit der Gründung der Paul Koenig OHG in Lambach, wird erstmals
Coca-Cola an die Zivilbevölkerung verkauft. In Linz entsteht 1959 in der damaligen Wiener
Reichsstraße eine eigene Abfüllanlage. Üblicherweise wird Coca-Cola in jener Zeit nur „eiskalt“
und direkt aus der Flasche genossen.
SELBSTBEDIENUNG SPART ZEIT!
Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es in Linz vorerst kein intaktes Warenhaus, bis das Warenhaus
Kraus & Schober wieder eröffnet und auch das GÖC-Kaufhaus seinen Betrieb aufnimmt. Die
Kaufhäuser „Die Chance“ und „Texhages“ in Bahnhofsnähe konzentrieren sich auf die
einkommensschwache Klientel, auch Tauschhandel wird betrieben. Und schließlich hält die
Selbstbedienung Einzug: Das erste Geschäft mit Selbstbedienung in Österreich öffnet als
Konsumfiliale an der ehemaligen Wiener Reichsstraße, heute Wiener Straße, am 27. Mai 1950.
„Die Skepsis war groß“, heißt es in der Schrift 75 Jahre Konsum Linz, „im Kreis des privaten
Handels war man der Meinung, dass die Mentalität der österreichischen Hausfrauen zu
persönlichkeitsverbunden sei, um der Selbstbedienung eine Chance zu geben.“ Zwei Monate
später, am 27. Juli, wird der zweite Selbstbedienungsladen in Linz (Ziegeleistraße 68) eröffnet.
Die Selbstbedienungsläden läuten die weitere Expansion des Massenkonsums in den 1950er- und
60er-Jahren − und somit die Wirtschaftswunderjahre − ein.
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FEINE MASCHENWARE
„Upcycling“ wäre der treffende Begriff, mit dem man heute die Modebemühungen in den ersten
Nachkriegsjahren bezeichnen könnte. Aus alten Stoffen und Kleidern, sogar aus Fallschirmseide
werden neue Blusen und Röcke genäht. Kaputte Hosen werden geflickt. Die Frauen der
amerikanischen Besatzungssoldaten bringen mit ihren Pumps, Nylonstrümpfen und schwingenden
Röcken einen neuen Trend nach Österreich. Besonders die heiß begehrten Nylonstrümpfe werden
gehegt wie ein Schatz. Kunststopfereien spezialisieren sich auf deren Reparatur: Mit speziellen
Repassier-Nadeln werden die Laufmaschen wieder aufgehoben, kaputte Füßlinge wieder
angenäht. Wer kann sich das heute noch vorstellen?
RAUM 1 E
DAS TRAUTE HEIM
So gewaltig die Aufbauleistung der Nachkriegsjahre sein mag: Das traute Heim bleibt für viele ein
Wunschtraum. Noch 1953 fehlt es an 25.000 Wohnungen, das entspricht 53,2 % des
Wohnungsbestands. Linz ist damit der Brennpunkt der Wohnungsnot in Österreich, ein Zustand
der bis in die 1960er-Jahre anhalten wird. Bis dahin prägen Barackensiedlungen den Charakter
der Stadt.
Der Lebensstandard ist auch bei jenen, die eine eigene Wohnung haben, bescheiden. Man
verbringt viel Zeit vor dem Radioapparat, erfreut sich an gehaltvollen Speisen und selbst
gemischten Likörkompositionen. Es geht recht neo-biedermeierlich zu, die wilden 1950er-Jahre
setzten erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ein.
RADIO IM NACHKRIEGS-ÖSTERREICH
Der von den United States Forces in Austria (USFA) kontrollierte österreichische RadioSendergruppe RWR (Rot Weiß Rot) wird 1945 in Salzburg gegründet, bald folgen die Sendestellen
Linz und Wien. In Linz wird dazu der Sender am Freinberg genutzt, gesendet wird aus dem
Landhaus. 1947 erstmals live. 1950 folgt das neue Studio im Dachgeschoss des Finanzgebäudes
West am Hauptplatz. Vermisstenmeldungen, Werbungen und auch bald amerikanische Musik
gelangen durch das Radio in die Wohnzimmer der ÖsterreicherInnen. 1954 wird RWR-Linz
aufgelassen und später vom ORF übernommen.
Ebenfalls vom Freinberg aus sendet ab 1945 der US-Army-Sender KOFA (K- Occupation Forces
of America) des von General Mark Wayne Clark gegründeten Radionetzwerks BDN (Blue Danube
Networks). Ihr Ziel ist es, die amerikanischen Truppen mit Musik und Unterhaltung aus der Heimat
zu versorgen. Darüber hinaus versteht sich BDN auch als „Training, Information and Education
Section" der US Army.
Die 1924 als erste österreichische Rundfunkgesellschaft gegründete RAVAG (Radio Verkehrs AG)
sendet in der Nachkriegszeit österreichweit aus einem sowjetisch besetzten Teils Wien. Die
Rotarmisten kontrollierten vor allem anfangs den Sender und üben in Sendungen wie Russische
Stunde: Hör zu, Kollege Kritik an der österreichischen Regierung.
DER GUTE TON
Was wir heute mit den „wilden Fünfzigern“ verbinden, ist nichts anderes als die Antwort einer
rebellierenden Jugend auf die konservative erste Hälfte dieses Jahrzehnts: Mit einem engen
Korsett von (Benimm-)Regeln, die alle Bereiche des Alltags durchdringen, versuchte die
traumatisierte Kriegsgeneration die Illusion von Normalität und Ordnung zu erzeugen. Mit
Trachten, Blasmusik und dem Hochhalten von Traditionen machte man sich auf die Suche nach
der verlorenen Identität.
