Interventionen als Instrument der internationalen Politik: Entwicklung, Anspruch, Wirklichkeit Reinhard Meyers Wollte man am Kreuzungspunkt von Macht und Recht, Interesse und Moral (Jahn 1999: 157) dem Phänomen der Intervention nicht nur in der deutschen, sondern auch in der europäischen Geschichte Repräsentanz und Gestalt verleihen, so fielen einem unwillkürlich die Namen Gustav Adolf und Wallenstein ein, ergänzt vielleicht um Richelieu und Ludwig XIV – ein Quartett, auf das zur Gänze jener oft zitierte, auf Wallenstein gemünzte Spruch aus dem Prolog zu Schillers Wallenstein-Drama (Wallensteins Lager: Vers 102ff) übertragen werden darf: „Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt schwankt sein Charakterbild in der Geschichte“.1 Gleiches gilt für die Intervention – im klassischen Verständnis die „… zwangsweise Einmischung eines Staates in die ihm fremden Angelegenheiten anderer Staaten…“ (Haedrich 1961: 145). Interessengeleitetes Vorverständnis, historisch-politisch situationsabhängiger, je nach den Erfordernissen gesellschaftlich-politischer Entwicklungen sich verändernder Beurteilungskontext, unterschiedlich bis disparat konnotierter, verschiedene Bezugsrahmen und Ansatzebenen widerspiegelnder Begriffsgebrauch – die vielfach gebrochenen – und teils auch brüchigen – Stimmen und Positionen in der Interventionsdiskussion wogen durcheinander wie die Regimenter in Wallensteins Lager – Peymann‘sches Militärtheater ??2 Diese Disparatheit der Interventionssichten und der darauf aufbauenden (oft: Nicht-) Handlungsanleitungen ließe sich zurückführen auf die Existenz inkommensurabler Paradigmata internationaler Beziehungen, die den theoretischen Überbau der Lehre von den Internationalen Beziehungen seit Jahrzehnten wirkmächtig durchziehen (Übersicht Meyers 2011a). Der schlüssige Beleg für diese These wäre allerdings nur im Rahmen einer eingehenderen Textanalyse der einschlägigen Primär- und Sekundärquellen zu erbringen, die 1 Felix Berner( 1982:480ff) hat im Epilog seiner Gustav Adolf – Biographie sehr schön dargelegt, wie das Gedenken sei es an den „Löwen aus Mitternacht“ – Erretter der unterdrückten protestantischen Minderheit Deutschlands - sei es – in habsburgisch-katholischer Sicht - an den „Verderber des Reichs“ je nach politischideologischen, gar glaubenskämpferischen und nationalistischen Interessen und wechselnden Ausgangslagen instrumentalisiert, überhöht, historisch zugespitzt, gar verfälscht werden kann – ein Phänomen, das sich wenig später auch an der Rezeptionsgeschichte des Westfälischen Friedens beobachten lässt, und das cum grano salis auch auf die Bewertung von Interventionen zutrifft. Grundlegend zur Epoche Schilling 2007. 2 Vgl. hierzu die verdienstvolle Sammlung unterschiedlicher Interventionsdefinitionen am Ende dieses Bandes 1 vornehmlich die Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte zentraler argumentativer Topoi und legitimatorischer Versatzstücke ins Auge fassen müsste. Eine solche Analyse kann an dieser Stelle ihres Aufwandes und Umfanges wegen nicht unternommen werden. Jedoch wäre gleichsam als Vorleistung eine kursorische Durchmusterung des Begriffsfeldes Intervention ebenso in Angriff zu nehmen wie zumindest der Versuch zu machen, die termini post quem der in den drei Unterbegriffsfeldern Intervention, Humanitäre Intervention und Responsibility to Protect apostrophierten real- und ideengeschichtlichen Phänomene zu bestimmen. Die Erörterung einiger Fallstricke der Interventionsdebatte soll dann den Beitrag abschließen. Dass die Diskussion um Anlässe und Verläufe, Ergebnisse und Wirkungen, Akteure und Handlungslegitimationen, Erscheinungsformen und Typologien von Interventionen seit gut zwei Jahrzehnten nicht nur von den Internationalen Beziehungen und der Friedenswissenschaft, sondern auch vom Völkerrecht, der Ethik und Philosophie sowie den Theologien3 mit etlichem Einsatz geführt wird4, verdanken wir zunächst dem Ende des Kalten Krieges. Können wir doch das Gewaltverbot aus Art.2(4) und das Interventionsverbot aus Art. 2(7) der UNO-Charta nicht nur als Ausdruck des Willens der Gründermächte begreifen, als Konsequenz der leidvollen und verlustreichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs künftig 3 Die Geschichtswissenschaft hat sich zumindest in der Bundesrepublik in dieser Hinsicht lange zurückgehalten: noch 1998 musste Eberhard Kolb (Universität Köln) im Kontext einer Diskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung auf die Frage: „Können Kriege durch internationale Intervention beendet oder verhindert werden?“ aufzeigen, dass es zu diesem Problem unter systematischer Auswertung des historischen Materials keine relevante Monographie gebe und insofern „…seitens der Geschichtsforschung im wesentlichen Fehlanzeige…“ zu erstatten sei – vgl. http://www.fes.de/fulltext/aussenpolitik/00209004.htm#LOCE9E5, abger.26.08.2013. Der gleiche Befund gilt für neuere universalhistorische Arbeiten: dass Stichwort (Humanitäre) Intervention taucht weder im Band 1870 – 1945 noch im Band 1945 bis heute der von C.H.Beck und Harvard UP verlegten Geschichte der Welt auf (Rosenberg 2012; Iriye 2013). In seinem Übersichtsartikel „Krieg“ bezieht sich denn auch Jörg Echternkamp (2012) bei der kursorischen Abhandlung insbes. humanitärer Interventionen ausschließlich auf die englischsprachige Literatur, während die deutschen einschlägigen historischen Handwörterbücher ganz im Sinne Kolbs Fehlanzeige melden: dies gilt für Bd. 3 der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ (Brunner/Conze/Koselleck 1982) ebenso wie für Bd. 5 der „Enzyklopädie der Neuzeit“ (Jaeger 2007). Erst seit 2009 führt Christoph Kampmann mit Unterstützung der DFG in Marburg unter dem Titel „Menschlichkeit und Machtpolitik“ ein Forschungsprojekt über die historischen Dimensionen humanitärer Interventionen vornehmlich des 17.Jahrhunderts, und der Arbeitskreis Historische Friedensforschung hat seine Jahrestagung 2012 in München dem Thema gewidmet: „The Emergence of Humanitarian Intervention. Concepts and Practices in the Nineteenth and Twentieth Centuries“. Der Konferenzband soll beim KlartextVerlag, Essen, erscheinen, war aber zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrages noch nicht veröffentlicht. Konferenzbericht auf der Website des AKHF – www.akhf.de. Der – soweit ich sehen kann - einzige grundlegende historisch-systematische deutsche Beitrag zum Thema (wenn auch eher aus völkerrechtlicher Sicht) ist die solide, aus den Quellen gearbeitete Bonner Dissertation von Mark Swatek-Evenstein: Geschichte der „Humanitären Intervention“ (2008). Jürgen Osterhammel schließlich hat in einem 1999 veröffentlichten Hagener Studienbrief zum Thema „Friedenspolitik und Interventionspraxis“ unter dem Titel „Imperiale Interventionen“ zwar den Versuch einer interessanten Interventions-Typologie vorgestellt, nimmt das Thema aber in seinem opus magnum zur Geschichte des 19. Jahrhunderts [Die Verwandlung der Welt] nicht weiter systematisch auf. 4 Unsere britischen Kollegen sind da schon etwas weiter – vgl. Barnett 2011 bzw. Simms/Trim 2011. 2 eine unbedingte Kriegsverhinderungspolitik betreiben5, zu sondern auch als begriffsnotwendiges Korrelat der „organisierten Friedlosigkeit“ (Senghaas 1969) einer auf gegenseitig gesicherte nukleare Zweitschlagsbefähigung (immerhin: der Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrats) gestützten nullsummenspielartigen Droh- und Abschreckungspolitik. Erst die Sprengung der intellektuellen Käseglocke der sicherheits- wie gesellschaftspolitischen Blockkonkurrenz macht Intervention prinzipiell (wieder) denkbar: freilich jetzt vor dem Hintergrund von Globalisierung und schwacher Staatlichkeit (Jäger 2010), Veränderungen der Kriegführung durch den Wandel klassischer zwischenstaatlicher zu asymmetrischer innergesellschaftlicher Anwendung organisierter Gewalt (Übersicht: Meyers 2011b; Strachan/Scheipers 2013) und Veränderungen der Perzeption und Begrifflichkeit von Sicherheit weg vom zwischenstaatlichen Substrat in Richtung auf das Individuum, auf Human Security (Belege Meyers 2012:96ff). Präziser: das klassische, auf den Raum zwischen den als einheitliche, autonome Akteure begriffenen Staaten oder Bündnis-Blöcken ebenso wie auf die Drohung mit oder Anwendung militärischer Gewalt fixierte Sicherheitskonzept erweitert seine Extension zunächst in horizontaler, sachdimensionaler Richtung, bezieht mit Blick auf Globalisierungsphänomene ökonomische, finanzsystemare, ökologische, (waffenund kommunikations)technologische, demographische und migrationspolitische Gefährdungen des nationalen Akteurs in seine Aufmerksamkeit mit ein. Mit Blick auf NordSüd-Konflikt, Entwicklungsdefizite und zerfallende Staatlichkeiten, aber auch mit Blick auf die vielfältigen Bürgerkriege der neunziger Jahre von Jugoslawien bis zu Ruanda, Somalia und Darfur wird diese horizontale Erweiterung klassischen Sicherheitsverständnisses quer geschnitten von seiner vertikalen, referenzobjektbezogenen Vertiefung: ins Blickfeld geraten subnationale Akteure, Stammesformationen, gesellschaftliche Familienclans, Gruppen schließlich und Individuen Minderheiten, als Ethnien, Grundrechts- und Menschenrechtssubjekte mit ihren Ansprüchen auf Schutz vor herrschaftlicher Willkür und Teilhabe an sozioökonomischen und politischen Entscheidungsprozessen6. Die extensive Erweiterung des Sicherheitsbegriffs über den herkömmlich etablierten der Kalten-Kriegs-Zeit – Schutz der Freiheit gesellschaftlicher Eigenentwicklung demokratisch verfasster Staaten vor 5 Immer noch lesenswert die Arbeit des Schweizers Max Hagemann (1964), der das Kriegsverbot als Bauprinzip der internationalen Ordnung nach 1945 klar und deutlich herausarbeitet. 6 Hierzu konzeptionell umfassend Daase 2010, der neben der sachobjekt- und referenzobjektbezogenen Erweiterung des Sicherheitsbegriffs noch auf zwei weitere Dimensionen verweist: die Raumdimension (von der territorialstaatlichen über die regionale und internationale zur globalen Sicherheit) und die Gefahrendimension – von der klassischen Abwehr von Bedrohungen über die Verringerung von Verwundbarkeit bis zur Reduzierung und Kontrolle von Risiken. Das Problem einer solcherart vierdimensional angelegten Erweiterung des Sicherheitsbegriffes wäre allerdings darin zu sehen, dass ein solcher Extensionsprozess der „normalen“ Politik nicht mehr allzuviele eigenständige Zuständigkeiten übrig lässt: wenn alle Politik zu Sicherheitspolitik wird, wird der Begriff schlichtweg analytisch unbrauchbar. 3 Außeneingriffen Dritter – hinaus auf die umfassende Gegenstandsliste des UNDP Human Development Report von 1994, fassbar in der Ergänzung des klassischen Sicherheitszieles „freedom from fear“ durch das der conditio humana mindestens genauso adäquate „freedom from want“ kennzeichnet diese Entwicklung schlagwortartig (knappe Übersicht Debiel/Werthes 2005). Wenn wir recht sehen, kam der Anstoß für diese konzeptionelle Entwicklung (Übersicht Ehrhardt 2007) aus der Zivilgesellschaft, vornehmlich auch von entwicklungspolitisch orientierten NGOs7: Mit der Formel „Sicherheit durch Entwicklung“ – oder auch der Gleichung „Sicherheit+Entwicklung=Frieden - und der Perspektive einer Entmilitarisierung der Sicherheitspolitik suchten sie, ein Plus an Ressourcen für die eigenen Anliegen zu sichern – nämlich vornehmlich die Entwicklung nichtmilitärischer Formen der Konfliktbearbeitung in den Bereichen der Krisenprävention, Konfliktintervention und der Friedenskonsolidierung voranzutreiben (Brock 2004a, b). Im Sinne einer paradoxen Dialektik wurde der Begriff der erweiterten Sicherheit allerdings recht bald von internationalen Akteuren – insbes. IGOs wie UNO und Weltbank8 – wie von der nationalen Politik übernommen9 und die eben angezogene Formel auf den Kopf gestellt: „keine Entwicklung ohne Sicherheit“. Die verstärkten Bemühungen um die Zivilisierung der Konfliktbearbeitung korrelieren – wie gleich zu zeigen sein wird – nicht erst seit der selbstmandatierten NATO-Intervention im Kosovo 1999 mit einer Ausweitung militärischer Handlungsoptionen: das Ende der Ost-West-Blockkonkurrenz macht das Bündnis frei für (humanitäre und andere) Interventionen (und liefert ihm so nicht zuletzt wieder jenen Existenzberechtigungsnachweis, der ihm nach der Implosion des Blockkonkurrenten abhanden gekommen zu sein schien)10. Allerdings: Formwandel des Krieges und Projektion entstaatlichter, privatisierter, oder gar kommerzialisierter militärischer Gewaltsamkeit in die Innensphäre fragiler oder sich auflösender staatlicher Subjekte (Meyers 2011b; Übersicht Debiel u.a. 2010)), mehr aber noch der intensivierte Diskurs über „humanitäre“ Interventionen der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts tragen dazu bei, Krieg, „…der zur Zeit des Ost-West-Konflikts als unbedingt zu 7 Im bundesrepublikanischen Kontext insbes. die Mitglieder der Gruppe FriEnt – Bonner Arbeitsgemeinschaft von BMZ, GTZ, kirchlichen Entwicklungsdiensten, entwicklungspolitischen NGOs. 8 Vgl. etwa Boutros Boutros-Ghalis Agenda für den Frieden 1992. 9 Vgl. hierzu exemplarisch das von der Konrad-Adenauer-Stiftung 2008 herausgegebene Thesenpapier: Sicherheit und Entwicklung. Zur Kooperation zwischen Sicherheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, insbes. S.8ff., im Netz unter http://www.kas.de/wf/doc/kas_12901-544-1-30.pdf sowie als (derzeitiger) Endpunkt der Entwicklung das BMZ-Strategiepapier 4(2013) „Entwicklung für Frieden und Sicherheit“, im Netz unter http://www.bmz.de/de/publikationen/reihen/strategiepapiere/Strategiepapier328_04_2013.pdf . 10 Vgl. das strategische Konzept der NATO verabschiedet auf dem Gipfel von Lissabon, November 2010 – Kernaufgaben, Ziff.4b) Krisenbewältigung. 4 vermeidender Ernstfall galt, als Mittel der Politik zu rehabilitieren und das Spektrum möglicher Militäreinsätze zu erweitern…“ (Brock 2005:100f). Möglicherweise mit einer geographischen Einschränkung: der euroatlantische KSZE-Kernbereich, der schon seit den 80er Jahren vor dem Hintergrund der Debatte um alternative Verteidigungskonzepte (Meyers 1993) Konzepte der gemeinsamen Sicherheit (Common Security) unter Abkehr von der konfrontativen Logik organisierter Friedlosigkeit (Senghaas 1969) entwickelte und die gesellschaftlich-sicherheitspolitische Konkurrenz der Blöcke in einem Geflecht rüstungskontrollpolitischer und vertrauensbildender Maßnahmen einhegte, kleinarbeitete und weitgehend koexistenziell überwand. In der weiteren Entwicklung verläuft auch dieser Argumentationsstrang über die horizontal-sachdimensionale Erweiterungsstation der umfassenden Sicherheit (Comprehensive Security) (zusammenfassend Schmid 2007) zur vertikal-referenzobjektbezogenen Perspektive der menschlichen Sicherheit (Human Security) – mit einer charakteristisch deutschen hermeneutischen Schleife seit dem Weißbuch des BMVtg 2006 (Weißbuch 2006) in Form der vernetzten Sicherheit, bei der es zunächst um die optimierende Bündelung außen- und sicherheitspolitischer Ressourcen durch ressort- und institutionenübergreifende Abstimmung und Arbeitsteilung geht (Wittkowsky/Meierjohann 2011). Dass diese Entwicklungen im intellektuellen Überbau der Interventionsdebatte durchaus korrespondieren mit Entwicklungen im historisch-politischen Substrat, zeigen Durchmusterungen militärischer Interventionen in Krisen und Gewaltkonflikte während der beiden Jahrzehnte nach 1990 (Binder 2012; Debiel u.a.2010): ihre Zahl hat sich gegenüber früher drastisch erhöht [Binder zählt für den Zeitraum 1945 – 1990 vier peace enforcementAktionen, für die Jahre 1990 - 2011 deren zwanzig; Binder 2012: 94ff]; ihr Charakter ist deutlich multilateraler geworden [eingegriffen wird unter dem Dach einer multilateralen Organisation und i.d.R. mit Mandat des Sicherheitsrats; ebd.:97ff]; und ihr normativer Kontext hat sich prima facie zu Lasten klassischer Machtpolitik nicht nur in Richtung auf die Umsetzung humanitärer Normen oder die Durchsetzung von Menschenrechten verändert (ebd.:99ff) sondern ist auch in der Sicht mancher (Dolzer 2010) einem Paradigmawechsel unterworfen, der das Interventionsverbot aus Art. 2(7) UNO-Charta unter bestimmten Bedingungen in Schutzverantwortung. ein Interventionsgebot mutieren lässt – Souveränität vs. Kommt hinzu, dass der Sicherheitsrat seit der Etablierung einer Flugverbotszone im Nordirak im April 1991, der Billigung einer humanitären Intervention in Somalia durch seine Resolution 794 vom 3.12.1992 und der freilich in der Umsetzung eher fragwürdigen, weil zu wenig nachhaltigen Einrichtung von Schutzzonen im jugoslawischen 5 Bürgerkrieg (Resolution 836, 04.06.1993) „…in zuvor nicht gekannter Weise Menschenrechtsverletzungen als Bedrohung des Weltfriedens und der regionalen Sicherheit verstand und die robuste Absicherung der Bemühungen humanitärer Hilfsorganisationen autorisierte…“ (Debiel/Goede 2011: S.195), ferner, dass er immer öfter bei multilateralen Interventionen den Einsatz „…aller nötigen Mittel…“ nach Kapitel VII UNO-Charta erlaubte. Anlass genug, von einer Welle des „Neuen Interventionismus“ zu reden, im Spannungsfeld von Staatssouveränität und Menschenrechten die klassische Souveränität der Staaten bei der Ausgestaltung ihrer inneren Angelegenheiten der individuellen Souveränität ihrer Bürger bei der Einforderung von Menschenrechten entgegenzusetzen, wenn nicht gar unterzuordnen ?11 Oder ist die Wirklichkeit humanitärer Konfliktlagen nicht auch immer noch gekennzeichnet vom Handschlag mit dem Teufel12, vom Slivovitz mit dem Kommandeur jener Truppe, die gerade in Srebrenica eine UN-Schutzzone überrannt und die Deportation ihrer männlichen Bevölkerung zu ihrer bestialischen Ermordung ins Werk gesetzt hat ?13 1. Grundbegriffe und termini post quem Die Vielfalt der ethisch-moralisch-politischen Beurteilungen vergleichbarer oder gar derselben Interventionsphänomene (hierzu noch einmal das Beispiel Gustav Adolf; Berner 1982:480ff) zeugt nicht nur von unterschiedlichen Vorverständnissen, Erkenntnisinteressen, Kontextdefinitionen und Agendasetzungen im Politikfeld Intervention14. Sie spiegelt auch eine Kategorien- und Begriffsvielfalt wider, die es prima facie erschwert, eineindeutige Aussagen über denselben Sachverhalt – oder eine Traditions- oder Wirkungskette solcher 11 Was sich in dieser Entgegensetzung spiegelt, ist ein Grundwiderspruch in der Konstruktion der Vereinten Nationen, der deutlich wird seit dem 10.Dezember 1948 – dem Datum der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vollversammlung: dass nämlich zur Durchsetzung der Menschenrechte gegen widerstrebende Regime im Einzelfall gerade jene Mittel notwendig sein können, die Gewaltverbot und Nichtinterventionsgebot nach Art. 2 (4) bzw. 2(7) UNO-Charta im Interesse der Stabilisierung eines zumindest negativen Friedens nach 1945 ächten wollen. Kofi Annan hat diesen Widerspruch recht drastisch ausgedrückt, als er in einem Beitrag für den Economist vom 18. September 1999 nachgerade von „…two concepts of sovereignty…“ schrieb; wir kommen auf diesen Kontext weiter unten zurück. 