Seite - beim Kanton Aargau

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GROSSER RAT
WORTPROTOKOLL
37. Sitzung vom 16. September 2014 von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr (Art. 0580-0599)
Vorsitzender:
Thierry Burkart, Baden
Protokollführung:
Rahel Ommerli-Peyer, Ratssekretärin
Präsenz:
Anwesend 135 Mitglieder
Abwesend mit Entschuldigung 5 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Kurt Emmenegger, Baden; Eugen Frunz,
Nussbaumen; Rosmarie Groux, Berikon; Monika Stadelmann, Bad
Zurzach; Herbert Strebel, Muri
Behandelte Traktanden
Seite
0580 Mitteilungen
1525
0581 Dr. Ulrich Bürgi, FDP, Aarau, (anstelle von Dr. Daniel Heller, Erlinsbach; Andreas Fischer,
Grüne, Möhlin, (anstelle von Patricia Schreiber-Rebmann, Wegenstetten); Inpflichtnahme als
Mitglieder des Grossen Rats
1526
0582 Neueingänge
1526
0583 Postulat Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg, vom 16. September 2014 betreffend langfristige
Auswirkungen der Asylzentren auf Gemeindeebene; Einreichung und schriftliche Begründung
1526
0584 Auftrag der SVP-Fraktion vom 16. September 2014 betreffend Verzicht auf die neue Zivilschutzkonzeption; Einreichung und schriftliche Begründung
1528
0585 Interpellation der GLP-Fraktion (Sprecherin Barbara Portmann-Müller, Lenzburg) vom 16.
September 2014 betreffend vergleichende Übersicht der Sparmassnahmen über die
Aufgabenbereiche; Einreichung und schriftliche Begründung
1528
0586 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Marie-Louise Nussbaumer, Obersiggenthal) vom
16. September 2014 betreffend personelle Belastung und personelle Entwicklung im
kantonalen Steueramt; Einreichung und schriftliche Begründung
1528
0587 Interpellation Marianne Binder-Keller, CVP, Baden, vom 16. September 2014 betreffend
angekündigte Schliessung der Zurich International School in Baden und Attraktivität des
Wirtschafts- und Lebensstandortes Aargau; Einreichung und schriftliche Begründung
1529
0588 Interpellation Kathrin Fricker, Grüne, Baden (Sprecherin), und Elisabeth Burgener, SP, GipfOberfrick, vom 16. September 2014 betreffend Stand der alternativen schulischen Angebote
für Minderjährige und Jugendliche mit Status N (im laufenden Asylverfahren) nach Abbruch
des Integrationsprogramms an der Kantonalen Schule für Berufsbildung; Einreichung und
schriftliche Begründung
1530
0589 Interpellation Franz Nebel, FDP, Bad Zurzach, vom 16. September 2014 betreffend
Unterstützung von Angehörigen bei der Pflege und Betreuung von Alzheimer-Patienten im
Eigenheim; Einreichung und schriftliche Begründung
1531
1523
0590 Interpellation Maja Riniker, FDP, Suhr, vom 16. September 2014 betreffend Ostumfahrung
Suhr – Planungsfortschritt; Einreichung und schriftliche Begründung
1532
0591 Interpellation Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, vom 16. September 2014 betreffend
Umsetzung "ambulant vor stationär" bei chirurgischen Eingriffen; Einreichung und schriftliche
Begründung
1532
0592 Interpellation Martin Steinacher-Eckert, CVP, Gansingen (Sprecher), Regula BachmannSteiner, CVP, Magden, und Werner Müller, CVP, Wittnau, vom 16. September 2014
betreffend Prüfung eines neuen Mittelschulstandorts im Fricktal; Einreichung und schriftliche
Begründung
1534
0593 Interpellation Martin-Steinacher-Eckert, CVP, Gansingen, vom 16. September 2014 betreffend
erhöhter Führerausweisentzug bei Junglenkern; Einreichung und schriftliche Begründung
1535
0594 Philip Conradin, Oberrohrdorf; Ersatzrichter am Verwaltungsgericht; Inpflichtnahme
1535
0595 Kommissionswahlen in ständige Kommissionen VWA, KAPF, GSW, UBV, JUS, GPK, EBK
(Ersatzwahlen); Kenntnisnahme
1536
0596 Einbürgerungen 2014; 3. Serie; Kenntnisnahme
1536
0597 Reorganisation der Grundbuchführung; Festlegung der Zahl der Grundbuchämter;
Beschlussfassung
1537
0598 Postulat Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 25. März 2014 betreffend Überprüfung und ev.
Anpassung des Merkblattes für die Erteilung von Sonderbewilligungen bei volkstümlichen
Anlässen, z. B. bei Fasnachts-Umzügen; Ablehnung
1544
0599 Massnahmen zur Beseitigung der Kapazitätsengpässe bei den Familiengerichten;
Zusatzkredit; Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015–2018; Anpassung; Beschlussfassung
1546
1524
0580 Mitteilungen
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie zur 37. Sitzung der Legislaturperiode 2013/2016.
Ich weise Sie auf die Informationstagung der Interparlamentarischen Konferenz der
Nordwestschweiz hin: Diese findet am Freitag, 24. Oktober 2014, 9.00 Uhr, in Solothurn statt und
widmet sich dem Thema "Wirtschaft in der Nordwestschweiz; Bevölkerungsentwicklung und
Fachkräftemangel". Die Einladung dazu haben Sie letzte Woche mit der Grossratspost erhalten. Ich
habe gehört, dass der Kanton Aargau leider nicht immer sehr zahlreich vertreten sei. Aus diesem
Grund habe ich mir erlaubt, Sie auf diesen Anlass hinzuweisen.
Ich komme zu den Gratulationen:
Unser Ratskollege Serge Demuth, Baden, ist am 3. September 2014 Vater geworden. Sein Sohn
trägt den Namen Etienne. Herzliche Gratulation.
Auch unserem Ratskollegen Ralf Bucher, Mühlau, darf ich gratulieren. Er ist am 9. September 2014
Vater einer Tochter geworden. Sie hört auf den Namen Lara. Auch ihm herzliche Gratulation.
Ich wünsche den jungen Familien alles Gute, verbunden mit der Hoffnung, dass die Väter und Mütter
genügend Schlaf finden. Beide Väter haben an ihren Sitzplätzen ein kleines Präsent des
Ratspräsidiums vorgefunden.
Der FC Grossrat hat anlässlich des Turniers bei der Offiziersgesellschaft in Lenzburg am 7.
September 2014 den guten 4. Platz erreicht. Vielen Dank für den engagierten Einsatz! Den
Abschluss der Saison des FC Grossrats bildet das traditionelle Fussballspiel gegen unsere
Politikerkollegen vom Landkreis Waldshut am 30. September 2014, 18.30 Uhr, in Klingnau. Fans zur
Unterstützung des FC Grossrats sind willkommen!
Die Traktandenliste wird stillschweigend genehmigt.
