Ansätze zur Demokratie im antiken Rom

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Demokratien in der Antike: Athen und Rom.
Der Begriff Demokratie.
Der Begriff Demokratie kommt aus der griechischen Sprache und bedeutet "Herrschaft des
(einfachen) Volkes". Er steht ursprünglich im Gegensatz zu
Monarchie
Erbliche Herrschaft eines Einzelnen, d.h. eines Königs bzw. Kaisers
Aristokratie
Herrschaft von Adeligen (Ämter erblich)
Oligarchie
Herrschaft von Wenigen
Theokratie
"Gottesherrschaft", tatsächlich: Herrschaft von religiösen Führern
Diktatur
Herrschaft von Leuten, die mit Gewalt die Macht an sich gerissen haben (oft
Militärdiktatur)
Für das Verständnis der Demokratischen Staatsformen im klassischen Altertum (Athen und
Rom) ist diese Abgrenzung als Ausgangspunkt sicher nach wie vor geeignet, auch wenn sie
zum Verständnis heutiger, moderner Demokratien kaum mehr taugt.
1) Verschiedene Gesellschaftsformen im antiken Griechenland
Das antike Griechenland bestand aus mehreren Stadtstaaten, die ein aus heutiger Sicht
bescheidenes Umland beherrschten. Sie waren voneinander nicht nur durch Gebirgszüge
getrennt, sondern entwickelten auch recht unterschiedliche Gesellschaftsformen. Allen
gemeinsam war, dass eingewanderte indoeuropäische Stämme dies vorher ansässige
Urbevölkerung gewaltsam unterworfen und versklavt hatten.
In der Stadt Sparta lebten die Frauen und Kleinkinder der Eroberer in Landhäusern, alle
Männer dagegen in der Stadt, die eigentlich nur aus einem Militärlager ohne jeden Luxus
(daher der Begriff spartanisch) bestand. Die anderen Griechen fürchteten ihre militärische
Stärke und spotteten über ihre Kulturlosigkeit.
Anders in Athen: Die militärischen Anführer sicherten sich grössere Anteile des eroberten
Landes und wurden zu einer Adelschicht von Grossgrundbesitzern und Grosshändlern, die
alle Macht im Staat an sich rissen (Aristokratie). Die Mehrheit des Einwanderervolkes
bestand aus armen Bauern, Hirten, Fischern, Handwerkern und Tagelöhnern, die zwar
persönliche Freiheit, aber keine politischen Rechte besassen. Praktisch rechtlos und von
ihren Herren vollständig abhängig waren die unterworfenen Sklaven. Viele Bauern und
Hirten verarmten immer mehr, einige wenige Handwerker kamen durch den Aufbau von
grossen Werkstätten mit Sklaven und Lohnarbeitern oder als Händler zu Reichtum. Die
Richter aus dem Kreis des Adels waren bestechlich und urteilten willkürlich. Die Regierung
lag in den Händen von neun adeligen Archonten, die nach einjähriger Amtszeit in den "Rat
der Ältesten" wechselten. Um 600 v. Chr. versuchte der Archon Drakon die Willkür im Staat
durch geschriebene Gesetze zu bannen. Er setzte dabei aber so harte ("drakonische")
Strafen fest, dass die Not nur noch grösser wurde und die Erbitterung stieg. Aufstände
brachen aus und ein Bürgerkrieg drohte.
2) Demokratische Reformen in Athen unter Solon
In dieser Situation wurde Solon zum Archon gewählt. Er schuf ein erstes Grundgesetz
(Verfassung), in dem Pflichten und Rechte der Bürger festgeschrieben wurden. Neu gab es
vier Klassen von Bürgern: Grossgrundbesitzer, Handwerker und Händler, Bauern sowie
Tagelöhner. Nach ihrem Vermögen dienten sie im Krieg zu Pferde (erste zwei Klassen), als
gepanzerte oder als leichtbewaffnete Fusssoldaten. Die Volksversammlung, in der alle
männlichen Bürger, nicht aber Frauen und Sklaven Stimmrecht hatten, beschloss Gesetze
und wählte die Beamten. Diese erhielten allerdings keine Bezahlung, sie mussten also von
ihrem Vermögen leben. Archonten konnten nur die Angehörigen der reichsten Klasse
werden.