12 So der Titel jenes erinnernd-kritischen Werkes, in dem sich der kanadische Generalmajor Roméo Dallaire, seit 1993 Befehlshaber der UNO-Truppen in Ruanda, seine traumatischen Erfahrungen mit dem Genozid des Jahres 1994 buchstäblich von der Seele schrieb – Shake Hands with the Devil 13 Die ausführliche Dokumentation des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation findet sich unter http://www.srebrenica.nl/Pages/OOR/19/984.html; der auf dem durch die Weltpresse gegangenen Bild Ratko Mladic am Abend des 12. Juli 1995 zuprostende DutchBat-Kommandeur Oberstleutnant Karremans wurde im Juli 1996 zum Oberst befördert… 14 etwa im Sinne des schon leicht abgedroschenen Hinweises, dass der Freiheitskämpfer des einen der Terrorist des anderen sei. 6 Sachverhalte – zu formulieren15. Aber: selbst auf die Gefahr hin, den Leser durch repetitio ad nauseam bekannter Definitionen und Konzepte zu vergrätzen16- für unsere weitere Argumentation in diesem Beitrag kann auf die Durchmusterung der einschlägigen Interventions-Definitionen nicht verzichtet werden. 1.1 Intervention Im Gegensatz zu ihren jüngeren Geschwistern, der Humanitären Intervention und der Schutzverantwortung, scheint die klassische Intervention auf den ersten Blick ein klar strukturiertes Bild zu bieten: in politischer Hinsicht „…als tatsächliche zwangsweise Einmischung eines Staates in die ihm fremden Angelegenheiten anderer Staaten…“, in völkerrechtlicher Hinsicht als „…Einwirkung von Staaten in ihnen fremde Angelegenheiten von Staaten durch Eingriff in deren Rechtssphäre unter Anwendung oder Androhung von Zwang…“ (Haedrich 1961:145), wobei die Einmischung sowohl in die inneren wie die internationalen Angelegenheiten des Interventionsobjekts erfolgen kann. Allerdings: wo hört 15 Man vergleiche die unterschiedlichen Zahlenangaben bei der Behandlung von Militärinterventionen und Stabilisierungseinsätzen durch Binder (2012) und Debiel/Goede (2011): Für die Zeit des Kalten Krieges zählt Binder vier Peace Enforcement Missionen, für die zwanzig Jahre nach Fall der Mauer incl. Libyen 21; demgegenüber verweisen Debiel & Goede auf 13 während des Ost-West-Konflikts durch den Sicherheitsrat mandatierte Einsätze, während sie für den Zeitraum 1988 – 1995 schon 27 nennen: und das deckt im Prinzip nur das erste halbe Dutzend Jahre des von Binder erfassten Zeitraums ab. Leider legt keiner der beiden Beiträge seine genauen Zählkriterien offen, sodass wir uns hier nur in die alltagserfahrungsgestützte Vermutung retten können, dass nicht alle vom Sicherheitsrat mandatierten Einsätze Peace Enforcement Operationen sind. Zu noch anderen Werten kommen Gromes/Dembinski 2013:7ff, die für den Zeitraum 1947 – 1989 fünf feste humanitäre Interventionen (darunter allerdings auch das türkische Eingreifen in Zypern 1963/65) und vier Grenzfälle nennen, für den Zeitraum 1990 – 2005 17 feste und fünf Grenzfälle; damit liegen sie näher an Binder als an Debiel/Goede. In ihrer Kategorisierung beziehen sie sich auf Holzgrefe 2003, differieren von diesem jedoch in einem kleinen, aber nicht unwesentlichen Detail: nicht alle humanitären Interventionen müssen in ihrer Sicht gegen den Wiilen der Regierung des Interventionsobjekts unternommen werden (dagegen locus classicus bei Holzgrefe 2003:18). Fazit: Beiträge, von denen der eine Äpfel, und der andere Birnen zählt, sind zwar je für sich durchaus interessant, tragen insgesamt aber zum kumulativen Erkenntnisgewinn über Interventionen und ihre Spielarten wenig bei. 16 Für die Abfassung dieses Beitrages hat der Verfasser vorsichtig geschätzt etwa 8000 – 9000 Druckseiten über Interventionen, Humanitäre Interventionen und Responsibility to Protect durchgesehen (und damit sicher nur einen Bruchteil der Literatur erfasst, der vor allem auch in elektronischer Form zur Verfügung steht). Textkritisch ließe sich diesem Material insbesondere bei den Befürwortern der R2P – wie Evans (2008), Bellamy (2009; 2011), Weiss (2012) und den Beiträgern zum Routledge Handboook of the Responsibility to Protect (Knight/Egerton 2012) - ein Fundus stets gleicher bzw. vergleichbarer Prämissen, Argumente, Argumentationsketten, Konklusionen und ethischer Normbezüge zuschreiben, die von der Definition von konflikthaften Problemlagen bis zu praktischen Handlungsanweisungen an die Politik die Vorstellung von Mantras einer im Bereich des East River domizilierenden einflussreichen Polit-Sekte hervorrufen, die es mehr als gelegentlich nicht verwinden kann, dass sich die Machtpolitiker entweder nicht an ihre Empfehlungen halten oder gar Argumente aus dem Kontext R2P zur öffentlichen Bemäntelung ihrer aus ganz anderen Gründen und Motiven heraus getroffenen Interventionsentscheidungen nutzen – die Intervention im Irak 2003 ist hier ein schönes Beispiel. Gute kritische Zusammenfassung der einschlägigen Argumentationen zur Humanitären Intervention bei Hehir (2013) und zur R2P bei Hehir (2012). 7 Intervention auf, wo fängt „normale“ internationale Politik an? Rechnet zu einer zwangsweisen Einmischung nur der Einsatz militärischer Machtmittel17 – oder letztlich jede Form nachdrücklicherer politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher, publizistischer und/oder kultureller Einflussnahme, die oft auch unter den Begriff der carrot and stick policy subsumiert wird, wenn sie nur gegen den Willen des Interventionsobjekts erfolgt? Und was ist mit einer Politik, die den anderen nicht bedroht, aber durch die Gewährung materieller oder immaterieller Vorteile unserem Willen gefügig macht? Ist es in der Tat so, daß das Phänomen der Intervention „…is practically the same as that of international politics in general from the beginning of time to the present…“ (Hoffmann 1987:178)18 ? Wäre dann der Melier-Dialog des Thukydides die erste uns schriftlich überlieferte aussagekräftige Interventionsbeschreibung (Hehir 2013:187ff) ? Oder ist die Intervention nicht doch eher ein Ausnahmezustand oder ein Ausnahmeprozess des zwischenstaatlichen Verkehrs (Rosenau 1969; Knudsen 2009)? Ist sie im Gegensatz zum Krieg nur von (insbesondere zeitlich) beschränktem Charakter, in doppeltem Sinne asymmetrisch, weil sie zwischen Subjekt und Objekt ein Machtgefälle voraussetzt, sie nur den Zielstaat in voller Schwere und mit allen Konsequenzen trifft, „…während sie dem intervenierenden Staat allenfalls Kosten verursacht…“ (Osterhammel 1999:74)? Wir sollten für den weiteren Fortgang der Argumentation einige Prämissen festschreiben: Erstens, dass es sich bei der Intervention um ein Phänomen des Verkehrs der Staaten untereinander handelt: „Nur Staaten als Normadressaten des Völkerrechts…können Subjekte und Objekte der Intervention sein…“(Haedrich 1961:145). Zweitens, dass das Phänomen der 17 Völkerrechtlich auch bezeichnet als dictatorial interference und der überkommene Begriffsstand bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges: unter Staaten gelten nur solche Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer als völkerrechtswidrig, die die Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt implizieren (Beyerlin 1991:378) – weshalb sie als „…punitive form of international behavior…“ dem Instrumentenkasten der „…coercive diplomacy…“ zugeschrieben werden (Kegley/Raymond/Hermann 1998:82). 18 V gl. auch Hoffmanns Hinweis (ebd.:179) „In the widest sense…every act of a state constitutes intervention…”- oder, wenn man der traditionalistischen realistischen Perspektive internationaler Politik folge, sei die Intervention natürlicher Bestandteil des zwischenstaatlichen Beziehungsgeflechts – „…just another instance of the use of force in international relations…“ (Little 1987:58). In diesem Kontext vgl. auch Ernst-Otto Czempiel (1998), der zugunsten der Demokratisierung von Herrschaftssystemen eine umfassende Erweiterung des Interventionsbegriffs fordert und – über das klassische Militärische weit hinaus - jenes reichhaltige Arsenal an Mitteln und Methoden einbeziehen möchte, das Interdependenz und Globalisierung zur Verfügung halten. Hintergrund der Forderung ist seine These vom interdependenzbedingten Wandel der Staatenwelt zur Gesellschaftswelt, in der nichtmilitärische Interventionen nachgeradezu strategischen Stellenwert erlangen. „Das Außenverhalten der Akteure in der Gesellschaftswelt muß damit endgültig Abstand nehmen von den Maximen, die Clausewitz für die Staatenwelt aufgestellt hatte. Sie sind mit dieser Welt untergegangen, jedenfalls im OECD-Bereich. An die Stelle der politischen Nichteinmischung und der Bereithaltung ausreichender militärischer Stärke für den Verteidigungsfall tritt das Gebot der politischen Intervention zur Stärkung von Demokratie und Marktwirtschaft in der internationalen Umwelt.“ (Czempiel 1995:63). Vgl. kritisch zum Ansatz Meyers 1995. 8 Intervention folglich mit der Ausbildung des (früh-)neuzeitlichen Staatensystems in Europa, der Entwicklung des Souveränitätsgedankens und seinem Korrelat: der Ausbildung des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Dritter untrennbar verbunden ist; damit wird es neben der einzelstaatlichen Souveränität, der Parität der Staaten und dem Gleichgewicht der Kräfte zu einem begriffsnotwendigen Baustein des Westfälischen Systems19. Drittens, dass die Konzepte von Intervention und Nichteinmischung – und insbesondere die Legitimationen entsprechender Aktionen der staatlichen Akteure – über Zeit nicht konstant bleiben, sondern Charakter und Bedeutung, Eintrittsfrequenz und Umsetzungsmethoden den Veränderungen der Randbedingungen des internationalen Systems anpassen (Kegley/Raymond/Hermann 1998). Wie das Souveränitätskonzept sind sie letztlich historisch-gesellschaftliche Konstrukte (Biersteker/Weber 1996). Das lässt sich sehr schön an realisierten Interventionen von Afghanistan über den Irak und Libyen bis nach Mali und der Zentralafrikanischen Republik zeigen (Foucher 2014): die Anlässe und Imperative, internen und externen (Problem-)Kontexte und Akteure, Erfolgskriterien, Erwartungen und tatsächlichen Ergebnisse differieren – weil je kontextabhängig – derart, dass sie einzelfallübergreifende Verallgemeinerungen nur schwerlich zulassen. Und viertens schließlich, dass Interventen mit ihren Aktionen - und Interventionsobjekte mit dem Versuch von deren Abwehr – (sicherheits-)politische, (geo-) strategische, ökonomische, finanzielle und/oder kulturelle (Herrschafts-)Interessen verfolgen, die sich in aller Regel gegenseitig durchdringen und überlagern: die single-purpose intervention ist ein analytischer Traum, der es noch nicht einmal zu einem Weber’schen Idealtyp schaffen würde. Und wir sollten uns im weiteren Fortgang der Argumentation auf solche Interventionen beschränken, die einen direkten Subjekt-Objekt-Bezug aufweisen: Situationen, in denen der Intervent durch seine – in der Regel gewaltsame(n) oder zumindest mit der Anwendung von Gewalt drohende(n) - Handlung(en) eine Verhaltensänderung der Entscheidungsträger des 19 Wie immer kritisch man diesem eher politikwissenschaftlichen Konstrukt als realhistorischem Befund gegenübertreten mag: zur Auseinandersetzung mit dem Konzept vgl. Meyers (2012) und die dort angezogenen zahlreichen Belege; ferner Duchhardt (2012:151 – 159) und sein treffendes Urteil, das Westfälische System sei ein aus der Perspektive deutscher Grossmachtbildung einigungspolitisch negativ wie mit Blick auf das Interesse an europäischen Rechts- und Friedensordnungen positiv aufgeladener „…doppelt gebrochener Mythos…“ (ebd.:155); zur durchaus gegenläufigen historischen Bewertung der „Systembildungs-“Leistungen von 1648 einerseits Schilling (2007:591ff) und seine These von der positiv zu beurteilenden, durch den Westfälischen Frieden eingeleiteten Entwicklung einer völkerrechtlich geordneten europäischen Friedensordnung der Staaten, andererseits Malettke (2012:523ff) und seine größere Skepsis gegenüber den Erträgen der Verträge von Münster und Osnabrück hinsichtlich ihrer friedensstiftenden Wirkung; er hebt als Konsequenz des Westfälischen Friedens im Zeitraum zwischen 1648 und dem Frieden von Utrecht 1713 eher die Ausbildung eines multipolaren, vom Gleichgewichtsgedanken her geordneten Systems von zumindest dem Prinzip nach gleichberechtigten Staaten hervor, das sich allerdings beständiger Veränderungs- und Hegemonialansprüche Frankreichs ausgesetzt sah. 9 Interventionsobjektes in seinem Interesse und/oder in seinem Sinne herbeiführen möchte. Das sollte schon aus pragmatischen Gründen die sogenannten Interventionen Dritter20 in einen zwei oder mehr Parteien umfassenden Konflikt ausschließen: bieten diese durch Instrumente, Methoden und Formen der friedlichen Streitschlichtung21 (Übersicht Wolfrum 1991) den Konfliktparteien doch die Möglichkeit, ihr Verhalten im eigenen Interesse und aufgrund eigenen (freilich möglicherweise außengeförderten) Antriebs selber zu ändern. Dass über streitschlichtende oder friedensstiftende Interventionen Dritter ein respektabler, wachsender22 20 Hierzu die klassische Definition bei Oran Young (1967:34): er bezeichnet als Interventionen Dritter „…any action taken by an actor that is not a direct party to the crisis, that is designed to reduce or remove one or more of the problems of the bargaining relationship and, therefore, to facilitate the termination of the crisis itself…”. Ähnlich das inzwischen leider eingestellte International Online Training Program on Intractable Conflict OTPIC der University of Colorado: “The terms "third party" and "intermediary" are both used to refer to a person or team of people who become involved in a conflict to help the disputing parties manage or resolve it. Third parties might act as consultants, helping one side or both sides analyze the conflict and plan an effective response. Alternatively, they might act as facilitators, arranging meetings, setting agendas, and guiding productive discussions.” http://www.colorado.edu/conflict/peace/treatment/3ptyint.htm An die Stelle von OTPIC ist seit einem Jahrzehnt ein neues Programm unter dem Titel „Beyond Intractability“ getreten, das sich insbesondere durch eine äusserst umfängliche Sammlung von Ressourcen zur Konfliktforschung auszeichnet – vgl. unter http://www.beyondintractability.org/ insbesondere den Link zu den virtual bookshelves – http://www.beyondintractability.org/library/browse-virtual-bookshelves-standard (zuletzt abgerufen 01.09.2013). 21 instruktive Zusammenstellung der verschiedenen Formen der Interventionen Dritter bei Jean-Sébastien Rioux/Jean-Christophe Boucher (2003): Third Party Intervention as Conflict Management: The Case of Africa, S.5, unter http://www.institutidrp.org/contributionsidrp/Rioux_7octobre2003.pdf (zuletzt abgerufen 01.09.2013) Discussion of the problem in international or bilateral forums; Fact-finding, which involves an inquiry by a third party as to the facts surrounding a conflict; Good offices, where a third party helps the parties to reinitiate direct negotiations, and has minimal involvement in both the content and the process of resolving a dispute… Condemnation, which includes an implied or explicit demand to desist from hostile activities, and a request for aid to the victims of hostile activity by the third party … A “call for action” by adversaries includes a call for cease-fire, troops withdrawal, negotiation, and action to facilitate termination by the third party; Mediation or conciliation, which involves a third party that actively participates in the settlement process. Mediation is generally constituted by a single third party, while in conciliation there may be a conciliatory commission. In both cases their aim is to propose an acceptable solution for the parties to a conflict … Arbitration, which is a legalistic form of conflict resolution where the contestants select a third party who makes a judgment on the case. There is a formal binding settlement by an arbitration body, thus distinguishing it from mediation and conciliation (Raiffa 1982; Raymond 1994, 28); Sanctions, which may include the complete or partial interruption of economic or political relations, and of rail, sea, air, postal, radio and other means of communication, are measures that often do not involve the use of armed force employed to make effective the decisions reached by international organizations … Peacekeeping or military intervention by emergency military forces, whose primary task is to encourage conformity among the parties to a cease-fire or armistice. Methods include interposition (stationing troops between the forces of the disputants) and surveillance …. 