Regierungsrätliche Vernehmlassung an Bundesbehörden
1. Weisungen 75003 "Kantonale Verkehrsmanagementpläne"; Vernehmlassung zuhanden des
Bundesamts für Strassen; Gutheissung und Auftrag an Staatskanzlei vom 28.08.2014
2. Revision der Seilbahnverordnung; Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Verkehr;
Gutheissung und Auftrag an Staatskanzlei vom 28.08.2014
3. Bundesgesetz über das Zentrum für Qualität in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
(Stärkung Qualität und Wirtschaftlichkeit); Vernehmlassung zuhanden des Bundes; Gutheissung
und Auftrag an Staatskanzlei vom 4.09.2014
4. Bundesgesetz über Tabakprodukte (TabPG); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für
Gesundheit; Gutheissung und Auftrag an Staatskanzlei vom 4.09.2014
5. Änderung der Verordnung 4 zum Arbeitsgesetz (ArGV 4); Vernehmlassung zuhanden des
Staatssekretariats für Wirtschaft; Gutheissung und Auftrag an Staatskanzlei vom 4.09.2014
6. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Meteorologie und Klimatologie (MetG);
Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz;
Gutheissung und Auftrag an Staatskanzlei vom 4.09.2014
Die Staatskanzlei stellt auf Verlangen die Vernehmlassungen samt den Unterlagen des Bundes zur
Verfügung. Die Vernehmlassungen können auch im Internet (www.ag.ch) abgerufen werden.
16. September 2014
Art.-Nr. 0580
1525
0581 Dr. Ulrich Bürgi, FDP, Aarau, (anstelle von Dr. Daniel Heller, Erlinsbach; Andreas
Fischer, Grüne, Möhlin, (anstelle von Patricia Schreiber-Rebmann, Wegenstetten);
Inpflichtnahme als Mitglieder des Grossen Rats
Vom Grossen Rat werden gemäss § 5 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) folgende neue
Ratsmitglieder in Pflicht genommen:
-
Dr. Ulrich Bürgi, FDP, Aarau (anstelle von Dr. Daniel Heller, Erlinsbach)
Andreas Fischer, Grüne, Möhlin (anstelle von Patricia Schreiber-Rebmann, Wegenstetten)
0582 Neueingänge
1. Aufgaben- und Finanzplan 2015-2018 (Zuständige Kommissionen: Federführend KAPF sowie
bereichsweise Fachkommissionen)
2. Leistungsanalyse; Massnahmen in der Kompetenz des Grossen Rats; Gesetz über die
Umsetzung der Leistungsanalyse; Dekret 2 über die Umsetzung der Leistungsanalyse; Dekret 3
über die Umsetzung der Leistungsanalyse; Bericht und Entwurf zur 2. Beratung (Zuständige
Kommissionen: Federführend KAPF sowie bereichsweise Fachkommissionen)
3. Gesetz über die Aargauische Kantonalbank (AKBG); Gesetz über die Finanzierung der
Sonderlasten (G Sonderlasten); Änderung; Bericht und Entwurf zur 1. Beratung (Zuständige
Kommission: VWA)
4. Sammelvorlage für Verpflichtungskredite und Nachtragskredite 2014, II. Teil (Zuständige
Kommissionen: Federführend KAPF sowie bereichsweise Fachkommissionen)
5. Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB);
Änderung; Bericht und Entwurf zur 1. Beratung (Zuständige Kommission: VWA)
0583 Postulat Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg, vom 16. September 2014 betreffend
langfristige Auswirkungen der Asylzentren auf Gemeindeebene; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Thomas Burgherr, SVP, Wiliberg, und 40 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgendes
Postulat eingereicht:
Text:
Es ist dringend zu prüfen, wie im Asylbereich die direkten und indirekten Kosten auf Gemeindeebene
auf ein vertretbares Mass gesenkt werden können.
Begründung:
Die monatlichen Asylgesuche sind zwischen April und Juni 2014 dieses Jahres um 50 % hochgeschnellt. Die Vergleichszahlen zu unseren Nachbarländern machen deutlich, dass die Schweiz vom
Zustrom Asylsuchender weit überdurchschnittlich betroffen ist. Unser Land gehört im europäischen
Vergleich zu den Ländern mit den meisten Asylgesuchen bezogen auf die Einwohnerzahl. Unsere
Nachbarstaaten tragen alle deutlich tiefere Lasten. Das Bild einer unsolidarischen Schweiz, das in
den vergangenen Tagen von einigen Politikern und Medien gemalt wurde, zielt völlig an der Realität
vorbei. Aktuell ist das Gegenteil der Fall. Wir haben unsere humanitäre Tradition immer konsequent
vollzogen. Mit der heutigen Asylpolitik wird dies aber immer schwieriger bis unmöglich. Voraussetzung wäre, dass der Bundesrat mit einem konsequenten Gesetzes-Vollzug die "Spreu vom Weizen"
trennt, damit jener sehr grosse Teil der Asylbewerber, die gar keine Flüchtlinge sind, die sich z. T. in
16. September 2014
Art.-Nr. 0581-0583
1526
unserem Land kriminell betätigen und Milliardenkosten verursachen, gar keinen Anreiz mehr haben,
in die Schweiz zu kommen oder diese unverzüglich wieder verlassen müssen.
Der Bund und die Kantone betreiben leider zu einem grossen Teil eine reine "Pflästerlipolitik". Anstatt
das Übel an der Wurzel anzupacken, werden einfach täglich neue kostspielige Unterbringungsplätze
geschaffen. Das unter der Leitung von Bundesrätin Sommaruga aus dem Ruder laufende Asylwesen
muss nun wieder in akzeptable Bahnen gelenkt werden. Leider fehlt der Druck vieler Kantone gegenüber Bern, dass diesem Trauerspiel endlich ein Ende gesetzt wird. Die ganze Asyltragödie wird
im Besonderen auch in unserem Kanton zu wenig lösungsorientiert angegangen. Sie wird ganz einfach nur verwaltet.
Durch die verheerende und ausufernde Asylpolitik treiben Bund und Kanton viele Gemeinden in den
Ruin. Als Beispiel sei hier die Gemeinde Aarburg aufgeführt. Gerade in dieser Kommune wird auf
tragische Weise ersichtlich, dass die langfristigen Auswirkungen katastrophal für die Gemeinde sind
(siehe auch Beilagen). Mit der Bürde, welche Aarburg auferlegt wird, wird sie vom Kanton zugrunde
gerichtet. Dort befinden sich 3 Asylzentren, bei einer Vollbelegung können über 130 Asylbewerber
aufgenommen werden. Da der Kanton seine Asylzentren in sanierten Wohnungen einrichtet, gehen
der Gemeinde Steuereinnahmen verloren, gleichzeitig nehmen die einquartierten Asylbewerber die
Gemeindeinfrastrukturen in Anspruch. Das erste Problem zeigte sich bereits im neuen Schuljahr, als
der Kanton ein Kind ohne Voranmeldung in die Schule schickte, die Klasse war bereits voll belegt.
Richtig teuer wird es für die Gemeinde, wenn die Asylbewerber aufgenommen werden und die
B-Bewilligung erhalten. Heute ist keiner in der Lage zu beziffern wie teuer der Schweiz das
Asylwesen wirklich kommt. Mit positivem Asylentscheid bleiben diese Personen noch Jahre in der
Sozialhilfe und entfallen aus jeder Asylstatistik. Der Kanton übernimmt die Kosten dabei lediglich die
ersten 5 Jahre ab Einreisedatum in die Schweiz. Bis die Asylbewerber ihren positiven Entscheid
erhalten, sind meistens schon einige Jahre vergangen, so dass die Gemeinde relativ schnell die
Sozialhilfe selber berappen muss. Gleichzeitig schickt der Kanton wieder neue Asylbewerber in die
frei gewordenen Asylplätze – ein Teufelskreis!
