Thema 1: Beruf und Arbeitswelt

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Verbesserung PA 5, BRP Deutsch; Lösungsvorschläge zu den Themen; BRP Deutsch, 10. 11. 2015
1. Thema 1: Beruf und Arbeitswelt
1.1. Sachtextzusammenfassung mit Kommentar. Franzobel: „Warum wir die Arbeit abschaffen
sollten?“
Einleitung: Daten
/ Thema
Der satirische Kommentar „Warum wir die Arbeit abchaffen sollten?“ („Der Standard“, 27. 4. 2013) ist von
Franzobel. Es geht um den Stellenwert der Arbeit in unserer Gesellschaft.
Hauptteil:
Franzobel kritisiert, dass wir der Arbeit in unserer Gesellschaft einen zu hohen Stellenwert einräumen. Dabei
verwendet er die Übertreibung als Stilmittel.
Zusammenfassung
Kernaussagen
Arbeit sei eine moderne Form der Sklaverei. Technische Errungenschaften wie Telefone, Computer oder
Kreditkarten seien die Sklavenhalter. Unser gesamtes Leben kreise um Arbeit und Karriere. Nur wer einen
großen Teil seines Lebens mit Arbeit verbringe und Familie und Freizeit dem Arbeitsleben unterordne, sei ein
nützlicher Bürger. Marx habe im 19. Jahrhundert noch geglaubt, dass Arbeit ein grundlegendes
Lebensbedürfnis sei. Er habe sich geirrt.
Kennzeichnend für unsere Gesellschaft sei, dass alles dem Diktat der Arbeit unterworfen werde, selbst
Sexualität oder das Sterben. Schon Kleinkinder würden wir an Arbeit gewöhnen.
Die Überbewertung von Arbeit sei gegen die Natur. Von uns abgesehen sehe kein Lebewesen Arbeit als
Lebenssinn. Wir sollten die Arbeit am besten abschaffen. Dafür habe der Autor die Partei der Nichtarbeit
(PANDA) gegründet. Die LeserInnen seien aufgefordert, die Partei finanziell zu unterstützen oder ihr
beizutreten. (150 Wörter)
Persönlicher
Kommentar
Nach meiner Meinung ist der Text natürlich eine Provokation. Die Kritik, die Franzobel an unserer „Arbeitsund Karriere-Versessenheit“ übt, ist stark übertrieben.
Viele Menschen suchen verzweifelt nach einer Arbeitsstelle. Denn Arbeit bedeutet für sie, für den eigenen
Lebensunterhalt sorgen zu können. Sie verleiht aber auch eine Aufgabe und Struktur im Leben. Und sie
ermöglicht soziale Kontakte. Wenn Franzobel Recht hätte, wären Arbeitslose glücklich und zufrieden. Doch
genau das ist nicht der Fall.
Trotzdem hat Franzobel mit seiner Kritik teilweise auch Recht. Wir sollten den „Wert“ eines Menschen nicht
von seinem beruflichen Status ableiten.
Übrigens: Franzobel arbeitet ja auch, wenn er für den „Standard“ einen Kommentar schreibt.
Beispieltext: Erörterung (Problemarbeit) zum Themenfeld Beruf (zirka 800 Wörter)
Diskussionsfrage: Welche Bedeutung haben berufliche Karriere und Erfolg im Beruf in der heutigen Zeit? Wie schaffen
wir die Spannung zwischen privaten und beruflichen Erfordernissen? Wie sehen Sie das persönlich?
A: Gehst du am Samstag mit auf eine Skitour?
B: Leider, ich habe keine Zeit. Ich muss an einem Projekt weiterarbeiten. Wenn ich es durchbringe, habe
ich gute Chancen auf die Abteilungsleitung.
