Praktische Theologie - Grethlein - EKHN

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Praktische Theologie - Christian Grethlein
Einleitung
-Einsichten der Vorgänger:
 Martin Schian: „Praktische Theologie soll die wissenschaftlichen Fundamente für
gesamte Ausrichtung des Pfarramtes legen.“
o Einsicht, dass PTh keine Anwendungswissenschaft ist!
o Einsicht, dass PTh eng mit der Pastoraltheologie verknüpft ist
 Schian, Haendler, Rössler: „Kirche“ ist der zentrale Gegenstand der PTh
o Inhaltlich steht der Gottesdienst im Mittelpunkt (so Schian)
o Inhaltlich steht die Seelsorge im Mittelpunkt (so Haendler)
o Inhaltlich steht die Kirche im Bezug zum Christentum; neuzeitliches
Christentum steht im Mittelpunkt (Rössler im Rückgriff auf Trutz Rendtorff)
 bei Schian dominiert das Interesse an einem geschichtlichen Verständnis der
kirchlichen Praxis und an deren konkreter Gestaltung
 bei Haendler wird das Kirchenverständnis pneumatologisch gedeutet (mit Anteilen in
der Tiefenpsychologie)
 bei Rössler wird christentumstheoretisch argumentiert; der sozialogisch erfasste
neuzeitliche Differenzierungsprozess wird hier beachtet
-Probleme und Differenzen der „Praktischen Theologie“:
 Pastoraltheologische Engführung
o Zentrierung der PTh auf die Tätigkeit des Pfr. ist in den letzten Jahrzehnten
kritisiert worden
 Rössler als Paradebeispiel, der in seinem Grundriss zwischen „Person,
Amt und Beruf des Pfarrers“ unterscheidet
o Bereich Diakonie und Schule fristeten Schattendasein (Pfarrer hat hier keine
bzw. nur geringe Berührungspunkte); ähnliches gilt für die christliche
Publizistik
o heute: Anstelle des Glaubenslehrers und -wächters tritt der Kommunikator des
Evangeliums hervor, der zuerst die Situation seiner Gesprächspartner sorgfältig
wahrnehmen und verstehen muss
 so wird PTh zur „Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der
Gegenwart“
 Kirchliche bzw. christentumstheoretische Engführung
o Marginalisierungsprozess von Kirche als Institution schreitet voran (1930er
Jahre noch 95 % Kirchenmitglieder; heute noch etwa 60 %)
 Problem: 5 Mio. Menschen sind getauft und damit dem Leib Christi
angehörig, besitzen aber keine „formale“ Mitgliedschaft mehr
o Pluralisierung der Daseins- und Wertorientierung im Zusammenhang mit
großen Migrationsbewegungen
 Trägt ein christentumstheoretisch ausgerichtetes Verhältnis von
Religion der Tatsache Rechnung, dass in der Lebenswelt vieler
Menschen nicht-christliche Formen des Transzendenzbezuges
begegnen, bspw. bei Juden/Muslimen?
o bei einer Mehrheit der in der DDR Sozialisierten und ihren Kindern herrscht
ein Desinteresse an Kirche und Christentum
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-(Eigener) Ansatz von Grethlein: Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der
Gegenwart
 praktisch-theologische Arbeit steht vor folgenden Herausforderungen
o Rückgang der Kirchemitgliedschaft
o zunehmende Zahl von Menschen mit anderer Daseins- und Wertorientierung
o Siegeszug der neuen elektronischen Medien
 ERGEBNIS: Das aus der ökumenischen Bewegung stammende Prinzip der
„Kommunikation des Evangeliums“ ist hier der Schlüssel
-Die Theorie der Kommunikation des Evangeliums ist in dreifacher Weise hilfreich:
1. Praktisch-theologisch
a. theologisch benennt „Kommunikation des Evangeliums“ präziser als
„Religion“ den Gegenstand praktisch-theologischer Reflexion
b. empirisch greift „Kommunikation des Evangeliums“ weiter aus als „Kirche“,
die an Bedeutung verliert
c. praktisch-theologisch ermöglicht der Rückgriff auf „Kommunikation“ die
Integration der traditionellen pastoraltheologischen Perspektive, jetzt aber
unter den neuen Bedingungen eines (Pfarr-)Berufes
2. Interdisziplinär
a. Kommunikationsbegriff eröffnet vielfältige Möglichkeiten, die Themen und
Aufgaben Praktischer Theologie mehrperspektivisch zu erfassen
b. Theologie verbindet sich mit Kommunikationswissenschaft, die ihrerseits
wieder vielfach mit anderen Wissenschaften verbunden ist
3. Theologisch
a. „Kommunikation des Evangeliums“ ermöglicht gute Anschlüsse an heutige
Theologie
b. Dahlfert: Ev. Theologie als eine „Interpretationspraxis der Kommunikation des
Evangeliums“
c. traditionelle Begriffe wie „Lehre“, „Wort Gottes“ oder „Verkündigung“
bezeichnen Kommunikationsformen
4. Theoriecharakter
a. trotz allem bleibt festzuhalten: PTh erarbeitet Theorien zum Verständnis der
gegenwärtigen Kommunikation des Evangeliums
b. PTh ist nicht die Praxis selbst, sondern die Reflexion hierauf
c. PTh ist - auch - eine Berufstheorie
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1. Teil Problemgeschichtliche Einführung: der Gegenstand der Praktischen Theologie
-PTh ist keine historische Disziplin, dennoch muss sie perspektivisch auch auf ihre
Vergangenheit zurückblicken
 in früheren Zeiten trat die historische Dimension des Faches in den Hintergrund; sie
drohte ein geschichtlicher Abriss des Faches zu sein
 seit Ende der 1980er wurde die Disziplingeschichte dann im Hinblick auf die
problemgeschichtliche Dimension interessant
-PTh als solche war lange Zeit eine weithin in der Ev. Theologie angesiedelt
 erst durch die Öffnung des Vaticanum II gab es auch auf katholischer Seite eine
Herausbildung einer PTh
 mittlerweile bahnt sich eine konfessionsübergreifende Internationalisierung der PTh
an
o „International Academy of Practical Theology“; „Journal of Pract. Theology“
1. Kapitel Praktische Theologie - eine moderne Krisenwissenschaft
-genauer Beginn einer PTh kann nicht angegeben werden; Eigenständigkeit als Disziplin im
19. Jahrhundert; es gab aber zwei Kontexte, innerhalb derer sich die praktisch-theologische
Wissenschaft zu etablieren begann
 Reform des Theologie-Studiums bzw. der Pfarrer-Ausbildung
 Aufgabe einer enzyklopädischen Bestimmung von Theologie
-erste Professuren für das Fach PTh an ev.-theol. Fakultäten waren 1813 Tübingen und 1821
Berlin
-bis heute prägt das „Krisen-Konzept die PTh, und zwar in doppelter Hinsicht: Einerseits
thematisiert sie ihre Gegenstände unter dem Gesichtspunkt der Krisen (v.a. drei, siehe unten),
andererseits erscheinen die praktisch-theologischen Bemühungen selbst krisenhaft (Ende des
19. Jhs. „schwere Krise“ des Faches - Frage nach dem Gegenstand der PTh)
 politische, soziale und kulturelle Veränderungen seit Beginn des 19. Jhs., die zur
Etablierung des Faches führten
o Konfessionalität nahm zu; Bevölkerungsanstieg; Einrichtung von Schulen;
Industrialisierung; Unterscheidung von privater und öffentlicher Religion;
Möglichkeit des Kirchenaustrittes
 Herausforderung durch die „Moderne“ um die Wende vom 19. zum 20. Jh., die zu
einer methodischen Neubesinnung führten
o Wandlung Deutschlands von der Agrar- zur Industrienation; Marginalisierung
der Theologie; Jugendbewegung; aufblühende Volkskultur innerhalb der
Kirche; Kirche erreicht die Arbeiterschaft; Reform des Theologiestudiums
 Reformbemühungen seit Ende der 1960er Jahre
o DDR; Ölpreisschock (1973); Gastarbeiter; Zahl der Kirchenaustritte stieg an;
theologisch: empirische Forschung wird (endlich) in die PTh eingebunden;
Anstieg der Gemeinden
 1968: 47 Pfarrer auf 100.000 Mitglieder
 1990: 74 Pfarrer auf 100.000 Mitglieder
-Die Praktische Theologie profilierte sich v.a. durch drei wichtige Impulse:
 Schleiermachers enzyklopädische Arbeit, die die Theologie als eine positive
Wissenschaft mit konstitutivem Bezug auf die Kirchenleitung bestimmt
o ihn aber als „Urheber der praktischen Theologie als Wissenschaft zu sehen“ ist
nur teilweise richtig
 C. I. Nitzsch, der die Kirche als Ausgangspunkt und Gegenstand Praktischer
Theologie bestimmt
 C. D. Palmers, die eine ethische Pastoraltheologie vertritt
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ZUSAMMENFASSUNG: PTh enstand im Laufe des 19. Jhs. Sie sollte wissenschaftlichtheologisch die Herausforderungen für Kirche und Theologie bearbeiten, die die erheblichen
politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Veränderungen aufwarfen.
Thematisch standen in der PTh von Anfang an die Kirche und ihr Handeln im Vordergrund.
-Vertreter des Faches zu Beginn der „Moderne“ zwischen 19. und 20. Jahrhundert
 theologisch v.a. die Wort-Gottes Theologie, die zu einer neuen Beschäftigung mit dem
Verkündigungsbegriff führte
 Paul Drews: PTh als empirische Disziplin
 Friedrich Niebergall: „Lehre von der kirchlichen Gemeindeerziehung auf
religionswissenschaftlicher Grundlage“
o Erziehungslehre
o Praktische Dogmatik
o Religionspsychologie
 Martin Schian
o Beschäftigung mit dem Staat-Kirche Verhältnis (WRV)
o neuere Herausforderungen angesichts der Sozialen Frage
o Lehr-Auseinandersetzungen wie Amtsenthebungen diverser Pfarrer
-sowohl Niebergall als auch Schian wurden nach Kriegsende (1. WK) von Vertretern der
Dialektischen Theologie, später: Wort-Gottes-Theologie angegriffen
 empirisch könne eine PTh niemals sein; Verweis auf dogmatische Einsichten
 mit der dogmatischen Kritik an der programmatischen Zuwendung zu den konkreten
Menschen wurde ein konstitutives Merkmal der bisherigen PTh in Frage gestellt
o Folge: Die PTh wurde bis in die 1960er Jahre dogmatisch anästhesiert; für die
Theologie insgesamt problematisch wurde die Behauptung einer
Sonderstellung der Theologie durch Barth und seine Anhänger
 Impulse jenseits dogmatischer und ideologischer Überformung lieferten nur einige
wenigen Wissenschaftler, hier sind zu nennen: Adolf Allwohn, Wilhelm Stählin und
Otto Haendler
ZUSAMMENFASSUNG: Am Übergang vom 19. zum 20. Jh. entwickelte die PTh ein
eigenständiges Profil. Der empirische Zugang erweis sich angesichts der allgemeinen
Herausforderungen in Gesellschaft und Kultur sowie der pastoralen Aufgaben unter
veränderten kirchlichen Bedingungen als weiterführend. PTh erforderte Interdisziplinarität
mit den Fächern Volkskunde, Psychologie und Soziologie.
Der Erste WK führte innerhalb der Theologie zu einer Neubesinnung. Die (erstrebte)
exklusive Orientierung am Wort Gottes ließ keinen Raum für eine eigenständige, an der
Kultur und dem Gelingen konkreter Kommunikationsprozesse interessierten PTh.
Insgesamt zeigt die Entwicklung mit der zunehmenden Emigration der Kirche aus der
Gesellschaft, welchen Preis eine Theologie zahlt, die den empirischen Zugang durch die
Praktische Theologie ausblendet: Alltagsferne und damit Bedeutungslosigkeit.
-wichtige Vertreter der Epoche nach 1960:
 Karl-Fritz Daibler: PTh als Handlungswissenschaft; PTh als „Theorie der Praxis
theologischer und kirchlicher Berufe“
 Dietrich Rössler: „PTh ist die Verbindung von Grundsätzen der christlichen
Überlieferung mit Einsichten der gegenwärtigen Erfahrung zu der wissenschaftlichen
Theorie, die die Grundlage der Verantwortung für die geschichtliche Gestalt der
Kirche und für das gemeinsame Leben der Christen in der Kirche bildete.
 Gert Otto: PTh ist kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft
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-es entwickelte sich eine Forschungsspezialisierung innerhalb der PTh, v.a. in Bereiche der
 Seelsorge
 Religionspädagogik
 Kybernetik
 Homiletik und Liturgik
ZUSAMMENFASSUNG: Die Wende der 1960er und 1970er Jahre schloss die PTh an
außertheologische Wissenschaften an. Es begegnete nun ein Instrumentarium, das von
demoskopischen Verfahren bis hin zu therapeutischen Gesprächstechniken reichte. Ein
Problem dieser Zeit war es, den Gegenstand der PTh unter den Bedingungen einer
pluralistischen Gesellschaft zu beschreiben
-Praktische Theologie in der Gegenwart:
 Hintergründe (politisch, kulturell, kirchlich)
o Vereinigung von BRD und DDR
o Klima-Veränderungen
o „Bologna-Prozess“
o PISA-Studie
o Multikulturalität
o Vereinigung der Kirchen im Rahmen der EKD und der verschiedenen
konfessionellen Kirchenbünde (VELKD und EKU)
o Impulspapier „Kirche der Freiheit“
o Religionswissenschaft als eigenständiges Fach innerhalb der Theologie
 neue Impulse und Aufbrüche
o Manfred Josuttis: stellt die Frage nach dem die PTh leitenden Wirklichkeitsund Religionsverständnis
o Wilhelm Gräb: PTh als „Praxistheorie protestantischer Kultur“
o Hans-Günter Heimbrock („Frankfurter Ansatz“): PTh zwischen Postulat des
Heiligen als einer Sonderwirklichkeit (Josuttis) und dem Verständnis von
Religion als einer Deutung (Gräb) verorten
o Marburger Graduiertenkolleg „Religion in der Lebenswelt der Modern“
 der einzelne Mensch steht im Mittelpunkt der PTh
o Albrecht Grözinger: in der Ästhetik und in der Praktischen Theologie geht es
grundsätzlich um das Aufrechterhalten von Spannung, und zwar nicht nur in
der Theorie, sondern auch im Handeln
o Wilfried Engemann: „Kommunikation des Evangeliums durch Personen auf
der Basis von Zeichen in unterschiedlichen Situationen“
[ausgelassen, da für die Prüfung unerheblich: 2. Kapitel Praktische Theologie - Impulse aus der Katholischen
Theologie und den USA]
-ZUSAMMENFASSUNG DES 1. Teils: Die Entwicklung der PTh im Bereich der deutschen
Evangelischen Theologie kann als ein Auf und Ab unterschiedlicher Ansätze und Interessen
rekonstruiert werden. Es liegt nahe, PTh als eine Theorie von Balancen zu entwerfen, unter
welchen folgendes konkret zu vermitteln ist:
 forschungspraktisch notwendige Konzentration auf einen klar abgegrenzten
Gegenstand steht in Spannung zur lebensweltlichen Weite religiöser und spiritueller
Praxis
o Problem in der Frage nach dem Kirchenverständnis und -bezug der PTh
 thematische Verbundenheit mit der Theologie steht in Spannung zur notwendigen
Einbeziehung außertheologischer Einsichten und Forschungsstrategien
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
berufspraktische Bedeutung der praktisch-theologischen Disziplinen steht in Spannung
zu mehrperspektivischen Zugängen
o Problem führt zur Frage nach dem spezifischen Wissenschaftscharakter von
Praktischer Theologie zwischen Berufstheorie und allgemeiner Kultur- bzw.
Handlungs- bzw. Wahrnehmungswissenschaft
-Der Vergleich mit anders verlaufender Profilierung PTh in der Katholischen Kirche und den
USA macht auf Defizite (deutscher evangelischer) PTh aufmerksam
2. Teil Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart: empirische und theologische
Grundperspektiven
-Praktische Theologen unterschiedlicher Provenienz (Engemann, Mette, Osmer) schlagen vor,
den Gegenstand ihres Faches mit „Kommunikation des Evangeliums“ (in der Gegenwart) zu
bezeichnen
 Kraemer setzte explizit die Kommunikation des Evangeliums von sonstigen
Kommunikationsformen ab; sie galt ihm als „eine Kategorie sui generis“, weil neben
dem Mensch der Heilige Geist beteiligt ist
-Ernst Lange modifiziert das Verständnis von „Kommunikation des Evangeliums“ signifikant
 „Wir sprechen von Kommunikation des Evangeliums und nicht von ‚Verkündigung‘
oder gar ‚Predigt‘, weil der Begriff das prinzipiell Dialogische des gemeinten
Vorgangs akzentuiert
 Es ging Lange darum, die theologische und organisatorische Erstarrung der deutschen
Kirchen in der Nachkriegszeit aufzulösen und die kirchliche Praxis in Kontakt zur
gegenwärtigen Gesellschaft zu bringen
-Langes Konzept stieß v.a. bei Wort-Gottes-Theologen auf entschiedenen Widerspruch.
Mittlerweile aber hat sich die Situation verändert. Gesellschaftlicher Wandel, v.a.
Differenzierungs- und Pluralisierungsprozesse haben Kommunikation zu einem
Schlüsselthema in den unterschiedlichsten Wissenschaften gemacht
 Kommunikation des Evangeliums erfordert sowohl empirische als auch theologische
Klärung
3. Kapitel Kommunikation des Evangeliums - begriffliche und hermeneutische Klärungen
Begriffsklärungen
-Der Begriff Kommunikation:
 K. ist ein zentrales Thema gegenwärtiger Sozial- und Kulturwissenschaften. Die in der
Religionssoziologie lange übliche konzeptionelle Orientierung am Handlungsbegriff
tritt seit einiger Zeit hinter die Beschäftigung mit Kommunikation zurück
 Rede von Kommunikation des Evangeliums in der Theologie gehört in diesen
Kontext. Solange Amts- oder Lehrautorität genügten, um Menschen kirchlich zu
orientieren, und die (meisten) Menschen in (scheinbar) stabilen Sozialformen lebten,
kamen die Störungsanfälligkeit und Kontingenz von Kommunikationsprozessen nicht
in den Blick; dies hat sich geändert
-Verschiedene Wissenschaften und ihre Beschäftigung mit dem Begriff Kommunikation:
 Nachrichtentechnik
o Infoquelle  Sender  Kanal  Empfänger  (Botschaft) Ziel
 Psychologie
o Instanzenlehre Freuds machte darauf aufmerksam, dass eine bloße
Konzentration auf die den Kommunizierenden bewussten Aktionen und Ziele,
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
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
also auf die Ich-Ebene, die die Faktoren unrealistisch verkürzt, die
Kommunikation prägen
o Schulz von Thun entwirft ein sog. Kommunikationsquadrat (auf der Theorie
Bühlers und Watzlawicks), das mittlerweile Grundlage vieler Trainings und
Beratungsprozesse ist. Demnach enthält jede Nachricht vier Botschaften
 Sachinhalt
 Selbstkundgabe (Ich-Botschaft)
 Beziehung zwischen den Kommunizierenden
 Appell
o diese vier Ebenen gelten gleichermaßen für den Sender („Zungen“) und den
Empfänger („Ohren“)
Semiotik
o Semiotik als Lehre von den Zeichen umfasst das ganze Gebiet der
Kommunikation
o Engemann versteht in Aufnahme von Ecos Theorie Kommunikation als
„Mitteilungs- und Partizipationsgeschehen“ und rekonstruiert die
Kommunikation des Evangeliums als einen semiotisch analysierbaren Prozess.
Kommunikation vollzieht sich demnach durch Personen auf der Basis von
Zeichen in bestimmten Situationen mit bestimmten Zielen
o Kommunikationsprozesse beziehen sich auf bestimmte Codes
 Wortsprachen: Sprach-Codes; Sprech-Codes
 Körpersprachen: Kinetische oder textile Codes
 Klangsprachen: Akustische oder musikalische Codes
 Objektsprachen: Raum-Codes
 soziale Sprachen: Hierarchische oder szenische Codes
Soziolinguistik
o die an einer Kommunikation Beteiligten benötigen einen gemeinsamen
Kommunikationscode, um einen Verständigungsprozess beginnen zu können
Ritualtheorie
o Ausganspunkt ist die von John Austin formulierte Einsicht, dass Äußerungen
auch als Handlungen verstanden werden können. Offenkundig tritt dies z.B.
bei Rechtsakten wie dem standesamtlichen Eheschluss zu Tage
 das „Ja“ hat weitreichende Folgen
Systemtheorie
o Niklas Luhmann machte auf die „Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation“
aufmerksam
o Kommunikation als je eigenes System, in dem der Akzent einmal auf
„Mitteilung“, ein anderes Mal auf „Information“ oder schließlich auf
„Verstehen“ liegt. Kommunikation ist keineswegs auf den Austausch zwischen
Personen beschränkt
o Luhmann markiert durch die Trennung von - unzugänglichem - Bewusstsein
und Kommunikation das Problem, das durch Kommunikation (zwar
unwahrscheinlich, aber) mögliche Verstehen überhaupt festzustellen
Handlungstheorie
o universalpragmatische Perspektive von Jürgen Habermas
o Kommunikation kommt in handlungstheoretischer Perspektive
 Unterscheidung zwischen „instrumentellem“, „strategischem“ und
„kommunikativem“ Handeln
o kommunikatives Handeln kennzeichnet, dass das Ergebnis nicht von
vorneherein feststeht, sondern erst im Kommunikationsprozess ermittelt wird
7