Doch damit nicht genug, sind die ehemaligen Asylbewerber 5 Jahre in der Schweiz, erhalten diese
trotz Sozialhilfebezug die C-Bewilligung. Mit dieser können sie für immer in der Schweiz bleiben,
auch wenn sie nie wirtschaftlich unabhängig sind, ein Entzug der Bewilligung ist faktisch nicht mehr
möglich. Später beziehen diese Personen AHV, Ergänzungsleistungen und nehmen das Gesundheitswesen in Anspruch, obwohl sie nie in das System einbezahlt haben.
Für Aarburg bedeutet dies, dass neben den 3 Asylzentren bereits 130 Afrikaner wohnhaft sind, wovon 60 % die B und 40 % die C Bewilligung haben und somit nicht mehr in der Asylstatistik erfasst
werden. Von diesen 130 ehemaligen Asylbewerbern befinden sich 92 % in der Sozialhilfe. Für die
Hälfte der 92 % bezahlt heute bereits die Gemeinde die Sozialhilfe, die restlichen 50 % werden bis
2018 folgen. Anders ausgedrückt, werden der Gemeinde zusätzlich CHF 1.2 Mio. Sozialhilfekosten
pro Jahr durch den Kanton aufs Auge gedrückt. Wird der Familiennachzug, die Geburtenrate und der
erwähnte Mechanismus der Asylzentren mitberücksichtig, wird die Zunahme der Sozialhilfekosten
noch um einiges höher ausfallen.
Der Regierungsrat ist aufgefordert, rasche und wirksame Lösungen aufzuzeigen, wie die Gemeinden
(im besonderen Aarburg) diesbezüglich deutlich entlastet werden können.
Zudem soll der Regierungsrat endlich deutlichen Druck gegenüber Bern ausüben, indem sie sich
zum Beispiel konsequent weigert Asylbewerber aus offensichtlich sicheren Ländern aufzunehmen.
(Tunesien, Serbien, Kosovo, Bosnien und möglicherweise auch Eritrea.). Diese Wirtschaftsflüchtlinge
sind nicht auf die Kantone zu verteilen sondern umgehend auszuweisen.
Weiter soll sich der Kanton Aargau dafür einsetzen, dass die Attraktivität der Schweiz als Zielland für
Asylsuchende gesenkt wird und abgewiesene Asylbewerber konsequent zurück geschafft werden.
So können wir in unserem Land und Kanton endlich Platz machen für echte Flüchtlinge.
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Art.-Nr. 0583
1527
0584 Auftrag der SVP-Fraktion vom 16. September 2014 betreffend Verzicht auf die neue Zivilschutzkonzeption; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SVP-Fraktion und 46 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgender Auftrag
eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, auf die neue Zivilschutzkonzeption mit 11 Regionen zu verzichten.
Begründung:
Einmal mehr will der Regierungsrat Kompetenzen weg von den Gemeinden weiter zur Zentralbürokratie verschieben. Die heutige Organisationsform des Zivilschutzes hat sich bewährt. Es ist wichtig,
dass sich "in Krisen Köpfe kennen". Deshalb sind überschaubare Organisationseinheiten, nahe bei
den Gemeinden, im Einsatzfalle entscheidend.
Der Zivilschutz ist im Aargau heute gut aufgestellt und leistet gute Arbeit. Es besteht somit kein
Handlungsbedarf. Jede Umorganisation verursacht aber Kosten und Arbeitszeit. Insbesondere in
Zeiten der Leistungsanalyse ist auf solche unnötigen Projekte zu verzichten.
0585 Interpellation der GLP-Fraktion (Sprecherin Barbara Portmann-Müller, Lenzburg) vom
16. September 2014 betreffend vergleichende Übersicht der Sparmassnahmen über die
Aufgabenbereiche; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der GLP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Mit Interpellation 14.121 haben die Grünliberalen diverse Fragen gestellt. Da der Regierungsrat sich
erlaubt hat, diese zusammengefasst und teilweise gar nicht zu beantworten, erlaubt sich die Interpellantin, diese nochmals zu stellen.
1. Welche Einheit wird mit dem Sparpaket wie stark (absolut sowie prozentual zu ihrem
Budgetanteil) betroffen (Stand nach Versand Botschaft)?
2. Welche Bedeutung kommt dabei dem Kostendeckungsgrad zu?
3. Werden kooperative Einheiten benachteiligt, weil sie allenfalls vorab viele konstruktive Sparideen
eingebracht hatten?
0586 Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Marie-Louise Nussbaumer, Obersiggenthal)
vom 16. September 2014 betreffend personelle Belastung und personelle Entwicklung im
kantonalen Steueramt; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der SP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Mit Massnahme 425-14 der Leistungsanalyse hat der Regierungsrat beschlossen, 8 zusätzlich Revisoren für die Veranlagung der juristischen Personen anzustellen. Der Regierungsrat begründet dies
mit der Zunahme der Zahl der juristischen Personen in den letzten Jahren und schreibt selbst, dass
vor allem die zunehmende Anzahl GmbH's "kaum mehr mit gebührender Sorgfalt bearbeitet werden"
kann. Anscheinend ist sogar dem Regierungsrat klar, dass durch diese Unterbesetzung im kantona-
16. September 2014
Art.-Nr. 0584-0586
1528
len Steueramt sowohl dem Kanton als auch den Gemeinden Ausfälle an Steuereinnahmen in Millionenhöhe entstehen.
In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob hier nicht nur die "Spitze des Eisbergs"
im kantonalen Steueramt kenntlich gemacht wird und nur das dringendste Problem teilweise gelöst
werden soll. Der Regierungsrat wird deshalb um eine Einschätzung der personellen Situation im
kantonalen Steueramt gebeten:
1. Wie schätzt der Regierungsrat die personelle Situation in Bezug auf die Arbeitslast pro
Sachbearbeiter/in im kantonalen Steueramt im interkantonalen Vergleich ein?
2. Stimmt es, dass die Zahl der Dossiers in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gestiegen ist und
dass die Zahl der Sachbearbeitenden diesem Anstieg bei Weitem nie angepasst wurde?
3. Lässt sich daraus schliessen, dass für die sorgfältige Erledigung der Arbeit heute kaum
genügend Zeit zur Verfügung steht, und gibt es Anzeichen dafür, dass die Qualität der Arbeit
darunter gelitten hat?
4. Gibt es Anzeichen dafür, dass wegen der Personaldotation sowohl Kanton als auch Gemeinden
grössere Steuereinbussen, die ihnen rechtlich zustehen würden, erleiden?
5. Wie sieht im heutigen Zeitpunkt der Veranlagungsstand insgesamt aus, wie in den Bereichen
Nachsteuern und Bussen, Erbschafts- und Schenkungssteuern, Quellensteuern usw.?
6. Ist in den letzten Jahren eine Anpassung in den Standards (Zahl der maximal möglichen
Pendenzen sowie Fristen) in den Veranlagungs- und Vollzugsbereichen erfolgt? Wenn ja: Wie
wird dies begründet und lässt sich dies rechtfertigen?
7. Davon ausgehend, dass die Belastung der Arbeitnehmenden in den letzten Jahren sehr stark
und ständig gestiegen ist: Ist sich der Regierungsrat der Auswirkungen solcher Belastungen (für
Arbeitnehmer und Arbeitgeber) bewusst und sind sie aus seiner Sicht noch vertretbar?
