Namestnik - Obdach Er schrieb das Friedens

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„Erlebte Geschichte – Obdach einst – Zeitzeugen berichten“
2. Beitrag:
Karl NAMESTNIK
Wer war Karl Iwan Namestnik?
Wenn man Obdacherinnen oder Obdacher befragt:
„Kannten Sie Herrn Dir. Karl Namestnik?“, bekommt man
verschiedenste Antworten, wie:
„War er nicht der Erfinder der Wasserski?“
„Ging er nicht zu Fuß nach Rom?“
„Er transportierte die Marienstatue mit einem kleinen
Wagerl von Obdach auf den Zirbitzkogel“.
Er schrieb das Friedens – Ave Maria.
Er lernte mir schwimmen.
Er lehrte mich das Geigenspiel, das Zitherspiel.
Er wurde frühpensioniert, war da nicht so ein Gerücht?
Zu Hause war er wohl schwierig, die Frau hat viel
mitgemacht.
Hatte er Wahnvorstellungen?
Er war vom 24. April 1926 bis 20. Oktober 1933 Direktor der Volksschule Prethal.
Wir spielten als Kinder im Pirner Waldl, oft spielte er dabei mit der Zither vor und sah uns zu.
Er ging fast wöchentlich auf den Zirbitzkogel, sein Spruch dabei: „ Zirbitzkogel – Pauliwirt, in einer
Stund wird´s abrasiert!“
Bei unseren Recherchen und der Durchsicht historischer Unterlagen nach geschichtlich
interessanten Persönlichkeiten aus dem Obdacher Land, stieß Frau Elfriede Werthan auf einen
Bericht von Sportredakteur Prof. Max Pfliger über den Erfinder der Wasserski. Sofort war unser
Interesse geweckt und wir begannen zu forschen.
Besondere Hilfe wurde uns hiebei von Herrn Mag. Hermann Wogrolly, einem sehr bedeutenden
Zeitzeugen von Herrn Karl Namestnik zuteil sowie von Frau Mia Magnes – Fetzer und Herrn Mag.
Dieter Roßböck.
Herzlichen Dank für die Bereitstellung von Fotos, Zeitungsberichten, Schriftdokumenten und
persönlichen Hilfestellungen.
Ich hoffe, dass wir Ihnen mit der gewissenhaft erarbeiteten Lebensgeschichte „Dir. Karl Namestniks“ ein Bild
von einem außergewöhnlichen Menschen, der seiner Zeit weit voraus war und rigorose Leistungen vollbrachte,
nahe bringen können.
Wir wünschen uns, dass wir der Persönlichkeit von Dir. Karl Namestnik gerecht werden.
Anneliese Köstenberger
Sportjournalistin Elfriede Werthan berichtet:
Karl Namestnik als tollkühner Bergsteiger und Erfinder der Wasserski
1928 erfand Karl Namestnik die Wasserski, wohl aus der Sehnsucht heraus, auch im Sommer seinen
geliebten Skisport betreiben zu können.
Er war zu diesem Zeitpunkt aber auch ein Bergsteiger
der Extraklasse. Wörtlich schrieb er nieder: „Ohne Seil
und Steigeisen erstieg ich 1909 mit dem 193 cm
langen, überschlanken Edi Legat den Großglockner,
1910 den Ortler.
Ortler 1908
Großglockner 1908
1911 erreichte ich in Lederhosen und nackten Knien den
Gipfel des Montblanc, wurde dabei fast schneeblind.
Auf der Heimreise erstieg ich die Parseierspitze, verirrte
mich beim Abstieg in der Ostwand, stürzte etliche Meter ab, blieb an einer Felskanzel hängen und
gelangte nach unsäglichen Anstrengungen zum Parseiergletscher. Bis auf einige gröbere
Hautabschürfungen bin ich glimpflich davon gekommen! „Jesus, Maria!“ war mein Schrei während
des Sturzes. Seit diesem Erlebnis ist mein Glaube an Schutzengel in meiner Seele fest verankert!
Damals standen die Alpenblumen noch nicht unter Naturschutz. Ich habe alle Schulkameraden mit
Enzian, Edelweiß, Bergkristallen, Granaten, Tropfsteinen und anderen Kostbarkeiten versorgt.
In der Saggau habe ich Perlen gefischt, die größte, die ich in einer Flussperlmuschel fand, wurde in
Wien auf 400,-- Schilling geschätzt.
Zwischen Barcz und Esseg fand ich im Verein mit 3 Zlataren (Goldwäscher) an einem Nachmittage
einen Fingerhut voll reinem Schwemmgold. 1 ½ Gramm gaben sie mir zum Andenken mit, ich
verteilte es an Bekannte und Freunde – so der Bericht von Karl Namestnik.
1928 erfand Karl Namestnik – er war nun 35 Jahre alt – die durch eine bewegliche Stangenführung
gekoppelten Wasserski. Er erprobte sie erstmals offiziell mit einer 22 km-Tour durch den Wörthersee:
Vom Lendkai in Klagenfurt ging es ohne zu Kentern nach Velden!