Poststrukturalismus
o Michel Focault: „Machtförmigkeit von Kommunikation“
o Störungen von Kommunikation zeihen besondere Aufmerksamkeit auf sich
o symmetrische Kommunikation setzt eine egalitäre Rollenzuweisung voraus
und eine mediale Struktur, die gleichberechtigte Gegenseitigkeit erlaubt;
solche Symmetrie ist oft nicht möglich
 Bsp.: Der Experte hat Fachwissen, das seinen Gesprächspartnern oft
nicht zur Verfügung steht
-Herausforderung für die Kommunikation ergibt sich aus Standardisierung und
Individualisierung und v.a. durch die Einbeziehung des - meist gernerationenspezifischen Mediatisierungsprozesses
ERGEBNIS: „Evangelium“ als Inhalt von Kommunikation ist keine feststehende Größe
unabhängig von der konkreten Kommunikation. Die genauere Bedeutung von „Evangelium“
wird erst im Kommunikationsprozess generiert und ist grundsätzlich ergebnisoffen bis hin zur
Erschließung neuer Wirklichkeit
-Der Begriff Evangelium:
 beim Evangeliumsbegriff begegnen erhebliche Unterschiede: Während M. Josuttis das
„Heilige“ und die Begegnung mit ihm im Zentrum der Aufmerksamkeit sieht, nimmt
diese Stelle bei W. Gräb das sog. „entsubstantialisiertes“ Glaubensverständnis ein. I.
Karle greift dagegen auf das Luhmann’sche Religionsverständnis zurück etc.
 Grethlein: Plädoyer für eine sorgfältige bibschliche Klärung des leitenden
THEOLOGISCHEN Begriffes Evangelium
o Paulus: „euangelion“ wird stets im Singular verwandt; unterschiedliche
Bedeutungen:
 die Kommunikation des Evangeliums wird pleonastisch formuliert
(1Kor 15,1)
 das Evangelium wird (von einem Herold) proklamiert (Gal 2,2)
 das Evangelium wird zu erkennen gegeben (1Kor 15,1)
 das Evangelium wird gelehrt (Gal 1,12)
 das Evangelium wird zur Besprechung vorgelegt (Gal 2,2)
 das Evangelium wird überliefert (1Kor 15,1)
 das Evangelium wird aufgenommen (2Kor 11,4)
o Evangelien: hier wird als erstes programmatisch konstatiert: „das Evangelium
von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk 1,1)
 das Evangelium selbst begegnet teilweise als personale Interaktion (Mk
1,14)
 Begriffe der Gottesherrschaft, der Botschaft Jesu (euangelion), als
Vermittlung der Nähe der Gottesherrschaft
 Evangelium als Erzählen von Gleichnissen und Parabeln
 Evangelium als gemeinschaftliches Feiern (Mahlgemeinschaft)
 Evangelium als Hilfe zum Leben (Wunderheilungen)
 Die Kirche nahm die biblisch vorgegebenen Kommunikationsmodi auf und etablierte
hieraus Handlungsfelder (Gottesdienst, Abendmahl, Seelsorge etc.)
ERGEBNIS: Es ist wichtig, den doppelten medientheoretischen Sinn von „Evangelium“ zu
beachten, als Übertragungs- und als Speichermedium. Beide Male geht es um Interaktionen:
das eine Mal in einem aktuellen, ergebnisoffenen, das andere Mal in einem abgeschlossenen
und interpretierbaren Modus.
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Die Untersuchungen zum „historischen Jesus“ und seinen „echten und unechten Jesusworten“
sind hier nicht von Belang, denn: Lehr- und Lernprozesse, gemeinschaftliches Feiern und
Helfen zum Leben bilden die wesentlichen Ausdrucksformen christlicher Nachfolge.
-Der Begriff Religion:
 Begriff ist heute zur Beschreibung des Gegenstandes der PTh problematisch
 im 19. Jh. wurde der Begriff spätestens zu einem Allgemeinbegriff neuprotestantischer
Theologie, um zwischen kirchlicher Lehre und (davon abweichend) konkreter
Glaubenspraxis zu unterscheiden, aber zugleich deren Zusammenhang festzuhalten
o noch D. Rössler versteht Religion in diesem Sinne: „Religion ist v.a. gelebte
Religion. Sie ist unsichtbar. Sie tritt nicht in Erscheinung. Sie ist in der Praxis
des gelebten Lebens enthalten, und sie kann darin nicht ohne weiteres isoliert
oder bloßgelegt werden...Andererseits ist Religion objektivierte, formulierte
oder tradierte Religion.“
 schwierig hierbei: Multireligiosität wird ebenso übergangen wie die
derzeitige aktuelle Religionsverteilung in Deutschland
 viel kritischer als in der PTh wird der Begriff „Religion“ in der Religionswissenschaft
thematisiert
o Abgrenzung Gemeinsamkeiten des Begriffs „Religion“: „Gott“ bspw. schließt
den Buddhismus aus
o bei einem gemeinsamen Begriff wie „Transzendenz“ ist es schwierig
„Religion“ und „Kultur“ voneinander abzugrenzen
 Bei der Beschäftigung mit außereuropäischen und nichtchristlichen „Religionen“ wird
deutlich, wie stark der Religionsbegriff ein durch das europäische Christentum,
besonders den Protestantismus geprägtes Konzept ist
ERGEBNIS: Im Alltag erscheinen Menschen, die „religiös“ sind, aber mit dem vom
Christlichen her definierten Begriff wenig oder nichts gemein haben; ABER: Religion als
Begriff hat als protestantische Unterscheidungskategorie nach wie vor Bedeutung. Er
eröffnet den Blick für den Bereich des (westlichen) Christentums über kirchliche Lehre
und Organisation hinaus auf die individuellen Einstellungen und Vorstellungen der
Menschen
-Der Begriff Spiritualität:
 in der neueren Religionssoziologie (und der PTh) tritt teilweise der Begriff der
Spiritualität an die Stelle dessen, was bisher als „Religion“ bezeichnet wurde
 Religionssoziologisch dient „Spiritualität“ dazu, moderne, nicht oder kaum
organisierte Strömungen zu erfassen, innerhalb deren Menschen
Transzendenzerfahrungen machen
 Probleme des Begriffes:
o wie Religion entstammt „Spiritualität“ auch dem christlichen Kulturkreis
o ursprünglich im franz. Sprachbereich angesiedelt, dort im Ordenskatholizismus
o in den 1970er Jahren griff die „Ökumenische Bewegung“ den Begriff auf
 in einem Gebet wurde formuliert „Wir sehnen uns nach einer neuen
Spiritualität, die unser Planen, Denken und Handeln durchdringt.“
o „Spiritualität“ tauchte auch im interreligiösen Dialog auf; Impulse aus
Buddhismus oder Meditationspraktiken wurden hierunter vereinnahmt
o engl. „spiritual“ wurde zu einer anthropologischen Kategorie
o Letztlich fand der Begriff auch Eingang in die Evangelische Theologie und
Kirche. Hier ersetzte der Begriff „Spiritualität“ zum einen die als antquiert
empfundene „Frömmigkeit“; zum anderen sollte er einen Anschluss an die sog.
„gelebte Religion“ sichern
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
Kennzeichen modernen „Spiritualität“ nach Hubert Knoblauch
o sie ist institutionen- und organisationskritisch
o sie ist ganzheitlich ausgerichtet
o sie betont die subjektiven Erfahrungen der Transzendenz
 Durch die Kennzeichnung Knoblauchs ist deutlich, dass religiöse Erfahrungen, die
früher wenigen Virtuosen vorbehalten waren, jetzt auf einmal massenhaft in Blogs und
Internet-Foren auftauchen
o Die Transzendenzerfahrung wird popularisiert
o Bsp: Neigung zum Pilgern
ERGEBNIS: Das von Knoblauch skizzierte Konzept der Spiritualität weist wichtige Züge in
der Einstellung und Praxis heutiger Zeitgenossen auf. Er weist auch mehrfach auf dessen
Nähe zum Protestantismus mit seinem Erfahrungsbezug hin, der an die Stelle klerikaler
Vermittlung tritt.
Nicht von ungefähr zeigt sich eine gewisse Zurückhaltung evangelischer Theologie im
Hinblick auf den Begriff „Spiritualität“. Denn hier droht die Betonung der menschlichen
Aktivität, etwa in Form meditativer Übungen. Die Rechtfertigungsbotschaft scheint in den
Hintergrund gedrängt zu werden. Die mit „Spiritualität“ erfassten Bemühungen sind
Herausforderungen zu christlichen Lebensformen. Begriffe wie „spirituelle Gestalt von
Praktischer Theologie“ oder „christliche Spiritualität“ sind begrifflich nicht glücklich gewählt
(Grethlein). Bei näherem Hinsehen setzen diese nämlich „Regelmäßigkeit und
Verbindlichkeit“ voraus, eine Kontinuität, die der von Knoblauch beschriebenen
„spirituellen“ Suche gerade nicht entspricht.
ZUSAMMENFASSUNG der begrifflichen Klärungen: Die Spannung zwischen Redundanz
und Selektion macht darauf aufmerksam, dass Kommunikation sich auf Bekanntes beziehen
muss (also das „klassische“ Verständnis von Begriffen wie Religion), zugleich aber darüber
hinausweist (neuere Einflüsse auf althergebrachte Begriffe). Diese Einsicht ermöglicht ein
genaueres Verständnis von „Evangelium: Das Wirken Jesu knüpft in seinen drei
Kommunikationsmodi des
 Lehrens und Lernens
 gemeinschaftlichen Feierns
 Helfens zum Leben
an bestehende Traditionen an, rückt diese jedoch in den neuen Horizont der anbrechenden
Gottesherrschaft.
Hermeneutische Klärungen
-Pluralismus des Evangeliums:
 schon Jesu Botschaft wurde von seinen Jüngern in unterschiedlichen Formen der
Nachfolge rezipiert
o zu dem kleinen Kreis von Anhänger, die Jesus auf seiner Wanderschaft
begleiteten, gesellten sich viele anderen; diese blieben in ihren Familien,
Berufen und Orten und gestalteten dort ihr Leben in der Perspektive der
anbrechenden Gottesherrschaft
o Speichermedium der Geschichte: Neues Testament mit unterschiedlichen
Büchern unterschiedlicher Herkunft
 von Beginn an gab es unter Christen verschiedene Lebensformen
 schließlich entwickelten sich auch unterschiedliche Formen christlicher Gemeinschaft
o orthodoxe, katholische, evangelische Kirchen
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
Die pluralen Formen der Kommunikation des Evangeliums entwickelten sich nicht
konfliktlos, es gab immer wieder Versuche, „Evangelium“ auf eine eindimensionale
Doktrin oder Oranisationsform zu reduzieren
-Differenzierung der Religionserfahrung:
 Gert Otto: Unterscheidung von „Religion 1“ und „Religion 2“
o Religion 1: Identitätssuche des Menschen durch Usprungsvergewisserung,
durch Rückversicherung im ewig Gleichen
o Religion 2: Anlehnung nach vorne (Messianismus) ist orientiert an der noch
ausstehenden Aufhebung aller Entfremdungen, an der Erneuerung aller
Verhältnisse, in denen der Mensch ein „verschlossenes“ Wesen ist
 Wilhelm Gräb: Religion 1 als ursprüngliche Form; sie gilt ihm - mit Schleiermacher als „Quelle allen Lebens"
 Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) unterscheidet zwischen
o primärer Religionserfahrung
o sekundärer Religionserfahrung
 Andreas Feldtkeller: medientheoretische Beobachtung, dass sich eine Religion durch
die schriftliche Fixierung sprachlicher Äußerungen verändert
o ursprünglich als existentielle Erfahrungen erlebt, besteht ein Bedürfnis nach
Verschriftlichung der Ereignisse
o Verschriftlichung geht regelmäßig mit einer Theologisierung einher
o primäre Religionserfahrung=grundlegende Schicht menschlicher Religiosität;
sekundäre Religionserfahrung=Verschriftlichung/Theologisierung des
Erfahrenen
 ERGEBNIS: Die Kommunikation des Evangeliums vollzieht sich in der Spannung
von unmittelbar die Menschen betreffenden Bezügen (Abstammungsgemeinschaft,
Erde, Zeit) und diese kritisch überschreitenden Einsichten (in Form von Schriften)
o eine einseitige Orientierung am schriftlich fixierten Offenbarungszeugnis droht
den Zusammenhang mit dem tatsächlichen Leben der Menschen zu verlieren
o umgekehrt läuft eine Reduktion des Christlichen auf das Kreatürliche Gefahr,
wichtige Impulse des Evangeliums zu verspielen
-Kulturhermeneutische Unterscheidungen:
 Es ist wichtig, das Verhältnis der Kommunikation des Evangeliums zu ihrem
kulturellen Kontext zu reflektieren und dafür Gesichtspunkte zu erarbeiten
 fast zeitgleich mit der Entstehung der PTh tauchte am Beginn des 19. Jhs. die Mission
als eine besonders benannte Form christlicher Praxis auf
o doch schon zu Beginn des 20. Jhs. trat die Missionsthematik wieder in den
Hintergrund; Friedrich Niebergall widmete ihr in seinem zweibändigen
praktisch-theologischen Lehrbuch nur noch zwei Seiten
 spätestens nach dem II. WK trat das historische Problem der Verbindung von Mission
und Kolonialismus bzw. Imperialismus zu Tage
o in der ökum. Bewegung bemühte man sich um ein theologisches Verständnis
von Mission
o Konzept: Missio Dei - weniger als Lehre, mehr als Lebensstil formuliertes
Konzept
o Erst das Zusammenleben verschiedener Religionen eröffnet die Möglichkeit
zum Dialog und schließlich zum eigenen Zeugnis. So ist das „Fest der
eigentliche Ort, den Fremden kennenzulernen, wie es umgekehrt für den
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
Fremden die beste Möglichkeit bietet, uns wahrzunehmen und uns in unserer
Identität kennenzulernen.“
Dritte internationale Konsultation der Studiengruppe „Gottesdienst und Kultur“ des
Lutherischen Weltbundes im Jahr 1996 wurde ein Dokument erstellt, das allgemein
für eine praktisch-theologische Hermeneutik der Kontextualisierung von Bedeutung
ist. Es macht auf eine vierfache Wechselwirkung zwischen Gottesdienst und Kultur
aufmerksam. Gottesdienst ist
o kulturübergreifend
 Elemente wie Taufe, Abendmahl, Schriftlesung etc. finden sich in allen
christlichen Kirchen
o kontextuell
 jeweilige Kultur prägt die Feier des Gottesdienstes
o kontrakulturell bzw. kulturkritisch
 christliche Feier steht auch immer in einem gewissen Widerspruch zur
eigenen Kultur, insofern diese dem Evangelium widerspricht
o kulturell wechselwirkend
 gegenseitige Beeinflussung der Kulturen im Gottesdienst; besonders in
multikulturell zusammengesetzten Gemeinden anzutreffen
ZUSAMMENFASSUNG der hermeneutischen Klärungen: Medientheoretisch evident und
kasualtheoretisch erprobt ist die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer
Religionserfahrung. Das Wissen um die Bedeutung beider Religionserfahrungen für die
Kommunikation des Evangeliums verhindert den Aufbau unfruchtbarer Gegensätze. Es
begründet eine Praxis, die die Balance zwischen alltäglichen Gegebenheiten und der
schriftlichen Fixierung des christlichen Grundimpulses hält.
Die Studiengruppe des Lutherischen Weltbundes definierte den Gottesdienst im Rahmen der
Kultur. Vor allem die Dimensionen der Kontextualisierung und der Kulturkritik sind
praktisch-theologisch wichtig. Die erste erfordert das Ernstnehmen der konkreten kulturellen
Situation, die zweite verhindert die bloße Annahme/Akzeptanz des Bestehenden.
[im Detail ausgelassen, da für die Prüfung unerheblich: 4. Kapitel Kommunikation des
Evangeliums - empirische Grundbedingungen]
 im Grunde geht es hier um die Problematik, vor der evangelische Religionspraxis
steht; hierzu zählen äußere Einflüsse
o demographischer Wandel, Multikulturalitätsanstieg, Aufschwung der neuen
Medien, politische Veränderungen, Globalisierung, differenziertes
Familienbild (Patchwork) etc.
 als zweites stehen innerkirchliche Einflüsse wie
o Mitgliederrückgang, Kirchendistanzierung, Taufen im Verhältnis zu
Beerdigungen gering etc.
12
5. Kapitel Kommunikation des Evangeliums - theologische Grundbestimmungen
-Kommunikation vollzieht sich - wie bereits erwähnt - auf drei verschiedene Weisen: durch
das Lehren und Lernen, im gemeinschaftlichen Feiern und beim Helfen zum Leben
 diese drei Bereiche sind im Wirken Jesu untrennbar miteinander verbunden
Evangelium: im Modus des Lehrens und Lernens
 Anthropologischer Hintergrund
o Grundvoraussetzung: Weltoffenheit, Sozialität
o persönlichkeitsfördernde Lernprozesse fordern (nach Nipkow) eine
verlässliche Umwelt, Vertrauen und sprachliche Kommunikation
 Biblische Grundlagen
o AT: große Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung des Hörens und des
Sprechens, bspw. Jes 50,4f. „Der Herr JHWH hat mir eine Schülerzuge
gegeben. Damit ich verstünde, dem Mündigen zu antworten, erweckt er ein
Wort...“
 zum Wahrnehmen der Taten JHWHs gehört auch das Auge, doch
Vergangenes kann nicht mehr gesehen, sondern nur noch zur Sprache
gebracht werden
o AT: auch der Begriff „Tora“ (Weisung) impliziert Lehr- und Lernprozesse
o NT: Lehr- und Lernprozesse waren in Jesu Kommunikation des Evangeliums
grundlegend
 Jesus - Rabbi; Jünger - Schüler
 Als Adressaten seiner Lehre rücken die Evangelien aber immer wieder
auch das Volk in den Mittelpunkt
o NT: Das Leiden und Sterben Jesu zeigt, dass es sich im Verhältnis zu seinen
Jüngern um keine Hierarchie im üblichen Sinn von oben nach unten handelt.
 Historische Formen
o Christliche Lehrer im 2./3. Jh. in drei Formen: Wanderlehrer, Katecheten
(Lehrer im Auftrag und als Amtsträger in der Gemeinde), freie Lehrer
 diese bemühten sich um den Wahrheitsanspruch des Christentums
(Apologeten) unter Zuhilfenahme bspw. der Philosophie
 die Organisationsform der christlichen „Schule“ zeigt bereits in der
Frühzeit des Christentum, dass es jenseits der Gemeindestrukturen
schon Orte der Kommunikation des Evangeliums gab
o Taufkatechumenat: 3./4. Jh. v.a. durch das dem Hippolyt zugeschriebene Werk
„Traditio Apostolica“
 Lehr- und Lernprozess zur Zulassung zur Taufe
 als die Kindertaufe gängig wurde, hatte die exklusive Ausrichtung des
Taufkatechumenats auf Erwachsene und das Fehlen von Lehr- und
Lernprozessen für Kinder problematische Konsequenzen
o Klosterschulen: Klöster als Inseln der Gelehrsamkeit - hier entstand eine
eigene Institution für die christliche Erziehung von Kindern
 seit etwa Beginn des 6. Jhs.
 das Kloster firmierte als „schola“, es war eine „Lebensschule“
o Reformatorischer Impuls: Der Wegfall der selbstverständlich erscheinenden
gemeinsamen Glaubensüberzeugung erforderte verstärkte
Bildungsbemühungen, um die Differenzen (zum Katholizismus) zu kennen und
die eigene Zugehörigkeit (zum Protestantismus) zu verstehen
 Krise des Schulwesens/generell sehr geringer Bildungsstand führten zu
Veränderungen der Lehr- und Lernschaft
13



