Vorwort Bücher über Translation und Translationswissenschaft gibt es auf dem Markt in großer Zahl. Dieses Lehrbuch ist aus dem Bestreben entstanden, den Studierenden der Belgrader Universität am Lehrstuhl für Germanistik für ihren ersten Kontakt mit der Translatologie ein modernes Lehrwerk in die Hand zu geben, dass vorlesungsbegleitend das theoretische Rüstzeug so umfassend wie nötig und so anschaulich wie möglich darlegt. Selbst in Anbetracht aller sich bietenden Reise- und Einkaufsmöglichkeiten kann kaum erwartet werden, dass sich Studierende in jedem Kurs selbst mit aller nötigen Literatur versorgen – insofern ist dieses Buch als Erleichterung für sie in jeder Hinsicht, materieller wie wissenschaftlicher, gedacht. Es sind jedoch nicht nur uneigennützige Motive, welche es entstehen ließen. Es soll gleichzeitig auch das theoretische Basiswissen enthalten, welches für die Ablegung der entsprechenden Prüfungen der translatorischen- und translationswissenschaftlichen Kurse abgefordert werden soll. Translationswissenschaftliche Klassiker und Newcomer haben ebenso Eingang gefunden, wie Erkenntnisse, Forschungsergebnisse, Meinungen, Gedanken und Beispiele (meist mit Bezug auf das Sprachenpaar Deutsch/Serbisch) der Autorin selbst. Die einzelnen Kapitel sind bis auf Kapitel 14 in chronologischer Reihenfolge entsprechend den Vorlesungen angeordnet. Kapitel 14 muss aus technischen Gründen des praktischen Dolmetschunterrichts in der Vorlesung vorgezogen werden. Die theoretischen Standpunkte sind stark in der Tradition der Humboldt-Universität zu Berlin mit ihrer 120-jährigen Erfahrung in der Sprachmittler-Ausbildung verhaftet (die nun leider 2009 der globalen Finanzkrise zum Opfer fiel – hoffentlich nur vorübergehend), wo die Autorin sowohl ihre Ausbildung erhielt, als auch selber in Lehre und Translationspraxis über viele Jahre aktiv tätig war. An dieser Stelle soll noch betont werden, dass die Personenbezeichnungen maskulinen grammatischen Geschlechts als generische Lexeme für beide Geschlechter verstanden werden sollen, wie z.B. Translator, Dolmetscher und Übersetzer etc., welche also stehen für TranslatorInnen, DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen; auf die movierten Formen wurde weitgehend aus praktischen Gründen bewusst verzichtet. Da sich die Autorin selbst jedoch durchaus als emanzipierte Frau sieht, mögen sich die VertreterInnen der Zunft ebenfalls nicht diskriminiert fühlen. Sicher wird diese erste Auflage im Laufe der Zeit viele Veränderungen erfahren, für Hinweise und Anregungen wird immer ein offenes Ohr da sein. Errando discimus. Ein Anfang ist gemacht. Belgrad, September 2009 Annette Đurović 1 Abkürzungsverzeichnis AS – Ausgangssprache AT – Ausgangstext MÜ – Maschinelles Übersetzen NÄ - Nulläquivalenz Trl. – Translation TW – Translationswissenschaft Tw – translationswissenschaftlich ZS – Zielsprache ZT - zielsprachiger Text 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 1.1. Translationswissenschaft – Stellenwert und Selbstverständnis 1.1.1. Herleitung des Terminus Translation und Translationswissenschaft 1.2. Phasen des Entwicklungsprozesses der Translationswissenschaft 1.3. Gliederung der Translationswissenschaft 1.4. Leitthemen einer modernen Translationswissenschaft 2. Die Berufspraxis von DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen 2.1. Der Beruf des Dolmetschers und Übersetzers 2.2. Bereiche der Berufspraxis 2.2.1. Der Fachübersetzer 2.2.2. Der literarische Übersetzer 2.2.3. Die Softwarelokalisierung 2.2.4. Dolmetscher und Übersetzer in der Europäischen Union 2.2.5. Der Konferenzdolmetscher 2.2.6. Der Gerichtsdolmetscher 2.2.7. Community interpreting 3. Übersetzer und ihre Theorien 3.1. Explizite und implizite Übersetzungstheorie 3.1.1. Sprachbezogene Betrachtungsweise 3.1.1.1. Martin Luther – verdeutschende Übersetzung 3.1.1.2. Wilhelm von Humboldt – Einheit von Sprache und Denken 3.1.1.3. Friedrich Schleiermacher – verfremdende Übersetzung 3.1.1.4. Benjamin Lee Whorf 3.1.1.5. Dekonstruierende Wiederholung 3.1.1.6. Universalientheorie und generative Transformationsgrammatik 3.1.1.7. Maschinelle Übersetzung 3.1.1.8. Translationslinguistik 3.1.1.9. Stilistique comparée 3.1.2. Textbezogene Übersetzungstheorien 3.1.2.1. Übersetzung der Bibel und Translationswissenschaft (Nida) 3 3.1.2.2.Textlinguistik und Translationswissenschaft 3.1.2.3. Aspektives Übersetzen (Gerzymisch-Arbogast) 3.1.2.4. Übersetzung literarischer Texte 3.1.3. Disziplin-, Handelns- und übersetzerbezogene Übersetzungstheorien 3.1.3.1.Feldtheorie (Holmes) 3.1.3.2. Descriptive translation studies (Toury) 3.1.3.3. Schicht- und Stratifikationstheorie (Snell-Hornby) 3.1.3.4. Scenes and frames (Vannerem/Snell-Hornby) 3.1.3.5. Skopostheorie (Reiß/Vermeer) 3.1.3.6. Pariser Schule – Deverbalisierung (Seleskovich, Lederer) 3.1.3.7. Relevanztheorie (Gutt) 3.1.3.8. Multiperspektivität, Individualität und Kreativität (Paepcke, Stolze, Kussmaul) 4. Geschichte der Translation 4.1. Anfänge des Dolmetschens 4.2. Anfänge des Übersetzens 4.3. Zur Geschichte der Translation in deutschen Sprachraum 4.3.1. Althochdeutsche Zeit (8. – 11. Jahrhundert) 4.3.2. Mittelhochdeutsche Zeit (11. – 14. Jahrhundert) 4.3.3. Frühneuhochdeutsche Zeit (14. – 17. Jahrhundert) 4.3.4. Neuhochdeutsche Zeit (ab 17. Jahrhundert) 5. Definition der Translation 5.1. Translation als ureigenes Objekt der Translationswissenschaft 5.2. Arten der Translation 5.3. Gegenstandsbestimmung der Translationswissenschaft 5.4. Arbeitsdefinitionen 6. Modelle des Übersetzens 6.1. Das kommunikationswissenschaftliche Modell von Nida (1969) 6.2. Faktorenmodell von Reiß (1985) 6.3. Stratifikationsmodell (Texttypen als Prototypen) von Snell-Hornby (19..) 6.4. Zirkelschema von Nord (1988) 4 6.5. Rollenmodell von Holz-Manttäri (1984) 6.6. Flussdiagramm von Hönig (1995) 6.7. Integratives Modell der Translation von Nagorr (1992) 7. (Un-)Übersetzbarkeit und (Null-)Äquivalenz 7.1. Nulläquivalenz 7.2. Grenzen der Übersetzbarkeit 7.2.1. Übersetzbarkeit als Problem der Verstehbarkeit 7.2.2. Übersetzbarkeit als Problem der Ausdrucksfähigkeit 8. Äquivalenz 8.1. Äquivalenz nach Kade (1968) 8.2. Äquivalenz nach Koller 8.3. Äquivalenz und Adäquatheit 8.4. Arbeitsdefinition der Äquivalenz 9. Übersetzung und Linguistik im engeren Sinn 9.1. Linguistik im engeren Sinne 9.1.1. Übersetzungsstrategie, Übersetzungstechnik und Übersetzungsverfahren 9.2. Phonetik/Phonologie und Translation 9.3. Morphologie/Syntax und Translation 9.4. Lexik: Wortbildung und mehr 9.4.1. fehlende Wortbildungsprodukte in der Zielsprache – das Problem der Periphrase 9.4.2. fehlinterpretierbare Wortbildungsprodukte 9.4.3. morphologische Motivation oder Bildungsdurchsichtigkeit 9.4.4. Phraseologie und Translation 9.5. Faux amis 9.6. Die funktionale Satzperspektive als Problem der Übersetzung 9.6.1. Diathese 9.6.2. Satzakzent und Intonation 9.6.3. Der Artikel 9.6.4. lexikalische Konversen 9.6.5. Serialisierung 5 9.6.6. Abtönung 10. Übersetzung und Linguistik im weiteren Sinne 10.1. Übersetzung und Semantik 10.2. Soziostilistische Probleme der Übersetzung 10.3. Textlinguistik (im weiteren Sinn) und Übersetzung 10.4. Übersetzung und Fachsprachen 11. Übersetzung und Literaturwissenschaft 11.1. Zentripetales und zentrifugales Übersetzungsverfahren 11.2. Manipulation School 11.3. Übersetzung von Dramen 12. Übersetzungsvergleich und Übersetzungskritik 12.1. Übersetzungsvergleich 12.1.1. Übersetzungsvergleich im Dienste der kontrastiven Sprachwissenschaft 12.1.2. Übersetzungsvergleich im Dienste der Translationswissenschaft 12.2. Übersetzungskritik 13. Dolmetschwissenschaft 13.1. Anwendungsgebiete der Translationsart Dolmetschen 13.2. Konferenzdolmetschen: Konsekutivdolmetschen und Simultandolmetschen 13.3. Die Pariser Schule 13.4. Qualität von Verdolmetschungen 13.5. Berufsethik und Leistungsbeurteilung 13.6. Gebärdendolmetschen 14. Notationssprache und Notizentext 14.1. Konsekutivdolmetschen ohne Notation 14.2. Konsekutivdolmetschen mit Notation 14.2.1. Notationsschulen 14.2.2. Grundprinzipien der Notation 6 15. Überwindung von Sprachbarrieren mit Plansprachen? 15.1. Einteilung der Plansprachen 15.1.1. A priori 15.1.2. A posteriori 15.2. Geschichte der Plansprachen 15.3. Esperanto 16. Elektronische Hilfsmittel in der Translation 16.1. Sprachdatenverarbeitung 16.2. Internet 16.3. Das Hilfsmittel elektronisches Wörterbuch 16.4. Terminologieverwaltung 16.4.1. Terminologieverwaltungssysteme 16.5. übersetzungsorientierte Sprachdatenverarbeitung 16.6. Maschinelles Übersetzen 17. Links für Dolmetscher und Übersetzer 18. Literatur 19. Register 7 1. Einführung 1.1. Translationswissenschaft – Stellenwert und Selbstverständnis Die Translationswissenschaft oder Translatologie, landläufig auch Übersetzungswissenschaft genannt, ist eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin. (Warum die letztere Bezeichnung nicht ganz korrekt ist, werden wir im Laufe unserer Betrachtungen erörtern.) Sehen wir uns den Eintrag im Metzler Lexikon Sprache an, ein für die Linguistik maßgebendes Nachschlagewerk, so finden wir folgenden Eintrag: Übersetzungswissenschaft - Teilgebiet der angewandten Sprachwissenschaft, die sich mit den besonderen Problemen des Dolmetschens und Übersetzens befasst und gelegentlich von Praktikern als selbständige Disziplin postuliert wird. Ihre Fragestellungen betreffen v.a. die Praxis des Sprachvergleichs, vergleichende Stilistik, Metaphorik und Idiomatik und Kulturvergleiche i.w.S., so dass der Ausdruck Übersetzungswissenschaft eher als Programm denn als Bezeichnung einer wiss. Disziplin gelten muss.1 Spätestens hier wird klar, dass sie es bis heute schwer hat, sich unter den älteren Wissenschaftsdisziplinen als eigenständiger Zweig zu etablieren. Immer wieder werden auch heute noch Translatologen damit konfrontiert, dass ihre Eigenständigkeit gerade von eingefleischten Sprachwissenschaftlern in Frage gestellt wird. 1.1.1. Herleitung des Terminus Translation und Translationswissenschaft Das Wort Translation an sich geht auf translatio (Übertragung, Verpflanzung) zurück. Bereits im Grimmschen Wörterbuch findet man Translation in folgenden Bedeutungen: 1) ´erhebung von eim ort zum andern, als man etwa mit der verstobnen heyligen cörper gethon´ 2) daneben in älterer zeit speziell ´verdolmetschung´, ´übersetzung´, anfänglich sogar mit eingedeutschter form: in der ersten translatze dieses buches von 1 Lexikon Sprache: Übersetzungswissenschaft, S. 1. Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache, S. 10248 8 Euriolo und Lucrezia, dazu translatieren, vb. ´übersetzen, in eine andere sprache bringen´2 3) In der Medizin findet sich Translation als Fachterminus in der Proteinsynthese Etwa in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde Translation als Hyperonym für Übersetzen und Dolmetschen in die Translationswissenschaft eingeführt, parallel dazu Translat für das Produkt von Übersetzungs- und Dolmetschprozessen und Translator für den Ausführenden.3 Die Logik ist Folgende: Wenn wir Translation als Oberbegriff für Dolmetschen und Übersetzen nehmen, so ist strenggenommen Übersetzungswissenschaft nur die Wissenschaft vom Übersetzen, und die Wissenschaft vom Dolmetschen muss dann als Dolmetschwissenschaft bezeichnet werden. Die beide Prozesse theoretisch und praktisch erhebende Wissenschaft muss somit als Translationswissenschaft bezeichnet werden. Otto Kade (1973:184) hierzu: „Hier ist wieder das Dilemma: ´Übersetzungswissenschaft´ ist unscharf aber eingebürgert, `Translationswissenschaft` ungewohnt, befremdend, aber aus einem Begriffssystem, das definiert wurde, abgeleitet. Eine so verstandene ... Translationswissenschaft liefert immer noch nicht alle wissenschaftlichen Vorgaben für die Praxis, denn auch eine relativ breit gefasste linguo- semiotische Disziplin gibt keine Antwort auf die Frage: Was wird übersetzt? Welche Bearbeitung der Übersetzung ist entsprechend der Informationserwartung des Empfängers notwendig? Wir können es uns nicht mehr leisten, auf gut Glück zu übersetzen und abzuwarten, welchen Wert die Übersetzung für den Auftraggeber hat. In der Praxis wird in zunehmendem Maße mit der Übertragung eine Bearbeitung einhergehen müssen, die von der Informationserwartung des Empfängers ausgeht. Auf diese u.ä. Fragen kann die Translationswissenschaft keine Antwort geben, weil hierfür Faktoren relevant sind, die nichts mit Sprache und Wirken der Sprache zu tun haben und deshalb auch nicht linguistisch... beschreibbar sind“.4 Genau diese Tatsache ist der Grund dafür, dass die Translatologie, obgleich nun schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts relativ weit verbreitet, immer noch das Problem hat, nicht den Stellenwert zugewiesen zu 2 Grimm, Jacob/ Grimm, Wilhelm: Deutsche Wörterbuch. Bd. 11, 1.Abt. 1. Teil. Leipzig: S. Hierzel, 1935 3 Salevsky, Heidemarie (2002: 91) 4 Salevsky (2002:58) 9 bekommen, der ihr zusteht, meist seitens Vertretern der sog. präzisen Wissenschaften, mit der Begründung, dass die Translation ein Prozess sei, der ohnehin niemals objektiv erfasst werden könne. Dies wird bis zum heutigen Tag immer wieder von Translatologen beklagt. Sogar Translatologen selbst stellen mancherorts die Selbständigkeit der Translatologie in Frage: „Die Übersetzungswissenschaft definiert sich in ihren Theorien bis heute noch weitgehend über die Anleihe beim theoretischen Gedankengut anderer (benachbarter) Disziplinen. Dieser Mangel an Eigenständigkeit hat bislang die Ausprägung eines gesonderten Forschungsprofils und die Entwicklung eines Selbstverständnisses über das Primat eigener, übersetzungsspezifischer Gegenstände, Begriffe und Methoden verhindert. Setzt man diese Bilanz in Beziehung zu Programmen, Ansprüchen und Legitimationsversuchen in Einleitungen und Handbüchern zur Übersetzungswissenschaft, drängt sich die Frage auf, ob jeweils durch die Wahl des Ausdrucks Übersetzungswissenschaft nicht etwas als gegeben betrachtet wird, dessen Existenz erst nachzuweisen wäre, nämlich die Etablierung der Übersetzungswissenschaft als wissenschaftliche Disziplin. Bekanntlich lassen sich unterschiedliche Auffassungen von Wissenschaft vertreten, und folgt man der Unterscheidung, dass man Übersetzungsforschung durch die Eigenschaft „auf einen Erkenntnisgewinn abzielend“ und „methodisch sich an allgemein geltende Konventionen und Normen haltend“ von Übersetzungswissenschaft abgrenzt, erscheint das Missverhältnis zwischen der verbreiteten Ausübung der Tätigkeit „Übersetzungswissenschaft betreiben“ und dem offenbar bescheidenen Ergebnis dieser Tätigkeit nicht weiter erstaunlich. Wendet man nun schließlich das von Wiegand (1998; 89ff) entwickelte Verfahren zur Ermittlung des Status der Forschungen zu einem Forschungsfeld an, kommt man wohl jenseits aller Subjektivität zum Schluss, dass die Übersetzungswissenschaft keine wissenschaftliche Disziplin im wissenschaftstheoretischen Sinne ist.5 Dazu sei festgestellt, dass es durchaus andere Studien gibt, welche anhand des Einsteinschen Wissenschaftsmodells nachweisen, dass die TRL eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin ist (S. Salevsky: 2002). Das, was seitens der Vertreter der klassischen sprachwissenschaftlichen Disziplinen der Translatologie vorgeworfen 5 Rovere, Giovanni2004): In: Übersetzungswissenschaft, Dolmetschwissenschaft. Wolfgang Pöckl (Hrsg.), Wien, S. 283 10 wird, nämlich der Mangel an Eigenständigkeit und an praktisch nachvollziehbaren Ergebnissen, stellt andererseits die Herausforderung in Theorie und Praxis der Translatologie dar. Neben dem Terminus der Translationswissenschaft gab es in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Bestrebung, diesen Wissenschaftszweig auch Sprachmittlungswissenschaft zu nennen. Sprachmittlung war als empirischer Begriff von Monien (dem Leiter der 1933 in Berlin gegründeten Reichsfachschaft für das Dolmetschwesen) eingeführt worden, indem dieser feststellt, dass man danach trachten müsse, dass für die Bezeichnung dieses Berufsstandes in den Wortschatz der deutschen Sprache ein einheitlicher Oberbegriff aufgenommen werde, der einerseits die Bezeichnung ´Dolmetscher´ wieder zum Ehrentitel für den wahren fremdsprachlichen Meister werden ließe und andererseits der geradezu babylonisch anmutenden Sprachverwirrung von ´Sprachkennern´, ´Sprachvermittlern´, ´Fremdsprachlern´, ´Sprachkundigen´ u.a. ein Ende setze. Er fragt, ob nicht der Ausdruck ´Sprachmittler´ all die Werte wiedergibt, die in den alten, unzulänglichen Bezeichnungen enthalten sind? Es handele sich nur darum, den Mut zu haben, dieses neue Wort in den Sprachschatz des Deutschen eingehen zu lassen... Der Dolmetscher sei auch ein Sprachmittler. In der berufsmäßigen Gliederung des Dolmetschwesens solle ihm dann der Übersetzer folgen, der dem Dolmetscher oft ebenbürtig zur Seite stehen könne. Sie alle seien Sprachmittler. Dieser Terminus der Sprachmittlungswissenschaft wurde dann in den 80er Jahren von Otto Kade aufgegriffen und besonders in der ehemaligen DDR verbreitet.6 Im Laufe der Entwicklung findet man für Translationswissenschaft im Englischen sowohl „science of translation“ als auch „translation studies“. Einige Translationswissenschaftler, z.B. Holmes, lehnen den Begriff „Translation science“ mit der Begründung ab, dass science sich im Englischen mehr auf die exakten Wissenschaften bezieht. In diesem Zusammenhang sind Namen zu nennen wie James Holmes, Anton Popovič, Eugene Nida. In jedem Fall jedoch, egal ob deutschsprachiger oder englischsprachiger Raum, besteht Einigkeit über den Angewandten Bereich mit den Teilbereichen Kritik, Ausbildung und Hilfsmittel. 