Die Unzufriedenheit hielt an - die Reichen glaubten zuviel verloren, die Armen zuwenig
gewonnen zu haben. Da riss Peisistratos mit einigen Anhängern die Macht an sich und
regierte während vielen Jahren als Tyrann (Diktator). Auf Staatskosten liess er eine grosse
Flotte und schöne Gebäude errichten, gründete Kolonien und sorgte so für wirtschaftlichen
Aufschwung und Arbeit. Deshalb liess man ihn gewähren (ganz ähnlich wie 2500 Jahre
später Hitler in Deutschland). Es gab auch andere Tyrannen in Griechenland, die vor allem
sich selbst bereicherten.
3) Blütezeit der Demokratie in Athen unter Kleisthenes
Nach dem Tod des Peisistratos ordnete Kleisthenes 507 v. Chr. den attischen Staat neu. Die
Volksversammlung entschied wie zu Solons Zeiten über Krieg und Frieden, Bündnisse,
Verleihung des Bürgerrechts und wählte Beamte. Auch das Volksgericht tagte wieder. Die
Amtsgeschäfte führte ein Rat von 500 Bürgern, von denen 50 während je eines Tages den
Rat leiteten. Weil immer wieder einzelne Adlige nach übermässigem Einfluss strebten, führte
Athen wenig später das Scherbengericht ein: Jeder Bürger konnte Namen von Personen, die
der Freiheit des Volkes gefährlich wurden, auf Tonscherben schreiben. Die
Volksversammlung konnte solche Leute auf 10 Jahre aus der Stadt verbannen. Nun erst
ordnete sich der Adel ein. Perikles führte Athen - Jahr für Jahr vom Volk im Amt bestätigt - in
eine lange Friedenszeit (449-431 v. Chr.).
Das Ende der Demokratie in Athen begann damit, dass Perikles die Bundesgenossen
Athens aus den Perserkriegen immer mehr als Untertanen statt als gleichberechtigte Partner
behandelte. Sein Neffe Alkibiades war ein geschickter Redner und verführte das Volk zu
Eroberungskriegen. Griechische Städte erhoben sich mit Hilfe Spartas gegen die Herrschaft
Athens und beendeten sie. Damit war auch die Demokratie vorerst gescheitert.
Fazit: Die Demokratie in Athen lässt sich nur sehr bedingt mit einer modernen
Demokratie vergleichen. Trotzdem sind ihr drei wesentliche Punkte mit dieser
gemeinsam:
> Die Demokratie in Athen entstand als Reaktion auf übergrosse Machtfülle und
Machtmissbrauch durch Einzelne
> Wichtigste Aufgabe der Demokratie sind die Kontrolle der Regierung und der Gerichte
sowie die abschliessende Entscheidung über Fragen von grosser Tragweite
> Gefahr droht der Demokratie durch Populisten, d.h. durch Leute, die es verstehen, dem
Volk mit (meist kurzsichtigen) einfachen Rezepten mehr zu versprechen, als realistisch ist während verantwortungsvolle Politiker sich mit der harten Wahrheit unbeliebt machen.)
4) Ansätze zur Demokratie im antiken Rom
Am Anfang stand die Monarchie (Königsherrschaft) in Rom
Rom wurde gemäss römischer Zeitrechnung 753 v. Chr. gegründet. Die näheren Umstände
verlieren sich im Nebel der Sagen und Mythen. Ab etwa 600 v. Chr. herrschten etruskische
Könige in Rom. Ihre Leibwächter, die so genannten Liktoren, trugen auf der Schulter ein
Rutenbündel mit einem Beil. Dieses symbolisierte die richterliche Gewalt des Königs über
Leben und Tod der Bewohner Roms.
Aristokratie (Adelsherrschaft) mit demokratischen Elementen im alten Rom : der König
wurde vom römischen Adel um 500 v. Chr. gestürzt. An seine Stelle traten zwei jeweils auf
ein Jahr gewählte Konsuln und ein Parlament [gesetzgebende Versammlung] mit 300
Mitgliedern, der Senat. Wählbar waren allerdings nur Adelige. Das Volk war nach Vermögen
in Klassen mit abgestuften Rechten und Pflichten eingeteilt. Die wehrfähigen Männer
mussten ihre Waffen und Rüstungen selbst beschaffen und unterhalten. In den
Volksversammlungen wurden die Patrizier (adlige Ritter) und die schwer bewaffneten
reichen Bürger zuerst befragt, die übrigen Klassen erst, wenn sich die ersteren nicht einigen
konnten. Leute ohne Vermögen, die so genannten Proletarier [lateinisch
proles=Nachkommen: besassen nichts ausser Nachkommen], mussten keinen Kriegsdienst
leisten, hatten aber auch kaum Rechte. Alle fünf Jahre wurden zwei Censoren gewählt, die
das Vermögen der Bürger schätzten und sie in die Klassen einteilten. Die Censoren beriefen
auch die Senatoren.
