Binder, Politische Kultur Mitteleuropas im 19

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WARNUNG: DIES IST KEIN OFFIZIELLES SKRIPTUM! ES IST EINE GETIPPTE
VERSION MEINER MITSCHRIFT VON DIESER VORLESUNG, D.H. ES SIND
FEHLER MÖGLICH!
Georg Nitsche
D. Binder, Politische Kultur Mitteleuropas im 19. und 20. Jh.
Friedrich Naumann versuchte, Mitteleuropa festzuschreiben.
Großdeutsches Modell zur Ordnung der deutschen Einflusssphäre, wirtschaftlicher
Gesichtspunkt, kein kultureller
in Mitteleuropa genuines deutsches Einflussgebiet
Begriff Mitteleuropa: Renaissance in 1980ern gab es eine Renaissance
1. in der Wiederentdeckung gemeinsamer kultureller Wurzeln
2. in der Neugestaltung des Raumes, dem Zerbrechen der bipolaren Welt des kalten Krieges,
in der Rekonstruktion der pluralen Möglichkeiten, wie sie vor dem Fall des Eisernen
Vorhangs bestanden
Mitteleuropa ist eine Vorstellung des 19. und 20. Jh.
Man muss äußerst vorsichtig sein, wenn man den Begriff zurückschreibt in vergangene
Jahrhunderte
positives Argument: z.B. um einen politischen und kulturellen Auftrag zu unterstreichen
negatives Argument: z.B. um Mitteleuropa unter deutschnationalem Einfluss zu sehen
→ anderes Bild der Geschichte des Deutschen Ordens
Deutschnationale: Argumentation der Expansion der Deutschen
Polnisch-Nationale: Ausdruck des Imperialismus, der andere Nationen unterdrückt
Frage der Ausbildung der Nation der Polen als politisches Programm
1914,15: Naumann: politisch-wirtschaftliches Konzept der Nachkriegsplanung des
Generalstabs in Deutschland
→ enger Zusammenfall mit Krisen
Naumann: politisches Konzept
20er: geprägt von krisenhafter Situation
→ in NS-Diskurs eingebaut
mit Teilung in Westen und Osten: es wurde als dramatischer Verlust empfunden →
Mitteleuropadiskurs beendet
Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde es als Lösungsvorschlag für die krisenhafte
Zeit angeboten
19. Jh.: Diskussion getragen vom Antagonismus Berlin-Wien und der Nachwirkung der
napoleonischen Veränderung des alten Europas in der partiellen Wiederkehr des alten Traums
vom Heiligen Römischen Reich
2 Auffassungen:
1. Starkes Zentrum wie Berlin im deutschen Kaiserreich ab 1871
2. Erkennt bereits den pluralen Charakter der Region, sieht sich als Nebeneinander
verschiedener Interessen (die aber doch kompatibel sind)
→ Mitteleuropa ist das Produkt des wechselseitigen Austausches
zum 2. Konzept gibt es 2 Gedichte
Gestufte Stadt im grünen Reifrock
Der Amsel unverfälschtes Vokabular
Der Spiegelkarpfen
in Pfeffer versulzt
schwieg in fünf Sprachen
(Gedicht über Czernowitz)
→ sobald Czernowitz außerhalb des habsburgischen Einflusses ist, wird es außerhalb von
Mitteleuropa gesehen
Wie der Einfluss da ist, wird es innerhalb Mitteleuropas gesehen
Vielsprachigkeit: erklärt Zugehörigkeit zu Mitteleuropa
Verlust der Sprache → nicht mehr Mittelpunkt
intellektuelles Niveau: Czernowitz: Deutschsprachige im Vordergrund
Im 19. Jh., mit Anstieg des Nationalismus: Gegengewicht
der nationale Schub wird von der deutschen Tradition angeführt
Schwarz-Gelb: Kinder träumten von deutscher Kultur
sukzessiver Verlust der Pluralität
z.B. Schaffung der Ukraine, systematische Vertreibung der verschiedenen Volksgruppen
Heute: Europa: sieht Ukraine außerhalb
Czernowitz sieht sich innerhalb
2. Gedicht: auf nach 1918:
Landschaft die mich erfand
wasserarmig
waldhaarig
die Heidelbeerhügel
honigschwarz
Viersprachig verbrüderte
Lieder
in entzweiter Zeit
→ „Viersprachig verbrüderte Lieder“ → Reduktion spürbar
(siehe http://vdeutsch.eduhi.at/vorlesungen/celan.doc)
Mitteleuropa ist kein Gegenkonzept zum Ausgleich von Macht in 2 Konzentrationen, sondern
als Gegenpol zu nicht gegebener Pluralität: Pluralität: mehr Sprachen
Mitteleuropa: nicht allein deutsch
innerhalb der Bundesrepublik Deutschland: Bedenken, den Mitteleuropadiskurs wieder
aufzunehmen (nach Fall der Mauer)
damalige Regierung: Bedenken gegen eine Forcierung dieser Diskussion, die gerade von
Österreich ausging
Bundesrepublik Deutschland: befürchtete eine Belastung des Begriffes und Ängste vor einem
wiedervereinigten Deutschland und seiner wirtschaftlichen Hegemonie in dem Raum
aber: die Bundesrepublik Deutschland stürzte in eine Wirtschaftskrise → damit war das
Problem gelöst
ungarische Gesellschaft: bis heute Trianon-Trauma
im Gegensatz dazu: heute in Österreich: keine so negative Assoziation mit St. Germain
keine österreichische Partei würde den Friedensvertrag von St. Germain anzweifeln
„ausdrücklich: KEINE“ (Binder)
Ungarn: von allen Parteien gibt es ständig Trianon-Reminiszenzen
→ Vorstellung, es gibt ein größeres Ungarn
Ungarn versteht sich als Mitteleuropa
Trianon-Trauma: altes Königreich Ungarn wird als mitteleuropäischer Kern gesehen
ungarisch ist lt. dieser Auffassung alles, wo ungarische Minderheiten feststellbar sind
Kulturelle Identität von Mitteleuropa:
Beispiel: Gotische Kirche, vor der ein Minarett steht
auf dem Minarett steht eine Marienfigur auf einem Halbmond
→ christlich-muslimische Kultstätte
ein weiteres Mittel, Mitteleuropa fassbar zu machen: Kochbücher
die Küche ist ein unglaublicher Ort der Erinnerung
mitteleuropäische Küche wird in Österreich als österreichische Küche bezeichnet
aber: Wienerschnitzel kommt aus Mailand, unser Gulasch ist in Ungarn kein Gulasch
19. Jh.: in Versandkatalogen: türkische Kaffeemühlen
ein Analyst des Mitteleuropäischen hat Mitteleuropa auch über die Kaffeehauskultur definiert
→ wo es ein Kaffeehaus im Sinne des 19. Jh. gab, war Mitteleuropa
→ erstaunliche Grenzlinienziehung möglich
Krakau, Prag, Wien, Warschau
nach der Polnisch-Russischen Grenze hören die Kaffeehäuser auf
Westen: bereits in den westlichen Bundesländern Österreich wird es Schwierig, Kaffeehäuser
(im Sinn des 19. Jh.) zu finden
Czernowitz: es gab ein Kaffeehaus, wo 102 Zeitungen abonniert wurden
das Kaffeehaus war ein Ort des halboffiziellen Diskurses, kein Ort, wo man schnell einen
Kaffee trank
20. 10. 2004
heute: Identität des mitteleuropäischen Raums
wesentlich für die Identität Mitteleuropas/für den zentraleuropäischen Raum
Nationalismus/Nationsbegriff: im Wesentlichen schon vorhanden
aber den Nationsbegriff des 19. Jh. kann man in eine demokratisch-revolutionäre Tradition
setzen, er sieht die Leute im Staat als Einheit → Einheit wird postuliert
→ Leute stammen nicht mehr aus der Provence, aus dem Elsaß, sondern aus Frankreich
auch alle Juden in Frankreich gelten primär als Franzosen
die Bevölkerung des Staatsgebietes wird zur Nation erklärt, wo es die Nation nicht als große
Einheit gibt
die Nation ist zunächst an eine große Einheit gebunden, hat zunächst nichts mit Sprache zu
tun
spätere Vorstellungen: Nation mit Sprache gleichzusetzen; Kulturnation
Was ist Nation am Beginn des 19. Jh.?
es träumt der Bewohner des italienischen Raums des 19. Jh. den Traum der Nation
nach der Einigung: führender Vertreter: Wir haben nun den gemeinsamen Traum erfüllt, jetzt
gilt es, die Bürger zur Nation zu erziehen
Nationale Weihegesänge: Nation wird als naturgegeben dargestellt → Nucleus nur in
Teutologie dargestellt: Deutsch ist, was deutsch ist.
Symbol wird in den Raum gestellt, das nicht mehr hinterfragt wird
Erziehung zur Nation ist im mitteleuropäischen Raum vorerst Sache deutschsprachiger Eliten
die Veränderung der Landkarte durch die napoleonischen Kriege wird durch das gemeinsame
Blut dargestellt
Nation: Sache des Blutes
Französische Hegemonie unter Napoleon und der tiefe Eingriff in gewachsene Strukturen:
Nation wird imaginiert als Instrument gegen die Franzosen → verbunden mit aufsteigender
Schicht des Bürgertums
die europäische Aristokratie ist national nicht zuordenbar: enge Verschwägerung,
Verwandtschaft: supranationale europäische Aristokratie
aber das aufstrebende Bürgertum übernimmt die Erziehung zur Nation
über die Lehrerausbildung wird die Erziehung zur Nation langsam auf eine breite Schiene
gebracht
zwischen 1810 und 1870: nördlich der Alpen
zwischen 1848 und 1870: im habsburgischen Raum
Vielfach wird diese Anwendung von Nation mit politischen Vorstellungen verknüpft
→ Frage der Demokratisierung der Gesellschaft
am Anfang der Burschenschaftlerbewegung, im Jahr 1848
→ liberale Bewegung wird angehalten
Frage der Nationalidee: nicht mehr auf demokratischen Marsch durch die Institutionen fixiert
daneben gibt es ein völlig anderes Bild, das diesen Nationsdiskurs aufnimmt: die
Gemeinsamkeit aller Völker eines Staates
→ gemeinsame Parameter werden in den Vordergrund gestellt, um den Staat zu manifestieren
→ das lehrt Geschichtsunterricht innerhalb des 19. Jh. in den habsburgischen Ländern
das ist in die Modernisierung der politischen Landschaft eingebettet
Österreich: zwar absolutistisch, aber keine staatliche Einheit
bis 1848 konnte die Zentralregierung nicht verhindern, dass zwischen Österreich und Ungarn
Zölle eingehoben wurden
→ Idee: Nationalismus hatte ökonomische Gründe
Liszt: Idee des deutschen Zollvereins
Staaten: als Folgewirkung der alten sozialen Strukturen
→ vielfache „Staaten“
→ Ausbildung zu sprachlich-nationalen Idealen: Deutsche, Ungarn, Tschechen, Kroaten,
Polen, Slowenen
Entscheidend bei früh auftretenden Identifikationsmodellen im habsburgischen
Herrschaftsbereich
Nationalbewusstsein: Vielfach als Distanzierung vor einer als Eingriff gesehenen
Fremdherrschaft
Geschichtsschreibung: nimmt Identifikationsmodelle aus der Vergangenheit
Böhmen: Schlacht am weißen Berg, Verbrennung von Jan Hus
Nationsbilder: Bild der Erlösung, entweder durch große Siege ausgelöst: Prinz-Eugen-Kult im
deutschsprachigen Milieu der Monarchie → Bild der Türkenbefreiung → Sieg der
Christenheit → Die starke Nation überwindet die Bedrohung
1683: Befreiung von Wien → nicht nur Bestandteil der Tradition in Österreich, sondern auch
Teil der polnischen Tradition → nationaler Mythos
Nation: Ehre wird in Anspruch genommen, es gibt eine auffallende Bereitschaft, auch
Niederlagen als Höhepunkte der nationalen Bewegung zu sehen
Ungarn: viele Jahrestage von Niederlagen sind Feiertage
Serbien: Jahrestag der Niederlage am Amselfeld
→ Demonstration der nationalen Ehre
Siege haben vor allem dort eine Bedeutung, wo sie die Hoffnung aufrechterhalten, diese Siege
zu erneuern
Nationale Propaganda Polens: Schlacht von Tannenberg → Polen schlug den Deutschen
Ritterorden
Dieser Sieg über den Ordensstaat wurde zu nationaler Apologetik → wurde dann, als Polen
verschwand, zum Heldenmythos
→ uminterpretiert als Verteidigung des Polentums gegen die deutsche Ostkolonisation
kein Wort von den Beziehungen zwischen Polen und dem Deutschordensstaat
kein Wort davon, dass der Hochmeister des deutschen Ordens Lehensmann des polnischen
Königs wurde
Nationale Erzählung des 19. Jh. greift unterschiedlichste Perioden heraus. Es gibt eine Reihe
von europäischen Staaten, deren ursprüngliche Erzählung auf Auseinandersetzungen mit den
Römern zurückgeht
→ z.B. Schlacht im Teutoburger Wald
Österreich: Schlacht bei Noreia (welches Noreia, ist unklar)
Bereitschaft, Nation über Sieg und Niederlage zu definieren
Polnische Agitation: Sieg über Deutschorden hochgejubelt
Deutsche Agitation: der Deutschorden hat den Osten kulturalisiert (christianisiert)
→ aber damals war Polen schon katholisch
große Bedeutung in der nationalen Erzählung hat das Mittelalter
→ aus dem Mittelalter hatte man eine Vielzahl von Artefakten → die wurden als „Beweis“ in
die Erzählung eingebracht
→ skurrile Maßnahmen
eingebettet in der romantischen Vorstellung wird das Mittelalter als eine Zeit dargestellt, in
der die Nation noch intakt war
preußischer König: Großprojekt: baute den katholischen Kölner Dom fertig, obwohl er selbst
Protestant war
→ nationale Liturgie
der Dombau zu Köln beschäftigte nicht nur die deutsche Agitation außerhalb, sondern auch
innerhalb der habsburgischen Territorien → wurde sogar in einer dreisprachigen Stadt
akklamiert
Karpatenraum, ungarische nationale Tradition: Personen aufgegriffen, deren politische
Repräsentanz die Nation hervorhebt
staatsloyale innerhalb der Habsburgergebiete: Stammvater: Rudolf von Habsburg als Vater
der Nation, Maria Theresia als Mutter der Nation
Maria Theresia und Joseph II. sind nicht Repräsentationsfiguren für eine demokratische
Gesellschaft → sie repräsentieren die feudale Ordnung
→ ihnen wird große Volksnähe unterstellt
charakteristisches Beispiel: Joseph II. wird volkstümlich gezeigt → auf unzähligen Stichen
wird er dargestellt, wie er hinter dem Pflug hergeht → wird popularisiert
regional: Erzherzog Johann: wird an einem zentralen Standpunkt in Graz im schlichten
Bürgerrock dargestellt, der einzige Verweis darauf, dass er Habsburger ist, ist sein goldenes
Vlies
das letzte Erzherzog-Johann-Jubiläum wurde im Parteienwahlkampf ausgenützt
der ursprüngliche Erfolg von Asterix nützt genau diese Vorstellung aus
Volksnähe bedeutet Substituierung eines fehlenden demokratischen Umfeldes
es geht nicht um Tatsachen, sondern um Legitimation
→ Kult der Geschichte, der Historiker
→ Explosion von Bereitschaft, Altertümer zu sammeln
→ nicht mehr nur als Kunstkabinette, sondern als nationales Anliegen
→ Gründung des Joanneums, des Ferdinandeums, des Museums in Prag, des Museums in
Ungarn
→ Museen sind nicht gleichsam Sammelstelle für Gegenstände, sondern bewusst ein
Erziehungsort, der die Größe der Nation demonstrieren soll, der demonstrieren soll, dass der
Anspruch der Nation auf die Region gerechtfertigt ist
Beginn des Ungarntums: sogenannte Landnahme
Aus der Zeit der Landnahme besitzt das ungarische Nationalmuseum wenige Artefakte, es
wurde im 19. Jh. gebaut, im zentralen Stiegenhaus verdeutlichen Fresken diese Landnahme
Auseinandersetzung mit der Frage, auf wen diese sagenhaften Urväter stießen, als sie kamen,
geschieht nicht → Landnahme wird als Landname erzählt, setzt sich nicht damit auseinander,
was vorher da war
die Landnahme wird durch einen Menschentyp dargestellt, der als ungarisch identifiziert wird
→ Ungarn erhält auch den Segen durch König Stefans Übertritt zum Christentum
Schlacht auf dem Leechfeld
Einsetzen des Kultes um die Ostarrichi-Urkunde
→ Bewusst als Ort der Stiftung Österreichs
Erzählung von Babenbergern, die quasi Österreich schaffen
„Weiheakt“: dramatische Erzählung der Entstehung der Fahne
(Binder: „…wo ein Kreuzfahrer sich den Leibgurt abnimmt und dann gleichsam mit an
querg’streiften GAK-Leiberl dasteht…“)
Sich-Annähern an Erzähltraditionen (Märchen, Sagen)
historische Kritik wurde von der Bereitschaft der politischen Umsetzung weggespült → fixer
Bestandteil der Sage der Entstehung der Nation
Libussa-Erzählung, Nibelungenlied: man kann auf uralte Handschriften verweisen
→ tschechische Nationalisten fälschen angeblich mittelalterliche tschechische Gesänge
sagenhaftes Alter der Nation
→ Entstehung von Prag fließt ein den jüdisch-tschechischen Diskurs ein
das sagenhafte Alter der jüdischen Gemeinde wird als „Nebenprodukt“ der tschechischen
Königin Libussa gesehen, die die Ansiedelung von Juden ermöglichte
Nation: Minderheit wird verschwiegen
Ungarisches Nationalmuseum: nur 2 Hinweise auf Judentum in Ungarn
→ versteckt:
1. jüdische Aufklärung im 18. Jh.