für Luther hatte Bildung soteriologische Qualität; dies führte er in
insegesamt drei Schriften aus: „An den christlichen Adel deutscher
Nation.“ (1520), „An die Ratsherrn aller Städte des deutschen Lands,
dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“ (1524), „Eine
Predigt, dass man Kinder zur Schulen halten solle“ (1530)
 Der Kleine Katechismus war an Familien, und hier v.a. an die Väter
gerichtet, in denen Luther die Verpflichtung zur Erziehung der Kinder
sah
 er galt forthin auch als „Laienbibel“
o Aufgeklärter Religionsunterricht: Infragestellung der unangefochtenen
Traditionen und Lehrinhalte; Herausbildung der Pädagogik als eigenständiger
Wissenschaft; Verstaatlichung des Schulwesens
o Kritik schulischen Religionsunterrichtes: F.D.E. Schleiermacher distanzierte
sich vom schulischen Religionsunterricht
 Unterricht in Religion sah er als völligen Widerspruch an
 er sah in der Familie, v.a. in der Mutter den Ort, an dem Religion
gespürt werden kann, da Religion nur in einem „dynamischen
Lebenszusammenhang“ weitergegeben werden kann
o Verschulung religiöser Erziehung: staatliche Aufsicht über den
Religionsunterricht im 19. Jh.
o ZUSAMMENFASSUNG: Kommunikation des Evangeliums im Modus von
Lehr- und Lernprozessen steht unter dem Vorzeichen des Lehrerseins Jesu.
Lehr- und Lernprozesse finden an unterschiedlichen Orten, v.a. im Haus, in der
Kirche und in der Schule, aber auch im Freien statt.
Zusammenhang mit anderen Modi der Kommunikation des Evangeliums
o Liturgische Bildung: die Tatsache, dass der Kl. Katechismus in einen Morgenund Abendsegen sowie in Tischgebete mündet, weist bei den Reformatoren auf
einen selbstverständlichen Zusammenhang zwischen Lernen und Liturgie auf.
In neuester Zeit wird „liturgische Bildung“ als didaktisches und methodisches
Thema bedacht.
o Diakonische Bildung: Alte Kirche und Klosterschulen fassen das Christsein als
umfassende Lebensform auf. Hier geht es auch um die Hilfe zum Leben.
Grundfragen
o Evangelium als Lehr- und Lerngegenstand: Religionslehrer beschäftigen sich
seit langem mit der Frage nach der Lehrbarkeit der „Religion“, worunter
(selbstverständlich) der christliche Glaube verstanden wurde. Evangelium kann
als „Speichermedium“ (Evangelien, NT), zugleich aber auch als
„Übertragungsmedium“ (Kommunikation öffnet die Aufmerksamkeit für die
Liebe Gottes)
 schulrechtlich versucht man diese Spannung dadurch zu lösen, dass
Religion zwar ordentliches Lehrfach ist, die Eltern aber ihre Kinder
hiervon abmelden können
o Bibel als Unterrichtsgegenstand: Die Bibeldidaktik hat versuch inhaltlich zu
klären, welche Texte für wen bedeutungsvoll sind; zum anderen umfasst sie
die methodische Reflexion der angemessenen Zugänge zum Medium Bibel
14
Evangelium: im Modus des gemeinschaftlichen Feierns
 Anthropologischer Hintergrund
o im kulturwissenschaftlichen Sprachgebrauch gehören Fest und Feiern
zusammen
 Feste transzendieren den Alltag; von daher ist das gemeinschaftliche
Feiern kulturgeschichtlich eine alte Kommunikationsform
o Feste sind konstitutive Lebensbejahung und Ausrichtung auf die Zukunft;
kommuniziert wird mit allen Sinnen
o ihren kommunikativen Punkt haben Feste in Feiern; sie finden i.d.R. an
besonderen Orten statt
 Biblische Grundlagen
o AT: drei Kommunikationsformen durch „Opferkult, Gebet und
Schriftfrömmigkeit“
 verschiedene Orte: Tempel, Haus, Synagoge
 Feste und Festkalender im AT
o NT: Sprachlich fällt hier das weitgehende Fehlen kultischer Terminologie auf;
auch die für den antiken Kult wichtige Funktion des Priesters findet sich im
NT nicht
 Jesus nahm aber selbstverständlich am Tempel- und
Synagogengottesdienst teil. Doch sprengte er an mehreren Stellen die
dabei vorausgesetze kultische Vorstellungswelt:
 Unterscheidung rein/unrein wurde zurückgewiesen
 Kritik an der ökonomischen Basis des Tempelkultes
 Jesus beanspruchte die Vollmacht, Sünden zu vergeben
 im NT besteht wie im AT eine große Nähe des gemeinschaftlichen
Feierns zum Kommunkationsmodus des Helfens zum Leben
 Abendmahl und Taufe demonstrieren dies in herausragender
Form
 Historische Formen
o Mahlfeier: 1./2. Jh., das gemeinschaftliche Feiern, in dessen Zentrum ein Mahl
stand, wurde in ein komplexes kultisches Gefüge transformiert; aus dem
Abendmahl, bei dem die Christen gemeinsam aßen und tranken, wurde die
Eucharistiefeier als kultischer Ritus, separiert von der Sättigung
o Benediktionelle [gottesdienstliche] Volksfrömmigkeit: Im Mittelalter ist zum
einen die Entwicklung zu beobachten, dass die Kirche traditionell
innerfamiliäre Segnungen adaptierte. Zum anderen wuchs die Zahl der am
Rande des kirchlichen Gottesdienstes praktizierten Benediktionen stark an
 erst ab Spätantike/Frühmittelalter setzte die Verkirchlichung der
Eheschließung an
 erst ab 6. Jh. wurde auch die Bestattung aus der Familie heraus in einen
kirchlichen Rahmen eingebunden
o Reformatorischer Impuls: gegen das Benediktionswesen erhob Martin Luther
Protest; er schildert drei große Missbräuche: 1. dass Gottesdienste allein
gelesen und gesungen wurden in den Kirchen (Tagzeitengebete), 2. Einkehr
von Fabeln, Lügen in Gesänge und Predigten (Predigten über
Heiligenlegenden), 3. der Glaube ist im Rahmen dieses
Gottesdienstverständnisses untergegangen (Werkgerechtigkeit)
 Luther rückte den Christusbezug ins Zentrum des Gottedienstes
 Luthers Reformen führten zu einer starken Verbalisierung der
Kommunikation des Evangeliums
15


o Unterricht in der Religion: 17. Jh. bedeutete (nach Sträter) „eine Krise der
Kirchlichkeit, die sich in einer Krise der kirchlichen Verkündigung
manifestierte“; Predigten lösten nicht den reformatorischen Anspruch ein, in
der Gemeinde Glauben zu wecken und zu stärken; für die Aufklärung galt
dann eine Differenzierung zwischen Theologie und Religion als grundlegend
o Festreligion: Niedergang der Festkultur (anhand des Weihnachtsfestes) „Die
häusliche Weihnachtsfeier war auf das kirchliche Fest und damit auch die
biblische Festlegende bezogen; die Feiernden standen nicht selten zu
bestimmten kirchlichen Inhalten wie der Jungfrauengeburt oder dem
Inkarnationsdogma in Distanz
 Brücke zwischen familiärer Feier und kirchlichem Festgottesdienst
schlugen die Lieder wie „Stille Nacht“
o Agendarische Verfestigung: 19. Jh.: Herausbildung eine im Kontext des
Bürgertums als Leitmodell der Lebensführung stehende familiäre Form der
Kommunikation des Evangeliums
 starke Ausrichtung an der primären Religionserfahrung
 spätestens ab Ende der 1970er wurde deutlich, dass der einheitlich
geordnete agendarische Gottesdienst keinen hinreichenden Raum für
die gemeinschaftliche Feier bot
Zusammenhang mit anderen Modi der Kommunikation des Evangeliums
o Von der Mimesis zur Volksbildung: Teilnehmende an den wöchentlichen
Mahlfeiern reihten sich in die im Wirken des irdischen Jesus beginnende
Tischgemeinschaft ein; daneben bestanden von Anfang an verbale Formen der
Lehre wie Schriftlesung und deren Auslegung. Einen Abbruch des
Zusammenhangs zwischen Kommunikation des Evangeliums im Modus
gemeinschaftlicher Feier und im Modus des Lehrens und Lernens stellt die
mittelalterliche Liturgieentwicklung dar. Später bestand die Lehre und das
Lernen durch die Botschaften der Predigt
o Helfen zum Leben und Feiern: nach Ulrike Suhrs besteht die größte Nähe
zwischen Gottesdienst und Diakonie im Abendmahl. Hier ist noch an das
klassische Sättigungsmahl zu denken, dass zahlreiche Hungernde stärkte; im
Laufe der Zeit ging die Ausrichtung am diakonischen Auftrag allerdings
verloren, heute berichten nur noch ökumenische Erfahrungen im Bereich von
Heilungsgottesdiensten („healing rites“) von solchen Verknüpfungen
Grundfragen
o Wahrer - falscher Gottesdienst: Unterscheidung erfolgt biblisch lediglich auf
der Inhaltsebene; heute ist dies differenzierter zu betrachten (Separierung Kult
vom Alltag etc.)
o Pluriformität: unter der Hand hat sich der Begriff „Hauptgottesdienst“ nach der
preußischen Agende von 1822 herausgebildet; dieser Begriff (Sonntag
vormittag, möglichst mit Abendmahl) ist aber Problematisch, denn biblisch ist
ja schon die Zusammenkunft von zwei oder drei im Namen Christi das
Entscheidende, nicht der Vollzug des Ritus
 auch hebt die Bezeichnung „Hauptgottesdienst“ einen exklusiv in der
Organisation Kirche begangenen Vollzug heraus; damit wertet sie
andere Orte der Kommunikation des Evangeliums ab wie Familie,
Schule, Diakonie oder Medien
16
Evangelium: im Modus des Helfens zum Leben
-Jesus verband bei der Kommunikation des Evangeliums im Modus des Helfens zum Leben
das soziale bzw. heilende Tun mit der Zusage der Sündenvergebung
-später entwickelten sich daraus die Zusammenhänge der Diakonie und der Beichte/Buße
bzw. später der Seelsorge
 Anthropologischer Hintergrund
o Da jeder Mensch anders ist, benötigt eine Hilfe zum Leben besonderes
Feingefühl; es gilt die grundlegende Bedeutung sozialen Verhaltens für die
Entwicklung der Menschheit und des Menschen im Auge zu behalten
 Biblische Grundlagen
o Helfen zum Leben ist ein Kommunikationsmodus, der sich als roter Faden
durch die gesamte Bibel zieht
o AT: Grundlegend ist hier das Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18); weiter
finden sich Schutzbestimmungen für Arme, Fremde und Behinderte (Lev
19,9f., 13,14); es finden sich auch die Möglichkeit des Sündenbekenntnisses
und der göttlichen Vergebung - festlichen Ausdruck findet dies im Größen
Versöhnungstag (Jom Kippur)
o NT: v.a. in zwei Geschichten geht es konkret um das Helfen: in der Geschichte
der Heilung des (wohl) an Epilepsie erkrankten Sohnes (Mk 9,14-29) und der
Genesung der kranken Tochter (Mt 15,21-28) - folgende Elemente finden sich
hier
 Hilfsbedürftiger kann sich nicht selbst helfen
 zunächst kümmern sich die Angehörigen um den Hilfebedürftigen;
irgendwann reicht deren Hilfsbereitschaft nicht mehr
 Insistieren des dem Hilfebedürftigen nahestehenden Helfers ggü. dem
„professionellen Helfer“ Jesus
 Gewährung der Hilfe durch Jesus
o NT: Das Helfen zum Leben ist kein einfaches, magisches Hantieren, sondern
eine ergebnisoffene Kommunikation, in der die Kommunizierenden
miteinander ringen; Der Glaube steht im Zentrum der Heilungen durch Jesus
(dein Glaube hat dir geholfen etc.)
 Historische Formen
o Altkirchliches Diakonat: um etwa 100 n.Chr. begegnet das Diakonat in einer
Zweiheit mit dem Amt der Bischöfe (Episkopen); vor der Herausbildung des
monarchischen Episkopats genossen beide Ämter (Bischof und Diakon) ein
sehr hohes Ansehen; der Diakon hatte nach Apg 6,1-3 herausragende
Bedeutung für die materielle Versorgung von Gemeindegliedern; auch bei
wichtigen Feiern am Sonntag (Sättigungsmahl) kam ihm eine Sonderrolle zu
 durch die Trennung von Sättigungsmahlzeit und Eucharistiefeier verlor
diese Funktion an Bedeutung
 später: Einordnung des Diakonats in das durch Bischof und Presbyter
(Priester) angeführte Ämtergefüge
o Buße: Als Grunddatum christlicher Existenz galt von Anfang an die Taufe
 in der Praxis kam es zu Verfehlungen; so kam es u.a. zur Einführung
einer zweiten Buße, später zur kirchlichen Beichte
 dies wiederum war der Beginn der christlichen Seelsorge
o Klösterliche Caritas: nach Zusammenbruch des (west)römischen Reichs und
im Zuge der Christianisierung germanischer Stämme stellte sich ein
strukturelles Problem dar
 Kirche war städtisch geprägt, auf dem Land gab es kaum Versorgung
 Hilfesuchende fanden immer mehr Zuwendung durch die Klöster
17



Bruderschaften und Frauengemeinschaften übernahmen im Hinblick
auf die Kommunikation des Evangeliums im Hinblick auf die Hilfe
zum Leben eine bedeutende Rolle
o Reformatorische Impulse: Karl der Große (742-814) hatte bereits die
Armenfürsorge für sich in Anspruch genommen. Von daher war das
Hilfehandeln grundsätzlich als Aufgabe der Obrigkeit bewusst, ohne dass dies
durchgehend so praktiziert worden wäre; Luther und noch stärker Zwingli
nahmen den Staat in die Pflicht zur Hilfe für die Armen, Schwachen und
Kranken
 zwei Probleme für die Kommunikation des Evangeliums ergaben sich
hieraus: Erstens besteht eine dichte Verknüpfung mit staatlichen
Einrichtungen, die einer verwaltungsmäßigen Logik folgen. Der
ganzheitliche Ansatz des Helfens zum Leben, der auch das Verhältnis
zu Gott umfasst, tritt hierbei zurück. Zweitens ist die reformatorische
Kritik an der Werkgerechtigkeit hiermit theologisch in Einklang zu
sehen. Sie verkürzt die Kommunikation des Evangeliums um eine
Dimension, die für den christlichen Grundimpuls konstitutiv ist
o Hilfe durch Erziehung: Pietismus (v.a. Spener) wies auf die soziale Notlage
nach dem 30-jährigen Krieg hin; August Hermann Francke nahm die Anstöße
auf und etablierte die Franckeschen Stiftungen, die bis heute bestehen
 hier galt ein enger Zusammenhang von christlicher Motivation,
Zuwendung zu den Armen und erzieherischem Impetus sowie
ökonomischer Ausrichtung
 Verbindung von Armenfürsorge und erzieherischem Handeln wurde
wichtig
o Diakonissen: biblisch zeigen schon die Ämter der Witwen und weiblichen
Diakonissen eine besondere Wertschätzung der Frauen; Theodor Fliedner
(1800-1864) etablierte als erster das Amt der Diakonissen; Gründungen
diverser Einrichtungen für Frauen etc.
o Innere Mission: durch J.H. Wichern begründete Diakonie nahm
Institutionsgestalt an; erste Hälfte des 19. Jhs. wurde hierfür prägend;
Vorläufer war der Centralausschuss zur Inneren Mission, der auf dem
Wittenberger Kirchentag 1848 gegründet wurde
 Gründung des Rauhen Hauses Hamburg; Krankenpflegerschule etc.
Zusammenhang mit anderen Modi der Kommunikation des Evangeliums
o Berufsbildung: schon die frühzeitige Herausbildung des Diakonats verweist
auf die implizite Tendenz zur Ausbildung von Berufen bei dieser
Kommunikationsform
o Gemeinschaftliches Feiern: Für Menschen in prekären Lebensverhältnissen
haben Feste und Feiern als Unterbrechungen des - notvoll erlebten - Alltags
eine große Bedeutung; Menschen „am Rand der Gesellschaft“ finden hier eine
Integration, die im Alltag nur schwer möglich ist
 heute mehr und mehr durch das Konzept der Inklusion verwirklicht
Grundfragen
o Organisationsform: Nebeneinander von individuellem und organisiertem
Helfen stellt ein Problem dar
o Berufs- und Lebensform: Helfen als Beruf steht in Gegensatz zum freiwilligen
Helfen als Christ; die Diversität von Zugehörigkeit zu einer christlich
motivierten Gemeinschaft und erfolgreichem Helfen zum Leben und - auf der
anderen Seite - professionalisierte Hilfe (in Form von Diakonie; Caritas) etc.
stehen in einem Spannungsverhältnis (auch im Bezug Staat/Kirche)
18
ZUSAMMENFASSUNG DES 2. Teils: Kommunikation des Evangeliums vollzieht sich nach Begriffs- und hermeneutischen Klärungen - in einem empirischen Rahmen. Dabei ist
sorgfältig zu beachten, wo sich neue Möglichkeiten ergeben und wo Entwicklungen
stattfinden, die dem christlichen Grundimpuls widersprechen.
Theologisch ergibt die christentumsgeschichtliche Rekonstruktion drei Modi der
Kommunikation des Evangeliums
 Modus Lehren und Lernen
 Modus gemeinschaftlichen Feierns
 Modus des Helfens zum Leben
3. Teil Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart: praktische Perspektiven
-I.U. Dalferth: „In den Disziplinen der praktischen Theologie geht es in differenzierter Weise
um die grundlegenden Gestaltungsaufgaben, wie und als was das Evangelium heute wem auf
welche Weise zu kommunizieren ist und kommuniziert werden kann...“
-Im Rückgriff auf die Botschaft Jesu gilt: Das Evangelium als die Botschaft von der
anbrechenden Gottesherrschaft bzw. von der wirksamen Liebe Gottes ereignet sich in
kommunikativen Vollzügen
 Diakonie und Medien gehören ebenfalls hierzu
o Insofern Kirche (griech. „kyriake“: zum Herrn gehörig) den Bereich der
Kommunikation des Evangeliums bezeichnet, ereignet sich - in theologischer
Perspektive - auch in diesen Sozialfomen Kirche. Sie sind aber kein
Bestandteil der Kirche als eines verwaltungsmäßig geordneten Gefüges mit
rechtlichem Rahmen und bestimmten Befugnissen einzelner Positionen.
-Innerhalb der kirchlichen Sozialformen begegnen Menschen, die die Kommunikation des
Evangeliums in besonderer Weise fördern (Ehren-, Neben- oder Hauptamtliche)
-Angelegte Konzepte:
 Kap. 6: aus klassischer Kirchentheorie wird eine Theorie der Sozialform, in denen das
Evangelium kommuniziert wird
 Kap. 7: aus Pastoraltheologie wird eine Theorie der Tätigkeiten, deren Aufgabe die
Förderung des Evangeliums ist
 Kap. 8: nimmt in kommunikationstheoretischer Perspektive das in den klassischen
Disziplinen der Praktischen Theologie Bearbeitete auf
6. Kapitel Kommunikation des Evangeliums - in verschiedenen Sozialformen [Kirchentheorie]
-in der praktisch-theologischen Kirchentheorie wird gegenwärtig verbreitet die Luhmannsche
Systemtheorie rezipiert
 einerseits öffnet sie den Blick für Kommunikation
 andererseits verengt sie diesen aber durch den an der Begrifflichkeit Transzendenz Immanenz orientierten Religionsbegriff
Folge: PTh bleibt in einer theologisch problematischen Verkirchlichung der
Kommunikation des Evangeliums verhaftet
-Konzept der Kommunikation des Evangeliums (nach Grethlein) hat den Vorteil, dass das
Konzept theologisch begründet im Wirken und Geschick Jesu ist, empirisch in Form der drei
Modi von Kommunikation anschlussfähig für die Gegenwart.
 Kommunikation des Evangeliums lässt sich nicht nur auf (organisierte) Kirche
beschränken!
o dies untermauert auch der Begriff „ekklesia“ des NT: er meint sowohl
Hausgemeinde, Ortsgemeinde als auch die weltweite Ökumene
o die drei Formen heute sind Familie, Ortsgemeinde, (Landes)Kirche
19
-Familie als grundlegender Kommunikationsraum
-Eltern und Großeltern haben den positivsten Einfluss „auf die Entwicklung des Verhältnisses
zu Religion, Glauben und Kirche.“
-Familienangehörige sind am häufigsten Gesprächspartner zu „religiösen Themen“