„Da läuft einer auf der Mur ….“
Durch diesen Erfolg ungemein beflügelt, wagte Karl Namestnik kurz darauf sein
nächstes Flussabenteuer. In einem Zeitungsbericht ist zu lesen:
„Vollständig bekleidet schiffte sich der Lehrer in Zeltweg ein und fuhr in vier Stunden auf der Mur
nach Leoben. Eine Woche später gings von Leoben nach Graz und er landete glatt um halb 10 Uhr
nachts beim Stromwächterfloß. Ein paar nächtliche Spaziergänger riefen: „Schauts da läuft einer auf
der Mur“, worauf bald ein kleiner Auflauf entstand und Namestnik durch begeistete Zurufe zum
Helden des Tages erklärt wurde.“
Ein weiterer Zeitungsbericht schildert eine neuerliche Großtat Karl Namestniks ebenfalls sehr
anschaulich:
Erfinder der Wasserski – erste Übungsversuche
Zu Pfingsten 1928 hatte Wien seine
am Fetzer Teich im Jahr 1928
Sensation:
Ein Mann „spazierte“ auf
Wasserskiern die Donau herab, ging
im Kuchelauerhafen bei Nußdorf „vor
Anker“ und wurde mit spontaner
Begeisterung empfangen. Dann wurde
für ihn ausnahmsweise die Schleuse
zum Donaukanal geöffnet und der
Wasserskiläufer setzte seine
sensationelle „Wanderung“ bis zur
Rotundenbrücke fort. Dort ging er an
Land und verteilte an die verdutzten
Wiener steirischen Bergenzian aus dem
Prethalgraben bei Obdach. Die blauen
Glocken, vor dem Schulhaus in dem kleinen Dörfchen Prethal gepflückt, waren noch frisch wie vor
vier Tagen, als der Wassersportler auf seinen aus Fichtenbrettern gebastelten Wasserskiern in
Innsbruck „in See stach“. Genau vier Tage und vier Stunden benötigte er von Tirols Hauptstadt
innabwärts und über Passau und Linz die Donau hinab nach Wien.
Der Enzian aber war nicht verwelkt, weil er auf einem auf den Wasserskiern aufgenagelten Blechteller
die Zeit über „eingefrischt“ – in fließendem Wasser sogar! – gewesen war. Und das Sträußlein
Alpenblumen sollte den Wienern zugleich beweisen, dass der Obersteirer kein einziges Mal gekentert
war!
Nun kam die Zeit der Auslandsfahrten und Karl Namestniks Kühnheit wurde bald ebenso
sprichwörtlich wie seine Unbekümmertheit: Nie nahm er Reisedokumente mit! Das brachte freilich so
manches zusätzliche Abenteuer mit sich. Für die 222 km lange Strecke von Wien nach Zsob bei
Budapest benötigte Namestnik nur zwei Tage. Da er für Ungarn jedoch kein Visum besaß, wurde
ihm freundlich nahegelegt, gleich wieder umzukehren. Namestnik nahm es gelassen, bestieg das Schiff
„Kyrall Elisabetha“ und landete am Tag darauf wieder bei der Reichsbrücke in Wien, seinem Startort.
In den Ferien machte Namestnik der „Rheinschifffahrt“ Konkurrenz. Mit seiner „Arche Steiermark“
reiste er von Bregenz rheinabwärts bis an die Nordsee. Die 1200 Kilometer bis Rotterdam befuhr
er wieder ohne Papiere, aber kein Mensch behelligte diesmal den steirischen Seefahrer.
Zweimal startete er auch von Marburg aus, seiner Geburtsstadt, wo Namestnik am 5.12.1893 geboren
und auf den Namen Karl Iwan getauft worden war.
Auf Drau und Donau ging es zunächst nach Belgrad (700 km), 14 Tage später von Marburg nach
Esseg (400 km), „um dem Gastgeber Emil Jaucz auf meiner kleiner Kindlzither ein
Freundschaftskonzert zu geben“, wie Karl Namestnik schrieb.
Bei Sturm über den Ärmelkanal
Es ist unfassbar, was Karl Namestnik mit seinen Wasserskiern zu leisten imstande war. Großartiger
Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn war die Überquerung des Ärmelkanals von Cap Grisnez
(Frankreich) nach Dover am 27. August 1931. In achteinhalb Stunden bezwang Namestnik die 33
km lange Meeresenge, doch welch eine Herausforderung hatte er dabei zu bestehen!
Als Karl Namestnik unterwegs war, begann das Wetter derart stürmisch zu werden, dass die
Schifffahrt eingestellt werden musste. Vor Dover schien das Unternehmen hoffnungslos zu scheitern:
Eine starke Flut trieb Namestnik gegen Folkestone, aber als man am Ufer schon glaubte, der Steirer sei
ins Meer gefallen, meisterte er die Strömung doch noch mit letzter Kraft.
Unbeschreiblicher Jubel empfing ihn bei der Landung im Dover und in dieser Stunde wurde
Karl Namestnik weltberühmt:
Die internationale Presse veröffentlichte sein Bild, die englische „Daily
Mirror“ feierte ihn wie einen Weltumsegler mit einem ausführlichen
Bericht. Man konnte es kaum fassen: Während sich Ozeanriesen in
schützende Häfen retteten, hatte ein tollkühner Wasserskiläufer den
stürmischen Gewalten des Meeres getrotzt.
Freilich: Auch nach Dover war Karl Namestnik ohne Reisepapiere
unterwegs, er wurde ins Einwanderungsbüro gebracht und die
Konversation gestaltete sich etwas holprig: Namestnik beherrschte nur
wenige Worte Englisch ……
4000 „Reisekilometer“ hatte der Steirer mit den Wasserskiern in seiner
Sportlerlaufbahn gemeistert.
Bei Sturm über den
Ärmelkanal - 1931
Er war auf vielen Ebenen ein Ausnahmekönner.
Wie Karl Namestnik Ernas Vater friedlich stimmte
Eine Episode in Karl Namestniks Leben sorgte in Obdach lange Zeit für Gesprächsstoff. Sie ereignete
sich 1945, knapp nachdem er aus dem KZ Dachau heimgekehrt war. Wörtlich schrieb Karl Namestnik
in seinen Erinnerungen nieder:
„Ich gab den aufgeweckten Kindern der Stadt und Umgebung meine ersten Zitherstunden, baute ein
paar Wasserski, ein sechs Meter langes Zillenboot und hatte bald so viel verdient, dass ich Wäsche,
Kleidung und Schuhwerk in Ordnung bringen und ein lichtes, sonniges Stübchen mieten konnte.