Kreativer Einstieg
Arbeit und Karriere scheint auch für viele Menschen in der heutigen Zeit Selbstzweck und zentraler
Lebensinhalt zu sein. Dabei bedeutet der Begriff „Arbeit“ eigentlich Mühe oder Plage. Und viele
Jahrhunderte lang war es ein Privileg, wenn jemand nicht arbeiten musste und seine Zeit
vergnüglicheren Beschäftigungen widmen konnte. Heute betrachten wir Erwerbsarbeit als Grundrecht.
Benennung des Themas
In meiner Problemarbeit werde ich mich mit der Frage auseinandersetzen, warum beruflicher Erfolg und
Karriere vielen Menschen so wichtig sind.
Zieldefinition; Leitfrage;
indirekt zusammenfassen
Ende: Einleitung
In der Berufswelt steht heute jungen Menschen der Weg nach ganz oben scheinbar offen. Das hat auch
die Erwartungshaltungen erhöht. Früher waren viele Menschen damit zufrieden, eine halbwegs sichere
Arbeitsstelle zu finden, durch die sie ihren Lebensunterhalt sichern können. Es war üblich, nach einer
abgeschlossenen Berufsausbildung viele Jahrzehnte, oft das ganze Arbeitsleben, am selben Arbeitsplatz
zu verbringen. Beruflicher Aufstieg durch Engagement oder Weiterbildung war eher die Ausnahme als
Ursache 1: berufliche
Anforderungen
//
Erwartungen an das
Berufsleben
(Vergleich
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die Regel. Im Unterschied signalisieren wir jungen Menschen heute, dass wir beruflich in einem
ständigen Wettbewerb stehen. Nur wer sich weiterbildet, wer nach oben will, wer flexibel bleibt, habe in
der heutigen Berufswelt eine Perspektive, heißt es. So erzeugen wir natürlich auch Karriere-Wünsche
und Leistungsdruck.
Dass viele Menschen sich berufliche weiterentwickeln und Karriere machen wollen, hängt aber auch mit
finanziellen Ansprüchen zusammen. Menschen, die eine höhere berufliche Position innehaben,
verdienen im Normalfall auch deutlich besser. Ein hohes Einkommen ist wichtig, weil Menschen oft viele
materielle Wünsche – eine eigenes Haus oder eine Wohnung, ein neuwertiges Auto, mindestens einen
Urlaub pro Jahr, teure Hobbys – haben. Auch wer Kinder hat, muss finanziell gut abgesichert sein, wenn
er seinen Kindern eine gute Ausbildung, beispielsweise einen Auslandsaufenthalt oder ein Studium,
ermöglichen möchte. Nicht zuletzt glauben auch viele Menschen, dass sie mehr Ansehen und
Sozialprestige genießen, wenn sie sich einen materiell aufwändigen Lebensstil leisten. Mit dem
Einkommen eines „normalen“ einfachen Angestellten oder Arbeiters sind viele dieser Wünsche nicht
erfüllbar. So ist es nur leicht verständlich, dass viele Menschen bereit sind, sich beruflich über das
Notwendige hinaus zu engagieren, um beruflich aufzusteigen und sich „etwas mehr“ leisten zu können.
Karriere kann aber auch als persönliche Herausforderung verstanden werden. Viele Menschen fühlen
sich nach einer bestimmten Zeit in ihrem erlernten Beruf nicht mehr genügend gefordert. Sie spüren,
dass sie „zu mehr“ fähig wären und sich persönlich gerne weiterentwickeln würden. Mit einer höheren
beruflichen Position sind oft mehr Freiheiten, mehr Verantwortung und mehr persönliche
Herausforderung verbunden. Es geht nicht mehr nur darum, mehr Geld zu verdienen, sondern eigene
Interessen und Ideen beruflich einzubringen. Arbeit wird quasi zum „Selbstzweck“. Viele Menschen, die
heute mit 30 bemerken, dass sie selbst sich weiterentwickelt haben, während ihr Arbeitsfeld gleich
geblieben ist, orientieren sich neu. Sie bilden sich nebenberuflich weiter, machen Kurse, beginnen
vielleicht sogar noch ein Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität. Ich selbst habe mich
ebenfalls dazu entschieden, nochmals die „Schulbank zu drücken“, die Matura im Rahmen der BRP
nachzuholen, weil ich ein betriebswirtschaftliches Studium beginnen möchte. Nur so kann ich auch von
den Aufstiegsmöglichkeiten, die sich in meinem Unternehmen bieten, persönlich profitieren. Ich
verspreche mir in der Zukunft nicht nur einen sicheren Arbeitsplatz, sondern auch eine anspruchsvollere
und abwechslungsreichere Tätigkeit im Management, wenn ich mein Ziel erreicht habe.