Begriffsklärung
o historisch dominierte bis zum Ende des 18. Jh. die Rede vom „Haus“, also
einer nicht nur Eltern und Kinder, sondern weitere Verwandte und auch
andere, wie Knechte und Mägde, umfassenden Sozialform mit ökonomischer
Ausrichtung
 erst danach gewinnt der Begriff „Familie“ als eine Blutsverwandte
umfassende Größe Bedeutung
o ab dem 19. Jh. steht dann endgültig die „Familie“ im Vordergrund
o heute gestaltet sich die Situation wiederum anders: die Erweiterung des
Familienverständnisses auf die sog „multilokale Mehrgenerationenfamilie“
(Lauterbach) muss angenommen werden
 für die Theorie der Komm. des Ev. ist eine Gemeinsamkeit der
verschiedenen Formen wichtig: die besondere Form der Vertrautheit
 Grundlegende Kompetenzen bilden sich in der Familie heraus; die
Schule ist dann eine Weiterführung

Historische Entwicklung
o AT: Beziehungen zwischen den familiär verbundenen Generationen bilden im
AT den Hintergrund für die Kommunikation über und Mit Gott. Die
Beziehung zu Gott wird vornehmlich in der Sprache familialer Beziehungen
formuliert (Domsgen). Gott wird als Vater, Hausherr, als Mutter oder Ehemann
angesprochen
 es finden sich im AT aber auch Konkurrenzsituationen zwischen Gott
und der Familie; Verwandte sollen sich nicht zur Verehrung fremder
Götter verführen lassen (Dtn 13,7-12)
o NT: Ambivalenz kennzeichnet das Geschehen. Dem damals ungewöhnlichen
Verbot der Ehescheidung (Mt 5,27-32), also einer Stabilisierung der Familie,
steht eine Aufforderung entgegen, um Jesu willen mit der eigenen Familie zu
brechen (Mt 10,37), sich sogar der traditionellen Verpflichtung familiärer
Pietät zu entziehen (Mt 8,21f.)
 diese Ambivalenz kann als Spannung zwischen primärer und
sekundärer Religionserfahrung bezeichnet werden
o Taufe: nach den ersten expliziten Berichten über Kindertaufen wurden kleine
Kinder mit ihren Eltern getauft; dies änderte sich aufgrund des Verständnisses
von der Erbsündenlehre; Eltern traten in der Taufe zurück, der dem Kind die
Gotteskindschaft vermittelt und es damit von der Erbsünde befreien sollte Paten wurden zu den neuen geistlichen Eltern
 hier begegnet also bereits zu Beginn des christlichen Lebens eine
Spannung; nicht die biologischen Eltern, sondern die Paten als
geistliche Eltern bekennen in dem Reinigungsritus der Taufe
stellvertretend den Glauben
o Zölibat: Zuspitzung erhielt die sexual- und familienfeindliche Tendenz im
Zwangszölibat für Kleriker; entsprechend der hierarchischen Stufung zwischen
Klerikern und Laien implizierte der Klerikerzölibat eine Geringschätzung von
Ehe und Familie
20

o
o
o
o


mit dieser sexualfeindlichen Ausrichtung war durchgehen eine
Geringschätzung der Frauen verbunden
Reformation: v.a. Luther bracht mit der familienfeindlichen Tradition des
Zölibats; er betonte stets die große Bedeutung des Hauses und der familiären
Beziehungen für das christliche Leben
 bei ihm überwiegt stets das erzieherische und katechetische Interesse an
Haus und Familie
 Unterscheidung von Klerikern und Laien verwarf er; Priestertum aller
Gläubigen
 Vater und! Mutter galten Luther als „der kinder Apostel, Bischoff,
Pfarrer, ynn dem sie das Euangelion yhn kundt machen.“ (WA 10II,
301)
 Die Reformation wertete das Haus ekklesiologisch zur Gemeinde auf
 dies hatte nicht nur positive Folgen: bspw. entwickelte sich eine
starke Intimisierung, die Familien wurden kleiner, eine
Abschottung (Weihnachtsfest des bürgerlichen Wohnzimmers)
manifestierte sich; zweitens trat die Luther so wichtige
Ausrichtung auf „Gottes Lob und Ehre“ zurück hinter die
Erziehung zu anständigen, lebenstüchtigen Menschen
Separation von Familie: Luthers Familienideal mit seinen katechetischen
Absichten konnte sich explizit wohl nirgends durchsetzen; er selbst war
skeptisch, was sich in seinem Engagement für die Einrichtung von Schulen
zeigte; im 18. Jh. entwickelte sich im Bürgertum ein Familienbild, das kulturell
sehr wirksam war, aber ohne religiöse Legitimation auskam
 im 18. Jh. etablierte sich flächendeckend der Konfirmandenunterricht;
Zahl der Schulen nahm zu; hinzu traten Medien wie die Moralischen
Wochenzeitschriften
19. Jh.: Familie verlor in den Augen der Geistlichen an Bedeutung für die
Kommunikation des Evangeliums; pastorales Engagement richtete sich auf die
Kirchengemeinden; Ernst Lange kennzeichnet die „vereinskirchliche
Gemeinde“ im 19. Jh. sogar als „familienfeindlich“
ERGEBNIS: Ambivalenz der Beurteilung von Familie durchzieht die gesamte
Christentumsgeschichte. Im Zuge des bürgerlichen Familienbildes und der
Verkirchlichung des Christentums kam es zu einer Isolierung von Familie. Das
„Gemeindeleben“ schienen ihre Bedeutung für die Kommunikation des Ev.
abzulösen.
Rechtlicher Rahmen
o Art. 6 GG: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der
staatlichen Ordnung.“
 der Familie kommt verfassungsrechtlich höchste Bedeutung zu
 die Bestimmungen erstrecken sich später auf den religiösen Bereich
(Art 7 Abs. 3)
o Gesetz über die religiöse Kindererziehung (1921) setzt die
Religionsmündigkeit auf 14 Jahre fest
o BVerfG: Familie als Funktion einer „Beistandsgemeinschaft“
 körperliches, seelisches und geistiges Wohl der Familienmitglieder;
erstreckt sich auf immaterielle Sorge und materielle Versorgung
Gegenwärtige Situation
o Familie heute: auf den ersten Blick fallen heute recht unterschiedliche
Sozialformen auf, die unter dem Namen „Familie“ figurieren; gleichzeitig gibt
21
es aber auch Gemeinsamkeiten, bspw. im Hinblick auf Familie als
„Beistandsgemeinschaft“
 Franz-Xaver Kaufmann: „In modernen Gesellschaften ist die Familie
zum einzigen institutionalisierten Lebensbereich geworden, in dem das
Äußern von Gefühlen [...] als erlaubt [...] gilt, und in dem
Gefühlsäußerungen als Ausdruck der Personhaftigkeit (und nicht z.B.
als psychische Labilität) gelten.“
 Der Familie kommt grundsätzliche Bedeutung für die Erziehung der
Kinder zu; aber auch andere äußere Einflüsse (KiTa usw.) „mischen“
hier schon mit; auch werden oft Pflegeleistungen für ältere
Familienmitglieder übernommen (14 % der 40-65 Jährigen sorgen für
ein älteres Familienmitglied)
 Festzuhalten bleibt: Unter den Bedingungen größerer Mobilität und
sich angleichender Geschlechterrollen substituiert die multilokale
Mehrgenerationenfamilie das vorneuzeitliche „Haus“ // trotz der
Leistungen innerhalb der Familie besteht in der heutigen Gesellschaft
eine „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ ggü. der Familie
 Problem der Anforderung an Arbeitsplätzen in Einklang mit Pflege
bspw. ist eine Herausforderung
o Lehren und Lernen: hier muss unterschieden werden zwischen impliziter und
expliziter religiöser Erziehung; im Kleinkindalter steht das nonverbale Agieren
im Vordergrund (Mutter beugt sich lächelnd über das Kind - Kind lacht;
biblisch im Bild des Aaronitischen Segens verwirklicht)
 Aufwachsen und Bildung des Kindes werden durch Wohnsituation,
materielle Ausstattung usw. der Familie geprägt
 Rituale, die eine implizite Religionsbildung darstellen können bspw.
das Zu-Bett-Bringen sein; Singen von Liedern (Das Kind wird von Gott
beschützt)
 Angebote wie Krabbelgottesdienste, Kindergottesdienste etc.
o Gemeinschaftliches Feiern: Weihnachtsgottesdienst als familiär begangenes
Fest steht immer noch im Mittelpunkt; diese familiären Weihnachtsfeste
ermöglichen eine intergenerationelle Zusammenkunft
 neben Weihnachten sind v.a. die Kasualien mit der Kirche verbunden;
die Kritik der Wort-Gottes-Theologen (Stichwort: U-Boot-Christen) ist
in der neueren Forschung widerlegt worden; nicht nur Taufe und
Bestattung, sondern auch Trauung, Konfirmation und Einschulung
öffnen einen Raum, in dem die gemeinschaftliche Feier den Menschen
bei der Deutung eines wichtigen Übergangs im Leben hilft
 diese Feiern stehen immer mehr (aufgrund der
„Durchmischung“ von Religiosität) unter ökumenischer
Perspektive
o Helfen zum Leben: Erziehung und Pflege geben schon einen Hinweis auf das
Engagement zur Hilfe zum Leben; als biblischer Hintergrund könnten hier die
„Werke der Barmherzigkeit“ dienen (Mt 25,31ff.)
ZUSAMMENFASSUNG: Viele Familien sind eine „Ekklesia“, die der Unterstützung bedarf.
Organisierte Kirche hat hier eine wichtige Aufgabe. Dabei geht es nicht darum, Familien in
das Gemeindeleben zu integrieren. Vielmehr sind Familien in ihrem Gemeinde-Sein zu
unterstützen.
22

Weiterführende Impulse
o Tauferinnerung: Taufe als Fest bringt zu Ausdruck, dass sich die „Ekklesia“
(Familie/Haus) vermehrt hat; abgesehen von dramaturgischen Problemen legt
sich v.a. bei der Taufe von kleinen Kindern ein besonderer Taufgottesdienst
nahe
 Einbindung in den Sonntagsgottesdienst ist nicht unbedingt zu
empfehlen (Unruhe, gegenseitiges Stören der Tauffamilien, Gemeinde
des Sonntagsgottesdienste)
 man sollte eine Möglichkeit der Erinnerung schaffen dürfen: dies
vollzieht sich heute durch mediale Erinnerung in Bild und Film
 außerdem sollte ein möglichst gut zu merkender Termin gewählt
werden. Die zweiten Feiertage an Ostern, Pfingsten und Weihnachten
sind hierfür prädestiniert
o Kindergottesdienst: immer weniger Kindern nehmen am KiGoDi teil
(Wochenendmobilität der Familien; Alternative Medien, Vereine; größere
Distanz zu religiösen Inhalten bei den Erzieherinnen im Kindergarten etc.
können Gründe hierfür sein)
 Transformation vom Kindergottesdienst zu einem Gottesdienst speziell
für Kinder ist zu überlegen
 Sonntag ist heute Bestandteil der größeren Zeiteinheit Wochenende; für
viele Familien ist dies der einzige Tag für gemeinsame
Unternehmungen, frei von beruflichen Obligationen; hiermit kollidiert
der „klassische“ Sonntagsgottesdienst - viele Kinder bleiben weg
 Forderung: Zeitliche Verlagerung des Godi für Kinder auf
Samstagvormittag oder Freitagnachmittag; dann kann der
Gottesdienst für Kinder ein Teil der Multilokalen
Mehrgenerationenfamilie werden
o Trauerhilfe: v.a. im Rahmen von Fehl- oder Totgeburten; allgemeine
Verlängerung des Lebenserwartung sensibilisiert Menschen für die Schrecken
eines frühen Todes; besonders Tot- und Fehlgeburten stellen junge Familien
vor große Belastungen
 seelsorgerliche Begleitung selbstverständlich, darüber hinaus evtl. Feier
zur Namensgebung: Eine Selbsthilfe-Initiative regte dazu die
Bereitstellung sog. Mosekörbchen an; das tote Neugeborene wird in ein
Weidenkörbchen gelegt, damit sich die Eltern von ihm verabschieden
können; ein Tuch verhüllt evtl. Missbildungen; in einem liturgischen
Akt wird das Kind ausgesegnet, dabei kann ihm ein Name gegeben
werden (Ritus S. 355)
o Offene Fragen: Ökumenisches Zusammensein der multireligiösen multilokalen
Mehrgenerationenfamilie; v.a. stoßen sich ev. Christen an der Verweigerung
zur Teilnahme an der kath. Eucharistiefeier; weiteres Problem: nicht alle
Menschen leben in familiären Zusammenhängen (bei 40-50 jährigen etwa
20%)
 Welche Bedeutung haben Kinder für menschliches Leben?
 Die Kommunikation des Evangeliums steht dem starren Festhalten an
der Kirchenspaltung ebenso entgegen wie dem Ausklammern von
Kindern und damit der Zukunft aus der Lebenspraxis.
23
-Schule als Lebensraum für Heranwachsende
-Hein-Elmar Tenorth: „In Schulen (wenn auch nicht nur dort) erwerben die Heranwachsenden
die Kulturfertigkeiten, mit denen sie am Alltag moderner Gesellschaften teilnehmen können;
in Schulen erwerben sie aber auch Kompetenzen, ihr Leben selbst als einen Lernprozess zu
verstehen und zu gestalten...“
-Schule ist auch - aus historischen und sachlichen Gründen - eine wichtige Institution für die
Kommunikation des Evangeliums
-Schwierigkeit: Es soll sich nicht um „Kirche in der Schule“ handeln

Begriffsklärung
o ähnlich wie Familie sind Schulen pluriform (Kinder unterschiedlichen Alters,
verschiedene Größen, verschiedene Schularten, unterschiedliche soziale und
geographische Umgebungen, verschiedene Trägerschaften)
o gleichzeitig haben Schulen aber auch Gemeinsamkeiten (Lehr- und
Lernprozesse sind raumzeitlich verselbstständigt, Notwendigkeit zum
symbolisch vermittelten Lernen [der „normale“ Alltag ist nicht direkt
vorhanden], Lehr- und Lernprozesse finden in einem besonderen sozialen
Setting statt, Schule organisiert das Lernen formal [es soll nicht von der
konkreten Person abhängig sein])

Historische Entwicklung
 von Schule im heutigen Sinn kann man erst ab der zweiten Hälfte des
19. Jhs. sprechen
o Schulleben: Begriff taucht erstmals 1826 auf; wichtiger Bestandteil der Schule
ist die Schulandacht (bzw. der Schulgottesdienst)
o Kindgemäßer Religionsunterricht: Im 19. Jh. griff der Staat - zunächst in enger
Verbindung mit der Kirche - auf den RU zu; gegen diese Verbindung
protestierten Lehrer: ihre positive, auf die Förderung der Kinder gerichtete und
damit zugleich ggü. kirchlich-dogmatischem Zugriff kritische Ausrichtung
kam im Zwickauer Manifest (1907) zu Ausdruck
 sächsische Landessynode wies 1909 die Lehrer zurück und beharrte auf
kirchlicher Aufsicht und Katechismusunterricht
o Orientierung am Wort Gottes: Trotz der WRV (1919) blieb das
Volksschulwesen de facto konfessionell geprägt; Nazis drängten den RU an
den Rand der Schule (Eckstunden; in höheren Klassen entfiel er komplett; Zahl
der RUlehrer sank rapide); nach 1945: „Kirche in der Schule“ - „Evangelische
Unterweisung“ trat an die Stelle von RU
 Folgen dieses (letzten) Ansatzes: Isolation des RU; exklusive
Orientierung an Bibel, Gesangbuch, Katechismus und
Kirchengeschichte; durch die Entwicklung der hermeneutischen
Pädagogik geriet die Ev. Unterweisung vollends ins Abseits
o Schülerorientierung: ab ca. 1965 zwangen die hohen Anmeldequoten für RU
zu einem Umdenken; Hans-Bernhard Kaufmann forderte erstmals eine
„Orientierung an den Problemen der Schüler“; Bildungsziel wurde die
„Befähigung zum Christsein“ (Grethlein)
o ERGEBNIS: Die Institution Schule stellt für die Kommunikation des
Evangeliums eine besondere Chance, aber ebenso eine Gefährdung dar.
Traditionelle Verankerung ermöglicht fast allen Jugendlichen eine langjährige,
regelmäßige Konfrontation mit der Kommunikation des Evangeliums im
Kontext von Lehren und Lernen sowie im Modus gemeinschaftliches Feiern
(SchulGDe); ist das Ergebnis hiervon aber immer zufriedenstellen?
24

