Handreichung für den Bezirk Braunau zum Thema Lese

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Handreichung
für den Bezirk Braunau
zum Thema
Lese-Rechtschreib-Schwäche
Erstellt 2012 von der Arbeitsgruppe Lese-Rechtschreib-Schwäche im Bezirk Braunau:
HOL Eva Haberl, VD Claudia Haider, VD Gabi Hajbi, SOL Katharina Maier, HOL Marianne Österbauer, SL Alexandra Perner-Döker, Dr. Christa Wührer, BSI Johann Zillner
Leitung: BSI Johann Zillner
Inhaltsverzeichnis
Begriffsklärung „Lese-Rechtschreib-Schwäche" (Dr. Christa Wührer) ................................... 3
Häufig gestellte Fragen zur Lese-Rechtschreib- Schwäche (VD Gabi Hajbi,
SL Alexandra Perner-Döker) ......................................................................................... 5
Was Eltern wissen sollten (HOL Marianne Österbauer, HOL Eva Haberl) ............................. 9
Beobachtungsbogen für LehrerInnen (SOL Katharina Maier) .............................................. 11
Verfahrensschritte bei Verdacht auf LRS (BSI Johann Zillner).............................................. 18
Umgang mit Lese- und Rechtschreibschwäche im Schulalltag (BSI Johann Zillner) ............ 19
Förderliche Maßnahmen bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (VD Claudia Haider) ............... 23
Erlässe
Erlass 2001: Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreibschwäche .......................... 32
Erlass 2004: Lese-Rechtschreib-Schwäche: Feststellung - Leistungsbeurteilung Vorgangsweise ............................................................................................................ 34
Erlass 2011: Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche bzw. Legasthenie
Ergänzungen - Aktuelle Liste der akzeptierten Institutionen ....................................... 38
Handreichungen ................................................................................................................... 42
Literaturliste........................................................................................................................ 403
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Dr. Christa Wührer, Schulpsychologie
Begriffsklarung „Lese-Rechtschreib-Schwache"
Was ist Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Laut ICD 10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen der WHO) ist eine LeseRechtschreib-Schwäche:
 eine massive und lang andauernde Störung des Erwerbs der geschriebenen Sprache,
 eine Störung des Sinn erfassenden Lesens,
 die Störung darf nicht direkt auf Defizite im Sehen, Hören oder auf neurologische
Defekte zurückzuführen sein,
 die Störung darf nicht auf einen offenkundig unangemessenen Unterricht zurückzuführen sein.
Das heißt: eine kombinierte Lese-Rechtschreib-Schwäche zeigt sich durch Beeinträchtigungen in der Schreibrichtigkeit und in einer Schwäche im Lesen. Im Bereich Lesen betrifft die
Schwäche das mechanische Lesen, im Sinn des Buchstabenzusammenlautens und der
Worterkennung, sowie das Verständnis des gelesenen Textes.
Neben der kombinierten Lese-Rechtschreib-Schwäche lassen sich auch eine isolierte Leseschwäche und eine isolierte Rechtschreib-Schwäche feststellen.
Besonderheiten der Leseschwäche (zit. nach: ICD 10, S 74):
 „... ist eine eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten..."
 „Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Worte wiederzuerkennen, vorzulesen und die Leistung für Aufgaben, für welche Lesefertigkeit benötigt werden, können sämtlich betroffen sein."
Besonderheiten der Rechtschreib-Schwäche (zit. nach: ICD 10, S 75):
 „Die Rechtschreib-Schwäche lässt sich nicht an Fehlerkategorien und Fehlertypen
festmachen."
 „Über die Natur und Häufigkeit der Rechtschreibfehler ... ist wenig bekannt."
 „...die Rechtschreibschwierigkeiten zeigen Fehler in der phonetischen Genauigkeit."
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Kriterien und Ausschlusskriterien für Lese-Rechtschreib-Schwäche:
Welche Hilfsbedingungen gibt es für die Feststellung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche?
 Der Ausschluss einer Minderbegabung. Minderbegabung muss bei der Feststellung
von Lese-Rechtschreib-Schwäche ausgeschlossen werden, weil andere Maßnahmen der schulischen Förderung indiziert sind. Eine fachpsychologische Diagnose
mit einem psychologischen Standardverfahren bringt im Zweifelsfall Klärung.
 Wie bereits erwähnt, sind Beeinträchtigungen im Sehen, Hören und in der neurologischen Entwicklung medizinisch auszuschließen.
Was heißt „phonologische Bewusstheit"?
Der Begriff „phonologische Bewusstheit" bezeichnet einfach ausgedrückt, „die Fähigkeit, die
einzelnen Segmente der Sprache zu erkennen und wahrzunehmen." (Klicpera, Schabmann,
2010, S.24).
Das Vorliegen einer phonologischen Schwäche ist das wichtigste Vorhersagekriterium der
Leseentwicklung und der Rechtschreibleistung. Im Zweifelsfall kann eine entsprechende
Abklärung vorgenommen werden.
„Phonologische Bewusstheit" ist also die Fähigkeit, „die Lautstruktur von Wörtern zu analysieren und ggf. manipulieren zu können." Das heißt, „Wörter in Silben zerlegen können und
Silben zu einem Wort zusammenzufügen". Weiters ist von Bedeutung „Anlaute zu erkennen,
aus Lauten ein Wort zu bilden oder ein Wort in seine Laute zu zerlegen" (Wikipedia – Phonologische Bewusstheit).
Sechs Teilbereiche lassen sich, nach Klicpera und Schabmann (2010), für die Phonologische Bewusstheit nennen:
 Reimerkennung
 Silbensegmentierung
 Anlautanalyse
 Lautsynthese
 Erfassung der Wortlänge
 Identifikation des Endlautes
Schlussfolgerung:
Diese Basisfähigkeiten und wesentlichen Vorläuferfertigkeiten für Lesen und Schreiben müssen Teil der Eingangsphase im schulischen Kontext sein. Das heißt, bevor Buchstaben erlernt werden, sind diese Segmente in den ersten Schulwochen zu üben und zu trainieren.
Nur dadurch können Lese-Rechtschreibschwächen minimiert und eine gute Basis für weitere
Lernfortschritte im Lese-Rechtschreibbereich gelegt werden.
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VD Gabi Hajbi; SL Alexandra Perner-Döker
Haufig gestellte Fragen zur Lese-RechtschreibSchwache
Was ist eine Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Siehe auch „Begriffsklärung Lese-Rechtschreib-Schwäche“ (Dr. Wührer)
Der Landesschulrat von OÖ umschreibt die LRS als eine Beeinträchtigung beim Erlernen der
Lese- und Rechtschreibfertigkeit.
Nach dem ICD-10 (= internationale Klassifikation psychischer Störungen) ist LRS eine umschriebene und schwerwiegende Entwicklungsstörung (F 81), die eine Beeinträchtigung des
Erlernens von Lesen und/oder Rechtschreiben nach sich zieht und die in Besonderheiten
von Hirnfunktionen begründet ist.
Einfach ausgedrückt handelt es sich also bei der LRS um ein unerklärliches isoliertes Versagen im Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens. Im Vorfeld sollten folgende mögliche
Ursachen abgeklärt sein: Seh-Hörfehler, psychiatrische Erkrankung, unterdurchschnittliche
Intelligenz, psychische Belastung oder unzureichende Beschulung.
1. Wie erkenne ich eine Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Wenn ein Kind grundsätzlich gute Schulleistungen erbringt, jedoch im Lesen und/oder
Rechtschreiben folgende Symptome zeigt:
 Benennungsschwäche von Buchstaben und Lauten
 Auditive Differenzierung des An- und Auslautes
 Probleme beim Zusammenlauten der Phoneme
 Schwierigkeiten bei der Buchstabe-Lautbeziehung
 Die Segmentierung von Wörtern fällt sehr schwer
 Niedrige Lesegeschwindigkeit – langes Zögern, ungenaues Betonen und Verlieren
der Zeilen,….
 Auslassungen, Ersetzungen, Verdrehungen oder Hinzufügen von Buchstaben,
Worten oder Wortteilen beim Lesen
 Probleme beim Aufbau des Grundwortschatzes (es ist oft nicht möglich häufig vorkommende Wörter als Wortbilder abzuspeichern und wiederzugeben)
 Schwierigkeiten bei der Sinnentnahme
 Unleserliches Schriftbild
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„Legastheniker“ machen keine „typischen Rechtschreibfehler“. Sie machen nur wesentlich
mehr Fehler als andere Kinder (auch bei geübten Wörtern) und sie machen nicht immer die
gleichen Fehler.
2. Was sind die Ursachen von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Es gibt unterschiedliche Forschungsansätze, die verschiedene Konzepte und Erklärungsmodelle anbieten. Eine eindeutige Ursache gibt es aber nicht.
In der aktuellen Literatur werden als Ursachen immer mehrere Faktoren angeführt (Genetik,
Reifung des Zentralnervensystems, Umweltfaktoren, prä- oder postnatale Schädigungen).
Erst wenn mehrere Dispositionen zusammentreffen, führt es dazu, dass ein Kind für das Lesen und Schreiben lernen unzureichend ausgestattet ist.