6 Salevsky (2002): 58 - 63 11 Im beginnenden 21. Jahrhundert ist zumindest jedoch die Frage: Translatologie – was ist denn das? – nahezu verstummt. In den vergangenen drei Jahrzehnten gelang es, die Aussagen zur Jahrhunderte geübten sprachmittlerischen Praxis in wissenschaftlicher Annäherung zu betrachten, die aufgeworfenen Probleme an Forschungsergebnissen und Methoden anderer Wissenschaften (Linguistik, Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Semiotik, Handlungstheorie, Kulturwissenschaften u.a.) zu messen, daraus eigene Ansätze zu entwickeln und theoretisch zu fundieren. Die ernsthafte Notwendigkeit, die seit Jahrhunderten geübte Praxis des Übersetzens/Dolmetschens wissenschaftlich zu untermauern, entsprang dem nach dem 2. Weltkrieg stetig zunehmenden Bedarf an Translation in Politik, Wirtschaft und Technik, dem man mit der verstärkten Einrichtung universitärer Ausbildungsstätten für Übersetzer und Dolmetscher begegnete. Von den dort Lehrenden und Absolventen ging dann das Bemühen um wissenschaftliche Fundierung des Übersetzens und Dolmetschens mehrheitlich aus. 1.2. Phasen des Entwicklungsprozesses der Translationswissenschaft Der lange Prozess, in dem sich in der Folge die Translatologie herauskristallisierte und mehrere Modelle des Translationsprozesses entwickelt wurden, kann in verschiedene Phasen untergliedert werden: - 1. die linguistische Phase, in der die Diskussion des Begriffs Äquivalenz die Translatologie prägt - 2. die integrativ-emanzipatorische Phase, in der die Translatologie sich anderen Wissenschaftsbereichen öffnet, deren Erkenntnisse mit einbezieht, sich aber gleichzeitig von ihnen emanzipiert und als eigene Disziplin herauskristallisiert, - 3. die Phase der handlungstheoretisch fundierten funktionalen Ausrichtung der Translation - 4. die Phase der kognitiv-emotionalen Ausrichtung auf den eigentlichen Translationsprozess.7 7 Annemarie Schmid (2004): in: Pöckl (Hrsg), S. 315, 316 12 1.3. Gliederung der Translationswissenschaft Wir unterscheiden heutzutage folgende Bereiche der Translatologie: Translationswissenschaft Theoretischer Bereich Angewandter Bereich Allgemeine Translationstheorie spezielle Translationstheorie Dolmetschtheorie Übersetzungstheorie Angewandter Bereich Bereich Übersetzen Bereich Dolmetschen Kritik Ausbildung Hilfsmittel Kritik Ausbildung Hilfsmittel 1.4. Leitthemen einer modernen Translationswissenschaft Ausgehend von der gegenwärtigen Situation, in der sich die Translationswissenschaft befindet, können einige Leitthemen herausgearbeitet werden, welche die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Translation motivieren und organisieren, und zudem vom erwartbaren Erkenntnisgewinn her diese Beschäftigung für eine breitere (wissenschaftliche und außerwissenschaftliche) Gemeinschaft signifikant machen können. Diese Themen und die Beantwortung der darin eingeschlossenen Fragen können innerhalb des Gegenstandsbereichs der Translationswissenschaft, die mehrsprachige Wissensverarbeitung ausmachen, sowie die Erarbeitung und Integration eines Bestandes an Methoden anregen, die unabhängig von Fragen der 13 Abgrenzung von Sprach- und Translationswissenschaft für jeden, der sich mit menschlicher Sprache wissenschaftlich auseinandersetzt, von großer Bedeutung sind. 1. „Translation und ihre Rolle im Sprachkontakt, Sprachvariation und Sprachwandel“. Translation in ihren verschiedenen Manifestationen ist eine der wichtigsten Formen, in denen sich Sprachkontakt realisiert. In Geschichte und Gegenwart sind Sprachen durch Translation in Kontakt getreten und haben sich gegenseitig beeinflusst. In dem Maße, in dem Translation innerhalb und außerhalb interkultureller Institutionen immer mehr zu einem Massenphänomen wird, dürfte sich ihre Bedeutung für die Sprach- und Kulturentwicklung in Zukunft noch erhöhen. Dieses Phänomen ist in der Gegenwart durch allgemeine Globalisierungsprozesse höchst aktuell. Außerdem erhöht sich auch die Verbindung zu dem, was als sprachliche Variation bezeichnet wird – einerseits dadurch, dass das Translat an sich eine wichtige Variante des Textes darstellt, andererseits dadurch, dass funktionale Varianten verschiedener Sprachen (Fachsprachen, Register etc.) immer häufiger durch Übersetzung zueinander in Kontakt treten. Wir können davon ausgehen, dass in unserer Zeit die funktionalen Varianten gegenüber den regionalen stark an Bedeutung gewonnen haben, somit wird der durch menschliches Handeln gekennzeichnete Raum gewichtiger als der regionale im geographischen Sinn, dann wird deutlich, dass hier Translation für die Entwicklung der Sprache und Kultur zu einem zentralen Medium in diesem Prozess wird. Hierzu erarbeitet sich die Translationswissenschaft Positionen und muss dies auch in naher Zukunft tun, etwa in der Auseinandersetzung um Fragen sprachlicher und kultureller Dominanz. Darüber hinaus kann die Translationswissenschaft durch rechnergestützte umfangreiche (Translations-) Textkorpora vielleicht zum ersten Mal die Frage, wie sich Translation und verwandte Prozesse auf den Sprachwandel auswirken, anders als nur exemplarisch anzugehen. In diesem Arbeitszusammenhang kann die Translationswissenschaft zunächst auf Verfahren der Korpuslinguistik zurückgreifen, wird dann aber auch eigene Verfahren benötigen, etwa um die grammatisch-strukturellen Kategorien der Korpuslinguistik in Beziehung zu setzen zu den eigenen, eher semantischen Kategorien der Textanalyse. So betrachtet ist es nicht Sinn der translatologischen Untersuchungen, dass sich die Translationswissenschaft scharf abgrenzt zu den Prozessen von 14 Sprachkontakt, Sprachvariation und Sprachwandel (da diese ja alle auch zum Gegenstandsbereich der Sprachwissenschaft gehören), sondern sich als Teil und vielleicht auch als Medium dieser Prozesse versteht. Hierzu ist es einerseits erforderlich, dass sich die Translationswissenschaft auf dem Gebiet der Entwicklung eigener Methoden weitreichend spezialisiert, wobei andererseits es jedoch auch unbedingt erforderlich ist, mit den anderen genannten wissenschaftlichen Disziplinen (nicht nur Translationswissenschaft und Sprachwissenschaft, sondern auch Sozial- und Kulturwissenschaften) zu kooperieren. Daraus entstünde dann nicht Ab- und Ausgrenzung, sondern die Verbreiterung der Dialogfähigkeit und die Fähigkeit zur themenorientierten wissenschaftlichen Arbeit an gemeinsamen Projekten. 2. Evaluierung von Texten. Dies sollte vor allem insbesondere auf der Grundlage eines Begriffes von funktionalen Varianten vorgenommen werden, oder ´Register´. (Das Register bezeichnet in der Soziolinguistik eine funktionale Sprachvariante, die verbunden ist mit unterschiedlichen Berufsgruppen und sozialen Gruppierungen (d.h. z.B. naturwissenschaftliche Register, Register der Piloten, religiöses Register usw.) vor allem bezogen auf das distinkte Vokabular; in der Fachsprache: In der Tradition der Londoner Schule steht der Terminus in Opposition zu Dialekt und Soziolekt, die den Sprachbenutzer kennzeichnen, während Register »varieties according to use« bezeichnet. Ein Register ist »what you are speaking« (zu einem bestimmten Zeitpunkt), in Abhängigkeit von »what you are doing« als sozialer Aktivität. Man unterscheidet nach field, mode und manner des Diskurses. Field bezieht sich auf den institutionellen Rahmen, in dem diese Varietät gebraucht wird, mode bezieht sich auf die durch den Kommunikationskanal bedingten Unterschiede, wo nicht nur schriftlich vs. mündlich unterschieden wird, sondern auch z.B. schriftliche Texte, die geschrieben wurden, um gelesen zu werden (Vorträge usw.; Mündlichkeit); manner (Tenor oder Stil) bezieht sich auf die Beziehung zwischen Sprachteilnehmern und den Stilunterschieden, die diese Beziehung reflektiert. Register, Dialekt und Soziolekt sind überlappende Termini. 8 Der Begriff des Registers hat im Bereich der Translatologie mehrfach Anwendung gefunden, und zwar sowohl für die 8 Lexikon Sprache: Register, S. 2. Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache, S. 7916 (vgl. MLSpr, S. 571) (c) J.B. Metzler Verlag 15 übersetzungsbezogene Textanalyse, als auch für die Übersetzungsbewertung. Das Konzept kann von zwei komplementären Seiten her begründet werden: zum einen vom sprachlichen System her als kontextspezifische Subgrammatiken der Lexika, und zum anderen von der sprachlichen Instanz, also vom Text her, als Texttyp. Die Translatologie hat ein offenkundiges Interesse an diesem Konzept, aber sie hat in ihrer Perspektive auch Besonderes zu bieten für seine Weiterentwicklung: Einerseits können wir davon ausgehen, dass die Translation an sich ein eigenständiges Register darstellt, dessen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen ist, dass es sich über viele Textsorten und Typen hinweg erstreckt. Andererseits bietet die translatologische Sicht eine aufschlussreiche Herangehensweise zu Fragen des Textverständnisses an sich. Überaus wichtig für die Translatologie ist auch das Problem der Bewertung von Texten, es wird also nicht nur nach der Konstituierung von Bedeutung gefragt, sondern auch nach der Angemessenheit des Translats in Bezug auf den zielsprachigen Kontext. Die Linguistik bemüht sich seit langem, Verfahren der Registeranalyse und Textklassifizierung zu entwickeln, aber daran anschließende Verfahren zur Textbewertung, was in der Translationswissenschaft nicht erst seit heute auf der Tagesordnung steht, stellen eine echte Neu- und Weiterentwicklung der bisher vorhandenen theoretischen und praktischen Untersuchungen dar. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die vorhandenen Untersuchungen bereits in ausreichendem Maße erschöpfend entwickelt worden sind. Es gibt jedoch vielversprechende Ansätze in dieser Richtung. 3. Der menschliche Translationsprozess an sich. Hierzu können wir bereits empirische Übersetzungsforschung mit reichhaltigen Ergebnissen vorweisen, welche durchaus nicht als abgeschlossen betrachtet werden sollten, sondern immer wieder Anlass für interessante Untersuchungen bieten. Diese Untersuchungen sollten jedoch nicht einseitig als einziger Stützpfeiler der Forschungen des Translationsprozesses sein. Entwickelt werden sollten Verfahren, welche theoretisch motivierte Kategorien (z.B. Übersetzungsmethode, Übersetzungsprozedur, sprachliche Ebenen, Bewertungskategorien etc.) in Beziehung setzen zu psychologischen Prozessen (erwähnenswert wäre hier vielleicht die Einbeziehung des Sensitivitätsmodells Prof. Vester), unabhängig davon, ob sich die 16 Translatoren selbst der sich vollziehenden Prozesse bewusst sind oder nicht. Viele dieser Ebenen der Sprachverarbeitung sind den Handelnden durchaus nicht bewusst und die Translationswissenschaft könnte durch die Erarbeitung von Methoden und Werkzeugen zu deren Erfassung dazu beitragen, über das Verständnis des Translationsprozesses den Verstehensprozess in der komplexen Sprachverarbeitung besser zu kennen. Diesbezügliche Forschungen sind relativ neueren Datums und warten darauf, ausgebaut zu werden. 4. Multilinguale und multifunktionale sprachliche Systemkomponenten und die Begriffe der Generalisierung und Abstraktion im sprachlichen System. Dieser Forschungsbereich ist in der jüngeren Vergangenheit durch Verbindung von Linguistik und Computerlinguistik entstanden. Es stellt sich hier die Frage, ob und wie man auch einzelsprachliche Systemfragmente so generalisieren und abstrahieren kann, dass die entstehenden Fragmente produktiv nutzbar werden für die multilinguale Sprachverarbeitung, z.B. die maschinelle Übersetzung. Ein auf allgemeinerer Ebene bisher eher programmatisch verwandter Terminus in diesem Zusammenhang aus dem Bereich der Translation ist der Begriff der Übersetzungsgrammatik. Hier könnte ein bedeutsames Forschungsfeld entstehen an einem Schnittpunkt von Vergleichender Sprachwissenschaft, Sprachtypologie, Translationswissenschaft und Computerlinguistik. Die Translationswissenschaft könnte hier eine perspektivreiche Forschung zur Problemlösung einbringen, indem sie nicht nur vergleichende Untersuchungen anstellt, sondern auch eigenen Modelle davon entwirft, um welche Informationstype es sich in bestimmten sprachlichen Systemen handelt, wenn man diese Systeme als mehrsprachige begreift. Gibt es, mit anderen Worten, ein Supersystem, das die Informationen, die in einzelsprachlichen Systemen repräsentiert sind, generalisiert, oder aus ihnen eine gemeinsame Semantik abstrahiert. Und vor allem, gibt es Verfahren, die uns systematische Erkenntnisse darüber geben, welche dieser Informationsverbände, und damit in der Realisierung Texte, unter welchen Bedingungen von Register und Kultur ´äquivalent´ sind? Ein großer Vorteil der Translationswissenschaft bei der Lösung dieses Problems ist, dass es sich bei diesbezüglichen translatologischen Untersuchungen niemals um die Erarbeitung einseitiger 17 Modelle handeln kann, sondern dass immer multifunktionale Ansätze verfolgt werden müssen. 5. Multilinguale Textverarbeitung, Textgenerierung und Maschinelle oder maschinell gestützte Übersetzung. Diese eher technologisch ausgerichteten Gebiete konnten bisher kaum von einer translationswissenschaftlichen Perspektive profitieren. Eine Translationswissenschaft der Zukunft könnte hier ihre Modelle des Translationsprozesses einbringen. Aus diesen wären zunächst Rahmenbeschränkungen für Systemtypen zu entwickeln, die sich positiv integrierend statt negativ fragmentierend in diesen Prozess einpassen. Die Translationswissenschaft könnte dann wesentliche Beiträge zur Systemarchitektur liefern, was gegenwärtig infolge eines Mangels an expliziter Modellierung kaum der Fall ist. Es ist der Translationswissenschaft trotz vielschichtiger Ansätze zur Erarbeitung eines Modells der Translation nicht gelungen, die Abläufe bei der Translation derart zu formulieren, dass man sie bei der Maschinellen Translation zufriedenstellend verwenden könnte. 6. Grammatische Metapher und Übersetzung. Grammatische Metapher bezeichnet das Phänomen, dass innerhalb von Sprachen lexikalischgrammatische Konstruktionstypen in dem Sinn für andere stehen können, dass relativ invariant bleibende logische Bedeutungen in verschiedenen Konstruktionstypen entlang der grammatischen Rang-Skala auftreten können, oder auch innerhalb desselben Ranges (Projektionsebene) auf unterschiedlichen lexikalischen Klassen projiziert werden kann. So kann etwa eine Bedeutung wie Vorzeitigkeit ausgedrückt werden durch parataktische Kohäsion (Erst... dann...), durch Hypotaxe (Nachdem...), eine Präpositionalphrase (vor a passierte B), eine Nominalphrase (Die Nachfolge Bs), und auch durch die Tempora der Verben. Nun entsteht schon innerhalb einer Einzelsprache das Problem, welche dieser Varianten unter welchen Bedingungen zu präferieren ist und was dabei an Informationen gewonnen wird bzw. verloren geht. Hier könnte die Translationswissenschaft im zwischensprachlichen Vergleich einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, was als Theorie des „Verstehens“ beschieben werden könnte.9 9 Steiner, Erich (2004): In Pöckl (Hrsg.): S. 351 - 357 18 Dieser Themenleitkatalog einer modernen Translationswissenschaft könnte sicher noch erweitert werden, demonstriert jedoch bereits an dieser Stelle, dass die Translatologie ein nicht wegdenkbarer Bestandteil der Geisteswissenschaften ist und besonders für jüngere Wissenschaftler breite Perspektiven bereit hält. Sie hat längst Einzug gehalten in alle seriöseren Ausbildungsstätten für Dolmetscher und Übersetzer, da man sich der praktischen Tragweite einer fundierten translatologischen Ausbildung durchaus bewusst ist. In der Praxis ist es in jedem Fall ein Unterschied, ob jemand, der vielleicht bilingual ist bzw. „nur“ eine Fremdsprache studiert hat, ohne sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Translation auseinander zu setzen, oder ob sich jemand nach der mehr oder weniger intensiven Beschäftigung mit der Translatologie (im Rahmen eines Hochschulstudiums oder eines entsprechenden Fachkurses) in die Berufspraxis als Dolmetscher oder Übersetzer begibt. Es ist ein wenig wie das Steuern eines Autos: Gute Kenntnis der technischen Abläufe, Vorgänge und Bestandteile im Motor und drum herum machen einen nicht unbedingt zum besseren Autofahrer – in Momenten einer kritischen Situation jedoch, die eine schnelle Reaktion verlangt, in Zweifelsfällen, welche eine Entscheidung herausfordern, einer evtl. Panne, eines technischen Defekts befähigen einen die Kenntnisse, Situationen richtig einzuschätzen, sich zurechtzufinden und mit geringstmöglichem Schaden und größtmöglichem Erfolg aus der Situation herauszukommen. Das nächste Kapitel soll dann auch einen Überblick geben über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten eins Dolmetschers und Übersetzers in der Berufspraxis der Gegenwart. 19 2. Die Berufspraxis von Dolmetschern und Übersetzern 2.1. Der Beruf des Dolmetschers und Übersetzers - sprachliche, fachliche und kulturelle Kompetenz Es wird hier viel gesagt werden zur Translation und zum Dolmetscher und Übersetzer. Klar ist, dass theoretische Erkenntnisse keine fertigen Lösungen präsentieren können, wohl aber Wege und Hilfestellungen bei der Tätigkeit des Dolmetschens und Übersetzens sowie bei der Begründung der Translationsentscheidungen. „Was übersetzen auf sich hat, lässt sich mit demselben wort, dessen accent ich blosz zu ändern brauche, deutlich machen: übersétzen ist ´übersetzen, wer nun zur seefart aufgelegt, ein schif bemannen und mit vollem segel an das gestade jenseits führen kann, musz dennoch landen, wo andrer boden ist und andre luft streicht» - diese Worte äußert Jacob Grimm in dem Aufsatz „Über das pedentische in der deutschen Sprache“.10 Es ist sicher der Wunsch eines jeden Auszubildenden, soviel verwertbare Kenntnisse wie möglich aus der Universität mit ins Berufsleben zu nehmen. Leider bereitet ihn das Studium nicht immer optimal auf seine spätere Tätigkeit vor. Es sollte jedem/jeder Studierenden, der/die sich für diesen Weg entschieden hat, klar werden, dass der Beruf eines Übersetzers und Dolmetschers ein sehr anspruchsvoller ist. Hier sollte von Expertentätigkeit die Rede sein, wobei man von Experten nur dann sprechen kann, wenn es sie auch gibt. Der Weg bis dahin ist weit, zumal die praktische Ausbildung von Übersetzern und Dolmetschern nicht (mehr bzw. noch nicht) überall ernsthaft betrieben wird: so stellte man z.B. an der HumboldtUniversität Berlin nach einer 120-jährigen Tradition die Ausbildung von Dolmetschern und Übersetzern in Zeiten der globalen Finanzkrise ein, in Serbien erfolgte sie entweder überhaupt nicht (es gibt derzeit keine Ausbildungsstätte für Dolmetscher) oder aber wird (für Übersetzer) vom Berufsverband oder anderen privaten Institutionen – gegen nicht zu knappe Bezahlung – übernommen. Dies mag eher den Charakter einer praktischen Schulung haben, eine wirklich professionelle 10 Koller (2004): S.24 20 Ausbildung hat andere Ansprüche, besonders an die Verbindung von Theorie und Praxis. Dies betrifft sowohl die Ausbildung von Übersetzern als auch Dolmetschern, wobei die Situation bei der Translationsart Übersetzen ein wenig positiver zu bewerten ist, da das Übersetzen doch während des Studiums häufiger geübt wird. Anders beim Dolmetschen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden. Sicher ist auch eine Seite davon die Tatsache, dass die Dolmetschwissenschaft vergleichsweise jünger ist als die Übersetzungswissenschaft. Eine der wichtigsten Fragen der Translationswissenschaft ist auch, was denn ein Translator können muss? Daher soll hier darauf eingegangen werden, was als Translatorkompetenz bezeichnet wird. Die Translatorkompetenz ergibt sich aus Handlungswissen („Ich weiß, was ich tue und was von mir erwartet wird und wie ich handeln soll“), vor allem aber aus Fähigkeiten und Fertigkeiten. Als Voraussetzungen bzw. Bestandteile dieser komplexen Handlungsgrundlage sind eine Reihe selbstständiger Kompetenzen anzusehen: muttersprachliche und fremdsprachliche Kompetenz, Sachkompetenz und translatorische Kompetenz und natürlich auch ethisch-moralische Kompetenz. Jemand, der sich entschließt, Übersetzer oder Dolmetscher zu werden, muss sich darüber im Klaren sein, dass er nie aufhören wird, sich weiterzubilden, dass es selbst bei größter Routine nach vielen Jahren Berufserfahrung immer wieder Momente gibt, die eine wahre Herausforderung darstellen, in denen man sich einfach zurechtfinden und bisher erworbenes Wissen evtl. neu definieren und modifizieren muss. Das Dolmetschen und Übersetzen ist in erster Linie eine Dienstleistung. Alle haben persönliche Erfahrungen mit Vertretern verschiedener Dienstleistungsberufe, von der Kaffee kochenden Hilfskraft bis zum Versicherungsagenten, vom Fast-Food-Service bis zum Werbegrafiker oder Rechtsanwalt. Wie unterscheidet sich die Dienstleistung eines Werbegrafikers qualitativ von der einer Reinigungskraft? Die Tätigkeit des Werbegrafikers setzt eine fachliche Qualifikation voraus, welche an diejenige Person gebunden ist, die diese Tätigkeit eigenverantwortlich ausübt, und diese Qualifikation ist Voraussetzung für die Lösung komplexer Sachverhalte. Für die Tätigkeit der Reinigungsfrau ist ein wesentlich geringeres fachliches Know-how erforderlich, und die Personen, die diese Tätigkeit ausüben, sind eher austauschbar, die zu lösenden 21 Sachverhalte einfacherer Struktur. Wo sind nun in diesem Spektrum die Übersetzer und Dolmetscher anzusiedeln? Selbständige Übersetzer und Dolmetscher gehören in Deutschland nach dem Einkommensteuergesetz zu den sogenannten Freien Berufen, die seit 1998 wie folgt definiert werden: „Die Freien Berufe haben im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikationen oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Einbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt.“ (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz § 1, Fassung vom 1. August 1998) Das bedeutet also, dass die Qualifikation bei den freien Berufen eine ganz besondere Rolle spielt und dass die Ausübung der Dienstleistung nicht einfach auf eine beliebige andere Person übertragbar ist. Freiberufler sind Experten ihres Fachs, Übersetzer und Dolmetscher sind Experten für fremdsprachliche Kommunikation. Voraussetzung dafür sind ein hohes sprachliches Niveau der Arbeitssprachen (der Muttersprache sowieso), ein grundlegendes Fachwissen, das ihn befähigt, zum einen den zu vermittelnden Sachverhalt korrekt nachzuvollziehen und unter Berücksichtigung situativer Besonderheiten unter bestimmten Vorlagen des Auftraggebers entsprechend in die Zielsprache zu übertragen. Grundlage der Tätigkeit als Dolmetscher und Übersetzer bilden natürlich die in einer Ausbildung oder auf anderem Wege erworbenen oder vermittelten Sprach- und Sachkenntnisse. Heutzutage reicht das jedoch nicht mehr aus. Davon können sich diejenigen Studierenden überzeugen, die sich bereits während der Ausbildung darum bemüht haben, ein berufsorientiertes Praktikum zu absolvieren. Kaum ein Berufsbild hat sich in den letzten 10-20 Jahren so starke Veränderungen erfahren wie das des Sprachmittlers. Hatte der Übersetzer in der Vergangenheit meist eine Schreibmaschine und eine gut ausgestattete Privatbibliothek als Werkzeug und konnte sich auf die Übertragung des Textes konzentrieren, so muss er heutzutage auch Arbeitsabläufen beherrschen, die nicht unbedingt mit seinem Fachgebiet der Translation zu tun haben. Heutzutage wird einfach vorausgesetzt, dass ein Übersetzer mit einem Computer umgehen kann. Dazu gehört nicht nur die Bedienung eines Textverbarbeitungsprogramms, sondern auch der Umgang mit und das Verständnis für: Speichermedien, Verzeichnisstrukturen, Datensicherung, Datenbanken, Terminologieverwaltungsprogrammen, Translations-Memory-Tools, Präsentationsgrafikprogrammen, Tabellenkalkulation und nicht zuletzt 22 Hintergrundwissen um die Abläufe bei und den Aufbau von EDV-gestützten Werkzeugen. Aber auch die Hardware spielt eine wichtige Rolle: Modem, Drucker, Speichermedien. Zum Beispiel sollte der Umgang mit einem CD-Brenner, der Anschluss eines Druckers an den PC u.ä. wenigstens im Ansatz bekannt sein. Wenn z.B. eines der Geräte ausfällt, so muss sich der Übersetzer selbst zu helfen wissen. Der Umgang mit Terminologieverwaltungssystemen und Translation-MemorySystemen11 verlangt mehr als bloße Anwendungskenntnisse. Hier sollte der Übersetzer die Vor- und Nachteile dieses oder jenes Systems kennen, damit er evtl. selber dieses oder jenes Gerät kaufen oder aber auch einen Auftraggeber, der einen Übersetzerplatz einrichtet, kompetent beraten kann. Eine grundlegende Forderung für einen Sprachmittler ist die Recherchekompetenz im Internet, das ja als breite Quelle der Informationsbeschaffung dient. Das Internet bietet einen schier unerschöpflichen Fundus an Lexika, Terminologiedatenbanken sowie von Parallel- und Referenztexten. Recherchekompetenz bedeutet aber auch, die unwesentlichen Informationsquellen von den wesentlichen unterschieden zu können, denn allein die Tatsache, dass man etwas im Internet gefunden hat, bedeutet noch lange nicht, dass das Gefundene auch die gesuchte Lösung ist. Man sollte unbedingt bedenken, dass ebenso, wie jeder im Internet nach etwas suchen kann, einjeder auch Informationen ins Internet setzen kann. Immer populärer wird die Anwendung elektronischer Wörterbücher, anstatt ihrer gedruckten Vorgänger. Es gibt auch immer mehr Wörterbücher auf CD-Rom, es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die Terminologierecherche nur noch elektronisch oder online erfolgen wird. Große Firmen stellen ihre Terminologie bereits online zur Verfügung. Die Terminologieverwaltungssysteme werden nach und nach internetfähig gemacht. Terminologieverwaltungssysteme haben die Karteikartensammlung längst abgelöst. Online gehaltene Terminologie kann natürlich auch viel leichter aktualisiert werden als ein gebundenes Wörterbuch. Außerdem muss es nicht gedruckt werden, was sich positiv auf die Kosten auswirkt. Von Übersetzern heutzutage wird oft auch erwartet, dass sie einen Text nicht nur übersetzen, sondern ihn nahezu druckfertig abgeben, d.h. auch formale, graphische 11 Translation-Memory-Programme (Übersetzungsspeicher) sind Werkzeuge, bei denen übersetzte Textsegmente (in der Regel Sätze) zusammen mit den entsprechenden ausgangssprachlichen Segmenten in einer Datenbank gespeichert werden. Diese Datenbank kann im Netzwerk abgelegt und mehreren Übersetzern gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden. – Freigang, Karl-Heinz/Schmitz, Klaus-Dirk (2002): In:Best/Kalina: S.247 23 u.a. Gesichtspunkte berücksichtigen. Dies ist in der Praxis durchaus kein Einzelfall. Hier sollen sog. „Markup-Languages“ verwendet werden, wobei die Formatierung durch Formatbefehle gesteuert wird, weshalb sich Dokumente in mehreren Medien veröffentlichen lassen (z.B. als PDF-Datei, als gedrucktes Dokument, als Online-Hilfe etc.). Der Text muss dann nicht mehr für das entsprechende Medium umformatiert werden. Dieses sog. Single-Source-Publishing (oder Cross-Media-Publishing) rückt im Zeitalter der kurzlebigen Information, der schnellstmöglichen Bereitstellung von Informationen und des immer stärkeren Kostendrucks zunehmend in den Vordergrund. Darüber hinaus ist es im Übersetzeralltag durchaus auch möglich, dass man nicht mehr als Einzelkämpfer einen ganzen Großtext übersetzt, sondern im Team arbeiten muss, d.h. dass ein zu übersetzender Text in kleinere Einheiten zergliedert wird, in sog. Informationseinheiten. Dies verlangt noch tiefreifendere Fachkenntnisse, da die Zusammenhänge, in die man als Übersetzer einen Gesamttext einordnet, um sein richtiges Verständnis zu gewährleisten, verloren gehen oder viel schwerer herzustellen sind. Auch ein Terminologieabgleich der einzelnen Textsegmente ist hier erforderlich, um die Kohärenz des Gesamttextes nicht zu unterbrechen. Bei solchen Übersetzungsaufträgen ist ein großer Teamgeist notwendig, obwohl gerade freischaffende Sprachmittler es gewohnt sind, meist als Einzelkämpfer aufzutreten. Auch wird hier ihre Leistung insgesamt beurteilt, was ein abgestimmtes Vorgehen erforderlich macht. Die Beurteilung der Qualität von Translationsleistungen überhaupt beschäftigt die Translatologie nicht erst seit der ISO-Zertifizierungswelle (International Organization of Standardization) Ende der 90er Jahre. Wie die Qualität einer Translation zu messen, zu bezahlen und einem Auftraggeber gegenüber zu rechtfertigen ist, ist eine Frage, die freiberufliche und angestellte Übersetzer und Dolmetscher gleichermaßen betrifft. Die Translatologie argumentiert diesbezüglich meist auf syntaktischer, lexikalischer, semantischer, textueller, situativer oder kultureller Ebene. Dies ist für den in der Praxis tätigen Sprachmittler insofern unerlässlich, als dass er seine Entscheidungen mit konkreten Argumenten gegenüber seinem Auftraggeber oder evtl. seinen Teamkollegen rechtfertigen und verteidigen muss, hat aber nichts direkt mit einer evtl. leistungsgerechten Bezahlung zu tun. Die Aushandlung, Abwicklung und Überwachung von Rahmenbedingungen sowie Qualitätskriterien, wozu auch der finanzielle Rahmen gehört, fällt in das Gebiet des 24 Projektmanagements. Jeder in der Praxis tätige Dolmetscher und Übersetzer, insbesondere die freiberuflichen, haben also auch damit zu tun. Frisch gebackene serbische Übersetzer und Dolmetscher haben jedoch meist keine Kenntnisse über Projektmanagement. Während dieses Thema in der universitären Ausbildung in den USA, in Österreich und z.T. auch in Deutschland bereits zum Studienplan gehört, lernt man in Serbien in den einschlägigen Studiengängen nichts darüber. So ist es keine Seltenheit, dass gerade Berufsanfänger sich von Auftraggebern zu unrealistischen und somit nicht einzuhaltenden Fristen überreden lassen, oder aber der Translation zu absoluten Dumping-Preisen zustimmen. Dies trägt in keinem Fall zum Image eines professionellen Sprachmittlers bei. Bevor man sich auf das glatte Eis dieses Marktes begibt, sollte man sich bei erfahrenen Berufskollegen genau informieren, sowohl über die Rahmenkonditionen als auch über die konkreten Abwicklungsschritte eines Dolmetsch- oder Übersetzungsauftrags. Dabei sollten auch Nebenkosten, wie evtl. Gebühren oder Telefon-, Materialkosten u.ä. berücksichtigt werden. Ein Berufsanfänger kann dies ohne Einweisung meist nicht überblicken. Dazu dient das Projektmanagement. Eine erste konkrete Hilfestellung findet der Übersetzer, zumindest für den deutschen Markt, in der Norm DIN 2345 – Übersetzungsaufträge (1998, Deutsches Institut für Normung e.V.). Dort kann man ersehen, welche Schritte der erste Kontakt zwischen Auftraggeber und Übersetzer bis zur Lieferung an den Auftraggeber zu durchlaufen hat, wer in diesem Prozess welchen Pflichten nachzukommen hat und dass die Qualität einer Übersetzung nur durch die enge Kooperation zwischen Übersetzer und Auftraggeber sichergestellt werden kann. Ein klar definierter Translationsprozess gereicht beiden Partnern zum Vorteil: dem Sprachmittler und dem Auftraggeber, durch Optimierung der Kosten und Einhaltung und Transparenz des Preis-Leistungsverhältnisses. Bereits angesprochen wurde gerade für Berufseinsteiger die Notwendigkeit, sich mit anderen Kollegen zu konsultieren. Will man sich als Dolmetscher oder Übersetzer selbständig machen, so ist berufliches Netzwerk unbedingt aufzubauen, nach Möglichkeit in Ansätzen bereits vorher. Dies kann man z.B., indem man sich noch in der Ausbildung um verschiedene Praktika bewirbt und auf diese Art sowohl potentielle Auftraggeber als auch Berufskollegen kennen lernt. Der Rat von erfahrenen Kollegen ist immer wieder hilfreich, was übrigens nicht nur für Berufsanfänger gilt, sondern auch für Dolmetscher und Übersetzer, die schon lange 25 tätig sind. Hier sollte falsche Scham vom Tisch gewischt werden, es ist besser, einmal mehr nachzufragen, um Fehler zu vermeiden, die Zeit und Geld kosten. Um als Teampartner überhaupt in Frage zu kommen, muss man den Kontakt suchen und sich die Mühe machen, sich bekannt zu machen. Wer nur allein zu Hause am Computer sitzt und auf Aufträge wartet, wird in seinem Beruf wohl kaum Erfolg haben. Zum Einstieg ist die Mitgliedschaft in Berufsverbänden eine gute Möglichkeit. Hier sollte man darauf achten, dass man nicht mehr zur Kasse gebeten wird, als man Nutzen aus der Mitgliedschaft hat (wenn z.B. der Beleg von bezahlten Kursen als Bedingung gesetzt wird für die Mitgliedschaft oder wenn für die Vermittlung von Aufträgen hohe prozentuale Anteile verlangt werden). Von solchen Praktiken sollten sich auch Berufsanfänger abgrenzen. Gut nutzen zum Aufbau von Kontakten zu Berufskollegen lassen sich Konferenzen, Seminare oder berufsbezogene Vorträge, aber auch Messen o.a. Veranstaltungen. Hier sollte man darauf achten, dass der ungehinderte Veranstaltungsverlauf durch den Versuch der Kontaktaufnahme nicht gestört wird, dass man also möglichst erst nach dem offiziellen Teil das Gespräch sucht. Es ist oft nicht nur eine freiwillige Entscheidung, dass man sich in die wirtschaftliche Selbständigkeit begibt. Gerade zu Zeiten der globalen Finanzkrise ergeben sich oft auch wirtschaftliche Zwänge, diesen Schritt zu wagen. Nichts desto trotz sollte er gut überdacht sein. Jeder sollte sich vorher genau überlegen, ob er/sie die Voraussetzungen für eine Selbständigkeit erfüllt. Nach Höflich (2002) sind wichtige Voraussetzungen: - die Fähigkeit zu eigenständigem Arbeiten, zur Selbstdisziplin und – Organisation - eine gewisse Risikobereitschaft (Schwankungen der Auftragslage und eigenen Absicherung) - die Bereitschaft zu überdurchschnittlichem Arbeitseinsatz, da Wochenendarbeit nicht selten ist und keine geregelten Arbeitszeiten vorhanden sind - eine stabile Gesundheit - die Fähigkeit zu unternehmerischem Denken Wer direkt nach dem Studium den Schritt in die Selbständigkeit wagen will, sollte damit rechnen, dass Aufträge gerade am Anfang rar sind und dass man evtl. gerade 26 zu Beginn nicht allein vom Übersetzen und Dolmetschen leben kann. Man sollte in Eigeninitiative, z.B. durch die Kontaktaufnahme zu verschiedenen Übersetzerbüros, Organisationen, Kollegen etc. versuchen, diesen Anfangszustand zu überwinden. Leider sind die Berufsbezeichnungen „Übersetzer“ und „Dolmetscher“ im Gegensatz zu den Titeln „Diplomübersetzer und Diplomdolmetscher“, „Staatlich geprüfter Übersetzer“ oder „Diplomsprachmittler“ nicht geschützt. Das hat zur Folge, dass im Prinzip jeder, der meint, eine Fremdsprache ausreichend zu beherrschen, übersetzen/dolmetschen und sich Übersetzer/Dolmetscher nennen darf. Daraus ergeben sich natürlich klare Nachteile für gut ausgebildete Dolmetscher und Übersetzer: es gilt häufig, ein Negativimage durch die sich auf dem grauen Markt tummelnden „Wald- und Wiesendolmetscher und -übersetzer“ zu überwinden und sich auch gegen die Billigkonkurrenz zu behaupten. Hier sollte man ein positives Selbstbewusstsein bewahren – Qualität hat eben auch seinen Preis. Sicher wird ein Berufsanfänger beim ersten Auftrag nicht das Spitzenhonorar verlangen, aber untertariflich muss er deswegen noch lange nicht arbeiten. Auch ein Auftraggeber ist meist in der Lage zu erkennen, ob ein Auftrag professionell abgewickelt oder stümperhaft mehr schlecht als recht erledigt wurde. Mit diesem Problem schlägt sich nicht nur die Sprachmittlungs-Branche herum, dies gilt ja auch für andere Berufe. Ausgebildete Sprachmittler mit Universitäts-, Fachhochschul- oder ähnlichem Abschluss müssen immer wieder ihre Rolle als Sprachexperten und Fachkommunikatoren in den Vordergrund stellen.12 Dies können sie in verschiedenen Bereichen der Berufspraxis tun, von denen einige der interessantesten und am weitesten verbreiteten hier vorgestellt werden sollen. 2.2. Bereiche der Berufspraxis 2.2.1. Der Fachübersetzer Ein Fachübersetzer, z.B. für Maschinenbau oder Medizin, ist ein Übersetzer, der sich auf Texte eines bestimmten Fachgebietes spezialisiert hat. Hier stellt sich immer wieder die Streitfrage, ob es besser ist, ein Fachmann mit Sprachkenntnissen zu sein, der übersetzerisch tätig ist, oder ein gut ausgebildeter Übersetzer, der sich in einigen 12 Höflich, Isa (2002): In: Best/Kalina: Übersetzen und Dolmetschen, S. 219 - 226 27 Fachgebieten das Wissen aneignet und dann als Fachübersetzer arbeitet? Für den Fachübersetzer sind Fachkenntnisse durch evtl. Fachstudium der Idealfall, aber im Normalfall sollte sich auch ein gut ausgebildeter Übersetzer das entsprechende Fachwissen so aneignen können, dass er nach entsprechender Vor- und Nachbereitung (Recherchen, Konsultation und Beurteilung durch einen Fachmann etc.) eine qualitativ hochwertige Übersetzung liefern kann. Eine enge fundierte Spezialisierung rentiert sich meist nicht. Dies ist in der Praxis oft nur der Fall, wenn der Übersetzer fest in einer Firma angestellt ist und nur für diese übersetzt und so über eine langjährige Geschäftsbeziehung über die entsprechenden Kenntnisse verfügt. Schaut man sich an, wie viele Seiten ein Übersetzer bewältigt, der kein Fachübersetzer ist (das sind ca. 8 Normseiten pro achtstündige Arbeitszeit pro Tag), und vergleicht dieses Pensum mit dem eines Fachübersetzers, nämlich ca. vier Seiten, so wird klar, welcher Zeitaufwand mit der Anfertigung von Fachübersetzungen verbunden ist. Wer schon einmal eine medizinische Diagnose übersetzt hat, kann dies sicher nachvollziehen. Das zentrale Problem eines Fachübersetzers ist die Terminologiearbeit, wozu an späterer Stelle noch einmal detaillierter die Rede sein wird (Siehe Terminologieverwaltungssysteme). 