8. Ist die Zahl der Steuerpflichtigen pro Steuerkommissärin/-kommissär, wie sie im neuen AFP für
das Budgetjahr und die Planjahre ausgewiesen wird, aus Sicht der Regierung weiterhin
vertretbar oder wann soll sie angepasst werden?
9. Lässt sich daraus, dass die oben erwähnten neuen zusätzlichen Revisoren erst 2016 und 2017
neu angestellt werden sollen, schliessen, dass es schwierig ist, das gewünschte neue Personal
zu rekrutieren und dass der Aargau als Arbeitgeber nicht unbedingt "erste Adresse" ist?
10. Oder stimmt es, dass infolge finanziellen Drucks auch bewilligte Stellen (vorübergehend) nicht
besetzt werden, obwohl aus Sicht Arbeitsbelastung dies dringend notwendig wäre?
11. Und konkret: Wie attraktiv ist der Kanton bezüglich Lohn- und Anstellungsbedingungen in diesem
Umfeld, in dieser Branche? Wie schneidet er im Vergleich zur Privatwirtschaft und zu andern
öffentlichen Arbeitgebern innerhalb des Kantons und in der Deutschschweiz ab?
0587 Interpellation Marianne Binder-Keller, CVP, Baden, vom 16. September 2014 betreffend
angekündigte Schliessung der Zurich International School in Baden und Attraktivität des
Wirtschafts- und Lebensstandortes Aargau; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Marianne Binder-Keller, CVP, Baden, und 21 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird
folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die Zurich International School (ZIS) beabsichtigt, ihren Schulstandort in Baden im Sommer 2015
wegen der sinkenden Schülerzahlen einzustellen. Für den Wirtschaftskanton Aargau und seine
Standortförderung muss dieser Wegzug als grosser Verlust gewertet werden, leistete der Kanton
doch im Jahre 2008 eine vierjährige Defizitgarantie und eine Anschubfinanzierung von Fr. 130'000.–.
Ich stelle dem Regierungsrat deshalb folgende Fragen:
1. Welche Massnahmen nimmt der Regierungsrat vor und hat er vorgenommen, um den Wegzug
der ZIS in Baden zu verhindern?
16. September 2014
Art.-Nr. 0587
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2. Sieht der Regierungsrat Möglichkeiten, mit einem weiteren finanziellen Beitrag die Schule in
Baden zu erhalten, um (gerade auch in unsicheren Zeiten nach dem Kauf von Alstom durch
General Electric) den Standort für die Ansiedelung und den Verbleib von internationalen Firmen
attraktiv zu halten?
3. Sieht sich der Regierungsrat in der Verantwortung, für die Kinder und Eltern der ZIS Kontinuität
zu schaffen, und den Schulstandort Baden weiterhin zu unterstützen? (geschah doch der Aufbau
der Schule auf seine Initiative hin)
4. Teilt der Regierungsrat die Meinung, dass für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Aargau
eine internationale Schule wichtig ist?
5. Gemäss Botschaft des Regierungsrates zum AFP besetzt der Kanton Aargau bezüglich Wettbewerbsfähigkeit im interkantonalen Vergleich den vierten Platz (UBS kantonaler
Wettbewerbsindikator 2014). Trotzdem verzeichnet die ZIS im Aargau sinkende Schülerzahlen,
während die Zürcher Schulstandorte keine Probleme haben. Haben wir doch ein
Standortproblem?
0588 Interpellation Kathrin Fricker, Grüne, Baden (Sprecherin), und Elisabeth Burgener, SP,
Gipf-Oberfrick, vom 16. September 2014 betreffend Stand der alternativen schulischen
Angebote für Minderjährige und Jugendliche mit Status N (im laufenden Asylverfahren) nach
Abbruch des Integrationsprogramms an der Kantonalen Schule für Berufsbildung;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Kathrin Fricker, Grüne, Baden, Elisabeth Burgener, SP, Gipf-Oberfrick, und 33
mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Vor über einem Jahr wurde die Zulassung von Asylsuchenden mit N-Status zum Integrationsprogramm der kantonalen Schule für Berufsbildung gestoppt. Der Grund war die fehlende rechtliche
Grundlage zur Organisation der Finanzierung der Ausbildungskosten, welchen wir durchaus anerkennen, obwohl es mit Sicherheit noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, als den Asylsuchenden
diese Bildungs- und Integrationsmöglichkeit grundsätzlich zu nehmen.
Ein Argument der regierungsrätlichen Antwort war, dass das Angebot zu rege genutzt wurde und
deshalb finanziell nicht mehr tragbar war. Es ist jedoch auch ein Indikator für ein den Bedürfnissen
dieser jungen Menschen sehr gut angepasstes und deshalb gut funktionierendes Integrationsprogramm. Asylsuchende, welche bis vor einem Jahr an der KSB zur Schule gingen, verfügen über
entsprechende kognitive Fähigkeiten und können und wollen lernen. Jugendliche Asylsuchende
ohne Schulabschluss und Arbeitserfahrung haben geringe Integrationschancen auf dem
Arbeitsmarkt. Fakt ist, dass laufende Asylverfahren nach wie vor einige Jahre dauern, gerade bei
Asylsuchenden, welche einen Aufenthaltsstatus erhalten werden. Es sind heute nach wie vor
hauptsächlich Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten wie Eritrea, Somalia, Afghanistan und neu
ebenfalls aus Syrien, die in die Schweiz flüchten. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit als
Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen und somit ihr Leben in der Schweiz verbringen.
Umso wichtiger ist es, ihnen von Anfang an den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Der Ausschluss
von der KSB, der im letzten Frühling vollzogen wurde, ist weder ethisch-humanistisch unbedenklich
vertretbar noch eine umsichtige Strategie in Bezug auf die Staatsfinanzen und unsere Sicherheit.
Tatsächlich haben mitt-lerweile mehrere KSB-Absolventen den Lehrabschluss geschafft und eine
Anstellung im Lehrbetrieb begonnen. Anstatt dass wir das vorhandene Potenzial der jungen
Menschen für unsere Gesellschaft nutzen, generieren wir Sozialfälle und Menschen ohne
Perspektiven, welche nichts zu verlieren haben.
In Anbetracht dieser Fakten fragten die Fraktionen der SP, der Grünen, der GLP und der EVP in
ihrer Interpellation vom 4. Juni 2013 nach möglichen Alternativen. In seiner Antwort versprach der
Regierungsrat die berechtigten Anliegen zu prüfen. Leider sind bis dato keine Resultate bekannt.
16. September 2014
Art.-Nr. 0588
1530
Deshalb bitten wir den Regierungsrat diesbezüglich folgende Fragen zu beantworten:
1. Was hat die Prüfung, ob mit erweiterten Leistungsverträgen mit entsprechenden Institutionen
zusätzliche Kurse für Deutsch und Alphabetisierung angeboten werden können, ergeben?
2. Welche Institutionen wurden konkret angefragt?
3. Konnte die Warteliste für Personen mit Status N beim Kantonalen Sozialdienst abgebaut
werden? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, weshalb?
4. Wo stehen die Abklärungen für ein zielgruppengerechte Projekt für ein zeitlich befristetes
Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene mit Status N nach einem Jahr?
5. Welches sind die mit der Ausarbeitung des Projekts beauftragten Fachstellen und inwieweit
wurden andere Institutionen und Fachpersonen miteinbezogen?