2. Holocaust 1944,45
→ das sind die einzigen 2 Hinweise auf eine Gruppierung im Land, die seit der Gründung des
Landes dort war, aber immer als Nichtbestandteil der Nation gesehen wurde
von großer Wichtigkeit in der internationalen Selbstdarstellung ist das Rittertum
wird in der österreichischen Erzählung von Maximilian, dem letzten Ritter, dargestellt
der Ritter wird als „Spitzenprodukt“ der Nation dargestellt, ewig zum Kampf bereit, der die
Nation verteidigt
19. Jh.: Blüte von Ritterorden, teilweise noch konfessionell gebunden, teilweise auch nicht,
als Ausdruck von nationaler Begeisterung
bis in die heutige Zeit ist die großungarische Darstellung geprägt vom Bild der Adelsnation
Ungarn
→ dadurch wird das größere, verlorene Ungarn (auf der Landkarte) imaginiert
Trianon: unglaubliche Radikalisierung des ungarischen Nationalismus, wie
das Zerbrechen von nationalen Einheiten immer diese Radikalisierung beschleunigte
Deutschnationale in Österreich: Bild eines gesamtdeutschen Staates
Schaffung des Nationalstaates wird nicht als etwas Neues gesehen, sondern als Rückkehr zu
einem goldenen Zeitalter
deutschnationale Agitation interpretiert die Gründung des Deutschen Reichs 1871 als
Wiederkehr des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
Nationalsozialismus: nicht nur Tausendjähriges, sondern auch Drittes Reich
Um die Nation zu zelebrieren, bedarf es Orten, die als Genese-Weihestätte deklariert werden
König Ludwig von Bayern baut ein „Spitzenprodukt“ deutscher Kultstätten: Walhalla von
Regensburg (griechischer Tempel)
anderer Ort, wo das Deutschtum manifestiert wird: Deutsches Kaiserreich wurde in Versailles
proklamiert
Festhalten von Orten in der nationalen Erzählungstradition: hat Vorteil, das man einstige
Größe symbolisieren kann
Geburtshaus von Matthias Corvinus liegt in Rumänien; eine besondere polnische Weihestätte
liegt in der Ukraine, nämlich Limberg
Alt-Radice liegt in Südtirol → Identität Tirols, Österreichs lässt sich einbauen in die
politische Erzählung von Nation, von Identität
Nationale Erzählung des 19. Jh. ist nicht nur Bestandteil der Nation, sondern auch der kleinen
Gebiete, die zunehmend marginalisiert wurden und zu einer nationalen Rückbesinnung
zurückgeführt werden
Sprachgesellschaften stehen in Minderheitengebieten am Anfang von solchen Bewegungen
→ sammeln vergangene Sprachdokumente
das ist kein Spezifikum des mitteleuropäischen Raumes
Sprachgemeinschaften entdecken für sich selbst ihre Sprache wieder
Auseinandersetzung mit der Sprache ist für die Unterschichten
stark für den Nationalitätsdiskurs
auch die Frage des sozialen Aufstiegs
während gleichzeitig die herrschende Schicht ihre Bemühungen intensiviert, den nationalen
Bestand durch forcieren ihrer Sprache zu stabilisieren; herrschende Schicht forciert Sprache,
damit sich die Unterschicht zur nationalen Mehrheit bekennt
Bemühungen, einheitliche Nationalvorstellungen aus unterschiedlichen Zeitvorstellungen
heraus durchzusetzen
→ bis heute: Schutzbestimmungen für Minderheiten, z.B. in Österreich, teilweise nicht
umgesetzt
Schock von 1918,20 in Kärnten, aber auch Operieren der Jugoslawen 1945 wirken in Kärnten
sicher nicht beruhigend
Es gibt heute noch die Diskussion um die Slawen in Ungarn
27. 10. 2004
Wann können wir von einem mitteleuropäischen Raum sprechen?
→ erst nach 1000
Versuche, das in eine frühere Zeit, wie die Zeit der Völkerwanderung oder die Römerzeit,
zurückzuverfolgen, sind vergebens, höchstens von nationalem Interesse
Rezeption der Renaissance
Renaissance macht deutlich, dass der mitteleuropäische Raum zunächst stark von Italien lebte
Italien → Ungarn (?) →Südslawen → slawischer Raum
auf unterschiedlichem Weg kamen verschiedene Strömungen in den Raum
an Kirchen, Repräsentationsbauten etc. zu sehen: Barockzeit
Barock: unterschiedliche Anfänge
böhmischer Barock: voraus geht dem die Enthauptung der regional bestimmten böhmischen
Oberschicht durch die Schlacht am weißen Berg (1620)
politische Durchsetzung des Absolutismus durch die Schlacht am weißen Berg
Auslöschung des böhmischen Adels und Verfolgung der Hussiten: Ende der tschechischen,
der böhmischen Intelligenz
→ Bildungsuniversalismus verbunden mit Tätigkeit der Jesuiten
zu finden im illyrischen Raum → heutiges ehemaliges Jugoslawien
südslawischer Raum, dalmatinischer Bereich war geprägt vom direkten Kontakt mit Italien
und entwickelte in dieser Zeit die Vorstellung, dass die Vorfahren der Südslawen die Illyrer
gewesen seien
→ Anknüpfungspunkt für regionale, nationale Bewegung des 19. Jh. (hatte also Wurzel in
Renaissance)
nationale Anliegen im 17. und 18. Jh. versuchen, durch ihr besonderes Alter auch ihre
Bedeutung hervorzuziehen → schauen zurück bis in die Römerzeit
Die Habsburger haben laut ihrem eigenen Stammbaum einen Stammvater Julius Caesar
pannonischer Raum: Nicholas Zrinyi: aktueller Befund der Vielsprachigkeit des Raumes ist
automatisch gegeben, entstand nicht aus der Vergangenheit heraus
barockes Bild einer Mulilingualität des pannonischen Raumes
der Nationalismus des 19. Jh. bemüht sich, die Vorherrschaft der Magyaren zu legitimieren
Vielsprachlichkeit ist leicht zu transportieren, vor allem dort, wo der Katholizismus dominiert,
weil er als betont universalistische Religion auftritt
Reformierte: Regionalismus
Augsburger Religionsfrieden: auf Betreiben der reformierten Fürsten cuius regio, eius religio
pannonischer Raum: Auseinandersetzung mit dem Islam
→ Kampf gegen die Türken und Selbstdarstellung als im Gegensatz zu den Türken
Kampf bei Zrinyi als Darstellung des Werdens, der Identität
Kampf als notwendige Formung angesehen
Pendant zum Kampf gegen die Türken: Die Auseinandersetzung des 30jährigen Kriegs → der
katholische Triumphalismus und seine Überwindung
Der Barock war nicht nur im westlich-europäischen Raum, sondern drang vor bis in den
polnisch-ukrainischen Raum
→ Gegensatz zwischen Katholizismus und Orthodoxie
polnischer Raum: Tätigkeit der Jesuiten
charakteristische Grenzziehung gegenüber dem russischen Raum
durch die Durchsetzung des katholischen Universalismus mit gleichzeitiger Zurückdrängung
der Türken wird die Ostgrenze als religiöse Grenze legitimiert
außerdem: antirussisches Bild entsteht
im 19. Jh. wird es dramatisch ausgedehnt → bis in die heutige Zeit
polnische Teilungen: werden im Westen des mitteleuropäischen Raums nicht als Niederlage,
sondern als Festigung der eigenen Identität gesehen, die polnische Tradition wird in den
Untergrund gedrängt
Bildungsmonopol des katholischen Universalismus in Böhmen und Polen
→ Abfall der Landessprachen in eine regionale Unbedeutsamkeit
18., 19. Jh.: Spracherneuerungsvereinigungen: Renaissance der regionalen Sprachen
vom polnischen Adel gab es in den 20er Jahren des 20. Jh. das „böse Wort“, der polnische
Adel sei nun derart heruntergekommen, dass er wieder polnisch zu sprechen begonnen hätte.
vorher sprach der polnische Adel französisch
Coudenhove-Kalergi: ist zweisprachig aufgewachsen, ihre Mutter sagte ihr: „Aber bitte im
Salon kein Wort tschechisch.“
→ volkssprachliches deutlich abgelehnt
österreichischer Raum nach dem Ausgleich: gleichsam Identitätsschub durch Barockzeit
erlebt, sah sich erstmals in dieser Phase nicht mehr gefährdet
Neustilisierung des Sieges über die Türken
Gewichtsverlagerung Richtung Südosten mit dramatischem Gewichtsverlust im Westen
österreichisches barockes Lebensgefühl: 19. Jh., 20. Jh. in Permanenz fortgeschrieben
Fortleben der barocken Kontinuität Mitteleuropas: vor allem Österreich
Identität in slawischer und ungarischer Literatur vorhanden
Barockzeit: wesentliches verbindendes Element in der Vielfalt des mitteleuropäischen Raums
Gewichtsverlagerung nach Osten und Südosten → Galizien, Bukowina, Dalmatien gewonnen
Mitteleuropäischer Raum zwischen dem sich formierenden und stärker werdenden Preußen,
dem sich formierenden und stärker grenzziehenden Russland und dem Südosten: osmanische
Herrschaft wird brüchig
deutsche Aufklärung: Herder: neues Interesse an literarischen Denkmälern
literarische Denkmäler, die als Teile der Nation gesehen werden, beeinflussen Romantik
für deutliche Grenzziehung und starke Grenze: Vorraussetzung: zentralistische Verwaltung
starke Grenzziehung gegenüber dem osmanischen Reich erfolgt mit der Schaffung der so
genannten Militärgrenze
die wird im 19. Jh. systematisch ausgebaut
Binnenkolonisation, die Südostbewegung deutlich macht
Zuwanderung von deutschsprachigen Bewohnern in den südosteuropäischen Raum und
Erweiterung der habsburgischen Einflussbereiche
nach den Niederlagen gegen Preußen: Maria Theresia und Joseph II.: Reformen gegen
ständische Mitbestimmung
langsam aufkommender Nationalismus mit ständischer Elite
Ungarn: nach Befreiung vor der osmanischen Herrschaft: eigene Identität, im Widerspruch
zum Wiener Zentralismus
je weiter weg die Türken waren, desto stärker wurde der ungarische Nationalismus (in
Verbindung mit dem Adel)
19. Jh.: Ungarn weiterhin als Adelsgesellschaft gedacht
so wie Polen in den Köpfen als Adelsgesellschaft erhalten blieb
konkrete Widerstandsaktionen bis hin zur offenen Rebellion setzten in Ungarn ein → nicht
nur die Erinnerung an verlorene Revolutionen war wichtig, es wurden auch Flugblätter
verteilt, auf denen aufgehängte Revolutionäre dargestellt wurden → wurden auf den
Darstellungen immer auf einem großen, starken Baum aufgeknüpft
Blutopfer: sind nicht vergebens, sondern stärken den Baum
Auseinandersetzung der alten Mächte des habsburgischen Raumes verbunden mit der
Neuordnung Europas durch Napoleon
Gegensatz von Habsburgischem Zentralismus und Napoleons Idealen
Napoleon: schafft neue Staaten, greift also frühe nationale Gedanken auf
Neuordnung Europas unterschiedlich rezipiert
illyrischer Raum: rezipiert die Neuordnung irrsinnig positiv
polnischer Raum: enttäuschte Hoffnung → ursprünglich wurde Napoleon als Hoffnungsträger
für die eigene nationale Befindlichkeit gesehen
Wo die napoleonischen Herrschaftsstrukturen in Fragen gestellt wurden (Preußen, Österreich),
dort wird Napoleon dämonisiert → Symbol für nationale Unterdrückung
Beispiel: Tiroler Selbstverständnis: Kampf von Andreas Hofer
Bayern tun sich schwer: einerseits wurden sie in den germanischen Diskurs einbezogen,
gleichzeitig verdanken sie Napoleon viel: erst durch ihn wurde Bayern zum Königreich, das
konnten sie über den Wiener Kongress retten
Napoleon wird im deutschsprachigen Bereich als Unterdrücker gesehen
zum Hinweis auf die Aufklärung, auf die Anregung der Mischung aus Aufklärung und
Romantik: der Zentralstaat beginnt durch die Schaffung von Schulordnungen die forcierte
Einbeziehung der Bevölkerung in Bezug auf Nationalismus, Zentralismus
Unterrichtssystem mit Folgen für die Sprachausbildung
im Gegensatz dazu erwacht das Interesse an der eigenen Sprache
eigene Dichtung wird erst festgestellt, dann verschriftlicht
Schriftlichkeit wird fortgebildet: Wörterbücher, Auseinandersetzung mit Grammatik
Sprache wird wesentliches Merkmal nationaler Identifikation
parallel dazu: Geschichte: Sammlung von Altertümern
→ um eigene Tradition möglichst weit zurückzuschreiben
Monumenta Germaniae Historica: Unternehmungen der Polen, die darauf abzielen
Monumenta Historica Bohemi: in Böhmen
vergleichbares in Ungarn, Slowakei, bei den Rumänen
eigene historische Tradition in konkreter politischer Situation (Staat, der entsteht und
nivellierend eingreift) benutzt, um sprachliche Minderheiten in den Vordergrund zu stellen
Historiker in der 1. Hälfte des 19. Jh.: Legitimation für ihre Tätigkeit
Aufklärung: macht sehr schön die Grenzen des mitteleuropäischen Raumes deutlich:
verweigert in Russland und in den Ländern, wo orthodoxe Kirchen im Vordergrund stehen
Rezeption der Aufklärung im südost- und mitteleuropäischen Raum
ein wesentliches Merkmal des mitteleuropäischen Raumes ist die Vielfalt der
Umgangssprachen, die Bedeutung von überregionalen Kunstsprachen
nach der Abschaffung des Lateinischen: Dominanz des Deutschen als Verwaltungssprache
heutige Historikerausbildung: Deutsch ist zumindest als passiv beherrschte Sprache
nachzuweisen
Ironie über die Amtssprache: k&k Verwaltungssprache: im 18. Jh. systematisiert
um zu einer eindeutigen Kommunikationsform zu gelangen, wurde ein sprachliches
Musterbuch erstellt
→ beeinflusste den Verwaltungsstaat des habsburgischen Herrschaftsraumes, trug wesentlich
zur Normierung einer spezifischen Form des Deutschen, das (abwertend oder aufwertend) oft
als „österreichisch“ bezeichnet wird
Modernisierung des Militärwesens: mit dem Auf- und Ausbau einer modernen
Militärverwaltung → Beginn unter Maria Theresia, von Joseph II. forciert
→ flächendeckende Dienstpflicht
→ viele Umgangssprachen in der Armee, eine vereinheitlichte Kommandosprache war nötig,
im Ungarischen Reich war bis ins 19. Jh. die Kommandosprache Latein
außerhalb des ungarischen Raumes: seit dem 18. Jh. war Deutsch die Kommandosprache im
Habsburgischen Militär
die Offiziere waren angehalten, Grundkenntnisse der Landessprache des Landes, in der der
Truppenteil lag, sowie die Regimentssprache sprechen zu können
z.B. musste bei einer slowenisch dominierten Einheit in Galizien der Offizier dreisprachig
sein
Druck in Richtung Deutsch
mit der Modernisierung der Verwaltung, mit der Vereinheitlichung, wurden auch
systematisch alte Sonderregelungen abgebaut
Beispiel des Judentums: Erwerb Galiziens und der Bukowina → der Anteil an Juden in den
habsburgischen Ländern stieg deutlich an
→ Besonderheiten aufgehoben
„Zwangsbeglückung“ der Juden in dem Raum
→ z.B. Einbeziehung in den Militärdienst
→ Joseph II.: Armee soll auch Juden nehmen
→ die habsburgische Armee war eine der frühen Armeen, in der Juden dienten
→ traf ein noch sehr traditionelles Judentum
→ Militärverwaltung nahm Rücksicht auf Traditionen (es gab einen koscheren Koch, es gab
primär jüdische Regimenter, das Uniformmaterial wurde aus einem Stoff hergestellt)
k&k-Armee: auch muslimischer Teil → Kopfbedeckung der Mannschaft: Fez
k&k-Armee: Vielzahl von religiösen Einrichtungen
Bischof, protestantischer Pfarrer, orthodoxer Priester, Militärrabbiner, Militärmufti
Die Modernisierung im Militär war ein Modell
sprachlicher Druck im Militär: Witze: Braver Soldat Schwejk: subversive Tätigkeit durch
wörtliches Befolgen von Befehlen
Musik: dominant: andere Sprachen: Italienisch
Konzert- und Opernleben: damals selbstverständlich italienisch
in dem Raum sehr lange ungeheurer Einfluss
hat nichts mit politischer Identität zu tun, sondern Träger wesentlicher Kultureinrichtungen
Antiitalienismus: 19. und 20. Jh.: Italienisch von nationalen Strömungen ignoriert
englischer Reisender des 19. Jh. kam auf seinen Reisen auch nach Graz: beschrieb Graz als
dreisprachige Stadt: Slowenisch, Italienisch, Deutsch
Stadtgeschichtsschreibung: kein Hinweis auf Italienisches, praktisch kein Hinweis auf
Slowenisches in Graz
Ignorieren der Multikulturalität im 19. Jh.: ganze Einflussbereiche verschwinden
Graz: Italienische Kirche: Welsche Kirche am Griesplatz: Weitestgehend aus dem
öffentlichen Bewusstsein verschwunden
Norditalienische Häuser und Grazer Häuser: gleiche Fenster
Auseinandersetzung mit regionaler Sprache in Ungarn geringer → Ursache: Ungarn genoss
nahezu durchgehend ungarische Selbstverwaltung
heute machen wir uns keine Vorstellung davon, wie multilingual die Städte im 19. Jh. noch
waren
Budapest: man konnte überleben, ohne ein Wort Ungarisch zu sprechen
Wien: auch Nebeneinander
Deutsch: dominierende Sprache
erst die Nationalitäten des 19. Jh. boten Ventile
Prag: Deutsche und Tschechische Universität
Polytechnikum: Deutsches und Tschechisches Polytechnikum
19. Jh.: Kampf der Nationalitäten
18. Jh.: rationale zentralistische Überlegungen
z.B. mussten Geistliche die Volkssprache können
→ Modernisierung der Gesellschaft durch Geistliche, sie mussten in der Lage sein,
Informationen die sie bekamen in der Landessprache weiterzugeben
Wende 18./19. Jh.: Wiederentdeckung der eigenen Sprache
die Sprache erlebt in der romantischen Literatur ihre Renaissance
Festhalten an Symbolen: Romantik in der Region verschränkt Literatur, sprachliche
Erneuerung, Patriotismus (regional)
österreichisches Judentum: lange Zeit: adelige Schutzbriefe
→ Identifikation mit dem Schutzherrn
→ Namen geben den Schutzherrennamen wieder
Witz: Bei der Armee:
- Name?
- Lichtenstein.
- Prinz oder Jud?
→ führt zu einer absoluten staatsloyalen Haltung und Identifikation von Juden mit der
habsburgischen Herrschaft
Stück: Offiziere werfen dem Oberst Erde ins Grab nach: einer wirft Erde aus Ungarn nach,
einer Erde aus Böhmen, ...
jüdischer Offizier: der einzige, der ihm nachwirft: Erde aus Österreich
Deutschnationale: Staatsilloyal, wie auch andere nationale Gruppierungen, die den Staat als
Behinderung ihrer nationalen Bestrebungen setzen
3. 11. 2004
Jacques Le Rider: Mitteleuropa → sehr französisch orientiert
Konstantinovič: Literaturgeschichte Mitteleuropas
Mitteleuropabegriff eines Belgraders
Mappe mit wesentlichen Texten
in letzter Zeit: kulturelle Netzwerke
letzte Woche:
1. Hälfte des 19. Jh.: Nationale Rekonstruktion
→ bzw. Konstruktion des Nationalen, der Erziehung zur Nation (George Mosse: Erziehung
zur Nation) → nicht nur akademisch, sondern auch auf Trägergruppe der Nationserziehung
übertragen
verschiedene Schwerpunkte: deutschsprachiger Teil: Heiliges Römisches Reich: hehres Idol
der nationalen Selbstverwirklichung
Zurückgreifen auf das Mittelalter als die große Zeit des Heiligen Römischen Reiches
Tschechen: greifen zurück auf die Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg, greifen zurück auf
die Hussiten
→ es wird in der Vergangenheit legitimiert, was in der Gegenwart gefordert wird
Ungarn: träumen von der Zeit der Landnahme, der Christianisierung (Stephan der Heilige)
Vertrag: impliziert so etwas wie eine demokratische Gesellschaft
Kroaten, Südslawen: greifen ebenfalls auf das Mittelalter zurück, auf damals selbstständige
Königreiche
→ die Geschichtsschreibung damals hatte keine große Ahnung davon
gleiches gilt für das Königreich Polen → das existierte damals nicht mehr
Schlacht bei Tannenberg: polnischer Wille zur Selbstverteidigung
Deutsche: Anspruch auf Raum im Osten
Diese Bilder kehren im Nationalismus des kurzen 20. Jh. wieder
Nationalsozialisten: Nach dem Überfall auf Russland: Grenadierdivision der Deutschmeister
wird geschaffen
auch Polen
auch 60er, 70er
Warum greift man auf das Mittelalter zurück? → Man will alte, starke Kontinuität zeigen
aktuelles politisches Anliegen: Entwicklung zu emanzipatorischer, demokratischer
Gesellschaft → wird anachronistisch zurückgeschrieben
Pflege der Sprache, ihre Standardisierung (Wirkung des Grimmschen Wörterbuchs)
Slowaken: Ján Kollár, Josef Štur → slowakisches Wörterbuch
vergleichbare Vorgänge: Kopitar in Slowenien, Karadzič in Serbien
Konstruktion des Nationalen: 19. Jh.: Instrumentarium für unterschiedliche politische Zwecke
südslawischer Raum: Illyrismus → Traum der Vereinigung der Südslawen
nicht nur eingebettet in die Aufklärung, in die Entdeckung des Mittelalters → sondern
moderne soziale Anliegen, die in eine Folie eingegossen werden, die mobilisierend wirkt und
Widerstandscharakter gegen das Establishment beinhaltet
Italien: Nationalismus greift nicht auf das Mittelalter zurück, sondern als Leitfigur auf
Petrarca und Dante, in denen man die Schöpfung des Italienischen sieht
Propagierung des Nationalen: Denkmäler und Fresken im gesamten mitteleuropäischen Raum
1. zwecks Inszenierung
2. wegen Analphabetismus
Nationale Schutzvereine: alle haben eine Druckerei
→ Drucken ihre Klischees in Ansichtskarte etc.