2.2.2. Der literarische Übersetzer Ein ganz anders gelagertes, aber ebenfalls hoch spezialisiertes Gebiet der Übersetzungstätigkeit ist das literarische Übersetzen. Es ist für viele, die Literatur mögen, sehr interessant und erstrebenswert und viele nehmen ein Fremdsprachstudium auf mit dem Wunsch, einmal klangvolle Namen der Literatur übersetzen zu können. Das Problem ist hier die schwierige Auftragslage. Kaum ein Übersetzer kann davon leben, nur literarische Werke zu übersetzen, ungeachtet dessen, dass dies eine höchst schöpferische und kreative Tätigkeit ist, deren Gesetzmäßigkeiten im Rahmen dieser Darstellungen gesondert erörtert werden (Siehe Kapitel Literaturwissenschaft und Translation). Es ist sicher leichter, in den sog. kleinen Sprachen, zu denen ja auch das Serbische gehört, einen derartigen Übersetzungsauftrag zu erhalten, in den „großen“ Sprachen (wie z.B. dem Deutschen) gestaltet sich dies um vieles schwerer, da es hier viel mehr Übersetzer gibt. Hat man dann einen Auftrag, so muss man auch für sich abwägen, ob man dieses Buch um seiner selbst willen oder um des Übersetzens willen übersetzen möchte. Hier gilt, 28 gerade bei Gegenwartsliteratur: hat man erst einmal die erfolgreiche Zusammenarbeit mit einem Verlag oder einem Autor hergestellt, so wird man in der Regel dann auch immer wieder engeagiert. Kann man sich damit abfinden, nicht unbedingt immer Weltliteratur zu übersetzen, sondern auch diesen oder jenen Trivialroman oder nicht so tiefgreifenden Bestseller, so macht dann die Menge den Profit. Die Bezahlung des Einzelwerks ist leider meist nicht so, dass man davon unbeschwert leben könnte. Als Berufsanfänger sollte man darauf achten, dass man nie „blind“ aus Freude über den Auftrag seine Zustimmung zum Projekt erteilt. Um seriös zu bleiben, sollte man nach Möglichkeit für sich einige Seiten Probeübersetzen, um so zu sehen, wie schnell man vorankommt. Daraus lassen sich dann evtl. realistische Fristen und auch eine angemessene Entschädigung für den Zeitaufwand ableiten. 2.2.3. Die Softwarelokalierung Ein weiteres, aktuelles und noch nicht so altes Aufgabengebiet für den Übersetzer ist die Softwarelokalisierung. In den Anfängen der elektronischen Datenverarbeitung wurden Computer und die darauf ablaufenden Programme fast nur von EDVFachleuten und speziell geschulten Anwendern benutzt. Programmoberflächen und Benutzerschnittstellen lagen daher nahezu ausschließlich in englischer Sprache vor, ebenso wie die mit den Systemen oder der Software gelieferte Dokumentation. Diese Situation hat sich jedoch seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts geändert. Computer haben in diesen Breitengraden längst in nahezu jeden Haushalt Einzug gehalten und neben EDV-Fachleuten gehören nun auch Menschen jeden Alters, aller Bildungsgrade und professioneller Orientierungen zu den Nutzern. Daher entstand die Notwendigkeit, auch EDV-Laien mit ausführlicher Dokumentation zur Installation und Benutzung der Hard- und Software zu versorgen. Ebenso müssen Benutzeroberflächen (Menüs, Systemmeldungen etc). in der Sprache der Benutzer vorliegen. Die meist aus den USA stammenden Softwareentwickler gelangten recht bald zu dieser Erkenntnis und wandte sich seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts verstärkt nichtenglischsprachigen Märkten zu. Gesetze zur Produkthaftung und EU-Richtlinien haben bewirkt, dass die Anpassung von Softwareprodukten an regionale Märkte, d.h. die Softwarelokalisierung, zu einem enormen Wirtschaftsfaktor in einem stark wachsenden Markt mit zweistelligen 29 Zuwachsraten geworden ist. Sieht man sich die serbischen Statistiken an, so kann man ersehen (laut Angaben des Amtes für Statistik für das Jahr 2007), dass ca. ein Drittel der serbischen Haushalte über einen Computer verfügt. In Belgrad sind es weit über die Hälfte und es gibt in Serbien ein großes Gefälle bezüglich der Nutzung von Computern in Stadt und Land. Hieraus kann geschlussfolgert werden, welche Potenzen noch auf dem serbischen Markt für die Softwarelokalisierung vorhanden sind. Die Scheu vor dem Neuen ließe sich sicher mit serbischen Programmoberflächen viel leichter überwinden als mit englischen, berücksichtigt man, dass englisch nicht unbedingt flächendeckend und durch alle Altersgruppen hindurch gesprochen wird. Voraussetzung für die Softwarelokalisierung ist deren Internationalisierung. Unter Internationalisierung wird die Entwicklung von Softwareprodukten in Hinblick auf die leichtere Anpassung an andere Märkte verstanden, d.h. an andere technische Konventionen, kulturelle Gegebenheiten und Sprachen. Folgendes gehört laut Freigang/Schmitz (2002) zum Aufgabengebiet eines Softwarelokalisierens: - Übersetzen der Benutzeroberfläche einschließlich der Online-Hilfe - Übersetzen der dazugehörigen Produktdokumentation - Übersetzen der sonstigen Begleitmaterialien (z.B. Verpackungsaufschriften, Disketten/CD-Etiketten...) - Anpassen der im Originaltext gegebenen Kundendienst- bzw. Kontaktadressen an lokale Adressen sowie der Lizenzbestimmungen an die juristischen Gegebenheiten des Zielmarktes - Anpassen einzelner Formate/Felder der Software an die Gegebenheiten des Zielsprachraums (Adressfelder, Maßeinheiten, Papierformate) - Anpassen der in den Handbüchern abgebildeten Bildschirmmasken an die lokalisierte Software Freigang/Schmitz betonen, dass in der Regel der Softwareentwickler ein spezielles Lokalisierungsunternehmen mit der Durchführung eines Lokalisierungsprojekts beauftragt, welches dann auch für das Projektmanagement und die Qualitätskontrolle zuständig ist. Der Markt ist so umfangreich und wächst so schnell, dass ein dringender Bedarf an Lokalisierungsexperten besteht. Dies ist eine große Herausforderung und Chance für Übersetzer auch in Serbien, die sich aufgrund technischen Interesses in diesem Bereich spezialisieren wollen. Dies ist aber 30 gleichzeitig eine Herausforderung an die Ausbildungsstätten, zunächst einmal auf die Möglichkeit der Softwarelokalisierung hinzuweisen und so evtl. das Interesse der angehenden Übersetzer für diesen Bereich zu wecken.13 Ein weiterer Bereich des Einsatzes von Dolmetschern und Übersetzern ergibt sich für Serbien durch die Prozesse der europäischen Integration des Landes mit dem Fernziel der Mitgliedschaft in der EU. 2.2.4. Dolmetscher und Übersetzer in der Europäischen Union Der größte Dolmetscherdienst und Übersetzerdienst der Welt arbeitet in der Europäischen Union. Täglich sind Hunderte von Dolmetschern im Einsatz, täglich werden Tausende von Seiten übersetzt. Die EU ist eine Gemeinschaft von vielen Völkern mit einer großen Vielfalt von Sitten, Bräuchen und Sprachen. Zu ihren Grundregeln gehört, dass sie die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet, und die Sprachen spielen hierbei natürlich eine entscheidende Rolle. Transparenz, offene und bürgernahe Entscheidungen sind nur möglich, wenn alle Betroffenen die nötigen Informationen in einer Sprache erhalten, die sie verstehen können. Mit den neuen Mitgliedstaaten hat sich die Situation hier drastisch geändert, waren es 1958 nur Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch, sind es heute viel mehr Amtsund Arbeitssprachen. Dolmetschen und Übersetzen sind in den Organen der EU in jeder Hinsicht getrennte Tätigkeiten, die dementsprechend auch in Dolmetscherdiensten einerseits und Übersetzerdiensten andererseits ausgeübt werden. Wer für die EU dolmetschen oder übersetzen möchte, muss zunächst in seiner Muttersprache kompetent sein. Er muss im Team arbeiten können, sollte möglichst breit gefächerte Kenntnisse und Interessen haben. Weiterhin ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit einer Regelstudienzeit von mindestens vier Jahren erforderlich und für Dolmetscher eine Ausbildung oder Erfahrung im Konferenzdolmetschen (Konsekutiv und Simultan). Berufsanfänger müssen aus mindestens zwei Sprachen dolmetschen können, erfahrene Kräfte aus mindestens drei. Übersetzer müssen aus mindestens zwei Amtssprachen in ihre eigene übersetzen können. Im Gerichtshof müssen sie eine 13 Freigang/Schmitz (2002): In: Best/Kalina S.242 - 248 31 Ausbildung als Volljuristen haben. In der EU ist es immer wieder der Fall, dass einige Sprachen als „Relaissprachen“ fungieren. Dies sind meist Englisch, Französisch und Deutsch. Dies kommt vor, wenn z.B. gerade kein slowenischer Dolmetscher zur Verfügung steht, der direkt aus dem Griechischen dolmetscht. Dann dolmetscht der slowenische Dolmetscher aus der Relaissprache. Dies erfordert gerade beim Dolmetschen besondere Aufmerksamkeit, damit die Zeitverzögerung nicht allzu groß ist. Die EU beschäftigt ca. 40% fest angestellte Dolmetscher und 60% freiberufliche. Eine Ausbildung bei den Organen der EU zum Dolmetscher/Übersetzer ist nicht möglich, es wird jedoch die Möglichkeit von Praktika geboten, die man bei entsprechendem Interesse durchaus wahrnehmen kann.14 Ebenso wie die EU verfügen viele größere Wirtschaftsunternehmen und Behörden sowie internationale und übernationale Organisationen über hierarchisch und funktional gegliederte Sprachendienste. Auch diese Tätigkeit ist sehr anspruchsvoll. Am weitesten verbreitet in internationalen Organisationen ist das Konferenzdolmetschen. 2.2.5. Der Konferenzdolmetscher Auch hier ist der größte Arbeitgeber für Konferenzdolmetscher die EU. In alle Gremien: die Kommission, den Ministerrat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen u. a. werden vom gemeinsamen Dolmetscher- und Konferenzdienst der Kommission die entsprechenden Kräfte entsandt. Normalerweise wird simultan in die Muttersprache gedolmetscht. Bei selteneren Sprachen kann auch ein Retour in die B-Sprache infrage kommen. Natürlich gibt es auch Sitzungen, in denen konsekutiv gedolmetscht wird, dies ist v.a. in kleinerem Rahmen der Fall, z.B. bei Delegationsreisen oder bei Pressekonferenzen. Das Konsekutivdolmetschen ist weltweit rückläufig und daher seltener als das Simultandolmetschen. In den Tagungen haben die Redner häufig eine beschränkte Redezeit. Das bedeutet für den Dolmetscher, dass die vom Redner in schriftlicher Form vorbereiteten Texte, die der Dolmetscher nicht vorher erhält, meist in sehr hohem Tempo gelesen werden, was für den Dolmetscher eine enorme Belastung darstellt. Aufgrund dessen, dass die 14 Hoheisel, Reinhard (2002): In: Best/Kalina, S.249 - 259 32 Sitzungen meist auch sehr lange dauern, werden im Idealfall zwei Teams eingesetzt, die sich dann nach halber Arbeitszeit ablösen. Neben der EU sind an größeren Organisationen der Europäische Gerichtshof, das Europäische Patentamt, der Europarat, die Internationale Arbeitsorganisation, Eurocorps, UNOV – United Nations Office at Vienna und das Eidgenössische Parlament zu nennen. Man muss jedoch nicht in diesem großen Rahmen bleiben, wenn es ums Konferenzdolmetschen geht. Auf jeglichen Konferenzen, Sitzungen, ja sogar Versammlungen, kann bei internationaler Beteiligung ein Engagement zustande kommen. Schon in der Ausbildung sollte als Ziel angestrebt werden, in Übungen ein wenig die Spezifik der Situation nachzuempfinden und sich ein wenig an die Standards (z.B. 7 Minuten Konsekutivdolmetschen in einer Richtung) anzunähern. 2.2.6. Der Gerichtsdolmetscher Ein sehr interessantes und weites Feld des Dolmetschens ist das Gerichtsdolmetschen. Das Gerichtsdolmetschen wird üblicherweise als eigene Dometschart betrachtet, da es sich nach den Umständen bzw. dem Anlass und den Schwerpunkten der Ausübung der Tätigkeit von anderen Arten des Dolmetschens, etwa dem Konferenzdolmetschen oder dem sog. Community interpreting, von dem nachstehend noch die Rede sein wird, unterscheidet. Gerichtsdolmetscher arbeiten in erster Linie für nationale Gerichte und Behörden (Polizei) und sind gegebenenfalls be- oder vereidigt. In Serbien können nur serbische Staatsbürger beeidigt werden, in Deutschland ist dies nicht der Fall. Hier können auch Ausländer bei Vorliegen eines zur Arbeitsaufnahme berechtigenden Aufenthaltsstatus vor Gericht beeidigt werde. Im Unterschied zur nationalen Situation werden bei internationalen Gerichtsbarkeiten immer Konferenzdolmetscher eingesetzt. Aufgrund der verschiedenen Rechtssysteme und –Kulturen in den verschiedenen Ländern ist eine allumfassende Charakterisierung des Gerichtsdolmetschers nicht möglich. Die Situation in Deutschland ist vom Gesetzgeber recht eindeutig geregelt. § 184 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) bestimmt, dass die Gerichtssprache in Deutschland Deutsch ist. Das Heranziehen eines Dolmetschers ergibt sich aus dem Grundrecht der Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz. So soll erreicht werden, dass niemand vor Gericht aus sprachlichen Gründen benachteiligt wird. Jeder, der meint, in einer vor Gericht oder bei der Polizei vorgetragenen Sache nicht 33 über ausreichende Sprachkenntnisse zu verfügen, hat Anspruch auf einen Dolmetscher, der von der Behörde bestellt wird. Dolmetscher werden gemäß dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) entschädigt. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass der Gerichtsdolmetscher in Deutschland als Sachverständiger gilt. Er ist kein Beweismittel und liefert keinen Prozessstoff aus eigenem Wissen. Zur Einhaltung der Grundrechte und zur Erleichterung des allgemeinen Rechtsverkehrs sind allgemein beeidigte Dolmetscher jedoch nicht nur für Gerichte tätig. Sie werden darüber hinaus auch von verschiedenen Behörden (Standesamt, Finanzbehörden) und Notaren hinzugezogen, ebenso von Polizei und Bundesgrenzschutz. Einige Bestimmungen zeigen, dass der Gesetzgeber dem Berufsstand noch nicht den entsprechenden Stellenwert zuerkennt: So kann z.B. auch ein Urkundsbeamter als Dolmetscher herangezogen oder ein Notar als Übersetzer tätig sein. Im Land Berlin ist es so, dass man zumindest eine Sprachkundigenprüfung ablegen muss und mit einem polizeilichen Führungszeugnis dann beeidigt werden kann. Diese Tätigkeit ist sehr vielfältig und manchmal stößt man hier auch an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit (wenn es z.B. um Dolmetscheinsätze bei erfolgten Gewaltverbrechten geht). So kann man ruhigen Gewissens auch einen Auftrag ablehnen, wenn er die eigenen Grenzen überschreitet. 2.2.7. Community interpreting Ein erst in den letzten Jahrzehnten neu entdecktes Arbeitsfeld für Dolmetschhandlungen ist CI = Community Interpreting. Der Ausdruck CI bezeichnet Dolmetschhandlungen für Menschen, welche die Sprache eines Gastlandes nicht oder nur unzureichend verstehen und meist einer anderen Kultur als der sprachlichen Mehrheit des Gastlandes angehören. Diese Menschen sind nicht immer ganz freiwillig in ihrem Gastland. Die Dolmetschsettings umfassen verschiedene institutionelle und soziale Einrichtungen im Aufnahmeland wie etwa Schulen, Krankenhäuser, Asylämter, Einwanderungsbehörden und andere Institutionen. Der Menschenkreis, für den gedolmetscht wird, gehört meist zu der Gruppe der Flüchtlinge, Asylanten, Migranten oder anderer Minderheiten und Randgruppen. Ein trauriges Beispiel in nicht allzu ferner Vergangenheit war die große Welle an 34 Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in einer Welle u.a. nach Deutschland gespült wurden, darunter Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Bildungsgrades, Alters, Geschlechts, etc. Neben dem Hochschulabsolventen und Kriegsdienstverweigerer kamen auch Roma, Menschen aus schwach entwickelten ländlichen Gegenden ebenso wie solche aus Großstädten. CI wird häufig auch als die „dritte“ Variante des Dolmetschens neben den zwei etablierten Disziplinen Konferenz- und Gerichtsdolmetschen bezeichnet. In jüngerer Zeit finden wir hierfür auch deutsche Lehnbezeichnungen wie Kommunaldolmetschen oder die etwas umständliche Umschreibung für Dolmetscher im medizinischen, sozialen und juristischen Bereich. Die Wiege des CI befindet sich in traditionellen Einwanderungsländern wie den USA, Australien, Kanada, Skandinavien. Dort erkannte man bereits früh die Notwendigkeit, professionelle Dolmetschdienste für anderssprachige Zuwanderer zu etablieren. Die prototypische Gesprächssituation im Bereich des CI ist nach Pöllabauer (2002) meist eine trialogische Face-to-face- Interaktion mit drei primären Aktanten: ein Dolmetscher vermittelt zwischen der Institution des Gastlandes und dem Klienten. Kennzeichnend für den CI-Bereich ist meist der Einsatz von nichtqualifizierten Laiendolmetschern nach dem Prinzip „Bolje išta nego ništa“ - „mehr schlecht als recht“, in vielen Fällen sogar ad-hoc. Professionelle Dolmetscher und Berufsverbände blicken oft mit leiser Arroganz auf die Laiendolmetscher herab und deklassieren sie als Amateure, während sie von den Behördenvertretern oft mit leichtem Widerwillen stillschweigend hingenommen und eher geduldet werden denn erwünscht sind. Manchmal werden sogar Kinder zum Dolmetschen herangezogen. Dies ist ein völlig unvertretbarer Zustand, der auf die Ignoranz der Behörden zurückgeht, die bei Hinzuziehung professioneller Hilfe auch tarifgerecht bezahlen müssten. Laiendolmetscher beschränken ihre Rolle auch häufig nicht auf die Funktion als Dolmetschers, sondern wollen häufig als die Helfer der Schwächeren auftreten, besonders, wenn sie demselben Kulturkreis wie die Klienten entstammen. Sicher ist dies meist gut gemeint, es können sich jedoch auch Eigennutz, Egoismus und Opportunismus hinter solchem Gebaren verbergen. Die Klienten von Community Interpreters sind meist auch keine Experten, Diplomaten, Konferenzdelegierte oder Geschäftsleute oder anderweitig für das Aufnahmeland interessante Menschen. Seitens der Vertreter der Behörden herrschen dann auch leider oft Vorurteile vor, welche nicht immer abgebaut werden können. 35 Sonst eingefahrene Mechanismen im bürokratischen Alltag müssen erläutert und evtl. angepasst werden, was sicher nicht immer leicht ist und somit auch für die Vertreter der Behörden eine Belastungsprobe darstellt. Für das CI ist nach Pöllabauer (2002) ein starkes Machtgefälle kennzeichnend, einerseits der Klient, der ganz unten an der sozialen Machtpyramide steht, auf der anderen Seite der Vertreter der Macht, welcher ganz klar die als selbstverständlich vorausgesetzten Spielregeln festlegt, an die sich Klienten und Community Interpreter zu halten haben. Dem Dolmetscher müssen beide kulturellen Normen und Konventionen bekannt sein, damit er eine Brücke zwischen den Kulturen schlagen kann. An Dolmetschtechniken kommt hier entweder das Konsekutivdolmetschen oder Flüstersimultandolmetschen in Frage. Pöllabauer (2002) betont, dass der Community Interpreter außer der sprachlichen Kompetenz über zusätzliche Kompetenzen verfügen muss: Vertrautheit mit einem breiten Spektrum an sprachlichen Registern, die Fähigkeit, in emotional belastenden Situationen zu dolmetschen, der Umgang mit Klienten, die unter großem psychischen Druck stehen oder traumatisiert sind, das Eingehen auf Rollenkonflikte. CI ist in Deutschland vielerorts immer noch gekennzeichnet durch einen Mangel an entsprechenden Ausbildungs- und Akkreditierungsmöglichkeiten, terminologisches Chaos, schlechte Arbeitsbedingungen, inakzeptable Entlohnung und mangelnde Anerkennung. Positiver als in Deutschland kann die Situation diesbezüglich in Österreich bewertet werden, wo in speziellen Dolmetscher-Studiengängen gerade auf Fragen des CI ganz besonders eingegangen wird. Entgegen anderslautender Meinungen ist CI nach Pöllabauer (2002) jedoch nicht weniger schwierig oder anspruchsvoll als Konferenzdolmetschen oder andere Arten der Translation - CI kann lediglich weniger Prestige für sich beanspruchen. CI ist in der translationswissenschaftlichen Diskussion vergleichsweise noch nicht allzu lange vertreten. Das hingegen bedeutet nicht, dass es in Zukunft für uns von geringerer Bedeutung sein wird. Auch wenn es in Serbien trotz der hohen Flüchtlingszahl (aus den Bürgerkriegszeiten) keine Rolle spielt - da die Flüchtlinge und Vertriebenen in Serbien sich in ihrer Muttersprache verständigen können, welche sie im Prinzip nur zu dieser oder jener Region des Balkan zuordnet – in den Ländern der EU wird CI zu Zeiten der Globalisierung und der globalen Finanzkrise eine immer größere Rolle spielen. Von der Gesellschaft marginalisierte Randgruppen in den Ländern der EU werden auch weiterhin aufgrund von Sprach- und Kulturbarrieren von der Anteilnahme an wichtigen Bereichen des Lebens im Gastland ausgeschlossen 36 sein. Es werden durch Wirtschaftskrise, Krieg und Unruhen auch in Zukunft viele Menschen ihre Heimat verlassen und in die Einwanderungsländer, die sich z.T. mit einer solchen Kategorisierung immer noch schwer tun, einreisen. Deshalb muss und wird CI auch im 21. Jahrhundert ein Thema in der Translationswissenschaft bleiben.15 Soweit ein Überblick über das breite Spektrum der Einsatzmöglichkeiten nach einem translatorisch ausgerichteten Studium bzw. im translatorischen Bereich. 