0589 Interpellation Franz Nebel, FDP, Bad Zurzach, vom 16. September 2014 betreffend
Unterstützung von Angehörigen bei der Pflege und Betreuung von Alzheimer-Patienten im
Eigenheim; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Franz Nebel, FDP, Bad Zurzach, und 16 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die Menschen werden älter und die Anzahl der Alzheimer-Patienten in unserer Gesellschaft steigt
entsprechend an. Der Kanton Aargau hat im Rahmen der Pflegeheimkonzeption für den stationären
Aufenthalt von Alzheimer-Patienten in Pflegeheimen Richtlinien erlassen. Der heutige Mangel an
entsprechenden Pflegeplätzen soll behoben werden. Für Bewohner von Pflegeheimen mit
Alzheimer-Patienten wird neu auch eine zusätzliche Entschädigung bezahlt.
In der gesundheitspolitischen Gesamtplanung wird angestrebt, dass erkrankte Menschen so lange
wie möglich zu Hause gepflegt werden können, sicher eine sinnvolle Grundlage. In diesem Zusammenhang ist auch die medizinische Betreuung durch die Spitex geregelt. Nun stelle ich fest, dass bei
Alzheimer-Patienten zu Hause die wesentlichste Voraussetzung die Betreuung durch die
Angehörigen ist. Diesbezüglich sieht die geltende gesundheitspolitische Gesamtplanung noch keine
Unterstützung vor. Ich stelle aufgrund von Alzheimerfällen in meiner Bekanntschaft fest, dass der
Unterstützung – Beratung und Betreuung/Begleitung der Angehörigen – durch den Kanton und die
Gemeinden bisher nicht die entsprechende Beachtung geschenkt wird. Eine solche Dienstleistung
erbringt heute nur die Alzheimer-Vereinigung mit Sitz in Brugg, die von betreuenden Angehörigen
entsprechend sehr geschätzt wird.
Meiner Beurteilung nach ist die Betreuung/Begleitung und Beratung von Angehörigen der AlzheimerPatienten zu Hause eine immer wichtigere Dienstleistung, kommen doch die Angehörigen oft in die
Situation, dass sie in verschiedener Beziehung überfordert sind, an ihre Grenzen kommen und dabei
verzweifeln. Die Alzheimer-Vereinigung, welche gegenüber Angehörigen entsprechende Dienstleistungen erbringt, ist stark in Anspruch genommen und gerät mittelfristig auch in finanzielle Probleme.
Die diesbezügliche finanzielle Unterstützung durch den Kanton entspricht vor allem mittel- und langfristig beurteilt nicht dem Soll.
Ich bitte den Regierungsrat deshalb, folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie beurteilt der Regierungsrat die heutige Situation und meine Beurteilung bezüglich Betreuung/Begleitung und Beratung bzw. der diesbezüglichen Unterstützung der Angehörigen bei der
Betreuung von Alzheimer-Patienten im Eigenheim?
2. Die gesundheitspolitische Gesamtplanung ist heute in Revision. Ist der Regierungsrat willens,
eine entsprechende Regelung bezüglich der Unterstützung der Angehörigen von AlzheimerPatienten in die neue Fassung der gesundheitspolitischen Gesamtplanung aufzunehmen und
16. September 2014
Art.-Nr. 0589
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entsprechende Regelungen vorzusehen? Für mich ist diese Komponente genauso wichtig wie
die Regelungen bezüglich Spitex und Pflegeheimen bei Alzheimerfällen.
3. Ist der Regierungsrat bereit, eine weitergehende finanzielle Unterstützung der AlzheimerVereinigung, und allenfalls anderer entsprechender Dienstleistungsstellen, vorzusehen? Ich bin
überzeugt, dass damit die zukünftigen Kosten für die stationäre Pflege von Alzheimer-Patienten
auf tieferem Niveau gehalten werden können.
0590 Interpellation Maja Riniker, FDP, Suhr, vom 16. September 2014 betreffend
Ostumfahrung Suhr – Planungsfortschritt; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Maja Riniker, FDP, Suhr, und 29 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Der Regierungsrat sagt aus, dass sich die Ostumfahrung von Suhr in Planung befindet.
Ursprünglich hätte diese Planung anschliessend an die WSB-Verlegung (2010) gestartet werden
sollen. Nach rund vier Jahren sind keine weiteren Fakten zu Terminen erhältlich, obwohl diese Ostumfahrung schon 2003 im Richtplan festgesetzt wurde.
Staus in Suhr und der unmittelbaren Umgebung sind heute allgegenwärtig. Einem neu erstellten
Gewerbegebiet in Suhr (Spittel, unmittelbar neben dem Kreisel "Suhrer Wald" Richtung
Hunzenschwil) mit rund 280 neuen Arbeitsplätzen wurde eine Anbindung an den Öffentlichen
Verkehr in der Planungsphase in Aussicht gestellt. Das Gebiet ist fertig bebaut.
Aufgrund der aktuellen Verkehrssituation sah sich AAR Bus & Bahn leider dazu veranlasst, auf eine
Busanbindung zu verzichten. Die Fahrzeiten können nicht eingehalten werden. Der Stau, zu einem
grösseren Teil mit Fahrzeugen verursacht von und ins Wynental, verunmöglicht bedauerlicherweise
dem ganzen Gebiet eine Anbindung an den Öffentlichen Verkehr. Zudem ist der Druck unter den
Industrie-, Dienstleistungs- und Gewerbeunternehmen aus den Dörfern Suhr und Gränichen am
Steigen. Mit der Ostumfahrung wird vielen MlV-Pendlern aus dem Wynental der Arbeitsweg mit einer
schnellen Anbindung an die T5 die Fahrzeit verkürzt. Gemäss der Netzstrategie Aarau gilt die Ostumfahrung als fester Bestandteil.
Die Eliminierung des Engnisses Bären-Kreuz ist nach der Sanierung der Kantonsstrasse dringend
und hilft nicht nur Suhr, sondern dem ganzen Wynental, das als Entwicklungsachse entwickelt werden soll.
Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen:
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Wie ist der Stand der Planung der Ostumfahrung von Suhr?
Wann beginnt die Mitwirkung der Bevölkerung?
Wann wird die Planauflage erfolgen?
Wann kann mit der Realisierung gerechnet werden?
Welche weiteren Erkenntnisse zur Weiterentwicklung vom Projekt Ostumfahrung erwartet der
Regierungsrat von der im September 2014 durchgeführten videogestützten Nummernschilderhebung?
Gibt es allenfalls noch Vorbehalte, die durch das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU)
zu einer Abweichung von oben genannten Zeiträumen führen könnten?
0591 Interpellation Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, vom 16. September 2014 betreffend
Umsetzung "ambulant vor stationär" bei chirurgischen Eingriffen; Einreichung und
schriftliche Begründung
16. September 2014
Art.-Nr. 0589
1532
Von Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach, und 24 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Immer wieder werden wir aufgeschreckt durch Meldungen, dass operative Eingriffe, die eigentlich
ambulant durchgeführt werden könnten, unnötigerweise stationär behandelt werden. Die Entscheidung, ob etwas stationär oder ambulant durchgeführt werden soll, ist meistens abhängig von ärztlichem Ermessen, d. h. es gibt wenige Guidelines oder Richtwerte, die klar angeben, wann ein Eingriff
risikobehaftet ist und somit eher eine stationäre Behandlung erfordert, da der Patient / die Patientin
länger beobachtet werden muss.