Möglicherweise spielt auch die Persönlichkeitsstruktur eine Rolle, wenn Menschen versuchen, Karriere
zu machen. Es gibt viele Menschen, die schon von klein auf gelernt haben, dass sie Anerkennung und
Respekt bekommen, wenn sie überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Diese Haltung übertragen sie
auf ihr Berufsleben. Mit einer hohen und angesehenen beruflichen Position verbinden sie sozialen Status
und Glück. Allerdings ist diese Einstellung aus meiner Sicht problematisch, vor allem dann, wenn Karriere
und Geld zum Selbstzweck werden. Nicht wenige Menschen, die beruflich „alles erreicht haben“, müssen
irgendwann in ihrem Leben – beispielsweise in einer Krise - feststellen, dass Lebenszufriedenheit auf
diesem Weg nur selten gefunden wird.
Karrieremöglichkeiten ergeben sich heute vor allem auch, weil die Berufswelt sehr dynamisch ist.
Unternehmen stehen in einem harten Konkurrenzkampf. Nur mit gut ausgebildeten, ehrgeizigen und
flexiblen Mitarbeitern können sie im internationalen Wettbewerb bestehen. Deshalb haben auch
Unternehmen großes Interesse an Mitarbeitern, die bereit sind, sich überdurchschnittlich zu engagieren.
früher – heute)
Ursache 2: finanzielle
Bedürfnisse;
Lebensstandard
Ursache 3: persönliche
Herausforderung
Ursache
4: Persönlichkeitsstruktur
Ursache 5: Erwartungen
der Unternehmen
So verlockend eine berufliche Karriere auch sein mag: Sie ist nicht jeden Preis wert.
Viele Menschen sind bereit, für ihre Karriere ihre persönlichen Bedürfnisse zurück zu stellen. Die Karriere
verlangt Mobilität. Für den nächsten Karriereschritt sind sie bereit, in ein anderes Unternehmen zu
wechseln oder sich an einen anderen Betriebsstandort versetzen zu lassen. Das kann in jungen Jahren
interessant und herausfordernd sein. Auf Dauer bedeutet dies aber immer wieder, soziale Beziehungen
abzubrechen und eventuell sogar auf Beziehung und Familie zu verzichten. Ich persönlich bezweifle, dass
Karriere „dieses Opfer“ wert ist. Für mich käme ein solches Lebenskonzept jedenfalls nicht in Frage.
Übergang:
Problematische Aspekte /
Grenzen
Problem 1:
Überforderung durch
Mobilität
In Kaderpositionen wird von MitarbeiterInnen oft erwartet, über das normale Maß hinaus für das
Unternehmen zur Verfügung zu stehen. Abendtermine sind selbstverständlich. Überstunden sind als
Pauschalbetrag in das hohe Gehalt eingerechnet. Damit ein Projekt rechtzeitig fertig ist, muss ein
Projektleiter gegebenenfalls auch am Wochenende arbeiten oder auf einen Urlaub verzichten.
Gesellschaftliche Verpflichtungen müssen wahrgenommen werden. Freizeitgestaltung wird zum Luxus.