15 Pöllabauer, Sonja(2002): IN: Best/ Kalina, S. 286 - 298 37 3. Übersetzer und ihre Theorien 3.1. Explizite und implizite Übersetzungstheorien Seit jeher, seitdem übersetzt und gedolmetscht wird, gibt es auch Äußerungen über das Dolmetschen und Übersetzen, wobei meist das Übersetzen im Zentrum der Betrachtungen stand. Frühe Äußerungen zur Übersetzungstheorie dienten der Rechtfertigung der eigenen Arbeit oder erläutern einzelne Übersetzungsprobleme. Die ältesten erhaltenen Übersetzungen reichen bis ins 3. Jahrtausend vor unserer Zeit zurück. Jahrtausendelang dominierte neben Texten wissenschaftlichen und administrativen Charakters die Übersetzung religiöser Literatur. Die Äußerungen über die Translation an sich, wobei, wie oben bereits angemerkt, meist das Übersetzen betrachtet wurde, erfolgten auf verschiedene Weise. 1. aphorismenhaft-undifferenzierte, oft metaphorische Äußerungen zum Übersetzen, die theoretisch meist von beschränktem Aufschlusswert sind, jedoch den Hinweis auf Übersetzungsprobleme enthalten 2. Äußerungen, Reflexionen zum Übersetzen und ausführliche Erörterungen der Übersetzungsproblematik von Übersetzern selbst, meist in direktem Zusammenhang mit der Übersetzertätigkeit entstanden und somit praxis- bzw. fallbezogen. Von Bedeutung für die deutsche Translationstheorie sind die grundlegenden und immer wieder diskutierten Beiträge von Martin Luther und Friedrich Schleiermacher, von denen im Rahmen des Kapitels zur Geschichte der Translation noch die Rede sein wird. Man kann in den Äußerungen zum Dolmetschen und Übersetzen nach Koller (2004) eine explizite und implizite Übersetzungstheorie unterscheiden. Unter expliziter Übersetzungstheorie verstehen wir theoretische Äußerungen zu Übersetzungsmethoden, -prinzipien und –verfahren, die von den Übersetzern selbst zur Übersetzung vorgenommen werden. Das kann in Form von Vor- oder Nachworten, Kommentaren, Anmerkungen, Essays geschehen. Als implizite Übersetzungstheorie bezeichnen wir die Übersetzungsvorentscheidungen und –prinzipien, die sich aus der Übersetzung selbst bzw. aus dem Vergleich von Translat und Original ableiten lassen. Es ist Aufgabe der Übersetzungskritik, von der im Rahmen der literarischen Übersetzung noch einmal die Rede sein wird, die 38 Prinzipien, von denen sich der Übersetzer in seiner Arbeit hat leiten lassen, durch Vergleich von Original und Translat herauszuarbeiten. Übersetzungstheorien können danach eingeteilt werden, welches Element des Translationsprozesses im Mittelpunkt der Betrachtungen steht. In Anlehnung an Stolze (2005) unterscheiden wir nach diesen Kriterien folgende Theorien: A Fokus auf das Sprachsystem 1. Verdeutschende Übersetzung (Luther) 2. Einheit von Sprache und Denken (Humboldt) 3. Verfremdendes Übersetzen (Schleiermacher) 4. Das linguistische Relativitätsprinzip (Sapir/Whorf-Hypothese) 5. Dekonstruktierende Wiederholung (Derrida) 6. Universalientheorie und generative Transformationsgrammatik (Jakobson) 7. Maschinelles Übersetzen (Waever) 8. Translationslinguistik (Kade, Wilss, Jäger, Neubert) 9. Die Stilistique comparée (Vinay, Darbelnet, Malblanc) 10. Translation rules (Newmark) B Fokus auf die Texte 11. Bibelübersetzung und Translationswissenschaft (Nida, Taber) 12. Textlinguistik und Translationswissenschaft (Reiß, Koller) 13. Aspektives Übersetzen (Gerzymisch-Arbogast) 14. Literarische Übersetzung (Levý, Popovic) C Fokus auf Disziplin, Handeln und Übersetzer 15. Feldtheorie (Holmes) 16. Descriptive Translation Studies (Toury) 17. Schicht- und Stratifikationstheorie (Snell-Hornby) 18. Das Scene-and-Frame- Konzept (Vannerem, Snell-Hornby) 19. Skopostheorie (Reiß, Vermeer) 20. Faktoren der Translation (Reiß) 21. Translation als Expertenhandeln (Holz- Mänttäri) 22. Die Pariser Schule (Deverbalisierung) (Seleskovich, Lederer) 39 23. Die Relevanztheorie (Gutt) 24. Übersummativität, Multiperspektivität, Individualität von Texten, Kategorien und Kreativität (Paepcke, Stolze, Kussmaul) 3.1.1. Sprachbezogene Betrachtungsweise 3.1.1.1. Verdeutschende Übersetzung - Martin Luther Um ein wenig die Chronologie zu wahren, fangen wir mit der expliziten Übersetzungstheorie Martin Luthers (1483 – 1546) an. Luther als der deutsche Bibelübersetzer stand vor dem Dilemma, dass die Bibel einerseits ein unantastbares Mysterium darstellte, andererseits jedoch in ein für das Volk verständliches Deutsch übertragen werden musste. So entschied er sich für die freie Formulierung: “rem tene, verba sequentur“ (Erfasse die Sache, dann folgen die Worte von selbst). In seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530) verteidigt er sein Vorgehen mit vielen Beispielen gegen Kritiker, die ihm eine zu freie Übersetzung vorwarfen. Von Luther stammt auch die Bezeichnung „Verdeutschen“. Er umreißt sein Übersetzungsprinzip folgendermaßen: „Man mus die mutter jhm hause/ die kinder auff der gassen/ den gemeinen mann auff dem marckt drumb fragen/ und den selbigen auff das maul sehen / wie sie reden/ und darnach dolmetzschen/ so verstehen sie es den/ und mercken/ das man Deutsch mit jn redet.“ (Luther: 1530) Eine solche Auffassung von Übersetzung ist sinngemäß. Das kann man in Bezug auf Luther und die Zeit, in welcher er lebte und wirkte, natürlich nicht an heutigen Maßstäben messen. Es war für seine Zeit revolutionär, aber bei wesentlichen theologischen Inhalten erfolgt seine Übersetzung dennoch Wort für Wort, um Gottes Wort so genau wie möglich zu erhalten, was aber nicht unbedingt zugunsten der Verständlichkeit des deutschen Zieltextes geschieht. Er stellt in seinem Sendbrief eine grundlegende Tatsache dar, welche bis heute aktuell ist, nämlich dass Übersetzen immer Verständnis zur Voraussetzung hat und auch immer Auslegung, d.h. Interpretation, bedeutet. Dies erklärt auch, weshalb es von ein und demselben Werk zu verschiedenen Zeiten durchaus unterschiedliche Übersetzungen geben kann. Die 40 Bibel, mit deren deutscher Übertragung Luther in die Annalen der Geschichte eingegangen ist, stellt ein Paradebeispiel dafür dar. Bis ins 19. Jahrhundert wurde im Prinzip auch nur das Übersetzen der Heiligen Schrift und literarischer Kunstwerke als anspruchsvolle Tätigkeit angesehen, die eine theoretische Erörterung überhaupt lohnt. Die Translation alltäglicher Texte wurde als zu banal betrachtet, als dass man darüber auch noch sprechen sollte. In Äußerungen über das Übersetzen wird meist als Hauptprämisse die Treue zum Original gesetzt. Wir würden mit dem heutigen Begriffssystem von AT-orientierter Translation sprechen. 3.1.1.2. Einheit von Sprache und Denken - Wilhelm von Humboldt Wegweisend für die Einheit von Sprache und Denken war Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835), der in der Einleitung zu seiner Übersetzung von Aschylos Agamemnon (1816) feststellt, dass ein solches Werk aufgrund seiner Eigenheiten im Prinzip unübersetzbar sei. Humboldt sieht das Denken in Abhängigkeit von der Muttersprache: „Die Sprache ist gleichsam die äußere Erscheinung des Geistes der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich beide nicht identisch genug denken“.16 Will man sich eine Sprache aneignen und in eine Kultur hineinwachsen, so bedeutet dies dann auch, die damit in Zusammenhang stehenden Wirklichkeitsauffassungen und die Sprache, in der diese Kultur ansässig ist, zu übernehmen. Humboldt sagt: „ Alles Übersetzen scheint mir schlechterdings ein Versuch zur Auflösung einer unmöglichen Aufgabe. Denn jeder Übersetzer muss immer an einer der beiden Klippen scheitern, sich entweder auf Kostens des Geschmacks und der Sprache seiner Nation zu genau an sein Original oder auf Kosten seines Originals zu sehr an die Eigentümlichkeiten seiner Nation zu halten. Das Mittel hierzwischen ist nicht bloß schwer, sondern geradezu unmöglich.“17 3.1.1.3. Verfremdende Übersetzung - Friedrich Schleiermacher 16 W.v. Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. Hrg. V. H. Nette. Darmstadt, 1949, S.60 17 in: Koller, W. (1992): Einführung in die Übersetzungswissenschaft, 4. völlig neu bearbeitete Auflage. Heidelberg/Wiesbaden: Quelle &Meyer (UTB819), S. 159 41 Der wohl bis heute bedeutendste theoretische Beitrag zum Übersetzen im 19. Jahrhundert stammt von Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher (1768 – 1834). In seiner Abhandlung: „Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens“ von 1813 stellt er die Prinzipien dar, nach welchen er seine Platon-Übersetzung vorgenommen hat. Laut Koller (1992) hebt er drei Unterscheidungen ab: 1. Er unterscheidet Texte, in denen einfaches Berichten über einen Sachverhalt im Vordergrund steht, wie beispielsweise im Wirtschaftsleben, in Zeitungsartikeln, in Reiseberichten, von solchen Texten, in denen man „des Verfassers eigenthümliche Art“ ersehen könne, wie z.B. in wissenschaftlichen Texten einerseits und künstlerischen andererseits. Bei ersteren komme es in der „Übertragung auf bloßes Dolmetschen“ an und es könne im Grunde nicht viel falsch gemacht werden. „Deshalb ist das Übertragen auf diesem Gebiet fast nur ein mechanisches Geschäft, welches bei mäßiger Kenntnis beider Sprachen jeder verrichten kann“.18 Das Übertragen von Kunstwerken sei jedoch viel schwieriger und allein einer theoretischen Betrachtung wert. 2. Die Gründe für die Zweiteilung der Textvorkommen liegen nach Schleiermacher in verschiedenartigen Wörtern. Er unterscheidet zwischen Ausdrücken, die sich in verschiedenen Sprachen genau entsprechen, da sie sich auf genau eingrenzbare Gegenstände und Sachverhalte beziehen, und anderen Wörtern, welche Begriffe, Gefühle, Einstellungen erfassen und sich im Lauf der Geschichte verändern. In solchen Wörtern äußert sich der Geist der Sprache und das Denken des Einzelnen. 3. In Bezug auf künstlerisch anspruchsvolles Übersetzen unterscheidet Schleiermacher zwei Methoden: - bei der ersten Methode werde versucht, eine Übersetzung so zu gestalten, dass sie wie ein Original wirkt und den Autor zu den Lesern hinbewegt. Ein solches Vorhaben erweise sich aber angesichts der Einheit von Denken und Reden in der Muttersprache als unmöglich. - Bei der anderen Methode des Verfremdens herrscht dagegen eine Haltung, wo der Leser zum Autor hin bewegt wird. Nur so sei die treue Wiedergabe des Originals in der Zielsprache gewährleistet. 18 Störig (1969): 38 - 79 42 Diese beiden Methoden lassen sich nach unserem heutigen Verständnis wieder so formulieren: 1. AT-orientierte Transaltion und 2. ZT-orientierte Translation (mit anderen Worten, auch in diesen Betrachtungen geht es um dieses Grundproblem der Translation, das immer wieder die Gemüter erhitzt). Durch verschiedene Sprachen entstehen verschiedene Weltansichten, ja aus dem Blickwinkel des Einzelnen sogar unterschiedliche Wirklichkeiten. Stellvertretend für eine solche Sprachauffassung ist neben Humboldt und Schleiermacher auch Leo Weisgerber (1899 – 1985). Hier wird jede Sprache als ein relativ abgeschlossenes System betrachtet, das zu einem anderen in Beziehung gestellt werden kann, wobei sich nicht für jedes Wort in jeder Sprache ein genaues Äquivalent finden lässt. 3.1.1.4. Linguistisches Relativitätsprinzip - Benjamin Lee Whorf Während Humboldt im Prinzip das Übersetzen aus sprachphilosophischen Gründen für unmöglich hielt, sehen andere, nach dem linguistischen Relativitätsprinzip (Benjamin Lee Whorf, 1956) Folgendes: „Menschen, die Sprachen mit sehr verschiedenen Grammatiken benützen, werden durch diese Grammatiken zu typisch verschiedenen Beobachtungen und verschiedenen Bewertungen äußerlich ähnlicher Beobachtungen geführt. Sie sind daher als Beobachter einander nicht äquivalent, sondern gelangen zu irgendwie verschiedenen Ansichten von der Welt..“19 Demnach könnten fremde Texte immer nur annähernd übertragen werden. Die Auffassung des Verfremdens im Übersetzen findet sich auch bei Walter Benjamin (1892 – 1940), der sich in dem Aufsatz “Die Aufgabe des Übersetzers“ 1923 als Dichter zur Übersetzung literarischer Kunstwerke geäußert hat. Er betont die Selbstgeltung des Kunstwerks, unabhängig von dessen Rezeption: „Denn kein Gedicht gilt dem Leser, kein Bild dem Beschauer, keine Symphonie der Hörerschaft“20. Ihm kommt es darauf an, den Ausdruck des Originals, sein „Wie“ in der Zielsprache nachzubilden, es geht also um formbetontes Übersetzen. Benjamins Übersetzungstheorie hat vor allem im englischsprachigen Ausland bis heute stark nachgewirkt. Aufgrund der starken formbetonten Orientierung wird Übersetzbarkeit 19 Benjamin Lee Whorf (1956): Language, Thought an Reality. Cambridge, Mass.- Dt. Von Peter Krauser (1963): Sprache – Denken – Wirklichkeit, Hamburg, S. 20 20 Störig 1969: 155 -169 43 an sich in Frage gestellt, da keine Zielsprache, nicht einmal verwandte Sprachen, über entsprechende Formmittel zum Ausdruck einer sprachlichen Erscheinung verfügen. 3.1.1.5. Die dekonstruierende Wiederholung - Derrida Eine weitere, von der postmodernistischen Literaturtheorie und Philosophie geprägte Auffassung zur Übersetzung beinhaltet, dass in der schriftlichen Sprache, im Gegensatz zur mündlichen, immer eine Mehrdeutigkeit der Texte vorliegt, so dass sie in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich gelesenen werden können. Die Schrift bringe so den Zerfall der semantischen Identität des Zeichens mit sich. Diese dekonstruierende Wiederholung wird auch als Iterabilität bezeichnet und hat die Unübersetzbarkeit von Teilen von Texten zur Folge. Vertreter dieser Auffassung sind Jaques Derrida (1967) und Paul de Man. Zusammenfassend zu den relativistischen Übersetzungstheorien lässt sich feststellen, dass hier häufig eher die Unübersetzbarkeit festgestellt wird, als dass eine Methode zur Translation vorgeschlagen wird. 3.1.1.6. Universalientheorie und Generative Transformationsgrammatik - Jakobson Anders gestalten sich die Betrachtungen, wenn man Sprache nicht als das Weltbild muttersprachlich determinierende Kraft betrachtet, sondern als Kommunikationsinstrument zum Ausdruck von Gedanken, d.h. also das Primat auf den Inhalt setzt und nicht auf die Form. Die Universalientheorie 21 und die Generative Transformationsgrammatik vermittelten wichtige Impulse für die Übersetzungstheorie. Im Gegensatz zur von der Sprachinhaltsforschung festgestellten Unübersetzbarkeit deutet sich hier eine prinzipielle Übersetzbarkeit an. Roman Jakobson (1959) unterschiedet drei Arten der Übersetzung: 1. Intralinguale Übersetzung oder Umbenennung (rewording) ist eine Interpretation sprachlicher Zeichen mit Hilfe anderer Zeichen derselben Sprache (z.B. Soda – älterer Ausdruck, heute: Backpulver) 21 Universalienforschung: Erforschung und Beschreibung derjenigen Eigenschaften, die allen natürlichen Sprachen gemeinsam sind [Lexikon Sprache: Universalienforschung, S. 1. Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache, S. 10329 (vgl. MLSpr, S. 761) (c) J.B. Metzler Verlag] 44 2. Interlinguale Übersetzung (oder die eigentliche Übersetzung (translation porper)) ist die Interpretation sprachlicher Zeichen mit Hilfe einer anderen Sprache 3. Intersemiotische Übersetzung oder Transmutation (transmutation) ist die Interpretation sprachlicher Zeichen mit Hilfe von Zeichen nichtsprachlicher Zeichensysteme, Piktogrammen, Verkehrsschildern etc. Schematisch ließe sich die Übersetzbarkeit, also die Möglichkeit des Übersetzungsvorgangs wie folgt darstellen: Sx Dx/Zx Dy/Zy Sy t.c. (tertium comparationis) Da sich das in Sprache x durch sprachliche Zeichen Dargestellte auf dasselbe t.c. bezieht, ist also auch eine Übersetzbarkeit in Sprache y gewährleistet. 3.1.1.7. Die maschinelle Übersetzung - Weaver Es gab in der jüngeren Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein immer wieder Bestrebungen, Übersetzen nur als linguistisches Problem fassen zu wollen. Initiator dieser Bestrebungen ist die Forschung zur Maschinellen Übersetzung (MÜ). Deren offiziellen Auftakt kann man auf das Jahr 1948 datieren, als Warren Weaver in einem berühmt gewordenen Briefwechsel mit Norbert Wiener seine informationstheoretisch inspirierte Konzeption der MÜ vorlegt. Grundannahme ist die, dass jede Sprache eine Art Geheimcode sei, den ein guter Computer „knacken“ könne. Die Maschinelle Übersetzung ist jedoch ein Problem, das in der Gegenwart immer noch nicht gelöst ist, nicht einmal für lexikalisch relativ überschaubare technische Übersetzungen, ganz zu schweigen von komplizierteren Sachverhalten. Beim Übersetzen spielen viel mehr Faktoren mit als der bloße Ersatz sprachliches Zeichen ./. sprachliches Zeichen. 