Bei meinen ersten Läufen auf den nahen kleinen Fetzer Teich befand sich unter der sportbegeisterten
Jugend, die ohne viel Federlesen auf den gekoppelten Skiern kühne Erstlingsläufe riskiert hatten, ein
vierzehnjähriges Mädchen, das mit einer außergewöhnlichen Sicherheit gleich beim ersten Versuch
den fast 1 1/2 km langen See ohne Umschmiss durchlaufen hatte. Erna war die Tochter eines
Zitherlehrers und Strumpfwirkers aus der nächsten Umgebung des von Baumgruppen umrahmten
Stadtangers und war mir sehr zugetan.
Als man mich eines Sonntags einlud, mit auf den Pinzigberg zum Festgottesdienst zu kommen, bot
sich Erna an, mich zu begleiten. Ich gab ihr den Rat, ihre Eltern davon zu verständigen, weil wir ja
voraussichtlich erst am Abend zurück sein würden.
Fröhlich plaudernd und singend wanderten wir in den herrlichen Maientag hinein! Als wir das
liebliche Bergkirchlein erreicht hatten, war der Gottesdienst bereits beendet und hundert fromme
Wallfahrer wanderten nach allen Richtungen in fröhlichster Stimmung zurück in ihre Behausungen.
Kaum ein Dutzend Leute waren noch im Inneren der Kapelle
Erna und ich sangen mit großer Inbrunst alle sechs Strophen meines „Friedens Ave-Maria“.
Ich begleitete auf meiner prachtvoll tönenden Jobstzither, die ich drei Jahre lang als Trösterin in Leid
und Not im Konzentrationslager hatte bei mir behalten dürfen.
Einige Frauen und Mädchen und ein dreizehnjähriger Knabe kamen auf´s Chor hinauf; ich schrieb
rasch die Texte mit Hilfe der bereitwilligen Jugend auf einige Blätter, verteilte diese und wir sangen
nun gemeinsam mit leuchtenden Augen dreistimmig dieses Friedenslied!
Die einfältigen Leute waren sowohl von den Worten als auch von der Weise begeistert, drückten mir
die Hände und wir sangen nochmals! Ich überließ ihnen die Blätter, verabschiedete mich und wollte
mit Erna nach Hause wandern.
Die Mutter des Knaben, eine stattliche Bauerntochter, lud uns beide ein, auf ihren nahen Gutshof
mitzukommen. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und so willigten wir ein!
Durch herrlichen Hochwald und über blumenübersäte Wiesen und Weiden wanderten wir fast eine
Stunde lang bis zum Gehöft. Dort sangen wir mit großer Lust einige bekannte Lieder, drei- und
vierstimmig, denn die Großeltern des Knaben waren auch gottbegnadete Sänger.
Nachdem der stimmbegabte Junge mehrere Kunstlieder gesungen hatte, die er auf dem Klavier selbst
begleitete und unser Ave Maria nochmals vierstimmig prächtig erklungen war, mussten wir den
Heimweg antreten. Die Milch tranken wir rasch aus, Speck und Brot schob ich ein, um es unterwegs
zu verspeisen. In bester Laune eilten wir so rasch als möglich auf der Bezirksstraße gegen Auerbach.
Plaudern, Singen und Brot und Speck knuspern lösten einander ab, bis wir den Stadtrand erreicht
hatten.
Da stand plötzlich der Vater Ernas vor uns, empfing das Töchterlein mit zwei schallenden Ohrfeigen
und mich mit einem Donnerwetter. Mein reines Gewissen gab mir die nötige Ruhe, das arme Kind zu
entschuldigen. Der dickköpfige Bayer ließ mich nicht zu Worte kommen, nahm sein Töchterlein
väterlich bei der Hand und stürmte im Eilmarsch davon. Ich war wie betäubt! So ein wundervoller
Maientag, so ein tragisches Ende.
In dieser Seelenverfassung konnte und wollte ich nicht nach Hause. Den Stier bei den Hörnern
nehmen, bleibt sonst nichts übrig. Mein alter, oft bewährter Grundsatz!
Ich ging die Treppen zur Wohnung der Strickersfamilie ruhig hinauf, klopfte energisch an.
„Schaun´s das hinauskommen, sonst kann Ihnen was passieren!“
Mir passiert nix, i bin unschuldig, die Erna ……!!
Die Mutter des Mädchens mengt sich beschwichtigend ein, Erna heulte, die beiden erwachsenen
Schwestern schauen mich fragend an, der Vater misst mich von oben bis unten.
Ich kläre auf und sage: „Herr Meister, zwei Minuten lassen Sie mich ruhig sprechen und wir beide
sind Freunde fürs Leben! Ich stellte mich vor, die jüngere der beiden Schwestern bestätigt, dass Erna
sie verständigt habe, dass sie mit mir auf den Pinzigberg wandern wolle, aber man habe vergessen, es
den Eltern mitzuteilen. Ich schildere wahrheitsgetreu unsere Singproben im Bergkirchlein, unsere
Einladung ins Bauerngehöft und unseren beschleunigten Heimmarsch. Mein ehrliches Gesicht und
mein aufrichtiger Charakter blieben nicht ohne Wirkung. Der gewandte Stricker und leidenschaftliche
Zitherspieler reicht mir versöhnt die Hand. Ich muss Platz nehmen, die Frau mit den drei Töchtern
zieht sich ins Frauengemach zurück und wir beide sind noch diese Nacht Freunde geworden.