Für Partnerschaft und Familie bleibt kaum Zeit. Der Preis für einen solchen Lebensstil ist hoch. Langfristig
droht die psychische oder die körperliche Erschöpfung.
Problem 2:
Überforderung durch zu
große Anforderungen 
Burnout
Für mich persönlich sind Ehrgeiz und berufliches Engagement eine Selbstverständlichkeit. Allerdings
versuche ich dabei „das gesunde Maß“ nicht zu verlieren. Auch wenn das nicht einfach ist.
Schluss:
Resümee
Ende: Hauptteil
persönliches
B: Ich habe es mir überlegt. Ich gehe doch mit auf die Skitour. Karriere ist nicht alles im Leben.
A: Ich finde, das ist eine gute Entscheidung.
2
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2. Thema: Familie / Gewalt
2.1. Interpretation Thiel. Das Kind als Opfer familiärer Gewalt
Einleitung. Daten
„Bahnwärter Thiel“ ist eine naturalistische Novelle von Gerhart Hauptmann.
Einleitung.
Thema
Im Mittelpunkt meiner Interpretation steht der Sohn des Protagonisten Thiel, Tobias. Ich zeige auf,
warum und inwiefern Tobias Opfer familiärer Gewalt wird.
Fabel
Der Protagonist Bahnwärter Thiel heiratet nach dem Tod seiner ersten Frau Minna die Kuhmagd Lene.
Ein Grund dafür ist, dass er jemanden braucht, der sich um seinen Sohn Tobias kümmert. Spätestens
nachdem Lene selbst ein Kind auf die Welt gebracht hat, vernachlässigt und misshandelt sie ihren
Stiefsohn Tobias. Thiel schaut weg und schützt sein Kind nicht. Auch die Dorfbewohner greifen nicht
ein. Kurz vor Ende der Handlung kommt Tobias bei einem Zugsunglück ums Leben.
These 1:
Akzeptanz und Wegschauen tragen zu familiärer Gewalt bei.
Gewalt als Erziehungsmittel ist lange Zeit sozial akzeptiert gewesen. Ob und inwiefern das auch die
Grundlage für die Gewalt ist, die Tobias in der Geschichte erfährt, wird nicht ganz deutlich. Aber nur
in einem sozialen Klima, in dem Gewalt gegen Kinder zumindest geduldet wird, sind Lenes Übergriffe
gegenüber Tobias möglich. Denn niemand schreitet ein.
Thiel will lange Zeit nicht wissen, wie sich Lene gegenüber Tobias in seiner Abwesenheit verhält.
Deshalb schaut er nicht so genau hin, wenn Tobias Spuren körperlicher Misshandlung hat. Doch durch
Zufall wird er direkter Zeuge der Misshandlung. Lene beschimpft Tobias. Und sie ist dabei offenbar in
Begriff, auf Tobias einzuschlagen: „… sie hatte die Rechte erhoben …“. Doch Thiel, der diesen
Gewaltausbruch beobachtet hat, schreitet nicht ein. Er fragt nicht nach. Er stellt sich nicht schützend
vor sein Kind. Er macht die Gewalt nicht zum Thema. Er definiert keine Grenze. Thiel holt das
vergessene Butterbrot, er dreht sich um und geht weg. Dass Lene dieses Verhalten als
stillschweigendes Akzeptieren ihres Gewaltausbruchs versteht, ist nahe liegend. Spätestens nach
dieser Erfahrung hat sie keinen Grund mehr, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie Tobias
gegenüber Gewalt anwendet.
These 2
Überforderung trägt zu familiärer Gewalt bei. (Lene: möglicherweise mit dem zweiten Kind
überfordert)
These 3
Sprachlosigkeit und Kommunikationsunfähigkeit tragen zu familiärer Gewalt bei.
These 4:
Familiäre Gewalt kann die Folge einer psychischen Erkrankung (bei Thiel: Parnoia // Schuldgefühle)
sein.