3.1.1.8. Translationslinguistik (Kade, Wilss, Jäger, Neubert) 45 Als einer der ersten Vertreter einer linguistisch orientierten Übersetzungswissenschaft im deutschen Sprachraum wird häufig Rudolf Jumpelt genannt (1961) , der die Übersetzung als „Gegenstand der Sprachwissenschaft“ sieht. Seines Erachtens ist die Textgattung der Hauptfaktor, welcher die Kriterien (d.h. Übersetzungsprinzipien und – verfahren) bestimmt. Er unterscheidet verschiedene Übersetzungsgattungen, in Abhängigkeit wovon dann auch die Übersetzungstheorie gesehen werden muss: 1. die künstlerisch-ästhetische Übersetzung 2. die religiöse Übersetzung 3. die pragmatische Übersetzung (Texte der Natur- und angewandten Wissenschaften, Sozialwissenschaften, Presse Werbung etc.) 4. die ethnographische Übersetzung 5. die sprachwissenschaftliche Übersetzung 6. die geisteswissenschaftliche Übersetzung Seiner Meinung nach werden die Übersetzungsprozeduren der Modulation und Transposition in Abhängigkeit von den Gattungen unterschiedlich eingesetzt. In der englischen Literatur, z.B. hauptsächlich bei Newmark, finden wir eher Übersetzungsregeln unter der Bezeichnung Übersetzungsprozeduren (translation procedures), also nicht deskriptiv wie Übersetzungstheorie, sondern präskriptiv, also eher translation rules. Er stellt dann auch selbst einen Katalog mit 33 Regeln auf, die insbesondere in der Lehre zur Anwendung kommen sollen. Unter translation theory versteht Newmark dann auch eher eine anwendungsorientierte Beschreibung praktischer Probleme. Der Versuch, die Vorgänge bei der Translation nur linguistisch zu beschreiben, wird auch als Translationslinguistik bezeichnet. Verantwortlich hierfür zeichnen die Vertreter der „Leipziger Schule“ Otto Kade, Albrecht Neubert, Gert Jäger, Gert Wotjak u.a.). Kade führt dann 1980 auch noch einen kommunikationswissenschaftlichen Ansatz in seine Untersuchungen ein. Aus der Kommunikationswissenschaft wurde der Terminus Kode /Kodewechsel übernommen, indem man die Übermittlung einer Nachricht von einem Sender an einen Empfänger wie folgt darstellt: Enkodierung Dekodierung S ----------------------------------------N ----------------------------------E 46 Somit stellt dann das Übersetzen einen Sonderfall der Kommunikation dar: zwischen Sender und Empfänger muss der Übersetzer (oder der Computer) treten, weil ja der Empfänger des Textes nicht über den gleichen Kode wie der Sender verfügt. Gesondert dazu im Kapitel zu den Übersetzungsmodellen. Auch Wilss basiert seine Untersuchungen zur Translation auf kommunikationswissenschaftlicher Grundlage. Er sieht es als Ziel der angewandten Übersetzungswissenschaft an, durch die Beschreibung der Transferbedingungen eine vielfach verwendete Transfermethodik zu entwickeln, die als „Übersetzungsfertigkeit“ (Wilss, 1992) auch didaktisch gebildet werden sollte. Als Ausgangspunkt hierfür sieht er bestimmte „Denkschemata“ an, als Bausteine der kognitiven Weltpräsentation im Gedächtnis gespeichert. Als Beispiel nennt er die mechanische Wortbildung mit dem Suffix – isation: Africanisation(frz.) africanization (engl.) Afrikanisierung (dt.)afrikanizacija (srb.); Decentralization (frz.) decentralization (engl.) Dezentralisierung (dt.) decentralizacija (srb.) Solche Übergangswahrscheinlichkeiten, also Übersetzungsprozeduren, die erwartbarer sind als andere, entwickeln sich zu einem “Multioptionstyp”, den man in allen möglichen Situationen einsetzen kann. Diese Fertigkeit des Einsatzes von Schemata wäre dann auch didaktisch vermittel- und bewertbar. Bei den übersetzungstheoretischen Betrachtungen zur Übersetzung als interlingualer Transfer kommt jedoch die Beispielsdiskussion ein wenig zu kurz. 3.1.1.9. Die Stilistique comparée (Vinay, Darbelnet, Malblanc) Die Vertreter der Stylistique comparée nehmen eine systematische Beschreibung von Übersetzungsverfahren aufgrund des Vergleichs der Oberflächenstruktur von Sprachen vor. Auf der Grundlage umfangreicher Beispieldiskussionen anhand vorliegender Übersetzungen oder konstruierter Beispiele zu jeweils zwei Sprachenpaaren (z.B. Vinay/Darbelnet 1958 zu Englisch-Französisch, Malblanc 1968 zu Deutsch- Französisch) schlussfolgern sie, dass übersetzte sprachliche Einheiten in den genannten Sprachenpaaren immer in fünf, evtl. auch miteinander kombinierten, Formen auftreten: 47 1. Direktentlehnung (small- talk, Meeting...). Sie erhalten im weiteren Verlauf der Einbürgerung durch orthographische und lautliche Angleichung an zielsprachliche Schreibmuster den Status von Lehnwörtern (escalation – Eskalation) 2. Lehnübersetzungen, d.h. die von der zielsprachlichen Sprachgemeinschaft geduldete lineare Einsetzung morphologisch analysierbarer ausgangssprachlicher Syntagmen (vorwiegend SubstantivZusammensetzungen), z.B. market research – Marktforschung, birth control – Geburtenkontrolle 3. Wörtliche Transferprozedur, d.h. die Ersetzung von ausgangssprachlichen syntaktischen Strukturen durch formell entsprechende, inhaltlich sinngleiche syntaktische Strukturen in der Zielsprache: He had stolen the money – Er hat das Geld gestohlen. 4. Transposition (Wortartenwechsel), d.h. der Inhalt eines sprachlichen Zeichens der AS wird bei Übertragungen sinngetreu auf sprachliche Zeichen einer anderen Wortart in der ZS übertragen: His face was red with shame – Ihm stand die Schamröte im Gesicht. 5. Modulation (Inhaltliche Perspektivenverschiebungen) - bewirken unterschiedliche semantische Abstände zwischen dem AS- und ZSTextsegment (z.B. entspricht dem Deutschen „Guten Appetit“ im arabischen Kulturraum: „Möge Gott Dich sättigen“ im Serbischen: „Prijatno“ - wörtlich dt.; angenehm) Diese sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft ist laut Stolze (2005) mikrostilistisch orientiert und steht dem Sprachvergleich und der kontrastiven Grammatik sehr nahe. Sie klassifiziert deskriptiv das Verhalten des Übersetzers und verwendet die gewonnenen Kategorien dann präskriptiv für die Übersetzungsdidaktik. Daher wird hier von einer Technik des Übersetzens anhand des Vergleichs von Oberflächenstrukturen auf der Textebenen gesprochen, im Sinne erlernbarer Prozeduren zur Herstellung einer inhaltlich genauen Übersetzung. Die Strukturunterschiede im Sprachenpaar sowie die Interferenzproblematik können damit 48 sehr gut herausgearbeitet werden, und in der Übersetzerpraxis stellen sie oft auch das Hauptproblem dar.22 Soviel zu den Übersetzungstheorien, die auf das Sprachsystem fokussiert sind. 3.1.2. Textbezogene Übersetzungstheorien Nach den Übersetzungstheorien, welche auf das Sprachsystem fokussiert sind, nun solche, die primär die Texte in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen. Hier ist insbesondere die Äquivalenzdiskussion auf Textebene, die textlinguistisch und pragmatisch basierten Untersuchungen sowie die Sonderstellung der literarischen Übersetzung hervorzuheben. Einiges soll an dieser Stelle nur erwähnt werden, da es an anderer Stelle detaillierter behandelt wird, wie vor allem das Problem der Äquivalenz. 3.1.2.1. Übersetzung der Bibel und Translationswissenschaft Da als Text die Bibel als erstes Gegenstand der Übersetzung war, bot sich auch an, sie als erstes übersetzungswissenschaftlich zu untersuchen. So waren dann auch die Erfahrungen mit der Bibelübersetzung grundlegend für eine systematische Übersetzungsforschung. Grundanliegen bei der Bibelübersetzung war ja, den Inhalt in so viele Sprachen wie möglich unverändert zu übersetzen. Um eine wissenschaftliche Grundlage für eine genaustmögliche Bibelübersetzung zu schaffen, versuchte Nida 1964 (Eugenen A. Nida) in seinem Buch Toward a Science of Translation, das Übersetzen analytisch zu beschreiben. Gemeinsam mit Charles R. Taber erstellte er in dem Buch The Theory and Practice of Translation (dt.: Theorie und Praxis des Übersetzens, 1969), die Arbeitsgrundlage für die Bibelübersetzung. Nida interessiert sich vor allem für das Funktionieren der Zeichen in der Zielsprache (die Appellfunktion) und weniger für den Bedeutungsinhalt als solchen. Das Übersetzen wird sowohl vom Aspekt der sprachlichen Formen heraus als auch unter Einbezug der Reaktion der Empfänger und der Situation der Übermittlung betrachtet. 22 Stolze, Radegundis (2005): Übersetzungstheorien, S. 19 – 79 49 Als Übersetzungsmethode wird vor dem Hintergrund der Generativen Transformationsgrammatik ein Verfahren empfohlen, das aus drei Phasen besteht: einer Analyse, der Übertragung und dem Neuaufbau. Bei Nida entsprechen die Tiefenstrukturen (kernels) denjenigen Einheiten, die in den unterschiedlichen Sprachen ähnlich sind. Es werden mittels intuitiv begründeter Rückführungen von Sätzen aus der Oberflächenstruktur (A) in Elementarsätzen einfachere Strukturen gebildet (nearkernels), die in einem zweiten Schritt in einfachere zielsprachliche Strukturen umgesetzt werden, aus denen dann in einem dritten Schritt die Übersetzung (B) wieder aufgebaut wird. Nida/Taber verwenden folgende Darstellung: A (Ausgangstext) B (Endergebnis) Analyse Synthese x Übertragung y 1. In der Analysephase bedient sich der Übersetzer der intuitiv umschreibenden Rückumformung in Elementarsätze zum Zweck der Erhellung des inhärenten Sinngehalts von Wortverbindungen (Syntagmen). Es geht Nida also um die Suche nach der inhärenten Bedeutung syntaktischer Fügungen, im Unterschied zum Vergleich der Syntax in der Stylistique comparée. Bei der Frage der Wortbedeutung verweist er auf den Kontext, also auf die Kennzeichnung durch Syntax und Sinnbeziehungen. 2. In der Transferphase sind dann die gewonnenen Elementarsätze in der Zielsprache so zu bearbeiten, dass die Formulierungen für die anvisierten Empfänger verständlich sind. Dabei werden viele Anpassungen nötig, idiomatische Redewendungen gehen u.U. verloren, Bedeutungskomponenten von Wörtern werden verschoben, oft müssen Erläuterungen in den Text eingebaut oder dieser mit Fußnoten ergänzt werden. 3. Schließlich sind in der Synthesephase vor allem die stilistischen Unterschiede und die Sprachebene zu beachten. Die Strukturgrundlage für die Vielfalt des 50 Stils bilden Umformungen, die alle auf einen Elementarsatz zurückgehen, wie z.B.: Judas verriet Jesus: 1. Judas verriet Jesus. 2. Jesus wurde von Judas verraten. 3. Judas´ Verrat an Jesus 4. Jesu Verratenwerden durch Judas 5. Der Verrat Jesu durch Judas 6. Der Verrat des Judas an Jesus 7. Das Verratenwerden Jesu durch Judas 8. Es war Judas, der Jesus verriet. 9. Es war Jesus, der von Judas verraten wurde.23 Bei der Frage nach dem Stil ist in diesem „funktionalen Ansatz“ v.a. rhetorisch auf die Frage nach der Leistung von Stilelementen zu achten. Stolze (2005) bemerkt, dass mit Nidas Ansatz der Grundstein für die moderne Translatologie gelegt wurde. Das Problem, das sich hier ergibt, ist, dass man einen Text nicht nur auf die syntaktischen Strukturen reduzieren kann und deren Beziehung nicht nur intuitiv beschrieben werden kann. Somit beschränkt sich das Problem der Äquivalenz, ein zentrales Problem in der Translatologie, auf die Wahrung von Inhalts- und Wirkungsgleichheit in Bezug auf syntaktische Bedeutungen. 3.1.2.2. Textlinguistik und Translationswissenschaft In den 70er Jahren wendet sich die Linguistik verstärkt satzübergreifenden Strukturen zu, es entsteht die Textlinguistik. Und spätestens seit Nidas Untersuchungen zur Bibelübersetzung wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass beim Übersetzen nicht Wörter oder Sätze übertragen werden, sondern ganze Texte. Stolze (2005) bemerkt weiter, dass es also nahe lag, dass sich die Übersetzungstheorien einer textlinguistischen Perspektive öffneten. Die Textlinguistik fragt nach den 23 Nida/Taber 1969:47 51 Grundbedingungen der Textkonstitution, also den Prinzipien des Textaufbaus und der Textkohärenz, der Textfunktion und Textwirkung.24 Besondere Resonanz hat die Entwicklung der Textlinguistik bei der Translatologin Katarina Reiß gefunden. Ihr Grundgedanke ist, dass die Struktur des Textes die Übersetzung beeinflusst. Sie definiert nach Stolze (2005) auf Grundlage des Bühlerschen Organon-Modells (Bezeichnung, Ausdruck, Appell) mit deren drei kommunikativen Zeichenfunktionen 1971 erst einmal drei Texttypen: den inhaltsbetonten, den formbetonten und den appellbetonten (bei den appellbetonten ist ein Hauptmerkmal die Erzielung außersprachlicher Effekte). So ergibt sich folgendes Schema der Zuordnung: FunktionDarstellungAusdruckAppell der Sprache Dimensionlogischästhetischdialogisch der Sprache Texttypinhaltsbetontformbetontappellbetont Als vierten Typ fügt sie später den audiomedialen Text hinzu, dessen Kennzeichen das „Angewiesensein auf außersprachliche (technische) Medien und nichtsprachliche Ausdrucksformen graphischer, akustischer und optischer Art ist“ (Reiß 1971:49). Aus diesen Texttypbezeichnungen leitet sie die Textfunktionsbezeichnungen ab: informativer Typ, expressiver Typ, operativer Typ. Sie geht davon aus, dass man zunächst den Texttyp ermitteln soll, wobei dieser dann über die Übersetzungsmethode entscheidet. In der Translation ist laut Reiß oberste Prämisse, die Textfunktion zu erhalten. In Abhängigkeit vom Texttyp beschreibt Reiß die Übersetzungsmethode wie folgt: a) sachgerecht (bei informativen Texten) b) autorgerecht (bei expressiven Texten) 24 An dieser Stelle sei eine kurze Zwischenbmerkung gestattet: Textlinguistik soll hier unbedingt abgegrenzt werden von der Textgrammatik. Textgrammatik ist die Fortsetzung der Satzgrammatik auf Textebene, der Textlinguistik liegt ein ganz anderes Konzept zugrunde, nämlich ein handlungsorientiertes. Die Textgrammatik versteht den Text als Folge von Sätzen, die Textlinguistik versteht den Text als Ausdruck von Sprechakten. Die Textlinguistik verfügt über einen anderen Begriffsapparat als die Textgrammatik, wo dieser mit dem der Satzgrammatik identisch ist. 52 c) appellgerecht (bei operativen Texten) d) suppletorisch (konkret: medien- oder verbundgerecht) (bei audiomedialen Texten).25 Eine etwas andere Unterteilung von Texten nimmt Werner Koller (1992) vor. Er unterscheidet zwei Hauptkategorien von Texten, und zwar Fiktivtexte und Sachtexte, wobei er davon ausgeht, dass zwischen Fiktiv- und Sachtexten nicht nur graduelle, sondern qualitative Unterschiede bestehen, worauf wir noch einmal Bezug nehmen werden, wenn wir vom literarischen Übersetzen sprechen. Sachtexte untergliedert Koller (1992) in drei Kategorien: 1. Sachtexte, die überwiegend allgemeinsprachlichen Charakter haben und die primär der nicht-fachlichen Kommunikation dienen (Gebrauchstexte der verschiedensten Art) 2. Sachtexte, die allgemeinsprachlichen und fachsprachlichen Charakter haben und die der fachlichen Kommunikation mit und unter Nicht-Fachleuten, zum Teil auch mit Fachleuten dienen (Beispiel: populärwissenschaftliche Schriften, Einführungswerke in Fachgebiete) (=Fachtexte im weiteren Sinn) 3. Sachtexte, die spezifisch fachsprachlichen Charakter haben und die der Kommunikation unter Fachleuten und Spezialisten dienen (Bsp.: wissenschaftlich-technische Fachliteratur) (= Fachtexte im engeren Sinne) Die Unterschiede zwischen den Texten werden seiner Meinung nach mittels vier Kriterien erläutert: 1. Das Kriterium der sozialen Sanktion bzw. der praktischen Folgen besagt, dass eine Textveränderung in der literarischen Übersetzung für den Leser keine konkreten lebenspraktischen Folgen hat (auch wenn man sich darüber ärgern mag), während die bei Sachtexten ganz anders aussieht, z.B. eine im ZT veränderter Bedienungsanleitung für ein elektrisches Gerät kann durchaus lebensbedrohlich sein... 2. Das Kriterium der Fiktionalität – bezieht sich auf die künstlerische Wirklichkeit in diesen Texten: im literarischen Text stehen die dargestellten 25 Stolze 2005:184ff 53 Sachverhalte dem Leser anders gegenüber als etwa in einem Zeitungsbericht oder in einer wissenschaftlichen Abhandlung 3. Das Kriterium der Ästhetizität – es besagt, dass literarische Texte unter ästhetischem Aspekt rezipiert werden, und daher Abweichungen von sprachlich-stilistischen Formen als Stilmittel gelten. Für den Übersetzer ergibt sich daraus die Notwendigkeit, solche Sprachexperimente nachzuvollziehen. 4. Intralinguistische, soziokulturelle und intertextuelle Bedeutung als viertes Kriterium bewirken nur einen „Graduellen Unterschied“ zwischen Fiktiv- und Sachtexten26 Bewusst gibt Koller kaum konkrete Hilfestellungen für den Übersetzer, ist also deskriptiv und nicht präskriptiv. Seiner Meinung nach sollte sich „Übersetzungswissenschaft davor hüten, Anweisungen für die Praxis zu formulieren. Als empirische Wissenschaft sollte sie vielmehr die angewendeten Verfahren, ihre Funktionen, ihr Vorkommen und quantitative Verteilung in verschiedenen Textsorten, ausgehend von konkreten Übersetzungsfällen beschreiben“ (Koller 1992:271) 3.1.2.3. Aspektives Übersetzen Ein durchaus präskriptives Herangehen, also das Gegenstück zu Kollers deskriptivem Blickwinkel, meint Heidrun Gerzymisch-Arbogast, welche 1994 ein übersetzungswissenschaftliches Propädeutikum vorlegt. In diesem wird verlangt, dass sich Übersetzen im Rahmen einer wiederholbaren regelgeleiteten Schrittfolge vollziehen muss. Wenn übersetzerische Entscheidungen und vor allem die Bewertungen von Übersetzungen intersubjektiv nachvollziehbar gemacht werden sollen, dann müssen auch die Äquivalenzforderungen klar und einheitlich definiert werden. Eine Übersetzung ist nicht gut oder schlecht an sich, sie kann nur als gut oder schlecht in bezug auf bestimmte Aspekte charakterisiert werden. Es geht also darum, übersetzerische Entscheidungen zu systematisieren im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Perspektiven hinsichtlich den Text betreffender Entscheidungen, und zwar aus makrostruktureller und mikrostrukturelle Perspektive, sowie einer solchen, die zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen vermittelt. Der Übersetzer soll eine 26 Koller (1992): S. 274 ff 54 sog. „Aspektliste“ erarbeiten, die mit ihren Prioritäten dann ein Programm zur systematischen Gestaltung der Übersetzung darstellt. In makrostruktureller Perspektive werden folgende Beschreibungsparameter aus einem Textbeispiel abgeleitet: `Text- und Übersetzungstyp´, ´Textverständnis und Kohärenz`, ´Kulturspezifik`. In mikrostruktureller Perspektive werden, linear von der Textebene ausgehend, folgende Beschreibungsparameter untersucht: ´kontrastive Bedeutungsunterschiede´, ´Referenz`, `Hervorhebungsmuster und sprachliche Progression´, ´Sprachvarietäten´ u.a. Diese Parameter sind in den Texten anhand einzelner Aspekte aufzeigbar, mit denen dann die Charakteristik des Textes in einer Matrix dargestellt werden kann. Ein Vergleich der Matrizen für den Ausgangstext und für die Übersetzung zeigt Überreinstimmungen und Abweichungen mit mathematischer Genauigkeit auf, so dass dann festgestellt werden kann, in Bezug auf welche Aspekte die Übersetzung gut oder schlecht realisiert ist. Dementsprechend soll auch der Übersetzungsprozess selbst auf einem „aspektiven Lesen“ des Originals beruhen, wobei die ermittelten Aspekte in Form einer Prioritätenliste gewichtet werden: a) Aspektra (= einzelproblemorientierte Perspektive), erfasst auffällige Einzelfälle, z.B. Metaphern, Hervorhebungen, syntaktische Strukturen im Text, fragt vor dem Hintergrund ihrer kontrastiven Kompatibilität nach