Eine stationäre Behandlung ist selbstverständlich teurer als eine ambulante und der Kostenverteiler
ist unterschiedlich. Bei der stationären Behandlung beteiligt sich der Kanton mit 55 %, ambulant wird
alleine von der Krankenkasse finanziert. Je nach Versicherungsmodell werden Kostenanteile durch
die Zusatzversicherung übernommen (was besonders attraktiv für die stationäre Behandlung ist). Da
verschiedene Kostenträger an der Finanzierung beteiligt sind, ist es sehr schwierig, einen Überblick
zu erhalten.
Die Krankenversicherung Assura hat eine Liste von Eingriffen erstellt, bei denen sie nur mit
spezieller Begründung einen stationären Eingriff finanziert. Es sind dies:
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Arthroskopische Meniskusoperationen
ORL-Eingriffe (Septumplastik, Conchotomie, endonasale Polypektomie,
Naseneingangskorrektur, Nasenspitzenkorrektur, endoskopische Nasentoilette,
Nebennasenhöhlentoilette).
Einseitige Varizenoperationen
Gynäkologische Eingriffe (Hysteroskopie diagnostisch, Hysteroskopie mit Curettage u/o. Biopsie,
Hysterosalpingographie, Interruptio, laparoskopische Sterilisation, diagnostische Laparoskopie,
nicht chirurgische Endometriumdestruktion)
Hämorrhoiden
Hammerzehen
Epikondylitis (Tennisellbogen)
Carpaltunnelsyndrom
Polysomnographie
Im Bewusstsein, dass der Kanton nicht im Besitz aller relevanten Daten ist, bitte ich den Regierungsrat trotzdem höflich, folgende Fragen anzugehen:
1. Wie häufig wurden 2013 im Kanton Aargau Eingriffe, die oben aufgeführt sind, stationär durchgeführt? (Dabei ist es nicht nötig, eine Statistik sämtlicher oben erwähnter Eingriffe zu machen,
eine Auswahl genügt)
2. Kann festgestellt werden, wie oft pro Klinik stationäre Eingriffe im Verhältnis zu ambulanten
Eingriffen gemacht wurden? Gibt es auffällige Unterschiede zwischen den einzelnen Kliniken?
3. Ist bei den stationären Eingriffen ein Zusammenhang mit Alter oder möglichen Komplikationen
erkennbar? Und bedeutet stationär jeweils einen Aufenthalt von einer Nacht oder handelt es sich
um längere Aufenthalte?
4. Sieht der Regierungsrat eine Möglichkeit, dies zu beeinflussen, ohne die behandelnden Ärzte in
ihrer medizinischen Kompetenz zu stark zu beeinträchtigen?
5. Wie können die WZW Kriterien sowohl in der Grundversicherung als auch in der
Zusatzversicherung umgesetzt werden? Denn egal, welcher Kostenträger zahlt – am Schluss
sind es immer wir alle, als Steuer- oder Prämienzahler, die betroffen sind.
16. September 2014
Art.-Nr. 0590-0591
1533
0592 Interpellation Martin Steinacher-Eckert, CVP, Gansingen (Sprecher), Regula BachmannSteiner, CVP, Magden, und Werner Müller, CVP, Wittnau, vom 16. September 2014 betreffend
Prüfung eines neuen Mittelschulstandorts im Fricktal; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Martin Steinacher-Eckert, CVP, Gansingen, Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden, Werner
Müller, CVP, Wittnau, und 12 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation
eingereicht.
Text und Begründung:
2010 lag eine kantonale Mittelschulprognose 2010–2020 der Statistik Aargau vor, welche einen Zuwachs auf rund 4'200 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten aufwies. Der von der Mittelschulprognose
auf der Basis der Volksschulprognose vorausgesagte Zuwachs ist allerdings bereits überholt. Damals hiess es schon, es hat keine Raumreserven mehr. Diese sind mit dem Zuwachs der letzten
Jahre ausgeschöpft worden.
Die Ergebnisse der Schulraumstudie am Standort Aarau lieferten wichtige Informationen über die
Optimierung der Raumnutzung. Diese war für die kurzfristige Bewältigung der Zunahme des Schülerbestands unentbehrlich. Zudem wurden auch allfällige räumliche Engpässe an den Schulen sichtbar
gemacht. Des Weiteren eröffneten die Ergebnisse der Schulraumstudie Erkenntnisse für kurz- und
mittelfristige Raumbegehren zur Abfederung jährlicher Bedarfsschwankungen. Im Verlauf der Erarbeitung der Schulraumstudie der Standorte in Aarau und der KSB stellte sich heraus, dass es notwendig war, die Schulraumstudie auf die Mittelschulstandorte des ganzen Kantons auszuweiten und
in einer Gesamtschau der kantonalen Schulraumsituation an den Mittelschulen eine Strategie zur
Raumgewinnung zu entwickeln. Der Regierungsrat hatte deshalb den Auftrag erteilt, eine gesamtkantonale Schulraumstudie im Mittelschulbereich durchzuführen.
Beim Wachstum einer Schule ist zu berücksichtigen, dass sich naturgemäss nicht nur der grössere
Bedarf an Klassenzimmern ergibt, es muss gleichzeitig die ganze Infrastruktur der Schule angepasst
werden. Es steigt der Raumbedarf an Naturwissenschaftszimmern, Aufenthalts und Arbeitsräumen,
Turnhallen, Mensaplätzen etc.
In der Zwischenzeit wurden zusätzliche Räume gemietet, Provisorien aufgestellt oder ein
Kreditantrag für eine neue Turnhalle gestellt. Das Departement BKS erarbeitet das Projekt "Standortund Raumkonzept Sekundarstufe II". Dabei stellt sich auch die Frage, ob die Wirtschafts- und die
Infor-matikmittelschule Teil der Mittelschule bleiben und nicht den Berufsschulen angegliedert
werden sollen. Lehrpersonen dieser Schulen setzen sich aber ein für den Verbleib an den
Mittelschulen. Das Platzproblem an den Mittelschulen sei anders, nämlich mit einem neuen Standort
zu lösen.
In diesem Zusammenhang bitten wir den Regierungsrat mit diesem Vorstoss um die Beantwortung
der folgenden Fragen:
1. Wäre das Platzproblem an den Mittelschulen nicht zukunftsgerichtet mit einem neuen Schulstandort zu lösen?
2. Ist der Zugang zum Gymnasium Muttenz auch zukünftig genauso einfach und zu denselben
Kosten gesichert?
3. Welche Optionen bestehen, falls der Kanton Basel-Landschaft künftig Vollkosten-Tarife erheben
würde?
Wie der Kanton Aargau steht auch der Kanton Basel-Landschaft vor Sparmassnahmen. Wäre es vor
diesem Hintergrund und den Platzproblemen im Aargau nicht sinnvoll, einen neuen Schulstandort für
eine Mittelschule im Fricktal zu prüfen?