Interpretation:
Aktualität
Anders als in der Geschichte: Familiäre Gewalt // Gewalt gegen Kinder ist heute sozial geächtet und
verboten. Gewalt gilt nicht mehr als legitimes Erziehungsmittel.
Ähnlich wie in der Geschichte: Kinder werden Opfer von Gewalt. Gewalt entsteht durch
Überforderung. Gewalt entsteht, weil Eltern in Krisensituationen zu wenig Unterstützung erfahren.
Gewalt entsteht durch Wegschauen.
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2.2.
Kommentar zum Thema familiäre Gewalt. Lösungsbeispiel
Schlagzeile,
Textsorte,
Verfasser
Ausgangpsunkt,
Sachverhalt
Eigene Position.
Nur eine These
Und wieder eine Familientragödie. Schicksal oder Versagen? Ein Kommentar von A. Bischof
Ein Mann tötet seine hochschwangere Freundin. Wir alle sind betroffen. Eine solche „Wahnsinnstat“
sei nicht zu verhindern. So etwas könne man nicht vorhersehen. So hört man vielfach. Doch das
stimmt nicht.
Mit trauriger Regelmäßigkeit sind wir mit so genannten „Familientragödien“ konfrontiert. Doch wenn
wir vorschnell argumentieren, dass solche Bluttaten nicht zu verhindern seien, machen wir es uns zu
einfach. Denn familiäre Gewalt entsteht in einem sozialen Klima, in dem Nachbarn und Behörden
wegschauen, anstatt zu handeln.
Die (meist männlichen) Täter sind vielfach nur auf den ersten Blick unauffällig und sozial gut
integriert. Wer wollte, könnte erkennen, dass viele spätere Täter schon früh Anzeichen von
Überforderung und Konfliktunfähigkeit, vielfach auch von Gewaltbereitschaft erkennen lassen.
Argumentative
Begründung
Resümee, Appell
Wir leben nach wie vor in einer Gesellschaft, in der familiäre Gewalt vielfach toleriert und als
Privatangelegenheit betrachtet wird. In vielen Familien gehört verbale Gewalt leider zum Alltag. Wir
hören weg und mischen uns nicht ein, wenn ein Mann auf der Straße seine Frau beschimpft. Wir
schauen weg, wenn eine Mutter ihr Kind in der Öffentlichkeit ohrfeigt. Wir wollen lieber nicht so
genau wissen, warum es in der Nachbar-Wohnung am Wochenende oft so laut ist. Wir fragen lieber
nicht nach, warum eine Bekannte nach der Trennung wieder zum ihrem Ex-Partner zurückgeht.
Behörden reagieren nur halbherzig, wenn es darum geht, Kinder vor elterlichen Übergriffen oder vor
Verwahrlosung zu schützen. Und wer in einer sozialen Einrichtung ein Beratungsgespräch wünscht,
muss lange Wartezeiten akzeptieren.
Wir wissen nicht, ob die ermordete schwangere Frau außerhalb ihrer Beziehung Hilfe gesucht hat.
Aber wenn wir familiäre Gewalt ernsthaft verhindern wollen, müssen wir Betroffenen konkrete
Angebote machen.
(250 Wörter)
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3. Familie / Erwachsen-Werden. Kurzgeschichte interpretieren und
Leserbrief
Text 1: Interpretation Wohmann
Analyseschema / Themenerschließung : Gabriele Wohmann: Denk immer an heut Nachmittag
Thema
Fabel
Form
Erzählperspektive
Struktur
Vater
Abschied, Vater-Sohn-Beziehung, Kommunikationslosigkeit, Einsamkeit
Ein Junge fährt mit seinem Vater in der Straßenbahn (im Zug?) nach Laurich ins Internat. Beide haben
einen gemeinsamen Nachmittag in Gratte verbracht. Der Vater versucht ohne großen Erfolg den in sich
gekehrten, traurig wirkenden Jungen abzulenken und aufzumuntern.