Rechtlicher Rahmen
o Art 7 Abs. 3 GG „Der RU ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der
bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.“
 Ausnahmen bilden die sog. Bremer Klausel, Hamburg (RU unter
lutherischer Verantwortung) und Brandenburg (LER)
o Gesetz über die religiöse Kindererziehung (1921)
o Kruzifixurteil des BVerfG
o Recht auf negative Religionsfreiheit ist unbenommen (Abmeldung vom RU
jederzeit möglich)
 in Schulen mit kirchlicher Trägerschaft ist dies aber meist ein Grund,
den Schulvertrag auflösen zu können

Gegenwärtige Situation
o Schule heute: Schule ist heute weitgehen in rechtlich-administrativer
Steuerung eingebettet, d.h.: überwiegend staatliche Trägerschaft, kanonisierte
Inhalts- und Zielvorgaben (inkl. Prüfungsanforderungen), Entwicklung eines
flächendeckenden, gleichwertigen Bildungsangebots
 insgesamt „hochgradige Verrechtlichung aller Vorgänge“ (Fend)
 gesellschaftliche Umstände machen es Schülern nicht leicht, einen
„Sinn“ im Lernen zu entdecken
 Komm. des Ev. bietet hier die Möglichkeit, auch die für das Lernen
grundlegende Frage des Lebenssinnes zu bearbeiten
o Lehren und Lernen: in der religionspädagogischen Forschung steht nach wie
vor der RU im Mittelpunkt; aus der Perspektive der Kommunikation des
Evangeliums relativiert sich dessen Bedeutung bzw. wird in Zusammenhänge
gestellt, die bisher nicht berücksichtigt wurden
 Grundsatzproblem von Schule: Industriemäßiger Zeittakt
 Signal: Alles Lernbare ist in dieser Zeit zu begreifen und
umzusetzen; täglich mindestens fünfmal Umstellung der Fächer
 Aus den genannten Gründen legt es sich nahe, die Thematisierung der
Kommunikation des Evangeliums im Raum der Schule nicht exklusiv
auf den Unterricht zu beschränken
 Zwang zur Notenvergabe hemmt die „Kommunikation des
Evangeliums“
 folgende Projekte (nach Bernd Schröder) könnten für den Schulalltag
ertragreich sein: unterrichtsbezogene Projekte, SchulGD,
Schulseelsorge, Schulsozialarbeit, schulnahe Jugendarbeit
o Gemeinschaftliches Feiern: Herausforderung, den Zusammenhang mit dem
Kirchenjahr und den Umgang mit dem Pluralismus im Bereich der Daseinsund Werteorientierung herzustellen, Beispiele:
 Ferienzeiten fallen oft mit den christlichen Hochfesten (Ostern,
Weihnachten) zusammen
 Multireligiosität nimmt auch in der Schule immer mehr zu
 Forderung: Gemeinschaftliche Feiern sind deshalb ökumenisch
bzw. multi- oder interreligiös zu begehen
o ein Beharren auf bestimmter konfessioneller Prägung
zeigte, dass die Kommunikation der Botschaft des
Evangeliums dann meist gänzlich verschwindet
o Helfen zum Leben: Unterricht eröffnet die Möglichkeit, praktisch Erlebtes
nicht nur kritisch zu reflektieren, sondern in eine biblische Perspektive zu
rücken
25

Schulinterne Lernmöglichkeiten wie Mediation, gegenseitige
Hilfeleistung usw.
o ZUSAMMENFASSUNG: Schule bietet in Deutschland für die
Kommunikation des Evangeliums große Chancen. Von diesem Konzept
ausgehend ist eine enge Verbindung von unterrichtlichen und
außerunterrichtlichen Lehr- und Lernprozessen anzustreben. Dies alles darf
aber zu keiner Eigenlogik führen, da die Zugriffe durch Staat wie durch Kirche
dann gefährdet würden

Weiterführende Impulse
o Kirchliche Schulen: Geben die Möglichkeit zur Nachbarschaftlichkeit in die
Gemeinden; insgesamt gibt es 1.134 Evangelische Schulen
 Ziele können hier sein: Comenius Prinzip des „Unterrichten mit
spirituellem Spürsinn“ oder die Didaktik von M. Wagenschein,
Stichwort „Bildungsdidaktik als Lehrkunst“
o Inklusion: Schulen spiegeln die jeweilige gesellschaftliche und kulturelle
Realität wider. Daher ist es logisch, dass sich eine UN-Konvention 2009 dazu
entschied „Menschen mit Behinderung nicht aufgrund von Behinderung vom
allgemeinen Bildungssystem auszuschließen“
 verschiedene Graduierungen (Inklusion I, II und III) sind hier zu
differenzieren
 Inklusion steht im Spannungsverhältnis zum vielerorts noch
praktizierten konfessionellen Differenzierung des RU
o Seelsorge-Raum: Es ist wichtig, an der Schule einen Raum zu schaffen, in dem
das Evangelium in Form von Beratung kommuniziert werden kann
o Offene Fragen: Wie lässt sich die - meist von außen vorgegebene Kommunikationsform des Unterrichts mit der Möglichkeit zur
Kommunikation des Evangeliums in Einklang bringen?
-Kirche zwischen Institution und Organisation
-(evangelische) Kirche(n) in Deutschland stehen unter Druck; seit 1969, dem ersten Jahr mit
mehr als 100.000 Austritten, haben fast 6 Mio. Menschen die Ev. Kirche verlassen; etwa 5
Mio. Menschen leben in Deutschland, die getauft, aber nicht mehr Mitglieder der Kirche sind;
hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der Begriffsklärung „Kirche“
 Begriffsklärung
o „Kirche“ hat drei Bedeutungsebenen: 1. Gottesdienst, 2. das Gebäude, 3. eine
Institution bzw. Organisation
o NT: ekklesia - hebr. qahal=Versammlung
o Luther: übersetzt ekklesia durchgehend mit Gemeinde
o bei Kirche als Organisation müssen drei Ebenen unterschieden werden:
Ortsebene (Kirchengemeinde), regionale/mittlere Ebene (Dekanate bzw.
Kirchenreise), Landeskirchen sowie ihre Zusammenschlüsse (EKD/VELKD)

Historische Entwicklung
o Spannungen: ersten Christen traten in die Tischgemeinschaft Jesu ein und
seine Taufe; bereits früh entstehen erste Spannungen u.a. um das Abendmahl
(1Kor 11,17), um die Versorgung der Witwen (Apg 6,1-7)
o Sakralisierung: 2./3. Jh. bildet eine hierarchische Ämterstruktur aus sowie
eigene liturgische Formen und einen eigenen sakralen Bereich; Trias Bischof Presbyter - Diakon sowie Unterscheidung Klerus/Laien; außerdem:
Herausbildung einer orthodoxen Lehre (nulla salus extra ecclesia)
26

o
o
o
o
o

Resultat: Aus der Botschaft von der anbrechenden Gottesherrschaft
Jesu Christi wurde im 4. Jh. ein System der Daseins- und
Wertorientierung, das die Funktion der das Reich integrierenden
„Religio“ üernahm
Verstaatlichung: Kaiser Konstantin - Mailänder Edikt; Theodosius I. (481) Christentum als Staatsreligion; durch die Verknüpfung der Kirche mit dem
Staat entstand eine Struktur, die keinen erkennbaren Zusammenhang mit der
Kommunikation des Evangeliums mehr bot
Reformbemühungen: erste Reformbemühungen durch Wycliff/Hus;
prägendster Einschnitt aber durch Martin Luther: „...denne es weiß gottlob ein
Kind von 7 Jahren, was die Kirche si, nämlich die heiligen Gläubigen und ,die
Schäflin, die ihres Hirten Stimme hören‘“
 heilig war kein Attribut für Dinge, sondern Bezeichnung für alle
Getauften (Priestertum aller Gläubigen)
 kommunikative Vollzüge rückten in den Mittelpunkt der Kirche:
Predigen, Taufen, Abendmahl feiern
 Am schwächsten ausgeprägt war der reformatorische Impuls
hinsichtlich des Helfens zum Leben; nicht von ungefähr fehlt in CA7
ein Hinweis auf das Helfen zum Leben
Konfessionalisierung: Kirchenspaltung im Gefolge der Reformation;
Konfessionskirchen als eigenständige Gestalten des Christentums; während
katholisch das „Amt“ große Bedeutung hatte, kamen auf evangelischer Seite
den Universitäten eine große Bedeutung zu - in beiden Kirchen aber
dominierte die Lehre
 bis heute beharrt die katholische Kirche auf der Exklusion
Evangelischer vom Abendmahl; damit werden mögliche
Differnzierungsgewinne durch die Konfessionalisierung verspielt; die
Kirchenspaltung behindert die Kommunikation des Evangeliums
Volkskirche: Wichern hatte mit „Volkskirche“ 1848 das Programm für eine
„religiöse Revitalisierung des gesamten“ Volkslebens formuliert
 Fechtner: drei Dimensionen, die auf das Konzept Volkskirche
aufmerksam machen
 besonderes Verhältnis der Kirchen zum Staat, Status einer
KdöR
 bestimmte Partizipation vieler Menschen an Kirche; zwischen
kirchlicher Lehre und der tatsächlichen Einstellung der
Kirchenmitglieder besteht eine erhebliche Spannung
 grundsätzlicher Anspruch auf öffentliche Teilhabe von Kirche
ERGEBNIS: (Organisierte) Kirche ist ein wichtiger Ort der Kommunikation
des Evangeliums. Sie eröffnet Räume für Lehr- und Lernprozesse,
gemeinschaftliches Feiern und Helfen zum Leben. Es besteht aber die große
Gefahr, dass sich Kirche bzw. kirchliche Amtsträger an die Stelle der
Kommunikation des Evangeliums setzen.
Rechtlicher Rahmen
o Kirche ist in doppelter Hinsicht ein rechtliches Thema: Erstens in der
Verbindung zum Staat (Staatskirchenrecht), zweitens in der rechtlichen
Konstitution innerhalb der Kirchen (Kirchenrecht); lange vermischten sich
beide Ebenen bis zur Staats-Kirchen-Trennung der WRV (Art. 137 Abs.1), die
heute noch ihre Gültigkeit besitzt (Anschlussparagraph Art. 140 GG)
27
o Staatskirchenrecht: Grundlegend ist Art. 140 GG i.V.m. Art. 136-139 sowie
141 WRV; in der Praxis kommt v.a. Art. 137 Abs 5 WRV zum tragen; Der
Körperschaftsstatus ermöglicht den Kirchen, staatsanalog zu agieren, indem sie
öffentlich-rechtliche Untergliederungen mit Rechtsfähigkeit bilden,
Beamtenverhältnisse begründen und Steuern erheben; hinzu kommen viele
Vorteile als KdöR wie Vergünstigungen und Befreiungen im Steuerrecht etc.;
Staatkirchenverträge zwischen einzelnen Landeskirchen und Bundesländern
regeln teilweise bis ins Detail gehend einzelne Funktionen der Kirchen;
Haupteinnahmequelle der Kirchen ist die Kirchensteuer
o Kirchenrecht: Erst seit dem 19. Jh. stellt sich die Frage nach einem
eigenständigen evangelischen Kirchenreht; R.Sohms These: „Das Kirchenrecht
steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch“ und „Das Wesen der Kirche
ist geistlich, das Wesen des Rechts weltlich“
 Sohm konstatierte zu Recht eine Spannung für die ev. Kirche
 im Gegensatz zum kath. CIC ist ev. Recht nicht „ius divinum“, sondern
„ius humanum“ und damit vorübergehender Natur

Gegenwärtige Situation
o Ev. Kirche ist wohl gegenwärtig in Deutschland die am besten empirisch
erforschte Organisation
o Kirche heute: Schloz schildert die Situation der ev. Kirchen als „relative
Stabilität“. Die Verbundenheit der Kirchenmitglieder hat sich nur wenig
verändert, ein gutes Drittel bezeichnet sich als sehr oder ziemlich verbunden,
ein Viertel kaum oder gar nicht. Dazu kommen dauerhaft hohe Austrittszahlen,
die aber an der Verbundenheit nichts ändern; langsam ansteigende Zahlen von
Wiedereintritten
 Kirche wird zunehmend als Kasualkirche verstanden; außerdem soll
sich Kirche um „Alte, Kranke und Behinderte“ kümmern und „um
Probleme von Menschen in sozialen Notlagen“
 in der Einstellung vieler Mitglieder erscheint die Kirche immer noch
als eine staatsanaloge Institution; Kirchenmitgliedschaft durch Taufe,
keine eigenständige Entscheidung
o Lehren und Lernen: bis heute kann ev. Kirche als „Bildungsinstitution“
charakterisiert werden; RU spielt hierbei die größte Rolle, aber auch
Gemeindepädagogik, KU und Schulgottesdienste; Veränderungen im Bereich
der Familie führen zum Ausbau von Kindergärten bzw. Kindertagesstätten
 gegenwärtig sind ca. 50 % aller KiTas in Trägerschaft der Ev. oder
Kath. Kirche; etwa 61.000 Mitarbeiter
 dies stellt erhebliche Anforderungen an die religionspädagogische
Kompetenz der Erzieher; enge Kooperation mit dem theologisch
visierten Pfarrer ist unabdingbar
 Konfirmandenunterricht wurde im Laufe der Jahre zu
„Konfirmandenarbeit“, es gibt heute vielgestaltige
Organisationsformen wie: Einzelstunden, Blockstunden; Nachmittage,
Konfitage, Wochenendseminare, Seminarwochen in den Ferien,
Konfirmandenpraktikum in der Gemeinde, Exkursionen, Kurssystem
(Pflicht- und Wahlkurse), Ferienseminare in 7-10 Tagen,
übergemeindliche Konfitage (KonfiCamp)
 67 % der Jugendlichen loben ihre Konfi-Zeit insgesamt
28

o
o
o
o
Schwachstellen der Konfiarbeit: Gottesdienst (wird als
langweilige empfungen), Unterrichtsstruktur (enger Zeittakt),
Dominanz von Methoden wie dem Unterrichtsgespräch
 EKD weit werden etwa 7% der Konfis währen ihrer Konfizeit
getauft
 Erwachsenenbildung ist noch ein relativ junges Feld kirchlicher
Bildung; 1961 Gründung der Ev. Arbeitsgemeinschaft für
Erwachsenenbildung; Alten- bzw. Seniorenbildung als zunehmendes
Feld
 Lebenskundlicher Unterricht im Rahmen des Militärseelsorgevertrages
Gemeinschaftliches Feiern: Gottesdienste als besonderes Kennzeichen von
Kirche; in der Perspektive der Kommunikation des Evangeliums weitet sich
allerdings das Gottesdienstverständnis; Beschränkung auf den sog. normalen
SonntagsGD (10 Uhr) muss sich ändern
 Hauptformen heute: GDA, PredigtGD, TaufGD, Stundengebete,
BenediktionsGD
 besondere Adressatengruppen: KinderGD, FamilienGD, JugendGD,
GD, die sich an mit kirchlicher Praxis weniger Vertraute wenden (z.B.
Thomas-Messe, GoSpecial), GD in bestimmten Bereichen wie
Krankenhaus, Altenheim, JVA oder Schule
 besondere GD im Kirchenjahr: Weihnachts- oder Oster GD,
ErntedankGD, Buß- und BettagsGD
 massenmedial kommunizierte Feiern: FersehGD, InternetGD
-Gemeinsam ist diesen verschiedenen liturgischen Formen das
symbolbezogene Kommunikationsgeschehen, in dem mehrere
Menschen untereinander und mit Gott im Medium der biblischen
Tradition kommunizieren
Gemeinschaftliches Feiern II: Besuch des SonntagsGD bei etwa 4%; insgesamt
aber hohe Zahl an Kirchenbesuchern an Festtagen (sog. Festtagkirchgänger),
ähnlich attraktiv wie Heilig Abend sind GD an Übergängen im Lebenslauf
(Konfirmation, Taufen)
 alternative GD-Konzepte: GD am Abend; andere Raumgestaltung,
bestimmte Zielgruppen, Unterschied zur herkömmlichen
Kirchenmusik, liturgische Rollen werden neu bestimmt, Team bereitet
die Gottesdienste vor
Helfen zum Leben: AT: ethisches Handeln galt den Propheten als
Erkennungszeichen rechten Gottesdienstes; Jesus nahm diesen Ansatz auf,
vorzüglicher Ort hierfür war das gemeinschaftliche Mahl; Gabenbereitung,
Geldkollekte und Fürbittengebet sind heute Elemente im Gottesdienst, die
Helfen zum Leben im Blick haben
 Seelsorge und Pastoralpsychologie als eigenständige Bereiche
ZUSAMMENFASSUNG: (Organisierte) Kirche ist ein wichtiger - aber
keineswegs der einzige - Ort der Kommunikation des Evangeliums in seinen
verschiedenen Modi. Das Ineinander von Lehr- und Lehnprozessen und
gemeinschaftlichem Feiern spiegelt gut deren sachlichen Zusammenhang
wider. Leider lässt sich Ähnliches in nur geringem Maße für den Modus des
Helfens zum Leben festhalten. Alternative Gottesdienste öffnen sich für
heutige Kommunikationsformen. Bei den Kasualien sind oft die drei Modi der
Kommunikation des Evangeliums miteinander verbunden. Nach solchen
Kontextualisierungen und Verknüpfungen der Modi der Komm. des Ev. ist
Ausschau zu halten
29

Weiterführende Impulse
o Kirchenreform
 Impulspapier „Kirche der Freiheit“
 wachsen gegen den Trend in vier Kernbereichen (Geistliche
Profilierung; Schwerpunktsetzung; Beweglichkeit in den
Formen, Außenorientierung)
 Herbert Lindner empfiehlt „die Begleitung der Übergänge des Lebens
zum Fokus der gemeindlichen Angebote zu mahen“
 Uta Pohl-Patalongs Ansatz der „kirchlichen Orte“: „Gemeinst sind
damit ebenso bisherige Parochien, wie Tagungshäuser, kirchlich
genutzte Räume in Krankenhäusern, Schulen und Gefängnissen und
jegliche Gebäude, in denen bisher kirchliche Arbeit geleistet wird, teils
mit gleichen Aufgabengebieten, teils mit unterschiedlichen
Schwerpunkten“
o Konfirmandenarbeit: Hoyaer Modell: „Der traditionelle KU mit zwei
aufeinanderfolgenden Jahren wurde auf das 4. und 8. Schuljahr verteilt, wobei
das zweite Jahr unverändert unter der Leitung des Pfarrers stattfand. Dagegen
erteilen im ersten Jahr Eltern im Wohnzimmer oder in Gemeinderäumen
kleinen Gruppen von Vorkonfis den Unterricht
 Konficamps wichtig, da dies ein guter Ansatz ist (miteinander leben,
evangelische Jugendkultur schaffen, nachhaltige Lernprozesse anstoßen
etc.)
o Abendmahl mit Kindern: schon Kinder und Vorkonfis zum Abendmahl
zulassen; sonst werden sie ausgeschlossen aus der Gemeinschaft mit Christus,
was im biblischen Widerspruch steht („Lasset die Kinder zu mir kommen“)
o Offene Fragen: Relativierung von (organisierter) Kirche i.e.S. Sie wird in
Beziehung zu anderen Sozialräumen gesetzt und hat ihre Funktion darin, die
Kommunikation des Evangeliums an diesen Orten zu unterstützen. Es ist offen,
ob die ev. Landeskirchen diesen entlastenden und zugleich kirchliche Arbeit
neu orientierenden Perspektivwechsel vollziehen
 bestehende Verwaltungsformen (einschl. Kirchensteuer=
Kirchenmitgliedschaft) müssen überdacht werden
-Diakonie als Organisation am Markt
-Handlungsfelder der Diakonie werden von einer großen Mehrheit der Bevölkerung als
wichtig angesehen; der explizite Wunsch nach einem christlichen Hintergrund haben aber nur
noch ca. 46%; 36% ist dieser Hintergrund gar nicht wichtig
-unterschiedliche Probleme in den unterschiedlichen Bereichen der „Gemeindediakonie“,
„verbandlichen Diakonie“ und der „unternehmerischen Diakonie“