3. Wer stellt die Lese-Rechtschreib-Schwäche fest?
Grundsätzlich sind für die Feststellung von Lese-Rechtschreib-Schwäche die Lehrkräfte der
betreffenden Unterrichtsfächer zuständig. Bei Grenzfällen können die fachlich anerkannten
Institutionen zur Beratung herangezogen werden.
Siehe Erlass vom 3.3.2011– Liste der akzeptierten Institutionen, weiters Schulpsychologie,
SPZ, Förderlehrer
4. Gibt es einen Bescheid oder ist eine Diagnose für die Schule notwendig?
Nein, es gibt keinen „Legasthenie-Bescheid“ (auch keinen Zeugnisvermerk). Eine Diagnostik
ist für die Berücksichtigung im schulischen Umfeld nicht notwendig. Für eine gezielte Förderung ist es jedoch hilfreich.
5. Beurteilung mit einer LRS – Kann ich mit einer LRS in Deutsch negativ beurteilt werden?
Siehe auch „Lese- Rechtschreib-Schwäche im Schulalltag“ (BSI Zillner)
Ja und Nein. Grundsätzlich besteht die Deutschnote aus mehreren Teilbereichen. Eine negative Beurteilung auf Grund mangelnder Rechtschreibung alleine ist nicht zulässig. Erst wenn
alle Teilbereiche negativ zu beurteilen wären, ergäbe sich eine negative Deutschnote.
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6. Darf eine LRS auch in anderen Fächern Berücksichtigung finden?
Ja, eine LRS beeinträchtigt natürlich auch andere Gegenstände, es ist daher sinnvoll und
notwendig auch dort Hilfestellungen zu bieten. Wichtig ist zu bedenken, was überprüft wird –
der Inhalt – und nicht die Fertigkeit des Lesens und Schreibens!
7. Welche Hilfen darf – soll – der Lehrer/Lehrerin gestatten?
Siehe auch Fördermaßnahmen und Leistungsfeststellung
Hier nur eine kleine Aufzählung bewährter Hilfestellungen:
 Beurteilung einer Schularbeit – Rechtschreibung ist nur einer von vier Teilbereichen….
 Mündliche Überprüfungen….
 Wortdiktate sind den Satzdiktaten vorzuziehen….
 Leistungsrückmeldung hinterfragen (z. B. richtige Wortanzahl nennen statt Fehleranzahl anführen), Vermeidung von Kommentaren, die keinen Förderfortschritt bringen….
 Zulassen, dass Hilfsmittel verwendet werden – besonders auch in anderen Gegenständen (aus den eigenen Mitschriften kann oft nicht gelernt werden, Kopien geben, bzw. nur Lückentexte), Rechtschreibprogramme,…..
8. Wie kann ich mein Kind zu Hause fördern?
Siehe auch Förderliche Maßnahmen
Es werden unterschiedlichste Förderkonzepte, die z. B. nur auf das Training von Teilbereichen abzielen, angeboten. Fundierte, neueste Untersuchungen besagen aber, dass die Förderprogramme am wirkungsvollsten sind, die direkt am Gegenstand Deutsch ansetzen.
Ein bloßes Üben des Lernstoffes im Sinne einer Nachhilfe bringt kaum Verbesserung. Eine
Fehleranalyse sollte die Grundlage einer gezielten Förderung bilden. Die meisten Ansätze
empfehlen ein kurzes tägliches Üben von ca. 10 Minuten.
Folgende Programme bieten systematische Übungen an: PERLE (Projekt Elternanleitung zur
Rechtschreibförderung legasthener Kinder), Marburger Rechtschreibtraining, Kieler Leseund Rechtschreibaufbau, Die lautgetreue Rechtschreibförderung, Computerprogramme: Celeco, Lesikus, Gut,…..
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9. Wird eine Lese-Rechtschreib-Schwäche in allen Schultypen berücksichtigt?
Ja, gemäß den Erlässen wird in allen Schultypen die LRS berücksichtigt. Bei einem Schultypenwechsel ist es sinnvoll mit der Schule rechtzeitig Kontakt aufzunehmen.
Da Lese-Rechtschreib-Schwäche in allen Bevölkerungsschichten zu finden ist und das Begabungsprofil jedes Schülers und jeder Schülerin unterschiedlich ist, ist eine Prognose
schwierig. Eine schulische Laufbahn wird durch LRS natürlich erschwert. Es braucht Verständnis und Problembewusstsein auf allen Seiten (Schüler/in, Lehrer/in und Eltern) damit
diese Schwäche kompensiert werden kann und vorhandenes Potential nicht verloren geht.
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HOL Marianne Österbauer, HOL Eva Haberl
Was Eltern wissen sollten
... wenn ihr Kind einerseits über ein „kluges Köpfchen“ verfügt und andererseits erstaunlicherweise Probleme im Schriftspracherwerb hat.
Woran erkenne ich, dass mein Kind Leseprobleme hat?
Häufige Leseprobleme sind:
 Zu geringes Lesetempo (Mühsames Zusammenlauten von Buchstaben)
 Auslassen von Buchstaben, Wortteilen oder Wörtern
 Vertauschen von Buchstaben im Wort oder von Wörtern im Satz
 Hinzufügen von Wortteilen oder Wörtern
 Erraten von Wörtern
 Zögerndes, holpriges und stockendes Vorlesen
 Verlieren der Textzeile
 Schwierigkeiten, das Gelesene wiederzugeben oder Zusammenhänge zu erkennen
Woran erkenne ich, dass mein Kind Rechtschreibprobleme hat?
(nach Dr. Gerd Schulte-Körne)
 Es gibt keine typischen „Legasthenie-Fehler“
 Das Problem ist die hohe Fehlerzahl
 Außerdem können auftreten:
Schwierigkeiten beim Abschreiben
Grammatik- und Interpunktionsfehler
Unleserliche Schrift usw.
Wann spricht man von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche?
Probleme beim Lesen und /oder (Recht-)Schreiben treten auf
 obwohl das Kind intelligent ist, also keine allgemeine Lernschwäche vorliegt
 obwohl es ausreichend beschult ist
 obwohl keine unkorrigierten Beeinträchtigungen im Hören oder Sehen vorhanden
sind
 obwohl keine psychischen Störungen vorliegen
(siehe Begriffserklärung Dr. Christa Wührer)
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Wie entstehen Lese-Rechtschreib-Probleme?
 Als Ursache einer LRS werden immer mehrere Faktoren angeführt. Familienuntersuchungen haben ergeben, dass die Lese-Rechtschreib-Schwäche häufig auf genetische Ursachen zurückzuführen ist.
 Während des Lernprozesses der Schriftsprache treten Probleme auf, die sich beim
konventionellen Üben verstärken und manifestieren können.
 Hinter dem, was als Leseschwäche bezeichnet wird, verbirgt sich ein Spektrum unterschiedlichster Störungen, denn beim Lesen läuft im Gehirn ein sehr komplexer
Prozess ab, bei dem an unterschiedlichsten Stellen individuelle Probleme auftreten
können.
Was kann man dagegen tun?
 Motto: „Je früher desto besser“
Sobald Sie bei Ihrem Kind Lese- und/oder Rechtschreibprobleme entdecken, sollten Sie rechtzeitig fachliche Beratung einholen, bevor weitere Probleme hinzukommen.
 Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche wächst sich nicht von selbst aus.
Auch intensives Üben ohne fachliche Betreuung bleibt meist erfolglos, denn reines
Lesen- und Schreibenüben birgt die Gefahr, dass sich eine falsche Strategie einprägt.
Die Schwäche muss gezielt behandelt und die Übungen müssen speziell auf
das Kind abgestimmt werden. So hat das tägliche Üben einen Sinn und führt
zum Erfolg. Ein therapeutisches Patentrezept gibt es leider nicht.
 Wenden Sie sich zuerst an Lehrer/innen, die das Kind unterrichten.
 Bei Problemen und offenen Fragen können sich Eltern und Lehrer/innen an die
Sonderpädagogischen Zentren und an die Schulpsychologie wenden.
Eltern sind nicht schuld an der Lese-Rechtschreib-Schwäche ihres Kindes!
Es ist wichtig, wie mit dieser Schwäche umgegangen wird.
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SOL Katharina Maier
BEOBACHTUNGSBOGEN fur LehrerInnen
Merkmale und Symptome einer Lese-Rechtschreib-Schwäche
Es gibt keine „legastheniespezifischen“ Fehler!
Lese-rechtschreibschwache Kinder machen die gleichen Fehler wie ihre gleichaltrigen Mitschüler, die Anzahl ist aber wesentlich höher. Viele Fehler bleiben trotz Übung bestehen.
Das Fehlerbild einer einzelnen Arbeit kann variieren.
Das Erlernen der Schriftsprache verlangt sowohl visuelle als auch sprachliche Fähigkeiten.
Die motorische Geschicklichkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Phonologische Bewusstheit aber auch Motivation sind Voraussetzungen für ein reibungsloses Erlernen.