Ich muss ihm meine Meisterzither ausprobieren lassen; er spielt entzückende Ländler und Weisen. Ich
lege meine ganze Seele ins Spiel, lasse das Ave Maria in vollen Akkorden erklingen und als ich gar die
Wiener- in Münchnerstimmung umgruppiere, ist der gemütvolle, strenge Vater Feuer und Flamme!
Wir spielen auf zwei Zithern bis Mitternacht, dann wird der restliche Speck gekostete, eine Tasse
kalter Kaffee getrunken, ich bleibe im Dachstübchen über Nacht, ziehe am nächsten Vormittag das
Griffbrett der Zither des Gastgebers ab und manchen gemütlichen Abend verbringe ich bei der lieben
Strickerfamilie!
Gott segne sie alle, die mir in dauernder, freundlicher Erinnerung geblieben ist.
Die Worte und Weise meines Friedens Ave Maria lege ich dieser Erstlingserzählung bei.
Im Mai 1941 habe ich die drei ersten Strophen und die Weise von Obdach verfasst, Schulkinder haben
das Lied damals in der Kirche gesungen. Seitdem ist es in mehreren Kirchen aufgeführt worden.
Mit den Skiern am Schnürl auf den Zirbitz
Der Jugend Freude zu bereiten, sie auch an seinen
sportlichen Aktivitäten teilhaben zu lassen, war Karl
Namestnik stets ein Herzensanliegen. Nicht nur das
Wasserskifahren auf dem Fetzer Teich gehörte dazu,
auch bei seinen Skitouren auf den Zirbitzkogel durften
ihn Sportbegeisterte begleiten.
Mia Magnes (vulgo Fetzer), die am Fetzer Teich ihrer
Eltern Namestniks Künste mit den Wasserskiern oft
bewundert hatte („Ich selbst war allerdings nicht kräftig
genug, die schwere Konstruktion zu bewegen“) erinnert
sich gerne an eines dieser Bergabenteuer: „Es muss 1937 gewesen sein – ich war damals 17 Jahre alt –
als ich mit meiner Zwillingsschwester Martha an einer Zirbitzkogel-Skitour teilnahm. „Wir waren die
einzigen Frauen, aber unsere Mutter hatte keine Bedenken: “ Wenn Karl Namestnik dabei ist, wird
euch nichts passieren,“ sagte sie. Seine Fürsorge war sprichwörtlich.
Mia Magnes erzählt weiter: „Mit Speck und Brot im Rucksack ging es zum Pauliwirt, wo um 7 Uhr
früh der allgemeine Treffpunkt war. Die weiteren Stationen waren dann Perwolf, Kneblbauer,
Kaserhütte, wo wir den Raffler Simmerl trafen. Über die Rothaide ging es zum ZirbitzkogelSchutzhaus.
Die Ski haben wir übrigens nicht geschultert sondern nachgezogen. Vorne an der Skispitze waren
Löcher durch die man ein Schnürl fädeln konnte.
Sepp Sandriesser hat die Ski aus Eschenholz gebaut. Am
Anfang hatten wir eine Schnapperlbindung, später schon
etwas Besseres. Das Skigewand war aus Loden und von
unserer Hausschneiderin angefertigt.
Den ganzen Tag war die Gruppe um Karl Namestnik
unterwegs. Lohn für all die Mühe des Aufstiegs:
Eine schneidige Abfahrt auf der Strecke Lindertal,
Bretterwald, Tauscher.“
Mia Magnes strahlt beim Erzählen. „Skifahren war
damals noch etwas ganz Besonderes.
Nie werde ich diesen Tag vergessen!“
Karl Namestnik, Wahrheitssucher und Friedensstifter
Zeitzeuge Mag. Hermann Wogrolly erzählt:
VDir. Karl Namestnik wurde am 5.12.1893 in Johannisberg bei
Marburg a.d. Drau geboren und ist am 13.3.1977 in Obdach
gestorben; ein aufregendes, abenteuerliches und ausgefülltes
Leben lag zwischen diesen nüchternen Daten. Ich wurde
gebeten, einen Beitrag über seinen KZ-Aufenthalt, die
Friedensmärsche sowie über persönliche Erlebnisse und
Erfahrungen mit ihm zu leisten.
Wenn ich an meine Kindheit denke, da er mit seiner Gattin Maria, die
er liebevoll „Mitzl“ nannte, mittwochs zum Handarbeitsunterricht
nach St. Georgen mitkam und oft im Klassenzimmer oder bei uns in
der Lehrerwohnung auf seiner Zither spielte, war er für mich ein
Lichtblick – wie ein Sonnenstrahl aus einer anderen Welt. Er besaß
die Gabe, spannend und mitreißend von seinen unglaublichen
Erlebnissen zu erzählen und trotzdem Fröhlichkeit zu verbreiten, ja
förmlich zu versprühen. In tiefster Seele war er eine Frohnatur, von
Optimismus und Zuversicht geprägt, verwurzelt in tiefem Glauben an
den Schöpfer, von dem alles Gute kommt, auch wenn er von Menschenhand Böses erfahren und durchstehen
musste. Am 23.1.1944 schreibt er aus Würzburg, einem Außenlager des KZ Floßenbürg, an seine Frau: „ Dass
Du in der Mette warst, hat mich unendlich gefreut und beruhigt! Du hast zum lieben Heiland zurückgefunden!
Im Kreuze allein liegt unsere Erlösung und treu und unentwegt erfülle ich meine Mission und Du mit mir! Wir
beide sind von Gott auserkoren, für die gesamte Menschheit vorbildlich zu wirken! Daher ist Gottes Gnade und
Segen über uns! Kameraden und Aufsichtspersonal halten viel auf mich! Meine Überzeugung macht Schule und
alle Wahrheitsliebenden geben mir recht!“ Er schloss mit „Bitte schreibe bald und ausführlich!“, obwohl die
Zensur Häufigkeit und Brieflänge sowie verbotene Inhalte vorschrieb. (Dieser und andere Originalbriefe beim
Verfasser!) Nicht nur die Lebensmittel, die seine Frau ihm all die Jahre regelmäßig schickte, vor allem ihre
Worte hielten ihn am Leben. – Wie kam es dazu?
