20141012-predigt-dekanatslobpreisgottesdienst

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Durststrecken überwinden (Joh.19,28)
Liebe Gemeinde,
Sisyphos wurde nach einer griechischen Sage wegen seines
frevelhaften Lebens dazu verurteilt, in der Unterwelt einen schweren
Felsblock einen steilen Hang hinaufzuwälzen. Doch wenn der Stein
oben war, rollte er wieder herunter, und die fruchtlose Arbeit mußte
von vorn beginnen.
Manchmal empfindest du vielleicht auch das, was du tust, als eine
Sisyphosarbeit. Du hast dir Mühe gegeben, du hast immer wieder
Kraft, Zeit, Liebe und Hoffnung investiert, aber am Ende bist du
genausoweit wie vorher.
Vielleicht hast du diese Erfahrung auch schon gemacht.
Wenn du Kinder hast, hast du monatelang deinem Sprößling
eingebleut, dass das Zimmer aufgeräumt werden muß oder der Müll
raus muß, aber nichts ist passiert.
Immer wieder hast du vielleicht versucht, deinem Ehepartner
anzugewöhnen, dass er oder sie pünktlicher sein könnte, aber beim
nächsten Mal ist er/sie prompt wieder zu spät.
Oder du hast als Hausfrau oder Hausmann gerade den großen
Wäscheberg weggebügelt und schwupp ist der Wäschekorb wieder
randvoll. Der Stein des Sisyphos liegt schon wieder unten und muß
erneut heraufgerollt werden.
Oder du hast jemanden zu Hause, den du pflegst und du spürst die
großen körperlichen und seelischen Belastungen, die damit
einhergehen. Und du fühlst dich an den Grenzen deiner Belastbarkeit,
aber keiner will das hören. Und auch dem, den du pflegst, kannst du
nichts sagen, ohne verletzend zu sein.
Oder du gehörst zu denen, die in der Gemeinde über Jahre viel
investiert haben. Jetzt bist du müde und ausgebrannt. Und du fragst
dich vielleicht, was es eigentlich gebracht hat.
Da fragst du dich vielleicht manchmal: „Wofür mach ich das
eigentlich? Es ist doch eh alles umsonst.“ Und dann kann dich die
Traurigkeit packen und würgen. Und mancher bekommt davon
Depressionen und fragt sich, ob nicht alles vergeudete Zeit war.
„Mich dürstet.“ Im griechischen ist das nur ein Wort: „dipso“. Mit
trockener Kehle und trockenem Herzen sagt Jesus dieses kürzeste und
doch bewegende eine Wort: „Durst“. Nach dem langen Weg über die
Verhöre, die Folter und dann bis zum Kreuz ist er am Ende. Gott hat
Durst! Gott erleidet Durst.
Warum haben die Schreiber der Evangelien das festgehalten?
Vielleicht weil sogar dieser kurze Satz „Mich dürstet“ eine tiefe
Bedeutung für mich und mein Leben hat.
1. Jesus hatte Durst, damit ich weiß, dass er meinen Lebensdurst
versteht.
Als einmal eine sehr christliche Reisegruppe in Israel, im Heiligen
Land, unterwegs war, haben viele Teilnehmer sehr religiöse Gefühle
als sie die Weg nachgehen, den Jesus gegangen ist. Manchmal fliegt
ihnen ein "heiliger" Schauer den Rücken hinab, und manchmal ist es
fast so, als hätte ein Engelsflügel sie gestreift. Die Reisegruppe zieht
durch ein kleines, jüdisches Dorf. Auf der Gasse spielen Kinder im
Staub, zerlumpt und mit zerrissenen Kitteln. Unter ihnen ist ein
Kleiner mit dunklen Augen, verschmutzt, unter der Nase schaut er
besonders unappetitlich aus. Da ruft der Reiseführer den Jungen zu
sich und sagt mit Nachdruck: "So hat er ausgesehen!" War das ein
Schock! Da war alle religiöse Stimmung verflogen. "So hat er
ausgesehen" - wie dieser zerlumpte, verdreckte Junge. Ganz ohne
Heiligenschein. In Jesus ist Gott ganz Mensch geworden. Nicht nur
ein bisschen, sondern ganz.
Wenn seine Mutter seine Windeln wechselte, waren die nicht immer
nur leer. Wenn Jesus als Teenager in unserer Zeit Mensch gewesen
wäre, hätte er vielleicht auch Clearasil gebraucht, um seine Pickel zu
bekämpfen. Wenn man Jesus von einem Arzt hätte röntgen lassen
können, dann hätte man festgestellt: Derselbe Knochenbau, dasselbe
Nervensystem, derselbe Kreislauf, dasselbe Herz, dieselben
Lungenflügel und Nieren, derselbe Darm. Mensch wie wir; da ist
nichts, was ihn unterscheidet. Wenn es heiß war, hatte er auch Durst.
