Panthera Solutions: EU-Trilogie, Teil 2

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Zentralbanken als Hedge Funds
EU-Trilogie Teil 2. Im ersten Teil ging es um die Bankenunion, jetzt schaut sich Markus
Schuller, Gründer von Panthera Solutions, das veränderte Verhalten der Zentralbanken
an. Schlechtes Vorbild sei ausnahmsweise mal die Schweiz und deren Notenbank.
Seit dem Beginn des modernen Investment Bankings sind Interessenskonflikte inhärenter
Bestandteil des Geschäftsmodells. Als Napoleon 1803 Louisiana an die 13 Gründerstaaten der
USA verkaufen wollte, um seinen Krieg gegen die Briten zu finanzieren, engagierten die USA die
britische Bank Barings Brothers, um den Deal zu finanzieren.
Gemeinsam mit der Amsterdamer Hope & Co. überzeugte Francis Barings den Käufer, Anleihen
im Wert von etwa 12 Millionen US-Dollar zu emittieren. Napoleon verkaufte die Papiere zu
einem diskontierten Kurs von 87,5 Dollar pro 100-Dollar-Nominale an Barings Brothers und
Hope & Co. weiter. Die beiden Investment Banken machten einen ordentlichen Gewinn. Das
internationale Investment Banking war geboren.
Die DNA der Zentralbanken
Die ersten Zentralbanken entstanden im Europa des 17. Jahrhunderts. Deren zentrale Aufgabe
war es, den Regierungen/Monarchen Geld zu leihen, respektive deren Staatsschulden zu
finanzieren. Im 19. Jahrhundert lag das Hauptaugenmerk der Zentralbanken auf der
restriktiveren Handhabe von Bankgeschäften und der Preisstabilisierung.
Vor diesem Hintergrund ist die konzeptionelle Etablierung der Deckungspflicht zu verstehen,
die Mitte des Jahrhunderts zur Einsetzung des Goldstandards führte. Zu dieser Zeit lebten die
US-Investmentbanken noch in einem Eldorado. Im Zuge des Aufbruchs gen Westen der USA,
etablierten sich nationale Champions wie Goldman Sachs, Salomon Brothers und Lehman
Brothers durch die Finanzierungen von benötigter Infrastruktur.
Das Eldorado glich einer Hochschaubahn. Es fehlte die ordnende Kraft einer Notenbank. Zwar
gab es Vorläufer zum derzeitigen Federal Reserve System, doch diese waren durch die Konflikte
zwischen Demokraten und Republikanern stark geschwächte Institutionen und ohne Bedeutung.
Erst Ende 1913 wurde der Federal Reserve Act von Präsident Woodrow Wilson unterzeichnet.
Der Fed wurde ab Gründung ein hohes Maß an Unabhängigkeit ermöglicht, solange die im
Federal Reserve Act definierten Ziele der Geldmarktpolitik – hoher Beschäftigungsstand,
Preisniveaustabilität und moderate langfristige Zinsen – erreicht werden. In ihrer
Unabhängigkeit war sie richtungsweisend für die künftige Ausrichtung anderer, bestehender
Notenbanken.
Exkurs für alle Verschwörungstheoretiker
In der Tat, die Banken sind Aktionäre der 12 regionalen Federal Reserve Banks (FRB). Doch sind
deren Rechte nicht mit jenen einer regulären Aktiengesellschaft vergleichbar. Private Banken
sind kraft Gesetzes Aktionäre der FRBs und haben keine freie Wahl, ob/wieviel sie investieren.
Deren Aktien sind nicht übertragbar. Die Mitglieder der Gremien werden politisch benannt. In
der Tat, die USA lebt das plutokratische Modell einer Demokratie, aber der Fed die
Steuerungshoheit zuzuschreiben ist zu weit gegriffen.
Die historische Einführung war notwendig, um die originäre Intention von Zentralbanken zu
erkennen, nämlich als Stabilisierungswerkzeug für Regierungen/Regenten.
Die Unabhängigkeit von Zentralbanken ist ein relativ junges Phänomen des 20. Jahrhunderts.
Wir bewegen uns seit Ausbruch der Great Recession Ende der 1920er Jahre wieder in Richtung
des ursprünglichen Verständnisses.