ihrer prinzipiellen Realisierbarkeit in der ZS und setzt diese unter Berücksichtigung weiterer Zieltextdeterminanten (Übersetzungszweck, ZS-Norm, ZS-Texttyp) in einen ZST um b) Relatra (= musterorientierte Perspektive), erfasst auffällige summativ analysierbare Muster (z.B. thematische oder isotopische Muster im Text), fragt wiederum vor dem Hintergrund ihrer kontrastiven Kompatibilität nach ihrer prinzipiellen Realisierbarkeit in der ZS und setzt diese unter Berücksichtigung weiterer Zieltextdeterminanten (Übersetzungszweck, ZS-Norm, ZS-Texttyp) in einen ZST um c) Holontra (= holistische (nicht additive, nicht teilbare, ganzheitlich operierende) Perspektive), es werden ganzheitliche Gesamtvorstellungen im Text (z.B. kulturspezifische oder fachwissenschaftliche Gesamtstrukturen) analysiert, fragt vor 55 dem Hintergrund ihrer kontrastiven Kompatibilität nach ihrer prinzipiellen Realisierbarkeit in der ZS und setzt diese unter Berücksichtigung weiterer Zieltextdeterminanten (Übersetzungszweck, ZS-Norm, ZS-Texttyp) in einen ZST um Nach dieser aufwendigen Lektüre ergeben sich nach Gerzymisch-Arbogast (1998) für das Übersetzen folgende 5 Schritte: 1. Festhalten der (inhaltlichen und formalen) Auffälligkeiten im Original und Zuordnung zu den entsprechenden Textstellen im AT = ERSTLEKTÜRE 2. AUFSTELLEN DER ASPEKTLISTE - es werden aus den zunächst intuitiv notierten Auffälligkeiten Aspekte entwickelt (s. oben) 3. ASPEKTIVES LESEN – nun wird jede Textstelle unter jedem Aspekt gelesen und der entsprechende Wert zugeordnet 4. ÜBERSETZUNGSBEZOGENES LESEN - die ermittelten Aspekte werden in Bezug auf das Übersetzungsziel gewichtet, d.h. es wird eine Prioritätenliste erstellt, welcher Aspekt in Hinblick auf die Übersetzung am höchsten zu bewerten ist, welcher an zweiter Stelle kommt, so lange bis eine vollständige Rangfolge hergestellt ist. 5. ASPEKTIVES ÜBERSETZEN – zu den einzelnen Textstellen werden Übersetzungsvarianten erstellt, die wiederum nach der erstellten Prioritätenliste gewertet werden kann. 27 Wegen der komplizierten Darstellung ergibt sich jedoch die Frage, ob eine wissenschaftliche Aufbereitung dessen, was der Übersetzer und Leser aufgrund seiner Textkompetenz und intuitiv feststellt, im Übersetzungsprozess wirklich praktikabel und überhaupt möglich ist, berücksichtigt man vor allem den Zeitdruck, unter dem die meisten Übersetzungen angefertigt werden. Dennoch hat die textlinguistische Erweiterung der Übersetzungswissenschaft auf wertvolle Aspekte der Textkonstitution, Kohärenz und Textgliederung von Textsorten aufmerksam gemacht, die wissenschaftlich analysierbar sind. Mit ihrer Hilfe können 27 Heidrun Gerzymisch-Arbogast/Klaus Mudersbach (1998): Methoden des wissenschafltichen Übersetzens. Tübingen 56 übersetzungspraktische Probleme eines Textes hinsichtlich ihres Gewichts im Ausgangstext präzisiert werden und Charakteristika im kontrastiven Vergleich aufgedeckt und bewertet werden. Außerdem trägt dieses Herangehen vor allem dem Rechnung, dass ein Übersetzer niemals ein einfacher Rezipient eines Textes ist. Er rezipiert diesen zwar auch, nie jedoch unbefangen. Er hat immer seinen Übersetzungsauftrag im Kopf, um dessen bestmögliche Erledigung er bemüht sein wird. Es ist jedoch nicht nur die unterschiedliche Gewichtung innerhalb eines Textes, deren der Translator Rechnung tragen sollte, es sind auch außersprachliche Zusammenhänge, welche Berücksichtigung finden sollten. Dies kann mit der Theorie des aspektiven Übersetzens leider nicht erfasst werden. Diesen Mangel zu beseitigen galt es in der folgenden Zeit, als unmittelbar mit der Entwicklung der Sprechakttheorie als Bestandteil der Textlinguistik nun auch wesentliche Aspekte davon in die Translatologie Eingang fanden. So konnte in den Übersetzungstheorien auch eine pragmatische Dimension mit eingeschlossen werden. Viele Autoren untersuchen in ihren Arbeiten den Einfluss von Sprechakten auf die Übersetzungstheorie und kommen zu dem Schluss, dass dieser größer ist als angenommen. So ist es ein großer Unterschied, ob man sprecherorientiert informiert, z.B. in einer Studie oder etwa partnerorientiert-auffordernd eine Bedienungsanleitung übersetzt (sollte es zumindest sein), sowohl terminologisch als auch formal. Wie wir an anderer Stelle noch sehen werden, findet auch ein anderer Aspekt der syntaktischen Forschung Eingang in die Translatologie: die Untersuchung der funktionalen Satzperspektive. Untersucht wird, inwiefern eine Veränderung der Trema-Rhema-Gliederung (nach neuesten Erkenntnissen auch des Phemas) im Ausgangs- und Zieltext zu semantischen Veränderungen führen kann. So stellen einzelsprachlich unterschiedliche Formen der Betonung sowie rechtsseitig bzw. linksseitig orientierte Strukturen ein Übersetzungsproblem dar. Hönig/Kussmaul entwickelten diesbezüglich in ihrer Übersetzungstheorie den Terminus der Strategie des Übersetzens, was wiederum insbesondere für die Entwicklung einer Theorie des literarischen Übersetzens von Bedeutung ist. 3.1.2.4. Die Übersetzung literarischer Texte 57 Greiner (2004) berichtet, dass die Übersetzung literarischer Texte sowohl als Prozess als auch als Produkt in deskriptiven Untersuchungen betrachtet wird . Literarische Übersetzungen können seiner Meinung nach niemals losgelöst von einem kulturellen und historischen Rahmen betrachtet werden, aus dem sich verschiedenen Normen hinsichtlich der Übersetzungstheorie und auch verschiedene Wirkungen literarischer Übersetzungen in der Zielkultur ableiten lassen. Er weist darauf hin, dass es seit jeher in Bezug auf das literarische Übersetzen als problematisch gilt zu ermitteln, was denn eigentlich ein literarisches Werk ausmacht, was die Invariante der Übersetzung ist und was Spielraum für Interpretationen gibt. So werden meist Textveränderungen durch den Übersetzer aufgezeigt und beurteilt, oft ohne in Betracht zu ziehen, dass dem spezifische Interpretationsstrategien, andere Übersetzernormen oder -traditionen, Verlagsvorgaben etc. zugrunde liegen können. Literarisches Übersetzen ist immer äußerst subjektiv und intuitiv. Die Translationwissenschaft wiederum forderte diesbezüglich in der Vergangenheit immer wieder inhaltliche und formale Äquivalenz (eine sehr problematische und kontroverse Forderung, wie wir an anderer Stelle noch sehen werden). Es sind vor allem Probleme der sinnkonstituierenden Funktion der formalen Gestaltung literarischer Texte, welche für die Forschung interessant sind. Levý definiert (S.Greiner:2004) die literarischen Merkmale als Elemente eines semiotischen Systems, in Relation zu anderen Textsegmenten (synchronisch) und zu anderen Wörtern in Texten der literarischen Tradition (diachronisch). Jedoch kam man in translationswissenschaftlichen Untersuchungen immer wieder zum Schluss, dass sich gerade das literarische Übersetzen präziser wissenschaftlicher Untersuchung immer wieder entzieht, trotz aller diesbezüglichen Versuche. Es erweist sich immer als stark subjektiv geprägt. So drängt sich dann auch der Gedanke auf, von dem Ideal einer objektiven Einschätzung Abstand nehmen zu müssen. Verschiedene Wissenschaftler, u.a. auch Popovic (1975) konstatiert dann auch die Unmöglichkeit des Erreichens eines voll äquivalenten Textes. Im Kapitel zum literarischen Übersetzen und der Übersetzungskritik werden wir noch sehen, dass literarische Übersetzungen nicht nur nach einem Äquivalenzmaßstab beurteilt werden können.28 3.1.3. 28 Disziplin-, Handelns- und übersetzerbezogene Übersetzungstheorien Stolze, Radegundis: Übersetzungstheorien, S. 87 - 150 58 3.1.3.1. Feldtheorie (Holmes) Spätestens seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wird das Bedürfnis, dass sich die Translatologie als eigene Wissenschaft formieren und nicht mehr als Teilgebiet der Sprachwissenschaft fungieren will, deutlich und eindeutig formuliert. Es kommt diesbezüglich zu Bestrebungen, die bisherigen theoretischen Kenntnisse zu systematisieren in ein deskriptives und ein angewandtes Feld (sog. Feldtheorie). Besonderes Augenmerk wird dabei dem deskriptiven Feld gewidmet. Holmes (1988)29 bezieht sich auf: - eine Theorie des Übersetzungsprozesses, d.h. die Theorie dessen, was geschieht, wenn jemand übersetzen will - eine Theorie des Übersetzungsprodukts, d.h. was den übersetzten Text als Text kennzeichnet; - eine Theorie der Übersetzungsfunktion, d.h. wie die Übersetzung in der Empfängerkultur wirkt. Dabei geht es auch um die Beziehung der einzelnen Bereiche untereinander. So gilt, dass die intendierte Position einer Übersetzung im System einer Zielkultur (Funktion) deren geeignete Oberflächenrealisation (Produkt) bestimmt, was wiederum die Übersetzerstrategien (Prozess) regiert (Toury, 1995). 3.1.3.2. Deskriptive Translation Studies - DTS (Toury) Als Untersuchungsgegenstand der DTS wird die Übersetzung im Rahmen ihres Kontextes (also der Zielkultur) angesehen, wo sie in ihrer Position als Produkt eines spezifischen Übersetzungsprozesses untersucht wird. Toury, als einer der Hauptvertreter der DTS, stellt folgende Grundsätze der DTS vor: 1. Übersetzungen sind ein kulturelles Faktum und werden als geschichtliches Objekt einer Zielkultur gesehen. Im Extremfall bedeutet dies, dass jeder Text, der als Übersetzung eines anderen Textes bezeichnet wird, als eine solche zu gelten hat. 29 Holmes, James (1988): Translated! Papers on Literary Translation and Translation Studies.Amsterdam: Rodopi, S. 67 - 80 59 2. Voraussetzung für eine deskriptive Untersuchung ist eine geeignete Kontextualisierung, die sich wiederum erst im Laufe der wissenschaftlichen Untersuchung ergibt. Dabei kann es ein Trugschluss sein zu meinen, man kenne schon die Subkultur der Übersetzung, wenn man weiß, in welcher Sprache diese formuliert ist, denn eine 1:1-Beziehung zwischen Sprache und Kultur kann irreführend sein, zumal das Deutsche, Französische oder Englische in vielen Ländern mit unterschiedlicher Kultur gesprochen wird. 3. Der Begriff eines „als Übersetzung fungierenden Textes“ (assumed translation) ist für die DTS zentral. 4. Auch die Übersetzerstrategien bilden in Hinblick auf den Übersetzungsprozess einen Forschungsgegenstand der DTS. Die didaktische Frage nach der Richtigkeit der Übersetzung bleibt außerhalb der Perspektive der DTS. Dies gehört im Rahmen der Feldtheorie zu den angewandten Forschungsrichtungen. Die Konzeption der Übersetzungsforschung als Feldtheorie deutet an, dass die Übersetzungswissenschaft dann als eingeständige Disziplin Gestalt gewinnt, wenn sie mehrere Teiltheorien in sich vereinigt, mit welchen das komplexe Gesamtphänomen des Übersetzens differenziert beschrieben werden kann. D.h., dass die Übersetzungstheorie auch im Sinne einer interdisziplinären Integration verschiedener Methoden Profil gewinnen kann. Hier kommen erneut verschiedene sprachwissenschaftliche Ansätze fürs Übersetzen zur Sprache. 3.1.3.3. Schicht- und Stratifikationstheorie (Snell-Hornby) An die Vorstellungen eines Forschungsfeldes anknüpfend plädiert Mary SnellHornby (1988) in ihrem übersetzungstheoretischen Entwurf für ein Aufweichen festgefahrener Systematiken in der Übersetzungstheorie, wie Greiner (2004) betont. Snell-Hornby bemängelt an allen bisherigen Theorien, dass sie mehr oder weniger stark an starren Kategorisierungen festhalten und somit den fließenden Übergängen im Sprachlichen nicht Rechnung tragen können. 60 Solche starren Kategorisierungen könnten überwunden werden, indem z.B. gerade für den Bereich der literarischen Übersetzung Anregungen aus der Literaturwissenschaft übernommen werden. In diesem Sinne entwirft Snell-Hornby, ausgehend von Textsorten und „übersetzungsrelevanten Gesichtspunkten“ eine Schicht- oder Stratifikationstheorie, welche sich dann in einem gleichnamigen Modell der Translation niederschlägt, das sich ohne scharfe Trennungslinien und mit fließenden Übergängen von der Makroebene zur Mikroebenen bewegt. (Siehe vorstehende Abbildung) Ihre Theorie stellt eine Integration verschiedener linguistischer Theorien dar. Sie integriert auch die „Scene-and-frame-semantics“ nach Fillmore (1977). 3.1.3.4. Scene- and Frame (Vannerem, Snell- Hornby) 61 Eine scene ist zu verstehen als eine Art „Abbild der Realität“ im Kopf eines Menschen, frame hingegen als der dafür bereitstehende Ausdruck, laut Greiner (2004) die sprachliche Kodierung als „Organisationsform für Wissen“, mit dem Konzept als Bedeutungsinhalt. In der Kommunikation ordnen wir im Verstehensprozess jeder sprachlichen Form (frame) zunächst auf Grundlage eigenen Erlebens und Erfahrens eine Situation zu, die für uns persönlich von Bedeutung ist (scene). Scenes und frames aktivieren einander wechselseitig und in unterschiedlicher Komplexität, das heißt, eine bestimmte sprachliche Form ruft Assoziationen hervor, diese wiederum aktivieren andere Formen bzw. erwecken weitere Assoziationen. Stolze (2005) stellt fest, dass zu einem frame Lexeme gehören, die auf eine prototypische komplexe Situation oder scene Bezug nehmen. Wörter wie studieren, Student, Studentin, Universität, Stipendium, Hörsaal, Bibliothek, Buch, Mitschrift, Prüfung Vorlesung, Seminar, Übung, interessant, langweilig z.B. heben jeweils einen Aspekt einer bestimmten Situation dieses Ereignisses hervor. Ein Sprecher kann laut Greiner (2004) normalerweise innerhalb desselben Kulturkreises davon ausgehen, dass sein Hörer mit der Kenntnis eines Wortes auch das konventionelle Wissen über die gesamte komplexe Situation verbindet; diese muss nicht in allen Einzelheiten beschrieben werden. Greiner betont weiter, dass es genüge, im Text eine Komponente zu aktualisieren und dem Hörer die Aktivierung anderer, im frame vorhandener, spezifischer Komponenten zu überlassen (sicher werden die Erwartungen und Erfahrungen eines jeden Belgrad-Touristen unterschiedlich sein; ebenso wie die Vorstellungen von jemandem, der noch nie in diesem Teil Eurpoas war, im Vergleich zu denen derer, die oft nach Belgrad reisen oder sogar hier leben.) Hier wird Hintergrundwissen als Informationseinheit in Form von globalen Mustern oder Schemata angesprochen. Aus dieser scene-and-frame-Semantik nun leiten Vannerem/Snell-Hornby ein Konzept für die Übersetzungstheorie ab. Die Anwendung des Scene-and-frames-Ansatzes auf die Übersetzung sieht den Übersetzer als kreativen Empfänger, der zum einen die vom Text-frame gelieferte Information verarbeitet, zum anderen sein eigenes prototypisches Weltwissen einbringt, um seine eigene Szene hinter dem Text zu schaffen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, so Greiner (2004) weiter, ein sehr dynamisches Konzept der Übersetzung. Die Szene hinter dem Text besteht aus x kleinen scenes, die aber keine statische Hierarchie aufbauen, sondern ein Gewebe aus einer großen Anzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Elementen bilden, in das auch das prototypische Wissen des 62 Übersetzers mit einfließt. Es geht also darum, die scenes-Struktur der Textvorlage zu erhalten und sich andererseits zu vergewissern, ob die im Sprachbewusstsein von den scenes aufgerufenen zielsprachlichen frames auch wirklich adäquat sind für die scenes, die sie in der Übersetzung bei anderen Lesern hervorrufen sollen. Die Übersetzungsstrategie, so Greiner (2004), läuft darauf hinaus, sich die scenes des Ausgangstextes vorzustellen, um zielsprachlich ein geeignetes frame zu finden. Snell-Hornby geht in ihren Überlegungen noch weiter. Sie versucht außerdem, die Stiltheorie von Geoffrey N. Leech und Michael H. Short (1981) zu integrieren. Beide gehen von einem breit angelegten Konzept des Stils als einem System der Auswahl im Sprachgebrauch aus, wobei eine Pluralität semantischer, syntaktischer und graphisch-phonlogischer Möglichkeiten im Text anzusetzen ist, gekoppelt mit der Vielfalt der Textfunktionen. Stil kann quantitativ beschrieben werden, indem die Frequenz bestimmter stilistischer Merkmale bestimmt wird. Für die übersetzungsrelevante Textanalyse ergibt sich nach Snell-Hornby die Aufgabe, stilistische Aspekte, z.B. Satzstrukturen, Länge, Frequenz von Adjektiven, Verwendung bestimmter anderer stilistischer Elemente zu untersuchen, wobei Fragen der Sprachnorm entscheidend sind. Wichtig ist die Hinwendung zum Text als Ganzes, was die Bedeutung der einzelnen Textsegmente relativiert. Translation ist aber auch (erinnern wir uns an das eingangs Dargestellte) eine Sondersorte des kommunikativen Handelns, welches natürlich auch immer kulturspezifisch ist. Daher muss Übersetzen immer auch kultureller Transfer sein. Diese kulturelle Komponente kann in rein linguistischen Theorien nicht ausreichend berücksichtigt werden, dazu ist die Entwicklung einer Handlungstheorie nützlich. 3.1.3.5. Skopostheorie (Reiß/Vermeer) Dies beabsichtigte Hans J. Vermeer (1978) mit der Entwicklung seiner Theorie. Zunächst werden Übersetzen und Dolmetschen unter dem Oberbegriff der Translation zusammengefasst (von Otto Kade 1968 geprägt). Die funktionale Translationstheorie wird im Wesentlichen vorgestellt in dem Buch „Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie“ Reiß/Vermeer 1984. Diese Translationstheorie stellt einen deutlichen Abgrenzungsversuch von der traditionellen linguistischen Übersetzungswissenschaft und die Formulierung eines neuen Ansatzes 63 dar. Begriffe werden geändert und es wird versucht, weitgehend integrativ zu arbeiten. Greiner (2004) stellt fest, dass die Bedeutung der Handlungstheorie für die Translationstheorie noch einen weiteren Effekt hat. Texte werden zu einem bestimmten Zweck und für jemanden produziert, sie sind „Handlungen“. Durch eine solche Handlung tritt man mit anderen in Interaktion, in Kommunikation. Translation ist eine Sondersorte interaktionalen Handelns. Daher gilt das Postulat: Die Dominante aller Translation ist deren Zweck. Die Ausdrücke „Zweck“, „Ziel“, „Funktion“, „Skopos“ werden synonym verwendet. In diesem Sinne heißt die funktionale Translationstheorie Skopostheorie. Wenn man davon ausgeht, dass der Skopos alles regiert, dann ist es wichtiger, dass man mit dem ZT einen gegebenen Translationszweck erreicht, als dass die Translation auf eine bestimmte Art und Weise erfolgt. Dabei ist es durchaus möglich, dass der Skopos eines Translats von dem des Ausgangstextes abweichen kann, wir sprechen dann von einer Funktionsänderung. Schließlich sollte ein Translat auch Ähnlichkeit mit dem Ausgangstext aufweisen. Wir bezeichnen dies als intertextuelle Kohärenz. Die Zusammenfassung der allgemeinen Translationstheorie sieht formelhaft laut Vermeer dann so aus: 1. Ein Translat ist skoposbedingt. Trl. = f (Sk) 2. Ein Translat ist ein Informationsangebot in einer Zielkultur und – sprache über ein Informationsangebot in einer Ausgangskultur und – Sprache. Trl. = IAz (Iaa) 3. Ein Translat bildet ein Informationsangebot nichtumkehrbar eindeutig ab. Trl. IAz x IAa 4. Ein Translat muss in sich kohärent sein. N trl. k Sit r 5. Ein Translat muss mit dem Ausgangstext kohärent sein N trl. Pe Fid N trl. Fid N rd R ipr 6. Die angegebenen Regeln sind untereinander in der angegebenen Reihenfolge hierarchisch geordnet, verkettet. 