22 Wir verweisen auf die verdienstvolle Arbeit der Berghof-Stiftung Berlin und das auch in älterer Druckversion (Austin/Fischer/Ropers 2004; erneut publiziert 2011) vorliegende, elektronisch aber immer weiter fortgeschriebene und erweiterte Berghof Handbuch zur ethnopolitischen Konflikttransformation: 10 Korpus gedruckter und elektronischer Literatur vorliegt, mag diese Entscheidung durchaus erleichtern (neuere Übersichten Bercovitch/Jackson 2009; Ramsbotham/Woodhouse/Miall 2011; weiterhin wertvoll Zartman 2007; Reychler/Paffenholz 2001). Gleichwohl: nicht nur die völkerrechtliche, sondern auch die sozialwissenschaftliche Literatur klagt nicht erst seit Rosenaus (1969) grundlegendem Aufsatz zum Thema über die Vielschichtigkeit, den Facettenreichtum und die amorphe Extension des Interventionsbegriffs (z.B. Little 1987)23. Einschlägige Phänomene oszillieren zwischen expliziter und impliziter Gewaltsamkeit, zwischen staatlichen und nichtstaatlichen, internationalen regierungsamtlichen und internationalen nichtregierungsamtlichen, insbesondere privaten Finanz- und Wirtschaftsakteuren, Adressaten sind außen- oder innenpolitische Entscheidungsträger, erhoffte Ergebnisse sind schockartig-kurzfristiger oder langfristignachhaltiger Natur, beziehen sich (bloß?) auf Verhaltensänderungen der Entscheidungsträger oder weitestgehend auf einen kompletten regime change (Hoffmann 1987:179ff). Die zu beobachtende begriffliche fuzziness mag unter anderem auch damit zu tun haben, dass mit der Verstärkung komplexer sicherheitspolitischer und weltwirtschaftlicher Zusammenhänge seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Möglichkeiten von Interventionen ebenso zugenommen haben Beigeschmacks24 wie das Bedürfnis, Interventionen wegen ihres negativen als nichtinterventionistische Phänomene der internationalen Politik zu tarnen und (weg-) zu erklären. Wichtiger erscheint uns aber in diesem Kontext eine methodologische und eine ontologische Opposition in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Interventionen, deren Achsen quer zueinander liegen und ein Koordinatenkreuz bilden, dessen Quadranten eine stärkere Ordnung und Strukturierung der Debatte ermöglichen. Die methodologische Diskussionsachse erstreckt sich in der Beobachtung Rosenaus (1969) zwischen zwei bekannten und zu jener Zeit einander erbittert bekämpfenden (Knorr/Rosenau 1969) sozialwissenschaftlichen Grundorientierungen: dem Traditionalismus einerseits, dem Scientismus andererseits. Besteht ersterer auf der historisch abgesicherten, gleichwohl aber www.berghof-handbook.net. In unserem Kontext besonders wichtig dessen Sektion III zu Third-Party Tools and Capacity Building - http://www.berghof-handbook.net/articles/section-iii-third-party-tools-and-capacitybuilding sowie aus der begleitenden Dialog-Serie Dialog No. 5 – Social Change and Conflict Transformation http://www.berghof-handbook.net/dialogue-series/no.-5-social-change-and-conflict-transformation/ 23 Rosenau (1969:153) als locus classicus: die Literatur sei durchzogen von Erörterungen „…of military interventions, propaganda interventions, economic interventions, diplomatic interventions, and ideological interventions, not to mention customs interventions and other highly specific actions through which one state experiences the impact of another…”; deshalb biete die Interventionsdiskussion eine Lizenz “…for undisciplined thought…”(Rosenau 1968:173). 24 als“…an activity that is not socially approved within the modern international community…” so Evan Luard (1984) in seinem Beitrag über “Collective Intervention” – hier zitiert nach Little 1987:54 11 vorverständnisabhängigen, rückbezogenen, auf je unterschiedliche normativ-handlungspraktisch Zeit- orientierten, und Bedeutungshorizonte vom Kontingenzprinzip überwölbten, nach Einsicht in gesellschaftliche Zusammenhänge strebenden individuellen Einzelfalluntersuchung mittels historisch-hermeneutischer Interpretationswerkzeuge, insistiert letzterer in seiner Suche nach über Zeit gleichförmigen Mustern gesellschaftlichen Verhaltens auf der Untersuchung einer grösseren Menge evident gleichartiger – oder als gleichartig angenommener – Fälle mittels quasi-naturwissenschaftlicher, auf empirischer Beobachtung und Hypothesenbildung gründender, dem Postulat der Wertfreiheit wissenschaftlicher Aussagen und dem Prinzip der Falsifikation unterworfener analytischer Methoden, in deren Endergebnis eine umfassende, überzeitlich und überkontextuell gültige allgemeine Theorie – hier des Interventionsverhaltens von Staaten oder noch genauer: von deren politischen Entscheidungsträgern - entwickelt und logisch widerspruchsfrei formuliert werden sollte. Dass ein solches Unternehmen mit seinen Oppositionen von Einsicht und Evidenz, Verstehen und Erklären, Werthaltigkeit und Wertfreiheit wissenschaftlicher Aussagen mit etlichen Schwierigkeiten verbunden ist, ist der deutschen Sozialwissenschaft nicht erst seit dem Positivismusstreit wohl bekannt! Die quer zur methodologischen Bezugsachse liegende ontologische Oppositionslinie hingegen verläuft zwischen den Polen eines extensiven, auch und gerade nichtmilitärische Mittel einer carrot-and-stick-Politik einbeziehenden, d.h. mit einem ganzen Werkzeugkasten unterschiedlicher materieller und immaterieller Mittel, sortiert zwischen Drohung einerseits und Verheissung andererseits, arbeitenden weiten ethischnormativ, politisch, sozioökonomisch und möglicherweise auch kulturell konnotierten Interventionsverständnis, dessen Adressaten im Sinne eines Verständnisses von Politik als eines Mehrebenenspiels politische Entscheidungsträger wie gesellschaftliche Akteure sein können, und einem klassisch engen, etatistischen, auf militärische Gewaltanwendung rekurrierenden Verständnis von Intervention, deren Adressaten zuvörderst die politischen Entscheidungsträger einer Gesellschaft sind und deren Eintritt in dem Moment gegeben ist, in dem die Truppen des Staates A die Grenzen des Staates B überschreiten, um dessen Politik gegen Widerstreben seiner Entscheidungsträger auf die Interessen des Staates A auszurichten. M.a.W. – der Gegensatz besteht zwischen einem plötzlichen, politische Änderungen in der Gesellschaft B schlagartig – im Sinne eines politischen Quantensprungs – bewirkenden (zumeist gewaltsamen) Einzelereignis und einer ganzen, eher inkremental und subkutan wirkenden Kette von Ereignissen, bei denen der Grenzverlauf zwischen aktiver Einmischung und schleichender Einflussnahme mehr als durchlässig und unbestimmt ist. 12 Abb. 1 Eckpunkte der Interventionsdebatte Weiter Interventionsbegriff Traditionalistischer Scientistischer Interventionsbegriff Interventionsbegriff Enger Interventionsbegriff [Hinweis für die Redaktion: diese Graphik könnte man noch etwas kompakter und gefälliger gestalten – ich kann das leider nicht !!] Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Zerfranstheit der Interventionsdebatte auch das Ergebnis einer mangelnden Schärfe bei der epistemologischen und ontologischen Ordnung der verwendeten Begriffe ist. Allerdings dürfte der Widerstreit der unterschiedlichen materiellen und immateriellen Interessen, die mit einem je einzeln bestimmbaren Interventionsbegriff verknüpft sind, bei der Unschärfeerzeugung des gesamten Begriffsfeldes eine wohl bedeutendere Urheberrolle spielen – Konsequenz der unklaren und widersprüchlichen Staatenpraxis, die mit der Intervention als machtpolitischem Instrument verknüpft ist (so schon Haedrich 1961:144). Wir kommen auf diesen Kontext später zurück. 1.2 Humanitäre Intervention Die verwirrende realpolitische Spannbreite des Interventionsbegriffs ist vor fast einem Jahrhundert schon einmal sehr schön ausgedrückt worden (Winfield 1922; zitiert nach Lowe/Tzanakopoulos 2012:1) – „…intervention may be anything from a speech of Lord Palmerston’s in the House of Commons to the partition of Poland…“. Ähnlich extensiv ließe sich prima facie auch der Begriff der humanitären Intervention fassen: von der humanitären Nothilfe in Katastrophenfällen – oder präziser: der internationalen Soforthilfe (Übersicht 13 Gardemann 2012; Ludermann/Reinhardt 2007) – bis zum Schutz der grundlegenden Menschenrechte eines Teiles oder des Gesamt der Bevölkerung von Drittstaaten25 gegen massive Übergriffe ihrer Regierung26, in der Regel durch Drohung mit dem Einsatz oder dem tatsächlichen Einsatz grenzüberschreitender militärischer Gewalt27. Dabei hat sich über Zeit in der völkerrechtlichen und politikwissenschaftlichen Literatur mit Blick auf die (mögliche) Gewaltsamkeit der humanitären Intervention als Exklusionskriterium anderer Tatbestände durchaus Konsens etabliert28, während der Begriff des Humanitären äußerst weite Deutungsspielräume zulässt29: von der präventiven Bearbeitung von Konfliktgründen durch Sicherung menschlicher Grundbedürfnisse und sozioökonomischer Entwicklungschancen über die Einhegung virulenter und die (möglicherweise mediatorische oder robuste) Beendigung ausgebrochener insbes. innergesellschaftlich-asymmetrischer Konflikte bis zum Wiederaufbau nach dem Konflikt, dem nation building und der (Wiederer-) Schaffung geordneter Staatlichkeit (Heintze 2010) einschließlich der Demokratisierung konfliktiver Gesellschaften als Rahmen für die Entmilitarisierung und Verrechtlichung künftigen 25 Nicht der Schutz eigener Staatsbürger, der aus dem Selbstverteidigungsrecht der Staaten heraus begründet wird; vgl. sinnfällig N.J.Wheeler (2002): Saving Strangers. Humanitarian Intervention in International Society. 26 Realistischerweise noch weiter gefasst bei Coady (2002:5), der zu den Menschenrechtsverletzern nicht nur die Regierung des Drittstaates, sondern auch „…powerful, protected groups…“ in den Dritztstaaten rechnet und damit der Realität von Bürgerkriegsszenarien sehr viel näher kommt. 27 Neuere Übersicht Hanschel 2012; Walter 2012; allgemein Weiss 2012 mit der freilich recht weiten Definition humanitärer Intervention: „…the use of military force for human protection purposes…“ (ebd.: xiii). Ähnlich breit zunächst der gern als Klassiker der Debatte angezogene Tesón (1988:5): „I define humanitarian intervention as the proportionate transboundary help, including forcible help, provided by governments to individuals in another state who are being denied basic human rights and who themselves would be rationally willing to revolt against their oppressive government…”[Kursiv im Original] - Bedingungen, die er nur einen Absatz später zurücknimmt, indem er erklärt, das er sich doch nur mit einem bestimmten Typ der humanitären Intervention beschäftige – nämlich „… the forcible transboundary action undertaken for purposes of protecting the rights of individuals against violations of their own governments…“ (ebd.). Kritische Gesamteinführung Hehir 2013; knapperer einführender Problemüberblick Varwick 2009. 28 Locus classicus der Diskussion die Definition von J.L.Holzgrefe (2003:18): humanitäre Intervention sei „…the threat or use of force across state borders by a state (or group of states) aimed at preventing or ending widespread and grave violations of the fundamental human rights of individuals other than its own citizens, without the permission of the state within whose territory force is applied…”; ähnlich auch unter informativer Berücksichtigung der völkerrechtlichen Differenzierungen Kolb 2003; knappe, aber aufschlussreiche Diskussion der Gesamtproblematik bei Bellamy/Wheeler 2011. 29 Und selbst die renommierte Max Planck Encyclopedia of Public International Law in ihrem Artikel zu Humanitarian Intervention noch daran festhält, zwischen einem weiten und einem engen Begriff des Phänomens zu unterscheiden, und dabei der engen Bedeutung nicht nur den Schutz der Bevölkerung eines Drittstaates vor schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zu subsumieren, sondern auch die Abwehr humanitärer Katastrophen (ohne diesen Begriff näher zu spezifizieren) – Lowe/Tzanakopoulos (2012); ähnlich weit auch Heinze (2009:7) – Humanitäre Intervention sei „…the use of military force by a state or group of states in the jurisdiction of another state, without its permission, for the primary purpose of halting or averting egregious abuse of people within that state that is being perpetrated or facilitated by the de facto authorities of that state…“: niemand kann behaupten, dass der Begriff „egregious abuse“unter politischen oder rechtlichen Gesichtspunkten ein bestimmbarer Begriff sei, der für die Anwendung in der Praxis tauge… 14 Konfliktaustrags30. Das wirft einerseits die Frage auf, wo die Politik der humanitären Intervention aufhört und die (präventive oder postkonfliktive) Entwicklungspolitik beginnt31. Und es lässt andererseits den Schluss darauf zu, dass ebensowenig wie bei der Entwicklungspolitik weltweite Caritas und grenzübergreifende Nächstenliebe, sondern vielmehr handfeste sozioökonomische und sicherheitspolitisch-geostrategische Interessen der Geberländer die Haupttriebkräfte darstellen, bei der humanitären Intervention der Schutz universaler Menschenrechte oft den legitimatorischen Deckmantel abgibt für die Gewinnung oder Verteidigung (geo-) strategischer und ökonomischer Vorteile, den Schutz der Mitglieder bestimmter, meist christlicher, Glaubensgemeinschaften, die Verteidigung bürgerlicher politischer Freiheiten – oder eine Mischung aus all diesen Elementen32. Dass dabei die Intervention aus dem Eigeninteresse des Intervenienten zur Festigung ihres Legitimitätsanspruchs mit der (behaupteten) Wahrung allgemeiner Interessen – etwa der Verteidigung des Gleichgewichtssystems in den Jahrzehnten nach dem Wiener Kongress 33 gern verknüpft wird, zeigt die realhistorische Entwicklung des Phänomens der humanitären Intervention im Laufe des 19. Jahrhunderts nur allzu deutlich (Bew 2013). 30 Etwa im Sinne des von Dieter Senghaas vielfach und oft beschriebenen Prozesses der Zivilisierung des Konfliktaustrags ( z.B. Senghaas 1995) – bei aller Komplexität (Senghaas 1997) und Vieldimensionalität (Senghaas 2003) des Programms. 31 In diesem Kontext wäre zu verweisen auf die Agenda für den Frieden des Jahres 1992 mit ihren Säulen der Konfliktverhütung, Friedensschaffung, Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit, die zum Beginn wie zum Ende des von ihr beschriebenen Aktionszyklus das gleiche Problem konfrontiert – vgl. http://www.un.org/depts/german/friesi/afried/afried-1.htm zuletzt abger. 07.09.13; kritische Anmerkungen Brock dazu Brock 2005. 32 Dass dies keineswegs eine taufrische Erkenntnis ist, hat David N. Gibbs bereits 2000 am Beispiel der USamerikanischen Operation Restore Hope in Somalia 1992-1993 gezeigt. Den USA werden dabei ja gern humanitäre Beweggründe zugeschrieben: Milderung der Effekte von Bürgerkrieg, Hungersnot und politischer Unordnung resultierend aus dem Machtkampf verschiedener Großfamilienclans und ihrer Milizen. Andererseits kann aber auch argumentiert werden, dass ihr Eingreifen am Horn von Afrika traditionelle realpolitische (und ökonomische) Beweggründe hatte: Sicherung von Einflusszonen, Schutz der Seeverkehrswege, insbesondere der Öltankerrouten im Roten Meer, Zugang zu potentiellen Erdöl- und Erdgasvorkommen (ConocoExploration). In diesem Kontext widerspricht er der seinerzeit weit verbreiteten Annahme von der geopolitischstrategischen und ökonomischen Bedeutungslosigkeit Somalias und zeigt durchaus nachvollziehbar die Querverbindungen auf zwischen Conocos Explorationsinteressen und der humanitären Intervention der USA („The Politics of Oil“ – S. 47ff): „…the United States allowed itself to use the circumstances of a humanitarian intervention, and all the legitimacy that this conferred, to advance the interests of a US investor, Conoco…“ (ebd., S.50). Fazit der Untersuchung: „…the Somali case underscores the importance of in-depth and critical research on peacekeeping. It is too easy to assume that peacekeeping and humanitarian operations are altruistic; too often researchers have simply accepted these assumptions without concrete evidence. In the end, assessments of humanitarian interventions should, like everything else, be based on critical analysis, rather than wishful thinking…”(S.51). 33 Übersicht Schieder (1968); Erbe (2004:361ff). Generell zum Zeitraum der vor-UNO-Zeit Lowe/Tzanakopoulos 2010, Abschn. A 1: „History casts a heavy shadow over any intervention claimed to be ‘humanitarian‘. In the pre-Charter period, there are strong connections between any type of forcible intervention with a (proclaimed) humanitarian aim and, on the other hand, the colonialist enterprise… In all instances of forcible intervention during this period, humanitarian considerations were, if present at all, commingled with numerous other less laudable considerations, and were never exclusively or explicitly relied on as sufficient legal justifications in themselves. “(ebd.:2). 