Demokratische Reformen in Rom: Volkstribune und Plebiszite
Kleine Bauern, Handwerker und Händler gerieten in Not, wenn sie wegen eines
Kriegsdienstes ihre Arbeit ruhen lassen mussten. Wer seine Schulden nicht bezahlen
konnte, wurde mitsamt seiner Familie als Sklave verkauft und verlor damit alle Rechte.
Umgekehrt gab es Plebejer [nicht adelige, "gewöhnliches Volk"], die mit der Zeit zu grossem
Vermögen gelangten, aber nicht die gleichen Rechte erhielten wie die adeligen Patrizier.
Wegen dieser Probleme verliess eine Gruppe von Plebejern Rom und drohte eine eine neue
Stadt zu gründen. Die Patrizier gestanden den Plebejern daraufhin 471 v. Chr. eigene
Beamte, die Volkstribunen zu: die Volkstribunen wurden nur von den Plebejern gewählt und
besassen ein Vetorecht [lateinisch veto = ich verbiete, d.h. sie konnten Beschlüsse des
Senates und Anordnungen der Beamten durch Einsprache aufheben]. Heute bezeichnet
man gelegentlich Politiker als Volkstribunen, die in einfacher, markiger Sprache gegen die
Regierung und gegen die sogenannte "classe politique" lospoltern und dabei vorgeben, die
Interessen des einfachen Volkes besonders zu vertreten.
Um 450 v. Chr. wurden auf Druck der Plebejer die geltenden Gesetze auf 12 Bronzetafeln
aufgeschrieben und damit die Willkür der Richter eingeschränkt. Ab 367 v. Chr. konnten
Plebejer als Konsuln, ab 300 v. Chr. auch in alle übrigen Ämter gewählt werden. Ab 287 v.
Chr. galten Beschlüsse der Volksversammlung der Plebejer, sogenannte Plebiszite als
verbindliche Gesetze für alle Bürger Roms.
Stimmenkauf, Brot und Spiele
In vielen Kriegen gegen die Etrusker, Karthager und Griechen erkämpfte sich Rom die
Vormacht im Mittelmeerraum und kontrollierte den Handel. In den unterworfenen Gebieten
wurden Steuern eingezogen. Vom neuen Reichtum profitierten vor allem die reichen
Schichten, während kleine Bauern und Handwerker wegen der häufigen Kriegsdienste
verarmten. Diese mittellosen Proletarier lebten auf engstem Raum in Wohnblöcken und
lebten davon, ihre Stimme an der Volksversammlung an diejenigen Adligen zu geben, die
ihnen panem et circenses [Brot (und Kleidung) sowie Zirkusspiele] versprachen. Rund je ein
Drittel der Bevölkerung waren Proletarier und Sklaven, ein Viertel gehörte zum Mittelstand
und weniger als 10% bestimmten die Geschicke des Volkes.
Verarmung der Massen und Erweiterung des Bürgerrechtes: die Reformversuche der
Gracchen.
Mit der Verarmung der Massen nahm auch die militärische Stärke Roms ab - während
gleichzeitig nördlich der Alpen, aber auch in Nordafrika und im Nahen Osten neue
Herausforderungen entstanden. Während die adligen Grossgrundbesitzer an der alten
Ordnung (und damit am Grossgrundbesitz) festhalten wollten, suchten die Gracchen neue
Wege: Der Volkstribun Tiberius Sempronius Gracchus und sein Bruder Gaius Sempronius
Gracchus wollten die Grossgrundbesitzer teilweise enteignen und das Land an Proletarier
verteilen, um den militärdienstpflichtigen Mittelstand zu stärken. Zudem sollten alle Italiker
das römische Bürgerrecht erhalten. Ihre Methoden verstiessen aber gegen die geltende
Verfassung, beide Grachen wurden ermordet. Gegen die aus Norden eindringenden
germanischen Kimbern und Teutonen siegte der Konsul Gaius Marius 102/101 v. Chr. nur
dank eines bezahlten Berufsheeres aus Proletariern. Die Italiker [Oberbegriff für
verschiedene Völker, die zur Römerzeit in Italien lebten] schlossen sich zu einem eigenen
Staat zusammen und erstritten sich das volle römische Bürgerrecht in einem blutigen Kampf
90/89 v. Chr.