Begriffsklärung
o NT: diakonein in drei Kontexten 1. Ausrichten einer Botschaft; 2. allgemeine
Tätigkeit 3. im Haushalt; Gemeinsam ist diesen Kontexten die vermittelnde
Tätigkeit
 tätige Nächstenliebe ist nur eine Form des im NT genannten
„diakonein“
 Es geht insgesamt um die Vermittlung von Gottes Zuwendung zu den
Menschen. Damit ist „Diakonie“ konstitutiv für die Kirche
30

Historische Entwicklung
o Diakonie entstand aus der Notlage vieler Menschen im Zuge der
Industrialisierung und der Herausbildung einer bürgerlichen Gemeinschaft mit
zivilgesellschaftlichem Engagement
o Innere Mission und Diakonie: Angeregt durch Erweckungsbewegung und
vielfältige regionale Initiativen entwickelte J.H. Wichern das Konzept der IM;
wesentlicher Bestandteil war die Diakonie, verstanden als Armenpflege
 es entstanden bis heute spannungsvolle Balancen, so etwa zwischen
materieller Hilfe und missionarisch-erzieherischem Ansatz; zwischen
Handeln auf der intimen sozialen Ebene der Familie und
anstaltsförmigen Einrichtungen; zwischen privater Initiative und
institutionellem Handeln in Staat und Kirche
o Weitere Entwicklungen: Beginn staatlicher Sozialpolitik (Bismarck);
Gleichschaltungspoltik der Nazis erzwang wieder eine Verkirchlung; 1957:
Vereinigung von Hilfswerk und IM; 1975 „Diakonisches Werk der EKD“;
Ausbau des Sozialstaates in der BRD in den 1960er und 1970er Jahren; seit
etwa den 1990er Jahren Wettbewerb zwischen den frei-gemeinnützigen und
neuen, am ökonomischen Gewinn orientierten Unternehmen
 letztgenannten Prozess treibt die EU voran; 1996: Gründung der
„Eurodiaconia“ in Brüssel

Rechtlicher Rahmen
o Diakonie und Staat: diakonische Einrichtungen haben unterschiedliche
Rechtsformen (e.V., KdöR, GmbH, Stiftungen); Diakonie steht in doppelter
Weise in Beziehung zum Staat: zum einen durch ihre sozialrechtliche Stellung
als Träger der freien Wohlfahrtspflege, zum anderen durch die Zugehörigkeit
zur Kirche
o Diakonie und Kirche: Diakonie gehört zu einer „Wesens- und
Lebensäußerung“, so die 1948 verabschiedete Grundordnung der EKD;
einzelne Träger gehören i.d.R. einem Diakonischen Werk als Dachverband an;
Probleme gibt es v.a. in arbeitsrechtlicher Hinsicht (sog. Dritter Weg)

Gegenwärtige Situation
o Diakonie heute: einer der größten Arbeitgeber (im Bereich der
unternehmerischen Diakonie waren 443.744 Menschen im Jahr 2007
beschäftigt); in der Gemeindediakonie nur etwa 1000 Menschen hauptamtlich
beschäftigt
 größte diakonische Einrichtung wahrscheinlich die v.
Bodelschwinghschen Anstalten Bethel mit einem Jahresumsatz von ca.
700 Mio Euro
 es ist darauf zu achten, dass Helfen zum Leben sich in konkreter
Kommunikation zwischen Menschen vollzieht, nicht hinter
innerorganisatorischer Kommunikation zurücktritt
o Lehren und Lernen: Berufsspezialisierungen im sozialpädagogischen und
pflegerischen Arbeitsumfeld; Fort- und Weiterbildungen (v.a.
Telefonseelsorge)
o Gemeinschaftliches Feiern: In der Tätigkeit von Diakonen; Fürbittengebet
o Helfen zum Leben: Diakonie ist wesentlich durch helfende Kommunikation
bestimmt; dabei muss Helfen als ein ergebnisoffener Kommunikationsprozess
verstanden werden
31
o ZUSAMMENFASSUNG: Diakonie bezeichnet eine christlich motivierte,
organisierte Sozialform. In ihr tritt die Kontextualität der Kommunikation des
Evangeliums hervor. Es stellt sich aber die Frage nach der kulturkritischen
Dimension des Evangeliums. Sowohl die Abhängigkeit vom Staat als auch
eine nur ökonomische Ausrichtung sind zweifellos Gefährdungen eines
Helfens, das sich durch Gabe und Gegenseitigkeit genauer bestimmen lässt und
damit Asymmetrien relativiert.

Weiterführende Impulse
o Diakonische Kompetenz: für diese ist die Differenzierung nach „Fach-,
Personal-, Sozial- und Umsetzungskompetenz“ nötig (Horstmann)
 Präsenz als grundlegende diakonische Praxis: hierzu gehört
Achtsamkeit auf beide an der Kommunikation Beteiligten im Sinne von
Nächsten- und Selbstliebe
o Interkulturelle Seelsorge: Menschen, die aus anderen Kulturen stammen, sind
in höherem Maße erwerbslos und damit (in der Regel) ärmer als aus
Deutschland Stammende. Dazu treten häufig Sprachschwierigkeiten und die
Konfrontation mit ungewohnten Verhaltensweisen und Einstellungen - hier
muss interkulturelle Seelsorge anknüpfen
o Diakonie als Unternehmen: Dienstleistung, betriebswirtschaftlich als
„Leistungen, die unmittelbar am Menschen erbracht werden“ steht einer
Entmündigung der Hilfsbedürftigen entgegen. Damit wird der Gegenseitigkeit
des Helfens Rechnung getragen. So kann auch der Begriff „Kunde“
interpretiert werden. An die Stelle der Fürsorge tritt der wahlfähige Mensch.
o Offene Fragen: Diakonie befindet sich - wieder einmal - in einem Umbruch;
Eingriffe des Staates in den Bereich sozialen Handelns sollen finanzielle
Einsparungen bringen, was aber von Fachleuten bezweifelt wird
 Wenn es zutrifft, dass soziales Handeln wesentlich Umgang mit
gesellschaftlicher Exklusion ist, dann bietet die Kirche mit ihrer
liturgischen Praxis ein Potenzial für diakonische Inklusionsprozesse
-Medien als offener Kommunikationsraum
 Begriffsklärung
o Jede Kommunikation vollzieht sich medial, also vermittelt
o Für die Komm. des Ev. ist von Bedeutung, dass sie in jedem Medium möglich
ist. Ob es aber tatsächlich zu einer Beziehung des Gehörten bzw. Geschehenen
auf den christlichen Grundimpuls kommt, ist eine rezeptionsästhetische Frage.
 So kann ein und derselbe Film für die eine Zuschauerin eine
Ermutigung für ihren Glauben sein, währen er für einen anderen
lediglich spannend erscheint

Historische Entwicklung
o Presse: Eine wichtige Voraussetzung für christlich ausgerichtete Publizistik
war die Gründung von Verlagen; „Allgemeine Kirchenzeitung“ (1822),
„Evangelische Kirchenzeitung“ (1827), „Evangelisch-sozialer Preßverband für
die Provinz Sachsen“ (1892); „Evangelischer Presseverband für Deutschland“
(EPD) im Jahr 1910; „Evangelischer Pressedienst“, (Epd), der bis heute
besteht, wurde 1918 gegründet
 bis heute stellen evangelische Presse und Agenturwesen wichtige
Formen kirchlicher Arbeit dar.
32

kritischer ist die Lage bei überregionalen Zeitungen. So konnte bspw.
die Zeitschrift „Christ und Welt“ - trotz Fusion mit dem katholischen
„Rheinischen Merkur“ auf die Dauer nicht überleben
 inzwischen hat die EKD durch das Magazin „Chrismon“ als
Beilage in großen überregionalen Blättern ein Nachfolgemodell
etabliert
o Radio: beim Hörfunk engagierte sich die Ev. Kirche von Anfang an; 1924 erste
„religiöse Morgenfeier“; zwei wichtige Charakteristika der Kommunikation
durch das Mesdium Radio: 1.) private Rezeptionssituation, 2.
Unterhaltungsmedium
 Karl Barth bestreitet die Berechtigung kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit;
er wandte sich gegen eine „Propaganda“ von Kirche
o Fernsehen: 1954 erste Ausstrahlung des „Wort zum Sonntag“; seit 1955 (bis
1983) Ausstralung sog. Vespergottesdienste; seit 1986 jeden Sonntag im ZDF
der „Sonntagsgottesdienst“ - in ökumenischem Wechsel
o Kirchliches Konzept: 1973 - Gründung des „Gemeinschaftswerk der
Evangelischen Publizistik“ (GEP)

Rechtlicher Rahmen
o Grundlegend ist die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG
 die im Artikel genannte Pressefreiheit erstreckt sich auf Druckmedien,
Rundfunk und Film/Fernsehen, bezeichnet also faktisch eine
Medienfreiheit
 Staat darf nicht direkt in die Pressefreiheit eingreifen
o Von Bedeutung für die kirchliche Arbeit ist das sog. Drittsenderecht. Demnach
haben die Sender den Kirchen (und jüdischen Gemeinden) auf Wunsch
Sendezeiten einzuräumen. Dies gilt ebenfalls für den privaten Rundfunk.
Durch diese Möglichkeit kann die Ev. Kirche bis heute auf einen eigenen kostspieligen - Sender verzichten. Sie hält lediglich an einigen Sendern wie
dem Bibel.TV und dem 98.2 Radio Paradiso Anteile

Gegenwärtige Situation
o Evangelische Publizistik heute: Grundtendenz für die Kirchengebietspresse:
deutlicher Rückgang; Gemeindebriefe vergrößerten aber ihre Reichweite in
den letzten 20 Jahren; auch im Fernsehen zeichnet sich eine positive Tendenz
ab. Der sonntägliche ZDF-Gottesdienst ist die einzige Sendung im öffentlichrechtlichen Fernsehen, deren Einschaltquote trotz zunehmender Konkurrenz
ansteigt
o Lehren und Lernen: 1975: Evangelischer Erwachsenenkatechismus, 2010 in
achter Auflage; stark auf gemeinde- und religionspädagogische Arbeit zielt die
1960 aus dem Filmverleih „Matthias-Film“ hervorgegangene Filmgesellschaft
„EIKON“; vielfältige online-Präsenz der Landeskirchen, der EKD und
zunehmend auch von Dekanaten und Gemeinden
o Gemeinschaftliches Feiern: für das Radio ist festzuhalten, dass Wortbeiträge
zurücktreten und die Musik den meisten Raum einnimmt; Radiosender N-Joy
des NDR hat die Sendung „Like in heaven“ im Programm; ZDF-Gottesdienst das Fernsehen konstituiert sich heute als eine „mediale agora“
(Magin/Schwier), zum Zweiten realisiert der Fernsehgottesdienst ökumenische
Dimension in herausragender Weise; der Hauptvorwurf, beim
Fernsehgottesdienst würde keine Gemeinschaft zu Stande kommen,
33
entkräfteten Charlotte Magin und Helmut Schwier durch den Begriff der
„communio medialis“
o Helfen zum Leben: Im Bereich der Lebenshilfe ermöglichen die Medien ein
vielfältiges, unüberschaubares Angebot; Telefonseelsorge ebenso wie GebetsChats, die Bandbreite ist riesig
o ZUSAMMENFASSUNG: Bedeutung der Medienarbeit anhand von vier
Thesen
 Medienarbeit ist eine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche
 Immer mehr Menschen nehmen Kirche nur noch medial vermittelt
wahr
 Das kirchliche Medienangebot nutzt die ganze Palette der Printmedien
wie der elektronischen Medien
 Die Kirchenmitglieder sind mit dem Medienangebot der Kirche oft zu
wenig vertraut
Es fällt außerdem der konfessions-, teilweise wohl sogar
religionsübergreifende Charakter der Kommunikation des Ev. auf

Weiterführende Impulse:
o Beteiligung: Vor allem dem Internet sind egalitäre Kommunikationsformen
immanent. Davon profitiert bereits die Seelsorge (niedrige Zugangsschwelle)
o Netzwerke: netzwerkartige Kommunikationen (Facebook) sind für Menschen
selbstverständliche Begleiter im Alltag
o Offene Fragen: Verhältnisbestimmung von personaler zu apersonaler
Kommunikation
7. Kapitel Kommunikation des Evangeliums - durch verschiedene Tätigkeiten [Pastoraltheologie]
-Die Theorie der Kommunikation des Evangeliums beschränkt sich nicht nur auf die
Pastoraltheologie, sondern nimmt alle Berufe und Beschäftigungen in den Blick, die die
Kommunikation des Evangeliums fördern.
 1 Mio. Ehrenamtliche
 über 400.000 Hauptamtliche in der Diakonie
 über 200.000 Hauptamtliche in der Kirche
o etwa 22.000 aktive Pfarrer
-Ehrenamtliche/freiwillige Tätigkeiten
-Auf jeden Fall benötigen Kirche und Diakonie das Engagement von Menschen, die ohne
Bezahlung und ohne Streben nach einer hauptberuflichen Anstellung ihre Zeit und Kraft zur
Verfügung stellen. Das gilt gleichermaßen für alle drei Modi der Komm. des Evangeliums
-es sind aber auch Probleme mit dem Helfen verbunden; bspw. können durch Pfarrer
bestimmte Personengruppen zur Mitarbeit animiert werden, die eher eigene Probleme
bearbeiten als sich anderen Menschen zuzuwenden

Historische Entwicklung
o Ehrenamt fand bisher in der PTh nur wenig Beachtung, dabei ist es konstitutiv
für Kirche
o Alte Kirche und Mittelalter: Von Anfang an wurden wichtige Funktionen ohne
Vergütung ausgeübt; gänzlich ohne finanzielle Gratifikation (bis heute) ist das
Patenamt; Der Ausbau des Priesterstandes führte zur Tendenz, zunhemend
Hauptamtliche zu beschäftigen; Ineinander von geistlichen und weltlichen
Befugnissen im Mittelalter; immer wieder aber auch Laienprediger
34
o Reformatorische Impulse: Luther begründet die Gemeindestruktur vom
Priestertum aller Gläubigen her; Calvin - vier Ämter Lehre (Pastoren,
Doktoren/Lehrer, Älteste, Diakone); Ehrenamt gewinnt in der Reformation
enormes Gewicht; Paten sollen „die Sach mit Ernst und rechtem Glauben
handeln“; Obrigkeit sollte pädagogische und diakonische Verantwortung
übernehmen; wichtige ehrenamtliche Tätigkeit war die der Pfarrfrau
o Weitere Entwicklungen: in den 1820er Jahren setzte sich allmählich die
presbyterial-synodale Verfassung in den evangelischen Kirchen durch;
erheblicher Einfluss der Nicht-Pfarrer auf die Kirchenleitung; Aufbau
diakonischer Tätigkeiten, Helferinnen in den Sonntagsschulen, Laienprediger;
allgemeine Professionalisierung sozialer und pflegerischer Berufe
o ZUSAMMENFASSUNG: Ehrenamtliche Arbeit hat ihre Anfänge schon am
Beginn des Christentums. Gemeinsam ist allen Ehrenamtlichen, dass sie
unersetzlich waren bzw. sind, und zwar keineswegs nur aus ökonomischen
Gründen. Vielmehr stehen sie für den „Lebensweltbezug“ kirchlicher und
diakonischer Arbeit

Rechtlicher Rahmen
o kirchenrechtlich sind die leitenden Tätigkeiten Ehrenamtlicher besonders
geregelt (Mitgliedschaften im Kirchenvorstand, Synode und Kirchenleitung)
 Wahlrecht; Ordnungen zur Nachberufung etc.
 in manchen Landeskirchen hat immer der Pfarrer den Vorsitz im
Kirchenvorstand; in anderen darf der Pfarrer ihn nicht haben usw.
o manche Ehrenämter sind an Ausbildungen gebunden (Telefonseelsorge,
Krankenhausseelsorge)

Gegenwärtige Situation
o Freiwilligendienst: Menschen, die in der Bundesrepublik eine freiwillige
Tätigkeit übernehmen ca. 23 Mio.! mit steigender Tendenz
 Interessant ist, dass die Bereitschaft der Bevölkerung zur
ehrenamtlichen Tätigkeit in den letzten zehn Jahren stärker gewachsen
ist als deren tatsächliche Ausübung
 Motivation zur ehrenamtlichen Tätigkeit: Orientierung am Gemeinwohl
und an eigenen Interessen
o Kirchliche Ehrenämter: 70% der Ehrenamtlichen sind Frauen; inhaltlich sind
Ehrenamtliche in allen Modi der Kommunikation des Evangeliums tätig
 Lehr- und Lernprozesse: Teamer im Rahmen der Konfiarbeit
 gemeinschaftliches Feiern: Prädikanten, Lektoren; Kindergottesdienst
 Helfen zum Leben: Hospizkreise, Telefonseelsorge
o Attraktivität: für die Unterstützung der Ehrenämtler sind die sog. fünf „B’s“
wichtig:
 Beginnen: Rahmenbedingungen klären (Zeitdauer, Ressourcen)
 Begleiten: regelmäßige Gespräche, Unterstützung bei Konflikten,
Informationen über Ziele der Arbeit
 Beteiligen: Ehrenamtliche in Entscheidungsprozesse einbinden
 Bezahlen: Ehrenamt ist unentgeltlich, aber nicht umsonst;
Ehrenamtliche müssen wissen, wie sie ihre Auslagen erstattet
bekommen, selbstverständlich und nicht als Bittsteller
 Beenden: Zeitlich begrenztes Ehrenamt muss mit gutem Gewissen
beendet werden können
35

Reformvorschläge
o Ehrenamt und Gemeinde: Soziale Räume mit vielfältigen Möglichkeiten zum
Austausch, zum gemeinsamen Leben und Feiern etablieren (Foitzik)
o Ehren- und Hauptamt: Hauschildt schlägt die Unterscheidung von drei Formen
der ehrenamtlichen Seelsorge vor
 ehrenamtliche Alltagsseelsorge (alltagsnah, niedrigschwellig, wird
gewöhnlich übersehen)
 den Professionellen zuarbeitende Seelsorge (Besuchsdienste in
Gemeinde oder Krankenhaus; Mitarbeiter müssen erkennen, wo und
wann professionelle Seelsorge notwendig wird)
 die semiprofessionelle Seelsorge (Annäherung an den professionellen
Standard mit entsprechender Aus- und Fortbildung)