15 Der Sinn unserer kursorischen begriffsanalytischen Bemühungen gründet dementsprechend denn auch in dem Nachweis, dass je nach Begriffsinhalt und Zusammensetzung der möglichen Begriffsbestandteile des Konzepts „Humanitäre Intervention“ im Schrifttum völlig unterschiedliche Auffassungen darüber festzustellen sind, was denn eigentlich der terminus post quem humanitärer Interventionen sei: - die weltpolitische Umbruchssituation nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, der dadurch ermöglichte Nachholprozess nationalstaatlicher Konsolidierung, die sich abzeichnende Überwindung der Staatenwelt durch eine Gesellschaftswelt, die Ausbildung eines universalistischen Weltbildes und eines neuen, erweiterten Sicherheitsverständnisses, dem Menschenrechtsverletzungen in höherem Maße als Risiko für den Weltfrieden erscheinen (Jürjens 1996:2ff) ? - das Ende des Zweiten Weltkrieges oder präziser: die Festschreibung menschenrechtlicher Zielsetzungen in der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 194834 (Tesón 1988:155ff) ? - das 19. Jahrhundert mit seinen verschiedenen Interventionen der sich selbst als „fortschrittlich“ und „zivilisiert“ begreifenden (und damit Nichteuropäer per definitionem aus ihrem Rechtskreis ausschliessenden) europäischen Grossmächte auf dem Balkan seit ihrem Eingreifen zugunsten des griechischen Unabhängigkeitskampfes 1827 – 3035 und im Mittelmeerraum seit ihrem Eingreifen erst zugunsten christlicher Maroniten im Libanon und in Syrien 1860 gegen die Drusen (Rodogno 2013), dann mit jeweils antitürkischer Spitze in Kreta (1866), Bosnien (1875), Bulgarien (1877) und Mazedonien (1887) (Swatek-Evenstein 2008:Teil II; Reibstein 1963:637ff) 36? 34 Tesóns Begründung: weil es vor 1945 kein „…meaningful law of human rights…“ gegeben habe, Individuen nur Objekte, aber nicht Subjekte des Völkerrechts gewesen seien (ebd.) 35 „…in order to stop the shedding of blood and mischiefs by the Turks…“ (zeitgen. Begründung) - Kolb 2003:122; vgl. auch sein Hinweis auf die Verwurzelung dieser Interventionen in einem „ideological mindset“, typisch für das liberale Bürgertum des 19. Jahrhunderts mit seinem zivilgesellschaftlichen Liberalismus, seiner Anti-Sklaverei-Politik, seiner Verfechtung von Rechtsstaatlichkeit und Rechtschaffenheit, seinem (natur-) wissenschaftlich beeinflussten Fortschrittsglauben - und natürlich auch seiner Orientierung auf Freihandel und (früh-)kapitalistische industrielle Produktions- und Akkumulationsweisen, die alles zusammengenommen ein massives Überlegenheitsgefühl begründeten - zunächst gegenüber den semi-barbarischen Bevölkerungen der Mittelmeer-Gegenküste und ihren Herrschern, dann aber auch gegenüber den barbarischen Völkern Afrikas und Asiens, denen bürgerlich-rechtsstaatliche Freiheit, technisch-ökonomischer Fortschritt und Zivilisation und Kultur zu vermitteln war, um sie in einem langen Prozess quasi auf den Stand Europas zu heben – oder wie es Antoine Rougier 1910 ausdrückte: um ihnen den Keim der Zivilisation einzupflanzen (mehr dazu Birchler 2007). 36 Wobei der Begriff der humanitären Intervention ab den 1840er Jahren vermehrt im rechtswissenschaftlichen Schrifttum auftaucht – Weiss 2012:35 – und die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensivierte humanitäre Interventionspraxis der Mächte zu reflektieren beginnt – Krylov 1995:369ff. 16 - die Periode der (philosophischen) Aufklärung als Begründung einer Idee menschheitlich-weltbürgerlicher Kultur und eines Ideals zivilisatorisch-vernünftigen Zusammenlebens aller Stände, Völker und Nationen, greifbar in der Vision eines universalen Weltbürgertums als Produkt der Verwirklichung universaler Menschenrechte (Held 2010; kursorisch Kleingeld/Brown 2013; allg. Übersicht Klippel/Paulus 2008; für Deutschland Schmidt 2009:365ff ) ? Freilich wäre in diesem Kontext zu konzedieren, dass die Früchte dieser philosophischen Entwicklung von der Antisklaverei-Bewegung bis zum liberalen Internationalismus über die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinweg erst ab Mitte des Jahrhunderts handfest greifbar werden (und das schliesst die Ausbildung eines internationalen Menschenrechtskanons mit ein)(Trim/Simms 2013:3). - die Ausbildung eines (zunächst europazentrischen), vom Souveränitäts- und vom Gleichgewichtsgedanken her geordneten, sich säkularisierenden37 Staatensystems als einer (völker-)rechtlich geordneten Gesellschaft im Prinzip einander gleichgestellter zunächst territorial, später dann auch national greifbarer staatlicher Akteure im Zeitraum zwischen dem Westfälischen Frieden 1643 und dem Frieden von Utrecht 1713 (Malettke 2012:39ff) ? - die Kodifizierung des modernen Völkerrechts durch Hugo Grotius (Krylov 1995: 368)? 38 und die ihm (möglicherweise etwas interpretativ überzogen) zugeschriebene Erstformulierung des Rechts der (aber nicht der Verpflichtung zur) Intervention von Königen und diesen gleichkommenden Personen in die Angelegenheiten Dritter, sofern diese klares Unrecht gegen ihre Untertanen verüben (Grotius 1950:408) ? - die Formulierung der Grundlagen des modernen Völkerrechts durch die spanische Spätscholastik (Knudsen 2009:4), insbesondere Vitoria und Suarez und deren Versuch, das jus ad bellum allmählich einzuhegen und zu regulieren – wobei die Nothilfe zum Schutz des Lebens – defensio innocentum – als Ausnahme von der allgemeinen Regel formuliert wird, derzufolge Krieg nur zur Verfolgung eines erlittenen Unrechts legitim sei: wenn Menschen seitens der Herrscher ein schweres Unrecht zugefügt werde, liefere die defensio innocentum allen Staaten einen 37 Hierzu die hübsch bissige Anmerkung Van Crevelds in seinem The Transformation of War(1991), dass nach der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens die europäischen Herrscher „…mostly abandoned religion in favour of more enlightened reasons for slaughtering each other…“ – Zitat bei Bartels 2009:45 38 Jedenfalls erörtert Grotius in seinem De jure belli ac pacis das Problem der Legitimation humanitärer Interventionen mehrfach – teils zustimmend, teils doch eher skeptisch – vgl. Zweites Buch, Kap. 25, VII und VIII (Grotius 1950:407ff); kritisch zur Beurteilung schon Grewe 1984:227ff. 17 hinreichenden Grund zum gewaltsamen Eingriff – allerdings naturrechtlichen, nicht völkerrechtlichen Charakters (klare Diskussion Soder 1973:329ff) ? - oder schliesslich die Interventionen christlicher Fürsten zugunsten ihrer Glaubensgenossen in den Territorien anderer christlicher oder nicht gar so christlicher Herrscher (Trim 2013a:152ff; Trim 2013b), unter Rekurs auf die augustinische und thomistische Lehre vom gerechten Krieg, nachdem die Reformation die Einheit der Christenheit aufgebrochen, konfessionell einander entgegentretende politische Gemeinwesen geschaffen, und aus den religiösen Dissidenten des Nachbarn unsere Glaubensbrüder gemacht hatte, zu deren Verteidigung gegen ein tyrannisches [weil ihren Glauben missachtendes] Regime der Einsatz des Schwertes durchaus legitim war. Das protestantische England intervenierte so im 16. Jahrhundert mehrfach im katholischen Frankreich zugunsten der Hugenotten und im niederländischen Unabhängigkeitskrieg von 1585 – 1604 gegen die als tyrannisch empfundene spanisch-katholische Herrschaft; Spanien entsandte 1601 ein Expeditionsheer zum Schutz der irischen Katholiken nach Irland; Oliver Cromwell legte sich in den 1650er Jahren mit dem Herzog von Savoyen zugunsten des Schutzes der dort verfolgten Waldenser an – und dass die Spanier das Inkareich auch besetzten, um die grausamen Menschenopfer dort zu unterbinden – und dafür dann die defensio innocentum reklamierten – ist historisches Allgemeingut. Man könnte also – mit Trim (2013a:155ff) – die Meinung vertreten, dass sich bereits in der frühen Neuzeit eine völkerrechtliche Norm beginnt auszubilden, derzufolge „….where law and good governance were absent, and tyranny flourished, other princes could legitimately interfere, or intervene, to restore them…“(ebd.:155)39. Wenn man aber – vielleicht mit Ausnahme der Cromwell’schen Intervention in Savoyen – die angezogenen Fälle mustert, wird sich sehr schnell herausstellen, dass humanitäre Intervention und geostrategisches Macht- oder Eigeninteresse der Intervenienten sich miteinander verwoben: gegen Spanien und Frankreich ging es England auch um die Begründung und Befestigung seiner Seeherrschaft; gegen die katholische Partei im Dreißigjährigen Krieg ging es Schweden auch um die Erwerbung und Sicherung von Einflussgebieten auf der Gegenküste des Mare 39 Dem überwiegenden Teil der völkerrechtlichen Literatur nach soll sich auf dieser Basis eine Art Doktrin, ein Völkergewohnheitsrecht auf humanitäre Intervention ausgebildet haben, das im 19. Jahrhundert zu seiner vollen Blüte gelangte und den „zivilisierten Nationen“ – d.h. konkret den Grossmächten incl. USA aber excl. Türkei – erlaubte, die zahlreichen Interventionen dieses Jahrhunderts als Anwendungsfälle jener Doktrin zu reklamieren: kritisch dazu Swatek-Evenstein 2008:192ff. Dass es dabei nicht um Humanität, sondern um geostrategische und (bündnis-)politische Beweggründe ging, zeigt deutlich die (Nicht-) Reaktion der „zivilisierten Welt“ auf das türkische Genozid an den Armeniern im 1. Weltkrieg; vgl. Bloxham (2005) 18 Balticum; bei der Unterstützung orthodoxer Christen auf dem Balkan ging es Russland auch um die Ausweitung seines Machtbereiches gegen die Türkei und um eine Regelung der Dardanellenfrage zu seinen Gunsten; bei der Befreiung Cubas von spanischer Herrschaft 1898/99 ging es den USA nicht nur um die Beförderung von Zivilisation und Fortschritt, sondern um die Durchsetzung klarer imperialistischer Politik im karibischen Hinterhof – usw. usw. 40 Kurz – die Durchmusterung der in der Literatur oft als humanitäre Interventionen bezeichneten realhistorischen Ereignisse lässt den Rückschluss auf zwei diesen unterliegende Trends zu: „…first, the presence of a large degree of national interest whenever states have launched a supposedly humanitarian intervention; and second, a marked unwillingness amongst states to intervene when national interests are not at stake, regardless of the humanitarian suffering taking place…“(Hehir 2013:198). Das gilt auch und gerade für den historischen Befund seit der frühen Neuzeit: neuere Arbeiten (in Simms/Trim 2013) lassen erkennen, dass auch die gemeinhin als humanitär bezeichneten Interventionen zumindest von realpolitischen Beweggründen durchzogen waren, wenn nicht gar einem Primat der Realpolitik unterlagen; daneben trat – modern gesprochen – die Furcht vor bad governance und Staatsversagen beim unmittelbaren oder mittelbaren Nachbarn wegen der möglichen Ansteckung des eigenen Gemeinwesens (Trim 2013c:398ff). Wenn solcherart strategische und machtpolitische Interessen, oder Überlegungen betreffend den eigenen Machterhalt oder den Machterhalt der eigenen Klientel ursächliche Rechtfertigungsgründe für humanitäre Interventionen etablieren – auch wenn das Humanitäre entweder als Sekundärmotiv mitschwingt oder der Öffentlichkeit gegenüber den legitimatorischen Mantel einer 40 Wir können die gemeinhin als humanitäre Interventionen bezeichneten Ereignisse des 19. Jahrhunderts hier nicht in extenso behandeln; Chronologie in Hehir 2013:189ff, ausführlichere Darstellung bei Swatek-Evenstein 2008:Teil II. Die Verbindung humanitärer und strategisch-politischer Motive belegen auch überwiegend die Arbeiten in Simms/Trimm 2011 bzw.2013, insbes. John Bew zur Politik Castlereaghs und Cannings nach den Napoleonischen Kriegen, der Interventionen in Europa vor allem durch realpolitische bzw. realistische Überlegungen begründet und solcherart politisch-strategisch motivierte Interventionen als einem realistischen Humanitarismus verpflichtet sieht. Zu den immer wieder in unserem Kontext angezogenen Fällen zählen die britischen Interventionen gegen den Sklavenhandel zwischen Slave Trade Act 1807 und Slavery Abolition Act 1833; die Bekämpfung des Piratenunwesens im Mittelmeer in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sowie die bereits genannten Aktionen auf dem Balkan 1827ff und in Syrien bzw. im Libanon 1860ff. Zu den oft als paradigmatisch bezeichneten humanitären Interventionen der Kalten Kriegs-Zeit zählen Indien vs. OstPakistan bzw. Bangladesh 1971, Vietnam vs. Kambodscha 1979 und Tansania vs. Uganda 1979; nach 1990 wird in der Regel verwiesen auf den Irak nach dem (ersten) Golf-Krieg 1991, Somalia 1992 – 95, Bosnien 1992 – 95, Ruanda 1994 und Kosovo 1999. Eine gewisse Aufmerksamkeit geniessen auch noch Haiti 1994, Liberia 1990 – 97, Sierra Leone 1997 – 2005 und Osttimor 1999 – 2000. Wissenschaftlich unterbelichtet bleiben die humanitären Interventionen in der DR Congo (ab 1999), in Darfur und im Sudan (ab 2004) – möglicherweise nicht nur, weil es sich um noch laufende Konflikte handelt, sondern auch, weil insbes. die westlichen Mitglieder der Staatengemeinschaft ihnen relativ wenig Interesse entgegenbringen. 19 Intervention liefert – ist das aus der Sicht derjenigen, denen durch (humanitäre) Intervention geholfen werden soll, ein recht schwaches Ergebnis (zur Diskussion Tomuschat 2008:67ff). Allerdings: der eben angezogene Primat der Realpolitik könnte noch aus einer anderen Beobachtung historischer wie gegenwärtiger Interventionsfälle belegt werden: nämlich der der Nichtintervention durch die internationale Staatengemeinschaft trotz gravierender Grundund Menschenrechtsverletzungen dann, wenn ein Unrechtsregime fest im Sattel sitzt, den Großteil seines Territoriums und seiner Sicherheitskräfte erfolgreich kontrolliert, und sich der Unterstützung einflussreicher Verbündeter (etwa von Vetomächten im Sicherheitsrat) gewiss sein kann (Western/Goldstein 2011:55). Diese – etwa durch den Fall Syrien41 derzeit schlaglichtartig gestützte – Beobachtung führt zu zwei grundsätzlichen Erwägungen, die die Legitimität der Interventionsgründe und die Selektivität der Interventionspraxis betreffen. Dass die Praxis der (humanitären) Intervention nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Periode des Neuen Interventionismus der 90er Jahre immer schon eine selektive war, zeigt nicht nur das Beispiel Ruanda und dessen kritische Aufarbeitung (Dallaire 2008) besonders eindringlich, sondern auch die Gegenüberstellung realisierter - Nordirak (Schutz der Kurden gegen Saddam Hussein), Somalia, Bosnien-Herzegowina und Kosovo – versus nichtrealisierter Interventionen – Angola, DR Kongo42, Kolumbien, Kurdistan, Tschetschenien, Darfur. Myanmar. Diese Beobachtung hat schon um die Jahrtausendwende nicht nur zur Feststellung eines intervention gap (Binder 2009:331), sondern auch einer Regelungs- und Autorisierungslücke (Kühne 2000:292) geführt, die resultiert aus der vermehrten Einstufung gravierender (innerstaatlicher) Menschenrechtsverletzungen und humanitärer Krisen durch den Sicherheitsrat als Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit ohne dass in der Folge Maßnahmen nach Kap. VII der UN41 Im Gegensatz zu Libyen ist Syrien in der wissenschaftlichen Debatte um das Für und Wider einer humanitären Intervention in der BRD noch nicht so recht „angekommen“: erst das Friedensgutachten 2013 widmet dem syrischen Bürgerkrieg zwei Beiträge und hinterfragt einerseits die Ratlosigkeit der Staatengemeinschaft (Stellungnahme der Herausgeberinnen und Herausgeber, Friedensgutachten 2013: 20ff), andererseits die Ohnmacht der internationalen Politik (Asseburg/Wimmen 2013) angesichts der von allen Parteien des Bürgerkrieges gleicherweise betriebenen Eskalationsdynamik; Volker Perthes bietet zudem jüngst eine knappere Übersicht über Bewegungsmomente und (internationale) Handlungsoptionen. Demgegenüber werden bei SSRN allein für die letzten beiden Jahre knapp 150 englischsprachige Beiträge zum Problemkomplex eingestellt bzw. nachgewiesen; davon besonders hilfreich Schmitt 2013 zur völkerrechtlichen Perspektive; zur Verbindung Syrien – R2P bereits Williams/Ulbrick/Worboys 2012 und Zifcak 2012 mit wenig optimistischen Schlussfolgerungen für die Wirksamkeit und inhaltliche Weiterentwicklung von R2P angesichts der Uneinigkeit der Vetomächte und dadurch bewirkter Lähmung des Sicherheitsrats. 42 die 1999 durch SCR 1279 eingerichtete MONUC blieb zumindest bis zum robusten Mandat aus SCR 1592 vom März 2005 zum Schutz der Zivilbevölkerung recht untätig – Diskussion bei Ehrhardt/Justenhoven 2008. 