64 Laut Greiner (2004) hat die funktionale Translationstheorie unter den Vertretern der Praxis großen Anklang gefunden. So sind viele beispielorientierte Einzelstudien entstanden. Bei anderen Translationswissenschaftlern hingegen stieß die Skopostheorie jedoch auf Widerspruch. Das kann man so erklären, dass mit ihr gewissermaßen das im Laufe der Geschichte meist „heilig“ gesprochene Original „entthront“ wurde. Dagegen meldeten all jene Protest an, für die eine Bearbeitung, eine zweckbestimmte Umformulierung, eine kulturelle Adaption, eine Erläuterung von Textinhalten etc. keine Übersetzung mehr ist. Didaktisch versucht Christiane Nord (1991) die Skopostheorie auf Texte anzuwenden. Sie weist auf die Loyalitätsverpflichtung des Translators gegenüber den Zieltextempfängern und dem Ausgangsautor hin. Diese Sicht stellt eine gewisse Einschränkung der Skopostheorie dar, für die ja grundsätzlich jeder Skopos möglich wäre, der sich in der Zielkultur verwirklichen lässt. Eine andere, vom Dolmetschen ausgehende und ganz auf dem Verstehen basierte Theorie des Übersetzens entwickelt die Pariser Schule. 3.1.3.6. Pariser Schule (Deverbalisierung) (Seleskovich, Lederer) Nachdem die verschiedenen Faktoren des Übersetzungsprozesses analysiert wurden, trat die Rolle des Translators verstärkt in den Mittelpunkt. Die am Pariser Institut für Dolmetscher und Übersetzer (E.S.I.T.) von Danica Seleskovich begründete und von Marianne Lederer weitergeführte Lehrrichtung hat in diesem Sinn entscheidende Impulse verliehen. Sie grenzt sich ab vom Transkodieren und von der Stylistique comparée und meint, dass die Translation als eine natürliche Wiedergabe des vom Autor gemeinten Sinns definiert werden müsse. Dies beruht höchstwahrscheinlich darauf, dass verstärkt das Dolmetschen in den Mittelpunkt der Untersuchungen rückt, wo für den Translator der Rückgriff auf den Originaltext weitgehend unmöglich ist. Jeder Text besteht aus einem Minimum expliziter Sprachelemente, hinter denen sich Implizites verbirgt. Den Sinn übersetzen heißt dieses Implizite übersetzen. Den sprachlichen Ausdruck als expliziten Teil des Sinns versteht Lederer (1994) als „Synecdoque“, d.h. als ein Merkmal zur Bezeichnung eines Ganzen, als „pars pro toto“. Als Sinneinheiten werden Satzteile definiert, die durch den Augenblick des 65 Verstehens begrenzt sind (Seleskovich/Lederer), und sie sind mehr als einzelne Wörter mit ihrer Bedeutung, stellen aber noch nicht die ganze Kommunikation dar. Der sprachliche Sinn ergibt sich als kognitive Reaktion aus dem Zusammentreffen der sprachlichen Form auf der Textebene mit dem schon vorhandenen Wissen des Lesers/Hörers. Eine linguistische Analyse wird laut Seleskovich/Lederer sogar als hinderlich angesehen für ein angemessenes Verstehen in „Treue zum Autor“. Dreh- und Mittelpunkt dieser Theorie ist die „Deverbalisierung“. Der Übersetzer muss sich vom Wortlaut lösen und den Sinn übertragen, wie dies beim Dolmetschen einsichtig ist. Der Dolmetscher kann sich ja nicht an eine schriftliche Vorlage halten, er übersetzt den Sinn. Dies wird durch sein kognitives Gedächtnis ermöglicht: Er merkt sich nicht Wörter, sondern Sinneinheiten. Diesen Sinn erfasst man nicht in zwei Etappen (1. Verstehen der Sprache des Textes, 2. Herleiten des Sinnes), sondern gleichzeitig, gleichzeitig fallen dem Dolmetscher dazu spontan die passenden sprachlichen Formulierungen ein (was natürlich große sprachliche Kompetenz voraussetzt). Wichtig ist die Trennung von Verstehen und Sprachform. Es kommt nicht auf die einzelnen Wörter an, sondern auf das, was der Redner gemeint hat. Immer wieder wird auf die Unterscheidung von langue und parole hingewiesen, denn die Übersetzungen erfolgen ja nicht auf der Ebenen des Sprachsystems, sondern der Rede. Der Translationsprozess, der beim Dolmetschen quasi automatisch, eben simultan und damit im Sinnerfassen und Wiedergeben spontan abläuft, wird nun auf das schriftliche, also das Übersetzen überragen. Auch der Übersetzer darf sich nicht von einzelnen Textstrukturen binden lassen, sonst verliert er den Gedankenfluss. Der Ausdruck sollte spontan aus dem Gedanken fließen, sonst wird dieser nicht wirklich in seiner Tiefe wiedergegeben, sondern statt dessen „wortgetreu“ irgend etwas ausgesagt. Der Übersetzer soll sich überlegen, wie ein bestimmter Gedanke in der Zielsprache normalerweise ausgedrückt wird, betont wird also der Sinn der Mitteilung in natürlicher Ausdrucksweise. Die in den Sprachzeichen wirksamen Merkmale sind von Sprache zu Sprache verschieden. Dieser mangelnde Isomorphismus von expliziter „Synecdoque“ und impliziten Referenten stellt die Problematik der Übersetzung dar. Eine unnatürliche, fremdartige Formulierung würde nicht nur Verständlichkeitsprobleme schaffen, sondern auch den Gedanken als solchen verfälschen. 66 Die Deverbalisierung stellt eine ganz andere, vom Dolmetschen beeinflusste Sicht des Übersetzens dar (Im Unterschied zu den Translation Studies, wo gerade die Beeinflussung der ZS durch Fremdes aus der AS untersucht wird). Eine weitere Perspektive des Übersetzens, diesmal nicht die Kommunikations- oder Handlungstheorie, stellt die Erkenntnistheorie30 dar (Ladmiral, 1988). Dieser Gedanke kam bisher in den unterschiedlichen Theorien nicht vor. Anlehnend an die Jahrhunderte alten Dichotomie zwischen „Treue“ und „Freiheit“ unterscheidet Ladmiral zwischen sourciers, welche vorrangig ausgangssprachlich orientiert sind und Form und Inhalt des AT erhalten wollen, sowie ciblistes, welche sich an der Zielsprache ausrichten und dem Geist der Textvorlage nachspüren. Vorrang hat für sie vor allem Verständlichkeit und leichte Lesbarkeit. Der Bezugspunkt dieser Alternative ist weiterhin die Sprache, nicht etwa Außersprachliches. Ladmiral sieht in jener unentrinnbaren Grundalternative ein Theorem des Übersetzens, wobei er eindeutig für die ciblistes plädiert, denn die Utopie der Souciers sei im Grunde eine Wiederholung des Ausgangstextes in der Zielsprache. Ladmiral übernimmt die Theorie der „Deverbalisierung“ von der Pariser Schule, doch geht er von philosophischen und literarischen Texten aus. Das Wesentliche sei hier die durch Worte erschaffene Welt. Auch wenn er in seiner Darstellung vorwiegend wort- und satzorientiert ist, argumentiert er auf jeden Fall aus dem Blickwinkel des Übersetzers. Sein zielsprachenzugewandtes Übersetzen trifft sich mit dem der Funktionalisten, die gleich falls eine strikte Orientierung am AT ablehnen. 3.1.3.7. Relevanztheorie (Gutt) In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entsteht ein weiterer Ansatz: die Relevanztheorie. Verantwortlich dafür zeichnet Ernst August Gutt (2000), der 30 Epistemologie:griech. epistnmn (episteme) 'Kenntnis, Wissen'. Auch: Erkenntnistheorie. Bezeichnung für die philosophische Disziplin, die die Logik des Wissens (und des Glaubens) zu ihrem Gegenstand hat. Die traditionelle Erkenntnistheorie bestimmt das Wissen einer Person nach drei Bedingungen: (a) die als Wissen formulierte Aussage muß wahr sein, (b) die Person muß von der Wahrheit überzeugt sein, (c) sie muß für diese Überzeugung ausreichende und zwingende Gründe haben. [Lexikon Sprache: Epistemologie, S. 1. Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache, S. 2697 (vgl. MLSpr, S. 188) (c) J.B. Metzler Verlag] 67 versucht, die Relevanztheorie von Sperber/Wilson (1986) für das Übersetzen fruchtbar zu machen. Ausgangspunkt ist laut Greiner (2004) der Gedanke, dass die Menschen fähig sind, aus dem Verhalten ihres Gegenübers Schlüsse zu ziehen, ihn zu „verstehen“. Verbale Ausdrucksformen gelten dabei als semantische Repräsentationen mentaler Propositionen, also gespeicherter Gedanken. Sprachliche Bedeutungen und kognitive Propositionen sind jedoch nicht immer identisch, daher ist der Kontext der Deutung sehr wichtig. Der Kontext als psychologisches Konstrukt sei eine Subform der Weltannahme seines Hörers. Gutt formuliert nun, dass ein Translat für die Empfänger relevant sein soll. Das Relevanzprinzip erscheint als die Annahme „optimaler Ähnlichkeit“ zwischen beiden Texten, wobei jene sich vor allem auf die Aspekte der angemessenen Relevanz für Adressaten bezieht. Die Einsicht, dass die kognitive Umgebung die Angemessenheit von Aussagen für Empfänger determiniert, führt über die reine Sprachbildung des Übersetzens hinaus und öffnet den Blick für den außersprachlichen Kontext, d.h. für das hermeneutische Denken. Die Hermeneutik reflektiert den Umgang des Übersetzers mit Welt, Sprache und Texten. Sie betrachtet nicht eine Relation zwischen den Kulturen oder Sprachen, sondern zwischen dem Translator und dem Text. Übersetzungstexte sind übersummative, multiperspektivische Ganzheiten, die zuerst verstanden werden müssen, bevor eine Übersetzung formuliert wird. Die Übersetzungslösungen können dann anhand der translatorischen Kategorien erläutert werden. So bezeichnet Manfred Frank (1987)31 die Sprache als das individuelle Allgemeine unter Berufung auf Schleiermacher. Damit ist an Texten auch immer beides gültig: Analyse/Kritik und Verstehen/Intuition. Beides ist nicht zu trennen. Kritische Textstrukturierung (Analyse) und verstehende Auslegungen (Interpretation) ergänzen und korrigieren einander. Diese zweifache Sicht ist Grundlage des hermeneutischen Ansatzes im Übersetzen. Diese stellt sich die Aufgabe einer möglichst genauen Wiedergabe der vorgefundenen Textmitteilung, in für die Adressaten funktional angemessener Form. Weder reine Ausgangsbezogenheit noch ausschließliche Adressatenorientierung gilt hier als erstrebenswert. Spontanes Formulieren individuellen Textsinns muss dialektisch gekoppelt sein an rhetorisch/stilistische Aspekte der Verständlichkeit. 31 deutscher Philosoph der Gegenwart (kein Translatologe) 68 Das Textverstehen ist nach hermeneutischen Vorstellungen ein Vorgang, bei dem das vorhandene Wissen in einem Lernprozess mobilisiert und bereichert wird. Aufgrund der Individualität von Texten kann der Übersetzer den Einzelfall nicht so entscheiden, wie er vergleichbare andere Fälle entscheiden würde. So bemerkt Greiner (2004), dass aus dieser Perspektive eine Übersetzungslösung nur im Rahmen des betreffenden Textes bindend ist. Eine solche Sicht der Dinge macht jegliche Aufstellung vergleichender Stilistiken auf der Basis potentieller Entsprechungen sinnlos und steht in diametralem Gegensatz zu Wilss Vorstellung einer Schemabasierung des Transfers als Fertigkeit. Demgegenüber versucht der hermeneutische Ansatz die unterschiedlichen Fähigkeiten des Menschen ergänzend einzubeziehen.32 3.1.3.8. Übersummativität, Multiperspektivität, Individualität von Texten, Kategorien und Kreativität (Paepcke, Stolze, Kussmaul) Paepcke vergleicht dieses Ringen um ein Maximum mit dem Speerwurf: Jeder Sportler entwickelt intuitiv seine eigene Methode. Im Zusammenwirken sporttechnischer Regeln mit der freien Gestaltung der Körperkräfte stellt ein gelungener Wurf eine befriedigende Höchstleistung dar und birgt dennoch in sich immer die Potentialität einer weitern Verbesserung. Damit gehört zum Begriff des Übersetzens ganz wesentlich die Dynamik. Übersetzungen können ihr Ziel immer nur „optimal“ erreichen, es gibt keine Musterübersetzung. Radegundis Stolze (2005) geht von dem Gedanken aus, dass der Übersetzer, aufgrund seiner besonderen Verantwortung gegenüber dem Ausgangtext wie gegenüber den Empfängern, sich sein Handeln bewusst machen und es kritisch reflektieren müsse. Das Wissen um Maßstäbe dieser Reflexion sieht sie als Teil der Übersetzungskompetenz. Weil das Übersetzen aber, trotz aller Situationsgebundenheit und Zweckorientierung, ein Handeln in und mit Sprache ist, können Kategorien aus der Linguistik herangezogen werden, um die Übersetzungslösungen zu begründen oder zu beurteilen. Stolze betrachtet den Text als Ganzes. Um aber nicht an Textstrukturen kleben zu bleiben, verneint Stolze ausdrücklich die Textanalyse und plädiert vielmehr für eine Textexegese (im Sinne einer Darstellung des eigenen 32 in Stolze 2005: 180 - 220 69 Textverständnisses als Vorbereitung für das Übersetzen). Hier müssen linguistische Kategorien genannt werden, die für alle Textsorten anwendbar sind. Die Hermeneutik argumentiert aus der Sicht des Übersetzers selbst und eröffnet dadurch neue Denkansätze. Nicht das Verhältnis zwischen Text und Übersetzung oder die Faktoren des Übersetzungsprozesses werden diskutiert, sondern die Probleme des Übersetzers bei seinem Umgang mit Texten. Ein solcher Ansatz appelliert an die Kreativität des Übersetzers und zwingt ihn zu eigenem Nachdenken. Mit translatorischen Kategorien wie Kontext, Diskursfeld, Begrifflichkeit, Aussagemodus, Medialität, Stilistik, Kohärenz und Textfunktion, wird versucht, ein Instrumentarium zu schaffen, anhand dessen die Übersetzungsentscheidungen begründet bzw. überprüft werden sollen. In dem Anspruch, sich vom Ausgangstext zu lösen und eine zielsprachig kohärente und kulturspezifisch adäquate Übersetzung zu gewinnen, trifft sich die Hermeneutik mit der funktionalen Translationstheorie und der französischen Übersetzerschule. Der Übersetzungsprozess wird als dynamischer Vorgang angesehen. Der hermeneutische Ansatz vermeidet es jedoch, Übersetzungskritik vorzunehmen oder Übersetzerstrategien zu ermitteln, wie dies etwa in den deskriptiven Übersetzungstheorien der Fall ist. Nachdem in den 90er Jahren die Kognitionsforschung starken Aufschwung genommen hat, wirkt sich dies auch auf die Übersetzungsforschung aus. Greiner (2004) stellt fest, dass das translatorisch wichtige Verstehen kognitiv untersucht werden soll. Er bemerkt weiter, dass neuere Forschungen z.B. gezeigt haben, dass menschliches Verstehen nicht Informationen addiert, sondern in vorhandenen Wissensschemata integriert. Dieser neue prozessanalytische Ansatz lässt sich seiner Meinung nach in folgenden Thesen zusammenfassen: 1. die mentalen Prozesse, die beim Übersetzen in den Köpfen der Übersetzer ablaufen, sind ein zentraler Bestandteil der übersetzerischen Wirklichkeit und gehören somit zum Gegenstandsbereich der Translatologie 2. Gegenstand des übersetzungsprozessualen Ansatzes sind dabei alle kognitiven Prozesse, die zur Entstehung eines Übersetzungsprodukts führen, von der ersten Recherche bis zum letzten Korrekturlauf. 3. eine solche auf den Übersetzungsprozess bezogene übersetzungswissenschaftliche Forschung ist grundsätzlich empirisch-induktiv 70 4. Im Gegensatz zu den ebenfalls zahlreichen normativen Ansätzen in der Übersetzungswissenschaft ist der übersetzungsprozessuale Ansatz grundsätzlich deskriptiv, er beschreibt das konkrete übersetzerische Vorgehen der Übersetzer 5. Ziel des übersetzungsprozessualen Ansatzes ist der graduelle Aufbau eines differenzierten Modells des Übersetzungsprozesses und die Klärung des Einflusses der prozessrelevanten Variablen. 33 Interessant sind auch Untersuchungen zum Verstehensprozess, die sich damit auseinandersetzen, wie Textverstehen funktioniert. Frank G. Königs (1993) z.B. stellt fest, dass der übersetzungsbezogene Verstehensprozess des Ausgangstextes nicht bei Sätzen oder ganzen Texten ansetzt, sondern bei Wörtern. Was den Vertretern der textlinguistisch orientierten Translationswissenschaft im Nachhinein Recht gibt, ist der Fakt, dass hier Nomina stärker verstehensfördernd sind als andere Wortarten. Diese Erkenntnis lässt sich für translationswissenschaftliche Untersuchungen sehr gut verwerten, z.B. dadurch, dass man bei Übersetzungskritik und Übersetzungsanalyse durchaus bei der Untersuchung der Isotopie ansetzen kann. Dies ist ein Indiz für die wichtige Rolle von Isotopie und Topikketten bei der Textkonstitution. (Siehe Nagorr: 1992) Erst sehr spät wurde also in der Übersetzungswissenschaft erkannt, dass der Übersetzer als das erkennende Subjekt in die Textanalyse integriert werden muss und dass es nicht ausreicht, „objektive“ linguistische Oberflächenstrukturen und Texttypen zu beschreiben. Folgerichtig sieht G. Hönig (1995) die Übersetzungskompetenz als wichtigen Forschungsgegenstand. Verstehen ist ein Sinngebungsprozess, der grundsätzlich graduell fortschreitet und dessen Ende niemals objektiv, sondern immer nur subjektiv, nämlich aus dem Verstehensinteresse der rezipierenden Person, definiert werden kann. Nicht alles an einem Text Beobachtete ist für dessen Übersetzung relevant. Vielmehr ist es Teil der Übersetzerkompetenz, dass der Übersetzer selbst beurteilen kann, ob seine sprachliche und kulturelle Kompetenz ausreicht oder ob er noch recherchieren muss. Die translatorische Kompetenz eines professionellen Translators manifestiert sich eher darin, dass aufgrund einer übersetzungsrelevanten Textanalyse/- 33 Stolze 2005: 220 - 245 71 synthese mit negativem Ergebnis (unter Berücksichtigung aller Rahmenfaktoren wie z.B. Fristen und Entlohnung) ein Übersetzungsauftrag abgewiesen wird, im Unterschied zu der gerade bei Anfängern verbreiteten Einstellung, dass man auf jeden Fall jeden Auftrag annehmen müsse und es sich nicht leisten könne, wählerisch zu sein, ganz gleich, ob man etwas davon versteht oder nicht. Hönig plädiert für konstruktives Übersetzen, das dann möglich wird, wenn die Beteiligten über den Vorgang Bescheid wissen (er betont also Handlungswissen als Teil der translatorischen Kompetenz). Nur wer die Konstruktionsprinzipien versteht, kann Konstruktives leisten. Kußmaul (1993) entwickelt dann auch eine Übersetzungstheorie auf Basis der Kreativität, wobei er Kreativität als Abweichung vom Ausgangstext definiert, wobei er sich auf seine Vorstellung vom Übersetzer als einem planvoll, bewusst und verantwortlich handelnden Subjekt stützt. Soweit der Überblick über die verschiedenen Übersetzungstheorien. Am Ende dieser Darlegungen soll noch einmal unterstrichen werden, dass wir in unseren translatologischen Betrachtungen (auch im Unterschied zu andere Translatologen) zwischen Übersetzungstheorie und Übersetzungsmodell unterscheiden. Die Allgemeine Translationstheorie gibt die Bedingungen und Regeln an, unter denen die Translationshandlung abläuft. Jede Theorie schlägt sich in einem Modell nieder. Hierzu werden verschiedene Translationsmodelle erstellt, welche im Rahmen der Übersetzungsmodelle an anderer Stelle detaillierter untersucht werden. 72 73