Ethik Klasse 8 - hoerstrup.com

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Ethik Klasse 8 | 17.11.2015
Was heißt hier Ethik?
Jeder von uns, der in der Lage ist, diesen [Text] zu lesen, hat Empfindungen und Wünsche, kann Leid
und Freude erleben. Und nicht nur er oder sie, sondern auch alle weiteren Menschen sowie Tiere ab
einer bestimmten Entwicklungsstufe, nämlich die Wirbeltiere. Moral hat ihren Ausgangspunkt in
genau dieser Einsicht: dass es eine Realität positiver wie negativer Empfindungen nicht nur für uns,
sondern ebenso für andere gibt. Diese Einsicht hat sowohl emotionale als auch [rationale] Anteile.
Wir müssen daher nicht alle anderen mögen oder Mitgefühl empfinden oder Gutes für sie wollen;
aber sobald wir einen Schritt zurücktreten und uns die Situation von einer übergeordneten Warte
aus vorzustellen versuchen, können wir uns doch dem […] Kerngedanken nicht verschließen. Das
Wollen und Fühlen und Erleben der anderen ist genauso real und bedeutend wie das unsere. Der
amerikanische Philosoph Thomas Nagel hat es so formuliert: „Ich muss anerkennen, dass ich objektiv
nicht wichtiger bin als irgendeine andere Person – dass meinem Glück und meinem Leid keine
größere Bedeutung zukommt als beliebigem anderen Glück und Leid. Und der Teil meines Selbst, der
dies begreift, ist absolut zentral und nicht weniger ein Stück meines Wesens als meine persönliche
Perspektive.“
Nagel verwendet hier das Wort „Personen“ Allerdings sind sich nicht alle, die Leid oder Freude
empfinden, dieser Tatsache […] bewusst; man muss nicht „Ich“ sagen können (oder das Konzept
verstehen), um bewusste Empfindungen zu haben. Bewusstsein ist nicht gleich Selbst-Bewusstsein.
Doch nur wer sich seiner selbst bewusst ist, von den eigenen Impulsen etwas zurücktreten kann,
besitzt moralische Verantwortung. Darum ist es, auch wenn es unschön klingt, sinnvoll, moralische
Subjekte von moralischen Objekten zu unterscheiden. Die ersteren sind moralische Akteure – also
erwachsene, geistig gesunde Menschen, die zwischen Handlungsalternativen bewusst und unter
moralischen Gesichtspunkten abwägen können.
Unendlich viel größer ist die Menge all der empfindungsfähigen Lebewesen, die zwar ein subjektives
Wohl besitzen, aber nicht in der Lage sind, selbst moralisch zu [handeln]; diese nennen wir
moralische Objekte. Weil die Menge der Objekte die der Subjekte zwar einschließt, aber
unvergleichlich viel größer ist, kann man das moralische Universum als asymmetrisch bezeichnen.
Ebenso wie der Demente ein Recht auf Eigentum hat, auch wenn er dieses Konzept vielleicht nicht
versteht, oder wie Kinder ein Anrecht auf Kindergartenplatz und Krankenversicherung haben
(sollten), so können auch Tiere moralische Rechte haben, obwohl sie selbst von Moral und Rechten
nichts wissen.
Doch was genau bedeuten nun „Rechte“ (und die ihnen korrespondierenden Pflichten)? [Haben
Menschen (und Tiere) diese Rechte einfach so, oder sind sie gottgegeben? Wahrscheinlicher ist,
dass] Rechte das Ergebnis von Selbstverpflichtungen sind, die wir als moralische Subjekte eingehen.
Wenn wir – als Einzelne, aber zumeist doch als größere Gruppe oder ganze Gesellschaften –
beispielsweise zu der moralischen Überzeugung gelangen, dass alle Menschen und Tiere ein Recht
auf Unversehrtheit haben, dann verleihen wie ihnen dadurch gedanklich dieses Recht. Es ist somit ihr
Recht an oder gegenüber uns. Ihren Rechten, korrespondieren unsere Pflichten.
Nun zählt einerseits die Kritik am Speziesismus, also einer Schlechterbehandlung anderer Lebewesen,
nur weil sie nicht Angehörige unser eigenen Spezies sind, zu den Kerninhalten der Tierethik.
Andererseits, ist damit noch nicht ganz geklärt, ob Tiere wirklich dieselben Rechte besitzen (sollten)
wie wir Menschen. Dem Inhalt nach – wenn es um Schulbildung geht oder Urlaubsansprüche – gibt
es offensichtliche Unterschiede, ebenso wie ja auch nicht alle Menschen dasselbe brauchen, können,
wollen. Aber haben gleichlautende Rechte, zum Beispiel das auf Unversehrtheit oder Freiheit, bei
Mensch und Tier das gleiche Gewicht? Menschliche und tierische Rechte dort abzuwägen, wo sie
miteinander konkurrieren, bildet den Inhalt konkreter tierethischer Fragestellungen. […]
Quelle: Sezgin, Hilal: Artgerecht ist nur die Freiheit, Eine Tierethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen, München 2014, S. 48-51.
Ethik Klasse 8 | 17.11.2015
Aufgaben:
1. Ergänze das Glossar und trage ggf. weitere unbekannte Begriffe ein.
2. Erkläre, warum das moralische Universum als asymmetrisch bezeichnet werden kann.
3. Beurteile, ob man Tieren moralische Rechte zuschreiben sollte. Begründe dein Urteil.
Zeit: 20 Minuten
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