Ein Theoretiker des Illyrismus (der südslawischen Nation) (Karadzič) denkt, es können nur
dann die Slawen befreit werden, wenn jedem Ungarn der Schädel eingeschlagen wird
Vorreiter für dieses Modell, diese Bewegung: Akademikerschaft; gebildetes Bürgertum, das
zunehmend materiell abgesichert ist und seit seinem Aufstieg Sehnsucht an Politikbeteiligung
hat
Politikbeteiligung, wie sie in der französischen Revolution anklingt, Politikbeteiligung, die
auf Gewaltenteilung basiert, die aber aufgrund des Absolutismus der Ära Metternich
meilenweit davon entfernt ist
→ schmale Spitze des Bürgertums, das Übergang zur Moderne schafft
Kleinbürgertum fühlt sich zunehmend sozial bedroht, verunsichert in der sich
modernisierenden Gesellschaft, weil seine Ressourcen zu gering sind, um am Aufschwung
teilzuhaben
→ Konflikt zwischen der modernen Großindustrie und der Handarbeit
→ 19. Jh.: Konflikt verschärft, dient wesentlich der Mobilisierung des Kleinbürgertums, das
sich zur Christlichsozialen Partei sammelt
Scharf umrissene Klasse in den industrialisierten Gebieten: Arbeiterschaft
Arbeiterproletariat
unübersehbar: rurales Proletariat (ländlicher Bereich)
→ kann sich aber noch nicht politisch bündeln
dominant in Erscheinung tritt die politische Kraft des Bürgertums
Vorreiter als radikale Kritiker des Bürgertums: Studenten, Intellektuelle
kleinster Kreis, halböffentlicher Raum: Lesevereine, gelehrte Gesellschaften, die automatisch
aufgrund ihrer Intention, Bildung und Fortschritt zu verbreiten, im Widerspruch mit dem
absolutistischen Regime gesehen werden
Als im Februar 1848 die Nachrichten der französischen Revolution nach Deutschland
gelangen, führt das zu einer Kettenreaktion
Ludwig Kossuth fordert am Reichstag vom letzten Rest der ständischen Vertretung Reformen
ein für den ungarischen Raum
Forderungen: Beseitigung des Metternichschen Systems und Einrichtung einer Konstitution
13. März: Geburtstag von Joseph II.
→ Studenten vor den niederösterreichischen Ständen versammelt
→ protestieren für die Beseitigung des Metternichschen Systems und für die Einrichtung
einer Konstitution
Milieu: keine anarchistischen oder sozialrevolutionären Konzeptionen
Das, was man einfordert, ist eine Verfassung
das nationale Argument ist noch Dekor → erst später wird es zum Instrument für die
Beseitigung der gesamten habsburgischen Herrschaft
Pétofi: geboren als Petrovič
Karl Kraus macht sich lustig darüber, dass Deutschnationale in Österreich tschechische
Namen tragen
Obrigkeit, Repräsentanten des Metternichschen Systems sind völlig überrascht, erblicken aber
eine gravierende Infragestellung des Systems, und versuchen, mit brutaler Härte
zurückzuschlagen (auf durchaus moderate Proteste)
→ dadurch provoziert man Gewalt durch die Bevölkerung
→ der damalige Kriegsminister La Tour wird an eine Laterne gehängt
→ Metternich geht eilig nach England ins Exil
Angesichts der Heftigkeit des Widerstands in den Städten weicht der Hof zurück und wird
gesprächsbereit
25. April: Konstitution: Pillersdorfsche Verfassung
→ rasanter Verlauf, der letztlich zunächst einmal zu einer Demokratisierung der Gesellschaft
führt
Damit ist vorläufig ein wesentlicher Teil der bürgerlichen politischen Forderungen erfüllt
allerdings wird die Revolution zunehmend mit Forderungen nach nationaler
Selbstbestimmung verknüpft
→ nationale Selbstständigkeit wird gefordert
→ militärische Aktion des Regimes dort, wo die Einheit des Reiches gefährdet ist
→ im italienischen Raum und in Ungarn
mit der relativen Rückgewinnung der politischen Handlungsfreiheit gibt es wieder
Repressionen gegen die, die mit dem Erreichten (der Konstitution) nicht zufrieden sind
→ Radikalisierung dort, wo noch offene Forderungen bestehen (z.B. beim
Industrieproletariat)
→ mit aller Brutalität niedergeschlagen
der Nationalitätendiskurs führt in Deutschland zur Diskussion über die Schaffung eines
Deutschen Reichs
in der Paulskirche in Frankfurt bekommt sie eine politische Bühne
Bauernbefreiung: Juli 1848: Bauern entsenden bewusst ihre Vertreter in den Reichstag, weil
hier Dinge besprochen werden, die sie betreffen
Bäuerliches Volk ist politisch weitgehend uninteressiert
Politik wird Akademikern, Bürgerlichen, Intellektuellen überlassen
weiterer Fortgang: Bürgerliche Elite wechselt bei Aussicht auf Erfüllung ihrer Ziele bald die
Seiten
Akademische Legion: zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, zur Aufrechterhaltung
des bisher erreichten
→ Aufstellung von Wachen, optische Präsenz
als sich Herbst 1848 die Situation in Wien zuspitzt, sieht man, wie der linke Flügel der
Revolution isoliert ist, man lässt diese Leute allein, weil man das nicht mehr als nötig für die
Verteidigung des Erreichten sieht
Die plötzliche Vereinsamung des linken Flügels macht die Veränderung der Interessenslage
seit dem März 1848 deutlich
neben den Akademischen Legionen: auch Arbeiterwehren (Mobilgarden)
→ bis Herbst Bestandteil des Aufstands
→ auch Hauptträger der blutigen Rache bei der Niederschlagung
Daraus entwickelt sich eine dramatisch unterschiedliche Rezeption des Jahres 1848
die einen betonen den liberalen Charakter, wollen ihre Legitimation zum Ausdruck bringen →
für sie war 1848 die Geburtsstunde des politisch organisierten Proletariats, das zwar
niedergeschlagen wurde, aber wiederkehrt
Sowohl Deutschnationale als auch Sozialdemokraten: Erinnerung an 1848
Ungarn: Budapest: Kaiserlicher Feldherr ermordet
Radikalisierung nimmt dramatische Formen an, dass Habsburgloyale Truppen nicht mehr in
der Lage sind, die Ungarn niederzuschlagen
→ erst 1849 werden sie von den Habsburgloyalen Truppen zusammen mit russischen
Truppen niedergeschlagen
Aus der Zeit: ungarisches Lied: Der Feind kommt immer aus dem Osten
Der ungarische Festkalender liest sich wie eine Reihe von Niederlagen
Wesentlich zu der Niederschlagung trägt Danieloschitz mit seinen Truppen bei
erhöhte Loyalität der Truppen, ihr Hauptfeind waren die Ungarn
Ferdinand der Gütige: Regierungsunfähig
→ Krone geht an seinen achtzehnjährigen Neffen Kaiser Franz Joseph
→ der kann die erste große Krise (Ungarn) mit Hilfe der Russen niederschlagen
Binder (über die Russen, die nach Ungarn kamen): „Das war keine brüderliche Hilfe! Oder,
wie g’sagt, brüderliche Hilfe wie ’56!“
Wie sich der re-etablierte Staat benimmt:
→ Spitzendiplomaten in Ungarn aber fliehen → Türkei, Schweiz, Amerika
im Ausland: politisch relevante Szene für Revolutionäre
politisch verantwortliche werden hingerichtet
einzelne Gruppierungen: Penalzahlungen
Beispiel: Beginn der ungarischen Revolution: März 1848: Mob veranstaltet eine
Pogromstimmung, jüdische Einrichtungen in Budapest werden attackiert
im Zuge der Revolution unterstützt die jüdische Gemeine trotzdem die ungarische
Unabhängigkeit
→ Auflage: Zahlung einer nicht unerheblichen Summe an die kaiserliche Kasse
Nachleben des 19. Jh. aus der Sache der Revolution wird eine rein ungarische, rein deutsche,
rein italienische → dass es unterschiedliche Gruppen waren, wird ignoriert
Die Revolution von 1848, 1849 machte deutlich, dass das Regime der Habsburger die
Revolution überleben konnte, weil die Verwaltung und die Armee intakt blieben
Verfassung von Kremsier: bereits akzeptiert
1851 aber wieder aufgehoben (man kehrt also nach der politisch-materiellen Festigung zum
Absolutismus zurück)
→ trotzdem wird die Modernisierung des Staates vorangetrieben
(Ausbau der Verwaltung, Organisierung des militärischen Bereichs, Systematisierung der
Bildung)
Versuch, mit Militär den Zentralismus sicherzustellen
→ Veränderung der gesellschaftlichen Position der Armee
seit Maria Theresias, Josephs II. Heerreform: Offizier zu sein ist nicht mehr an Adel, sondern
an Ausbildung gebunden
→ Offizierskorps wird bürgerlich
Armee wird zum Ausdruck der Multikulturalität des Staates (wegen der systematischen,
Reichsgebietsumfassenden Rekrutierung)
entscheidend ist die Hinorientierung an den Kaiser
Franz Joseph ist der Kaiser, der bis zu seinem Tod die Uniform trägt → das bringt die
Sonderstellung der Armee zum Ausdruck
Charakteristische Ausnahme: Jagd → da ist er nicht in Militäruniform
Armee: Ausdruck der Gesamtstaatlichkeit
eine ähnliche Rekrutierung führt auch zu einer staatsloyalen Bürokratie
naturgemäß haben nationale Spannungen im weiteren Verlauf sowohl Armee als auch
Bürokratie zugesetzt, beide bleiben aber bis 1918 intakt
Wesentlich für den Neoabsolutismus: Erneuerung des Bündnisses von Thron und Altar
→ Neoabsolutismus nützt das dazu, seine Macht auszubauen
1855: Konkordat (gegen den Willen einiger kaiserlicher Berater) → dominante Stellung der
katholischen Kirche im Staat
damit werden auch Dinge wieder akut, die im Zuge der Demokratisierung Europas im
Rückgang waren
→ Kirche: oberste Instanz für die Ehe
→ Ehegesetzgebung von der Kirche bestimmt
→ Katholiken dürfen nach einer Scheidung nicht wieder heiraten
→ das gilt bis 1938 in Österreich → dann durch die Nationalsozialisten aufgehoben
Konfession polarisiert in den 20ern und 30ern in Österreich
Schulwesen: dem kirchlichen Lehramt unterzuordnen
Kirche versucht, direkten Zugriff auf die Kindererziehung zu haben, zu einer Zeit, in der die
Kirche besonders reaktionär auf ihr Umfeld reagiert → in vielen wissenschaftlichen
Erkenntnissen sieht sie ihr Weltbild gefährdet
Beispiel: Ein naturwissenschaftlicher Rektor auf der Universität hielt eine Inaugurationsrede
über Fragen des Darwinismus, woraufhin die theologische Fakultät aus Protest auszog
Die Kirche legt ihr reaktionäres Verhalten erst 100 Jahre später ab
Noch heute darf in einigen Staaten der USA der Darwinismus in einigen Schulen nicht
unterrichtet werden
die katholische Kirche ist mit einer liberalen Gesellschaft inkompatibel
Nach Einführung einer demokratischen Legitimierung: sofort Konkordat gekündigt
→ völkerrechtlich ist ein völkerrechtlicher Vertrag (wie z.B. ein Konkordat) bei Änderung
eines Vertragspartners kündigbar → Konkordat konnte gekündigt werden, weil sich
inzwischen der Papst für unfehlbar erklärt hatte
zunehmende Diskriminierung der Konfessionen (in 1859 und den 1860ern aufgehoben)
Pluralismus wesentlich zurückhaltender im Hinblick auf die Ethnien innerhalb des Staates
Zentralgewalt: einheitliche Sprache in Verwaltung und Militär, reagiert nur sehr
zurückhaltend auf Selbstdarstellung in nationaler Hinsicht
polnische, tschechische Vorstellungen: Gefährdung ihrer Position
Deutschnationale: Versuch, erworbene Spitzenposition aufrechtzuerhalten (in der staatlichen
Verwaltung, dem Rechtswesen etc.)
Demokratisierung, Rückkehr zur Verfassungsdiskussion erfolgt im Wesentlichen mit
Grundgesetzgebung 1862 und mit dem Ausgleich Österreich-Ungarn 1867; und mit dem
einhergehenden Ausbau der Rechtsstaatlichkeit
begleitend: eine Reihe von Kriegen im italienischen Raum und die Auseinandersetzung um
die Vormachtstellung innerhalb des deutschen Raumes mit Preußen
1866: Schlacht bei Königgrätz → im Sinne des Bismarck’schen Preußentums entschieden
Diese Schlacht bei Königgrätz fließt in das Geschichtsbewusstsein der Deutschnationalen ein
→ als Bruderkrieg dargestellt, pathetisch: „Kampf Deutscher gegen Deutsche“
aber: steirische Regimenter: stark slowenischer Anteil
Zusatzlektüre (Liste im Sekretariat)
Jörg Fisch, Europa zwischen Wachstum und Gleichheit. 1850-1914. Stuttgart 2002
Eric Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. DTV, 1996
Lonnie R. Johnson, Central Europe. New York, 1996
2 Bände von Plaschka:
1. Band: Plaschka/Haselsteiner/Trabek: Mitteleuropa. Idee, Wissenschaft, Kultur im 19. und
20. Jh. (erschienen 1997)
2. Band: R. Plaschka, Mittelalter-Konzeptionen in der ersten Hälfte des 20. Jh.
Jacques Le Rider: Mitteleuropa. Auf den Spuren eines Begriffes. Wien, 1994
Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa.
Theodor Schieder, Staatensystem als Vormacht der Welt. 1848-1918
Zoran Konstantinovič und Fridrun Rinner: Eine Literaturgeschichte Mitteleuropas. Innsbruck
2003
10. November 2004
Staaten in der 2. Hälfte des 19. Jh. im Hinblick auf ihre außen- und innenpolitische
Entwicklung:
Österreich: Herrscherfigur wird zum Symbol für einen Zeitraum
→ viel stärker, als er eigentlich prägende Kraft war
→ schon Anfang des 20. Jh. liefen Dinge an ihm eigentlich vorbei
Österreich (das von den Habsburgern beherrschte Gebiet) ist durch die Revolution von
1848/49 in vielerlei Hinsicht extrem geschwächt worden
→ keine Basisverbreiterung der politisch herrschenden Schicht, sondern schmales Segment
für dieses schmale Segment: mehrfache Bedrohung: Das Reich droht auseinander zu brechen
(Oberitalien, Ungarn)
letztlich gelingt es der herrschenden Schicht, 1848/49 ohne Gebietsverluste zu überstehen,
aber dafür muss der Staat einen Preis in Kauf nehmen
Italien: nach der blutigen Niederschlagung sind die Habsburger das Sinnbild für die
Verhinderung der italienischen Einheit
→ das Feindbild Nummer 1
→ durch dieses Feindbild lassen sich die Italiener gut mobilisieren
Russisches Korps zur Niederwerfung in Ungarn
→ Österreich ist mit dem reaktionärsten Staat Europas engstens verbunden
→ Russland erwartet sich habsburgische Hilfe
die Durchsetzung des Neoabsolutismus bringt einen gewaltigen Schaden
Österreich unterstreicht seine schwarze Legende als reaktionärer, antiliberaler Staat
→ das schadet Österreich in Europa und innerhalb des deutschsprachigen Raums
Deutsche Einheitsbewegung: ihr liberales Segment kann Österreich nicht mehr akzeptieren,
setzt in der deutschen Einigung nicht mehr auf Wien, sondern auf Berlin
Österreich ist für sie ein tyrannischer, reaktionärer Staat
Österreich nimmt seinen Machtverlust nicht wahr:
1. Die Macht ist wiederhergestellt
2. Der Vertrag mit Preußen (die Erfurter Union) wurde rückgängig gemacht
→ der alte Deutsche Bund war wiederhergestellt
Die Donaumonarchie war ab 1851 wieder Bestandteil des Deutschen Bundes
→ es ist lediglich die Restauration, man kann nicht mehr konstruktiv beitragen
→ Österreich ist nicht mehr Bestandteil des Zollvereins
→ mit der Stärkung des Zollvereins entsteht eine neue Stärkung der Grenzziehung und der
kleindeutschen Lösung
→ die sucht sich vor Österreich durch Schutzzölle zu sichern
Agrarindustrieller Staat → Warenverkehr im Wesentlichen durch den Binnenhandel gesichert,
Außenhandel spielt kaum eine Rolle
Damit hatte Österreich in wirtschaftlicher Hinsicht den Führungsanspruch schon vor 1866
verloren
1866: Königgrätz: politisches Aus der österreichischen Interessen innerhalb des Bundes →
Königgrätz ist nur mehr Konsequenz dessen
Österreich hat sich mit dem Frieden von Prag zur Gänze aus Deutschland zurückgezogen
Andererseits: Für Österreich ist es auch im Hinblick auf Italien eine entscheidende Niederlage
→ Österreich ist seit 1866 zu schwach, in West- oder Mitteleuropa Einfluss zu nehmen
1859: vernichtende Niederlage in Italien, Österreich kann noch Venetien halten
1866: einige Siege, aber wegen der Niederlage im Norden muss Österreich auf Italien
verzichten
Schlacht bei Lissa: einzig wirklich erfolgreiche Schlacht Österreichs → trotzdem sinnlos
Damit ist der Einfluss Österreichs im italienischen Raum fast beseitigt
Österreich behält nur Trentino, Istrien, die Landeseinheit von Tirol
mit der Ausgrenzung gegenüber West- und Südeuropa wird Österreich auf den
südosteuropäischen Raum verwiesen
Österreich setzt einige Signale, die Russland zutiefst verunsichern, und erkennen lassen, dass
Dankbarkeit nicht unbedingt eine politische Kategorie ist
1856: Krimkrieg: Russland erwartet von Österreich zumindest eine wohlwollende Neutralität
aber Österreich will die Schwächung Russlands im Krimkrieg nutzen, um die eigene Position
zu stärken
→ Österreich ließ im Osten Truppen aufmarschieren, damit waren die russischen Truppen an
der Westgrenze gebannt
→ Russland fühlte sich in einer Zangenbewegung
Reaktion Russlands: Annäherung an Frankreich und Großbritannien
diese ersten Kontakte Russland – England – Frankreich laufen auf die Blockbildung hinaus,
wie wir sie im ersten Weltkrieg kennen
Österreich: Krimkrieg: Anspruch auf Kontrolle der Donaufürstentümer
1870: Chance auf Revanche gegen Preußen (auf ein Bündnis mit Frankreich)
→ abgelehnt
→ das mag an der Gegnerschaft zur französischen Politik, die Kaiser Maximilian nach
Mexiko brachte, wo er starb, liegen
→ Frankreich wird für Maximilians Tod verantwortlich gemacht
Österreichische Geschichtsschreibung der ersten Hälfte des 20. Jh.: Ideen wie
„Bruderkrieg“ 1866
→ Vorstellung, es gäbe so etwas wie eine Nation → Österreich und Deutschland seien
naturgemäß verbündet
Österreich sieht sich lediglich ab 1866 nicht mehr in der Lage, in direkte Konkurrenz mit
Berlin zu treten
Die Expansion Richtung Südosten musste naturgemäß den Konflikt mit Russland provozieren,
das zunehmend von slawischen Kreisen und von sich selbst als panslawistische Schutzmacht
verstanden wird
Zu diesem Zeitpunkt sind die slawischen Kräfte innerhalb der habsburgischen Monarchie
keine Vertreter des Panslawismus
Diese Konfliktstellung am Balkan zwischen Österreich und Russland wird wohlwollend von
Ungarn zur Kenntnis genommen
wegen 1848/49 → Ungarn fördert die Politik dieser Konfrontation
in der Balkankrise 1875-1878 versucht Österreich, wie im Krimkrieg vom RussischTürkischen Krieg zu profitieren und nahm russische Gebiete als Entschädigung für
Gebietsverluste; diese Gebiete galten formal als Bestandteil des Türkischen Reichs, wurden
aber von Österreich verwaltet
→ das kühlte die russischen Sympathien für Österreich weiter ab
Vehement wird von Österreich ein Bündnis mit dem Deutschen Kaiserreich vorangetrieben
→ damit ist die Annäherung von Österreich und Deutschland vollzogen
→ eindeutig antirussische Position
Frankreich goutiert dieses Bündnis aber nicht
→ Annäherung des liberalen Frankreich mit dem reaktionären Russland
Diese Positionierung Österreich-Deutschland wird durch Hineinnehmen Italiens in den
Dreibund neutralisiert, so dass sich Österreich voll auf den Balkan konzentrieren kann
Revolutionsversuche 1905
Schwächung des Osmanischen Reiches 1908
→ genützt, um verwaltetes Bosnien-Herzegowina endgültig zu annektieren
damit stieg der slawische Anteil der Bevölkerung Österreich-Ungarns drastisch an
→ Bosnien-Herzegowina: direkte Verwaltung durch Wien
Position am Balkan stabilisiert: ab 1878 wird Serbien unter Kontrolle gehalten durch intensive
Kontakte zum serbischen Monarchen → Serbien ist damit ein Puffer
1903: Staatsstreich in Serbien → Habsburgfeindliche Dynastie kommt an die Macht
Serbien: Träger einer südslawischen Agitation, wo man seit 1878 expansiv und selbstbewusst
Politik gemacht hat
Österreich verstand sich am Balkan als die Großmacht schlechthin, verlor aber seine
Großmachtstellung, weil es keine Großmachtposition auf internationaler Ebene hatte
→ Österreich ist nicht in der Lage, ein so großes Heer auf die Beine zu stellen, das der Größe
des Reiches entspräche
trotz Einführung der allgemeinen Wehrpflicht:
Frankreich: 0,78 % (?)