Verschiedene TEILBEREICHE sollen näher abgeklärt werden. Mit Hilfe des nachfolgenden
Beobachtungs- und Diagnosebogens soll der Klassenlehrer oder der Deutschlehrer in der
Lage sein, ein lese-rechtschreibschwaches Kind zu diagnostizieren.
Die Auswahl der Fragen konzentriert sich auf den schulischen Bereich.
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Beobachtungs- und Diagnosebogen
für lese-rechtschreibschwache Kinder
1. Abgrenzung einer Behinderung
und auch die Abgrenzung zum Sonderpädagogischen Förderbedarf. Bei ganz schwachen
Kindern muss diese Abgrenzung zwischen Schwäche und Behinderung erfolgen. (Im Zweifelsfall muss die Intelligenz getestet werden.)
ja
nein
Das Kind ist normal intelligent. (Einschätzung des Klassenlehrers).
Das Kind hat in keinem Fach ein „nicht genügend“.
2. Sprachliche Auffälligkeiten
Kinder, die Laute falsch bzw. fehlerhaft artikulieren, können Wörter oft auch nicht richtig
schreiben.
ja
Artikulation
Das Kind spricht klar und gut artikuliert.
Lautbildung
Das Kind kann beim Sprechen die verschiedenen
Laute richtig bilden.
Wortschatz
Das Kind kann sich angemessen sprachlich verständigen.
nein
Das Kind verfügt über einen seinem Alter entsprechenden Wortschatz.
Satzbildung
Das Kind spricht in ganzen Sätzen.
Das Kind spricht grammatikalisch richtig.
Nacherzählung
Das Kind kann kurze Bildgeschichten in der richtigen
Reihenfolge nacherzählen.
Sprachgedächtnis Das Kind kann längere Sätze richtig wiedergeben.
Das Kind kann kurze Gedichte richtig aufsagen.
Benenngeschwindigkeit
Das Kind kann Buchstaben, Zahlen, Farben, Dinge,
etc. rasch benennen.
vgl. Ledl , S 81
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3. Hörschwäche
Fehlhörigkeit führt zu einer mangelnden Hörkontrolle. Ein intaktes Gehör ist die Voraussetzung für das Dekodieren der Laute in Grapheme.
ja
Auditive Differenzierung
Das Kind kann ähnlich klingende Laute unterscheiden. z.B. k/g, d/t, b/p, f/w,
Auditive Serialität
Das Kind kann richtig buchstabieren. Die
Abfolge der Laute wird richtig wieder gegeben.
Auditives Gedächtnis
Das Kind kann sich einen längeren Satz
merken und in der richtigen Abfolge der
Wörter sprechen/schreiben.
Auditive Gliederung
Das Kind kann die genaue Position eines
Lautes bestimmen.
(Anlaut – Inlaut – Auslaut)
Phonologische
Bewusstheit
Das Kind kann kurze und lange Laute unterscheiden.
Das Kind kann Reimwörter bilden.
nein
4. Sehstörungen
müssen als Fehlerquelle ausgeschlossen werden (Abklärung durch den Augenarzt). z.B.
Fehlwinkelsichtigkeit, Augenmuskelschwäche
ja
Visuelle Serialität
Das Kind kann Buchstaben und Wörter in
der richtigen Reihenfolge abschreiben.
Raumlage
Das Kind schreibt ähnliche Buchstabenformen richtig ab und benennt sie richtig.
z.B: b – d , p –q, u – n ,ei – ie
Figur-GrundWahrnehmung
Das Kind kann die Linien des Heftes einhalten. (Ober- und Unterlängen, sowie die
Größenverhältnisse der Buchstaben passen.)
Visuelles Gedächtnis
Das Kind kann ein Wort lesen und anschließend in einem abschreiben. (Kein
häufiges Hinschauen zur Vorlage)
Erfassen räumlicher
Beziehungen
Das Kind kann beim Schreiben den Rand
einhalten. Die Abstände zwischen den
Buchstaben und Wörtern sind regelmäßig.
Die Einteilung im Heft passt.
Visuo-motorische
Koordination
Das Schriftbild ist unauffällig. (Runde Buchstabenformen,
Größenverhältnisse
der
Buchstaben passen zueinander. Schriften
werden nicht vermischt.
nein
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5. Motorische Auffälligkeiten
Werden bei einem Kind motorische Auffälligkeiten beobachtet, so soll ein Kinderarzt aufgesucht werden.
ja
Auge-Hand-Koordination
Die Auge-Hand-Koordination des Kindes ist
ausgeglichen.
Überkreuzen der
Körperhälfte
Das Kind kann die Körpermitte überkreuzen. z.B. Liegende Acht
Gleichgewicht
Das Kind kann auf einer Schnur balancieren.
nein
Das Kind kann ca. 15 sec auf einem Bein
stehen ohne umzufallen.
6. Konzentrationsschwierigkeiten
Lese-rechtschreibschwache Kinder haben oft Schwierigkeiten sich lange zu konzentrieren.
Aufmerksamkeit und Konzentration sind oft von der Motivation und der Situation abhängig.
ja
Fokussierung der Aufmerksamkeit
Das Kind kann dem Unterrichtsgeschehen
aufmerksam folgen.
Auditive Figur-GrundWahrnehmung
Das Kind lässt sich nicht leicht durch störende Geräusche ablenken.
Aufmerksamkeitsdauer
Das Kind kann Arbeitsaufträge über eine
halbe Stunde ausführen. (Aufgaben fertig
stellen!)
nein
Das Kind ist beim Lösen von Problemen
ausdauernd.
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7. Weitere häufige Fehler und Schwierigkeiten bei leserechtschreibschwachen Kindern:
ja
Groß-/ Kleinschreibung
Das Kind beherrscht die einfachen Regeln
der Groß- und Kleinschreibung.
Häufiges Radieren und
Durchstreichen
Die Unsicherheiten in der Rechtschreibung
spiegeln sich im Schriftbild. Das Kind überschreibt oft Buchstaben und/oder radiert
häufig und bessert aus.
seitenverkehrte Buchstaben und Zahlen
Buchstaben und Zahlen werden seitenverkehrt geschrieben: z.B. E (vgl. 3), 1, 5, etc.
Schreibrichtung
Das Kind beginnt auf der rechten Seite des
Heftes zu schreiben
nein
Das Kind arbeitet auf einem Arbeitsblatt von
links nach rechts
Schriftbild
Unregelmäßige Buchstabenformen, schwer
leserliche Schrift, manchmal fliegende
Buchstaben
Raumlage
Das Kind kann rechts und links noch nicht
sicher unterscheiden. (Raumlagefehler)
orthographisch Schreiben
Das Kind kann nicht lauttreu schreiben. Es
macht N-Fehler. ( nicht lautgetreue - Fehler; vgl. SLRT).
Fehlerinkonsistenz
Das Kind schreibt dasselbe Wort immer
wieder anders falsch.
Wenn die Lese-Rechtschreibschwäche zu spät erkannt und dem Kind nicht entsprechend
geholfen wird, kann sich das negativ auf das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit des
Kindes auswirken und zum Versagen auch in anderen schulischen Bereichen führen.
8. Weitere Beobachtungen / Anmerkungen:
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Dr. Christa Wührer
9. Erkenntnisse:
Die Erlässe des Landesschulrates für Oberösterreich von 2001 und 2004 geben die entsprechenden
Rahmenbedingungen
vor,
um
Schülerinnen
und
Schülern
mit
Lese-
Rechtschreibschwächen zu unterstützen und fördern.
Fünf Grundsätze:
 Erster Grundsatz: Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler erkennen!
Die Schwäche im Rechtschreiberwerb und im Erlernen der Lesefertigkeit, die Schülerinnen und Schüler zeigen, muss von den Lehrerinnen und Lehrern wahrgenommen
werden. Dies erfolgt durch Beobachtung im Sinne des aktiven Hinschauens. Lehrerinnen und Lehrer müssen und sollen KEINE Diagnose stellen.
 Zweiter Grundsatz: Unterstützungs- und Fördermaßnahmen im Klassenkollegium festlegen und dokumentieren.
Die Erstellung von Maßnahmen ist ein weiterer wichtiger Punkt. Hierbei sind einerseits Unterstützungsmaßnahmen zu nennen, wie mehr Zeit, zur Verfügung gestellte
Lernunterlagen, mündliche Prüfungen, sowie Fördermaßnahmen, wie Strategien im
Umgang mit der Schwäche, didaktische Methoden und inhaltliche Kompensationshilfen.
 Dritter Grundsatz: Die Deutschnote setzt sich aus mehreren Bereichen zusammen. Es braucht Differenzierung, Fördermaßnahmen und Individualisierung.
Die Erlässe des Landesschulrates für Oberösterreich, betreffend Lese-RechtschreibSchwäche, sind anzuwenden. Eine klare Aufschlüsselung der Bereiche, die für die
Leistungsbeurteilung wichtig sind, ist unerlässlich.
„Bei der Leistungsfeststellung ist zu berücksichtigen, dass im Lehrplan des Pflichtgegenstandes Deutsch folgende Bereiche angeführt sind:
Volksschule – Sprechen, Lesen, Verfassen von Texten, Rechtschreiben, Sprachbetrachtung
Hauptschule und AHS – Sprechen, Schreiben, Lesen und Textbetrachtung, Sprachbetrachtung und Sprachübung" (siehe Erlass: Leistungsbeurteilung bei LeseRechtschreibschwäche (LRS) bzw. Legasthenie, 2001).