20 Charta beschlossen und umgesetzt worden wären. Empirische Untersuchungen der selektiven Reaktionen des Weltsicherheitsrats auf humanitäre Notlagen (Binder 2007, 2009) haben inzwischen aufgewiesen, dass die Interventions- oder Nichtinterventionsentscheidung dieses Gremiums durch ein Zusammenspiel von humanitären, materiellen und institutionellen Faktoren konditioniert werden, von denen vor allem zu nennen wären - das Ausmaß der humanitären Notlage: je mehr Opfer eine humanitäre Krise fordert, desto stärker steigt der Handlungsdruck, auf Seiten der Opfer in das Krisengeschehen einzugreifen - die regionale Ausstrahlung der Krise: insbes. die Destabilisierung der an die Krisenregion angrenzenden Staaten durch Flüchtlingsströme, Terrorismus, Wirtschaftszusammenbrüche - frühere UN-Investments in die Bearbeitung des Konfliktgeschehens in der Krisenregion, die ggfs. schon Pfadabhängigkeiten hinterlassen haben, die den Rückzug der UN aus der Region erschweren - die Fähigkeit des Zielstaats einer Intervention, militärische und diplomatische Gegenmacht aufzubauen, die die Kosten und Risiken einer externen Intervention den zu erwartenden (Friedens-)Gewinn deutlich überschreiten lassen. Ob daraus – wie Binder (2007, 2009) argumentiert – ein Verhaltensmuster abgeleitet werden kann, das die Interventionsentscheidungen des Sicherheitsrats regelmäßig erklärt, muss allerdings hier offen bleiben: das genannte Kriterienbündel wäre zum einen durch ökonomische Erwägungen zu ergänzen (verfügt die UN im Entscheidungszeitpunkt über eine hinreichende Finanzausstattung, um Truppensteller dazu zu bewegen, Truppen zu stellen), zum anderen durch eine Analyse der politischen Interessenlagen der SR-Mitglieder, insbesondere der Veto-Mächte, zu erweitern. Denn: Sicherheitsratsentscheidungen sind das Ergebnis kollektiver Verhandlungsprozesse, eines bürokratisch-inkrementalen Entscheidungsablaufs, der oft genug in einen suboptimalen Kompromiss mündet (Übersicht Meyers 1994). Hinzuzufügen wäre dem eine Kosten-Nutzen-Analyse humanitärer Interventionen, die – ähnlich wie die Umsetzung des Prinzips do no harm in der Entwicklungszusammenarbeit – klären müsste, ob die positiven Effekte der Intervention für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen deren Kosten und negative Nebenwirkungen übersteigen (hierzu differenziert Seybolt 2008, insbes. Kap.8). Denn im Prinzip birgt jede humanitäre Intervention ein Paradoxon, einen inhärenten Widerspruch: sie nutzt (Waffen-) 21 Gewalt, um (Waffen-)Gewalt einzuhegen, zu kontrollieren, zu überwinden (Western/Goldstein 2011:59). Festzuhalten bleibt gleichwohl, dass es nicht allein humanitäre Erwägungen sind, die den Sicherheitsrat zum (Nicht-)Eingreifen veranlassen, sondern – nach Abwägung aller Randbedingungen - letztendlich doch im Kern politische: des Gremiums in seiner Gesamtheit als internationaler Akteur ebenso wie die seiner Mitglieder als internationale Einzel-Akteure. Die Selektivität internationaler Interventionen seit dem Ende des Ost-WestKonflikts ließe sich anders nicht erklären ! Oder doch ? Was bei einer Durchmusterung der Literatur zum Interventionsproblem auffällt, ist, dass diese offensichtlich unterschiedlichen wissenschaftlichen Weltbildern - oder Paradigmen oder Grosstheorien (Meyers 1990) - verpflichtet ist, die je unterschiedliche Zugänge zum und Perspektiven auf den Gegenstand eröffnen43. Grob gesagt, sind es Anhänger konstruktivistischer, kosmopolitischer und idealistischer IB – Theorieansätze, die für die letzten Jahrzehnte der Weltpolitik eine gleichsam pfadabhängige kontinuierliche Stärkung humanitärer Normen und eine kontinuierliche Mehrung humanitärer Interventionen konstatieren – so, als ob das von der philosophischen Aufklärung beschworene Prinzip der Perfektibilität der menschlichen, ihren Verstand gebrauchenden, Gattung auch zum Leitfaden der Internationalen Beziehungen geworden sei. Demgegenüber halten klassische Realisten daran fest, dass Interventionen von Staaten nur dann unternommen würden, wenn entweder ihre Sicherheit oder ihre Wirtschaftsinteressen in Frage stünden. Begründet wird dies u.a. mit Blick auf Gewalt- und Interventionsverbot des Art.2 der UNO-Charta damit, dass das Völkerrecht keine Grundlage für nicht vom Sicherheitsrat mandatierte, unilaterale Interventionen biete, dass Staaten nicht primär aus humanitären Gründen, sondern aus Erwägungen des nationalen Interesses heraus intervenierten, damit aber stets die Gefahr einer nur selektiven Interventionsentscheidung sowie des Missbrauchs des humanitären Mantels für eigensüchtige Zwecke der Machtpolitik gegeben sei, dass es Staaten verwehrt sei, das Leben ihrer (ggfs. sogar wehrpflichtigen) Soldaten zum Schutz von Fremden einzusetzen44, und dass 43 Man vergleiche z.B. die Arbeiten Verlages (2009, 2013) oder auch mancher anderer Beiträger der Friedenswarte (z.B. Bd.88, Heft 1 – 2, 2013) mit den ziemlich nüchternen Ausführungen von Bellamy/Wheeler (2011) oder mehr noch Hehir (2013); neuere Übersichten über den differierenden Paradigmenbestand des Faches in Burchill/Linklater (2013); Jackson/Sorensen (2013) oder Dunne/Kurki/Smith (2013). 44 Berührt wird hier letztlich – so unsere Perspektive seit Hobbes – das Existenzrecht des gesellschaftsvertraglich begründeten Leviathans: wenn dieser Existenz und Handlungsvollmacht durch Erfüllung eines Schutzversprechens seinen Bürgern gegenüber rechtfertigt, kann er diese Bürger nicht zwingen, ihr Leben für Fremde aufs Spiel zu setzen, es sei denn, sie täten es freiwillig. Der Gesellschaftsvertrag befriedet das 22 es aus moralischer Sicht problematisch sei, humanitäre Interventionen durch schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu begründen, weil weltweit keine Einigung darüber bestünde, wie schwerwiegend das Maß der Menschenrechtsverletzungen sein müsse, um eine externe bewaffnete Intervention in die souveräne Prärogative fremder Staaten angesichts zu erwartender Kollateralschäden zu rechtfertigen (Übersicht zum Argumentationsgang Bellamy/Wheeler 2011:513ff; dezidierter Wheeler 2002, Finnemore 2003). Genauer: die gerade nur sehr grob skizzierte Idealismus – Realismus – Dichotomie müsste mit Blick auf das Korpus klassischer (bürgerlicher) IB-Theorien durch Einschub eines weiteren Entwicklungsstrangs - der gern auch so bezeichneten Englischen Schule (Übersicht Jackson/Sorensen 2013: Kap.5, sowie Linklater 2013) – ausdifferenziert werden: Distinktionsmerkmal sind in der Tat unterschiedliche ontologische Vorstellungen internationaler Beziehungen, die nicht nur auf die Grundprobleme von Krieg und Frieden, sowie Konflikt und Kooperation, sondern auch auf die Frage nach den Beweggründen und der Legitimität humanitärer Interventionen je unterschiedlich reflektieren45. Der Kürze wegen seien eine Reihe wesentlicher Unterscheidungsmerkmale der genannten Großtheorien in Abb. 2 übersichtsweise dargestellt (Näheres in Meyers 2011a). Abb. 2 Perspektiven klassischer Großtheorien auf Konflikt und Kooperation Staatsinnere – nicht aber das Verhältnis der Staaten untereinander. Zur Auseinandersetzung mit den Konsequenzen Meyers 1992. 45 Die neueren Ansätze von der Kritischen Theorie und dem Strukturalismus über den Post-Positivismus, den Post-Strukturalismus, den Sozialkonstruktivismus und die Internationale Politische Ökonomie bis zum PostKolonialismus müssen uns hier weniger interessieren, weil ihr Differenzkriterium vornehmlich ein epistemologisches ist; das würde nicht ausschliessen, dass viele dieser Ansätze ontologisch im Grunde im Kontext eines realistischen oder eines idealistischen Weltbildes argumentieren – so schon Vasquez 1998 – und damit zu humanitären Interventionen diesen Weltbildern entsprechende Positionen entwickeln. Allerdings hat Martin Binder (2009:328) schon vor einigen Jahren in diesem Kontext auf eine nicht unwichtige Konsequenz der unterschiedlichen grosstheoretischen Positionen aufmerksam gemacht: „…constructivist and cosmopolitan accounts of international relations theory emphasize the strengthening of „humanitarian“ norms and cosmopolitan identities and argue that humanitarian action has occurred with growing frequency and in situations where no economic or geostrategic interests are at stake. With human rights norms becoming more powerful, constructivist accounts would therefore lead us to expect an increase in humanitarian activity and a relatively high degree of consistency in addressing humanitarian crises. By contrast, realist explanations suggest that interventions only occur when security is at risk or substantial economic interests are at stake. Since many humanitarian crises do not affect vital interests, realist accounts would expect highly selective responses in such situations.” 23 In der Konsequenz führen diese unterschiedlichen Weltsichten und Argumentationsstränge auch zu unterschiedlichen Perspektiven auf Anlässe, Ziele und Gründe humanitärer Interventionen. Dabei ist für den Realisten das Legitimationsproblem kein Problem: ebenso wie Entscheidungen zur Intervention letztlich abhängig sind von je bestimmten nationalen Interessen, richtet über die Legitimität von Interventionen letztlich nur der Erfolg 46 – haben sie die bei der ursprünglichen Interventionsentscheidung ins Auge gefassten Ziele erreicht oder nicht ? Der konsequente Realist würde dabei im Sinne der Weber’schen Verantwortungsethik sich um eine logisch stringente und zwingende Definition dieser Ziele bemühen, mit Blick auf die Randbedingungen einer politischen Entscheidungswirklichkeiten am ehesten nahe kommenden bounded rationality eher eine genügsame, allenfalls optimierende (Problemlösungs-)Strategie verfolgen und dabei die klassische Zweck-ZielMittel-Relation im Auge behalten, die Clausewitz schon im 2. Kapitel des Ersten Buchs seines Werkes „Vom Kriege“ beschrieben hat (Clausewitz 1973: 214ff):nämlich entweder auf der Grundlage gegebener politischer Zwecke die militärischen Ziele und die zu ihrer Erreichung notwendigen Mittel zu bestimmen – oder mit Blick auf die verfügbaren Mittel die militärischen Ziele und die überwölbenden politischen Zwecke zu definieren. In dieser Perspektive ist die humanitäre Intervention ein Werkzeug unter vielen anderen im Werkzeugkasten der von leiser Überzeugungsarbeit bis zur tatsächlichen Kriegführung reichenden diplomatischen Interessendurchsetzung; worauf es ankommt, ist eine rationale, nachvollziehbare Bestimmung des Bezugsrahmens aus Nationalinteresse und politischer Zweckmäßigkeit, eine Vergewisserung über die Verfügbarkeit der zur Umsetzung einer Intervention notwendigen materiellen und personellen Ressourcen, eine widerspruchsfreie Kalkulation der Hardware, Manpower, und Finanzmittel, die zur Durchsetzung interventionistischer Zielsetzungen notwendig sind, und last but certainly not least eine kommunizierbare entry-stay-exit-Strategie. Für den legalistisch argumentierenden Anhänger der Englischen Schule – oder, wie Martin Wight (1991) ihn bezeichnen würde, den Rationalisten oder den Grotianer - richtet über die Legitimität von Interventionen letztlich ihre Rechtsförmlichkeit und (Völker-) 46 Eine Perspektive, die auch von Positionen einer konsequentialistischen Ethik her vertreten wird: „…military intervention for human protection purposes can only be justified in humanitarian terms if the intervention does more good than harm … humanitarian military intervention is morally justifiable only when, at a minimum, the intended beneficiaries of the action are better off after the intervention than they would have been had the intervention not taken place…” (Seybolt 2007:3f; ausführlicher Seybolt 2008). Hier wäre auf die Analogie eines Prinzips zu verweisen, das Mary B. Anderson bereits 1999 in die akademische Diskussion der Entwicklungszusammenarbeit eingeführt hat – die Forderung „do no harm“ (Anderson 1999). Instruktiv hierzu das Handbuch: The “Do No Harm” Framework for Analyzing the Impact of Assistance on Conflict: A Handbook, im Netz unter http://www.cdacollaborative.org/media/52500/Do-No-Harm-Handbook.pdf 24 Rechtsadäquanz: dienen sie dem Schutz der bestehenden oder der Wiederherstellung einer verletzten (Völker-) Rechtsordnung, sind sie – seit 1945 – autorisiert und ordnungsgemäß mandatiert durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, stehen sie in Übereinklang mit den Grundprinzipien des zwischenstaatlichen Völkerrechts47 ? Allein für den Anhänger des Idealismus oder Liberalen Internationalismus liefern gewaltsame humanitäre Interventionen ein Problem: denn sie sind der Reflex auf ein Versagen der Vernunft als Regulativkraft der Ordnung innerstaatlicher und/oder innergesellschaftlicher Verhältnisse mit dem Zweck der Verwirklichung grundlegender Menschenrechte für Individuen wie gesellschaftliche Gruppen – und damit im Denksystem des Liberalen Internationalismus ein eigentlich nicht vorgesehener Betriebsunfall. Ausweg: Ausdifferenzierung der bekannten Lehre vom Gerechten Krieg und Übertragung ihrer Prinzipien auf die komplexe Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Ergebnis: Responsibility to Protect ! Abb. 3 Konsequenzen unterschiedlicher IB-theoretischer Perspektiven für die Bestimmung der Legitimität von Interventionsgründen 2 Schutzverantwortung/Responsibility to Protect Keine Entwicklung im Geschäftsbereich des Völkerrechts seit Ende des Kalten Krieges hat die mit der Darstellung und Analyse internationaler Phänomene beschäftigten Wissenschaften derart schnell und umfänglich (Weiss 2006:741ff) affiziert wie die Debatte um die Ausformulierung der Schutzverantwortung48 – Responsibility to Protect [R2P] – auf der 47 Dabei soll nicht verkannt werden, dass von anderen Autoren – z.B. Heinze 2009 - insbes. der Englischen Schule ein inhärenter Noninterventionismus zugeschrieben wird (ebd.:16ff), der mit einer ihrer Grundprämissen – der domestic analogy (Näheres Suganami 2008; Linklater/Suganami 2006) – verknüpft ist. Derzufolge können Staaten in der rechtlich verfassten internationalen Staatengesellschaft mit Blick auf ihre Rollen und Privilegien analog zu Individuen in der Einzelgesellschaft betrachtet werden (woher ggfs. die Hypostasierung des internationalen Akteurs zu erklären wäre), unterstehen aber ungleich den Machtverhältnissen in der Einzelgesellschaft keiner übergeordneten Zentralgewalt. Neben dem Befolgung internationaler Normen sichernden shadow of the future als abschreckendes Element und der postulierten Erwartungsverlässlichkeit des Akteurshandelns als vertrauensbildende Massnahme bildet das Prinzip der Nichtintervention den dritten Stützpfeiler der internationalen Ordnung – „…observance of the rule of nonintervention is a minimum condition for states‘ orderly coexistence…“ (Heinze 2009:17). 48 Wenn man Nennungen bei Google [abger.01.10.2013; Zeiten der Nennung in (); nachgefragt wurden die englischen Fachbegriffe ] als Aufmerksamkeitsindikator werten darf, steht die R2P mit 66.900.000 (0,23) Nennungen vor dem Nord-Süd-Konflikt mit 61.000.000 (0,34) und weit vor der Globalisierung mit 33.200.000 (0,23), der Souveränität mit 27.800.00 (0,19), den Millennium Development Goals mit 21.400.000 (0,34), dem Imperialismus mit 12.200.00 (0,22), der Humanitären Intervention mit 11.500.000 (0,22) und der Nonintervention mit 1.100.000 (0,11) Nennungen, wird allerdings hart geschlagen vom Sicherheitsrat der UNO mit 405.000.000 (0,24), der Finanzkrise mit 563.000.00 (0,28) und den Klassikern Frieden mit 741.000.000 25 Grundlage des durch die 2000 von der kanadischen Regierung eingesetzte International Commission on Intervention and State Sovereignty im Dezember 2001 publizierten gleichnamigen Berichts (ICISS 2001). Teils als Ausdruck eines völkerrechtlichen Paradigmenwechsels (Dolzer 2010) und Mittel zur Beendigung von „…Mass Atrocity Crimes Once and For All…“ missbrauchsanfälliges (Evans 2008) hoch gerühmt, teils als „…gefährliches, Werkzeug für die gute Sache menschenrechtlich fundierter Gerechtigkeit…“ (Isensee 2012) verdammt – nicht zuletzt, weil sie im Endergebnis „…die Position der Großmächte im Machtspiel der Staatenwelt…“(ebd.) verfestige, teils als Konsequenz der im Herbst 2011 aus dem Ruder gelaufenen Intervention der Mächte in Libyen auch schon wieder totgesagt (Rieff 2011), spaltet sie nicht nur rechtswissenschaftliche Fakultäten49, sondern auch den Areopag der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat50, und gibt Teilen der Dritten Welt Anlass zur Vermutung, R2P sei wenn nicht eine besonders perfide Formel zur legitimatorischen Abdeckung neoimperialistischer Dominanzbestrebungen des Westens im Nord-Süd-Konflikt51, so dann doch zumindest ein neues Machtinstrument der Grossmächte (Mallavarapu 2013) zur Verteidigung des eigenen Besitzstandes. Und seit neuestem52 dient der Verweis auf R2P auch zur Begründung jener Forderung, die Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin auf der Münchener Sicherheitskonferenz Ende Januar 2014 formulierten53: Deutschland müsse sich früher, entschiedener, substantieller für die Erhaltung einer offenen Weltordnung einbringen, der (0,35), Krieg mit 1.900.000.000 (0,25) und – so wahrscheinlich nicht erwartet – Development mit 2.170.000.000 (0,13) Nennungen. 49 Vgl. die kritische Auseinandersetzung mit der Position des Bonner Staatsrechtlers Isensee und der Auffassung vom Gewaltverbot des Art.2(4) der UNO-Charta als „…alleintragenden Schlußstein in der Architektur der Völkerrechtsordnung…“ anlässlich des Syrien-Konflikts unter dem Titel „Eingreifen erlaubt“ vorgetragen vom Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen (2013). 50 So die Interpretation des Abstimmungsverhaltens Russlands und Chinas im Syrien-Fall nach der LibyenIntervention; hierzu Thakur (2012) und mit stärker völkerrechtlichem Akzent auf den Verhandlungen im Sicherheitsrat Mohamed (2012). 51 Zusammenfassende Übersicht bei Weiss (2013:134ff); spezifischer zu Bedenken der Blockfreien Weiss (2006:745ff); als Beispiel zur Bewertung von R2P als „…imperialism with a human face…“ Chimni (2013). 52 Genauer: seit der Münchener Sicherheitskonferenz des Jahres 2014; vgl. Redetext Gauck unter zeit.de/politik/ausland/2014-01/gauck-muenchner-sicherheitskonferenz-eroeffnungsrede/komplettansicht ; zu den übrigen Reden Quelle bei https://www.securityconference.de/veranstaltungen/munich-securityconference/msc-2014/reden/ 53 Wobei als gemeinsame Argumentationsgrundlage offensichtlich ein von der Stiftung Wissenschaft und Politik und dem German Marshall Fund zusammen verantwortetes und im Oktober 2013 veröffentlichtes Papier zum Thema „Neue Macht. Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“ diente; vgl. http://www.swp-berlin.org/de/publikationen/produkt-detail/article/ neue_macht_neue_verantwortung.html; Text als PDF http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf 26 Welt zuwenden (Gauck) und eine „tätige Außenpolitik“ (Steinmeier) betreiben54… - alter Hut mit neuer Feder ? Dabei impliziert der Begriff der Schutz – Verantwortung55 sogleich eine Fülle von Fragen: Wer wird wann warum wie und mit welchen Mitteln von wem gegen wen oder was geschützt und wie wird solch eine Aktion begründet und rechtlich und/oder politisch legitimiert? Und: wer stellt sich der/trägt die Verantwortung zum Schutz Dritter in fremden Staaten vor massiven und massenhaften Menschenrechtsverletzungen durch die Regierungen dieser Staaten aufgrund welcher Schutzaktionen auslösender Kriterien und mit Blick auf welche handlungsleitenden und handlungslegitimierenden Argumente, Normen und Wertvorstellungen? Schließlich: was ist überhaupt unter den Begriff der R2Pzu subsumieren – eine völkerrechtliche Norm [bzw. präziser und konsensfähiger: eine völkerrechtliche Norm im Entstehen56], eine Solidaritätspflicht der internationalen Gemeinschaft57 in Wahrnehmung 54 Kritisch hierzu der vorzügliche Kommentar von Jakob Augstein „Das Gerede vom Krieg“, Spiegel Online, 3.02.2014 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-den-einsatz-von-soldaten-derbundeswehr-im-ausland-a-950725.html . Die Debatte erinnert stark an eine Auseinandersetzung der zweiten Hälfte der 80er Jahre, die Hans-PeterSchwarz mit seinem in 2.Aufl. 1985 erschienenen Essay „Die gezähmten Deutschen. Von der Machtbesessenheit zur Machtvergessenheit“ anstieß: nach der Machtvergottung unter dem NS-Regime und der bewussten Machtabstinenz in den langen vier Friedensjahrzehnten der alten Bundesrepublik sei es an der Zeit, dass sich die Deutschen nicht zuletzt mit Blick auf ihre europäische Mittellage wieder an die Ausübung von Macht in den internationalen Beziehungen gewöhnten. Der gegen diese These 1995 von Hans-Ulrich Wehler vorgetragenen Kritik ist nichts hinzuzufügen: vgl. Angst vor der Macht? : Die Machtlust der Neuen Rechten ; Vortrag vor dem Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 2. Februar 1995 / Hans-Ulrich Wehler. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1995. - 24 S. = 60. Kb, Text . (Gesprächskreis Geschichte ; 8). - ISBN 3-86077-361-5 Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1998; im Netz unter http://www.fes.de/fulltext/historiker/00149toc.htm - zurück bleibt allenfalls ein mehr als gelindes Staunen angesichts des extremen historischen Kurzzeit-Gedächtnisses des neuen GroKo-Personals und seiner Berater. 55 Wohl nicht ganz von ungefähr redet das ICISS-Memorandum aus 2001 von responsibility, und nicht von obligation to protect – der Begriff der Schutz-Verpflichtung ist (noch?) nicht Bestandteil der Debatte, obgleich manche Beiträge (z.B. Verlage 2013) insinuieren, dass R2P auf dem besten Weg sei, zu einem verbindlichen Bestandteil des Völkerrechts – ius cogens – zu werden. Ohne Zweifel birgt der Begriff der Verantwortung ein konsequentialistisches Moment: die Beurteilung der Wünschbarkeit und Machbarkeit einer Intervention rekurriert letztlich auf eine interessengesteuerte politische Einschätzung ihrer Folgen, während der Begriff der Verpflichtung im Sinne der Weber’schen Gesinnungsethik auf eine moralisch begründete Kategorie verweist, die das Handeln unabhängig von seinen situations- und kontextabhängigen Folgen anleitet; hierzu grundlegend Nardin 1992. 56 Paradigmatisch Serrano 2011:102, die für den verhältnismäßig raschen Erfolg von R2P drei Kriterien anführt: “…(1) an emerging norm with the power to inspire sympathy and capture the imagination of people around the world; (2) the determined commitment of a significant number of states and the no less important contribution of prominent moral entrepreneurs; (3) the articulation and mobilisation of an effective advocacy network, involving complex transnational civil society and transgovernmental sets of connections, actively engaged in regular exchanges of services and information. …”; zu den Normbildungsprozessen, die Einfluss auf die Politik des Sicherheitsrates in diesem Kontext genommen haben, Debiel u.a.2009. Offensichtlich ist aber die Politikwissenschaft viel eher als andere Fächer bereit, die These von der entstehenden Norm zu vertreten (Rudolf 2013:12), während viele Völkerrechtler gegenüber einem Normanspruch von R2P weitaus mehr Skepsis zeigen: einmal, weil Deklarationen der 27 ihrer Verantwortung für den Weltfrieden im 21. Jahrhundert, ein (Ausnahme-)Instrument zur Stärkung des kollektiven Sicherheitssystems mit hoher Signalwirkung58, ein Ansatz zur Überbrückung der Antinomie von humanitärer Intervention und staatlicher Souveränität durch eine graduell in einer Abfolge und Verbindung von Einzelschritten immer stärker praxisrelevant werdenden internationalen politischen Strategie „…concerning how to prevent genocide and other mass atrocities…“59 – oder doch – wenn nicht überhaupt eher alter Wein in neuen Schläuchen (Varwick 2009:11) - ein noch in den begrifflichen und programmatischen Kinderschuhen steckendes soft law-artiges Konzept additiven Charakters, „…dessen eigentlicher Wert in seiner Eignung zur Verklammerung bestehender und möglicher neuer, noch auszubildender Elemente des Völkerrechtssystems besteht…“ (Arnauld 2009:26) ? Bevor wir uns diesen Fragen zuwenden, wären noch einige Überlegungen zum historischgenetischen Kontext der Debatte anzustellen. Dabei werden wir darauf verzichten, von Ruanda über Kosovo, Demokratische Republik Kongo, und Darfur die Auslösemomente und Anlässe, die in den Neunzigern Kritikern der Selektivität Humanitärer Interventionen und der Tatenlosigkeit des UN-Sicherheitsrats (Weiss 2006:756f) Anlass gaben, der Staatengemeinschaft „…in-humanitarian nonintervention…“ (Weiss 2006:746) vorzuwerfen, ebenso wie die Entwicklung der R2P-Konzeptdiskussion zwischen ICISS-Bericht und dem Weltgipfel 2005 in extenso zu schildern: dies ist anderenorts schon zur Genüge und in sich umfassend geleistet Anwendungsproblemen worden (Bellamy Bellamy 2011; 2009a; knappere kritischer Übersicht Hehir 2012; Varwick zu den 2009 aus Generalversammlung (ebenso wie die des Weltgipfels 2005) nicht rechtsverbindlich sind, sondern allenfalls politische Willenserklärungen darstellen (Heintze 1998), zum anderen weil keine völkerrechtlichen Verträge bestehen, die die Schutzverantwortung als solche normieren, sondern bestenfalls der Rückgriff auf ein recht frisches Völkergewohnheitsrecht verbleibt. „Dahinter mag man ein wishful thinking der Befürworter des Konzeptes sehen, andererseits aber auch eine gewisse Bequemlichkeit – denn das Behaupten einer erst im Entstehen begriffenen Norm entbindet vom konkreten Nachweis der Existenz eines Rechtssatzes…“(Arnauld 2009:24). 57 So Sabine von Schorlemer (2007:2), der zufolge diese Solidaritätspflicht greifen soll bei Genoziden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Kriegsverbrechen – „…kurz: bei den schlimmsten vorstellbaren humanitären Katastrophen, die nicht natürlichen Ursprungs sind und als ‚Menschheitsverbrechen‘ typischerweise von Staaten ausgehen bzw. von ihnen toleriert werden…“ 58 Schaller 2008a:2; ob die Schutzverantwortung, wie Sabine v.Schorlemer meint (2007:11), wie das Nürnberger Militärtribunal oder der Internationale Strafgerichtshof zu einem Meilenstein des Völkerrechts werden könnte, soll vorerst offen bleiben: in ihrem sehr engagierten Beitrag konzediert sie selbst, dass bis dahin noch ein langer Weg sei: “Wird die Schutzverantwortung innerhalb der Vereinten Nationen systematisch weiter konkretisiert und vermehrt in die Praxis umgesetzt, kann das mittelfristig den Weg zu einer Verdichtung politischer Handlungsoptionen und längerfristig den Weg zu einer umfassenden Handlungs- und Schutzpflicht ebnen.“ 59 Thakur 2002 zu den Hinter- und Beweggründen des R2P- Berichts der ICISS, und Luck 2010 zu den Problemen und Stationen seiner Umsetzung; Zitat dort S. 349. 28 politikwissenschaftlicher und Arnauld 2009 aus völkerrechtlicher Sicht; detaillierter Verlage 2009; mit Perspektive auf den Sicherheitsrat Loges 2013). Festzuhalten bleibt aber, dass die Responsibility to Protect, über die wir seit 2005 reden, nicht das ursprüngliche, starke Konzept ist, das die ICISS in ihrem Bericht 2001 vorschlug, sondern eine R2P lite 60 – eine abgeschwächte Version, die allein sich in der UNO-Generalversammlung gegen Widerstände aus Teilen der Dritten Welt, aber auch der USA als konsensfähig etablieren mochte61. Man kontrastiere die entscheidenden detaillierten und konkreten Passagen aus dem ICISS-Bericht des Jahres 200162 mit der doch recht allgemein und unverbindlich gehaltenen 60 Formulierung bei Bellamy 2009a:67; Loges 2013:47ff verweist auf eine Entschärfung der R2P-Verpflichtungsund Verantwortungsrhetorik zwischen dem ICISS-Report 2001 und dem Weltgipfel 2005 bei prinzipieller Fortführung der möglichen Selektivität der Schutzgewährung und – noch wichtiger – bei Aufgabe der DreiGliedrigkeit der responsibility to prevent, protect und rebuild in der Erklärung des Weltgipfels: eine eindeutige Beschneidung der präskriptiven und präventiven Momente des ICISS-Berichts. 61 Bellamy 2011:25 – „…it is fair to say that although the principle enjoyed strong support in Europe and the West, parts of Africa and parts of Latin America, a significant portion of the UN’s membership remained cautious and unconvinced. Perhaps a majority among those in the global south that did not advocate the principle merely ‘mimicked’ support for the norm in 2005 – choosing to accept the new norm rhetorically but without actually changing their behavior to take account of the norm. Others simply calculated that the principle had been watered down so much as to make it practically meaningless.” 62 Vgl. die Zusammenfassung des Berichts, S. XI ff, http://responsibilitytoprotect.org/ICISS%20Report.pdf : Anmerkung für die Redaktion: diese Fussnote fällt recht lang aus – das wirkt unschön. Ich schicke eine wordFassung der Zusammenfassung mit und stelle anheim, diese als Anhang 1 zwischen Textende und Literaturverzeichnis oder nach dem Literaturverzeichnis zu veröffentlichen. Der folgende Text bis zum Ende von FN 62 könnte dann entfallen, und hinter die erste Zeile der FN wäre einzufügen: vgl. Anhang 1 “… THE RESPONSIBILITY TO PROTECT: CORE PRINCIPLES (1) Basic Principles A. State sovereignty implies responsibility, and the primary responsibility for the protection of its people lies with the state itself. B. Where a population is suffering serious harm, as a result of internal war, insurgency, repression or state failure, and the state in question is unwilling or unable to halt or avert it, the principle of non-intervention yields to the international responsibility to protect. (2) Foundations The foundations of the responsibility to protect, as a guiding principle for the international community of states, lie in: A. obligations inherent in the concept of sovereignty; B. the responsibility of the Security Council, under Article 24 of the UN Charter, for the maintenance of international peace and security; C. specific legal obligations under human rights and human protection declarations, covenants and treaties, international humanitarian law and national law; D. the developing practice of states, regional organizations and the Security Council itself. (3) Elements The responsibility to protect embraces three specific responsibilities: A. The responsibility to prevent: to address both the root causes and direct causes of internal conflict and other man-made crises putting populations at risk. B. The responsibility to react: to respond to situations of compelling human need with appropriate measures, which may include coercive measures like sanctions and international prosecution, and in extreme cases military intervention. C. The responsibility to rebuild: to provide, particularly after a military intervention, full assistance with recovery, reconstruction and reconciliation, addressing the causes of the harm the intervention was designed to halt or avert. (4) Priorities 29 A. Prevention is the single most important dimension of the responsibility to protect: prevention options should always be exhausted before intervention is contemplated, and more commitment and resources must be devoted to it. B. The exercise of the responsibility to both prevent and react should always involve less intrusive and coercive measures being considered before more coercive and intrusive ones are applied. The Responsibility to Protect: Principles for Military Intervention (1) The Just Cause Threshold Military intervention for human protection purposes is an exceptional and extraordinary measure. To be warranted, there must be serious and irreparable harm occurring to human beings, or imminently likely to occur, of the following kind: A. large scale loss of life, actual or apprehended, with genocidal intent or not, which is the product either of deliberate state action, or state neglect or inability to act, or a failed state situation; or B. large scale ‘ethnic cleansing’, actual or apprehended, whether carried out by killing, forced expulsion, acts of terror or rape. (2) The Precautionary Principles A. Right intention: The primary purpose of the intervention, whatever other motives intervening states may have, must be to halt or avert human suffering. Right intention is better assured with multilateral operations, clearly supported by regional opinion and the victims concerned. B. Last resort: Military intervention can only be justified when every non-military option for the prevention or peaceful resolution of the crisis has been explored, with reasonable grounds for believing lesser measures would not have succeeded. C. Proportional means: The scale, duration and intensity of the planned military intervention should be the minimum necessary to secure the defined human protection objective. D. Reasonable prospects: There must be a reasonable chance of success in halting or averting the suffering which has justified the intervention, with the consequences of action not likely to be worse than the consequences of inaction. (3) Right Authority A. There is no better or more appropriate body than the United Nations Security Council to authorize military intervention for human protection purposes. The task is not to find alternatives to the Security Council as a source of authority, but to make the Security Council work better than it has. B. Security Council authorization should in all cases be sought prior to any military intervention action being carried out. Those calling for an intervention should formally request such authorization, or have the Council raise the matter on its own initiative, or have the Secretary-General raise it under Article 99 of the UN Charter. C. The Security Council should deal promptly with any request for authority to intervene where there are allegations of large scale loss of human life or ethnic cleansing. It should in this context seek adequate verification of facts or conditions on the ground that might support a military intervention. D. The Permanent Five members of the Security Council should agree not to apply their veto power, in matters where their vital state interests are not involved, to obstruct the passage of resolutions authorizing military intervention for human protection purposes for which there is otherwise majority support. E. If the Security Council rejects a proposal or fails to deal with it in a reasonable time, alternative options are: I. consideration of the matter by the General Assembly in Emergency Special Session under the “Uniting for Peace” procedure; and II. action within area of jurisdiction by regional or sub-regional organizations under Chapter VIII of the Charter, subject to their seeking subsequent authorization from the Security Council. F. The Security Council should take into account in all its deliberations that, if it fails to discharge its responsibility to protect in conscience-shocking situations crying out for action, concerned states may not rule out other means to meet the gravity and urgency of that situation – and that the stature and credibility of the United Nations may suffer thereby. (4) Operational Principles A. Clear objectives; clear and unambiguous mandate at all times; and resources to match. B. Common military approach among involved partners; unity of command; clear and unequivocal communications and chain of command. C. Acceptance of limitations, incrementalism and gradualism in the application of force, the objective being protection of a population, not defeat of a state. D. Rules of engagement which fit the operational concept; are precise; reflect the principle of proportionality; and involve total adherence to international humanitarian law. 30 Abschlusserklärung des Weltgipfels 2005: “…138. Each individual State has the responsibility to protect its populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. This responsibility entails the prevention of such crimes, including their incitement, through appropriate and necessary means. We accept that responsibility and will act in accordance with it. The international community should, as appropriate, encourage and help States to exercise this responsibility and support the United Nations in establishing an early warning capability. …”63 Kernpostulat dieser neuen internationalen Handlungsmaxime: kein Staat soll mehr weder in der Lage sein, sich bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen auf seinem Staatsgebiet auf seine Souveränität als Abwehrrecht gegen Aktionen der Staatengemeinschaft berufen, noch die Schutzwirkung des Verbots der Einmischung in seine inneren Angelegenheiten aus Art. 2 UNO-Charta reklamieren zu können. Und: indem die Legitimation von Souveränität von der effektiven Kontrolle über ein Staatsgebiet abgelöst und auf die Verantwortung für die Wahrung der Menschen- und Grundrechte der Bevölkerung im in Frage stehenden Staatsgebiet prädiziert wird, wird zumindest der Versuch unternommen, die dialektische Spannung zwischen klassischer Staatssouveränität und internationalem Menschenrechtsschutz aufzuheben – freilich durch Bevorzugung der letzteren Position64. Schließlich: der Unterschied zur herkömmlichen, i.d.R. unilateralen humanitären Intervention als einer dem Grunde nach