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LINZER ZIMMER
ERNST KOREF MACHT SCHULE
Ernst Koref (1891−1988), hier gemalt von Max Weiler, ist von Mai 1945 bis September 1962
Bürgermeister von Linz. Er wird von der amerikanischen Besatzungsmacht für dieses Amt
eingesetzt. Als ehemaliger Lehrer und Landesschulinspektor setzt er sich besonders für den
Wiederaufbau der Schulen ein. Denn nach dem Krieg können von den bisher vorhandenen
Klassenzimmern circa 60 % nicht mehr benutzt werden. Ein umfangreiches Bauprogramm startet,
um Schulen neu zu errichten oder wiederaufzubauen. Darunter fallen z. B. die Volksschulen im
Franckviertel, am Froschberg, der Neuen Heimat oder an der Stadlerstraße sowie der
Schulkomplex in Harbach.
Der Wiederaufbau der Dürrnbergerschule (später Otto-Glöckel-Schule) ist anhand der Bilder im
Fotoarchiv des NORDICO, die in dem Schulprojekt Border Crashers zu sehen sind, gut
nachvollziehbar. Am 16.10.1944 wurde das Schulgebäude bei einem Luftangriff zerstört, dabei
kamen SchülerInnen und LehrerInnen ums Leben. Seit 1945 wurde die Schule in verschiedenen
Bauetappen wiederaufgebaut, seit 1951 existiert der Name Otto-Glöckel-Schule.
BORDER CRASHERS
Ein Schulprojekt von culture connected* der Klassen 4b und 4 c
der NMS 5 (Otto-Glöckel-Schule) und der NORDICO Kulturvermittlung
Das Schulprojekt Border Crashers zielt auf die Beteiligung der SchülerInnen an der Ausstellung
Geteilte Stadt. Linz 1945−55, um andere Sichtweisen von jungen Menschen außerhalb des
Museums einfließen zu lassen.
Die Raumgestaltung zeugt anhand des Einbezugs historischer Dokumente und Fotografien von
der Auseinandersetzung der SchülerInnen mit der eigenen Schulgeschichte. Die SchülerInnen
haben aufgrund ihrer Herkunft, teils aus aktuellen und ehemaligen Krisen- und Kriegsgebieten,
einen besonderen Zugang zum Ausstellungsthema und bringen eigene Erfahrungen mit Grenzen,
Teilungen und Barrieren ein. Dies reicht von Selbstporträts und Hinweisen auf die eigene Familie
und Herkunft bis zu Tonaufnahmen in ihrer Muttersprache. In diesen berichten sie darüber, wie sie
nach Österreich gekommen sind oder wie sie ihren ersten Schultag in Österreich erlebt haben.
*culture connected / Eine Initiative für Kooperationen zwischen Schulen und Kulturpartnern
culture connected ist eine österreichweite Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Frauen.
Durchgeführt von KulturKontakt Austria.
Texte: Klaudia Kreslehner, Dunja Schneider, Georg Thiel
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Pressebilder
Die Pressebilder – darunter auch Ausstellungsansichten – stehen für die Dauer der Ausstellung –
auch auf www.nordico.at zum Download bereit.
Lizenzfreie Nutzung nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung.
1. Tanz auf der Nibelungenbrücke
anlässlich der Aufhebung der
Brückenkontrolle durch die Alliierten:
Landeshauptmann Heinrich Gleißner
und Bürgermeistersgattin Elmira
Koref, 8. Juni 1953
Courtesy Irmhild Maaß
4. Kontrolle durch russische
Besatzungsmächte auf der
Nibelungenbrücke, um 1950
NORDICO Stadtmuseum Linz
2. Stadtgebiet von Linz mit
russischer und amerikanischer
Besatzung
Aus: Hanns Kreczi, Linzer
Wegweiser, 1946
NORDICO Stadtmuseum Linz
5. CARE – Cooperative for Assistance and
Relief Everywhere
Gegründet am 27.11.1945 in Genf
Courtesy CARE Österreich
7. Erster österreichischer Selbstbedienungsladen
Konsum im COOP-Gebäude in Linz,
Wienerstraße, 30.05.1950
Archiv der Stadt Linz
8. Zeitungsstand an der
Linzer Landstraße
Seitemit
16 Coca
Cola Werbung, 1947
NORDICO Stadtmuseum Linz
3. Identitätsausweis
ausgestellt in Linz am
21.9.1948
Sammlung Klaus Lüthje
6. Max Weiler
Porträt Bürgermeister Dr. Ernst Koref, 1955
LENTOS Kunstmuseum Linz
9. Hans Gösta Nagl
Bombenruine des
Volksgartengebäudes, 1947
NORDICO Stadtmuseum Linz
10. Irische Butterspende, 1947
NORDICO Stadtmuseum Linz
11. Zeitzeugin Hilde Röhrenbacher
mit Freunden am Dach der
Dürrnbergerschule, Linz, 1945
13. Blick vom Brückenkopf zum Hauptplatz, Linz, Juli 1946
NORDICO Stadtmuseum Linz
12. Linzer Landstraße mit
Hinweisschild auf das Cleveland
Theatre (Kolosseum-Kino) am
Schillerplatz, April 1947
NORDICO Stadtmuseum Linz
14. American Red Cross
Wohnungen für Bedienstete des amerikanischen Roten
Kreuzes, Honauerstraße, Juli 1947
NORDICO Stadtmuseum Linz
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