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 Vierter Grundsatz: Transparenz durch Information.
Transparenz für alle Beteiligten ist wichtig. Information der Schülerinnen und Schüler
und der Eltern über das Zustandekommen der Leistungsbeurteilung nimmt Druck und
entlastet in der Frage der Gerechtigkeit.
 Fünfter Grundsatz: Nachteilausgleich ist für Schülerinnen und Schüler herzustellen. Lehrerinnen und Lehrer können ein vielfältiges Unterstützungsangebot
nutzen.
Die Expertinnen und Experten für die Schule sind die Lehrerinnen und Lehrer. Hilfestellung für Beratung gibt es durch die Sonderpädagogischen Zentren und den
Schulpsychologischen Beratungsstellen. Weiters können Diagnosezentren, sowie
andere Fachkräfte und Institutionen beigezogen werden.
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BSI Johann Zillner
Verfahrensschritte bei Verdacht auf LRS
Grundsätzlich besteht der Verdacht auf LRS dann, wenn bei einem Kind trotz normaler Begabung und angemessener Beschulung erhebliche Probleme beim Erwerb der Lesefertigkeiten bzw. der Rechtschreibung auftreten.
In diesen Fällen ist folgende Vorgangsweise einzuhalten:
1. Anwendung des Beobachtungsbogens zur ersten Abklärung
2. Bei Bestätigung des Verdachts von LRS hat eine Besprechung über spezielle Fördermaßnahmen mit Experten des SPZ gemeinsam mit den Eltern durchgeführt zu
werden.
Teilnehmer:
VS: Klassenlehrer + Schulleiter + Eltern + Experten
HS: Klassenkonferenz + Schulleiter + Eltern + Experten
3. Beim Übertritt von der VS in die HS ist im Rahmen eines Nahtstellengespräches auf
die bisherigen Fördermaßnahmen aufmerksam zu machen und die HS hat sich über
die weitere Vorgehensweise mit den Experten abzusprechen.
Zusätzliche mögliche Schritte:
 Genaue Abklärung bei offenen Fragen und Grenzfällen durch Sonderpädagogisches Zentrum, Schulpsychologie
 Eine Diagnose mit Gutachten durch ein Institut kann den Eltern in Grenzfällen empfohlen werden, ist aber keine Verpflichtung der Eltern!
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BSI Johann Zillner
Umgang mit Lese- und Rechtschreib-Schwache im
Schulalltag
Die Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche darf sich nicht nur auf die Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung beschränken, sondern es muss im Unterricht in
allen Gegenständen auf die Besonderheiten dieser Schüler/innen Rücksicht genommen
werden. Auf folgende Punkte ist dabei besonderes Augenmerk zu legen.
Unterstützungsmaßnahmen durch die Schule
1. Individuelle Fördermaßnahmen
Kinder mit LRS im Lese- u. Rechtschreibunterricht mit denselben Inhalten und Methoden zu
konfrontieren wie Kinder ohne LRS ist nicht zielführend und verursacht Frustration und keine
positiven Fortschritte.
Es müssen individuelle Fördermaßnahmen im Bereich Lesen und Rechtschreiben entwickelt
werden, Prioritäten festgelegt und nach einem überschaubaren zeitlichen Rahmen evaluiert
werden.
Hierzu kann auf die Expertinnen der Sonderpädagogischen Zentren zurückgegriffen werden
und die Förderziele sind möglichst mit den Erziehungsberechtigten abzustimmen.
2. Mehr Zeit für Mitschriften
Sehr oft ist es Kindern mit LRS nicht möglich, Mitschriften und Merktexte im gleichen zeitlichen Rahmen wie die übrigen Mitschüler abzufassen. Dadurch sind die Hefte oft unvollständig bzw. ist es nicht möglich aus der eigenen Mitschrift zu lernen.
Um eine (zeitliche) Überforderung dieser Kinder durch Vervollständigen der Hefte zusätzlich
zu den normalen Hausübungen zu verhindern, muss eine individuelle Lösung dieses Problems gemeinsam von Lehrern und Eltern gefunden werden. Die Bereitstellung von
(Teil)Kopien der Texte, die Bearbeitung von vorgegebenem Merkstoff anstelle des Abschreibens …. seien als mögliche Beispiele angeführt.
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3. Hausübungen
Hausübungen müssen bei Kindern mit LRS auf ihre individuelle Situation sowohl im inhaltlichen als auch im zeitlichen Umfang abgestimmt werden. Eine klare Struktur über das gesamte Schuljahr ist eine große Unterstützung zur Bewältigung der Aufgaben.
4. Rücksichtnahme in allen Fächern
Neben den speziellen Programmen für Lesen und Rechtschreiben ist die Entwicklung von
individuellen Lernstrategien für LRS unbedingt notwendig.
Es gilt Lernstrategien zu entwickeln und anzuwenden, die es ermöglichen, dass die Kinder
ihre Leistungen zeigen können, ohne durch ihre LRS gehemmt zu werden.
Als eine Auswahl von Möglichkeiten seien genannt:
 verstärkte mündliche Beiträge, Referate,
 Lernstoff in kleinere Abschnitte portionieren,
 visuelle Angebote,
 individuelle Zielvorgaben
 nur vorbereitetes lautes Lesen im Klassenverband
 Der Einsatz des Computers als Schreibgerät und die Verwendung der Rechtschreibüberprüfung sind ebenfalls legale Mittel.
Leistungsfeststellungen:
In
der
Broschüre
„Modell
zur
schulischen
Förderung
von
Kindern
mit
Lese-
Rechtschreibschwäche" wird auf Seite 29 ausgeführt, dass auf Kinder mit LRS § 18 Abs. 6
SCHUG und VO-LB § 2 Abs. 4 angewendet werden können.
Dies bedeutet, dass soweit als möglich schriftliche Leistungsfeststellungen für Kinder mit
LRS zu unterlassen sind. Insbesondere ist das wöchentliche Diktat als einzige Form der
Rechtschreibüberprüfung nicht erlaubt.
Anstelle von schriftlichen Überprüfungen und Tests in den Hauptschulen/NMS sollten mündliche Leistungen bzw. Überprüfungen eingesetzt werden. Falls schriftliche Überprüfungen
unvermeidlich sind, ist den Kindern mit LRS ein längerer Zeitraum zur Bewältigung der Aufgaben zu gewähren. Dies gilt selbstverständlich auch für Schularbeiten.
Für alle Fächer außer Deutsch gilt, dass die gewählte Form der Leistungsfeststellung Ziele
des Unterrichtsgegenstandes und nicht die Schreib- u. Leseleistung erfassen soll.
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Schularbeiten
Es ist vorgesehen, dass Schüler/innen mit LRS andere Aufgabenstellungen erhalten oder zu
einem anderen Zeitpunkt mit größerer Zeitvorgabe die Schularbeit schreiben können.
Bei Mathematik-Schularbeiten kann es notwendig sein, dass Textaufgaben für Kinder mit
LRS vom Lehrer vorgelesen werden müssen. Leseschwäche darf die mathematische Leistung nicht behindern.
Im §16 LBVO sind für Schularbeiten im Unterrichtsgegenstand Deutsch die Kriterien Inhalt,
Ausdruck, Sprachrichtigkeit und Schreibrichtigkeit explizit angeführt, Sowohl aus den Lehrplanbestimmungen als auch aus der LBVO ergibt sich somit eindeutig, dass der Gesichtspunkt der Schreibrichtigkeit keinesfalls die einzige Grundlage der Beurteilung sein darf.
Bei Aufsätzen kann es hilfreich sein, dass das Kind den Aufsatz einer Lehrperson diktiert. In
diesem Fall kann nur der inhaltliche und sprachliche Teil benotet werden.
Leistungsbeurteilung:
Für die Leistungsbeurteilung von Kindern mit LRS sind die gesetzlichen Bestimmungen von
§ 18 Abs. 6 SCHUG und VO-LB § 2 Abs. 4 heranzuziehen.
Die besondere Berücksichtigung ergibt sich dadurch, dass nach Möglichkeit jene Quellen der
Leistungsfeststellung herangezogen werden, die von der Störung LRS nicht betroffen sind,
d.h. mündliche, praktische und grafische Formen sowie die Mitarbeit. Auf Grund einer LRS
besteht natürlich kein genereller Notenschutz und auch keine automatische positive Beurteilung.
Bei der Beurteilung eines Kindes mit LRS soll und muss ein anderer Benotungsschlüssel für
den Lese- u. Rechtschreibbereich angewendet werden. Es ist allerdings nicht vorgesehen,
die Rechtschreib- bzw. Leseleistung völlig unberücksichtigt zu lassen (Broschüre LRS S. 30).
Die Rechtschreibung muss in der Beurteilung der schriftlichen Arbeiten das schwächste Kalkül darstellen.
Sofern in Hauptschulen noch in Leistungsgruppen unterrichtet wird, ist festzuhalten, dass
eine Einstufung in die niedrigste Leistungsgruppe auf Grund einer LRS nicht zulässig ist.