Österreich: 0,29 %
der Bevölkerung unter Waffen
Die Militärausgaben sanken von den 1850ern (über 50%) bis 1866 auf (?) Prozent, auf 24%
im Jahr 1870 und auf 15,4 % im Jahr 1910
allein aufgrund der wirtschaftlichen Faktoren: Das Heer, das hohes soziales Prestige hatte,
verlor innerhalb des Staatsbaues extrem an Bedeutung
Verständlich → Als Einflussgebiet hatte Österreich nur noch den Balkan im Auge, an
Konfrontation im Westen und Osten dachte man nicht wirklich
Die Modernisierung der Gesellschaft ist nicht nur Sache der Politik, sondern weist auch einen
sozialen Aspekt auf
1880-1910: deutliches Bevölkerungswachstum
1880-1910: deutlicher Rückgang der deutschsprachigen Bevölkerung von 26% auf 24%
Magyaren: von 17% auf 20%
Ungarn: Magyarisierungspolitik → Leute beginnen, sich als Ungarn zu deklarieren
Tschechischer Anteil bleibt gleich bei 13%
der slowakische Anteil fällt von 5% auf 4%
→ Deutsche Dominanz in der österreichischen Reichshälfte in Frage gestellt
Diese Nationalitäten sind aber nicht unbedingt ein Faktor der Destabilisierung der Monarchie
gängige Darstellung: Nationalitätenhader destabilisierte Monarchie → wirtschaftlicher und
sozialer Aspekt ignoriert
Österreich-Ungarn schafft zwischen 1870 und 1914 nicht die Wende zum Industriestaat,
sondern bleibt im agrarischen Bereich stecken
zwar gibt es dadurch einen sicheren, konkurrenzlosen Binnenmarkt
aber weil es keine Konkurrenz gab: nach 1918, 1919: politische Krise wird permanente
wirtschaftliche Krise des mitteleuropäischen Raums
in einigen Bereichen ist die Industrie international konkurrenzfähig, aber dort, wo man nicht
exportieren will (Waffen)
→ Beschränkt auf spezielle Wirtschaftsräume
Böhmen → nach 1918: alle Lokomotivfabriken sind in der Tschechoslowakei
Österreich gelingt die Modernisierung mit Zentralisierung, wobei sie nicht die Stabilität
erhöht, sondern wenig Handlungsspielraum lässt gegenüber den unterschiedlichen Nationen
und ihrer Interessen
Frage des Deutschtums: Germanisierungsdruck
Zugehörigkeit zum Deutschtum wird automatisch mit Bildung gleichgesetzt, mit
Positionierung in der Verwaltung, mit sozialem Aufstieg
→ Attraktivität
Bildung wird, abgesehen von Böhmen, ausschließlich deutsch gedacht
Deutschsprachige Bildungseinrichtung
Mittelschulen, Hochschulen, Universitäten
→ erzeugt automatisch einen Druck, sich hin zum Deutschtum zu bekennen
Deutschtum wird mit Aufklärung gleichgesetzt
jüdisches assimilationsbereites Milieu: Jüdisches Prager Bürgertum: dem gegenüber
war der radikale Deutschnationalismus mit dem Antisemitismus sehr zurückhaltend, weil das
den Deutschnationalismus geschwächt hätte
Germanisierungsdruck durch Sprachzwang etc. charakteristisch → Assimilierungsdruck
Beispiel: Wörthersee: Pörtschach ist bis 1877 (?) ausschließlich slowenischsprachig
erst durch die Entdeckung als Erholungsgebiet gibt es Zuzug
10, 15 (?) Jahre später: Zugewanderte (Minorität) sagen, es sei unerträglich, dass ihre Kinder
nur einen slowenischsprachigen Unterricht besuchen können
→ das deutsche Pörtschach brauche eine deutsche Schule
→ aus dem slowenischen Pörtschach wird ein deutsches Pörtschach
Einem solchen Druck sind natürlich Kleingruppen stärker ausgesetzt als große
Slowaken: Magyarisierungsdruck stärker als der Germanisierungsdruck auf die Tschechen
Südsteiermark: angeblich waren die Städte deutsch, das Umland slowenisch → stimmt nicht,
auch die Städte waren slowenisch
in Laibach stimmt’s sowieso nicht (aber Laibach ist nicht mehr Südsteiermark)
je mehr Zuzug, desto größer ist die Assimilierungsbereitschaft und der Assimilierungsdruck
Die Tschechen verschwinden aus dem Sprach- und Nationsbewusstsein in Wien
bis 1915 (1914?)einer Sprachgruppe zugeordnet
→ Es wird nicht die Zweisprachigkeit gefördert, sondern es ist ein Versuch, Sprachgruppen
festzuschreiben
→ nicht mehr mobiles Szenario, sondern Versuch, Szenario festzuschreiben
Sonderrolle der Magyaren: innerhalb des Königreichs Ungarn konnten sie die staatstragende
Oberschicht verfestigen
Namen: Beispiel: Liste der berühmtesten ungarischen Fußballnationalspieler → Namen, unter
denen die Spieler bekannt wurden und Namen der Generation davor → Auflistung zeigt die
Namensänderung
Vorenthalten blieb die Selbstorganisationsmöglichkeit den slawischen Gruppierungen der
Monarchie (Tschechen, Slowenen, Kroaten)
Dennoch gelingt dem direkten Zugriff (z.B. Militär) weitgehende Stabilität
Kritik: kleine politische Zirkel; wird übertragen vor allem im städtischen Raum, im Raum von
Marktgemeinden → erreicht kaum die Dörfer
Mobilisierung in nationaler Hinsicht kann man schon an der Verbreitung der Turnvereine
sehen → wo es keine Turnvereine gibt, dort gibt es auch keine nationale Agitation
Ausbleiben der nationalen Spaltung in der Armee: nur für Berufsoffiziere
Allgemeine Wehrpflicht: Typus des Reserveoffiziers
→ ungeheurer Vorteil: als Maturant: nicht 3 Jahre, sondern 1 Jahr
→ dann weitere Dienstleistungen in Form von Waffenübungen
Appeal für Männer des aufsteigenden Bürgertums → um den sozialen Aufstieg zu
dokumentieren
der Dienst in der Armee ist finanziell völlig unattraktiv
aktive Offiziere: untere Ränge: wegen vieler Zwänge kann man vom Gehalt nicht leben und
ist auf Zuschüsse vom Elternhaus angewiesen bzw. auf „Kaution“ der Braut
Reserveoffiziere: Sold spielt keine Rolle
Einjähriger: muss für Unterkunft und Verpflegung selbst sorgen
Auch Uniform auf eigene Kosten
Einjährige bei Kavallerie: müssen ihr Pferd selbst stellen
→ Militär optisch stets präsent: Uniform
→ weithin sichtbar, aber der Staat ist nicht einmal an der Uniform beteiligt
Trotzdem ist es für Akademiker selbstverständlich, ein Jahr zu dienen und Reserveoffizier zu
werden
Aufstrebendes Kleinbürgertum: Einstieg in die alte Elite, deren Gepflogenheiten man in
skurriler Form übernimmt
vor 1870 wird in Österreich ein Bruchteil der Duelle gefochten, die nachher gefochten werden
→ Sitte der Duelle: von Offizier/Akademiker übernommen
Literatur Ironisierung der Imitation des alten Lebensstils
Reserveoffiziere bringen Nationalitätendiskussion in das Offizierskorps
prägend: Anspruch auf das Reich des Kaisers und Fahneneid
Sozialdemokraten und Christlichsoziale: anfangs gesamtstaatlicher Anspruch
→ Parzellierung der österreichischen Sozialdemokratie in der österreichischen Reichshälfte in
die österreichische (deutsche) Sozialdemokratie
von Deklassierung bedrohte Kleinbürger: durch Nationales mobilisiert, nicht nur
Christlichsoziale
→ definieren sich auch als Deutsche, Slowenen, Slowaken
nach verfassungsmäßiger Stabilisierung und Grundgesetzgebung, Stagnation einer
Nationalitätengerechten Politik, wird die nationale Agitation stärker, aber der Gesamtstaat
wird nicht in Frage gestellt → es geht nur um Verwirklichung im Staat
Franz Ferdinand: will Gleichbehandlung der Slawen → wird als Hoffnungsträger
wahrgenommen, aber Deutschsprachige sehen ihn als Feindbild
Bruno Brehm: Franz-Ferdinand-Bild schwarz, prägt sein Bild der Zwischenkriegszeit
Aber auch die slawischen Gruppierungen, die gegen den Gesamtstaat sind, sind gegen Franz
Ferdinand
→ serbische Verschwörer 1914
17. 11. 2004
Situation der Monarchie in der österreichischen Reichshälfte: die österreichische Reichshälfte
hat 1867 de facto eine Gesetzgebung entwickelt: Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; aber
es ist nicht gelungen, im Zug des Gleichheitsprinzips eine höhere Identität mit dem Staat
herbeizuführen
wegen unterschiedlicher politischer Positionen kam es zu keiner Integration
→ die Zweisprachigkeit schritt, abgesehen von einigen extrem gemischten Regionen, nicht
voran
→ verfestigte Situation
extrem gemischte Gebiete: Mähren, Bukowina, Galizien: Zusatzregelung zur Erhöhung der
Integration
Bukowina: in Ansätzen geglückt
Galizien: nicht mehr geglückt
im Prinzip zeichneten die Nationalitätenspannungen bereits das Ende 1918/19 ab
→ das Auseinanderfallen war in der Bevölkerung selbst bereits in ihrer Mentalität
vorweggenommen
dieses emotionale Vorwegnehmen erleichterte 1919 die neuen Staatsbildungen; selbst dort,
wo man sich als absoluter Verlierer des Friedensvertrages fühlte (Deutsch-Österreich)
akzeptierte man weitestgehend die Grenzziehung (Ausnahme: Südtirol → Verlust von
Südtirol wurde bis in die 1960er nicht akzeptiert)
Unterschied zur ungarischen Reichshälfte: Selbstverständnis des Königreichs Ungarn: nach
1867 strikte zentralistische Politik, auf der anderen Seite konnte man im Wesentlichen
nationale Konflikte unterbinden
Ursachen: Unterschiede: in Deutsch-Österreich gab es nach 1867 keine
Germanisierungspolitik → der deutschsprachige Anteil der Bevölkerung ging stark zurück
Ungarn: Tendenz, die Magyarisierung voranzutreiben
Magyarisierung: z.B. Veränderung des Namens
zwischen 1800 und 1914: ein- und derselbe Name wurde zuerst germanisiert, dann
magyarisiert
Ungarn blieb von diesen Konflikten weitestgehend verschont → Ungarn gelang es, den
Mythos des Königreichs Ungarn aufrecht zu erhalten
Vergleich zwischen dem Königreich Ungarn und Ungarn nach Trianon: tiefe Wunde
jetzt: Diskussion: Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft von ungarischen
Minderheiten in den Nachbarstaaten Ungarns
→ nicht Spezifikum einer einzelnen politischen Richtung, sondern grundsätzliches
Selbstverständnis der ungarischen Politik
seit 1867: Zentralismus verhinderte eine Paralysierung des Königreichs Ungarns → trieb die
Nationswerdung so voran, dass man sich ausschließlich innerhalb der Grenzen sah, dass man
keine Unterschiede innerhalb der Grenzen machte
→ man war nicht auf die Zerstückelung vorbereitet, sah Trianon als eine Demütigung
→ Ungarn wurde zum harten Kern der revisionistischen Politik in Mitteleuropa
→ im Gegensatz zu allen anderen Staaten der Region
→ versuchte Revision der Grenzziehung
→ faschistisches Italien: auch revisionistisch
Österreich: litt unter der Abtrennung Südtirols, empfand die Regelung bezüglich Kärnten als
gerecht, trauerte um die Untersteiermark
→ aber das ging nicht tiefer
spannend: Der Gewinn des Burgenlands wurde in Österreich in der Emotion und der
politischen Wirklichkeit nicht wirklich zur Kenntnis genommen
er war mit den historischen Grenzen nicht erklärbar, auch mit der Sprache nicht
das Burgenland machte die Verluste in Südtirol und Kärnten wett, das wurde aber nicht zur
Kenntnis genommen
In Ungarn hingegen wurde der Verlust Westungarns (= Burgenland) als besonders
demütigend empfunden, weil Österreich und Ungarn Kriegspartner gewesen waren, war es für
Ungarn besonders absurd, jetzt etwas an den Kriegspartner zu verlieren
Sudetengebiete: spielten in Österreich in der Innenpolitik der 2. Republik kaum eine Rolle,
daher empfanden die vertriebenen Sudetendeutschen immer die Bundesrepublik Deutschland
als Schutzmacht, nicht die Republik Österreich
weiterer Bereich: in Österreich-Ungarn entwickelte sich eine ganz charakteristische
Mischform mit einem hohen agrarischen Anteil (70% im Jahr 1869 (?)) und einem auf die
Ballungszentren konzentrierten industriellen Anteil
→ agrarisch-industrieller Staat; in Bezug auf die österreichische Reichshälfte hatte er ein
Problem mit dem Ausbau der Verkehrswege
es gab ein dichtes Schienennetz in der ungarischen Reichshälfte
→ das hängt wohl auch damit zusammen, dass aufgrund der geographischen Situation der
Eisenbahnbau in der ungarischen Reichshälfte wesentlich billiger war
schwierige Eisenbahnführung in der österreichischen Reichshälfte → zeigt, wie heterogen
dieses Land ist
Frage des Zugangs zum Meer: Es gab nur 2 große Hochseehäfen an der Adria
aber die Industrialisierung schritt in der österreichischen Reichshälfte deutlich voran: 1910
waren nur noch 53 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig → Österreich hatte
aufgeholt, aber mit einer enormen Verspätung → in Deutschland hatte es dieses
Zahlenverhältnis bereits 50 Jahre früher gegeben
Dieser Annäherungsprozess, dieser Integrationsprozess bedeutete auch, dass man von den
internationalen Konjunkturzyklen zunehmend erfasst wurde
in der österreichischen Reichshälfte war der große Börsenkrach von 1873 verheerend → er
vernichtete enorm viel Geld → damit war der Liberalismus, nicht nur als Wirtschaftsform,
sondern auch als politische Haltung, diskreditiert
in dieser Phase der Formierung der politischen Kräfte konnte sich der Liberalismus als
politische Kraft nicht halten, in Österreich und auch in Ungarn gab es keine nennenswerte
liberale politische Kraft mehr, auch nach dem 1. Weltkrieg nicht
Zwar behauptete keine Partei in Österreich in den 70ern, sie sei nicht liberal, dennoch gab und
gibt es keine Chance für eine über den Liberalismus definierte Partei
Liberales Forum: kurzes Zwischenspiel; das Liberale Forum definierte sich als liberal, weil es
personelles Potential hatte, das in der FPÖ keinen Platz mehr hatte
spannend: politische Mobilisierung der Gesellschaft
wobei in der österreichischen Reichshälfte zu beachten ist, dass die Klassenzugehörigkeit
auch sehr stark über die Nationszugehörigkeit definierbar war
quantitativer Zugang: Wahlreform 1905/07: Wählerstimmen waren von da an national
zuordenbar
die soziale Differenzierung in der Gesellschaft wies eine deutliche nationale Differenzierung
auf, schön zu beobachten am Schmelztiegel Wien
In Wien gab es eine ausgeprägte tschechische Arbeiterkultur, die sozialdemokratisch
organisiert war → Selbstdefinition über Nationales, Klassendefinition über das
Sozialdemokratische
es gab nichts vergleichbares im kleinbürgerlichen Milieu
→ weil es entweder in die Arbeiterklasse absank, oder mit dem Aufstieg ins Bürgertum die
nationale Selbstdefinition verlor
Das Milieu, das bis in die 1870er noch bezüglich Besitzstand dominierte (die alten
Aristokraten), waren weitgehend aus dem politischen Prozess ausgeschlossen → eher ein
supranationales Milieu, in dem Nationalitäten keine Rolle spielten
1918/19: waren die Aristokraten gezwungen, sich in den Nachfolgestaaten eindeutig zu
definieren → die Entscheidung für/gegen eine Nation fiel nur zur Sicherung der Besitzstände
→ es gab innerfamiliäre Absprachen, einzelne Familienmitglieder votierten für verschiedene
Nationalitäten
nach 1920: es gibt keine Informationen über Staatsilloyalität dieses Milieus, auch dort nicht,
wo die Staatsform anti-adelig war (republikanisch)
dieses Milieu war insgesamt in seiner politischen Bedeutung angesichts des allgemeinen,
gleichen Wahlrechts im Rücklauf
manche Adelige profilierten sich in politischen Parteien, wurden von ihren Standesgenossen
deswegen verspottet
der soziale Aufstieg ist in einer wirtschaftlich prosperierenden Gesellschaft über Teilhabe an
der Modernisierung möglich (wirtschaftlicher Aufschwung), auch über Bildung
Bildung war als Basis für sozialen Aufstieg eindeutig in der österreichischen Reichshälfte
stärker ausgeprägt, das hing von einem funktionierenden, breiten Schulwesen ab
über dieses Schulwesen, die Möglichkeit zum Hochschulzugang, entstand ein
Bildungsbürgertum, das in ökonomischer Hinsicht eine sehr labile, schmale Basis besaß
eine Basis, die man dann noch unterhöhlte, weil man sich dem Kriegspatriotismus nicht
entziehen konnte und sein Kapital als Kriegsanleihe anlegte
→ Ende des 1. Weltkrieges: nicht nur Niederlage, auch ökonomische Krise und
Deklassierungsangst → war wesentliches Hilfsmittel für die politische Agitation der
Christlichsozialen, bot auch den Nationalsozialisten eine Aufstiegshilfe
Fußnote zum Bildungsbürgertum: es gab staatliche und private Maßnahmen, um Leuten aus
einem nicht bemittelten Elternhaus den Zugang zum Studium zu ermöglichen
→ Stipendium, Erlass von Studiengebühren
→ aber nicht in einem demokratisch reglementierten Zugangsprozess, sondern über
Stiftungen, die nicht nur nach Leistungen aussuchen konnten
Außerdem: der Weg zur Universität war eine extreme Ausnahme (gemessen an heute)
die Gesellschaft hatte auch einen sehr geringen Grad an Akademisierung, vielfach wurden
Positionen, die heute selbstverständlich von Akademikern eingenommen werden, von
Nichtmaturanten eingenommen
früher waren nicht einmal in der Stadtverwaltung Akademiker
Leoben: alle Studenten unterschiedlicher Fakultäten und Standorte kannten sich
andere Regionen Mitteleuropas: Phänomen Italiens: Königreich Italien: nicht so sehr
Bestandteil von Mitteleuropa
Aber: Oberitalien nahm noch Einfluss auf den mitteleuropäischen Raum
Frage, ob man die Nationswerdung des Königreichs Italien als Nationswerdung sieht, oder als
Zusammenschluss gleichberechtigter Partner, oder als Eroberungspolitik
Der Anspruch, aufgrund der Geographie und Sprache ein einheitliches Italien zu suchen, stieß
auf den Widerstand alter Eliten
der Vereinheitlichungsprozess wurde unter nationalen Gesichtspunkten geführt;
Modernisierung, wirtschaftlicher Aufschwung, liberales Gedankengut wurden gefordert
→ Konflikt mit den alten Eliten
Einverleibung des Kirchenstaates: Konflikt
der Papst war geistliches und weltliches Oberhaupt im Kirchenstaat
der Kirchenstaat wurde 1870 in das Königreich Italien integriert
der Papst als weltliches Oberhaupt des Kirchenstaates reagierte darauf mit dem kirchlichen
Aspekt
der Papst
- sagt, dass alle Auseinandersetzungen des Staates durch Machtverlust bedingt sind
- definiert die Einigung Italiens als Liberalismus
→ alles Liberale wird von der Kirche dämonisiert
Dämonisierung: nicht nur als radikale Ablehnung, sondern durchaus wörtlich zu sehen
→ der Teufel wurde auch personalisiert
→ wesentliche Teile der Bürgerlich-Nationalen waren Freimaurer → Dämonisierung
→ kirchliche Verurteilungen, die den Teufel an die Wand malten
Leo Taxil (ein französischer Journalist): schrieb Bücher, in denen der Teufel bei Freimaurern
auftaucht und dort Klavier spielt
Deutsches Milieu: Klerus: Der will sich über uns lustig machen
Italien, Frankreich: Klerus begeistert
die politisch-intellektuell rückschrittliche Kirche dämonisierte allen Liberalismus
man definierte auch die Schaffung eines Deutschen Kaiserreiches unter protestantischer
Führung als Akt der Liberalisierung der Gesellschaft der Welt, als Akt des Bösen
Bismarck: seinerseits Ansatz, den Katholizismus zu dämonisieren
Solidarität des mitteleuropäischen Katholizismus mit dem Papst, der seinen Staat verloren
hatte
die Formierung der christlichsozialen politischen Bewegung förderte in antiklerikalen (vor
allem in nationalen) Milieus die Sorge, dass ein Katholik automatisch ein Feind des
Nationalen sei → sondern dass er einer supranationalen Macht angehöre, dass sein Chef im
Vatikan sei
→ klerikaler, vaterlandsloser Geselle
→ unterschiedliche Reaktionen: Denunziation, Ausgrenzung
→ auf der anderen Seite: massiver Einstieg Geistlicher in den Nationalismus (z.B.