16. September 2014
Art.-Nr. 0592
1534
0593 Interpellation Martin-Steinacher-Eckert, CVP, Gansingen, vom 16. September 2014
betreffend erhöhter Führerausweisentzug bei Junglenkern; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Martin-Steinacher-Eckert, CVP, Gansingen, und 15 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird
folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Seit 2005 erhalten Neulenker eines Autos oder Motorrads den Fahrausweis zunächst für drei Jahre
auf Probe. Bei einer Verkehrsregelverletzung, die zum Ausweisentzug führt, verlängert sich die Probezeit um ein Jahr. Nach einer zweiten Verfehlung wird der Führerschein annulliert: Die betroffene
Person muss nochmals von vorne anfangen, nach einem Jahr Wartefrist und einem verkehrspsychologischen Gutachten. Bei Verkehrsregelverletzungen gibt es meistens eine Busse und eventuell auch
administrative Massnahmen. Unter Administrativmassnahmen versteht man alle Anordnungen der
Behörde, um verkehrsgefährdende Fahrzeugführer/-innen zu bessern und fahruntaugliche Fahrzeugführer/-innen vom Verkehr fernzuhalten (bzw. deren Führertauglichkeit zu überprüfen). Ziel ist stets,
die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Nun ist es aber auffällig, wie viele Ausweisentzüge
vorgenommen werden schon bei Bagatellunfällen. Da die Einstufung nach unten beschränkt ist, d. h.
auch bei mittelschweren Verletzungen der Verkehrsregeln die Untergrenze für einen
Fahrausweisentzug 1 Monat ist, ist dies schon faktisch gesetzt. Dabei muss zuerst der Polizist den
Rapport aufnehmen, die Staatsanwaltschaft über die Bussenhöhe entscheiden und die Verwaltung
über administrative Massnahmen. Neben der Busse und allfälligem Schadenskosten kommen hohe
Verwaltungskosten auf die Junglenker, welche sich als Verkehrsverbrecher vorkommen müssen. Im
Vergleich zu "älteren" Verkehrssündern mit mittelschweren Verkehrsregelverletzungen oder gar
Rasern ist dies unver-ständlich.
In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat mit diesem Vorstoss um die Beantwortung
der folgenden Fragen:
1. Wie hoch ist die Anzahl Ausweisentzüge von Junglenkern im Kanton Aargau pro Jahr und wie ist
der Vergleich zu anderen Kantonen?
2. Wie beurteilt die Regierung den Aufwand für die mehrfache Beschäftigung von
Verwaltungsebenen zum Nutzen solcher Massnahmen und Bussen?
3. Kann sich der Regierungsrat vorstellen die Handhabung zu vereinfachen, d. h. dass nur eine
Instanz über Bussen und administrative Massnahmen entscheidet?
4. Kann die Regierung eine Aussage machen, wie zahlenmässig Unfälle von Junglenkern zurückgegangen sind seit der Einführung der erhöhten Ausbildung und des Führerausweises auf
Probe inklusive den strengeren Bussen und Administrativmassnahmen?
5. Ist es allenfalls sinnvoll die harte Ausweisentzugspraxis bei Junglenker etwas zu lockern, damit
vor allem gefährliche Lenker und Wiederholungstäter bestrafft werden?
0594 Philip Conradin, Oberrohrdorf; Ersatzrichter am Verwaltungsgericht; Inpflichtnahme
Philip Conradin, Oberrohrdorf, wurde durch den Grossen Rat an der Sitzung vom 26. August 2014
als Ersatzrichter am Verwaltungsgericht gewählt.
Als Ersatzrichter am Verwaltungsgericht wird in Pflicht genommen:
- Philip Conradin, Oberrohrdorf
16. September 2014
Art.-Nr. 0593-0594
1535
0595 Kommissionswahlen in ständige Kommissionen VWA, KAPF, GSW, UBV, JUS, GPK,
EBK (Ersatzwahlen); Kenntnisnahme
Gemäss schriftlicher Mitteilung hat das Büro mit Korrespondenzbeschluss vom 28. August 2014
gestützt auf die §§ 12 und 13 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) die folgenden Wahlen in eigener Kompetenz vorgenommen:
Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA)
-
Werner Müller, Wittnau, als Mitglied (anstelle von Max Läng, Obersiggenthal)
Silvan Hilfiker, Oberlunkhofen, als Mitglied (anstelle von Dr. Daniel Heller, Erlinsbach)
Dr. Bernhard Scholl, Möhlin, als Stellvertreter (anstelle von Silvan Hilfiker, Oberlunkhofen)
Kommission für Aufgabenplanung und Finanzen (KAPF)
-
Marco Beng, Berikon, als Mitglied (anstelle von Alexandra Abbt, Islisberg)
Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW)
-
Dr. Ulrich Bürgi, Aarau, als Stellvertreter (anstelle von Dr. Daniel Heller, Erlinsbach)
Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung (UBV)
-
Marco Beng, Berikon, als Stellvertreter (anstelle von Max Läng, Obersiggenthal)
Kommission für Justiz (JUS)
-
Werner Müller, Wittnau, als Stellvertreter (anstelle von Alexandra Abbt, Islisberg)
Geschäftsprüfungskommission (GPK)
-
Edith Saner, Birmenstorf, als Stellvertreterin (anstelle von Alexandra Abbt, Islisberg)
Einbürgerungskommission (EBK)
-
Edith Saner, Birmenstorf, als Stellvertreterin (anstelle von Alexandra Abbt, Islisberg)
Keine Wortmeldungen.
Kenntnisnahme
0596 Einbürgerungen 2014; 3. Serie; Kenntnisnahme
Gemäss schriftlicher Mitteilung hat die Einbürgerungskommission (EBK) an ihrer Sitzung vom
28. August 2014 gestützt auf § 27 Abs. 1 des Gesetzes über das Kantons- und
Gemeindebürgerrecht (KBüG) die Einbürgerung von 253 ausländischen Staatsangehörigen, die
Ablehnung des Gesuchs von 1 ausländischem Staatsangehörigen und die Sistierung der Gesuche
von 2 ausländischen Staatsangehörigen beschlossen.
Keine Wortmeldungen.
Kenntnisnahme
16. September 2014
Art.-Nr. 0595-0596
1536
0597 Reorganisation der Grundbuchführung; Festlegung der Zahl der Grundbuchämter;
Beschlussfassung
Beratung der Vorlage-Nr. 14.140-1 des Regierungsrats vom 25. Juni 2014 samt abweichendem
Antrag der Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) vom 18. August 2014. Der
Regierungsrat stimmt diesem Änderungsantrag nicht zu.
Dieter Egli, SP, Windisch, Präsident der Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA): Die
Grundbuchführung im Kanton Aargau ist dezentral organisiert. Aktuell gibt es im Kanton 10
Grundbuchämter: Jeder Bezirk verfügt über einen eigenen Standort – mit Ausnahme der Bezirke
Bremgarten und Muri, deren gemeinsames Grundbuchamt sich in Wohlen befindet.
Mit dem Projekt GRUNAG (informatisiertes Grundbuch Kanton Aargau) findet derzeit eine
Informatisierung des Grundbuchs statt. Diese bewirkt eine effizientere Datenverwaltung, eine
einfachere Dateneinsicht und einen schnelleren Datenbezug. Das führt gemäss Regierungsrat zu
massgebenden Synergieeffekten und wesentlichen Erleichterungen bei der Aufgabenerledigung.
Damit ist zumindest mittelfristig auch eine deutliche Personalreduktion verbunden. Diese verschärft
die schon bestehenden Probleme aufgrund der kleinen Amtsstellen, wie zum Beispiel die
Stellvertretungen oder fehlende Entwicklungsperspektiven. So drängt sich eine Reorganisation der
Grundbuchführung als Ganzes auf.