Rivalenkämpfe unter Feldherren, Miliärdiktatur und Triumvirat
Gaius Marius und Lucius Cornelius Sulla stritten um den Oberbefehl im Feldzug gegen den
persischen König Mithradates. Als nach der Verfassung Sulla durch das Los bestimmt
wurde, liess sich Marius das Amt durch Beschluss der Volksversammlung übertragen. Sulla
besetzte Rom mit seinen Truppen, Marius musste nach Nordafrika flüchten. Während Sulla
im Osten erfolgreich gegen die Perser kämpfte, besetzte Marius mit seinem Heer Rom, liess
Sullas Anhänger ermorden und regierte bis zu seinem Tod 86 v. Chr. Sulla kehrte zurück
und errichtete seinerseits eine Miltitärdiktatur. In den Fussstapfen von Marius und Sulla
bildeten die Heerführer Gnaeus Pompejus und Gaius Julius Caesar mit dem Financier
Crassus um 60 v. Chr. ein Triumvirat [Geheimbund von drei Männern] und schanzten sich
gegenseitig die hohen Ämter zu. Damit war die Demokratie in Rom faktisch gestorben.
Ermordung Cäsars, Kaiser Augustus
Die Ermordung Cäsars durch 23 Anhänger der alten Verfassung (44 v. Chr.) konnte den
Übergang zum formellen Kaisertum nicht mehr verhindern, nur noch verzögern. Octavianus
Augustus, Enkel von Caesar Schwester Julia, liess sich 27 v. Chr. zum Imperator
[Oberbefehlshaber] auf Lebenszeit ernennen, erschlich sich nach und nach alle tatsächliche
Macht und degradierte Senat und Volksversammlung zu Statisten. Augustus führte riesige
Berufsheere ein und begründete auch die religiöse Verehrung des Kaisers, den Kaiserkult.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Demokratie ist die wohl anspruchsvollste und gefährdetste Staatsform. Die antiken
Demokratien in Athen und Rom stellen Vorläufer der heutigen Demokratien dar, denen
wesentliche Elemente moderner Demokratien (allgemeines Wahlrecht, gleiche Rechte für
alle Bürger) fehlen. Athen und Rom waren Klassengesellschaften mit rechtlosen Sklaven und
nach Vermögen abgestuften Rechten für die freien Bürger. Mit dem militärischen Erfolg und
dem Aufstieg zur Grossmacht stieg der Einfluss der Feldherren, der Verwaltung und der
Grosskaufleute. Dadurch sowie durch Stimmenkauf wurde die Demokratie ausgehöhlt und
schliesslich durch Militärdiktaturen abgelöst.
In Europa wurde die Idee der Demokratie während rund anderthalbtausend Jahren nicht
mehr wirklich aufgenommen. Auch die Alte Eidgenossenschaft in der Schweiz kann entgegen der volkstümlichen Meinung - nicht als echte Demokratie bezeichnet werden, denn
von deren 13 Teilstaaten (heute als Kantone bezeichnet) kannten nur einige wenige
Talgemeinschaften in der Zentralschweiz mit der Landsgemeinde [jährliche oder
halbjährliche Volksversammlung] elementare demokratische Formen, während die
Stadtrepubliken die Bevölkerung ihres Umlandes wirtschaftlich ausbeuteten und ihnen kaum
Rechte gewährten. Rund die Hälfte der heutigen 26 Kantone und Halbkantone waren
Untertanengebiete.
Die moderne Demokratie wurde von den Philosophen der Aufklärung angedacht und in
langen Kämpfen vom Volk Schritt für Schritt erstritten. Drei wesentliche Punkte sind der
modernen Demokratie und ihrer Vorstufe in der Antike gemeinsam:
1. Demokratie entstand als Reaktion auf übergrosse Machtfülle und Machtmissbrauch
durch Einzelne.
2. Wichtigste Aufgabe der Demokratie sind die Kontrolle der Regierung, die Verhinderung
von willkürlichen Gerichtsurteilen und die breit abgestützte abschliessende Entscheidung
über Fragen von grosser Tragweite.
3. Gefahr droht der Demokratie durch Populismus, d.h. durch einfache Rezepte, die dem
Volk mehr versprechen, als realistisch ist - während verantwortungsvolle Politiker sich mit
der harten Wahrheit unbeliebt machen.
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