Arbeitsrechtlicher Workshop an der Karluniversität Prag zum Thema

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Arbeitsrechtlicher Workshop an der Karluniversität Prag zum Thema
„Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungen“
Das Thema „Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungen“ ist in Deutschland nicht nur
politisch, sondern auch rechtlich hoch aktuell. Im letzten Jahrzehnt erfuhr der
Niedriglohnsektor in Deutschland eine enorme Ausdehnung. Da die Tarifvertragsparteien
nicht im Stande waren, dieser Entwicklung branchenübergreifend entgegenzuwirken, sah sich
der in der Gesetzgeber Pflicht. Mit Wirkung zum 01.01.2015 führte er mit dem Gesetz zur
Regelung des allgemeinen Mindestlohns („MiLoG“) einen allgemeinen Mindestlohn in
Höhe von 8,50 Euro pro Stunde ein. Während das MiLoG hierzulande einen
Paradigmenwechsel bedeutet, der Wirtschaft und Rechtswissenschaft vor viele neue
Herausforderungen und ungeklärte Fragen stellt, gilt in den meisten europäischen Ländern
schon seit längerer Zeit ein gesetzlicher Mindestlohn. In Tschechien wurde bereits Anfang der
1990er Jahre ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt. Dort ist der Mindestlohn seit über zwei
Jahrzehnten ein zentraler Mechanismus zum Schutz der Arbeitnehmer vor Lohndumping. Vor
diesem Hintergrund initiierte der Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht der
Universität Regensburg unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Maschmann einen
arbeitsrechtlichen Workshop zum Thema „Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungen in
Deutschland und Tschechien“ an der Karlsuniversität in Prag. Neben Studierenden nahmen
bedeutende Arbeits- und Sozialrechtler der juristischen Fakultät der Karlsuniversität teil.
Nach der freundlichen Begrüßung durch den Prodekan der juristischen Fakultät, Prof. Dr.
Damohorsky, referierte Herr Prof. Dr. Maschmann zu den Aspekten des Mindestlohns in
Deutschland. Der Vortrag begann mit einer anschaulichen Gegenüberstellung der aktuellen
Mindestlohngrenzen in Europa. Während sich der Mindestlohn in Deutschland im
europäischen Vergleich mit 8,50 Euro/Stunde im oberen Mittelfeld bewegt, ist der
Mindestlohn in Tschechien mit der derzeit 1,95 Euro/Stunde relativ gering angesetzt. Nach
einer kurzen Diskussion der Vor- und Nachteile der Einführung des Mindestlohns in
Deutschland und der erwarteten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, nahm Herr Prof. Dr.
Maschmann zur Verfassungsmäßigkeit des MiLoG, die im Hinblick auf die Berufsfreiheit der
Arbeitgeber und die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften kritisch beurteilt wird, Stellung.
Im Zusammenhang mit dem persönlichen Anwendungsbereich des MiLoG wies Herr Prof.
Dr. Maschmann auf eine aktuelle politische Debatte hin: Angesichts der derzeitigen
Flüchtlingsproblematik gibt es in der Politik Forderungen nach einer Ausnahmeregelung für
Flüchtlinge, um eine schnelle Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Da die
aktuelle Gesetzesfassung ohnehin eine Ausnahme für die Beschäftigung im Rahmen von
Qualifizierungsmaßnahmen vorsieht, ist fraglich, ob eine Sonderregelung überhaupt
erforderlich ist. Aus diesem Grund lehnt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine
Sonderausnahme für Flüchtlinge ab. Anschließend griff Herr Prof. Dr. Maschmann eine
weitere problematische Frage zum Anwendungsbereich des MiLoG auf, die auch für
tschechische Arbeitgeber von großer Bedeutung ist. Nach einer Stellungnahme des
Bundesministeriums für Arbeit soll der deutsche Mindestlohn auch bei einer stundenweisen
Tätigkeit ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland, beispielsweise im Rahmen von
Dienstreisen oder bei Transitfahrten von Bus- oder LKW-Fahrern, gelten. Eine solche
weitreichende Anwendung des deutschen MiLoG ist im Hinblick auf die
Niederlassungsfreiheit problematisch. Aus diesem Grund ist hierzu ein Pilotverfahren bei der
europäischen
Kommission
anhängig,
das
eine
Vorstufe
zum
formellen
Vertragsverletzungsverfahren ist. Neben diesen interessanten Fragen beleuchtete Herr Prof.