Kurzgeschichte; unmittelbarer Einstieg in die Handlung mit einer wörtlichen Rede („Eine halbe Stunde
Fahrt auf der Hinterplattform“); scheinbare Alltagssituation einer Straßenbahnfahrt von Vater und Sohn;
Symbolik (Ball); offenes Ende (Kind bedauert den Vater);
Personale Erzählhaltung: der außenstehende Erzähler fokussiert seine Aufmerksamkeit auf den Jungen;
dessen Wahrnehmungenm Gedanken, Empfindungen stehen im Mittelpunkt; die Gedankenwelt des
Vaters kennen wir nicht (z. B. Motivation, Kind ins Internat zu bringen; Motivation für seine Aussagen;
Unfähigkeit, mit dem Kind zu kommunizieren, …)
chronologische Struktur, einsträngige Handlung, leicht zeitgerafft (erzählte Zeit: zirka eine Stunde;
Erzählzeit: zirka 10 Minuten); Dominanz der wörtlichen Rede v. a. im ersten Teil; praktisch nur der Vater
spricht; unterschiedliche Wahrnehmung von Vater und Sohn zeigt, dass beide in unterschiedlichen
Erlebenswelten leben; zeitlich nicht exakt einzuordnen; später Winter (die meisten Bäume sind noch kahl);
kalt
dominiert; versucht den Jungen durch Reden abzulenken und aufzumuntern;
Wahrnehmung des Vaters
betont das Schöne und Positive des gemeinsam erlebten Nachmittags und assoziiert mit Gratte „was
Schönes zum Drandenken“; „lauter lustige Dinge“, „hübsche Mannequins“
versucht die Zukunft im Internat positiv darzustellen („Spiele im Wald veranstalten“, Schnitzelversteck,
Räuberspiele, Waldlauf)
Junge auf dem Fahrrad: vielleicht sogar ein Rauricher, ein zukünftiger Kamerad
nimmt das Internat positiv wahr: „wie freundlich es da liegt“ und will den Jungen neugierig machen
„komm … vielleicht können wir noch sehen, wer gewinnt“
Tonlage des Vaters
betont positiv; klingt übertrieben und oft unglaubwürdig (wenn er sich z. B. über den dicken Jungen, der
die Straßenbahn mit dem Fahrrad verfolgt, lustig macht)
weiteres Verhalten des Vaters
erinnert den Jungen an die (vermutlich) verstorbene Mutter und sagt ihm, er solle immer daran denken,
dass die Mutter ihn geliebt habe  Auftrag, Vermächtnis
Defizite im Verhalten des Vaters
hört dem Jungen nicht zu und interessiert sich nicht für dessen wirkliche Gefühle (Trauer, Einsamkeit)
spricht nicht über seine eigene Traurigkeit, sondern versucht diese zu überspielen
durch sein Verhalten spricht er am Jungen vorbei / erreicht den Jungen nicht
Sohn
meist als „das Kind“ bezeichnet; der Sohn dürfte eher jünger sein (Spiele, auf die der Vater hinweist;
eigenes Verhalten); muss offensichtlich ins Internat (Koffer); nachdem seine Mutter gestorben ist, verliert
er jetzt also auch den Vater;
Wahrnehmung des Jungen steht in Widerspruch zur Wahrnehmung des Vaters:
Gratte: dunkle feuchte Gässchen, enge Schaufenster, schartige Hausmauern, „dicker, dunkler Pickel“  in
seiner Wahrnehmung / Erinnerung ist Gratte abweisend, kalt, eng, heruntergekommen
Wald von Laurich: kalte Bäume, gekrümmte nackte Kiefernstämme, sandige Kahlschläge  kalt,
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abweisend
Junge auf dem Fahrrad: hechelnder, schwerer Körper, besessenes Gesicht, weiß verzogene Lippen
Internat: „sah doch anders aus als auf den Bildern des Prospekts“ // hoher Drahtzaun  Gefängnis??? //
Horde von Kindern // „eiförmiger Ball, einem kranken Vogel ähnlich“ // „fauler, dumpfiger Abendgeruch