deutschnationale Geistlichkeit)
→ werden zum Teil sogar führend in der nationalen Bewegung (als Intellektuelle)
der protestantische Nationalismus hatte das Feindbild des Jesuiten
→ die Jesuitenniederlassungen in der Schweiz wurden geschlossen
→ Abwanderung der Jesuiten: Stella: in Vorarlberg
die Nationalsozialisten, aber auch schon Nationale im 1. Weltkrieg, sahen den Jesuiten als
Internationalisten, als religiöses Ebenbild des internationalen Freimaurers
es gab Religiöse, die bis in den ersten Weltkrieg darüber nachdachten, wie man den Papst
über den Verlust des Kirchenstaates hinwegtrösten könne, wie man erreichen könne, dass der
Papst wieder weltliche Macht hat
→ es gab die Diskussion, das Fürstentum Liechtenstein den Liechtensteinern abzukaufen und
dem Papst zu geben
→ die Liechtensteiner lehnten ab, mit der Begründung, es sei leichter, die Tochter des Hauses
zu verheiraten, wenn man regiere
Italien: die Wirtschaft wurde agrarisch dominiert, mit einem deutlichen Überhang des
Großgrundbesitzes: die Industrialisierung ergriff im Wesentlichen nur den Norden, setzte sich
im Norden durch, der sich in der Besitzstruktur vom mittleren und südlichen Italien
unterschied
mit dem Wegfall der Zollgrenzen in Italien kam es zu einer Pauperisierung des Südens, da es
keine Schutzzölle mehr gab
→ daher kam es zu einem weiteren Kapitalabfluss aus dieser Region, das Kapital floss in den
Norden
→ die Schaffung einer modernen Infrastruktur wurde forciert
das Eisenbahnwesen funktionierte im Norden, wurde im Süden immer dünner
Schaffung des einheitlichen Königreichs, Industrialisierung: kein wirtschaftlicher
Aufschwung für das ganze Land → nur für den Norden
→ die Kluft zwischen dem Norden und dem Süden wurde vergrößert
Modernisierung: eine Modernisierung der Industrie, keine soziale Modernisierung → eine
soziale Modernisierung wäre im Süden nur über eine Bodenreform möglich gewesen
→ jede neu auftretende politische Bewegung vermittelte im Süden, dass mit ihr die
Bodenreform käme → auch der Faschismus vermittelte das
auf der anderen Seite gelang es, im Norden des Apennin in kurzer Zeit eine ungeheure
wirtschaftliche Dynamik zu entwickeln
→ 64% der Bevölkerung waren dann im industriellen Bereich tätig, es gab eine deutliche
Einkommenssteigerung
diese Industrialisierung des Nordens wirkte sich nicht nur auf den industriellen, sondern auch
auf den agrarischen Bereich aus
→ auch im Süden gab es Modernisierung, aber wirklich profitieren von der Modernisierung
tat der Norden
Norden: 1,5 Tonnen Weizen wurden pro Hektar geerntet
Süden: weniger als 600 Kilogramm pro Hektar
durch eine entsprechende Zollpolitik sollte der nationale Wirtschaftsraum gestärkt werden,
aber der Aufschwung des Nordens war so attraktiv, dass es auch zu ausländischen
Kapitalinvestitionen kam
die Polarisierung Norden-Süden wirkte sich auf die Gesellschaft aus, die eine große
Ähnlichkeit mit der österreichischen Reichshälfte besaß
die alte Aristokratie sah das neue Königreich als Parvenuehaft, weil sie keine politische
Teilhabe hatte
→ Roman: „Der Leopard“
→ man hatte mit dem neuen Königshaus nichts am Hut, die alte Aristokratie zog sich zurück
wesentlicher Bestandteil: die Bourgeoisie, vor allem die Großbourgeoisie, die wirtschaftlichen
Träger → stand im Vordergrund
diese schmale Oberschicht dominierte absolut die Politik, während sich die Masse der
Bevölkerung, an Klasseninteressen interessiert, im Norden rasch strukturieren konnte, im
Süden diesbezüglich weit zurückhing
Österreich: die Sozialreformer konzentrierten sich auf das Industrieproletariat
in Italien wurde auch das ländliche Milieu stark eingebunden
der Katholizismus als politisches Instrumentarium prägte den Mittelstand
→ hier spielte die emotionale Belastung des Verhältnisses zwischen dem Königreich Italien
und dem Papst durchaus eine Rolle
→ das hatte Auswirkungen auf die Zwischenkriegszeit
1929 gab es einen offiziellen Friedensschluss zwischen Mussolini und dem Papsttum, indem
es zu einem Konkordat kam
→ für das katholische Milieu in Mitteleuropa war damit der Faschismus akzeptabel
→ ähnlich in Österreich (Austrofaschismus) und in Deutschland („Konkordatsnazi“)
24. 11. 2004
Nächste Woche: Vorlesung entfällt
Bahnkarten: Vorteil von Metropolen
→ Wien, Prag
→ alle Linien sind auf Metropolen konzentriert
Nachfolgestaaten: rudimentäre Bahnverbindungen
letzte Jahrzehnte: nicht mehr Eisenbahnen, sondern manche werden sogar stillgelegt
Grenzgebiete: Waldbahnen als Behelfsbahnen (fuhren 18-19 km/h)
letzte Stunde: Stefan Viros (?): Studie über kollektive Sicherheitspolitik vom 19. Jh. bis hin
zum 1. Weltkrieg
kollektive Sicherheitspolitik ist de facto vom Wiener Kongress bis zum Vorabend des
1. Weltkriegs das interessante Mittel der Außenpolitik
und es ist deutlich zu beobachten, wie nach 1900 mit Amerika und Japan zwei
außereuropäische Mächte sich in dieses System einbringen und deutlich machen, dass die
Europazentrierung überwunden ist, und dass außereuropäische Mitspieler auf den Plan treten
die italienische Einigung ist im Wesentlichen im Gleichklang mit der europäischen Politik
erreicht worden, ein Gleichklang, der mit unterschiedlichen Mächtekoalitionen erzielt wurde,
indem das werdende Italien als schwächerer Partner eingebunden wurde
die Staatswerdung zum Großstaat war nicht in Kontroverse zu den Großmächten, für sie keine
politische Bedrohung und Kampfansage
Deutsche Einigung 1866; 1870, 71: 2 Waffengänge
→ Konfrontation mit Österreich (1866)
→ 1870, 71: Konfrontation mit Frankreich
die Deutsche Großstaatswerdung wurde in dieser Konfrontation weitergeführt
→ aggressive, kriegerische Staatswerdung
→ mit Skepsis betrachtet
Preußen hat die Großstaatswerdung aus eigener Kraft zustande gebracht, Italien war auf
Großmächte angewiesen
1871: im Spiegelsaal von Versailles (französischer Symbolort) wurde das Deutsche Königtum
ausgerufen
→ damit ist jede Reichsgründungsfeier ein Erinnern an die französische Niederlage
→ die Proklamation wird zu einem demonstrativen kriegerischen Akt nach der Niederlage
Frankreichs
Fürstentum Serbien: innerhalb des Osmanischen Reiches, dann gegen Osmanisches Reich
emanzipiert
→ weitgehend unabhängig von Pforte (ab 1830)
1867: letzte türkische Truppen ziehen aus Serbien ab
→ innerhalb weniger Jahre beseitigen die Serben die letzten Überreste der osmanischen
Herrschaft
damit hatte Serbien eine Pionierrolle im Aufbrechen der osmanischen Herrschaft am Balkan
auf der einen Seite war die Loslösung von der osmanischen Herrschaft geprägt von der
Hinbewegung zum russischen Protektorat
zum Zweiten ist Serbien gleichsam eine Lokomotive des Nationalismus im Südosten, im
südslawischen Raum, wobei allerdings dieser Anspruch, Führungsmacht der südslawischen
Nationen zu sein, konturiert ist
→ einerseits war Serbien nie sozial homogen
Anspruch erhebt man immer nur auf kroatische Gruppierungen (südslawisch) und teils im
slowenischen Bereich
Hinwendung zu Bulgarien: nicht dauerhaft
1875, 76, 78: in Bosnien und Herzegowina und in Bulgarien: Aufstände → Serbien und
Montenegro beteiligen sich kriegerisch
Montenegro kann sich besser halten als Serbien
Serbien: empfindliche Niederlage gegen die Osmanen
Serbien geht aber mit russischer Rückendeckung wieder gegen die Osmanen vor und kann
beim Berliner Kongress seine Interessen durchsetzen
1882 definiert sich Serbien als Königreich
→ damit unterstreicht man das neue Selbstbewusstsein
→ gestört, dadurch, dass das Gebiet, in dem man nationale Interessen hat (Bosnien –
Herzegowina) österreichisch kontrolliert wird
Bosnien und Herzegowina werden von Österreich mit russischer Zustimmung kontrolliert
dem serbischen Traum vom Zugang zum Meer steht der Sanjaq von Belizar (?) entgegen
Serbien musste, um seine Position zu festigen, mit einer der großen Führungsmächte am
Balkan (Österreich, Russland) kooperieren
→ Bündnis mit Österreich-Ungarn
→ in der Bevölkerung nie populär
König Milan: hielt gegenüber der Bevölkerung den Inhalt des Bündnisses geheim
→ Serbien musste auf eine eigene Außenpolitik verzichten
Serbien profitierte zwar auch vom Vertrag, aber es kam zu einer Isolierung des serbischen
Königshauses, weil der Vertrag beim Volk unpopulär war
bereits in den 90ern geht die Anlehnung zurück
1903: Ermordung des Königs und seiner Frau
→ direkte Anlehnung an Russland
1908: Österreich: annektiert Bosnien und Herzegowina
damit hat Österreich zwar nicht wesentlich etwas am de-facto-Zustand verändert, aber
Russland und Serbien brüskiert
das serbische Selbstbewusstsein wird 1912, 1913 in den Balkankriegen gegen Osmanen und
Bulgaren, in denen man Macht und Territorium dazugewinnen kann, gestärkt
Serbien demonstriert Elan, politischen Selbstwert
allerdings scheitert Serbien an seinem Grundanliegen, einen Zugang zum Meer zu bekommen,
nachdem Italien die Gründung Albaniens als eigenen Staat 1913 durchsetzen kann
der Zugang zum Meer spielt auch heute im politischen Selbstbewusstsein eine unglaubliche
Rolle
Serbien hatte im Gegensatz zu anderen Staaten in der Region sein Königshaus aus dem
eigenen Land
→ hatte damit sicherlich auch in der politischen Oberschicht eine unglaubliche Stabilität, die
dann durch die Bindung an Österreich in Frage gestellt wurde
charakteristisch: hohe soziale Stabilität
Serbien ist der Prototyp eines Bauernstaates
→ der türkische Großgrundbesitz wurde vom serbischen Staat konfisziert und an die Bauern
aufgeteilt
→ es gibt kaum serbischen Großgrundbesitz
durch Erbteilungen dominiert der Klein- und Kleinstbesitz
stark agrarischer Staat → nicht in der Lage, an der Industrialisierung teilzunehmen, sodass bis
1914/18 der eindeutig bäuerliche Charakter des Landes erhalten bleibt, mit geringem sozialen
Gefälle und einem hohen Analphabetentum
Es gab nach der osmanischen Herrschaft einen Mangel an Spezialisten für die Verwaltung
Serben aus dem Gebiet Österreich-Ungarns wurden ins Land geholt
→ spannendes Phänomen, besitzt Ähnlichkeit mit den Motoren des Nationalismus in
Österreich-Ungarn
intellektuelle Schicht in Verwaltung wird zur Speerspitze des organisierten Nationalismus
1919, 1920: aus diesen Milieus votieren viele für Deutschösterreich, siedeln sich bewusst an
der Sprachgrenze an, um das kämpferische Deutschtum zu spielen
Königreich Serbien: schon wegen persönlicher Wurzeln mehr ausgeprägt unter dem Titel
„Alle Serben in ein Reich!“
Etwas, was Serbien auch deutlich als Agrarstaat auszeichnet und anachronistisch erscheinen
lässt: alte Sozialstrukturen wie die Großfamilie bleiben intakt und beeinflussen die
Bevölkerungsstruktur
Im Gegensatz zu Österreich-Ungarn mit starker Stadtbewegung ist die Stadt-Landbewegung
in Serbien bis 1914 relativ bescheiden
1859-1910 von 8,1 auf 13% angestiegen
die städtisch-urbane Auswirkung charakterisiert auch eine nur langsame Ausbildung eines
Bildungsbürgertums
die akademische Ausbildung ist auf ein schmales Segment beschränkt
→ in diesen Milieus: Elitengefühl und Kleingruppengefühl
→ werden nicht zu Massenparteien, sondern sind Kaderparteien
Bruno Brehm: Ausbruch des 1. Weltkriegs, Zerfall der alten Ordnung dargestellt
→ auch Nazi-Literat
→ aber in den 20er Jahren durchaus als moderner Schriftsteller wahrgenommen
Kleinheit der Gruppierung, die den politischen Umsturz herbeiführt, den König ermordet und
das System umstürzt
König auf der einen Seite, Offiziersgruppe auf der anderen Seite: kleines Potential an
Mitkämpfern → läuft über die Masse der Bevölkerung hinweg
Rumänien: ist aus den Donaufürstentümern Moldau und Walachei hervorgekommen, war
integraler Bestandteil des Osmanischen Reiches und konnte sich im 19. Jh. emanzipieren
→ gleichzeitig mit der Loslösung von der Pforte kam es zur Hinwendung zu den
europäischen Großmächten und ökonomischer Abhängigkeit
1829-1856: Donaufürstentümer sind noch der Hohen Pforte tributpflichtig, stehen aber unter
dem Protektorat Russlands
nach Krimkrieg: Oberaufsicht der europäischen Großmächte → großer Freiraum
aber es fehlt auch eine zentrale, politisch durchgreifende Macht; in Verbindung mit den
knappen Ressourcen bedeutet das ein Nichtteilnehmen an der Modernisierung
Flohmärkte in den 1990ern in Prag, Sofia etc.: Artefakte des 19. Jh. → Überbleibsel aus
Milieus, die sich gesellschaftlich, wirtschaftlich etablieren konnten
Tschechoslowakei und Ungarn: Eldorado für den Kauf solcher Dinge
westliche europäische Märkte waren sehr rasch ausgeschöpft
→ Ausdruck, dass die Modernisierung in geringerem Ausmaß vorhanden gewesen ist
Rumänien: 1862: Vereinigung der beiden Fürstentümer
1864: autokratische Regierung erzwungen
1866: Autokrat entfernt
→ Armee holt vom Ausland Karl von Hohenzollern ins Land
Rumänien: nimmt dann an diversen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich an
der Seite Russlands Teil, gliedert sich langsam in Europa ein
während in Europa die Gleichheit der Bürger durchgesetzt wird, können laut rumänischer
Verfassung nur Christen Staatsbürger werden
→ obwohl es nur wenig Zuzug von Türken gab
→ also aus antisemitischen Gründen
Rumänien steht aufgrund seiner Gebietsansprüche sowohl im Widerspruch zur Russland, als
auch zu Österreich-Ungarn
nach Gebietsgewinnen auf Kosten Russlands: 1883: Annäherung an Österreich-Ungarn
Geheimbündnisse mit Österreich-Ungarn, Deutschland, Italien
→ für Rückendeckung gegen die Russen, bis 1914 immer wieder erneuert
→ später trat Rumänien auf Seiten der Entente in den Krieg ein
2. Hälfte des 19. Jh.: Wirtschaftswachstum wegen Ausbeutung des Territoriums; aber keine
Modernisierung → vormoderne bäuerliche Gesellschaft
große Landressourcen
Rumänien: kein geordnetes Grundbuchwesen → also keine geordnete Verwaltung
Grundbuch ist Vorraussetzung einer funktionierenden Steuerpolitik
→ Konsequenzen bis heute: Aufhebung der kommunistischen Enteignungen schwierig, weil
man den ursprünglichen Besitz nicht nachweisen kann
wie stark dieses Land agrarisch dominiert wurde: 70-80% des Außenhandels bis 1914
Getreideexport → latente Wirtschaftskrise
erst knapp vor dem 1. Weltkrieg: Veränderung in der Außenhandelssituation
→ Rumänien wird eine interessante Wirtschaftsmacht im Bereich des Exports von Erdöl
1914 war Rumänien der fünftgrößte Erdölproduzent der Welt, allerdings waren weit über 90%
der Erdölförderung und Erdölverarbeitung in ausländischem Besitz
das gilt nicht nur für die Erdölverarbeitung, sondern für die gesamte moderne Industrie
in sozialen Krisenregionen wird ausländisches Kapital als Ausbeutung gesehen und von
nationalistischen Kreisen als unerträglich empfunden
Abstand zu den mittel- und westeuropäischen Staaten wurde zwischen 1870 und 1914 nicht
verringert
geringe Alphabetisierung der Gesellschaft → auch nach 1914 in Rumänien sichtbar,
nur 1/3 der Landbevölkerung war alphabetisiert
Der Ausbau des Schulwesens wurde vorangetrieben
Alphabetisierungsquote war in der Stadt größter, doch Analphabetismus blieb ein Problem bis
in die 1950er
die Kommunisten machten in dieser Region massive Alphabetisierungskampagnen
sie widmeten diesem Problem große Aufmerksamkeit, werteten das auch propagandistisch aus
Rumänien und Serbien: durch Anbindung an die Großmächte waren sie in einer
vergleichbaren Position
für Bulgarien war es wesentlich schwieriger
Nationalbewusstsein kann anerzogen werden
1835: erste bulgarischsprachige Schule
Erziehung zu eigener bulgarischer Identität
das führte dazu, dass sich die bulgarisch-orthodoxe Kirche von der griechisch-orthodoxen
Kirche trennte (1860)
Spiegel von politischen Strömungen können in diesem Milieu auch als Motoren auftreten
Die Bulgaren profilierten sich besonders seit den 1860ern im Widerstand gegen die Pforte
→ ein Widerstand, der so heftig war, dass das englische Unterhaus vom „Bulgarischen
Gräuel“ sprach
Als Serbien 1876 einen Krieg gegen die Türkei vorbereitete, erhoben sich die Bulgaren in
einem weit ausgedehnten Volksaufstand, dem sogenannten April-Aufstand. Noch einmal war
dem Aufbegehren eine Niederlage beschieden. Die unerhörte Grausamkeit, mit der die Türken
sich an der Zivilbevölkerung rächten - 30.000 fielen Massakern zum Opfer - , vereinten
Europa in einem Aufschrei über diese "bulgarischen Greuel".