Dr. Maschmann zahlreiche weitere Aspekte des MiLoG, unter anderem die Berücksichtigung
von Einmalzahlungen oder Sachleistungen bei der Berechnung des Mindestlohns, die
staatliche Durchsetzung des Mindestlohns durch die Zollbehörden und die Haftung von
Auftraggebern für Subunternehmen. Im Anschluss an den Vortrag von Herrn Prof. Dr.
Maschmann fand eine lebhafte Diskussion statt, in der zahlreiche Unterschiede und
Gemeinsamkeiten der deutschen und tschechischen Regelungen zum Mindestlohn aufgezeigt
werden konnten.
Nach einer kurzen Pause gab Herr Prof. Dr. Tröster, Leiter des Lehrstuhls für Arbeits- und
Sozialrecht der Karlsuniversität Prag, einen Einblick in die Grundzüge des tschechischen
Arbeitsrechts. Wie das deutsche Arbeitsrecht ist auch das tschechische Arbeitsrecht in zwei
Hauptbereiche, das kollektive Arbeitsrecht und das Individualarbeitsrecht aufgeteilt. Die
wesentlichen Rahmenbedingungen des tschechischen Arbeitsrechts sind im Arbeitsgesetzbuch
geregelt. Hierzu gehören neben den Voraussetzungen der Begründung und Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses und Arbeitszeit-, Überstunden- und Freizeitregelungen, auch
Vergütungsregeln und Mindestarbeitsbedingungen, die durch das tschechische
Mindestlohngesetz ergänzt werden. An dieser Stelle übergab Herr Prof. Dr. Tröster das Wort
an seine Kollegin Frau Dr. Stangova, die als Dozentin für Arbeits- und Sozialrecht an der
Karlsuniversität tätig ist. Frau Dr. Stangova erläuterte in dem folgenden Vortrag die
Grundlagen und die Funktionsweise des Mindestlohns in Tschechien. Anders als in
Deutschland wird der Mindestlohn in Tschechien zu Beginn eines jeden Jahres von der
Regierung in einer Regierungsverordnung festgesetzt. Die jährliche Festsetzung des
Mindestlohns erfolgt auf Empfehlung eines „Wirtschaftsrates“, der triparitätisch mit
Vertretern der Regierung, der Gewerkschaften und der Arbeitgebervertretungen besetzt ist.
Frau Dr. Stangova stellte fest, dass der Mindestlohn auch Tschechien von großer politischer
Bedeutung ist. Nachdem der Mindestlohn viele Jahre nicht erhöht wurde, kündigte die
Regierung in einer Regierungserklärung an, den Mindestlohn regelmäßig zu erhöhen, um eine
Annäherung an rund 40% des Durchschnittslohns zu erreichen. Vor diesem Hintergrund
wurde der Mindestlohn zu Beginn des Jahres 2015 um 700 CZK auf 9.200 CZK pro Monat
(ca. 339 Euro) erhöht. Zum 01.01.2016 findet eine weitere Erhöhung um 700 CZK auf 9.900
CZK pro Monat (ca. 370 Euro) statt. Dies entspricht einer Anhebung des Mindestlohns auf 55
CZK pro Stunde (ca. 2,20 Euro).
Im Anschluss an den Vortrag von Frau Dr. Stangova folgte eine weitere Diskussionsrunde,
bei der die Durchsetzung des Mindestlohns durch staatliche Aufsichtsbehörden und die
Klagemöglichkeiten der Arbeitnehmer im Mittelpunkt standen. Die tschechischen Experten
kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Mindestlohn in Tschechien angesichts der
langjährigen Erfahrungen mittlerweile auf eine breite Akzeptanz – auch in den Kreisen der
Arbeitgeber – stößt.
Der arbeitsrechtliche Workshop zum Thema „Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungen“
war ein großer Erfolg, der den Teilnehmern nicht nur Gelegenheit zum gegenseitigen
Erfahrungsaustausch, sondern auch zur Vertiefung der deutsch-tschechischen Freundschaft
gab.
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