Name: Institut für Finanzrecht, Universität Wien 1. Klausurarbeit zur Pflichtübung Finanzrecht – 16. November 2015 Wintersemester 2015/16 Univ.-Lekt. Dr. Gabriele KRAFFT Matrikelnummer: Arbeitszeit 45 Minuten. Bitte begründen Sie alle Antworten kurz und sachgerecht; bei Angaben, die Sie für unklar halten, treffen Sie eine Annahme. Für Antworten, die von der Fragestellung abweichen, werden keine Punkte vergeben. Die Verwendung des Kodex Steuerrecht ist gestattet; verwenden Sie zu Lösung lediglich die ausgeteilte Testunterlage. Nummerieren Sie alle Blätter und beschriften Sie alle mit Namen und Matr.Nr. Punkte: 22 – 24 :Sehr gut 19 – 21: Gut 12 – 14: Genügend 15 – 18: Befriedigend 0 – 11: Nicht genügend Aufgabe 1 [4 Punkte]: Erklären Sie die Begriffe „umsatzsteuerbar“ und „umsatzsteuerpflichtig“ und zeigen Sie die Unterschiede auf! Ein Vorgang ist umsatzsteuerbar, wenn er in den Anwendungsbereich des UstG fällt (steuerbare Umsätze § 1 Abs. 1 Z 1-3 und Art 1 BM-Reg), steuerbare Umsätze sind entweder steuerfrei (wenn in § 6 eine Befreiung ausdrücklich vorgesehen ist) oder aber steuerpflichtig. Steuerbarkeit ist daher die Voraussetzung für die Steuerfreiheit, die Begriffe sind nicht synonym Aufgabe 2 [20 Punkte]: Beurteilen Sie die folgenden Sachverhalte hinsichtlich ihrer umsatzsteuerlichen Konsequenzen: 1. Herr NN handelt mit elektronischen Registrierkassen samt Software und betreibt einen Friseurladen in Wien. Zudem ist der 100% Gesellschafter der NN-Gasthaus GmbH (GF dieser Gesellschaft ist ein fremder Gewerbeberechtigter). NN lieferte Registrierkassen im Wert von je 3.000 an den Friseurladen und die NNGasthaus GmbH [5]. Das Handelsunternehmen und der Friseurladen bilden das Unternehmen des NN. Leistungen (und damit die Lieferung der Kasse) zwischen den Betrieben desselben Unternehmens sind nicht steuerbare Innenumsätze. Hinsichtlich der GmbH liegt keine Organschaft vor (keine organisatorische und keine wirtschaftliche Eingliederung), daher ist diese Lieferung ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz 2. NN beauftragte einen schweizer Transportunternehmer Registrierkassen von München nach Hamburg zu befördern. Dafür stellte ihm der Schweizer 2.000 € in Rechnung. [4] Sonstige Leistung (Güterbeförderungsleistung), B2B erbracht, Leistungsempfänger ist ein Unternehmer in Österreich daher nach §3a Abs. 6 steuerbar in Österreich, keine Steuerbefreiung da keine 3.Landsgrenze überschritten wird. Steuerschuld geht nach § 19 Abs. 1 2.Satz auf NN als Leistungsempfänger über. Dieser kann sich zeitgleich die Vorsteuer abziehen. Steuerschuld und Vorsteuer werden kompensando verrechnet, es kommt zu keiner Zahllast. Die Zahlung an den Schweizer erfolgt netto. Dr.Gabriele Krafft, Institut für Finanzrecht, Universität Wien, 1. Klausur PÜ Finanzrecht, 16.November 2015, WS 15/16 -1- 3. Die Mutter von NN ist Pensionistin und vermietete ab 1.5.2014 ihren schönen großen Zweitwohnsitz (ausbezahlt) am Wörthersee an eine deutsche Familie, da ihr die Gartenarbeit in dem großen Garten zu viel geworden ist und sie sich seit ihrer Pensionierung keinen Gärtner mehr leisten kann. Die Monatsmiete beträgt 2.600 [3] Die Mutter ist Unternehmerin iSd § 2 UStG, da sie die Vermietung mit Einnahmenerzielungsabsicht, selbständig und nach haltig betreibt. Liebhaberei ist nicht anzunehmen (keine Kreditverbindlichkeiten, kein Hinweis auf andere hohe Ausgaben in der Angabe). Eine Befreiung für diese Vermietung ist in § 6 nicht vorgesehen, daher besteht Steuerpflicht. 4. Im Oktober 2015 kaufte eine deutsche Private einen Fön um 80 € im Friseurladen des NN und nahm ihn in die Schweiz mit. Anfang November erhielt NN den abgestempelten Ausfuhrnachweis mit der Post zugesendet [3] Steuerbar in Österreich, da bewegte Lieferung in Österreich beginnt ( § 3 Abs. 8), keine Ausfuhrlieferung, da Abholfall. Im Abholfall (§ 7 Abs. 1 Z 3 lit.a ) müsste der private Abnehmer der die Ware ins 3.Land mitnimmt ein 3.Landsprivater sein. Für EU-Private gilt im Abholfall das Ursprungslandprinzip. Der Ausfuhrnachweis bleibt ohne Bedeutung 4a) Variante: Die Deutsche gibt NN bei der Abholung eine gültige und auf sie lautende ungarische UID Nummer bekannt, ansonsten wie oben [2] § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Abs. 2: Abholfall durch ausländischen Unternehmer, Ausfuhrnachweis liegt vor, daher ist die Lieferung in Österreich steuerbar und echt steuerfrei als Ausfuhlieferung. 4b) Variante: Eine österreichische Private kauft den Fön und ersucht NN diesen mit der Post in die Schweiz zu senden. Weil sie Stammkundin ist, verrechnet NN nur 55 € für den Fön und 10 € für den Transport [3] Transport teilt als Nebenleistung das Schicksal der Hautpleistung, daher liegt insgesamt eine bewegte steuerbare Lieferung vor. Es handelt sich um eine Ausfuhrlieferung Versendefall ( § 7 Abs. 1 Z 1) Ausfuhrnachweis muss vorliegen, ansonsten keine weiteren Voraussetzungen nötig. Daher auch nicht relevant, dass Rechnungsbetrag unter 75€. Dr.Gabriele Krafft, Institut für Finanzrecht, Universität Wien, 1. Klausur PÜ Finanzrecht, 16.November 2015, WS 15/16 -2-