Ein Mann ein Wort!
Nach Beendigung des 1. Weltkrieges – er war als Frontkämpfer gegen Italien im Einsatz gewesen - gelobte er,
„in Hinkunft keinen Wehrmachtseid zu leisten, keine Waffe und Uniform zu tragen und keinen Menschen zu
töten, der ihm nie etwas zuleide getan hat und ihm unbekannt ist“ (Zitat aus einem seiner „Friedensbücher“).
Würde er das Gelöbnis gegen Hitler wagen und halten?
Ein Mann, ein Wort! In vollem Bewusstsein der Folgen dieses Schrittes in einem menschenverachtenden
Regime verweigerte er – übrigens wie Franz Jägerstätter – den Kriegsdiensteid und wurde 1939 zu einem
Jahr und drei Monaten Festungshaft in Salzburg verurteilt.
Er wäre wohl wie der Oberösterreicher hingerichtet worden, wenn er sich bei der Gerichtsverhandlung nicht auf
eine Stelle in Hitlers „Mein Kampf“ hätte berufen können, wonach die NSDAP auch andere Dienste als den mit
der Waffe anerkenne. (An diese von Herrn Namestnik mehrmals dargelegte Version erinnere ich mich gut,
obwohl ich die zitierte Stelle in Hitlers Buch für meinen Namestnik-Film nicht finden konnte.)
KZ
Herr Dir. Namestnik konnte und wollte trotz/nach verbüßter Haft nicht schweigen angesichts des
unheilvollen Krieges. So sandte er an führende Persönlichkeiten der Staaten, darunter Churchill, Stalin,
Mussolini und – Hitler, einen selbstverfassten Aufruf in Gedichtform.
Hier die ersten zwei Strophen:
Herr, befrei´die Welt vom Kriege,
führ´das Christentum zum Siege!
Lös´uns von erzwung´nen Eiden,
lehr´die Menschen Kriegsdienst meiden!
Frauen, Männer aller Zonen,
lasst die Nächstenliebe thronen:
Soll der Krieg im Keim ersticken,
sprengt die Munitionsfabriken!
Nach solchen Worten war es ratsam unterzutauchen. Er zog, Zither spielend und Zitherunterricht
erteilend, von Gehöft zu Gehöft, doch wurde er am 7.1.1942 in Preims nahe Wolfsberg beim Bauern
vulgo Primus aufgestöbert und verhaftet und nach Zwischenstationen in Graz und Wien letztlich ins
KZ Dachau eingeliefert.
Oft hat er uns - seinem ehemaligen Nachbarlehrer – er unterrichtete in Prethal, mein Vater in St.
Georgen – und dessen Frau, also meinen Eltern, sowie meinem Bruder Ernst und mir von den
grauenvollen Ereignissen und Gewaltexzessen im KZ in seiner lebendigen Art erzählt, dass wir
zuhörende Buben uns nichts Spannenderes und Aufregenderes vorstellen konnten.
Er berichtete z.B., wie ihn ein Kapo – die SS setzte meist Schwerverbrecher als Blockführer ein –
beinahe zu Tode getreten hätte (er zielte mit den Stiefeln auf seine Augen), und in letzter Sekunde der
Schreckensruf eines Mithäftlings ihm das Leben rettete: „Net! Das is ja unser Zitherspieler!“ Aber ich
lasse Herrn Namestnik selbst zu Wort kommen, wenngleich seine schriftliche Ausdrucksweise an
seine mündliche lebhafte, oft bei Zwischenfragen in unglaublich genaue Details eingehende Erzählung
nicht annähernd heranreicht: „Ich habe ein halbes Jahr lang das würdelose Häftlingselend in Dachau
miterlebt, bin geschunden, verprügelt, missverstanden worden, habe gedarbt und gelitten! … Durch
einen unglückseligen Streit mit einem ehrenwerten Häftling – die Nerven spielen im KZ oft
verhängnisvoll mit – bekam ich zur Strafe 14 Tage lang Brotentzug (Streichung der
Schwerarbeiterzulage), meldete mich nach Verbüßung dieser strengen Sühne zu einem angeblichen
Barackenbaukommando, kam aber vom Regen in die Traufe, nämlich ins berüchtigte Steinbruchlager
Floßenbürg in der Oberpfalz.
Hier lernte ich das Lagerleben in allen Schattierungen kennen! Ich schleppte Steine, Kartoffeln, Kraut
und Steckrüben, Koks fürs unheimliche Krematorium, war Gärtner, Straßenbauer, Strumpfstopfer,
Spielzeugmacher, Vorspann beim „Moorexpress“, Zitherspieler beim Lagerorchester, Sündenbock für
Kapos und Blockälteste und Kamerad unter Kameraden! Es gab auch schöne, lichte Zeiten in dieser
Hölle der Schmach und Leiden! Ich möchte sie nicht missen!