Nun ist der Titel „Zentralbanken als Hedgefonds“ irreführend. So wie ein privater nicht mit
einem öffentlichen Haushalt verglichen werden kann, ist es missverständlich eine
geldschöpfende Institution mit einem Investmentprodukt zu vergleichen.
Vergleichbar sind sie in einem Bereich, der so nicht vorgesehen war. Notenbanken agieren nicht
mehr nur zur Verfolgung ihrer Zielbestimmungen, sondern verspüren plötzlich
Veranlagungsdruck.
Von der Schweiz lernen
Nehmen wir als Beispiel die Schweizerische Notenbank (SNB). Als sich im Herbst 2011 der
Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken der Parität näherte, fixierte die SNB die
Marke 1,20 als Verteidigungslinie gegen die Aufwertung der eigenen Währung. Seither hält diese
auch.
Als Konsequenz druckte die SNB Schweizer Franken um Euro zu kaufen. Ihr Portfolio an
ausländischen Anlagen vervierfachte sich im Vergleich zum noch moderaten Programmstart
Anfang 2010. Mit einem Bruttoinlandsprodukt 2012 von ungefähr 570 Milliarden Schweizer
Franken (468 Milliarden Euro) und einer SNB-Bilanzsumme von 499,5 Milliarden Schweizer
Franken (410 Milliarden Euro) sprechen wir von 87,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung
des Landes.
Obwohl sich Fed, EZB, Bank of England (BoE) und Bank of Japan (BoJ) in ihrer expansiven
Haltung redlich Mühe geben, kommen sie nicht an die SNB heran. Die Schweiz konkurriert
derzeit mit China um die „Goldene Himbeere“ als aggressivste Notenbank. Man darf gratulieren.
Interessanter Nebenaspekt: Durch die Koppelung der Währung ist die stolze, unabhängige
Schweiz faktisch Teil der Eurozone.
Um ihre große Euro-Position abzusichern, begann die SNB ihr Portfolio zu diversifizieren. So
hält sie mehr als 10 Prozent in ausländischen Aktien. Auch tauschte sie Euro gegen US-Dollar,
das britische Pfund, den südkoreanischen Won und den australischen Dollar, spielt also globale
Makro‐Währungstrends.
Allokationsseitig mündet der Veranlagungsdruck in der gehebelten Global-Macro-Strategie eines
Hedgefonds. Interessant für die SNB Portfolio Manager, möchte man meinen. Hoffentlich
verhandelten sie sich eine 20 Prozent Performance-Gebühr. Ironie Ende.
Hier kommt das Problem: Gerüchteweise haben der SNB zwei ihrer Positionen im vierten
Quartal 2012 massive Verluste eingebrachten. So sollen Shorts auf den Wechselkurs von Euro
und japanischen Yen sowie Euro und US-Dollar Verluste in der Höhe von 16,5 Milliarden USDollar (12,6 Milliarden Euro) verursacht haben. Ob Buch‐ oder realisierte Verluste ist
unbestätigt. Bei Reserven von 50 Milliarden Dollar sprechen wir von der Reduktion um ein
Drittel binnen drei Monaten. Chapeau.
Nun ist die SNB eine kleine Notenbank. Und doch sollte sie als Warnsignal für die bestimmenden
Notenbanken gelten, was passieren kann, wenn sie nicht zwecks Zielbestimmung, sondern aus
der Not des Veranlagungsdrucks heraus, mit den Zwängen der Asset Allocation von nicht‐
geldschöpfenden Marktteilnehmern konfrontiert sind.
Zwei in Zukunft zu klärende Fragen
Demokratische Legitimation: Soll eine Notenbank folglich nicht nur Dividenden an das
Finanzministerium überweisen, sondern seinen Investoren, also den Bürgern, detailliert über
ihre Veranlagungsstrategie berichten?
Effektivität in Zielerreichung: Der Trend geht zum erweiterten Mandat (siehe Fed & BoE
Economic Targeting). Kehren Notenbanken zurück an die ursprüngliche Gängelbank der
Politik?
--Der heutige Gastbeitrag von Markus Schuller ist der zweite Teil einer EU-Trilogie, in der er die
EU im Kontext der Bankenunion (I), dem Aspekt der Zentralbanken als Hedgefonds (II) und
Strukturreformen in der gegenwärtigen „Finanziellen Repression“ (III) analysiert.
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