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Im Lehrplan der VS sind für den Unterrichtsgegenstand Deutsch folgende Bereiche als
Grundlage der Beurteilung festgelegt:
 Sprechen
 Lesen
 Schreiben
 Verfassen von Texten
 Rechtschreiben
 Sprachbetrachtung
Im Lehrplan für HS, AHS u NMS sind
 Sprechen
 Schreiben
 Verfassen von Texten
 Lesen und Textbetrachtung und
 Sprachbetrachtung und Rechtschreiben
als gleichwertige Bereiche angegeben und daher darf bei der Leistungsbeurteilung die
Rechtschreibung keine besonders gewichtige Bedeutung haben.
Kinder mit LRS sollen genauso wie Kinder ohne LRS durch Leistungsfeststellungen und
Leistungsbeurteilung nicht demotiviert werden, sondern ein positives und motivierendes
Selbstwertgefühl entwickeln können.
Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben eine individuelle Handhabung. Es gilt, diese Freiräume im Interesse der Kinder zu nutzen.
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VD Claudia Haider
Forderliche Maßnahmen bei Lese-RechtschreibSchwache
Allgemeines
 Zur Förderung sind klar aufgebaute und gut strukturierte Materialien notwendig.
 Lausch-, Reim- und Lautspiele sind bereits ab dem Vorschulalter von großer Bedeutung.
 Das Lernen mit möglichst vielen Sinnen (hören, sehen, tasten, …) erleichtert
das Erfassen der Buchstabe-Laut-Beziehung.
 Weitere wichtige Komponenten sind Vorsprechen – Nachsprechen – Mitartikulieren (synchron: laut, halblaut oder leise).
 Die Lernpartner sollen nicht buchstabieren, sondern die Laute sprechen (m, r, s,
… nicht em, er, es).
 Bei den ersten Lese- und Schreibversuchen ist es für manche Kinder einfacher,
nur Großbuchstaben zu verwenden.
 Der Schriftspracherwerb in der Schule soll mit der Druckschrift beginnen, nicht
mit der Schreibschrift.
 Am Beginn sollen ausschließlich Vokale und dehnbare Konsonanten und nur
Wörter ohne bezeichnete Vokalkürze bzw. Vokallänge (-h, ie, ck, tz, ss, ...) angeboten werden.
Zu beachten ist, dass es kaum eindeutige Phonem-Graphem-Korrespondenzen (Buchstabe-Laut-Zuordnungen) gibt, da wir in der deutschen Sprache wesentlich mehr Laute als
Buchstaben haben und Laute an verschiedenen Positionen im Wort durch ihren Umgebungslaut anders klingen.
 Das Segmentieren in Silben spielt eine wichtige Rolle. Am Anfang Silben wie (am,
ma, in, ni, so, os, …) bilden, erst später längere Silben.
 Leseschwache Kinder sollen nur vorbereitete Inhalte vorlesen oder Texte mit einem Aufnahmegerät (z. B. MP3-Player, Karaoke-Gerät) aufnehmen.
 Konkrete Hilfestellungen und Lernstrategien anbieten: „Versuche es so!“
 Sinnvolle Schreibübungen, bei denen der kommunikative Aspekt im Vordergrund
steht, anbieten!
23
 Die betroffenen Kinder sollen kurz, aber regelmäßig üben (am besten täglich, jeweils maximal 15 Minuten).
Das Förderkonzept soll diagnosegeleitet, individualisiert, ganzheitlich und motivierend
sein. Um Erfolge zu gewährleisten, sollen alle Beteiligten (Kind, Eltern, Lehrer, …) möglichst gut zusammenarbeiten. Das Üben mit lese-/rechtschreibschwachen Kindern erfordert
viel Geduld und Ausdauer. Die Schüler sind auf Erfolgserlebnisse und positive Verstärkung (Lob und Ermutigung) durch Lehrer und Eltern angewiesen. Hier ist es auch wichtig,
vorhandene Stärken aufzuzeigen.
Was soll vermieden werden?
 Mit der Schreibschrift beginnen, da Buchstabengrenzen verschwimmen und vier
Buchstabenformen zu einem Laut schwache Schüler überfordern
 Von der eigenen, oft schwer lesbaren Mitschrift lernen
 Abwertende Kommentare „Sei nicht so schlampig!"
 Vergleiche mit anderen Schülern
 Unvorbereitetes, lautes Vorlesen
 Korrekturen, ohne richtiges Wortbild vorzugeben
 Kontrastierende Übungen (d-t, k-ck, ...)
 Lange, mechanische Abschreibübungen
 Rechtschreibnote = Deutschnote (entspricht nicht dem Gesetz)
RECHTSCHREIBFÖRDERUNG IM SCHULALTER
(angelehnt an den SLRT, vgl. Landerl u. a., 1997)
Der Lese-Rechtschreib-Prozess vollzieht sich entwicklungspsychologisch in aufeinanderfolgenden Stufen. Lese-/rechtschreibschwache Kinder verharren oft sehr lange auf den
unteren Ebenen und benötigen individuelle Unterstützung.
Die angeführten Beispiele stellen nur einen kleinen Auszug aus den praktischen Übungsformen dar.
24
1. Phonologische Bewusstheit
Kinder
müssen
verstehen,
dass
Wörter
aus
Lauten
bestehen.
Gerade
lese-
/rechtschreibschwachen Kindern fehlt häufig diese Einsicht. (Hinweis: Würzburger Trainingsprogramm für Kinder im Vorschulalter von Küspert & Schneider, 2000 zur Förderung der
phonologischen Bewusstheit)
 Reime (Reime nachsprechen, Reimwörter finden, …)
 Anlaut erkennen (Anlaut gedehnt sprechen)
 Zerlegen von Wörtern in Laute (Analyse)
 Zusammenfügen von Lauten zu Wörtern (Synthese)
2. Buchstabe-Laut-Zuordnung
Bei lese-/rechtschreibschwachen Kindern benötigt der Erwerb der Buchstabe-LautBeziehung mehr Zeit.
 Laut sprechen – richtige Buchstabentafel auflegen
 Wörter sprechen – Kind horcht auf den Anlaut und zeigt den Buchstaben
 Bild zeigen – Kind spricht das Wort und sucht den Anlaut (Anlautbilder)
 Buchstaben ertasten (fühlen) – Laut sprechen
 Buchstaben formen, abgehen, stempeln, … – Laut dazu sprechen
 Mundstellungsbilder
 Zeichensprache (Handzeichen)
3. Lauttreue Schreibweise
Hier wird die lauttreue Schreibung von Wörtern trainiert (Wörter ohne – h, ie, ck, tt, …). Am
Ende der 1. Schulstufe sollen alle Kinder lauttreu schreiben können.
 Wörter in Silben sprechen und nach der Silbenzahl ordnen
 Wörter nachspuren, in Sand, in verschiedenen Größen schreiben, …
 Wörter im Setzkasten bauen
 Wörter durch Tauschen eines Lautes verändern (z. B. Hase – Hose)
4. Rechtschreibregeln
Die Rechtschreibregeln werden anhand von Beispielen geübt (z. B. ver-, au-äu, st, sp, -h,
…).
25
 Wörter zu einer Wortfamilie sammeln
 Wortbausteine suchen (ver-, -nis, …)
 Wörter nach Wortarten sortieren
 Verlängern von Wörtern (Kind – Kinder, …)
5. Wortschreibungen einprägen
Die Schüler prägen sich Wortschreibungen ein.
 Wortlisten: lesen – merken – zudecken – schreiben – vergleichen
 Rechtschreibkartei
 Wörter lautieren, nachfahren, Buchstabenkarten auflegen und abgehen, ...
 Computerprogramme (z. B. GUT 1)
ÜBERGANG ZUM WEITERFÜHRENDEN RECHTSCHREIBEN
(vgl. Mann, 2002)
Christine Mann sagt: „Rechtschreiben soll systematisch gelehrt werden."
Sie unterteilt das Wortmaterial in drei Gruppen:
1. Mitsprechwörter: (lauttreue Schreibung) z. B. „Nase“
Die Wörter werden dabei rhythmisch in kleinere Einheiten (Silben) gegliedert. Deutliche
Sprechpausen dazwischen sind wichtig. Teilweise werden auch einzelne Laute isoliert.
Einige Übungsformen:
 Wortbedeutung erklären (z. B. mit Hilfe eines Satzes), zeichnen, darstellen, ...