der aufgeworfenen Erde“
Wahrnehmung konzentriert sich immer wieder auf den eigenen Körper (Ablenkung?): „Sein Knie spürte
den Koffer“ // spürt für einen Moment die Wärme der väterlichen Hand
Äußerungen des Jungen
der Junge äußert sich kaum „Ja“ // „Ich weiß nicht“ // „Ja“ und reagiert nicht auf die Aussagen seines
Vaters
Erleben des Jungen:
Erleben des Ballspiels im Internatshof durch tränengefüllte Augen  Phantasie des Balls, der immer höher
steigt („Es ließ den Ball sich höher hinaufschrauben, es ließ ihn nicht wieder zurückfallen zwischen die
stoßenden und wetzenden Beine …“)  Realität: der Ball klatscht „wie eine gegorene, von Würmern
geschwollene Pflaume“ auf dem Boden auf
Dem Jungen fällt ein, „dass er noch nie daran gedacht hat, seinen Vater zu bedauern“  offener
Schlusssatz; mögliche Lesart: den Vater bedauern, weil er in einer ähnlichen Situation wie der Junge selbst
ist (auch er hat seine Familie verloren; auch er muss sich von seinem Sohn verabschieden); bedauern, weil
der Vater seine wahren Gefühle nicht zeigt / nicht zeigen kann
Beziehung
Vater - Sohn
Defizite im Verhalten des Jungen
auch der Junge spricht seine eigentlichen Gefühle nicht an und ist insofern unehrlich; versucht das Weinen
zu unterdrücken
Tod der Mutter  Vater und Sohn als Kern der Familie  nach der Trennung von der Mutter muss sich
der Junge jetzt auch von seinem Vater trennen, weil er ins Internat muss (über die Gründe dafür erfahren
wir nichts)
Der Vater spricht überhaupt nicht über sich und seine eigentlichen Gefühle; anstattdessen lenkt er die
Aufmerksamkeit auf die Umgebung und gibt dem Sohn mehr oder weniger kluge, aber phrasenhaft
klingende Ratschläge mit auf den Weg „Denk immer, dass …“ // Er solle ein richtiger Mann mit richtigen
Muskeln werden; der Vater fragt den Sohn nicht, wie es ihm geht / was er fühlt / was er empfindet
Den Sohn erreichen die aufmunternden Worte des Vaters nicht, er lässt sich nicht ablenken, er hält an
seiner traurigen Stimmung fest
Ball
Symbol
Interpretation
als
Die Unehrlichkeit des Vaters und seine sprachliche Dominanz führen dazu, dass der Sohn sich über seine
eigentlichen Gefühle nicht äußern kann / dass er mit diesen allein bleibt
Phantasie: Ball fliegt höher und höher und kommt nicht mehr auf die Erde zurück  Wunsch nach Flucht /
Entrückung / Leichtigkeit
Realität: Ball klatscht wie eine „von Würmern geschwollene Pflaume“ auf die Erde zurück
Trennung  in der Geschichte wahrscheinlich durch Tod der Mutter // durch Überforderung /
Überlastung des Vaters; Vater hat vielleicht keine Alternative zur Unterbringung im Internat; heute:
Trennung vor allem durch das Scheitern der elterlichen Beziehungen / durch Beziehungsabbrüche; auch
Stief-Väter!!!; Kinder fühlen sich „abgeschoben“ / verlassen; Eltern sind teilweise überfordert; viele Väter
bemühen sich, die Beziehung zu ihren Kindern aufrechtzuerhalten; neue Väter-Generation
Sprach- und Kommunikationslosigkeit; Unfähigkeit des Vaters, mit seinem Sohn über die Situation zu
besprechen; „Schönreden“ der Situaiton  Es wäre besser, offen über eine traurige Situation zu sprechen
als sie zu überspielen und so zu tun, als ob ohnedies alles in bester Ordnung wäre; Väter wären heute
vielleicht eher dazu in der Lage.