allein (militärisch) gewaltsamen Maßnahme liegt zumindest im ICISS-Bericht E. Acceptance that force protection cannot become the principal objective. F. Maximum possible coordination with humanitarian organizations. …” 63 Der Text geht dann noch weiter – mit etlichen Verklausulierungen: „… 139. The international community, through the United Nations, also has the responsibility to use appropriate diplomatic, humanitarian and other peaceful means, in accordance with Chapters VI and VIII of the Charter, to help protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. In this context, we are prepared to take collective action, in a timely and decisive manner, through the Security Council, in accordance with the Charter, including Chapter VII, on a case-by-case basis and in cooperation with relevant regional organizations as appropriate, should peaceful means be inadequate and national authorities manifestly fail to protect their populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. We stress the need for the General Assembly to continue consideration of the responsibility to protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity and its implications, bearing in mind the principles of the Charter and international law. We also intend to commit ourselves, as necessary and appropriate, to helping States build capacity to protect their populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity and to assisting those which are under stress before crises and conflicts break out…”. United Nations General Assembly, 2005 World Summit Outcome, A/60/L.1, 15.September 2005. Zitiert nach der Website der International Coalition for the Responsibility to Protect; im Netz unter http://www.responsibilitytoprotect.org/index.php/component/content/article/35-r2pcs-topics/398-generalassembly-r2p-excerpt-from-outcome-document 64 Was dann in der Kritik insbesondere seitens vieler Drittweltstaaten dazu geführt hat, R2P und klassische humanitäre Intervention weiterhin gleichzusetzen und nicht zuletzt mit Blick auf den Irakkrieg 2003 zu befürchten, dass R2P „…could be abused to justify self-interested unilateral intervention…“ vgl. Bellamy 2009b: 125 ff. 31 im deutlich breiteren Spektrum von Handlungsoptionen bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen: von der Präventions-Verantwortung über die ReaktionsVerantwortung zur Wiederaufbau-Verantwortung der internationalen Gemeinschaft bei Abkehr von einer staatenzentristischen, kontrollorientierten, eigenrechtsbezogenen und Wendung zu einer opferzentrierten, verantwortungsbasierten, schutzgemeinschaftlichen Perspektive65. Bei oberflächlichem Hinsehen könnte dies in der Tat den Paradigmenwechsel von der formalen (Staats-) Souveränität zur menschen-rechtsverpflichtet-wertgebundenen Souveränität (Dolzer 2010:37) bedeuten, als dessen Repräsentanz die Schutzverantwortung im Kontrast zur Friedenspflicht aus Art. 2 (3) und (4) und zum Interventionsverbot aus Art. 2 (7) der UNO-Charta gern postuliert wird66. Aber - ein Blick in die Ideengeschichte der internationalen Beziehungen zeigt doch, dass beide Konzepte kein überzeitlicher rocher de bronze, sondern eher dezidierte Produkte des Industriezeitalters sind: von der Monroe-Doktrin 1823 über die Calvo-Doktrin 1868, die Drago-Doktrin 1902 und die Zweite Haager Konvention 1907 diente zumal das Interventionsverbot nicht nur der Etablierung und Sicherung von (imperialen) (Vor-) Herrschaftszonen einerseits und [im Sinne einer historischen Dialektik] der Verteidigung eigener Herrschaftsansprüche insbesondere südamerikanischer Akteure gegen imperiale Übergriffe europäischer Kolonialmächte andererseits, sondern auch dem Schutz eigener nationaler Marktregulierungskompetenzen vor dem Eingreifen solcher Akteure, die imperiale Expansion und freihändlerisch-liberalistische Rechtfertigungsmuster ökonomischer Durchdringung Dritter bestens miteinander verbanden67. Hinzu kommt, dass die Regulierung der zwischenstaatlichen Gewaltausübung (und in extremis ihr Verbot) vom Haag über Briand-Kellog (1928) bis zur UNO-Charta ein traditionelles Dogma des Liberalen Internationalismus konkretisierte, das Norman Angell schon 1910 in seinem Buch „The Great Illusion“ mit dem schönen Satz „War does not pay“ auf den Punkt gebracht hat (Näheres Meyers 1996: 219ff). Hinzu kommt ferner, dass die 65 Weitere Schlüsselelemente der Schutzverantwortung (nach Schorlemer 2007): 1) die unmittelbare, primäre Schutzverantwortung des Territorialstaats für seine eigenen Bürger, 2) der Vorrang von Prävention und Frühwarnung vor militärischer Reaktion, 3) die Rechenschaftspflichtigkeit der Akteure mit dem Korrelat strafrechtlicher Verfolgung und Abschreckung, 4) die originäre Verantwortung der internationalen Gemeinschaft als eigenständige Trägerin der Schutzverantwortung dann, wenn der Nationalstaat als Verantwortungsträger entweder versagt oder nicht willens ist, seine Pflichten zu erfüllen und 5) die Erweiterung der Handlungsspielräume des Sicherheitsrats – und nicht etwa einer „Koalition der Willigen“ - als „Mandatar der internationalen Gemeinschaft“ (Schorlemer 2007:7) bei der Bestimmung nichtmilitärischer Ursachen von Instabilität auf sozialem und humanitären Gebiet als Bedrohung von Frieden und Sicherheit. 66 Zur Entstehungsgeschichte dieser Formulierung D’Amato 2013, der allerdings stärker auf die Wahrung der territorialen Integrität eines UN-Mitglieds abhebt. 67 Dabei lässt sich seit den 1830erJahren die Entwicklung eines Konsenses unter den Mächten feststellen, demzufolge Interventionen aus zwei Gründen gerechtfertigt waren: zur Schuldeneintreibung (!!) und zum Schutz humanitärer Belange – eine hübsche Verquickung von Börse und Moral… vgl. Kegley/Raymond/Hermann 1998:86f. 32 Völkerrechtsgeschichte neben der – jüngeren – Nichtinterventionstraditionslinie ja auch durchaus eine Traditionslinie der Intervention aufweist: von Vitoria über Grotius bis zur Französischen Revolution mit ähnlicher Spitze wie in der Schutzverantwortung: gerichtet gegen Übergriffe einer tyrannischen Regierung gegen eigene Staatsbürger (kursorisch Hinsch/Janssen 2006:15ff) – aber auch: von der späteren, nachjakobinischen Französischen Revolution über das Europäische Konzert, das Eingreifen der Großmächte zugunsten Griechenlands in der ersten Hälfte des 19.Jhs. und die Bewältigung der geostrategischen Folgen einer immer schwächer werdenden (freilich aber auch einer immer weiter geschwächt werdenden) Türkei bis zum Berliner Kongress in klassischer realistischer Tradition zur Festigung eigener Großmachtinteressen und der Ausbalancierung konfligierender GroßmachtMachtansprüche auf Kosten der kleineren Akteure (Swatek-Evenstein 2008: Teil II; Kegley/Raymond/Hermann 1998:86ff). Der These vom Paradigmenwechsel stellen wir daher mit Blick auf die longue durée der Diplomatiegeschichte die These von der Dialektik von Interventionsverbot und (humanitärer oder schlicht machtpolitisch begründeter) Intervention entgegen: die bereits erörterte Selektivität humanitärer Interventionen – für die derzeit der Kontrast zwischen den Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf die Ereignisse in Libyen und in Syrien steht – ließe sich auch solcherart trefflich begründen.68 Dass die These vom Paradigmawechsel, aufscheinend in der Relativierung des klassischen staatenzentrischen Souveränitätsdenkens durch jenen berühmten Economist – Artikel Kofi Annans vom 16.September 1999, in dem er mit Blick auf die Erfahrungen aus der Kosovound aus der Osttimor-Intervention seine Doktrin von den zwei Souveränitäten entwickelte69 und der Staatssouveränität die Souveränität des seine Menschen- und Grundrechte einfordernden Individuums gegenüberstellte – von Teilen der Literatur mit einer gewissen Hartnäckigkeit verfochten wird (Verlage 2009 und 2013), dürfte in gewisser Hinsicht noch 68 Selbstverständlich gibt es auch ein ganz pragmatisches Argument zur Begründung der Selektivität humanitärer oder von R2P-Interventionen: die Anzahl eigentlich notwendiger Einsätze übersteigt bei weitem die vorhandenen Kapazitäten und Ressourcen: „…there are, sadly, simply too many R2P crimes being committed in too many places to address all of them simultaneously or equally effectively…“(Luck 2010:353). Und dasselbe gilt – zumindest in der Praxis - wohl auch für die Interventionsinstrumente, die der Staatengemeinschaft zur Verfügung stehen:“…in theory, the RtoP tool kit appears quite extensive, but in practice in specific situations the number of available and useful tools is likely to be much more limited…“(eb.:357). 69 „State sovereignty, in its most basic sense, is being redefined – not least by the forces of globalization and international co-operation. States are now widely understood to be instruments at the service of their peoples, and not vice versa. At the same time individual sovereignty – by which I mean the fundamental freedom of each individual, enshrined in the charter of the UN and subsequent international treaties – has been enhanced by a renewed and spreading consciousness of individual rights. When we read the charter today, we are more than ever conscious that its aim is to protect individual human beings, not to protect those who abuse them.” Kofi Annan: Two Concepts oif Sovereignty. The Economist, 16. September 1999, im Netz unter http://www.economist.com/node/324795 33 ein Reflex auf den Kalten Krieg sein. Denn in jenem System organisierter, auf die gesicherte nukleare Zweitschlagsbefähigung der Supermächte gestützter Friedlosigkeit war das Interventionsverbot aus Art. 2 UNO-Charta systemnotwendige Voraussetzung weltpolitischer Stabilität (wollte man nicht einen nuklearen Holocaust riskieren) und wurde zumindest im Verhältnis zwischen den Machtblöcken nicht ernsthaft hinterfragt – Budapest 1956 und Prag 1968 zum Trotz. Der mit der neuen Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs einsetzende, durch den KSZE-Prozess ab 1974 verstärkte und intensivierte (Bewusstseins-) „Wandel durch Annäherung“ (Bahr 1973), die Initiierung vertrauensbildender Maßnahmen im Rahmen der MBFR-Verhandlungen, die Absteckung und Kleinarbeitung der rüstungskontrollpolitischen Interessensphären der Supermächte im Rahmen der START-Gespräche, und die Intensivierung internationaler Kooperation im Rahmen der Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union schaffen – zugegebenermaßen neben den Kräften der Globalisierung, der Entwicklung eines Systems internationaler Governance startend mit den Weltkonferenzen der 90er Jahre, dem rasanten Fortschritt der Informationstechnologie, schließlich der Ausbildung einer Gesellschaftswelt (Czempiel 1998:Abschnitt 3) mit immer stärkeren Forderungen nach Teilhabe am Prozess der politischen Herrschaft – durch Überwölbung und Unterlaufen klassischer politischer Grenzen überhaupt erst das Geflecht notwendiger Bedingungen, vor dessen Kulisse über den Wandel des Souveränitätsverständnisses diskutiert und die Herz’sche Perspektive des Billard-Ball-Modells internationaler Politik70 mit ihrem Bild vom Nationalen Akteur als einer auf der internationalen Bühne autonom agierenden, durch eine harte Schale von der Umwelt abgesonderten, selbstverteidigungsfähigen Handlungseinheit überwunden werden kann. Der Annahme von der paradigmatischen Revolutionierung der klassischen Souveränitätsperspektive, dem Quantensprung von der Abkapselung staatlicher Repressionssysteme zur offenen, menschenrechtskonformen internationalen Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft als Zielpunkt der R2P wäre hier die These entgegenzustellen, dass nicht Thomas Kuhn71, sondern eher Braybrooke und Lindblom das sozialwissenschaftliche Erklärungsmodell für diese Entwicklung liefern: ein inkrementaler 70 U.a. entwickelt in seinem 1961 in Stuttgart bei Kohlhammer erschienenen Buch „Weltpolitik im Atomzeitalter“. 71 Thomas S. Kuhn (1978) hat das Konzept der Paradigmarevolution – mit Stegmüller (1987:280ff) zu begreifen als der Vorgang der Verdrängung einer Theorie durch eine Ersatztheorie - eigentlich für die Naturwissenschaften entwickelt; da macht es auch eher Sinn als in der Politikwissenschaft, für die besser ein Verzweigungsmodell der Theorieentwicklung angenommen werden kann; knapp dazu Meyers 2011a:501f 34 Veränderungsprozess72, der mittels einer science of muddling through noch am ehesten auf den Begriff zu bringen wäre. Und wenn wir schon die Responsibility to Protect in einen längerfristigen Bezugsrahmen einordnen – dann müssten wir doch auch noch einmal auf jenen Grundwiderspruch in der Konstruktion der Vereinten Nationen rekurrieren, den wir eingangs dieses Beitrags schon kurz erwähnt haben: den Kontrast zwischen der absoluten Friedens- oder besser: Stabilitätsorientierung des Systems73, unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels VII der Charta greifbar im Gewalt- und im Interventionsverbot der UNO-Charta, und den Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, Menschen vor massiver innerstaatlicher Verletzung ihrer Menschen- und Grundrechte (und damit incidenter auch vor massiver Gewalt) zu schützen. Hintergründe Stationen und Generationen dieses Prozesses74 72 Mit ihrem Entwurf einer strategy of disjointed incrementalism haben Braybrooke und Lindblom (1970) schon vor einem halben Jahrhundert einen realitätsadäquateren Gegenentwurf zu rationalistischen Entscheidungsmodellen geliefert, denen zufolge Entscheidungen getroffen werden als Auswahl einer Handlungsalternative aus einem Set klar definierter Handlungsoptionen nach Maßgabe eines konkludenten Katalogs von Präferenzkriterien und mit Blick auf eine Problemsituation, über deren Gestalt und Bedeutung die Entscheidenden alle relevanten Informationen besitzen; dem stellen die Autoren einen Prozess des muddling through entgegen, der in einem Verfahren des trial and error das zu lösende Problem in kleinen Schritten – inkremental – von seinen Rändern her verändert – eine Strategie, die auch die Entwicklung des R2P-Konzepts von seiner Erstformulierung im ICISS-Bericht über die verschiedenen Berichte des UN-Generalsekretärs und/oder von ihm eingesetzter Arbeitsgruppen, über die Debatten des Weltgipfels 2005 bis hin zur R2PDebatte in der UNO-Generalversammlung 2009 nachvollziehbar zu kennzeichnen scheint; vgl. für die Anfangsjahre des Prozesses Evans 2006; Weiss 2006; Bannon 2006; Bellamy 2009b, und zusammenfassend Hehir 2012:Kap.2; Schaller 2008b sowie als jüngere Übersicht des Entwicklungsprozesses McMahon 2013, und den Bericht des UN-Generalsekretärs vom 25.07.2012: „Responsibility to protect: timely and decisive response“ A/66/874-S/2012/578. Wie Luck (2010) sehr schön demonstriert, setzt sich das Generalkonzept der R2P aus einer Fülle von Einzelschritten zusammen, deren gemeinsames Vehikel die Tagesordnungsfigur der continuing consideration durch die UNO-Generalversammlung ist. 73 Schöne Diskussion der Prinzipien bei Rudolf 2001: 9ff: der politisch-ethische Kern des Souveränitätsprinzips und der darin enthaltenen Norm der Nichteinmischung diene einmal der Bewahrung des zwischenstaatlichen Friedens, zum anderen der Sicherung der autonomen Selbstbestimmung politischer Gemeinschaften und ihrer Bürger. 