 Klanggestalt von Wörtern erkennen (lautieren, An-, In- und Auslaute)
 Wörter in Silben sprechen und nach Silbenzahl ordnen
 Setzkasten
 Wörter mit verschiedenen Stiften schreiben
 Wörter in verschiedenen Größen schreiben
 Wörter nachspuren und in Sand schreiben
2. Lernwörter/Merkwörter: (nicht ableitbare, nicht lauttreue
Schreibung) z. B. „Märchen“
Auch hier mitsprechen!!! Darüber hinaus müssen sich die Kinder noch eine Rechtschreibbesonderheit merken. Diese muss mit dem Wortklang und dem Wortinhalt abgespeichert
26
werden. Zum Einprägen der Besonderheit dient sowohl der visuelle und schreibmotorische,
als auch der auditiv-kognitive Kanal (kognitiver Zusatz). Wörter ohne Ableitung oder einsichtige Regeln „muss ich mir merken!“
Einige Übungsformen:
 Wortlistentraining
 Lernwörterkartei
 Wörterbucharbeit: Selbstkontrolle, Selbständigkeit, Wortschatzerweiterung
3. Nachdenkwörter: (ableitbare, nicht lauttreue Schreibung
z. B. „Häuser“)
Die Schreibweise ist durch Ableitung von einem lauttreuen Wort, von einem Lernwort
oder einer klaren Regel zu begründen. Das Lautschriftprinzip wird durch übergeordnete Regeln verändert. Für manche Nachdenkwörter benötigt man zwei kognitive Zusätze. Es geht
hier um Ableitungen, Analogien, klare Regeln, ...
Einige Übungsformen:
 Wörter nach dem ABC ordnen
 Nach Wortarten zuteilen
 Reimwörter finden
 Wort im Wort suchen (REISE – REIS – EIS)
 Wörter zusammensetzen
 Wortfamilien bilden
 Wortbausteine suchen (an-, -ung, ...)
 Signalgruppen finden (-upp-, -atz-, ...)
 Mehrzahl bilden (au-äu)
 Wörter verlängern (Hund-Hunde)
 Mitlautverdopplungen markieren
Christine Mann betont den „kognitiven Zusatz“ (Warum schreibe ich das Wort so?). Manche Wörter brauchen auch zwei oder mehrere kognitive Zusätze. Der Lehrer gibt diese kognitiven Zusätze so lange, bis die Kinder diese Strategie verinnerlicht haben.
27
LESEFÖRDERUNG
(Landerl & Klicpera 1997; vgl. Folder SchEz: Leseschwierigkeiten); (Scheerer-Neumann
1987), (vgl. Akademie für Lehrerfortbildung, 2000)
Der Lese-Rechtschreib-Prozess vollzieht sich entwicklungspsychologisch in aufeinanderfolgenden Stufen. Einige Kinder verharren oft sehr lange auf den unteren Ebenen und
benötigen individuelle Unterstützung.
Leseschwache Kinder versuchen Wörter als Ganzes zu erraten oder lesen mühsam
Buchstabe für Buchstabe. Bei gutem Gedächtnis lernen diese Kinder Wörter und Texte
auswendig. Die Kinder finden zwar die Laute, können sie aber nicht zusammenlauten. Sie
lesen meist extrem langsam.
Die angeführten Beispiele stellen nur einen kleinen Auszug aus den praktischen Übungsformen dar.
1. Phonologische Bewusstheit
 Lauschspiele
 Reimspiele
 Vorlesen
 Wörterschlange (Maus – Sonne – Esel – …)
2. Buchstabe-Laut-Zuordnung
 Buchstaben zum Laut kneten, legen, in Sand schreiben
 Buchstaben zum Laut aus Setzkasten suchen
 Laut zum gezeigten Buchstaben sprechen
 Buchstaben zum Laut stempeln
3. Zusammenlauten

zu sinnhaften Silben (am, so, …) und sinnfreien Silben (li, sa, os, …)
 zu zweisilbigen, sinnhaften Wörtern (Ma-mi, Li-mo, …) und Pseudowörtern
(Na-li, So-me, …) mit dehnbaren Lauten
 zu Wörtern mit Verschlusslauten (p, t, k, b, d, g)
 zu Wörtern mit Mitlautverbindungen (Brei, Gras, Glut, …)
4. Mehrsilbige Wörter ohne Mitlauthäufungen in Silben trennen
(Ro-si-ne, Do-mi-no, …)
28
5. Mehrsilbige Wörter mit Mitlautverbindungen lesen
(Sumpf-pflan-ze, Sprung-brett, …)
Was tun bei Schwierigkeiten in folgenden Bereichen?
(vgl. Akademie für Lehrerfortbildung, 2000)
1. Erstlesen
A) MOTIVATION
Ursachen klären, individuelle Maßnahmen, Ermutigung
B) PHONOLOGISCHE BEWUSSTHEIT
Wort
 Wörter eines Satzes zählen und Bausteine auflegen (Sprechen und Handeln synchron)
 Kurze und lange Wörter unterscheiden
Silbe
 Silben klatschen, klopfen, gehen, …
 Silbendomino, Memory, Puzzle
 Silbenbögen zuordnen
Laut
 Lautdiktate
 Anlautspiele: Welcher Name beginnt mit …?
 Laute wegnehmen bzw. hinzufügen (Ei – Eis – Reis)
C) BUCHSTABEN MERKEN
 Einprägen der Buchstabenform (abgehen, fühlen, kneten, aufkleben, ...) Achtung:
Isolierte Behandlung von ähnlichen Buchstabenformen!
 Anlauttabellen als Hilfe
D) ZUSAMMENLESEN
 2 Laute singen, gehen, …
 Zeichensprache – Laute gedehnt sprechen
 Mehrere Laute zusammenlesen (Lesedrache, Lesedose, …)
 Setzen von lauttreuen Wörtern
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E) SINN VERSTEHEN
Wörter
 Wörter und Bilder zuordnen (Domino, Stöpsel, …)
 Gegenstände und Wörter zuordnen
 Rätsel: Welches Wort passt nicht dazu?
Sätze
 Sätze ergänzen, verbinden, …
 Rätsel
 Handlungs-, Malanweisungen, Rezepte, …
2. Weiterführendes Lesen
(vgl. Akademie für Lehrerfortbildung, 2000)
A) ORTHOGRAPHISCH/MORPHEMATISCHE STRATEGIE
Übungen zur Wortdurchgliederung
 Wortlisten (Signalgruppe (itz, eck, …) markieren, still lesen, vorlesen)
 Wörter sammeln (ack, atz, …)
 Wort im Wort suchen (Brot - rot)
Übungen zum Speichern von Wortbildern
 Wörter in verschiedenen Schriften und Größen
 Wörter mit verschiedenen Farben und Stiften
 Wörter in unterschiedlicher Anordnung
Übungen zum genauen Lesen
 Unsinnwörter lesen (ein Wort ist richtig)
 Reimwörter lesen (ein Wort passt nicht)
 Wortpaare finden
 Satzschlangen lesen (Wortgrenzen markieren)
B) STILLE SINNENTNAHME
Übungen zum Erkennen größerer Einheiten
 Blickspannerweiterung: Texte in Pyramidenform (abdecken, Zeile für Zeile lesen,
nur Augen lesen)
Übungen zur Steigerung des Lesetempos
 Wörter nach Diktat suchen (Stein, Finger darauf)
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 Blitzlesen
 Wie oft findest du …? (möglichst schnell)
Übungen zum Aufbau von Leseerwartung
 Lückentext (Wörter einsetzen)
 Vor- bzw. Nachsilben ergänzen
Übungen zur Wortschatzerweiterung
 Wortfeldübungen: gehen (langsam, normal, schnell)
Übungen zum sinnerfassenden Lesen
 Malgeschichten
 Fragen beantworten
 Arbeitsaufträge ausführen (Spiele, Rezepte, …)
C) LAUTES, SINNGESTALTENDES LESEN
Übungen zum klanggestaltenden Lesen
 Wichtigstes Wort unterstreichen und betonen
 Lesepausen einzeichnen
 Gedichte, Reime, Theaterstücke vortragen
 Lesen mit verteilten Rollen
 Aufnahme (MP3 oder Karaoke)
31
Erlasse
Landesschulrat für Oberösterreich
Erlässe
Bearbeiterin: Fr. Mag. Schwarzmair - Abteilung A3
Code: A3-23-1/2-2001 vom 07.06.2001
Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) bzw. Legasthenie
Direktionen
der allgemein bildenden Pflichtschulen,
der allgemein bildenden höheren Schulen,
der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen,
der Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung sowie
der Berufsschulen
in Oberösterreich
Sehr geehrte Damen und Herren!
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat mit Rundschreiben
Nr 32/2001 vom 28.5.2001, GZ 36.200/38-SL V/2001, im Zusammenhang mit Symptomen
von Lese-Rechtschreibschwäche oder Legasthenie und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsbeurteilung und die Bildungslaufbahn von Schülern und Schülerinnen Folgendes mitgeteilt:
"Im
Unterricht
von
Schülern
und
Schülerinnen
mit
schwer
wiegenden
Lese-
Rechtschreibschwierigkeiten kann auf die – durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien – geänderten Anwendungen und Kontrollmöglichkeiten bei der
Schreibrichtigkeit Bedacht genommen werden. Sämtliche gängigen Programme zur Textverarbeitung enthalten Rechtschreibprüfungen, durch die die Leistungserbringung erleichtert
wird.
Es besteht kein Einwand, dass Schüler/innen bei der Leistungserbringung – insbesondere
auf höheren Schulstufen – bei schriftlichen Arbeiten zeitgemäße Hilfsmittel zur Überprüfung
der Schreibrichtigkeit zur Verfügung gestellt werden. Davon werden Schüler/innen mit nachweislich legasthenischer Beeinträchtigung besonders profitieren.