Einsamkeit  durch Lügen / oberflächliches Überspielen der eigenen Gefühle kann man die eigene Trauer
mit anderen nicht teilen // dadurch bleibt jeder mit seiner Trauer allein  Vgl. heute
„Männer-Rolle“  Vater appelliert an den „starken Mann“, der sich zusammenreißt und keine Gefühle
zeigt; heute dürfen Männer zum Glück ebenfalls traurig sein / Emotionen zeigen
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3.2. Leserbrief Hotel Mama
Formales
Vorname Nachname
Straße
9999 Ort
Redaktion „Kronenzeitung“
Wienerstraße 14
1010 Wien
Betreff
Leserbrief zum Thema „Familie. Erwachsen-Werden“
Dornbirn, 13. 8. 2013
Anrede
Leserbrief zu Ihrem Artikel „Hotel Mama immer beliebter“ vom 12. 8. 2013
Bezug, Anknüpfung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Eigene Position
In Ihrem Artikel kritisieren Sie, dass junge Menschen es sich angeblich im „Hotel Mama“
gemütlich machen. Als junge „Nesthockerin“ ärgert mich diese Sichtweise. (Ausgangspunkt für die
Stellungnahme, eigene Rolle, Anliegen)
Junge Menschen sind in der heutigen Berufswelt mit schwierigen Bedingungen konfrontiert. Das
macht den Schritt ins eigene Leben zu einem finanziellen Hasard-Spiel. Wer junge Menschen als
verwöhnte Nesthocker kritisiert, macht es sich zu einfach.
Argumentative
Darlegung der
eigenen Position
Resümee, Appell
Es gibt heute sehr viele hoch qualifizierte und gut ausgebildete junge Menschen. Viele von ihnen
haben ein Studium absolviert. Viele haben Zusatzausbildungen, sprechen mehrere Sprachen und
können Auslandserfahrung vorweisen. Doch auf dem Arbeitsmarkt haben diese jungen Menschen
vielfach kaum Chancen. Sie müssen sich mit befristeten Arbeitsverträgen oder mit
Praktikumsplätzen begnügen, während ältere Menschen die sicheren, quasi pragmatisierten
Arbeitsplätze besetzen. So müssen viele junge LehrerInnen als Karenzvertretung mit unseren
Anstellungsverhältnissen das Auslangen finden. Junge ÄrztInnen leisten im „Turnus“ vollwertige
Schwerarbeit, werden aber oft nur sehr schlecht bezahlt; vereinzelt arbeiten sie unbezahlt, denn
sie müssen froh sein, überhaupt einen Turnusplatz zu finden. Im Medienbereich arbeiten viele als
freiberufliche JournalistInnen, die nur dann etwas verdienen, wenn ihnen jemand ihre Reportage
abkauft. So ist es kein Wunder, dass viele junge Menschen Angst davor haben, sich mit hohen
Fixkosten für Miete oder gar Wohnungseigentum zu belasten oder einen Kredit für die erste
Wohnungseinrichtung aufzunehmen. (Argumentation)
Über junge Nesthocker überheblich die Nase zu rümpfen, ist einfach und „billig“, vor allem wenn
man selbst eine sichere Arbeitsstelle hat. Überlassen Sie Ihre Festanstellung bei der
„Kronenzeitung“ doch einer jungen „Nesthockerin“! Sie wird sich liebend gerne auf eigene Füße
stellen! (Appell, Resümee, Anliegen wiederholen)
Mit freundlichen Grüßen
Name Vorname
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