Wenn Briefe und Päckchen von den Lieben zu Hause uns erreichten, wenn wir nach schwerster Arbeit
in Wind und Regen, bei Kälte und Schneegestöber unsere geheizten Tagesräume aufsuchten und beim
großen Blechofen erbeutete Kartoffeln backen durften, wenn wir im traulichen Bibliothekszimmer
musizierten, im Bücherkasten kramten, durch Kniffe und Schliche mit Hilfe treu ergebener Kameraden
unser Märtyrerdasein etwas verschönern konnten …“ Aus Briefen an seine Gattin: „Bitte schreibe und
schicke Geld!“ – „Innigsten Dank für Pakete, deren Inhalt vorzüglich schmeckte“ (Mai 44) – „Habe
Halbschuhe, Strümpfe und alles in Deinen Briefen Angegebene pünktlich erhalten! Bitte beachte
genau meine Adresse, lege nie irgendeine schriftliche Mitteilung den Packerln bei! Sonst ist alles in
Ordnung! Die Sachen kommen gut und frisch an, dass ich meine helle Freude habe! Das Wertvollste
sind mir trotzdem immer Deine Briefe!“ (16.1.1944)
Auf Grund einer Schienbeinverletzung, die ihm, wie er sagte, ein Sadist zugefügt hatte, wurde er nach
dem Lagerrevier (=Lazarett) dem Arbeitskommando „Barackenbau Nervenklinik Würzburg“ zugeteilt
und entkam so dem verwünschten Lager
Floßenbürg. Bei dieser Außenstelle erging es ihm
Gefangenenbaracke
besser, wurde er doch als Ältester der 50
Häftlinge zum Kalfaktor bestimmt, sodass er
innerhalb der Postenkette frei umhergehen konnte.
Und es ist wieder typisch für ihn, dass er bei
einem Anlass etwas zu frei agierte. Er hatte die
Erlaubnis, seine Zither einem Küchenmädchen zu
zeigen, das auch Zither spielte. Was tat er? Zum
Annennamensfest – drei Küchenmädchen hatten
zufällig denselben Vornamen Anna – spielte er
auf Bitte der Schwester Oberin in der Küche groß
auf, motivierte Ordensschwestern,
Küchenpersonal und zwei anwesende Patientinnen, sein im KZ komponiertes Friedens-Ave-MariaLied mitzusingen, und intonierte eben das „Vater, ich rufe dich“-Lied, das er immer zum Abschluss
vorzutragen pflegte, als plötzlich der Kommandoführer erschien, fragte, was er da treibe, und ihn auf
die Bauleitung beorderte, wo er ihn mit mindestens einem halben Dutzend Ohrfeigen erniedrigte und
zur Arbeit an einem Kavernenbau als Hilfskapo mit nur 10 Häftlingen verdonnerte. Das war für KZVerhältnisse trotzdem ein glimpflicher Ausgang!
Im März 1945 wurde Würzburg durch zehntausende Brand- und Sprengbomben zerstört. 14 Häftlinge
meldeten sich freiwillig zum Löschen, unter ihnen Herr Namestnik. Es gelang ihnen, zusammen mit
der Wachmannschaft und dem Spitalspersonal ein Übergreifen des Feuers auf den Patiententrakt zu
verhindern, doch die von ihnen errichtete Baracke wurde ein Raub der Flammen. Eine Sonderration
Lebensmittel war der Lohn für das lebensgefährliche, beherzte Eingreifen. Weil im zerstörten
Würzburg nichts mehr zu tun war, ging´s leider zurück ins verhasste KZ Floßenbürg, wo aber bald die
Befreiung nahte. Herr Namestnik hatte die KZ-Gräuel überlebt und war fest davon überzeugt, dass er
dies der Gnade Gottes zu verdanken hatte, weil er immer den „geraden“ Weg gegangen war, womit er
die Durchsetzung seiner Vorsätze und Ideale meinte. Er war ein Idealist, der Recht hatte, denn hätten
alle oder sehr viele Menschen so gehandelt, wäre es wohl zu keinem Weltkrieg gekommen. Aber wer
in aller Welt brachte damals und bringt heute den Mut dazu auf?
UNGLAUBLICHES
Was Herr Namestnik aus seinem Leben erzählte, klang oft so unrealistisch, dass manche ungläubig den
Kopf schüttelten. Ich gehörte zu denen, die ihm glaubten. Freiheitsdrang: Vierjährig büchste er vom
Kindergarten in Marburg aus. Siebenjährig durchschwamm er die Drau. 16-jährig erstieg er ohne Seil
und Steigeisen den Großglockner, 18-jährig den Ortler. 19-jährig bezwang er in kurzer
Lederhose und mit nackten Knien den Montblanc.
Nach dem Ersten Weltkrieg stand er knapp vor der Hinrichtung, weil er die rotweißrote
Offizierskokarde nicht abgelegt hatte. Obstlt. Vaupotic, der ihn persönlich vom Sturmbataillon
kannte, holte ihn in letzter Sekunde aus der Todeszelle.
Bis zuletzt ein aufrechter Charakter oder zu gutgläubig? Die ehemaligen Volksgenossen können doch
nicht so abgrundböse sein!? – Erfinder: 1928 erfand er die gekoppelten, selbstschwimmenden
Wasserskier und erhielt das Patent dafür. Er hatte miterlebt, wie eine Kollegin bei einem Lehrerskikurs
stürzte und schwer verletzt wurde; da dachte er, ein Sturz ins Wasser sei für einen Schwimmer
harmloser. 1931 überquerte er nach vielen Flussläufen den Ärmelkanal bei hohem Seegang – Frau
Werthan hat dies genauer beschrieben! – und kam dadurch kurz in die Weltpresse.
Wahrheitssucher und Friedensstifter:
1939 Kriegsdiensteidverweigerung, 1940 das oben bereits erwähnte Schreiben an Hitler und 60 andere
Staatsmänner mit der Forderung nach Herbeiführung des Friedenszustandes. Bis 12.5.1945 KZ.
1947 als Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich anerkannt.
1959 transportierte er mit einem
Fahrradanhänger ohne fremde
Hilfe die von Bildhauer Franz
Gollner aus Zirbenholz
geschnitzte Pieta von Obdach
auf den Gipfel des Zirbitzkogels.
(Jetzt in einem vom Bundesheer
überdachten Bildstock zwischen
Gipfel und Schutzhaus!)