Bei der Leistungsfeststellung ist zu berücksichtigen, dass im Lehrplan des Pflichtgegenstandes Deutsch folgende Bereiche angeführt sind:
32
Volksschule – Sprechen, Lesen, Verfassen von Texten, Rechtschreiben, Sprachbetrachtung
Hauptschule und AHS – Sprechen, Schreiben, Lesen und Textbetrachtung, Sprachbetrachtung und Sprachübung
Im Lehrplan der Hauptschule und AHS-Unterstufe wird in der Bildungs-und Lehraufgabe
ausdrücklich betont, dass es sich um gleichwertige Lernbereiche handelt.
Schularbeiten und andere schriftliche Leistungsfeststellungen dürfen daher nicht ausschließlich nach Art und Anzahl der Rechtschreibfehler beurteilt werden.
Im § 16 der Verordnung über die Leistungsbeurteilung werden fachliche Aspekte für die Beurteilung von Schularbeiten angegeben. Für die Beurteilung in der Unterrichtssprache sind
die fachlichen Aspekte Inhalt, Ausdruck, Sprachrichtigkeit und Schreibrichtigkeit angegeben.
Sowohl aus den Lehrplanbestimmungen als auch aus der Verordnung ergibt sich somit eindeutig, dass der Gesichtspunkt der Schreibrichtigkeit keinesfalls die einzige
Grundlage der Leistungsbeurteilung sein kann und darf.
Bei nachweislich vorliegenden und schwer wiegenden hirnorganischen Störungen, die sich
im Sinne einer Körperbehinderung auswirken und das Erlernen und Anwenden der Rechtschreibung beeinträchtigen, kann § 18 Abs 6 des Schulunterrichtsgesetzes angewendet
werden. Danach sind diese Schüler/innen unter Bedachtnahme auf den wegen der
körperlichen Behinderung erreichbaren Stand des Unterrichtserfolges zu beurteilen,
wobei die Bildungs- und Lehraufgabe des betreffenden Unterrichtsgegenstandes
grundsätzlich erreicht werden muss.
Mit Bezug auf die Leistungsbeurteilung – insbesondere im Pflichtgegenstand Deutsch – ist
daher verantwortungsbewusst abzuwägen, inwieweit nur ein einzelner Leistungsbereich –
nämlich die Schreibrichtigkeit – bestimmend für die gesamte Bildungs- und Berufslaufbahn
eines jungen Menschen sein soll.
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur erarbeitet derzeit eine Zusammenstellung von Regelungen und Materialien, durch die weitere Verbesserungen der Förderung betroffener Schüler/innen erreicht werden können."
Die Schulleitungen werden gebeten, den Inhalt dieses Erlasses insbesondere den DeutschLehrern und Lehrerinnen zur Kenntnis zu bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Amtsführenden Präsidenten
Dr. Kepplinger eh
Gültig für: APS BS AHS BMHS BA
33
63Landesschulrat für Oberösterreich
Erlässe
Bearbeiter: Hr. Mag. Saxinger - Abteilung B1
Code: B1-86/2-2004 vom 12.05.2004
Lese-Rechtschreib-Schwäche: Feststellung – Leistungsbeurteilung - Vorgangsweise
Direktionen
der allgemein bildenden Pflichtschulen
sowie
Sonderpädagogische Zentren
in Oberösterreich
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die statistischen Angaben bezüglich des prozentuellen Anteils an Schülerinnen und Schülern
mit Lese-Rechtschreib-Schwäche in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen sind
sehr unterschiedlich. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der von der PISA-Studie erhobene Wert von 4 % der Schulabgänger die Anzahl der Kinder mit extremen
Problemen umschreibt. Dies bedeutet, dass pro Klasse durchschnittlich ein Kind als solches
eingestuft werden kann.
Die Ursachen von Lese-Rechtschreib-Schwäche sind vielfältig: Aufmerksamkeitsstörungen,
Schulangst, depressive Entwicklung, Störungen im Sozialverhalten, Defizite in der Motorik
und Sprachentwicklung, problematische Intelligenzentwicklung, Wahrnehmungsprobleme,
psychosoziale Umstände u.a. Auf Grund der Vielfältigkeit kann nicht davon ausgegangen
werden, dass auch diese Schülerinnen und Schüler als "reine Legastheniker" einzustufen
sind.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Erlasses (B1-86/1-2000) und dem für Oberösterreich entwickelten Stufenmodell (Pädagogische Schriftenreihe 1) werden immer wieder Fragen bezüglich der Zuständigkeit für die Feststellung der Lese-Rechtschreib-Schwäche gestellt.
34
1. Zuständigkeit für die Feststellung von Lese-RechtschreibSchwächen/Fördermaßnahmen
Grundsätzlich sind für die Feststellung von Defiziten in der Schule die zuständigen
Lehrkräfte (Klassenlehrerinnen/Klassenlehrer und alle in der Klasse unterrichtenden
Lehrerinnen/Lehrer) verantwortlich, die auf Grund ihrer pädagogischen Kompetenz
(Ausbildung, Fortbildung, Literaturstudium,...) eine gezielte Förderung und fachgerechte Unterstützung gewährleisten und auch besondere Maßnahmen für diese
Schülerinnen und Schüler festzulegen haben Die vorzusehenden Maßnahmen auf
Grund didaktischer Überlegungen (siehe auch Lehrplan: Didaktische Grundsätze Differenzieren und Fördern und SchUG § 17 (1) - Unterrichtsarbeit) sind unter mehreren Aspekten zu treffen.
2. Beurteilung der Rechtschreibleistungen/Diktate
Von wesentlicher Bedeutung sind dabei auch die pädagogischen Aspekte der Handhabung von Klassendiktaten und der Beurteilung von Rechtschreibleistungen (Rechtschreiben ist lediglich ein Teilbereich!!!). Klassendiktate (frontale Diktate für die ganze
Klasse) sind im Gegensatz zu individualisierten Diktatformen (Lauf-, Dosen-, PartnerQuiz-, Bingo- Diktate,.....) unter dem Aspekt der Förderung lese-rechtschreibschwacher Schülerinnen und Schüler KEINE zielführende Maßnahme. Sie bringen
keine Verbesserung der Lese-Rechtschreibleistung, lösen lediglich Stress aus und
sind daher nicht leistungsfördernd.
Die Verordnung über die Leistungsbeurteilung legt fest, dass die von den Lehrerinnen
und Lehrern gewählte Form der Leistungsbeurteilung unter verschiedenen Kriterien
zu erfolgen hat:

Alter und Bildungsstand

Erfordernisse des Unterrichtsgegenstandes

Anforderungen des Lehrplans

jeweiliger Stand des Unterrichts
Das Klassendiktat berücksichtigt keinesfalls den individuellen Bildungsstand eines
Kindes und ist daher kein taugliches Mittel.
In der Leistungsbeurteilungsverordnung (§ 8 Abs. 4 und 5) wird weiters ausgeführt,
dass die Arbeitszeit einer schriftlichen Überprüfung (z.B. benotetes Diktat) in den allgemein bildenden Pflichtschulen 15 Minuten und die Gesamtarbeitszeit in jedem Semester 30 Minuten nicht überschreiten darf.
35
Im Sinne der Leistungsbeurteilungsverordnung dürfen diese Richtlinien keinesfalls
dadurch "umgangen" werden, dass schriftliche Überprüfungen nicht als solche definiert und dann "zwecks Informationscharakter" benotet werden. Noten haben die
Aussagekraft einer Leistungsbeurteilung!
3. Berücksichtigung von Lese-Rechtschreib-Schwächen bei der Leistungsbeurteilung
Beurteilung durch Klassenlehrer/in - Mitverantwortung der Schulleitung
Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche sind unter Berücksichtigung ihrer Leistungsschwäche zu beurteilen (siehe auch Erlass des LSR für OÖ und
"Die Beurteilung der Leistungen legasthener Kinder" in der Pädagogischen Schriftenreihe des LSR für OÖ). Trotzdem kann es im Rahmen der von den Lehrerinnen und
Lehrern getroffenen Fördermaßnahmen notwendig und sinnvoll sein, dass z.B. auf
Grund einer Entwicklungsverzögerung ein Kind eine Schulstufe wiederholt, in eine
niedrigere Schulstufe in der Grundstufe I wechselt oder in die nächstniedrigere Leistungsgruppe umgestuft wird. Die "Kernbereiche" des Lehrplans müssen jedenfalls erfüllt werden können.
Unterstützung durch Sonderpädagogisches Zentrum (SPZ) und Schulpsychologie:
In Einzelfällen ist eine Unterstützung durch das zuständige SPZ erforderlich. In Kooperation mit den Eltern führt dieses eine Abklärung durch, wobei die Ergebnisse der
Schule und den Eltern zur Kenntnis zu bringen sind. Das SPZ wird nach Abklärung
spezielle Fördermaßnahmen empfehlen, welche in Zusammenarbeit zwischen Eltern,
Schulleitung und Lehrkräften umzusetzen sind.