Ausblick
o Es gibt in der evangelischen Kirche von ihrem tauftheologischen Ansatz
(Priestertum aller Gläubigen) keine Tätigkeit, von der grundsätzlich ein
Getaufter auszuschließen ist. Vielmehr ist die Kommunikation des
Evangeliums in ihren drei Modi Ausdruck und Aufgabe jedes christlichen
Lebens
o Kooperation der Freiwilligen mit Pfarrern und mit Menschen aus
entsprechenden Professionen ist wichtig
o Fort- und Weiterbildungen sind unabdingbar
-Pfarrberuf
-Beruf des evangelischen Pfarrers ist fast 500 Jahre alt und hat sich mehrfach gewandelt
-Grethlein: Pfarrberuf künftig als „theologischen Beruf“ etablieren; dies ermöglicht die
Unterscheidung von Priestertum aller Gläubigen und Pfarrer, zum anderen ist es eine
Tatsache, dass der theologische Studienabschluss heute Voraussetzung für den Pfarrberuf ist

Historische Entwicklung
o Klerikalisierung: In den Pastoralbriefen des NT finden sich Nachrichten von
der Einsetzung eines Gemeindeleiters (1Tim 4,14); durch Handauflegung wird
ihm der Heilige Geist übertragen; Bischofsamt in der Alten Kirche wurde mit
priesterlich-kultischen Funktionen ausgestattet; ursprünglich selbstständige
Dienste wurde in die Hierarchie integriert und zu Weihestufen auf dem Weg
zum Priester; bischöfliche Diözesen gliederten sich in Parochien
o Mittelalter: Ausbau des Messwesens führte zu einem Anschwellen der
Klerikerzahl und damit zu Qualitätsproblemen; geregelte Ausbildung war nicht
vorgesehen; Priester galten als Vermittler göttlicher Heilsgaben; Ansehen der
Priester war am Vorabend der Reformation durch Verarmung und moralische
Verfehlungen auf einem Tiefpunkt angelangt
o Reformatorische Impulse: Priestertum aller Getauften (Gläubigen), damit
Neubestimmung des Amtes; dennoch erschien ein eigenes Amt nötig, um die
Menschen in ihrer Priesterschaft zu unterstützen; Pfarrer sollen „geschickt
sein, die schrifft verstehen und auslegen, der sprachen kundig seien und reden
können“ (WA 22,184)
 Luther trat stets für eine gute Ausbildung der Pfarrer ein
 Aufhebung des Zölibats war ein enormer Einschnitt in bisherige
Tradition; Luther begründete damit das evangelische Pfarrhaus
36
o Entwicklung des Pfarrberufes: Visitationen Ende der zwanziger Jahre des 16.
Jahrhunderts stießen auf ein gravierendes finanzielles Problem der Pfarrer;
diese mussten durch landwirtschaftliche Tätigkeiten ihre Existenz sichern; über
Jahrhunderte zog sich der Kampf um eine zufriedenstellende Alimentierung
 erst etwa ab 1830 entsprach das Gehalt eines Pfarrers ungefähr
demjenigen staatlicher Bediensteter mit vergleichbarer Ausbildung
 in der Phase der Orthodoxie führte die Konzentration auf die
dogmatisch korrekte Lehre mancherorts zu Trübungen im Verhältnis
zur Gemeinde
 während des 30-jährigen Krieges wurde das Pfarrhaus mancherorts zu
einer wichtigen seelsorgerischen und diakonischen Einrichtung
 in der Zeit der Aufklärung wandten sich die Pfarrer in
volkserzieherischer Absicht der ganzen Bevölkerung zu
 Mitte des 19. Jhs. erreichte der gesellschaftliche Einfluss der
evangelischen Pfarrer in Deutschland seinen Höhepunkt; sie stellten
damals die größte Gruppe der Gebildeten (etwa 1/3 der Akademiker
waren Pfarrer)
 durch die fortschreitende Modernisierung geriet der Pfarrberuf
ab der zweiten Hälfte des 19. Jhs. unter Druck
 diese Reduktion führte zu einer Konzentration des Pfarrberufes
auf die Kirchengemeinde und ihr „Leben“
o Konkurrierende Pfarrbilder: spätestens seit Ende des Ersten WK wird um das
Profil des Pfarrers gerungen
 Wort-Gottes-Theologie nahm diese Profilierung dahingehend auf, dass
der Pfarrer als „Zeuge“ einer Botschaft fungierte, die unabhängig von
der konkreten Kommunikationssituation zu existieren schien
 politisch erwies sich dies in der Konfrontation mit der
nationalsozialistischen Ideologie als günstig
 WGT verhinderte die Anpassung an die Verfälschung des
Christentums durch die Deutschen Christen
 nach 1945: restaurative kulturelle Gesamtstimmung; im Zentrum des
Pfarrberufs stand die Kerngemeinde
 Mitte der 1960er machte sich neben dem gesellschaftlichen Aufbruch
auch eine Neuausrichtung des Berufes breit
 Pfarrer als „der demokratische Teamleiter“ und „der engagierte
Sprecher ethisch orientierter Bürgerinitiativen“
 zwischen 1958 und 1991 öffneten alle evangelischen Landeskirchen
Frauen den Zugang zum Pfarramt
o ZUSAMMENFASSUNG: Die funktionale Ausrichtung des ev. Pfarrberufes
auf die Kommunikation mit anderen Menschen ermöglicht und erfordert eine
sensible Adaption des jeweiligen Kontextes. Der Pfarrberuf ist eine recht bunte
Berufsformation: Einzelne Gelehrte, die in den Abendstunden historischen
Fragen nachgehen, stehen neben dogmatisch aufgerüsteten Verkündigern,
hochkirchlich gesinnte Kollar-Träger neben frauenbewegten Pfarrerinnen,
geistliche Begleiter neben Managern usw.

Rechtlicher Rahmen
o 1939: erstes ev. Pfarrdienstrecht in der ev.-luth. Kirche Bayerns
37
o Staatliches Recht: Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV
 „Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre
Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle
geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des
Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“
 als KdöR kann die Kirche öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
begründen
 Pfarrdienstrecht stark am Beamtenrecht angelehnt
 wichtig ist das Beicht- und Seelsorgegeheimnis im Hinblick auf
Straftaten (§ 197 Abs. 2 StGB)
o Kirchenrecht: CA 14 als Ausgangspunkt; Im Einzelnen wird zwischen der
Ordination als einer geistlichen Handlung und dem Pfarrdienstverhältnis als
einem rechtlich geordneten Dienst- und Treueverhältnis unterschieden
 Unabhängigkeit der Pfarrer auf Grund ihrer besonderen Aufgabe ritt in
der strikten Trennung zwischen Disziplinarverfahren und Verfahren im
Zuge einer Lehrbeanstandung zu Tage
 EKD erarbeitete 2010 ein (Rahmen-)Pfarrdienstrecht, das noch durch
die Synoden der Landeskirchen bestätigt werden muss
 gleichgeschlechtliche Ehen im Pfarrhaus sind hier am heftigsten
umstritten

Gegenwärtige Situation
o Statistische Befunde: Berufsprestige Skala listete Pfarrer/Geistliche stets auf
Rang 2 bzw. 3; 2011 rutschte das Ansehen auf Rang 7 von insgesamt 18
Berufen ab - Arzt, Krankenschwester, Lehrer, Handwerker, Ingenieur,
Hochschulprofessor und Rechtsanwalt liegen nun vor dem Pfarrer/Geistlichen
 hierfür ist v.a. der Missbrauchsskandal in den katholischen Kirchen
verantwortlich
o Gegenwärtige Situation: 1910 betreuten 16.000 Pfarrer 37 Mio. Evangelisch;
2000 betreuten 24.000 Pfarrer 26,6 Mio. Evangelische
 insgesamt ist eine Feminisierung des Berufsstandes zu erkennen
 Becker: es gibt nicht den einen „Pfarrberuf“, sondern nur „Pfarrberufe“
o Einstellungen: Pfarrer als Schlüsselfigur für den Zugang der Kirchenmitglieder
zur Kirche; Ansehen in der Bevölkerung ist höher als das der Kirche
 Die für Kirche festgestellte Marginalisierungstendenz erreich demnach
ebenfalls den Pfarrberuf
 durchschnittliche Arbeitszeit: zwischen 55 und 60 Stunden
 20% Verwaltung/Management
 4-5% Seelsorge
o Veränderungen in der Arbeitsorganisation: Bemühungen zur sog.
Personalführung; Einführung von neuen Formen wie dem jährlischen
Mitarbeitergespräch; auffällig ist bei den meisten Pfarrern die geringe
Kooperationsfähigkeit bzw. -bereitschaft. Nur Berufsanfänger zählen
Teamwork als eine Schlüsselkompetenz.

Reformvorschläge
o Andersartigkeit des Pfarrers: Josuttis formulierte „Der Pfarrer ist anders.“; V.a.
die zur Kommunikation des Evangeliums gehörende Kulturkritik kommt hierin
zum Ausdruck; Pfarrer werden einer besonderen „Zone“ zugeordnet, die
38
anderen Menschen nur durch ihre Führung zugänglich wird; das Priestertum
aller Gläubigen wird hier vergessen
o Pastorale Profession: Isolde Karle versteht den Pfarrberuf als Profession: „Mit
dem Begriff der Profession sind in historischer Perspektive zunächst einmal
bestimmte akademische Berufe gemeint, die mit der spätmittelalterlichfrühmodernen Gliederung der Universität identisch ist: Mediziner, Juristen und
Theologen. Alle Professionen beziehen sich auf zentrale menschliche Fragen
und Probleme wie Krankheit, Schuld und Seelenheil.“
 Problem: zu wenig werden die Tendenzen zur Deprofessionalisierung
betrachtet; diese hängen mit dem Marginalisierungsprozess der Kirchen
zusammen
o Pastorale Person: Michael Klessmann hebt aus seiner pastoralpsychologischen
Perspektive die „Bedeutung der Persönlichkeit“ für den Pfarrberuf hervor.
 Problem: Überforderung der Amtsträger; Leitbild des „verwundeten
Heiler“
 Spannung zwischen der theologisch gebotenen Symmetrie und der
durch den Vorsprung an theologischem Sachwissen gegebene
Asymmetrie

Ausblick
o Kommunikationstheoretisch geht es darum, die durch das theologische
Expertenwissen gegebene funktionale Asymmetrie in der Beziehung zu den
Gemeindegliedern und die grundsätzliche Symmetrie in der Beziehung
zwischen den Getauften in eine Balance zu bringen, die die Kommunikation
des Evangeliums fördert.
 Pfarrtätigkeit ist damit nicht nur auf die Ortsgemeinde, sondern auch
auf die Hausgemeinde, also die multilokalen
Mehrgenerationenfamilien, sowie die Ökumene bezogen
o Insgesamt ist die Situation des evangelischen Pfarrberufs stabil, die Probleme
jedoch unübersehbar.
 Ansehen geht zurück
 Kontakt zu den Menschen verengt sich
 Tätigkeit ist fast zur Hälfte durch innerkirchliche Verwaltung bestimmt
 Kooperationsinteresse ist gering
o Der Pfarrberuf muss als „theologischer Beruf“ verstanden werden (Grethlein)
 Die Pfarrer haben durch ihre Ausbildung besondere Kenntnisse zur
Erschließung des Speichermediums Evangelium, die sie in den
grundsätzlich symmetrischen Kommunikationsprozessen der
Interpretationsgemeinschaft der Getauften einzubringen haben
-Andere kirchliche Berufe
 Diakone, Küster, Kantoren, Diakonissen
 im Zuge der Ablösung vom Staat etablierte sich ein weiterer Berufsstand in der
Kirche: der Kirchenjurist
 Religionslehrer, Publizisten, Gemeindepädagogen
 ZUSAMMENFASSUNG: Die Herausbildung kirchlicher Berufe verdankt sich
funktionalen Notwendigkeiten und adaptiert allgemein gesellschaftliche
Differenzierungsprozesse. Sie steht, auch hinsichtlich der Stellenbeschreibung und der
Entlohnung, in der Spannung zwischen dem christlichen Grundimpuls und dem
konkreten professionstypischen Kontext
39

Sowohl die konkreten Anstellungsträger als auch die Beschäftigungsformen
unterscheiden sich im Bereich der kirchlichen Mitarbeiter, die keine Pfarrer sind.
o MAV, kirchliche Dienstgemeinschaft
8. Kapitel Kommunikation des Evangeliums - mit verschiedenen Methoden [Einzeldisziplinen
der PTh]
-Im Modus des Lehrens und Lernens steht die Kommunikation über Gott im Mittelpunkt, im
gemeinschaftlichen Feiern steht die Kommunikation mit Gott im Mittelpunkt, beim Helfen
zum Leben steht die von Gott kommende Kraft im Mittelpunkt
-Grundbedingungen: Zeiten und Orte
-Kirchenjahr und Kirchengebäude entstanden in jahrhundertelangen Prozessen; seit einiger
Zeit stehen sie in einem Wettbewerb mit anderen Zeitrhythmen und Orten

Zeiten
o Grethlein deutet das Kirchenjahr als Versuch, die primäre Religionserfahrung
und den christlichen Grundimpuls aufeinander zu beziehen und in eine im
Alltag praktikable Gestalt zu transformieren
o Reformvorschläge: seit Längerem erweisen sich Gottesdienste am Abend bzw.
in der Nacht als attraktiv; Feiern am Heiligabend oder in der Osternacht
nehmen die besondere Situation auf
 Fechtner: Das Kirchenjahr sollte in Gestalt eines „Vier-FelderSchemas“ strukturiert werden
 im Weihnachtsfestkreis geht es um „Anfänglich leben“
 Osterfestkreis als Bedeutung für „aus dem Tod heraus“
 „Pfingstliche Zeit“ steht unter dem Motto „Aufbruch ins Leben“
(bspw. sollen hier Urlaubserfahrungen aufgenommen werden
 „Späte Zeit des Kirchenjahres“ steht unter dem Motto „im
Glauben reifen“

Orte
o Gegenwärtig unterhalten die ev. Kirchen in Deutschland etwa 21.000 Kirchen
und Kapellen
o Reformvorschläge: Kirchengebäude müssen neu genutzt werden (nicht nur für
den Sonntagsgottesdienst eine Stunde lang), Stichwort Kirchenraumpädagogik

Zusammenfassung
o Grundsätzlich kann das Evangelium immer und überall kommuniziert werden.
In der heutigen Situation ist es wichtig, sich in reformatorischer Tradition auf
die Funktionalität von kirchlichen Zeit- und Raumkonzepten zu besinnen.
Versuche zur Umnutzung von Kirchengebäuden oder deren didaktische
Erschließen können als erste Ansätze gelten. Funktionsveränderungen von
Kirchen können so als neue Akzentsetzungen innerhalb der Kommunikation
des Evangeliums verstanden werden, nicht als „Entweihungen“ o.ä.
40
-Lehren und Lernen: Kommunikation über Gott
-Grundlegend für die Kommunikation des Evangeliums ist der Modus des Lehrens und
Lernens, denn so erfahren Menschen von Gottes Wirken und lernen ihr Leben neu zu
verstehen
 Predigt kann als elaborierte Kommunikationsform verstanden werden
 in dieser Form kommt der Authentizität der Kommunizierenden ebenfalls große
Bedeutung zu
 vorzüglichste Medium hier ist die Bibel

Erzählen
o in der Bibel ist diese Kommunikationsform zentral; methodisch wird sie v.a. in
der Predigt und Religionspädagogik reflektiert
o Vor der Verschriftlichung hatten Erzählungen v.a. mimetischen Charakter, der
die Nachhaltigkeit des Erzählten förderte
o in der Bibel ist das Wirken Jesu von Nazareth als Erzählung konzipiert; auch
hier hat die Erzählung mimetischen Charakter
 auch in der Taufe kommt dies zum Ausdruck
o Systematische Bestimmungen: Während in den USA bereits länger die
Bedeutung des Narrativen („story“) in der Theologie präsent war, gab in
Deutschland 1973 ein Literaturwissenschaftlicher, Harald Weinrich, einen
wichtigen Anstoß hierzu
o Methodik: Traditionell spielt das Erzählen in der Religionspädagogik eine
große Rolle
 C.G. Salzmann (gest. 1811) nannte Erzählen das „wirksamste Mittel,
um Kindern Religion beyzubringen“
 Wort-Gottes-Theologie legte einen Schwerpunkt auf das Erzählen
speziell biblischer Geschichten
o eine den mimetischen Charakter von Erzählung aufnehmende Methode ist das
Bibliodrama
o das kommunikative Potenzial des Erzählens wurde auch für die Predigt
entdeckt. Zum einen stellt dabei - v.a. am Beginn einer Predigt - ein
erzählendes Element in verdichteter Form einen Bezug zur Lebenswirklichkeit
her. Zum anderen kann die ganze Predigt eine erzählte Geschichte sein
(Engemann)
o weitere Kommunikationsformen: Bilder, Bücher, Filme
o INSGESAMT gewinnt in der heutigen Mediengesellschaft das Erzählen
biblischer Geschichten als face-to-face-Kommunikation neue Attraktivität

Miteinander Sprechen
o heute ist die Fähigkeit zum Sprechen (fast) jedem Menschen angeboren
o Sprechen dient wesentlich der sozialen Abstimmung und der Verständigung
o Biblische Perspektiven: Die Bibel ist voll von Gesprächen unterschiedlichster
Art, nicht selten Kontroversen um Leben oder Tod
 Jesus entfaltete seine Botschaft mitunter in Streitgesprächen
 er wurde aber auch - wie in Mt 15,24 - von einer Gesprächspartnerin
überzeugt und korrigierte seine eigene Position
o Systematische Bestimmung: im Zuge der ökumenischen Bewegung bildeten
sich vielfältige Dialoge zwischen verschiedenen Konfessionen mit dem Ziel
der Einheit
 heute werden auch Dialoge mit Vertretern nichtchristlicher
Glaubensgemeinschaften geführt
41
o Methodik: In Unterricht und Seelsorge ist eine offene Gesprächssituation als
grundlegen für Kommunikation des Evangeliums anerkannt
 zuerst im Bereich der Katechetik realisiert
 Seelsorge konzentriert sich auf das Gespräch zweier Personen; hierbei
sind folgende Punkte wichtig
 Wertschätzung
 Empathie und das Verbalisieren von emotionalen
Gesprächsinhalten
 Echtheit und Kongruenz
o weitere Kommunikationsformen: neue Formen der elektronischen
Kommunikation; das gemeinsame Schweigen (Meditation)