1960 Pilgermarsch für den Frieden nach Rom, den er später bis Prag und
nicht ganz bis Tschenstochau verlängerte. 1962 Verzicht auf Ruhegenuss aus
Protest gegen überhöhte Ministerpensionen (von seiner Frau mit Schreiben an
den Landesschulrat f. Stmk. widerrufen !). 1970 Friedensmarsch nach
Lourdes (mit 77 Jahren!) in Etappen und jeweiligen Bahnrückfahrten.
Unzählige Male – er nannte mir einmal seine 300. Besteigung – wanderte er
auf den Zirbitzkogel und machte fast jährlich die Obdacher Wallfahrt nach
Maria Lankowitz mit.
Frohnatur
Er lachte laut, oft und gern – es war ein heiteres, ansteckendes Lachen – und munterte seine
Mitmenschen auf, auch mich, einen seiner Zitherschüler – zunächst beim Erlernen des Instrumentes,
wenn es mir schwerfiel, mit vielen Vorschusslorbeeren oder später in verschiedenen Lebenslagen als
Student. „Büabl, das kannst du glei vom Blatt spüln“, übertrieb er und gab doch den Anstoß zum
Ehrgeiz, sich zu bemühen, sodass man es dann wirklich bald schaffte. Für die Zitherstunden verlangte
er meines Wissens kein Honorar, nahm aber Gaben in Form von bäuerlichen Naturalien an. Die
meisten Schüler/innen erhielten von ihm eine Zither geschenkt. Von vielen dieser Bauern konnte ihm
seine Frau Lebensmittel ins KZ schicken, die seinen Überlebenskampf in der Lagerhölle sehr
begünstigten, wie seinen mir vorliegenden Briefen zu entnehmen ist.
Wenn wir die Wälder des Obdacher Landes durchstreiften, fröhlich Verse und Reime schmiedend
sowie Schwammerl suchend, erklärte er mir die Vegetation und reizvolle Landschaften. „Ich sag´ dir,
das ist der schönste Weg der Steiermark!“ hörte ich ihn z. B. bei der Friedenstanne schwärmen, und
ich fand dann den Weg wirklich einmalig.
Friedensmission
Er war felsenfest davon überzeugt, dass nur eine entsprechende Friedenserziehung die Menschheit vor dem
atomaren Untergang retten könne. Diesem Ziel ordnete er seine ganze Ruhestandszeit unter. In Abständen
ließ er etwa zwei- bis dreimal 10.000 Friedens-Ave-Maria-Karten drucken, um sein Friedenslied zu verbreiten,
und verteilte sie kostenlos auf unzähligen Bahnfahrten. Auf einer einwöchigen Steiermarkrundfahrt durfte ich
ihn begleiten, was mich, obwohl ich jünger war, mehr als ihn anstrengte, weil ihn seine Begeisterung für den
hehren Zweck in Hochform hielt.
Aus Zirbenholz schnitzte er Marienstatuen und befestigte sie an besonders großen Bäumen, die er den
Besitzern abgekauft und unter Naturschutz gestellt hatte. Die riesige Friedenstanne (ein Zwiesel) beim Bauern
Kaltenegger vlg. Rami in St. Georgen trägt eine kleine Zirbenstatue. Auf dem
Obdacher Lankowitzweg stand beim Kotmoar eine ehemals dickstämmige
Lärche mit Marienstatue und Friedensrad (heute hat eine kleinere Lärche
den Dienst übernommen, weil die alte offenbar Wind und Wetter zum Opfer
gefallen war): „Das Friedensrad sei Ziel und Pfad der Christenheit in Ewigkeit.
Amen!“ Die acht F des Rades sollten wohl das unselige Hakenkreuz ab- und
erlösen und stehen für Friede, Freude, Freundschaft, Fleiß, Fortschritt,
Freiheit, Frommheit und Furchtlosigkeit – mit späteren Änderungen wie
Frohsinn, Frömmigkeit u. a., da er überhaupt gern an seinen Gedichten feilte,
um sie fortlaufend zu verbessern, und hierzu auch andere, z.B. meinen Vater
einlud, Verbesserungsvorschläge für sein Ave-Maria beizutragen. Beim Korer
(zwischen Kathaler Schule und Eppenstein) stellte er eine ganze Waldparzelle
unter Naturschutz. In Lading bei Wolfsberg erinnert die Hube „Waldfrieden“
mit etwas Grund und Wald an ihn. (Die ehemaligen Pächter und jetzigen
Besitzer erhalten das Namestnikgrab in Obdach.) Er verband den
Naturschutz mit dem Frieden, d.h. Naturschutz war für ihn auch
Friedensschutz. Das lebte er auch in seiner Villa Germania in JudendorfStraßengel vor, wo er mit Mitzl den Sommer verbrachte, was gegenseitige Besuche erleichterte, weil meine
Familie im nahen Graz wohnt.
Unzählige Gedichte – täglich mindestens eines – verfasste Herr Namestnik für den Frieden und gegen den
Rüstungswahn. Diesem Generalthema näherte er sich pädagogisch aus allen Richtungen. Menschliche Werte
wie Versöhnung, Anspruchslosigkeit, Ehrlichkeit, Nächstenliebe verteidigte er immer wieder gegen Hass,
Feindschaft, Rache, Verleumdung. Gegen Zivilisationsauswüchse und Wohlstandsverwahrlosung,
Zeitgeistsüchte, wie Geldgier, Machtgier und Genusssucht, Raff- und Drogensucht, kurz gegen Egoismus in
allen seinen Facetten zog er zu Felde.