(http://derstandard.at/?url=/?id=1127051)
Russland erkannte den Wert der bulgarischen Kampfkraft
1876/78 erst territoriale Bildung
im Gegensatz zu Serbien, Rumänien war Bulgarien weitgehend sprachlich-ethnisch homogen
der Staat Großbulgarien (Vertrag von San Stefano) wurde kurz danach wieder aufgelöst
Am 3. März 1878 wurde in der kleinen Stadt San Stefano der Friedensvertrag zwischen
Russland und der Türkei unterzeichnet. Dieser Vertrag hatte historischen, aber nicht
gesetzlichen Wert und legte fest, daß Bulgarien die Länder einschließen sollte, in denen die
Mehrheit der Bevölkerung von der Botschafterkonferenz in Konstantinopel als bulgarisch
anerkannt worden war. Bulgarien bestand nun aus den nördlichen und südlichen Landeteilen
und einigen Teilen von Makedonien.
Auf dem Berliner Kongreß im Juli 1878 forderte man die Schaffung eines großen
unabhängigen Staates im Zentrum des Balkans und änderte den Vertrag von San Stefano. Das
Territorium von Bulgarien wurde anders aufgeteilt. Der südliche Landesteil verblieb unter
türkischem Einfluß und wurde zur autonomen Region Ost-Rumelien. Am 17. April 1879
wählte die Große Nationale Versammlung den deutschen Prinzen Alexander Battenberg zum
Prinzen von Bulgarien. Damit war die Eigenständigkeit wiederhergestellt.
(http://www.bulgarien-web.de/Geschichte/Neuzeit/neuzeit.html)
Als Bulgarien in Folge des russisch-türkischen Krieges (1877-1878) als Fürstentum von der
Türkei losgelöst wurde, und nach dem Friedensvertrag von San Stefano (03.03.1878) als
Großbulgarien auferstand, wurde es nach dem Berliner Vertrag (13.07.1878) als türkischer
Vasallenstaat in eine Teilunabhängigkeit entlassen, allerdings mit einem um ca. 60% der
Landfläche reduzierten Territorium.
(http://www.flaggenlexikon.de/fbulgar.htm)
Wieso wurde der Großbulgarische Staat kurz nach San Stefano wieder aufgelöst?
→ Vorstellung des Interessensausgleichs: übergroßer Einfluss Russlands durch Großbulgarien
→ Politik Bulgariens vorgegeben
1908 warf Bulgarien die letzten Bindungen über Bord, als es durch die Annexion BosnienHerzegowinas durch Österreich aus dem Beobachtungszentrum verschwindet
Bulgarien war im Balkankrieg 1912-13 involviert
die Grenzziehungsprobleme dieser Region wurden deutlich
Annexion von Bosnien-Herzegowina: mobilisierte den Balkanraum, aber veränderte auch die
Position von Österreich dramatisch
Versuch Ehrenthals, die außenpolitischen Schritte zu setzen, eingebettet in ein Konzept, das
auch die innere Reform des Reiches vorantreiben sollte
Hauptziel: die Monarchie in ihrer Herrschaftsform anzupassen, aus dem Dualismus einen
Trialismus zu machen
→ Plan der relativen Autonomie der südslawischen Gebiete
die österreichischen Reformpläne hätten nur dann einen Sinn gemacht, wenn das ungarische
Königreich miteinbezogen worden wäre
Österreich wollte, um hier den Besitzstand abzurunden, das kontrollierte Gebiet von BosnienHerzegowina in das südslawische Planungsgebiet einbeziehen → Gebiet wurde einverleibt
→ die Okkupation wurde in Annexion umgewandelt
→ eigener Status
Das Ausland empfand das als Akt der Aggression
→ Erzählung der schwarzen Legende Österreichs nahm in den westeuropäischen Staaten zu
→ Österreich als Aggressor, der sich aus dem gesellschaftlichen Verkehr der Großmächte
herausnahm
→ tiefgreifender Imageverlust, den Österreich nur in Kauf nehmen konnte, weil man sich der
Unterstützung von Deutschland sicher war
→ man stellte den Bündnispartner Deutschland vor vollendete Tatsachen
Österreich überstand die Krise in den internationalen Beziehungen nur mit absoluter deutscher
Rückendeckung, die man erzwang
→ man bewegte sich in eine Abhängigkeit hinein
→ nannte es „Nibelungentreue“
→ eigenartig, weil die Nibelungen ja untergegangen sind
→ eigenartig, das als Vergleich für einen als siegreich geplanten Feldzug zu verwenden
in der Krise von 1908 wurde die „Nibelungentreue“ fixiert
lustiges Quellenstück zur Krise: blutrünstige Gedichte eines Offiziers → die wurden dann
unter einem anderen Namen publiziert → standen in keiner Relation zu dem, was tatsächlich
im Land passierte
Europäische/Mitteleuropäische Ausgangslage beim 1. Weltkrieg: charakteristisch ist das
Gefühl des Fortschritts
Stimmungslage, die sich im Wesentlichen auf das protestantisch-katholische Europa und
Nordamerika beschränkt
hier herrscht in zunehmender Dynamik ein ungeheures Tempo, das im krassen Gegensatz zur
asiatischen und afrikanischen Welt steht
ein Tempo, das das Leben der Menschen völlig verändert hat
Vergleich mit dem 18. Jh.: die Menschen im 19. Jh. haben radikal andere Lebensbedingungen,
sind bezüglich Versorgung mit Grundnahrungsmitteln viel besser dran
Heizung: früher immer noch Ofen
Beleuchtung: früher: Kienspan
Ende 19. Jh.: Zentralheizung, elektrisches Licht, Elektrizität, zentrale Vakuumpumpen für
Staubsauger
Beginn des 19. Jh.: klassische Formen der Fortbewegung: Kutsche, Schiff, Pferd, zu Fuß
Ende des 19. Jh.: voll funktionierendes Eisenbahnsystem, auch erste Autos
in stetig steigender Spezialisierung: internationaler Austausch (Westeuropa, Mitteleuropa,
Amerika) von Spezialisten → Ingenieure, Facharbeiter
Ende des Jahrhunderts: ausgeprägte Stahl- und Chemieindustrie, die international verflochten
ist
selbst auf der Iberischen Halbinsel hat sich die Technisierung der Welt durchgesetzt
nach Osten hin stellte die große Ausnahme Russland dar (mit Ausnahme der polnischen und
der westlichen Teile des Landes)
dies ist möglich geworden durch die internationale Vernetzung des Kapitals, das den
technischen Fortschritt finanziert
Polen: Nicht nur Binnenwanderung in dt. Raum, sondern auch in Kohlengebiete im
Ruhrgebiet
skandinavischer Raum: polnische (?) Steinmetze
auch umgekehrt: aus Mitteleuropa gingen Leute nach Osten
Restriktionen im Grenzverkehr
→ Bewegung, diese Bewegungsschranke zu beseitigen
Großkapital setzte den freien Geldverkehr über die Banken durch
die Massenbinnenwanderung stieß nicht auf ernste Schwierigkeiten
die Vorraussetzung für diese neue Mobilität liegt in den unterschiedlichen Schichten der
Mentalitäten
Grenzziehung zum orthodoxen Raum zeigt, dass sich im 19. Jh. Katholiken und Protestanten
aussöhnten
deutliche Relativierung, klassische Säkularisierung des westlichen Europas, damit eine
stärkere Öffnung für moderne Ideen
stärkere Schriftlichkeit bei Protestanten und Katholiken erleichtert die notwendige Bildung
zunächst Vorteil der protestantischen Gebiete, aber auch katholischer Regionen, wo es eine
vergleichbare Entwicklung gibt
die Säkularisierung reduziert die dogmatische Auseinandersetzung zwischen den Religionen,
fließt aber dann bei dogmatischen Auseinandersetzungen zwischen politischen Idealen ein
die Volkskultur entfernt sich vom islamischen Raum von den afrikanischen Kulturen
große Erfindungen des 19. Jh. haben keine nationale Punze mehr, sondern sind nur in
internationaler Kooperation möglich
Im Zusammenspiel von Deutschland, England und Frankreich wurde die Stahlverarbeitung
modernisiert
deutliche Internationalisierung gibt es auch im Bereich der künstlerischen Neudefinition: die
ursprünglichen, klassischen, traditionellen Zentren der europäischen Kunst (Paris, London,
Rom) bekommen Konkurrenz: Wien, Budapest
→ macht sich bemerkbar
charakteristisches Merkmal: Dezentralisierung, Kurzlebigkeit
Wien, Budapest um 1900: intellektuelles Zentrum → 10 Jahre später in direkter Konkurrenz
mit Berlin → bald darauf ist in Wien und Budapest „der Lack weg“, Berlin wird
avantgardistisches Zentrum
Kunstrichtungen: europäischer Diskurs → nicht mehr regionale Besonderheiten
wirkt sich in der politischen Formierung aus: Formierung aus dem Dritten Stand hin zur
Industriearbeiterschaft
Kritik am herrschenden Kapitalismus bringe breite Strömung von –ismen zutage: Marxismus,
Anarchismus, bis hin zu revisionistischen Modellen
gleichzeitig wird in Europa um durchgreifend politisch erfolgreiche politische Organisationen
der Arbeiterschaft gerungen
→ wird Ende des 1. Weltkriegs politisch dominante Kraft
Europa ist zu diesem Zeitpunkt seltsam „introvertiert“
Zweck des europäischen Kolonialismus ist, für die heimische Wirtschaft günstige Rohstoffe
zu gewinnen
→ nicht zur Eroberung neuen Lebensraumes wie in den 20ern und 30ern des 20. Jh.
Europa ist um 1900 gravierend anders, auch in politischer Hinsicht
mit der Schaffung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 entstand eine neue Territorialmacht,
die das europäische Verhältnis grundlegend veränderte
→ neue Kontinentalmacht, die ihren endgültigen Durchbruch in der Auseinandersetzung mit
Frankreich schaffte
unter Bismarck versuchte sie, Politik der Stärke zu machen
→ mit internationaler Verantwortung; trat als ehrlicher Makler auf (Berliner Kongress)
Bismarck provozierte eine Kriegserklärung Frankreichs: er gab einen moderaten Text
verkürzend an die Öffentlichkeit wieder, wusste, dass daraufhin Napoleon III. mit Emotion
begegnen würde
Europäer schauen mit Skepsis auf den neuen Staat
→ bis 1890: vertrauensbildende Politik
→ dann Ablöse durch Wilhelm II.
→ arrogant, hochfahrend, eitel → auch im Auftreten Deutschlands nach außen
→ England ändert seine Einstellung
ab 1890: Deutschland geht in ein gezieltes Wettrüsten, um England zumindest symbolisch die
Vormacht auf den Meeren streitig zu machen, machte früher moderate Kolonialpolitik → jetzt
aggressiver, Kolonien werden mehr als nur Rohstoffressourcen, sondern militärische
Stützpunkte und neuer Lebensraum
Die Diplomatie zwischen 1890 und 1914 ist vom Wettrüsten geprägt
→ gegen England, zur Abschreckung von Frankreich
Europa hatte um 1850 eine im Wesentlichen stabile Landkarte, in der es mit dem
zunehmenden Schwächeln des Osmanischen Reiches zu Veränderungen kam, die aber
überschaubar blieben → neue Formationen entstanden dort, wo das Osmanische Reich
gewesen war
sie führten zur Absteckung neuer Interessenssphären zwischen Österreich-Ungarn und
Russland am Balkan
Die Situation Russlands ist neben dem Bewusstsein, Schutzmacht im Südosten zu sein, auch
von dem Willen geprägt, den Osten Russlands (Polen, Finnisches Reich (?)) für Russland zu
erhalten
die russische Energie zielt primär auf die Expansion nach Innerasien ab
dieses russische Reich trägt viele Züge der Vormoderne, eine wesentliche Modernisierung der
Gesellschaft steht an, die industrielle Modernisierung ist auf den Westen Russlands
beschränkt
Österreich-Ungarn: Verfassung: geht in den modernen europäischen Kontext ein
Ist aber durch die personelle Klammer zwischen den Reichshälften noch dem Klassischen,
Agnostischen verpflichtet
Österreichische Reichshälfte: Modernisierung, Gesellschaft wird durchlässig
1918 gibt es im Königreich Ungarn rund 700 adelige Familien
→ 500 davon wurden nach 1900 nobilitiert
Modernisierung: Betonen des Bildungsanspruchs in der österreichischen Reichshälfte
von Josephinismus geprägt, wesentliche Einrichtungen der Verwaltung sind nicht mehr vom
Adel, sondern vom Bildungsgrad bestimmt
Typus des vertrottelten adeligen Offiziers in Komödien
Mehrheit des Offizierskorps ist Ende des 19. Jh. bereits bürgerlich
trotz feudaler Struktur ist der mitteleuropäische Raum in Bezug auf Österreich-Ungarn
„demokratisiert“
Reserveoffizierskorps: absolute Dominanz der bürgerlichen Klasse
ein ähnlicher Befund gilt auch für Italien, wo die Modernisierung der Gesellschaft in
wirtschaftlicher und politischer Hinsicht die alte Elite abgelöst hat und vom Bürgertum
dominiert wird
Man versucht, in der sich modernisierenden Gesellschaft, die politischen Interessen durch
Bündnisse abzusichern
1879: Zweibund Deutschland – Österreich-Ungarn
1882: Italien kommt dazu
daraus resultiert die deutsche und ungarische Rückendeckung für Italien bei dessen
afrikanischen Ambitionen
→ beim Erwerb von Tunis, Eritrea, Somalia, Libyen: Rückendeckung durch Deutschland und
Österreich-Ungarn
Geld: steuerpolitisches Instrumentarium
Bismarck verbietet den deutschen Banken, dem finanziell instabilen Zarenreich weitere
Geldmittel zur Verfügung zu stellen → Russland ist gezwungen, Geld dort zu suchen, wo
man an die Stelle der deutschen Investitionen treten will
→ auf wirtschaftlicher Ebene kommt es zur Annäherung zwischen dem ganz rückständigen
Russland und dem fortschrittlichen Frankreich
Frankreich ist verhaftet in seinem Revisionismus, hat ein zwiespältiges Verhältnis zu
Deutschland → damit ist die Ausgangssituation für den Ersten Weltkrieg (Zweifrontenkrieg)
vorgegeben
weiterer Staat: nach 1890: zunehmende Aufrüstung Deutschlands
Beziehungen: England schaut zunehmend irritiert auf Deutschland, trotz zunächst noch
vorhandener Spannungen zwischen England und Frankreich
→ dann: Annäherung: 1904: Entente Cordiale
1907: England-Russland: Einigung über das Abstecken der Interessenssphären in Asien
→ Tripelentente
Noch aber sind die Bündnisse symbolhafte Politik der Balance
→ Gleichgewicht wird als Rahmenbedingung für weitere Politik akzeptiert
→ man versichert sich wechselseitig, keine Offensivpläne zu verfolgen
→ versucht, eine innereuropäische Auseinandersetzung zu vermeiden
Frankreich ist trotz des Verlustes von Elsass-Lothringen nicht unbedingt von einem rasenden
Militarismus bzw. Revisionismus gekennzeichnet, ist in keiner Weise kriegslüstern
Auch Wilhelm II. ist das nicht, trotz seines martialischen Auftretens hat er einen wirklichen
Krieg nicht vor
Österreich-Ungarn: besondere Situation: trotz aller Dominanz des Militärs in der Gesellschaft
auch nach 1867, 1870: Investitionen ins Militär rückläufig, deutlich unterentwickelt
Staat gewährt Wirtschaft einen großen Freiraum, schöpft nicht einmal annähernd so viele
Gewinne über Steuern ab wie nach dem 1. Weltkrieg oder wie heute
Selbst im Empire gibt es ein geringes Steueraufkommen → relativ kleines Heer vor 1914
Bildung, Lebensstandard, Frage der Modernisierung: charakteristische Differenzen innerhalb
der einzelnen Staaten
keine offensiven Heere, hohes Bildungsniveau,
mit der Idee, eine funktionierende Wirtschaft (als Weltwirtschaft interpretiert) brächte
Fortschritt
Österreich: Wirtschaftswunder der 50er: Idee, dass Bildung, verbunden mit guter
Wirtschaftsleistung, allen den Aufstieg brächte
Modell für diesen Aufstieg ist Budapest
→ ist in der 2. Hälfte des 19. Jh. die am raschesten wachsende Stadt Europas → hat die erste
U-Bahn Europas, selbst vor England
unterschiedliche Mentalitäten vor dem 1. Weltkrieg: modernes, urbanes Zentrum eines
Europas am Beginn des 20. Jh.
dieses Bild Budapests ist dramatisch anders, wenn man Wien heranzieht → als Hauptstadt hat
es eine andere Attraktivität, die mit der politischen Macht zusammenhängt, nicht so als
wirtschaftliche Metropole oder Stadt der technischen Innovation
Parlamentsgebäude in Wien: griechischer Tempel
Budapest: Parlament stilistisch an das Londoner Parlament angelehnt
→ trotzdem ist Ungarn bis zur Wende nie eine richtig funktionierende Demokratie
bei aller Bündnispolitik ist es letztendlich ein defensives Europa, man zielt nicht auf eine
europäische Konfrontation ab
auf der anderen Seite ist trotz Fortschritts, trotz sozialer Aufstiegsmöglichkeiten im 19. Jh.
jenes Gefühl der décadence verspürbar, das Gefühl der Stagnation
→ Hoffnung auf ein reinigendes Gewitter
Stefan Zweig: beschreibt eine scheinbar ausweglose private Situation, in der es ständig
Grenzen gibt (ständische, finanzielle), wo der Ausbruch des 1. Weltkrieges als Erlösung
kommt
eine der bemerkenswertesten Reflexionen des 1. Weltkriegs:
Ernst Jünger: „In Stahlgewittern“ → die zunehmende Komplexität des menschlichen Lebens
soll wieder klar gemacht werden
Komplexität, ein Zeichen der Moderne, provoziert Sehnsucht nach klaren Linien
Welt des Kalten Krieges: Korea, Vietnam, Eiserner Vorhang: wirkte stabilisierend auf die
Gemütslage der Menschen: Unterteilung in Gut und Böse, bipolare Welt
→ nach der Wende ist die bipolare Welt futsch
→ das wird zunächst als Befreiung gesehen
→ Wegfall der Bedrohungsbilder, Niederreißen der Mauer etc.
dann: Fremdenfeindlichkeit nimmt zu, ...