74 Mit den folgenden Hauptstationen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) Völkermordkonvention (1948) Flüchtlingskonvention (1951) Zivilpakt (1966) Sozialpakt (1966) Konvention gegen Rassendiskriminierung (1966) Frauenrechtskonvention (1979) Antifolterkonvention (1984) Kinderrechtskonvention (1989) Wanderarbeitnehmerkonvention (1990) Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (2006) Konvention zum Schutz aller Personen vor erzwungenem Verschwindenlassen (2006) Weitere Hinweise auf der Website des Deutschen Instituts für Menschenrechte, im Netz unter 35 sind wohlbekannt – von den Minderheitenstatuten aus der Zeit des Völkerbundes über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, geboren aus der unmittelbaren Erfahrung und Anschauung der menschen(rechts)verachtenden Gräuel der Zeit des Zweiten Weltkrieges, über die zeitgleich verabschiedete Völkermordkonvention75, die Flüchtlingskonvention von 1951 bis zur zweiten Generation der Menschenrechte im Sozialpakt und im Zivilpakt von 1966 und zur dritten in den Ergebnissen der entwicklungs-, umwelt- und solidaritätsbezogenen Weltkonferenzen der neunziger Jahre. In mancherlei Hinsicht dürfen wir wohl auch die Agenda für den Frieden des damaligen UN-Generalsekretärs Boutros Boutros Ghali vom 18.12.1992 in diesen Kontext stellen: sie hat mit ihrer Betonung des Präventionsgedankens, ihren Ausführungen zu peace making/peace enforcement und peace keeping ebenso wie mit ihrer Perspektive auf post-conflict peace building vieles von dem inhaltlich vorweggenommen – einschließlich der dreigliedrigen Argumentationsstruktur – das wir später im ICISS-Bericht wiederfinden76. Freilich ist diese Entwicklung in den Anfangsjahrzehnten nicht zügig und geradlinig verlaufen – des Kalten Krieges wegen „…the effort went ahead at a glacial pace…“ (Nickel 2014: Kap.5.2), und insonderheit die Repräsentanten des Ostblocks wollten fast bis zu seinem Ende nicht akzeptieren, dass Umsetzung und Schutz der Menschenrechte nicht länger in die ausschließliche innere Zuständigkeit der Staaten falle, der domaine réservé zugeordnet seien, sondern schon mit Blick auf das wachsende Ausmaß internationaler Kooperation und die Wirkungen internationaler Verflechtung und Netzwerkbildung seit den 70er Jahren begannen, zum gemeinschaftlichen Besitz der Menschheit zu werden (Krylov 1995:373ff). Das schließt nicht aus, dass die UNO über Jahrzehnte im Spannungsverhältnis zwischen Gewaltverbot, Interventionsverbot, und effektivem Menschenrechtsschutz lavieren musste – wobei es zur Sicherung bedrohter Menschenrechte nicht an rechtlich fundierten Handlungsmöglichkeiten fehlte, sondern eher an der Bereitschaft ihrer Mitglieder, „…für gemeinsame Anliegen der http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/bibliothek/literatursuche/online-katalog/thematischesuche/vereinte-nationen.html Gute Übersicht bei James Nickel, Human Rights, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy, Spring 2014 Edition; im Netz unter http://plato.stanford.edu/entries/rights-human/ 75 Präziser: das Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, nach Ratifikationsprozess 1951 in Kraft getreten; Näheres im Netz bei http://www.voelkermordkonvention.de/ 76 Text der Resolution A/RES/47/120 unter http://www.un.org/documents/ga/res/47/a47r120.htm . Daneben nicht vergessen werden sollte Boutros Ghalis Agenda für Entwicklung vom 06.05.1994 und die Ergebnisse der verschiedenen vom UNO-Generalsekretär eingesetzten Arbeitsgruppen bis zum Brahimi-Bericht. Hierzu schöne Übersicht bei Silke Weinlich: Prävention und Intervention: Konzeptionelle Entwicklungen in den Vereinten Nationen von der Agenda für den Frieden bis zum Bericht des High-Level Panels on Threats, Challenges and Change. TranState Working Papers No.23 [Sfb597 „Staatlichkeit im Wandel“ − „Transformations of the State“] Bremen 2005 36 internationalen Gemeinschaft gewisse Opfer zu bringen…77. Für die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses – ergänzt durch weitere Dilemmata: das Verhältnis von humanitären und nichthumanitären, politischen und/oder ökonomischen Zielsetzungen bei Menschenrechtsschutzaktionen, sowie die Komplexität, zeitliche und materielle Bedürftigkeit der Schutzaufgabe selber (hierzu jetzt instruktiv Brock 2013) können gemeinhin zwei Wege ins Auge gefasst werden: entweder der Rekurs auf eine modernisierte Lehre vom Gerechten Krieg (wie es der ICISS-Bericht bei der Entwicklung von Kriterien für die Angemessenheit und Zulässigkeit menschenrechts-schützender militärischer Interventionen tut – responsibility to react – hierzu Seyboldt 2007:11ff ) – oder der Rekurs auf eine klassische realistische Interessendefinition [die dann notfalls auch das humanitäre Schutzinteresse – wie im Fall Syrien – anderen Interessen unterordnet]. Was bedeuten diese Überlegungen für unsere Argumentation ? Ist die Schutzverantwortung tatsächlich der neue normative Bezugsrahmen des Völkerrechts und/oder der internationalen Politik, den ein Beschluss des UN-Reformgipfels von 2005 an die Stelle der humanitären Intervention gesetzt hat (Brock 2013:164f)? Oder haben die Kritiker recht, wenn sie darauf verweisen, dass R2P „…restates existing commitments, fails to address the key sources of contestation and offers no proposals on institutional and/or legal reform…“(Hehir 2012:55; Übersicht zur Kritik auch Orford 2011:22ff)? Und dies vor allem mit der Staatenpraxis rechtfertigen, die sich zwar mit gewissen Modifikationen klassischer Souveränitätsrechte zugunsten des Menschenrechtsschutzes abfinde, aber dem Grunde nach die alten Verhaltensmuster fortführe – „…basically a continuation of past practice – inconsistent, to be sure, but not indicative of any new norm…“ (Heinze 2011:18). Unser Verdacht geht dahin, dass die Antwort auf diese Frage – ähnlich wie die Antwort auf die Frage nach der Legitimation humanitärer Interventionen – letztlich abhängt von der großtheoretischen Position des jeweiligen Betrachters78. Der Realist wird die historischen Kontinuitäten in der Sache ebenso betonen wie die Umsetzungslücke zwischen den Verheissungen der R2P einerseits, ihrer faktischen Verwirklichung andererseits (Erörterung der Probleme in den Beiträgen bei Knight/Egerton 2012 und Fiott/Zuber/Koops 2012; vgl. auch kritisch Chandler 2011). Er wird in diesem Kontext die Machtvergessenheit bemängeln, 77 Christian Tomuschat: Menschenrechtsschutz und innere Angelegenheiten. Vortrag o.J. [ vermutl. 2001], S.14; Im Netz unter http://tomuschat.rewi.hu-berlin.de/not/ 78 So auch Edward Newman (2013:242f), der einmal R2P als ein spezifisch liberal-internationalistisches Projekt identifiziert, zum anderen aber auch herausgefordert sieht nicht durch unterschiedliche politische Willen, sondern durch unterschiedliche politische Weltsichten – hier die pluralistische einerseits, die solidaristische andererseits. 37 die einen Großteil der Äußerungen der R2P-Befürworter durchzieht, und vor allem bezweifeln, ob die Gerechter-Krieg-Kategorien „rechtmässige Herrschaft“ und „vernünftige Aussicht auf Erfolg“ (right authority und reasonable prospects of success – vgl. Moses 2013) eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung über die Legitimität militärischer Interventionen bilden. Er wird verweisen auf die Unstimmigkeiten in der Statusbewertung der Schutzverantwortung: Willenserklärung der Staaten, Verhaltensprinzip, politisches Projekt ad implementandum, emerging norm (Deitelhoff 2013) oder gar schon volle Völkerrechtsnorm (Verlage 2013) – aber andererseits auch: „…a radically unfinished program…“(Bellamy 2009b:118) - und aus der Diskussion (schöne Zusammenfassung bei Boreham 2010:2ff) den Schluss ziehen, dass ganz offensichtlich das wie auch immer geartete Bekenntnis der Staatengemeinschaft zur Schutzverantwortung neues Völkerrecht (noch ?) nicht geschaffen hat (Schaller 2013:4), sondern dass es letztlich weiterhin der interessengeleiteten Entscheidung der Staaten – und hier insbesondere der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates – bedarf, um im Konfliktfalle der R2P zur Anwendung zu verhelfen. Und er wird auch darauf verweisen, dass Schutzverantwortung nicht Schutzverpflichtung heißt [der im ICISS-Bericht angedachte Bindungscharakter von R2P-Massnahmen hätte ja das Projekt im Vorfeld des Weltgipfels aufgrund US-amerikanischen Widerstands fast noch zu Fall gebracht); der Begriff der Verantwortung aber impliziert unmittelbar ein Element politischer Entscheidungsgestaltung, „…which can be operationalized only if states are inclined to do so…“(Hehir 2012:53). Vor allem aber wird er einwenden, dass herkömmliche humanitäre Intervention und R2P in der Vollzugspraxis ein gemeinsames Charakteristikum aufweisen: das Element ihrer Selektivität (Fallbeispiele in Bellamy 2011: Kap. 2 und 3) – was bei etwas zynischer Betrachtung den Schluss nahelegt, „…that R2P is nothing more than rhetorical posturing that promises little tangible improvement in the protection of vulnerable people…“(Bellamy 2011:27). Kurz: auch hier ist die ethische Position des Realisten eine konsequentialistische: nicht der moralische Anspruch, sondern das (zu erwartende) reale Ergebnis der Umsetzung von Schutzverantwortungsmaßnahmen ist entscheidend für die Bewertung ihrer Legitimität: und hier ist die (Nicht-)Umsetzungswirklichkeit von Darfur bis Syrien nicht dazu angetan, sonderlichen Optimismus zu wecken (vgl.a.d. Einzelbeiträge im Friedensgutachten 2013:235 – 303). Im Kontrast dazu müssten die Anhänger einer gesinnungsethischen Position vom klassischen Idealismus über den liberalen Internationalismus bis zum Sozialkonstruktivismus und Kosmopolitismus (Binder 2009:328ff) den paradigmatischen Revolutionscharakter der Schutzverantwortung nicht nur als sich herausmendelnde, sondern zumindest schon 38 Völkergewohnheitsrechtscharakter beanspruchende (Verlage 2013) internationale Norm79 in der Diskussion offensiv betonen und/oder unter der Überschrift „A norm is born: the genealogy of R2P“ (Serrano 2011:101ff) abhandeln. Wenn der erste Paradigmawechsel im Völkerrecht des 20. Jahrhunderts der in der UNO-Charta aufscheinende Übergang vom Kriegs- zum Friedensrecht war – werden wir dann jetzt Zeugen einer zweiten „…Transformation des Völkerrechts hin zu einer stärker auf den Einzelnen bezogenen Schutzordnung, die über das bestehende humanitäre Völkerrecht hinausgeht…“ (Brock/Deitelhoff 2012:100)? Geht die Entwicklungsrichtung der internationalen Politik von der Friedenssicherung zur umfassenden Rechtsdurchsetzung (ebd.:102ff)? Oder verbirgt sich hinter dieser Aussage eher der idealistische Wunsch, nicht aber so sehr die empirische Evidenz? Was bei Durchsicht der einschlägigen Literatur auffällt, ist die Vielzahl von „shoulds“, „oughts“ und „musts“, die die Texte durchziehen, die Feststellung von Handlungsbedarf – auch und gerade durch diplomatische Praktiker (z.B. Wittig 2008) – und die Formulierung von Empfehlungskatalogen (z.B. Schorlemer 2007) zur Weiterentwicklung der Schutzverantwortung, möglicherweise in Richtung auf eine Schutzverpflichtung bei stärkerer Betonung der Präventionsverantwortung und des Nach-Konflikt-Wiederaufbaus (Sarkin 2012) (wobei dann leider nicht thematisiert wird, dass Entwicklungspolitik und Entwicklungswissenschaft sich mit diesen Komplexen schon seit Jahrzehnten ohne sonderlich durchschlagende Erfolge beschäftigen). In Abwandlung eines älteren Urteils Lothar Brocks (2005:Abschn.4) könnte man fast konstatieren, dass die Entwicklung kollektiver Handlungsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft hinter der fortschreitenden Ausdifferenzierung der Diskussion über internationale Normen80 weit zurückgeblieben ist – wäre da nicht die Einsicht, dass auch im idealistisch-konstruktivistischen Lager sich pragmatische Perspektiven entwickeln, die sich einmal in einer Art „Zivilisierung“ der Schutzverantwortung – und damit in einer Annäherung an die Agenda für den Frieden und ihre Ziele und Instrumente – fassen lassen (Brock 2013:180), zum anderen aber auch die Dilemmata des internationalen Menschenrechtsschutzes81 kleinzuarbeiten beginnen – durch Eingrenzung der Tatbestände, auf die sich Schutzverantwortung bezieht, durch Identifizierung 79 Oft aber nur für Teilbestandteile der R2P, wie etwa die responsibility to prevent, oder nur für Teilziele: Schutz der Bevölkerung eines Staates vor massiven Menschenrechtsverletzungen, Eingriff der Staatengemeinschaft von aussen beim Unvermögen eines Akteurs, diesen Schutz sicherzustellen; hierzu VanLandingham 2012, 80 woran sicherlich auch die unterschiedlichen Schattierungen der neueren Normenforschung in den Internationalen Beziehungen nicht ganz unschuldig sind: substantielle Einführung in die Problematik bei Loges 2013, Anwendungsbeispiel Deitelhoff 2013. Der Verfasser erinnert sich in solchen Zusammenhängen gern eines alten Instruments der scholastischen Philosophie, das auch als Occam’s Rasiermesser bekannt wurde und durch den Satz repräsentiert wird: entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem… 81 39 der Regierungen als Subjekte, nicht Objekte des Schutzes, und durch Überlegungen zur Angemessenheit von Schutzmaßnahmen, die die Komplexität von Versuchen reflektieren, „…Menschen durch Eingriffe von außen vor exzessiver Gewalt im Innern eines Landes zu schützen…“(Brock 2013:164). Last, but certainly not least – Englische Schule, Rationalismus oder Grotianismus: hier können wir ein wenig rekurrieren auf die Fabel vom Bären, dessen Fell zwar gewaschen werden soll, ohne ihn aber doch nass zu machen: wie eine gründlichere neuere Untersuchung (Jensen 2009) demonstriert, wird die Intervention im Rahmen der R2P zwar dem Prinzip nach abgelehnt, aber es wird doch auch begriffen, „…that under the narrow restrictions set out in the World Summit consensus intervention could not be ruled out in principle – with the critical qualification that host state consent was an absolute requirement…“(ebd.:81) – nicht gerade das, was die ICISS sich unter dezidierter Bearbeitung von Menschenrechtsverletzungen in den Territorien Dritter vorstellt ! 3 Wider den Strich – einige Fallstricke der Interventionsdiskussion In unserer Erörterung von humanitärer Intervention und Schutzverantwortung haben wir einen langen, vielfach gewundenen Argumentationsgang beschritten82, ohne doch so recht die entscheidende Frage beantworten zu können: wie verbindlich für die Mitglieder der internationalen Staatengesellschaft ist dieses Unternehmen eigentlich ? Wir konzedieren gern die im Vergleich zu den 90er Jahren gewichtigere Rolle des UN-Sicherheitsrats beim Schutz der Menschenrechte (Bellamy/Williams 2011), sehen aber derzeit keine bindende universale völkerrechtliche Verpflichtung dieses Gremiums, in jedem Einzelfall einer gravierenden Menschenrechtsverletzung einzugreifen (Peters 2011). Wir konzedieren auch gern, dass die Befürworter humanitärer Interventionen wie von Umsetzungsmaßnahmen der Schutzverantwortung ethisch anspruchsvolle, humanitätsverpflichtete, im klassischen Sinn bürgerlich-liberale Positionen vertreten (Teson 2001; Panajoti 2010), die oftmals einen altruistischen Hintergrund widerspiegeln (Krieg 2013:Kap.2). Aber wir wären doch skeptisch mit Blick auf den behaupteten Normanspruch der Schutzverantwortung: einmal formal, weil die Generalversammlung zwar politische Entschlüsse fassen kann, rechtsverbindliche Änderungen des Völkerrechts aber eines vertragsrechtlichen Ratifikationsprozesses der 82 Die unterschiedlichen Lager und Positionen werden gut skizziert bei Macfarlane/Thielking/Weiss 2004; erneute Erörterungen können wir uns deshalb hier ersparen. 40 Mitgliedstaaten bedürfen, der derzeit noch nicht in Sicht ist; zum anderen materiell, „…because the vast majority of states simply does not want to be legally bound to save strangers in remote regions of the world…“ (Reinold 2010:57)83. Noch komplexer wird die Debatte dann, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in ihrem Verlauf die responsibility to react ganz unverhältnismässig gegenüber den anderen beiden Komponenten des ICISSBerichts – der responsibility to prevent und der responsibility to rebuild – bevorzugt wird (Huisingh 2013; Chandler 2011; Fehl 2013). Wir halten also fest, dass die Diskussion um humanitäre Interventionen und Schutzverantwortung voller argumentativer Fallstricke steckt, die – sowohl was das Prinzip, als auch, was die Umsetzung angeht84 - uns immer wieder wissenschaftlich wie praktisch ins Straucheln bringen können. Diese fassen wir zunächst in einer graphischen Übersicht zusammen, deren detaillierte Ausarbeitung einem späteren Projekt vorbehalten bleiben muss. Abb.4 Interventions-Problemzonen Im Hintergrund dieser „R2P-Problemzone“ steht eine viel grundsätzlichere Diskussion: nämlich die um den Vorrang von internationaler Ordnung oder Menschenrechten, von Stabilitätsstatik oder Wandlungsorientierung des internationalen Systems. Der Neue Interventionismus der 90er Jahre wertet die Menschenrechte auf, fordert demgemäss mehr Eingriffe in Krisenregionen, kehrt im Kontext einer Debatte über den Entwurf von Demokratisierungsstrategien, teils aber auch schon im Kontext einer Debatte über statebuilding-Prozesse das Interventionsverbot in ein Interventionsgebot um (so z.B. Czempiel 1998: Abschn. 2ff). Die Gegner dieser Position verweisen darauf, dass sie den Interventionismus ablehnen, weil dahinter nur alte Machtpolitik zu vermuten sei, die sich humanitär gebe (Loges 2013:24). Fazit: „…In a divided world R2P will likely remain an 83 Und weiter: „…Despite the high-sounding rhetoric about R2P, sovereignty’s constitutive norms – especially the non-use of force – have in fact not been replaced by a norm of responsibility (to be enforced militarily as a last resort) – therefore the international community has not moved ‘beyond Westphalia’…” (Reinold 2010:57). Wie Levitt (2003:154) in seinem Beitrag so einprägsam schreibt – die R2P sei wie ein Biber ohne Damm: mangels eines „…framework for intervention to protect at-risk populations in such a manner as to minimize human suffering and loss of life…“ sitze sie, darf man ergänzen, wohl ziemlich auf dem Trockenen…. 84 Insbesondere wäre hier die Perzeption von R2P als eines „westlichen“ Projektes anzusprechen, dessen Spielregeln von vielen Drittweltstaaten nicht geteilt werden: der brasilianische Versuch, die responsibility to protect auf eine responsibility while protecting zu verpflichten, ist in diesem Kontext nur ein markantes Beispiel. Zum umgreifenderen Problem vgl. McCormack 2011). 41 uncomfortable combination of solidarist and pluralist thinking and this compromise will be a necessary condition of gaining international political traction. For many, especially those of a cosmopolitan persuasion, this compromise will undoubtedly undermine the integrity of the R2P concept as it becomes hybridized by political realities and regional particularities.”(Newman 2013:256). Dabei bleiben einige grundsätzliche Fragen offen – und wahrscheinlich sind Antworten und Lösungsvorschläge nur innerhalb der jeweiligen Weltsicht internationaler Großtheorien, aber nicht paradigmaübergreifend zu entwickeln: a) wer soll/darf/kann wann und gegen wen intervenieren (Pettison 2010); welche Verpflichtungen übernimmt der intervenierende Akteur gegenüber der Staatengemeinschaft wie gegenüber dem Interventionsobjekt (Rao 2013) ? b) legitimiert das Konzept der humanitären Intervention, legitimiert die Schutzverantwortung den Gebrauch militärischer Gewalt für humanitäre Zwecke (Massingham 2009; Goodman 2006) ? Oder als Minimalposition: kann der Einsatz militärischer Gewalt zwar illegal, aber doch legitim sein (Roberts 2010); oder ist er zumindest dann, wenn der Sicherheitsrat keinen entsprechenden Beschluss fasst, tolerierbar oder entschuldbar (Mohamed 2010) ? c) welches sind eigentlich die Regeln dieses Spiels – verkörpern humanitäre Intervention und Schutzverantwortung moderne Wendungen der klassischen Theorie des Gerechten Krieges (Delahunty/Yoo 2012) ? Fragen über Fragen… Hinweis für die Redaktion: Hier ggfs. Anhang 1 und Anhang 2 anfügen… 42