Einige Beispiele:
„Fahre wohl ohne Alkohol!“ – „Lass dein Auto im Behälter (=Garage),
bleibst gesund, normal, wirst älter!“
„Wasser, Luft und Sonnenschein halten Leib und Seele rein: Jugend, laufe
Wasserski, du gesundest wie noch nie!“
„I möcht´so gern a Wundadokter sei´, die Leit kuriern mit Mülch und
Sunnanschei´.“
„Mutter der Barmherzigkeit, mach´uns friedsam, hilfsbereit!“
Über eine Grazer Tageszeitung, die es heute nicht mehr gibt, veranstaltete er ein „FriedensPreisausschreiben“ – als Preise setzte er seine Musikinstrumente sowie Bücher aus – und sammelte die besten
Beiträge im selbst hergestellten „Buch vom Frieden“.
Sein sehnlichster Wunsch allerdings, dass sein Friedens-Ave-Maria Kirchenlied würde, blieb ihm leider versagt.
Da fruchteten auch Vorsprachen im Bischöflichen Ordinariat in Graz sowie sein bereits erwähnter
Friedensmarsch nach Rom mit Papstaudienz nichts.
Nach anfänglich herbem Enttäuschungsgefühl rang er sich zu der mir gegenüber oft geäußerten weisen
Einstellung durch: „Wirst sehen, die Friedenssaat geht auf, auch wenn ich es nicht mehr erlebe.“ –
Hat er nicht Recht, wenn man an die vielen Friedensorganisationen und -initiativen denkt, die es inzwischen
weltweit gibt?
Herr Namestnik war auf Grund seiner bösen Erfahrungen im 1. und 2. Weltkrieg ein Geläuterter, der vom
Draufgänger (z.B. Besteigung der höchsten Alpengipfel ohne entsprechende Ausrüstung) zum überlegten
Friedensstifter wurde. Abschließend Kurzepisoden als Beispiele für sein mutiges Handeln in großer Emotion:
In Oberhaag bei Arnfels, seiner ersten Lehrerstelle, lästerte ein Bauernbursche immer wieder im Wirtshaus über
ihn und die Lehrer im allgemeinen, wodurch sich Herr Namestnik veranlasst sah, ihm eine „Lehre“ zu erteilen:
Mit größtem Energieaufwand gelang es ihm, den Kraftlackel, der ihn um Kopfeslänge überragte, auf eine
Tischplatte im Ringkampf niederzuzwingen und sich hierdurch Respekt zu verschaffen. – Auf seiner Reise
nach Berlin las er in Wien im Schein einer Straßenlaterne vom Fortsetzungsroman „Totenhorn- Südwand“
zufällig die Stelle, wo Haberdietzl (=Namestnik) seine spätere Gattin als Mädchen auf der Alm kennenlernt.
Erbost über die dichterische Freiheit, die für ihn einer Lüge gleichkam, unterbrach er die Reise, um sich über die
Zeitungsredaktion beim Autor zu beschweren. Das rettete ihm sein Leben, denn er hatte vorgehabt, eine Rede
Adolf Hitlers in Berlin durch den Zwischenruf zu stören: „Ja, wir folgen dir, wenn du hältst, was du
versprichst!“ – Geläutert durch seine schrecklichen Erlebnisse versuchte er als Privatmann immer und überall
für das friedliche Zusammenleben der Menschen, sei es in der Familie oder in der Gemeinde, im Staat oder
zwischenstaatlich zu wirken und zu werben. So verpackte er die Friedensidee in jedes seiner Gedichte und
Lieder, ob es das „Adventliedchen“, „Schlummerliedchen“ oder „Maien-Maid“ war, wie er überhaupt Maria aus
Dankbarkeit für das Überleben des KZs besonders verehrte.
„Haxn o´krotzn“ kann man jetzt noch vor seiner ehemaligen Zweizimmer-Küche-Wohnung, Gemeindeweg 1, in
Obdach lesen. Ich fand als Kind und Jugendlicher dieses einfache, aber immer sauber gehaltene Zuhause sehr
heimelig, wozu auch das Plumpsklo im Stiegenhaus gehörte, wenngleich es mir im Winter weniger behagte.
(Aber mit Klorolle und Taschenlampenbatterie ausgestattet fand ich es annehmbar.)
Freude im Willkommensgruß blitzte mir immer aus seinen blauen Augen entgegen, sodass ich gern länger
geblieben wäre als die paar Tage, die mir Zeit und Umstände erlaubten.
Genügsamkeit und Zufriedenheit zeichneten Herrn Namestnik aus. Für sich selber brauchte er nicht
viel. Er trug nie lange Hosen, sondern bevorzugte die Knickerbocker, und nie Krawatten, sondern
meist kurzärmelige, weiße Baumwollhemden, deren Kragen er offen ließ. Oft hatte er auf
Wanderungen keinen „Dippel Geld“ mit, wie er lachend erzählte, dafür meist ein Reservehemd, weil
er seit dem KZ leicht schwitzte, sowie immer die geliebte Zither.
Zwei Leidenschaften frönte er: dem Schach- und Zitherspiel. Ersteres erlebte ich im Groggerhof, wenn
er und Herr Grogger wie zwei „Kampfhähne“ mir spannendes Blitzschach „vorführten“, letzteres
pflegte er gern mit mir in seiner südseitig gelegenen Obdacher Wohnung stundenlang, wobei wir
immer wieder auch alle seine Lieder spielten. (Neben Film- besitze ich davon einige
Tonbandaufnahmen!) Ich träume heute noch oft von diesem vergangenen Glück und sehe Herrn
Namestnik und seine Frau lebendig vor mir.
Im Schuljahr 1964/65 trat die
Handarbeitslehrerin Frau MARIA NAMESTNIK,
geb. Unterwanger, (9.11.1899 – 5.9.1976) nach
39-jähriger Tätigkeit in den Ruhestand.
Sie hat außerdem auch die Volksschule Prethal
und St. Georgen betreut.
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