11. September: führte zur Konstruktion einer neuen bipolaren Welt
→ Gut gegen Böse, Kreuzzug gegen Schurkenstaaten
verwirrender Pluralismus
Wirtschaft wurde schon als verunsichert erlebt (Börsenkrach)
Verlust der alten Werte
→ Hoffnung auf das reinigende Gewitter, das alle Probleme löst
Bilder aus den europäischen Metropolen verändern sich völlig
1. Weltkrieg wirkt wie eine ungeheure Erleichterung
man geht in den Krieg in der Erwartung, spätestens zu Weihnachten wieder klare Verhältnisse
zu haben
keine Vorbereitungen in finanzpolitischer Hinsicht für einen Krieg, der länger als 2-3 Monate
dauert
→ also sind diese Staaten nicht wirklich auf einen lange dauernden militärischen Konflikt
vorbereitet
→ Heere für beschränkte Aktionen gedacht
Mittwoch, 12. Jänner 2005
Meist wird die Rolle von Österreich-Ungarn bei Ausbruch des 1. Weltkriegs so dargestellt,
dass die Krise durch die Ermordung Franz Ferdinands in Sarajewo eine Entwicklung ergab,
die Österreich nur mehr mittelbar beeinflussen konnte
doch der Krieg brach nicht einfach aus
es gab eine geschickte Regie
jemand hielt ein Zündholz an die explosive Mischung, und dieser jemand war Österreich
aber: der Krieg war lange vorbereitet, die Konstellationen existierten seit dem Berliner
Kongress
Bündnisse: Schutz und Aggressivität
Zweibund: 1879: Österreich-Ungarn – Deutschland
1882: Österreich-Ungarn – Italien – Deutschland
Frankreich: Bündnis mit England: Entente Cordiale → durch Russland erweitert
auch andere Länder ordneten sich diesen Paktsystemen unter
Die Pakte waren nicht statisch, sondern den aktuellen Krisen angepasst
Balkan: Osmanisches Reich weicht → Balkan wird zur Krisenregion
die Mechanik der politischen Bündnisse wird durch die Generalstäbe der betroffenen Staaten
mitdefiniert
Berlin-Wien: Generalstäbe: gemeinsame Planung, offensive Kriegspläne → taktischer Vorteil
dessen, der mit seiner Mobilmachung früher beginnt, der früher den Vormarsch macht
Deutscher Generalstab: auf jeden Fall muss Frankreich angegriffen werden, egal, wie die
Dinge liegen → sehr irrational
die Ermordung von Franz Ferdinand löste erstaunlicherweise eine europäische Krise aus
erstaunlicherweise, weil Franz Ferdinand kaum Sympathien in der Bevölkerung hatte
Serbien war auch international unbeliebt
dass Serbien hinter dem Mord steckte, wurde einfach behauptet → es ist eher so, dass ein
privater Verschwörungszirkel in der serbischen Armee das Attentat plante
Deutschland verspricht sehr rasch absolute Bündnistreue
7. Juli 1914: in Wien steht fest, dass es Krieg geben soll
→ was für Krieg?
→ 3. Balkankrieg
Deutschland: Eventualpräventivkrieg
Berliner Illusion: begrenzter Krieg am Balkan
→ Österreich würde mit Serbien kurzen Prozess machen und damit Russland demütigen
Deutschland: je eher wir losschlagen, desto besser, trotz Gefahr eines Großmächtekrieges
Generalstäbe: Berufsmilitärs: keine permanente Aggression
Berufsmilitärs sind in erster Linie „Schachspieler“ → versuchen, Gewinn und Verlust bei
militärischer Intervention abzuwägen
→ sehr genaues, präzises, bewusstes Abwägen
→ Berufsmilitärs sind eher zurückhaltend, wenn sie die Situation nicht abschätzen können
Die Generalstäbe Österreichs und Deutschlands sind der Auffassung, einer Konfrontation
entgehe man eh nicht
→ Deutschland will in Serbien einfallen, um taktische Vorteile zu bekommen
dass es zu einem gigantischen Staatenkrieg kommen wird, denkt niemand
→ von Moskau bis London ist keiner auf einen längeren Krieg vorbereitet
außerdem bestehen zu diesem Zeitpunkt kaum Erkenntnisse und Erfahrungen mit der
modernen Waffentechnik, da der letzte große Konflikt lange her ist
Anfang August ist klar, dass die Bündnissysteme wirksam werden, dass mit kurzer Dauer
nicht zu rechnen ist und dass ein Krieg von einer Dimension entsteht, die über das hinausgeht,
was bisher erlebt wurde
Militärs glauben an Kämpfe, die sich noch am Modell des Deutsch-Französischen Kriegs
1870/71 orientieren
→ ignorieren, was 1863 in der Schlacht von Gettysburg (Materialschlacht) passierte
die europäische politische Landschaft wird verändert, nichts mehr ist bei Ende des Krieges so
wie vor dem Beginn
Aus Sicht der Entente: Ziel bei Kriegsbeginn: Vernichtung des Deutschen Reiches,
Beschränkung der Macht Preußens als wesentlicher Motor der Politik
weltweit extremstgeschulte Truppe (Preußen?)
Deutscher Generalstab: Vision eines kurzen Krieges wird aufrecht erhalten
Deutschland befindet sich in einem Zweifrontenkrieg, und was unangenehm ist, muss kurz
dauern
→ Der Generalstab ist der Ansicht, ein Zweifrontenkrieg ist nur dann zu gewinnen, wenn er
rasch zu Ende geführt wird → man muss einen Offensivkrieg führen
Lieblingsvokabel der Zeitungen 1914/1915 ist „Offensive“
→ Entscheidende Schlacht solle herbeigeführt werden (Kriegsdenken des 19. Jh.)
weiterer Gedanke: Massenmobilisierungen in allen betroffenen Staaten → die führen, so
denkt man, zur Beschleunigung des Krieges
→ Generalstab lehnt alle Eventualplanungen für einen längeren Krieg ab
dazu kommt die Vorstellung, dass eine moderne Wirtschaft über lange Zeit vom Krieg
weitgehend unbeeinflusst weiterläuft
Problem: Auch die geschulten Arbeiter werden mobilisiert
Fußnote: solche Überlegungen spielen auch in der Planung der Nazis eine Rolle → auch
solche Defizite
Der Höhepunkt der Rüstungsproduktion in Deutschland wird erst 1944 erreicht
weiteres Phänomen: die politische Einschätzung der Lage
der innenpolitische Burgfrieden (von Konservativen, Liberalen und Linken) sei nur kurze Zeit
haltbar, also müsse man schnell handeln
Man geht davon aus, dass ein europaweiter Krieg die ökonomischen Ressourcen weltweit
unter Druck setzen würde, so dass der Krieg rasch beendet würde
→ man hält in Deutschland an der Vision des Blitzkrieges fest
Ausbruch des Krieges: wie im Juli/August die Mobilmachungen und die Kriegserklärungen
der Reihe nach die europäischen Staaten erfasst, findet man überall in Europa
Kriegsbegeisterung
→ „patriotischer Urschrei“
→ „Krieg als Erlöser“
diese Emotionalisierung steht in Wechselwirkung mit der nationalen Kriegspropaganda
bei den Mittelmächten: legendäre Skurrilität → gewissenlose Naivität
z.B.: Postkarten aus Pappe: ein österreichischer Soldat, der russische, französische und
englische Soldaten bei den Ohren hat, wenn man an einem Pappstreifen zieht, beutelt der
österreichische Soldat die anderen an den Ohren
ganz wenige Zirkel konnten sich dieser Propaganda entziehen
Österreich: Leuchtturm des unabhängigen Denkens: Karl Kraus
→ kritisiert scharf den „blutrünstigen Pfaffen von der Festenburg“
Karl Kraus: Drama: „Die letzten Tage der Menschheit“
→ satirische Szenen über den Kriegsalltag
→ „Antibilder“ zur offiziellen Meinung und offiziellen Haltung
offizielle Haltung: kommt bei Hugo von Hofmannsthal zum Ausdruck:
offener Brief: „Lieber Hugo, ich weiß Sie im Felde“
die Truppen waren bei aller technischer Perfektion in der Ausbildung erstaunlich naiv
→ bunte Uniformen der k&k-Armee („tapfer samma net, aber fesch“), auch der Preußen
→ macht die Soldaten zu „Zielscheiben“
→ bald geht man zu grauen Uniformen über
eine seit Jahren unterdotierte Armee meint, mit dem Imponiergehabe der Manöver den Krieg
gewinnen zu können
Fiktion, man könne den Krieg auf den Balkan beschränken
schon am Balkan scheitert man bei zwei Offensiven
in Polen und Galizien kann man der russischen Macht nichts entgegenhalten
→ Deutschland muss nun verstärkt Einheiten an die Ostfront verlegen, nachdem der rasche
Durchmarsch auf Paris misslang, möglicherweise wegen der Aufsplittung der Armee auf 2
Fronten
die österreichische Armee muss sich sogar in der direkten Konfrontation mit Serbien
zurückziehen, erst mit massivem Einsatz deutscher Truppen gelingt es, die russische
Militärmaschine nachhaltig zum Stehen zu bringen
→ der Großteil des von den Russen besetzten österreichischen Gebiets wird zurückgewonnen,
man marschiert auch in russisch-Polen ein
in Czernowitz erst 1917
1917: relative Stabilisierung der Fronten
1915 verändert sich die Frontenstellung: Italien: keiner der Bündnispartner wurde angegriffen,
man war aber ein Bündnis für den Fall eines Angriffs eingegangen → Bündnisfall ist also
nicht eingetreten
Italien will Südtirol → dass kann die Entente Italien leichter zusichern, weil Südtirol ja der
Entente nicht gehört → Italien tritt auf der Seite der Entente in den Krieg ein
→ neue Front, die zunächst nur mit Ersatzeinheiten aufgestellt werden kann
Frontbildung bei Dolomiten, Kärnten, Isonzo
→ von Kärnten aus wird eine neue Straße ins Socatal für die Versorgung der Isonzo-Front
gebaut
Österreich erkennt relativ früh sehr deutlich, dass nur ein rascher Frieden Österreich retten
kann
Auch deutsche Überlegungen beschäftigen sich mit Rahmenbedingungen für einen Frieden
→ es soll ein „Siegfrieden“ werden → beliebter Name damals: Siegfried
der Minimalgewinn aus deutscher Sicht ist die Umsetzung des Naumann-Plans von 1915,
nach dem Deutschland zum bestimmenden Faktor in Mittel- und Südosteuropa würde
Deutschland rechnet mit einer wesentlichen Veränderung des Bündnispartners: nach dem
Krieg werde es kein Österreich-Ungarn mehr geben, der deutschsprachige Teil Österreichs
werde bei Deutschland sein
innerhalb Österreichs gewinnt jene Gruppierung an Kontur, die sagt, Österreich müsse auf
jeden Fall aus dem Krieg ausscheiden, einen Sonderfrieden erlangen
Nach dem Tod von Kaiser Franz Joseph 1916 will Kaiser Karl das umsetzen (eher
dilettantisch)
Sixtus-Affäre: Xaver und Sixtus von Bourbon-Parma, Brüder der Kaiserin Zita (letzte
Kaiserin von Österreich) und Offiziere im belgischen Heer, vermittelten von Februar bis April
1917 geheime Friedensverhandlungen zwischen Österreich und Frankreich. In 2 Briefen an
Prinz Sixtus (1886-1934) vom 24. 3. und 9. 5. 1917 erkannte Kaiser Karl I. die Ansprüche
Frankreichs auf Elsaß-Lothringen an. Die Verhandlungen scheiterten wegen der Forderung
Italiens, Südtirol abzutreten. Provoziert durch eine Rede des österreichischen Außenministers
O. Czernin, veröffentlichte der französische Ministerpräsident G. B. Clemenceau am 12. 4.
1918 Karls Brief vom 24. 3. 1917, wodurch das Verhältnis zu Deutschland schwer getrübt
wurde. Czernin, der den Brief nicht gekannt hatte, trat nach einer Auseinandersetzung mit
dem Kaiser zurück.
http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.s/s610091.htm
ein österreichischer Sonderweg bedeutet aber auch eine Belastung für das deutschnationale
Milieu in der österreichischen Monarchie
→ „Nibelungentreue“ wird propagiert → man versucht, die Situation so darzustellen, als sei
man auf Gedeih und Verderben vom Schicksal Deutschlands abhängig
Über einen Sonderfrieden kann nicht offen diskutiert werden
man ist in dieser Sache sicher, dass man das alte System nicht mehr aufrechterhalten könne,
aus dem Dualismus müsse ein Trialismus werden → auch der slawischen Bevölkerung müsse
Rechnung getragen werden
das wäre nur zu einer Zeit möglich, in der Österreich-Ungarn fähig ist, selbst die Frontlinien
zu halten
Seit die Sixtus-Affäre bekannt ist, geistert das Bild des Verräters
→ man erkennt nicht den politischen Mehrwert, sondern die Presse spricht von Verrat
→ die Presse ist gegen Kaiser Karl
seit 1918: nach der Sixtusaffäre von deutschnationaler Agitation geprägt
Deutsche Militärmaschine ist bei Verdun festgefressen
1916 ist auf keiner der Frontlinien mehr Bewegung möglich
Kampf ausschließlich um wenige Quadratmeter → aus Offensive wird Materialschlacht
keiner bringt von sich aus die Kraft auf, strategische Vorteile zu erringen
1917: 2 wesentliche Ereignisse
mit April ist die USA mit dem Deutschen Reich im Kriegszustand
damit ist erstmals im Westen Material- und Personalzufuhr in unerschöpften Kräften möglich
der Kriegszustand wird gegenüber Österreich-Ungarn ausgedehnt
Was das strategisch bedeutet, ist Deutschland und Österreich-Ungarn noch nicht klar
aber: Februar 1917: Russland: gravierende Veränderung an der Ostfront
Erschöpfung beschleunigte in Russland den Umbau der Gesellschaft → führte zuerst de facto,
dann 1918 formal, zum Ausscheiden Russlands aus dem Krieg, zur Beendigung der Ostfront,
das hätte eine Stabilisierung des Zweibunds bedeuten müssen, der zunehmend materielle
Probleme, und auch, vor allem in der österreichischen Hälfte, Versorgungsprobleme hatte
Man meint, nunmehr im Zuge eines Friedens mit Russland die Nahrungs- und andere
Ressourcen Russlands nützen zu können
Friede mit dem bolschewistischen Russland: Diktatfrieden → nicht partnerschaftlich
ausgehandelt
nach 1918 gibt es in Deutschland das Bild, dass Deutschland den Krieg nicht an der Front, im
Kampf, sondern durch das Hinterland verloren hat
→ weil bei Kriegsende die deutschen Truppen auf fremdem Territorium standen und nicht
deutsches Territorium besetzt war
Österreich-Ungarn: militärisch-industriell nicht mehr in der Lage, entsprechende Leistungen
zu erbringen
außerdem: politischer Prozess der Auflösung
das Reich ist schon vor den Friedensverträgen völlig von der Landkarte verschwunden
Kaiser Karl versucht, den Auflösungsprozess 1918 zu stoppen
bietet seinen Völkern ein Manifest an → zu einem Zeitpunkt, wo von der virulenten
tschechischen Exilgemeinde erste tschechische Nationalversammlungen abgehalten werden
Woodrow Wilson: den Völkern der Österreichisch-Ungarischen Monarchie steht freies
Selbstbestimmungsrecht für ihre Zukunft zu
Aber: dieses Dokument schreibt nichts anderes fest als das, was die politischen Eliten der
Doppelmonarchie schon längst diskutieren und schon längst umzusetzen beginnen
→ führt dazu, dass bis Ende November 1918 das Auseinanderfallen der Monarchie klar ist
→ neben dem ungarischen Sonderweg gibt es schon eine tschechische Nationalversammlung
Südslawen: auch Sonderweg: SHS-Staat: Kroaten und Slowenen wollen einen Staat mit
Serbien
als Trittbrettfahrer finden sich die deutschsprachigen Abgeordneten in einer
deutschösterreichischen Nationalversammlung zusammen
dabei gibt man sich der Illusion hin, das nationale Selbstbestimmungsrecht Wilsons sei
umsetzbar
→ die Vertreter der Sudetengebiete sind in der österreichischen Nationalversammlung
→ an der Illusion, das seien österreichische Gebiete, hält man bis zu den ersten Wahlen fest,
auch wenn die Gebiete da schon Teil der Tschechoslowakischen Republik sind
Wann fällt die Entscheidung, dass es keine Monarchie mehr gibt?