Wenn es kalt war, hat er auch gefroren. Wenn ihn einer geschlagen
hat, hat er den Schmerz empfunden. Wenn einer ihn verletzt hat, dann
floss sein Blut. Und als ihn einige ans Kreuz schlugen, starb er. Er war
ein Mensch wie wir. In Jesus ist Gott mir unglaublich nahe
gekommen.
„Mich dürstet!“ – Jesus versteht, wie es ist, wenn ich hungrig oder
durstig bin, er weiß aus Erfahrung, was in mir vorgeht, wenn ich mich
ärgerem mich allein gelassen fühle, frustriert bin, müde bin,
Versuchung erlebe.
"Mich dürstet!" Es wirkt ja eher wie eine fast überflüssige Randnotiz.
Und doch weisen diese beiden kurzen Wörter darauf hin, dass Jesus
am Kreuz ganz nahe bei mir war, ganz Mensch war. Er kennt auch
meinen Durst. Jesus hatte Durst, damit ich weiß, dass er meinen
Lebensdurst versteht.
2. Jesus hatte Durst, damit mein Durst bei ihm und sein Durst bei
mir gestillt wird!
Als ich mein Zimmer in der WG in Heidelberg bezogen hatte, war da
außer einem Bett, einem Schrank mit ein paar Klamotten, einem
Tisch, einem Stuhl und einigen Büchern auf einem Bücherregal
nahezu nichts drin. Als ich in ein Studentenwohnheim in Leipzig
umgezogen bin, kam da schon ein Sofa, ein Fernseher und ein PC
dazu. Die erste eigene kleine Wohnung wollte ich etwas größer und
noch etwas schöner haben. Nachdem ich und Annett geheiratet haben,
wünschten wir uns eine verbesserte Ausstattung in der Wohnung. Jetzt
gab es sogar Vorhänge. Mit dem Umzug nach Sechshelden wuchsen
auch die Wünsche nach mehr Komfort. Eine neue Couch und anderes
mehr zierte bald unsere Wohnung. Und seit wir hier in Allendorf
leben, wollten wir es uns noch schöner machen. Seitdem schwelgen
wir nur noch im Luxus mit goldenen Wasserhähnen im Pfarrhaus.
Das Auffällige dabei ist: Was heute meinen Durst stillt, lässt mich
morgen schon wieder Durst haben. Die Lust an der Shoppingtour, am
neuen Auto, an der neuen Beziehung lässt ganz schnell wieder nach.
Aber der Durst bleibt.
Der Durst nach Leben, nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, nach
erfüllten und erfüllenden Beziehungen, nach Einfluß und Macht, nach
Geld und Besitz bleibt. Aber mein Durst wird dabei nicht gestillt.
Jesus hat an einer anderen Stelle im Johannesevangelium in Kap.4,14
gesagt, dass er unseren Durst stillen kann – so, dass wir nie mehr
Durst haben müssen: „Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich
ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser,
das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers
werden, das in das ewige Leben quillt.“
Wenn Jesus sagt „Mich dürstet!“, dann ist das nicht nur das
körperliche Verlangen nach Flüssigkeit. Durst ist hier auch der
Lebensdurst, die Suche nach gelingendem Leben, nach Lebenssinn.
Durst heißt: mir fehlt etwas Lebenswichtiges, ich bin nicht
vollständig. Im Orient geht es beim dürsten immer um das Verdursten
– um Leben und Tod. Wenn Jesus schreit: mich dürstet – dann schreit
er in Todesangst und Gottverlassenheit. Hier geht es also darum, dass
einer meine Gottverlassenheit und Todesangst wegnimmt. Jesus geht
den Weg bis in den Tod. Er nimmt den Durst auf sich, damit ich nie
mehr dürsten muss. In Ewigkeit nicht. Wenn ich mich ihm anvertraue,
wird mein Lebensdurst gestillt.
Kennen Sie die Geschichte von den Seeleuten, die am Ende einer
langen Reise nach Südamerika am Verdursten sind? Sie haben das
Land fast erreicht - sie wissen, es ist gleich hinter dem Horizont -,
aber sie sind zum Tode verurteilt, weil sie kein Wasser mehr besitzen.
Im allerletzten Augenblick erscheint ein anderes Schiff. Als es näher
kommt und jemand fragt: „Braucht ihr irgendwas?“ schreit die
sterbende Mannschaft mit letzter Kraft: "Wasser, Wasser!"
Die anderen Seeleute zeigen auf das Wasser um sie herum und
machen Zeichen, dass man es trinken kann. Ihr Schiff hat die
Mündung des mächtigen Amazonas erreicht, der sein frisches Wasser
viele, viele Kilometer hinaus ins Meer trägt.
Es gibt Leute, die regelmäßig Gottesdienste besuchen, die mitten
zwischen den Quellen des lebendigen Wassers vor Durst umkommen,
weil sie nicht wissen, was alles vorhanden ist.