Schulpsychologische
Hilfestellungen
bei
Kindern
mit
einer
Lese-
Rechtschreibschwäche beziehen sich auf Fragen der Persönlichkeitsentwicklung, des
familiären und schulischen Kontextes, der Lerntechnik, der Motivation und der Begleitsymtomatik u.a.
Zur Vertiefung der Beratungskompetenz des SPZ-Teams bietet sich eine enge Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie (Moderation von Helferkonferenzen, Mediation von Lehrer-Eltern-Gesprächen, Supervision, usw.) an.
Institut für Sinnes- und Sprachneurologie (Krankenhaus der Barmherzigen Brüder)
Das SPZ kann bei Erfordernis den Eltern eine zusätzliche Abklärung durch das Institut für Sinnes- und Sprachneurologie empfehlen. Werden diese weiteren Untersuchungsergebnisse von den Eltern, der Schule bzw. dem SPZ vorgelegt, so soll auf
der Basis aller gesammelten Information ein spezieller Förderplan entwickelt werden.
36
Gutachten außerschulischer Institute
Gutachten anderer Institute können von den Lehrerinnen und Lehrern angenommen
bzw. berücksichtigt werden. Die Lehrerinnen und Lehrer sind jedoch keineswegs verpflichtet, sich an diese Gutachten zu halten. Die Entscheidung hat sich in erster Linie
auf eigene Beobachtungen und eigene methodisch-didaktische Fördermaßnahmen
zu beziehen.
Allenfalls vorhandene schriftliche Aufzeichnungen bzw. Gutachten sind vertraulich zu
behandeln.
Eltern
Eltern sollen in problematischen Situationen zuerst die zuständigen Lehrerinnen/Lehrer kontaktieren, bei unterschiedlichen Auffassungen die Schulleitung. Wenn
auch dabei kein Einvernehmen erfolgen kann, soll durch die Schulleitung bzw. durch
die Eltern das SPZ kontaktiert bzw. eingebunden werden.
Für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche ist im Gegensatz zu Kindern mit Sonderpädagogischem Förderbedarf keine bescheidmäßige Erledigung vorgesehen.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Amtsführenden Präsidenten
Mag. Saxinger eh.
Gültig für: APS
37
Landesschulrat für Oberösterreich
Erlässe
Bearbeiterin: Fr. Mag. Schwarzmair - Abteilung A3
Code: A3-23-1/3-13 vom 18.12.2013
Leistungsbeurteilung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) bzw. Legasthenie Abschaffung der Liste der akzeptierten Institutionen
Direktionen
der allgemein bildenden Pflichtschulen,
der allgemein bildenden höheren Schulen,
der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen,
der Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung sowie
der Berufsschulen
in Oberösterreich
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit diesem Erlass setzen wir hiermit die Liste der akzeptierten Institutionen außer Kraft.
Falls in Zukunft ein Gutachten erforderlich ist, weil eine Lehrkraft die Feststellung des
Vorhandenseins einer LRS selbst nicht treffen kann, besitzt jedes Gutachten, das von einer
in Österreich oder im EU-Raum befugten Person (Ärzte, klinische Psychologen erstellt
wurde, schulische Relevanz.
Die Bestimmungen des Rundschreibens 32/2001 des Unterrichtsministeriums gelten
unverändert (verlautbart am 7.6.2001, Zl. A3-23-1/2-01), d.h. für alle Schularten für den
Pflichtgegenstand "Deutsch" sowie für Fremdsprachen.
Unter dem Link "Schulpsychologie – Infothek" finden Sie für die Sekundarstufe I
Empfehlungen der Schulpsychologie für Lehrer/innen und für Eltern sowie die neue
Handreichung des BMUKK "Der schulische Umgang mit Lese-Rechtschreibschwäche".
38
Diesbezügliche Rückfragen richten Sie bitte an Abteilung Schulpsychologie bzw. (für APS)
an die sonderpädagogischen Zentren oder (für die übrigen Schularten) die zuständige
pädagogische Abteilung im Hause.
Die Erlässe vom 11.9.2012, Zl. A3-23-1/10-12 sowie vom 16.1.2013, Zl. A3-23-1/2-13, treten
hiermit außer Kraft.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Amtsführenden Präsidenten
Dr. Sonnberger eh.
Handreichung
Landesschulrat für OÖ; Modell zur schulischen Förderung von Kindern mit LeseRechtschreib-Schwäche
abrufbar auf der Homepage des Landesschulrates unter:www.lsr-ooe.gv.at/publikationen
Bundesministerium
für
Unterricht,
Kunst
und
Kultur,
Abteilung
Schulpsychologie-
Bildungsberatung, 2007: Die schulische Behandlung der Lese-Rechtsscheib-Schwäche
abrufbar unter: www.schulpsychologie.at/legastheni
39
Literaturliste
Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung: Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. Diagnose –
Förderung – Materialien. Donauwörth: Auer. 2000.
Dillling, H.; Mombour, W.; Schmidt, M.H. (Hrsg): ICD-10, Internationale Klassifikation psychischer
Störungen, Verlag Hans Huber, Bern, 1993.
Dürre, Rainer: Legasthenie – das Trainingsprogramm für Ihr Kind. Freiburg: Herder. 2000 (2. Auflage).
Klasen, Edith: Legasthenie – umschriebene Lese-Rechtschreib-Störung. Informationen und Ratschläge. Klagenfurt: KLL-Verlag. 1999 (3. Auflage).
Klicpera, Ch.; Schabmann, A.; Gasteiger-Klicpera, B.: Legastenie-LRS, Modelle, Diagnose, Therapie
und Förderung, Ernst-Reinhardt Verlag, München, 2010.
Kopp-Duller, Astrid: Der legasthene Mensch. Was Lehrer und Eltern über Legasthenie (Dyslexie) und
Dyskalkulie wissen sollten. Klagenfurt: KLL-Verlag. 2001 (3. Auflage).
Landerl,K. / Wimmer, H. / Moser, E.: SLRT. Salzburger Lese-und Rechtschreibtest. Verfahren zur
Differentialdiagnose von Störungen des Lesens und Schreibens für die 1. bis 4. Schulstufe. Bern:
Hans Huber. 1997.
Lehrplan-Service: Lehrplan der Volksschule. Wien: Österreichischer Bundesverlag, Jugend und Volk.
1987 (2. Auflage).
Mann, Christine: Selbstbestimmtes Rechtschreiblernen. Rechtschreibunterricht als Strategievermittlung. Weinheim: Beltz. 2002 (5. Auflage).
Mann, Christine: Legasthenie verhindern. Bochum: Kamp. 1994 (3. Auflage).
Pregl, Helga: Legasthenie 2000. Ein praxisorientierter Ratgeber mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für Lehrer und interessierte Eltern. Klagenfurt: KLL-Verlag. 2000.
Schulte-Körne, Gerd (Hrsg.): Legasthenie: Zum aktuellen Stand der Ursachenforschung, der diagnostischen Methoden und der Förderkonzepte. Bochum: Dr. Dieter Winkler. 2002.
www.schulpsychologie.at/legasthenie: Die schulische Behandlung der Lese-Rechtschreib-Schwäche
Vor allem für die praktische Arbeit mit Kindern:
Buchner, Christina: Lesen lernen mit links ... und rechts, gehirnfreundlich und ohne Streß. Bilder, Geschichten, Ideen für Lehrer, Eltern und Therapeuten. Freiburg: VAK. 1998 (4. Auflage).
Chavanne, Verena: Leserätsel 1. Leseübungen für die Schule und zu Hause. Wien: öbv & hpt. 2001.
Chavanne, Verena: Leserätsel 2. Leseübungen für die Schule und zu Hause. Wien: öbv & hpt. 1998.
40
Computer & Lernen: GUT 1: Grundwortschatz- und Transfertraining. Das Rechtschreibprogramm mit
besten Bewertungen. www.comundlern.de
Fisgus, C., Kraft, G.: Hilf mir, es selbst zu tun. Montessoripädagogik in der Regelschule. Donauwörth:
Auer. 1996 (4. Auflage).
Fisgus, C. Kraft, G.: Morgen wird es wieder schön. Neue Materialien für die Praxis.Donauwörth: Auer.
1997 (2. Auflage).
Küspert, P., Schneider, W.: Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 2000 (2. Auflage).
Plume, E., Schneider, W.: Hören, lauschen, lernen 2. Spiele mit Buchstaben und Lauten für Kinder im
Vorschulalter. Würzburger Buchstaben-Laut-Training. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 2004.
Tacke, Gero: Flüssig lesen lernen. Übungen, Spiele und spannende Geschichten. Lehrerband mit
Arbeitsblättern. Ein Leseprogramm für den differenzierten Unterricht, für Förderkurse und für die Freiarbeit. Klasse 1 und 2 der Grundschule. Donauwörth: Auer. 1998 (2. Auflage).
auch für Klasse 2 und 3 der Grundschule und für Klasse 4 und 5 der Grund- und Hauptschule erhältlich)
Internetquellen
www.lesikus.com
www.betzold.de Magnetisches Leseset (Buchstabenkasten)
www.uni-wuerzburg.de
www.phonologische-bewusstheit.de
www.schulpsychologie.at
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