Predigen
o Predigen ist eine, für viele Menschen wohl die charakteristischste
Kommunikationsform evangelischer Kirche
o methodisch kommt der Dialogizität eine Schlüsselrolle für ein angemessenes
Verständnis der Predigt zu
 rezeptionsästhetische Perspektive ermöglich hier einen Zugang
 der Kasualpredigt kommt hier besondere Bedeutung zu, insofern hier
der konkreten Situation besondere Bedeutung zukommt
 Predigen vereint sowohl das Erzählen als auch das Miteinander
sprechen
o Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen: Öffentliche Reden sind in
Gesellschaften wichtige Instrumente der Integration bzw. des Ringens hierum
 drei Funktionen der Rede:
 Belehren
 Bewegen
 Erfreuen
o Biblische Perspektive: dass im Christentum gepredigt wird, verdankt sich der
Bibel
 Bergpredigt (Mt 5-7)
 Missionsreden des Paulus/Areopagrede (Apg 17,16-34)
o Systematische Bestimmungen: Eine Durchsicht durch die Predigtgeschichte in
der Alten Kirche ergibt eine Pluriformität der Gestaltung und Probleme, die bis
heute in die Homiletik beschäftigen:
 unterschiedliche Zeiten: Sonn- und feiertags, aber auch wochentags,
morgens und abends
 unterschiedliche Länge
 mitunter wird die Abwesenheit der Gemeindeglieder getadelt,
manchmal der große Zustrom gelobt
 Unruhe und Ablenkungen wurden gerügt
o Reformatoren hoben die Bedeutung der Höhrer hervor; Predigt sollte der
Glaubenserbauung dienen
 Ernst Lange: Konzept der Kommunikation des Evangeliums;
Bearbeiter A (Vorarbeiten; historisches Umfeld), Bearbeiter B (setting
im Gottesdienst, Interpretation gegenwärtig existentieller Fragen etc.)
 Umberto Eco: Theorie vom „offenen“ Kunstwerk; Theorie der
„offenen“ Predigt (G.M. Martin)
42
o Methodik: Engemann zieht aus dem Grundsatz der „taktischen Ambiguität)
methodische Konsequenzen für die Predigt
 rezeptionsästhetisch gegebene (faktische) Ambiguität, also die
mehrfache Interpretationsmöglichkeit des Gehörten wird bewusst
eingesetzt, um sich mit den Hörern zu verständigen:
 „Es geht um eine Predigt, die dem Hörer bestimmte
Verstehensmöglichkeiten verweigert und andere vorschlägt, um
eine Predigt, die - gehalten zwischen Sinnverweigerung und
Sinngenerierung - den Hörer zu je konkreter Sinnbildung
anleitet. „
 eine Predigt nach Engemann muss eine klar aufgebaute, verständliche
Rede sein
 empirische Rezeptionsforschung in der Predigt nach Schwier mit vier
Hinweisen:
 Zuhörer erwarten „eine enge Verbindung von Bibel- und
Lebensbezug“
 „Verständlichkeit und Lebendigkeit“ - große Bedeutung hat die
Person des Predigers
 kurze Predigt - 11 bis 12 Minuten
 insgesamt erwarten die Zuhörer eine „durch das Evangelium in
Zuspruch und Einspruch ermöglichte Orientierung,
Vergewisserung und Erneuerung, die wiederum ihrerseits
lebenspraktische, geistige, theologische und spirituelle Aspekte
besitzen und konkret freisetzen“
 M. Nicol/A. Deeg: Im Wechselschritt zur Kanzel; Predigt soll mit
„Moves&Structure“ aufgebaut Spannung gewinnen
o Weitere Kommunikationsformen: Gesprächsgottesdienste; Kreuzverhör
ZUSAMMENFASSUNG: Die wesentliche Grundlage der christlichen Kommunikation über
Gott ist die Bibel. Durchweg fällt die Pluriformität der Kommunikationsmodi auf. Es ist
offen, welche Bedeutung zukünftig der bisher für den Protestantismus grundlegenden
Kommunikationsform des Predigens zukommen wird. Eine an überholten Vorstellungen von
Kommunikation orientierte Predigt im Sinne einer autoritären Verkündigung scheint
ungeeignet. Neuere homiletische Ansätze versuchen Predigt in die Kommunikationssituation
einer pluralistischen Gesellschaft zu transformieren. Es wird sich zeigen, inwieweit diese
Ansätze die tatsächliche Predigtpraxis reformieren und dem Predigen neue Relevanz schaffen.
-Gemeinschaftliches Feiern: Kommunikation mit Gott
-Insgesamt kommt bei den vorgestellten Methoden der Kommunikation des Evangeliums dem
Leib große Bedeutung zu

Beten
o das Gebet beruht auf der Bedürftigkeit jedes Menschen, die sich in Wünschen
und Bitten äußert
o das Gebet drückt aber auch die Gemeinschaft des Menschen mit einem
Gegenüber aus, von dem er sich Gutes erhofft und mit dem er in Kontakt zu
treten versucht
 eine solche allgemeine Bestimmung des Betens erklärt, warum
Enttäuschungen das Beten nicht zum Verschwinden bringen. Dazu
weist sie auf die Dialogizität als grundlegend hin
43
o Biblische Perspektiven: Im AT vollzieht sich das Beten nicht nur verbal,
sondern mit begleitenden Handlungen; im NT tritt, v.a. durch Jesus, das
Bittgebet in den Vordergrund, was Jesu Botschaft von der anbrechenden
Gottesherrschaft entsprach; bei Paulus wiederrum liegt das Schwergewicht auf
dem Dankgebet - Bitten wurden vornehmlich in Fürbitten transformiert
o Systematische Bestimmung: Im Mittelalter führte die Abkoppelung des
lateinischen liturgischen Gebets vom alltäglichen Gebet der Menschen zu einer
schweren Gebetskrise; Die Reformatoren betonten demgegenüber wieder den
kommunikativen Charakter des Gebets; Gebet war für die Reformation als
kommunikativer Vollzug der Beziehung zu Gott als Vater grundlegend
 neue Herausforderungen unter dem Stichwort des „interreligiösen
Gebets“; Elemente können gemeinsame Stille, Annäherung im Modus
des Fragens; Klage vor Gott; gemeinsame Bitte; Fürbitte für andere
sein
o Methodik: das Beten muss, wie jede Kommunikationsform, gelernt werden. In
pädagogischer Perspektive erweist sich hier die Mimesis als wichtigste
Lernform. Ein betender Mensch nimmt einen anderen, etwa sein Kind, in das
eigene Beten hinein; bei kleinen Kindern ist wohl häufig der Übergang vom
Tag zur Nach beim Zubettgehen der Zeitpunkt für eine erste Begegnung mit
dem Beten
 dieses Gebet befreit von Angst und schafft Vertrauen
 auch die schulische Religionsdidaktik oder gemeindepädagogische
Lernprozesse können der Gemeinde ein „gemeinsames“ Beten
vermitteln
o Weitere Kommunikationsformen: radikale Ausweitung des
Gebetsverständnisses (alles auch nicht-gesprochene und gedachte ist Gebet [so
schon Luther]); stumme Kontemplation; Meditation

Singen
o widersprüchliche Situation des Singens in der heutigen Gesellschaft
 „Eine selbstverständliche Singtradition ist abgebrochen, das Singen
muss neu gestiftet werden.“ (Leube)
 Auf der anderen Seite gibt es einen Boom des Gesangs: „In KaraokeShows kann man seinem Lieblingsstar nacheifern. Gospelprojekte
ziehen viele Menschen an. In Fußballstadien, bei Rockkonzerten und
auf Kirchentagen lassen Menschenmassen ihre Stimmen erschallen“.
Gesangsunterricht wird stärker nachgefragt. (Christa Kirschbaum)
o Das Singen ist eine eigene, nicht aus dem Sprechen entstandene
Ausdrucksform; Singen war stets mit Bewegung verbunden
o Biblische Perspektiven: Im AT erfahren wir von der großen Macht des Singens
und Musizierens (bei David, den Psalmen etc.); Paulus unterscheidet zwei
Formen des Psalmengesanges, den mit „Geist“ und den mit „Verstand.
Ekstatische und Verständliches stehen nebeneinander.
o Systematische Bestimmungen: Luther förderte Musik in allen Spielarten.
Theologisch galt sie ihm als eine Schöpfungsgabe Gottes. Der
Gemeindegesang bot den wenig sprachfähigen Menschen die Möglichkeit zur
aktiven liturgischen Partizipation. Auch förderte das Singen die Verbreitung
von Luthers Lehre.
 heute ist das Singen in Kirchen „vorgeschrieben“, anhand der
Liedtafeln vorne, anhand des Gesangsbuches etc.
o Methodik: es bestehen einige Reformvorschläge (Pop-/Gospelmusik etc.)
44
o Weitere Kommunikationsformen: gesungene Glossolalie; Instrumentalmusik;
Tanz

Abendmahl feiern
o Die tatsächliche Feier hatte unterschiedlichste Formen, die kaum
Gemeinsamkeiten erkennen lassen:
 verschiedene Zugangsbedingungen
 unterschiedlichste Orte
 Zeit und Häufigkeit variierte
 Feiergestalt wandelte sich bis zur Unkenntlichkeit (zuerst
Sättigungsmahl, heute nur Oblate und Wein)
o Essen und Trinken sind lebensnotwendig. Das gemeinsame Einnehmen der
Mahlzeit stiftet Gemeinschaft und Erinnerung (im Bezug auf Jesu letztes Mahl
mit seinen Jüngern)
o Biblische Perspektiven: Jesu letzte Mahlzeit mit seinen Jüngern kommt enorme
Bedeutung zu. Es ist fraglich, ob er eine Wiederholung intendierte; Paulus
arbeitet die inhaltliche Spezifizierung des Mahles heraus. Durch die
Metaphorisierung des Brotes (1Kor 10,16f.) begründete er die besondere
Gemeinschaft der am Mahl teilnehmenden (solidarische Gemeinschaft)
o Systematische Bestimmungen: Karl-Adolf Bauer hat den im Einzelnen
spannungsvollen Zusammenhang von Sinn- und Feiergestalt des Abendmahls
herausgearbeitet:
 Das Mahl ist ein Hinweis auf die erst anbrechende Gottesherrschaft
 Es besteht ein Zusammenhang zwischen Abendmahl und Diakonie (in
Form der Sättigung der Armen/Bedürftigen)
 im Abendmahl vollzieht sich eine liturgische „Zeitaufhebung“
 besonders durch die Kirchengeschichte ist auch der Zusammenhang
Taufe - Abendmahl wichtig geworden
o Methodik: Bei der Atmosphäre der Feier geht es zentral um deren kulturelle
Kontextualisierung. Die Feiernden bringen ihre sonstigen Erfahrungen mit und
interpretieren das Erlebte in diesem Kontext; Die Abendmahlsfeier in einer
City-Kirche nimmt übliche Formen einer Party in einer individualisierten
Gesellschaft auf. Die einen essen und trinken, die andern sprechen miteinander
usw.; immer noch ein Problembereich ist die Zulassung von Kindern zum
Abendmahl
o Weitere Kommunikationsformen: sog. euchatristische Nüchternheit (schon im
4. Jh. belegt);
ZUSAMMENFASSUNG: Menschen kommunizieren mit Gott, nicht nur im Christentum.
Inhaltlich zentral ist die Einstellungen der Menschen, der zu Gott in Beziehung setzende
Charakter der Formen der Kommunikation mit Gott. Durch die „Erziehung des Wunsches“
ergeben sich neue kognitive Einsichten; beim Singen findet dagegen die affektive Seite ihren
Ausdruck.
Die vielfältigen Transformationen der Feiergestalt des Abendmahls und die unübersehbare
Spannung zwischen Feier- und Sinngestalt markieren wichtige Herausforderungen praktischtheologischer Arbeit.
45
-Helfen zum Leben: Kommunikation von Gott her
-Theologisch gesehen ist die Zuwendung Gottes zu den Menschen die Grundlage jeder
Kommunikation mit ihm. Sie bedarf der menschlichen Vermittlung

Segnen
o „Segen“ scheint Hochkonjunktur zu haben (Kalender, irische Segenswünsche,
etc.)
o Segen bezieht sich auf die Sehnsucht des Menschen nach Wohlergehen. Von
Anfang an ist bei Segen und Fluch die „Grenze zur Magie“ fließend
 erst die Theologisierung des Segens ermöglichte eine Grenzziehung
o Biblische Perspektiven: atl. Erzählungen wissen noch von der Segens- und
Fluchkraft in einem vortheologischen Sinn (Num 22-24). Ein ursprünglich
familiärer Kontext muss hierbei angenommen werden (Erstgeburtssegen durch
Isaak - Gen 27); im Neuen Testament werden von Jesus nur zwei
Peronalbenediktionen berichtet: die Segnung der Kinder (Mk 10,16) und der
Jünger beim Abschied (Lk 24,50); für Paulus wurde Christus als „Segen“
verstanden (Eph 1,3-14)
o Systematische Bestimmung: zwei problematische Tendenzen in der Alten
Kirche (Primat des Danks wich der Abwehr des Bösen, dem Exorzismus; die
Segnenden nahmen Versatzstücke anderer Handlungen wie z.B. Weihwasser
auf, um die Wirkung des Segens eigenmächtig zu verstärken); Reformatoren
lehnten diese „sichtbaren“ Zeichen ab
o Methodik: Traditionell - und biblisch begründet - vollzieht sich eine
Personalbenediktion unter Handauflegung; sog. Sachbenediktionen sind nur
Sinnvoll, wenn deren Verwendung durch Menschen im Vordergrund steht
o Weitere Kommunikationsformen: eng mit dem Segen verbunden ist das
Stehen, es bringt „Achtung, Aufmerksamkeit, Ehrerbietung zum Ausdruck“;
Knien als weitere Form; komplementäre Kommunikationsform des Segnens ist
das Fluchen (dieses Phänomen beschäftig z.B. Fantasy-Filme oder die
entsprechende Literatur)

Heilen
o Heilen ist eine alte Kommunikationsform, die konstitutiv zur Kommunikation
des Evangeliums gehört, heute aber in den deutschen Kirchen zu fehlen
scheint.
o Seit alters her existieren Vorstellungen von Göttern/Gott und Dämonen
o Biblische Perspektiven: Im AT begegnen keine exakten Begrifflichkeiten für
„krank“ oder „gesund“, es wird aber von Menschen in einem „Zustand der
Schwäche, der Schlaffheit und Erschöpfung, also der irgendwie gebrochenen
Lebenskraft“ (Wolff) berichtet; Im NT wird häufig von Heilungen durch Jesus
berichtet, hierbei zeigt sich aber keine einheitliche Auffassung von Krankheit
und Heilung; ebenso zeugt das NT von Krankensalbungen
o Systematische Bestimmungen: Entsprechend der allgemeinen Tendenz zur
Klerikalisierung vollzog sich im frühen Christentum eine Beschränkung des
rituellen Handelns auf den Priester - bis hin zur Krankensalbung (die bis heute
in der kath. Kirche ein Sakrament ist); Luther kritisierte diese
Fehlentwicklung; das II. Vaticanum revidierte endlich die unbiblische
Konzeption der Letzten Ölung - die Krankensalbung wurde wieder in den
Vordergrund gerückt; in der anglikanischen Kirche existiert die
Unterscheidung zwischen cure und healing. Sie eröffnet die Möglichkeit einer
sinnvollen Kooperation mit den Ärzten
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o Methodik: liturgisch gibt es einen vierschrittigen Aufbau von
Salbungsgottesdiensten:
Ssich einfinden, sich öffnen: Süren, atmen, schweigen, singen, beten
 Hören, dass Gott gut tut: Ansprache
 Erleben, dass Gott gut tut: Salbung
 Geleit nach draußen
o Die Begegnung in der Seelsorge ist ein wichtiger Ort für die Kommunikation
des Evangeliums im Modus des Heilens
o Weitere Kommunikationsformen: Buße/Beichte

Taufen
o Kommunikation von Gott her kommt in besonderer Weise im Taufakt zur
Darstellung.
o Das Wasser steht im Zentrum der Taufe; es dient der Reinigung und
Erfrischung. Als Quelle ermöglicht es Leben; als Urflut bedroht und zerstört es
dieses
o Biblische Perspektiven: christliche Taufe entstand im Kontext der
zeitgenössischen jüdischen Täuferbewegung, zu der u.a. Johannes der Täufer
gehörte. Die Taufe Jesu durch ihn ist eine wichtige Grundlage, ohne dass eine
direkte historische Herleitung möglich ist; älteste Berichte von Taufen finden
sich in der Apg; es gibt pluriforme Deutungen der Taufe
 T. zur Sündenvergebung
 in der T. wird der Heilige Geist empfangen
 T. vereint den Getauften mit Christus
 T. führt in eine neue Gemeinschaft
 T. wird mit Rechtfertigung und Heiligung gleichgesetzt
 T. verleiht die Kindschaft Abrahams
 T. ist eine Wiedergeburt
 T. ist eine „Beschneidung“ (Kol 2,11)
o Systematische Bestimmung: drei problematische Reduktionen im Laufe der
Zeit (nach Grethlein)
 Taufe verlor ihren katechetischen (bzw. pädagogischen) Kontext, als
die Kindertaufe aufkam
 Firmung - da vom Bischof vollzogen, gewann an Bedeutung, da die
Taufe „nur“ der Priester durchführte
 ab Ende des 12. Jh.: Kommunion der Getauften sei unnötig
o Reformatoren: Luther versuchte die Taufe als von Christus gebotene Handlung
in ihrer Bedeutung zu stärken und kritisierte z.B. die Sakramentalisierung der
Firmung, die nominalistische Prägung von Luthers Theologie verhinderte aber
eine eigenständige Würdigung der Taufsymbole
 Marginalisierungsprozess der Taufe schritt in Pietismus und
Aufklärung voran
 Barth kritisierte die Kindertaufe, verbot sie aber nicht
 seit Ende der 1960er Jahre rückt die Frage nach einer angemessenen
Taufpraxis wieder in den Mittelpunkt praktisch-theologischer
Überlegungen
o Methodik: fünf Glaubenssymbole machen die Taufe aus: Kreuz, Wasser,
Namen, Handauflegung und Kerze; Tauferinnerung kommt ebenfalls
Schlüsselbedeutung zu
o Weitere Kommunikationsformen: enger Zusammenhang zwischen Taufe und
Exozismus, der Absage an das Böse (abrenuntiatio diaboli)
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ZUSAMMENFASSUNG: Während magisches Handeln versucht, zum eigenen, meist
materiellen Vorteil Gott bzw. göttliche Kräfte zu instrumentalisieren, zeichnet sich die
Kommunikation des Evangeliums durch ihre Dialogizität und Ergebnisoffenheit aus. Gottes
Freiheit wird nicht angetastet.
Differenzierung von „cure“ und „healing“ beschreibt präzise den Bereich des Heilens und die
heute Herausforderung im Rahmen der evangelischen Kirchen
Taufe eröffnet durch ihre Symbole einen breiten Deutungsraum, der biographie- und
situationsbezogen zu profilieren und rituell zu inszenieren ist.
ZUSAMMENFASSUNG DES 3. TEILS: PTh, die die Kommunikation des Evangeliums in
der Gegenwart erforscht, modifiziert frühere praktisch-theologische Ansätze, die
pastoraltheologisch, kirchen- oder religionstheoretisch ausgerichtet waren.
Von einem solchen Ansatz Praktischer Theologie treten wichtige Herausforderungen
gegenwärtiger Kommunikation des Evangeliums zu Tage:
 erfordert Balance zwischen Kontextualisierung und Kulturkritik
 Frage nach der medialen Form
 hinzu kommt das Problem der konfessionellen Spaltung
Schließlich mündet eine auf die Kommunikation des Evangeliums bezogene PTh in die
Analyse konkreter Methoden.
 Auffällig ist, dass den drei elementaren Kommunikationsformen des Erzählens, des
Betens und des Segnens eine große Kontinuität besitzen: Sie sind kulturübergreifend
und bieten so das Fundament der Kommunikation des Evangeliums und des Dialogs
mit anderen
 Predigen, Abendmahl feiern und Taufen sind dagegen spezifisch christlich zu
verorten. Hier stellt sich die Aufgabe, die jeweilige Sinngestalt in eine allgemein
verständliche Feiergestalt zu transformieren
 Miteinander Sprechen, Singen und Heilen stehen in der Mitte: Sie werden heute zum
einen in besonderen Bereichen gepflegt (Schule, Kirchenmusik, Pflege- und
Gesundheitswesen), zum anderen werden sie alltagsweltlich v.a. in den Familien
praktiziert
Nach dem praktisch-theologischen Ansatz der Kommunikation des Evangeliums müssen
junge Menschen durch das Theologie-Studium befähigt werden, die Komm. des Ev. in ihren
verschiedenen Sozial-, Tätigkeits- und Ausdrucksformen vermitteln zu können. Dazu
benötigen sie einen Zugang zu den biblisch-theologischen, christentumsgeschichtlichen und
erfahrungswissenschaftlichen Forschungen. Eine solche mehrperspektivische Wahrnehmung
ist dann die Basis für eine Förderung der zukünftigen Komm. des Ev.
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