→ in Österreich: sehr spät
→ erst im Herbst 1918 entschließt sich die Sozialdemokratie für eine republikanische
Staatsform
die Realpolitiker der Christlichsozialen folgen (mit Rückendeckung der Kirche)
damit gibt es keine relevanten Legitimisten in Österreich
der 1. Weltkrieg hat in der Bevölkerung weitgehend den Nimbus des Hauses Habsburg
zerstört
letztlich ist die Monarchie mit Kaiser Franz Joseph 1916 zu Grabe getragen worden
das Königreich Ungarn scheidet unter dem Zerbrechen der dynastischen Klammer aus dem
Staatenverband aus, strebt eine republikanische Staatsform an und wird kurzfristig zu einer
Räterepublik
der Kaiser verzichtet unter Einfluss von Ignaz Seipel auf die Ausübung der
Regierungsgeschäfte, bleibt zunächst auch im Land
Das Kriegsende bedeutet eine weitgehende Zerstörung/Beendigung des aristokratischen
Milieus
Es ist das Ende der klassischen alten Reiche: Des zaristischen Russlands, des Österreichischen
Kaiserreiches, des Ungarischen Königreiches, des Deutschen Kaiserreiches und der Königsund Fürstenreiche, auch des alten Osmanischen Reiches → Ende des Sultanats
Verschwörungstheorien nach 1918: Laizistische, liberale, antiklerikale, freimaurerische
Kreise hätten den 1. Weltkrieg vom Zaun gebrochen, um das Gottesgnadentum der Herrscher
zu zerstören, das Christliche Europas zu zerstören
Republikanische Staatsformen seien antichristlich
→ Erklärungsversuche ohne echte Analyse
die Auflösung der Kriegsführung (der österreichische Generalstab erkennt, dass man den
Krieg nicht jenseits der Grenzen halten kann) führt zu einem Waffenstillstand, der auch in
Wien vom abtretenden Kaiser mitverantwortet wird
auffallend gerade im Hinblick auf die österreichische Frontenziehung: trotz
Auflösungserscheinungen gibt es eine hohe Stabilität der kämpfenden Truppe → wegen der
harten militärischen Gerichtsbarkeit, die die „innere Front“ kontrolliert
die politisch und militärisch Verantwortlichen sind nicht mehr in der Lage, weiterführende
Planungen umzusetzen
es gibt zivilen Widerstand in einigen Truppenteilen
aber physische und politische Erschöpfung des alten Regimes sind der entscheidende Anlass
für den Waffenstillstand, nicht eine Auflösung der Fronten
erst nach dem Waffenstillstand, erst nach dem Abtreten der alten Regierung kommt es zu
revolutionshaften Zuständen
Ungarn, Bayern: Ausrufung der Räterepublik
Wien: kommunistische Putschversuche
Aber die Putschversuche werden von den sozialdemokratisch organisierten Soldatenräten
rasch niedergeschlagen, trotzdem gibt es einige Tote
Koritschoner und die kommunistischen Räte müssen sich anhören, sie seien nicht mit der
nötigen Hingabe bei der Revolution gewesen
1930 wird bei den stalinistischen Säuberungen diese Gruppe liquidiert (Franz Koritschoner
wurde 1940 von Stalin ausgeliefert und starb im KZ Buchenwald).
Mit Präzision gelingt die Staatenbildung in der Tschechoslowakei, geprägt von Pragmatismus
nicht revolutionär wird der neue Staat aufbauend auf die vorhandene Verwaltung gesetzt
aus Verwaltungsapparaten unterschiedlicher Art (inklusive Polizei) der Monarchie werden
rasch republikanische Verwaltungsapparate
SHS: große Veränderungen
wirklich revolutionär, letztlich extrem dramatisch, ist die Situation in Ungarn, wo um Bela
Kuhn herum eine kommunistische Rätediktatur errichtet werden kann
kurzfristig schwebt das kommunistische Gespenst über Mitteleuropa
bei einem Fall Wiens hätte Mitteleuropa kommunistisch werden können (weil auch Bayern
kommunistisch war)
Ungarn: auch ausländische Interventionen, innerhalb auch erbitterter Widerstand → auf den
Roten Terror folgt der Weiße Terror
erhöhte Bereitschaft, politische Stabilität durch autoritäre Führung zu schaffen
das Neue an Ungarn wird sichtbar durch einen Admiral der österreichisch-ungarischen
Kriegsmarine: Horthy
nur relative Demokratisierung möglich
19. Jänner 2005
rekonstruieren wir noch einmal ganz kurz die Situation im 1. Weltkrieg
zum einen haben wir 1917 die entscheidende Kriegswende, weil sich die kontinentalen Kräfte
am Rande der Erschöpfung befinden
→ frische Zufuhr durch Eintritt der USA
außerdem: Veränderung wegen der russischen Revolution und dem Frieden mit Russland
endgültige Lösung: durch „Roadmap“ von Woodrow Wilson → Punktation: macht klar, wie
er sich eine Neuordnung Europas vorstellt
nationale Sichtweise streicht den jeweils als besonders negativ empfundenen Aspekt heraus
Wilson will eine transparente, nachvollziehbare Ordnung für die Zukunft → ähnlich dem
Wiener Kongress
Sonderinteressen sollen klar definiert werden
→ Verhinderung von Geheimabsprachen
Vorstellung, mit einem fixen Instrumentarium (Völkerbund) eine Plattform zu schaffen, um
Konflikte unter Einbeziehung aller Staaten zu regeln
dem stehen nationale Sonderinteressen entgegen
weitere Entwicklung: unterschiedliche Interessen der europäischen Mächte spielen eine Rolle
Landkarte: viele neutrale Staaten: Schweiz, Spanien, Dänemark, Holland, Schweden
→ nicht in den Krieg involviert, aber sie hatten unter den kriegsbedingten
Rahmenbedingungen extrem zu leiden
in Europa gab es einen allgemeinen Mangel an Verbrauchsgütern
Grippeepidemie: „Spanische Grippe“ → quer durch Europa großes Sterben
häufig stecken hinter Bezeichnungen wie „Spanische Grippe“ nationale Denunziationen
→ nationale sexuelle Denunziationen, so wie auch die Syphilis als „französische
Krankheit“ bezeichnet wurde
breiter Block an neutralen Staaten: Heilsgewissheit
→ bald wieder Frieden, bald wieder normale wirtschaftliche Verhältnisse
→ aber der Krieg hinterließ auch dort tiefe Spuren
die Schweiz war in der Zwischenkriegszeit ein sehr armes Land
diffus ist die Situation im Osten Europas → kein Anknüpfungspunkt an Vorkriegsmentalität
Osten geprägt vom Zusammenbruch des zaristischen Russlands und der Errichtung des
bolschewistischen Russlands
→ zunächst von Österreich-Ungarn diktierter Diktatfrieden
→ bei Friedenskonferenz wird Russland von den übrigen Mächten nicht zur Kenntnis
genommen
Vorstellung, die kommunistische Revolution könne auf Europa übergreifen → Russland wird
isoliert
auf den Krieg folgt in dieser Region noch der Bürgerkrieg → ausländische Interventionen
Kriegsende: keine Rückkehr Deutschlands zur Normalität
das Deutsche Kaiserreich ist mit Kriegsende zu Ende
Wilhelm II. geht Holzhacken
Deutschland ist bei Kriegsende als staatliche Einheit sichtbar geblieben
danach gibt es auch hier Abspaltungstendenzen
→ charakteristisch für alle mittel- und osteuropäischen Territorien
durch die Bank: nationale Komitees
→ „uralte legitime Forderungen“
→ obwohl der Nationalismus erst im 19. Jh. entstand
in diesem Milieu versucht man, unterschiedliche nationale Forderungen durchzusetzen
im Norden Europas: Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland
in der Mitte: Tschechoslowakei
im Süden: SHS-Staat, dann Königreich SHS → jugoslawischer Zentralstaat
Rumänien, Bulgarien, Griechenland: ihre Zukunft ist auch von den Alliierten abhängig
Griechenland und Makedonien führen Verhandlungen (mit SHS-Staat ?)
Alle Länder, die von der Neugestaltung betroffen sind, auch Deutschland und
Deutschösterreich, pochen auf die 14 Punkte Wilsons
die Punkte bekommen eine enorme Bedeutung für den kurzen Diskussionsprozess, der mit
hohen Erwartungen geführt wird → Erwartungen, die nicht erfüllt werden können
Punkt 10 von Wilsons 14-Punkte-Plan: Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter
den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit
zu autonomer Entwicklung zugestanden werden.
→ „Platz unter den Nationen“ bedeutet keinen eigenen Staat, sondern Selbstverwaltung
Punkt 13: Ein unabhängiger polnischer Staat sollte errichtet werden, der alle Gebiete
einzubegreifen hätte, die von unbestritten polnischer Bevölkerung bewohnt sind; diesem Staat
sollte ein freier und sicherer Zugang zur See geöffnet werden, und seine politische sowohl wie
wirtschaftliche Unabhängigkeit sollte durch internationale Übereinkommen verbürgt werden.
→ im Gegensatz zu dem, was er über Österreich-Ungarn sagt, ist hier eine klare Aussage, es
soll alle unbestritten von polnischer Bevölkerung bewohnten Gebiete inkludieren, und es soll
Zugang zum Meer geben → politische Ambitionen fließen ein
→ Korridor, der das Deutsche Reich teilt
→ Korridor, wo sich die mehrheitliche Bevölkerung als Deutsch versteht
ironische Auseinandersetzung mit nationaler Selbstfindung: Gregor von Rezzori: „Ödipus
siegt bei Stalingrad“
Daras Ritter von Boredekiewitsch: ein Deutschnationaler
Punkt 11 in Wilsons Plan (über die Balkanländer): Rumänien, Serbien und Montenegro
sollten geräumt, die besetzten Gebiete zurückgegeben werden. Serbien sollte ein freier und
sicherer Zugang zur See gewährt werden, und die Beziehungen unter den verschiedenen
Balkanstaaten zu einander sollten durch freundschaftliche Übereinkunft nach den
bestehenden geschichtlichen Richtlinien der Zugehörigkeit und der Nationalität geregelt
werden. Internationale Bürgschaften für die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit
sowie die Unverletzlichkeit des Gebiets der verschiedenen Balkanstaaten sollten geschaffen
werden.
→ diese Forderung unterstützt den südslawischen Staat und unterstreicht die Führungsrolle
Serbiens
Die Zusage des freien Zugangs zum Meer ist eine klare Absage an italienische Ambitionen,
dass nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie Italien den
Adriaküstenstreifen der Monarchie erben würde
Angesichts des Unterstreichens des Prinzips nationaler Identität hatten auch andere
Bevölkerungsgruppen wie z.B. die Iren eine hohe Erwartung → Irische Delegation bei den
Friedensverhandlungen
die 14 Punkte sagen im Wesentlichen nichts über die Zukunft von Deutschland aus
(sieht man von der Erwähnung des polnischen Zugangs zum Meer, der logischerweise auf
Kosten Deutschlands geht, ab)
also ist das erste halbe Jahr nach Kriegsende ausschließlich der deutschen Frage gewidmet
dabei geht es um die Sicherstellung der Interessen der europäischen Staaten gegenüber dem
Deutschen Reich
Interessen, die teilweise tiefe emotionale Hintergründe in den jeweiligen Ländern haben
Frankreich ist innerhalb von ca. 50 Jahren zweimal von Deutschland besetzt gewesen, hat
zweimal die Existenzbedrohung eines Krieges auf eigenem Boden erlebt
hatte außerdem enorme materielle Schäden im 1. Weltkrieg erlitten
England: Bevölkerung: existenzielle Krise → dramatische Formen, wie in der napoleonischen
Situation
England: wesentliche Teile der englischen Oberschicht haben ihre Söhne in Europa im Kampf
verloren
London: in der Nähe vom Windsor Castle: Eaton (Schule) → Innenhof: Totentafeln der
Jahrgänge
→ es wurden die, die im Krieg waren, weitgehend ausradiert
Englische Regimenter haben bis heute einen regionalen Stützpunkt → Regimenter werden
jeweils aus einer Region bezogen
bei der Materialschlacht im 1. Weltkrieg verlor man an einem Tag ganze Regimenter → über
Nacht stand ein Dorf ohne Männer da
→ später Appeasement-Politik gegenüber den Nazis wegen dieser Mentalität
Englische Gesellschaft der Nachkriegszeit: déluge (Sintflut)
Begriff „Sintflut“, weil
- viele vernichtet wurden
- aber auch: weil bei den Anderen, Überlebenden die Mentalität herrscht: „Nach uns die
Sintflut“
England finanzierte den 1. Weltkrieg über die Schuldenaufnahme in den Kolonien
→ im 2. Weltkrieg macht England noch mehr Schulden
→ man muss z.B. Indien wegen dieser Schulden in die Freiheit entlassen
→ ohne diese Situation hätte Gandhi keinen Erfolg gehabt
Schlagworte damals: „Hängt den Kaiser!“
„Presst die Deutschen, bis sie quietschen!“
für die materiellen Schäden soll Deutschland aufkommen
Dazu kommt, dass man die deutsche Armee im 1. Weltkrieg als die effizienteste,
ausdauerndste, leidensfähigste Truppe erlebt hat
→ Deutschland soll nie wieder eine derart effiziente Armee haben
Versailler Vertrag: 28. Juni 1919: 5 Jahre nach dem Tod von Franz Ferdinand unterzeichnet
die Amerikaner haben diesen Friedensvertrag nie ratifiziert
Deutschland tritt die Kolonien in Afrika ab → die noch vorhandenen (braunen)
Tropenhemden werden an die Bevölkerung abgegeben
→ die werden zu den Hemden der SA
auch in China: Verzicht
auch Verzicht auf die Konzessionen, die Russland im Diktatfrieden von Brest-Litowsk (1918)
gemacht hatte
Elsass-Lothringen wird an Frankreich „zurückgegeben“ → ob zurückgegeben, ist fraglich
Polen: bekommt direkten Zugang zum Meer → Korridor aus deutschem Gebiet (wo die
Mehrzahl der Bevölkerung deutschsprachig ist)
nationale Selbstfindung aller in einem Staat bekommt schon einen erheblichen Sprung
Tschechoslowakei: Gründung aus Mähren und Oberungarn
→ umfasst einen beträchtlichen Streifen mit deutschsprachiger Bevölkerung und
deutschsprachigen Siedlern, die aus unerfindlichen Gründen dann als
„Sudetendeutsche“ bezeichnet werden
→ diese Gebiete werden von Österreich vergeblich eingefordert
Grenzziehung: Bevölkerung wird nicht gefragt
aber es gibt Bereiche, wo man zum Mittel einer Volksabstimmung schreitet
→ Grenzkorrekturen zwischen Österreich und Ungarn zugelassen, Grenzkorrekturen
zugelassen auch in Bezug auf Kärntner Südgrenze
provisorische Regierung in Wien: Republik Deutschösterreich bekanntgegeben → Ansprüche
können nicht einmal in Ansätzen befriedigt werden
→ Kanaltal, Südtirol, Untersteiermark: gehen trotz beachtlicher deutschsprachiger
Gruppierungen verloren
unerwarteter Zugewinn: Westungarn (Burgenland)
die ohnehin durch die gemeinsame Habsburgische Geschichte belasteten Beziehungen
zwischen Österreich und Ungarn werden zusätzlich belastet
Trianon-Trauma: man kämpfte 4 Jahre gemeinsam, nun muss man auch noch was an den
Kriegspartner Österreich abgeben
1920: Schleswig: Volksabstimmung: friedliche Aufteilung zwischen Deutschland und
Dänemark
Oberschlesien: weniger friedliche Vorzeichen
→ zwischen Deutschland und Polen aufgeteilt
Danzig: freie Stadt → mit Schlichtungskommissar vom Völkerbund
Deutschland bleibt, vom polnischen Korridor abgesehen, in Summe erhalten
Deutschland bleibt als territoriale Großmacht auf der europäischen Landkarte, bleibt auch im
Wesentlichen im Besitz seiner Industrie und hat überdies kaum weitere Eingriffe in innere
Angelegenheiten zu erdulden, wenngleich die Alliierten demokratische Verhältnisse wollen
Eingeschränkt ist Deutschland nur dort, wo der Völkerbund verwaltet
→ z.B. im Saarland
Haupthypothek: Rückzahlung der Kriegsschulden, Reparationszahlungen
→ 64 Milliarden Dollar (geschätzt)
→ Kriegsschulden in Frankreich und Belgien, aber auch Bezahlung der durch den Krieg
erzwungenen Rüstung
de-facto Einigung auf 32 Milliarden Dollar
→ Rückzahlung wird fixiert auf 500 Millionen Dollar jährlich, mit 1,6% Zinsen
→ wesentlich weniger als der damals übliche Zinssatz
trotzdem steht ein „perpetuum mobile“ der Rückzahlung ins Haus
500 Millionen Dollar jährlich sind aufbringbar
→ was Frankreich 1871 zahlen musste war, in Relation zum Staatseinkommen gesehen,
wesentlich höher
als der Frieden kommt, verfügt Deutschland über eine funktionierende Infrastruktur
was 1919 noch nicht erkannt wird, ist, dass die Währung weitgehend zerstört ist
→ Hyperinflation
Habitus des deutschnationalen Märtyrers stellt Deutschland als Opfer dar
psychischer Bruch in der deutschen Bevölkerung: das unglaublich selbstbewusste,
waffenstarrende Volk zieht in den Krieg und ist 4 Jahre später absolut gedemütigt
die Verlustzahlen des 1. Weltkriegs sind deutlich höher als die des 2. Weltkriegs, sieht man
von der Zivilbevölkerung ab
Deutsche Armee: ist vernichtend geschlagen
Aber: steht bei Friedensschluss auf Feindesland → Dolchstoßlegende
Appell, nationalstaatliche Formen zu schaffen: Mittel- und Osteuropa: trotzdem Staaten mit
wesentlichen nationalen Minderheiten, denen aufgrund der Klausel in den Friedensverträgen
Schutz zukommen soll → damit haben’s die Staaten schwer
→ große Schwierigkeiten, die Klausel im eigenen Land umzusetzen, man fordert sie nur bei
eigenen Minderheiten in anderen Staaten ein
Minderheiten machen sich in einer Umbruchssituation radikal bemerkbar
ab 1938 werden Minderheiten umgesiedelt, ausgesiedelt
die Völkerbundsklauseln sollen aus Sicht der Vertragsmacher eine Stabilität schaffen, wie
auch der Appell auf eine Demokratisierung der Gesellschaft
Fachprüfung:
orientiert sich am Ablauf der Vorlesung
Themenbereiche:
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Begriff „Mitteleuropa“, Belastung des Begriffes „Mitteleuropa“
das lange 19. Jahrhundert im Hinblick auf den mitteleuropäischen Raum einer
Periodisierung unterwerfen
Erfindung der Nation
jüdische Emanzipation, Kolonisierung, jüdische Aufklärung, Antisemitismus und
Zionismus
Neue Ordnungsstrategien im 19. Jh
Wiener Kongress, Berliner Kongress
innerstaatliche Vorgänge wie der Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn
Bildung des Deutschen Kaiserreiches
Mitteleuropa am Vorabend des 1. Weltkriegs
Vorlesungsprüfung: Termine: immer am Montagvormittag → bitte vorher anrufen.
Anforderung: keine exakten Daten, aber ungefähre Richtung → z.B. nicht exaktes Datum
aller Ereignisse, aber ungefähr eine Ahnung haben, wann sie stattfanden
mögliche Errata:
Wie sie vor dem Fall des Eisernen Vorhangs bestanden → nicht eher vor dem Eisernen
Vorhang?
Mitteleuropa fassbar zu machen?
das lehrt Geschichtsunterricht im 19. Jh. in den habsburgischen Ländern?
Alt-Radice?
Italien → Ungarn (?)
Kampf als notwendige Formung angesehen?
Teile der Nation?
Festhalten an Symbolen?
Romantik in der Region verschränkt Literatur (?)
Danieloschitz?
Erhöhte Loyalität der Truppen, ihr Hauptfeind waren die Ungarn → welcher Truppen?
0,78 %(?)
bis 1866 auf (?) Prozent
Pörtschach ist bis 1877 (?)
10, 15 (?) Jahre später
bis 1915 (1914?)
Anspruch auf das Reich des Kaisers (?)
70 % im Jahr 1869 (?)
Zwar behauptete keine Partei in Österreich in den 70ern, sie sei nicht liberal, dennoch gab und
gibt es keine Chance für eine über den Liberalismus definierte Partei (dennoch oder
deswegen?)
Wahlreform 1905/07 (?)
für das katholische Milieu Mitteleuropas war damit der Faschismus akzeptabel oder war der
Faschismus akzeptabel?
Stefan Viros (?)
Sanjaq von Belizar ?
bis 1914 (?) Getreideexport
weit über 90% der Erdölförderung?
Bulgarischen Gräuel → wer war hier grausam? bulgarischer Widerstand oder türkische
Niederschlagung?
Ehrenthal? → wer war das, wie hieß er?
polnische (?) Steinmetze
Finnisches Reich (?)
weltweit extremstgeschulte Truppe (Preußen?)
den „blutrünstigen Pfaffen von der Festenburg“?
„virulenten (?) tschechischen Exilgemeinde“
Griechenland und Makedonien führen Verhandlungen (mit SHS-Staat ?)
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