Biotherapie

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Biotherapie
Heilen mit Maden und Egeln
Maden reinigen Wunden, Egel saugen zu Therapiezwecken Blut, Knabberfische lindern
Schuppenflechte. Therapeuten aus dem Tierreich sind hilfreich – aber mitunter
gewöhnungsbedürftig.
Von FOCUS-Online-Redakteurin Helwi Braunmiller
Manchmal stehen die Errungenschaften der Medizin der Therapie im Weg. Penicillin und
Antibiotika haben unzähligen Menschen das Leben gerettet. Anderen jedoch machen die
Folgen ihres Einsatzes das Leben schwer:
Patienten beispielsweise, die sich mit antibiotikaresistenten Erregern infiziert haben. Oder
Kranken, bei denen keine der gängigen Therapien mehr hilft und deren Ärzte mit dem
Rücken zur Wand stehen.
Einige Mediziner denken deswegen inzwischen um und besinnen sich auf Heilmethoden
unserer Vorfahren. Schon in der Antike baten Heiler ihre Patienten zum Aderlass – und
zogen nicht selten auch medizinischen Beistand in Form von Blutegeln dafür hinzu. Die
Maya und die Aborigines schworen bereits auf die Wundheilungskünste von Maden. Und
in den warmen Thermen des zentralanatolischen Kangal-Gebietes knabberten schon vor
Hunderten von Jahren Legenden zufolge Fische erkrankte Haut gesund.
Aus dem Labor zum Patienten
Heute sammeln weder Krankenschwestern Blutegel aus Bächen noch fischen Ärzte
Fliegenmaden aus der Biotonne. „Dr. Made“ und „Dr. Blutegel“ werden auf Bestellung aus
keimfreier Aufzucht in speziellen Labors direkt in die Klinik oder Praxis geliefert. Ihre
therapeutischen Möglichkeiten bestehen aus einem ganzen Arsenal von Maßnahmen. Sie
reinigen und desinfizieren Wunden,
lindern Schmerzen,
befreien von chronischen Leiden oder
rücken das Immunsystem wieder zurecht.
Und dennoch kommen sie nach wie vor in vielen Fällen gar nicht oder erst dann zum
Einsatz, wenn die gesundheitlichen Probleme viel größer sind als die Überwindung, die ihr
Anblick Patienten, aber meist vor allem Ärzte und Pflegepersonal kostet.
Wundpflege ohne Nebenwirkungen
Für Wim Fleischmann von der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Bietigheim
begann alles mit einem Patienten, dessen wunder Fuß nicht heilte. Neueste Verbände,
ständige Überwachung, professionelle Reinigung der Wunde – nichts führte eine Besserung
herbei. Mit der drohenden Amputation wollte sich die Tochter des Patienten jedoch nicht
abfinden. Sie recherchierte, fragte nach und brachte schließlich das Thema Madentherapie
zur Sprache.
„Meine erste derartige Behandlung war eine Konzession an die Patienten“, sagt der
Unfallchirurg heute. Er ließ sich auf den Versuch ein, importierte Maden der Goldfliegenart
Lucilia sericata aus einem englischen Labor, siedelte sie in die offene Wunde seines
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Patienten um – und ließ sie das Bein des Mannes retten. „Seitdem bin ich von der Methode
überzeugt“, sagt Wim Fleischmann. Pro Jahr verarztet er seitdem 250 Patienten, die vor
allem an offenen Diabetikerfüßen oder Bettgeschwüren leiden, mit insgesamt 1 000
Madenverbänden. In der Regel sind sie nach fünf Behandlungen auf dem Weg der
Genesung. Speziell bei Wundsprechstunden für Diabetiker gilt: Ärzte, die
verantwortungsbewusst mit diesen Folgeerkrankungen umgehen, schließen eine
Madenbehandlung nicht aus.
Viele Krankenhäuser haben aus logistischen Gründen feste „Madentage“ eingerichtet. An
solchen Tagen dürfen die Maden ohne Verpackung ans Werk gehen, wenn die Wunden eher
klein und tief sind. Sind die offenen Stellen großflächig, werden die Maden in sogenannten
Bio-Bags verpackt auf die Wunde gelegt. Durch das Gewebe des Säckchens gelangen ihr
Speichel und ihre ammoniakhaltigen Ausscheidungen einerseits in die Wunde und töten dort
Erreger ab – auch multiresistente, gegen die Ärzte sonst machtlos sind. Andererseits fressen
sie totes Gewebe – das gesunde lassen sie unberührt. In 80 bis 95 Prozent aller Fälle ist das
Gewebe danach komplett von abgestorbenem befreit. Das kann Patienten in vielen Fällen
eine Amputation ersparen.
Blutsaugen gegen Arthrose
Ein satter Blutegel braucht bis zu zwei Jahre keine Nahrung!
Kniegelenksarthrosen sind ein Leiden, das jeden Schritt zur
Qual macht. Weil das Gelenk aufgrund seiner Beweglichkeit
sehr komplex ist, sind Gelenksprothesen erst dann sinnvoll,
wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Eine gute
Alternative ist der Einsatz von Blutegeln. „Nach meinem
Dafürhalten handelt es sich dabei um die wirksamste Therapie
von Schmerzen bei Kniegelenksarthrose“, sagt Gustav Dobos
vom Lehrstuhl für Naturheilkunde und traditionelle chinesische Medizin der Uni DuisburgEssen. „Eine einzige Behandlung mit vier bis sechs Blutegeln hilft 70 bis 80 Prozent aller
Patienten. Der Erfolg hält dann zwischen drei und sechs Monate an.“ Das zeigte auch eine
Studie mit Patienten, die an Arthritis im Daumengelenk litten. Bereits nach einer einzigen
Behandlung mit zwei bis drei Blutegeln profitierten sie stärker als eine Vergleichsgruppe
nach einer 30-tägigen herkömmlichen Behandlung mit Diclofenac-Gel. Der Effekt dauerte
auch länger an – zwei Monate lang spürten die Studienteilnehmer eine Besserung.
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