Und: Es gibt Leute, die Christen geworden sind, die gerade noch so
am Leben bleiben, weil sie nur einmal alle paar Tage oder Wochen
von dem lebendigen Wasser trinken.
Aber: Muss ich nicht auch dann trinken, selbst wenn ich keinen Durst
verspüre? Was hilft uns lebendiges Wasser, wenn wir es nicht
trinken? Viel lebendiges Wasser fließt an vielen Menschen vorbei, an
jedem von uns, wenn wir nicht merken, dass uns Flüssigkeit fehlt.
Jesus verkündete, dass Gott mit seiner Liebe und der Bereitschaft, mit
uns einen neuen Anfang zu machen, diesen Durst nach Leben stillen
will. Jesus hat Durst, er hat zutiefst Durst nach der Gemeinschaft mit
uns Menschen. Bis in die Todesstunde gibt er nicht auf, nach uns
Menschen zu suchen. Ihn dürstet es nach mir, danach mit mir
verbunden zu sein, danach mir seine Liebe zu schenken, danach mich
aus der Gottverlassenheit zu retten.
Am Kreuz sind die Rollen vertauscht worden, damit mein Durst nach
der Gemeinschaft mit Gott gestillt werden kann. Jesus hat Durst nach
mir – auch heute.
Jesus spricht: Ich bin der Erste und der Letzte, der Anfang und das
Ende. Wer durstig ist, dem gebe ich umsonst zu trinken. Ich gebe ihm
Wasser aus der Quelle des Lebens. (Offenbarung 21,6)
Ich finde Zugang zum lebendigen Wasser durch ihn, der das Wasser
des Lebens ist. Ich brauche mich ihm nur voll du ganz anvertrauen,
brauche ihn nur zu bitten, dass er mich annimmt, mir meine Schuld
vergibt, dass er Herr meines Lebens wird, so wird mir das lebendige
Wasser in Jesus geschenkt, wird mir in mein Herz ausgegossen, so
wird der Durst meines Lebens gelöscht!
3. Jesus hatte Durst, damit ich anderen zeigen kann, wo es das
Wasser gibt, das den Durst stillt.
Ein Mann hatte sich in der Wüste verirrt und war vor Durst fast
zugrunde gegangen. Er schleppte sich nur noch dahin. Da kam er
schließlich an ein vollkommen verlassenes Haus. Vor der
verwüsteten, windzerstörten Fassade sah er eine Wasserpumpe. Er
stürzte auf sie zu und begann wie verrückt zu pumpen. Aber es kam
kein Tropfen Wasser. Dann bemerkte er einen kleinen Krug mit einem
Korkstöpsel und einer Notiz daran: „Sie müssen die Pumpe zuerst mit
Wasser füllen, mein Freund! Und vergessen Sie nicht, den Krug
nachzufüllen, ehe Sie von hier weggehen!” Der Mann zog den Korken
aus dem Krug und bemerkte, dass dieser tatsächlich voll Wasser war.
Nun begann er mit sich selbst zu ringen: Sollte er wirklich das Wasser
in die Pumpe gießen? Was, wenn das nicht funktionierte? Dann hatte
er das ganze Wasser verschwendet! Wenn er aber aus dem Krug trank,
konnte er zumindest sicher sein, dass er selbst nicht an Durst zugrunde
gehen würde. Allerdings würde dann kein nach ihm Kommender mehr
Wasser vorfinden! Aber was wäre, wenn er das Wasser tatsächlich
aufgrund der mehr als fragwürdigen Instruktion an dem Krug in die
rostige Pumpe goss? Eine innere Stimme riet ihm, dem Rat zu folgen
und die riskante Entscheidung zu treffen. So machte er sich daran, den
ganzen Krug Wasser in die rostige Pumpe zu gießen. Er hob und
senkte wie wild den Schwengel und pumpte - und tatsächlich,
plötzlich begann das Wasser aus dem Hals der Röhre zu schießen!
Jetzt hatte der Mann mehr köstliches, erfrischendes Wasser, als er
brauchte. Er stillte seinen Durst, füllte dann den Krug erneut,
verkorkte ihn und fügte den Anweisungen auf dem Zettel noch einen
Satz in seinen eigenen Worten hinzu: „Glaube nur, es funktioniert! Du
musst der Pumpe alles geben, was du hast, ehe du etwas
zurückbekommst!”
Genau so, bin auch ich eingeladen, wenn ich bei Christus den Durst
meines Lebens gestillt habe, anderen zu zeigen, wo die Oase mit der
Quelle des frischen Wassers in der Wüste des menschlichen Lebens
zu finden ist.
Liebe Kinder, Jugendliche und Erwachsene,
Jesus hatte Durst,
1. damit ich weiß, dass er meinen Lebensdurst versteht.
2. damit mein Durst bei ihm und sein Durst bei mir gestillt wird!
3. damit ich anderen zeigen kann, wo es das Wasser gibt, das den
Durst stillt.
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