Für die Reorganisation prüfte der Regierungsrat verschiedene Varianten. Dazu gehörte eine Option
mit 6 bis 8 Ämtern, eine Option mit 3 bis 5 Ämtern, eine Option mit nur einem Amt, allenfalls mit
regionalen Aussenstellen. Erwägt wurde auch die Integration der Grundbuchämter in die
Bezirksgerichte. Bei der weiteren Prüfung stellte der Regierungsrat fest, dass eine Organisation mit
mehr als 5 Ämtern faktisch zu nahe am Status Quo liegen würde. Aus der Integration in die
Bezirksgerichte erwarte man keine Synergieeffekte. Eine völlige Zentralisierung mit einem Amt
erscheine zwar vordergründig als effizient, die Nachteile – zusätzliche Hierarchien,
Koordinationsaufwand, eine weite Anreise für Kunden und Mitarbeitende – überwiegten aber die
Vorteile. Aufgrund der Erfahrungen in anderen Kantonen seien zudem keine positiven Skaleneffekte
zu erwarten.
Nach diesen Erwägungen unterzog der Regierungsrat noch zwei Modelle einer vertieften
Überprüfung bezüglich Raumsituation und -bedarf sowie einmaliger Investitionen und
wiederkehrender Kosten: Es sind dies das Modell 3 mit den Standorten Baden, Wohlen und Zofingen
sowie das Modell 4 mit dem zusätzlichen Standort Laufenburg. Alle anderen Grundbuchämter in den
Bezirken sollen aufgehoben werden.
Im Umsetzungsvorschlag wird festgestellt, dass beide Modelle 3 und 4 aus betrieblicher Sicht
möglich und aus organisatorischer Sicht gleichwertig sind. Das Modell 4 erzeugt höhere jährliche
Kosten von rund 35'000 Franken, die einmaligen Kosten sind darin eingerechnet. Trotzdem
bevorzugt der Regierungsrat das Modell 4 mit den Standorten Baden, Wohlen, Laufenburg und
Zofingen; dies aus regionalpolitischer Sicht und aufgrund der bezüglich vorgesehener
Bezirksaufteilung homogeneren Räume. Entsprechend stellt der Regierungsrat den Antrag, die
Anzahl der Grundbuchämter auf 4 festzulegen.
Die Kompetenz des Grossen Rats zur Festlegung der Anzahl Grundbuchämter ist in § 38 des
Organisationsgesetzes (Gesetz über die Organisation des Regierungsrats und der kantonalen
Verwaltung) festgeschrieben. Grundsätzlich liegt die Ausgestaltung der Grundbuchführung in der
operativen Verantwortung des Regierungsrats. Es gilt also zu betonen, dass wir als Parlament heute
nicht über die Fixierung der Standorte entscheiden müssen, die letztlich der Regierungsrat definiert,
sondern ausschliesslich über die Festlegung der Anzahl Grundbuchämter. Damit aber der
Regierungsrat die Reorganisation mit Ziel 2016 weiter vorantreiben und insbesondere einen
Verpflichtungskredit für die weitere Umsetzung ausarbeiten kann, ist ein Entscheid in dieser frühen
Phase notwendig.
Die Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben diskutierte das Geschäft an ihrer Sitzung vom 18.
August 2014. Red und Antwort stand neben dem Departementsvorsteher, Regierungsrat Dr. Urs
Hofmann, auch der Leiter der Abteilung Register und Personenstand, Andreas Bamert-Rizzo.
16. September 2014
Art.-Nr. 0597
1537
Eintreten auf das Geschäft war unbestritten. Die Kommission begrüsste grundsätzlich die Reduktion
der Grundbuchämter im Kanton und konnte die entsprechende Begründung des Regierungsrats
nachvollziehen.
Allerdings wurde in der Kommission Bedauern darüber geäussert, dass der Regierungsrat die
konsequente Zentralisierung mit einem Standort nicht weiter verfolgt hat. Diese wäre aufgrund von
Effizienzüberlegungen die logische Entscheidung. Der Departementsvorsteher verwies dagegen vor
allem auf die Erfahrungen im Kanton Bern, wo das Amt in Ostermundigen mit 30 Vollzeitstellen für
diese Art der Arbeit als zu gross empfunden werde. Die Gefahr von ineffizienten Abläufen sei bei
einem grossen Amt real. Der in der Kommission gemachte Vergleich mit dem Handelsregisteramt
oder auch mit anderen zentralen Dienststellen, wie dem Strassenverkehrs- oder dem Migrationsamt
sei nicht zulässig, weil diese Ämter eine Vielzahl von verschiedenen Aufgaben zu erfüllen hätten.
In der Kommission bekundeten zudem mehrere Fraktionen Sympathien für das Modell mit nur 3
Standorten; dies vor allem aufgrund der geringeren Kosten. Wenn man sich schon für eine
Reduktion der Standorte entscheide, sei diese konsequent aufgrund von Effizienzüberlegungen
umzusetzen. Regionalpolitische Überlegungen und auch die Abwägung der unterschiedlichen
Bezirkszuteilungen sollten dabei keine Rolle spielen. Angesichts der Entwicklung werde der Aspekt
der Erreichbarkeit weniger wichtig. Als Grund für weniger Ämter wurde auch die vermehrte
Schwierigkeit angeführt, geeignete Bewerberinnen und Bewerber als Grundbuchverwalterin oder
Grundbuchverwalter zu finden. Der Departementsvorsteher betonte noch einmal, dass der
Kostenunterschied der beiden Modelle sehr gering sei und einen regionalpolitischen Entscheid
rechtfertige. Der Entscheid für Laufenburg sei vom Regierungsrat bewusst gefällt worden. Dies sei
eine arbeitsplatzpolitisch valable und korrekte Lösung. Regierungsrat Hofmann verwies auch auf die
im Modell 3 eher willkürlich vorzunehmende Bezirksaufteilung. So sei es nicht optimal, wenn das
ganze Fricktal von Baden und der Bezirk Brugg von Zofingen aus verwaltet würden.
In der Detailberatung wurde unter anderem auf die vorhandene Unsicherheit bezüglich
Räumlichkeiten in Laufenburg verwiesen. Es stehen zwei mögliche Liegenschaften, "Roter Löwe"
und "Schützenmatt", zur Verfügung. Andreas Bamert führte aus, dass aufgrund der Unsicherheit zum
weiteren
Verbleib
der
Kinderund
Erwachsenenschutzbehörde
die
finanziellen
Vergleichsberechnungen auf Basis der Liegenschaft "Schützenmatt" vorgenommen wurden. Diese
ist verglichen mit der Liegenschaft "Roter Löwe" bei den Mieten günstiger, aber bei den Umbauten
teuer.
Es wurde zudem die Frage gestellt, ob aufgrund des Projekts GRUNAG und der Reorganisation der
Grundbuchführung auch tiefere Gebühren zu erwarten seien. Der Departementsvorsteher verwies
dazu auf die hängige Motion (10.62) zum Kostendeckungsprinzip bei grundbuchlichen Vorgängen.
Der Grosse Rat erhalte mit der entsprechenden Vorlage, über die er mittlerweile verfügt, die
Möglichkeit, den Steueranteil bei den Grundbuchabgaben wegfallen zu lassen. Bei der Berechnung
des dann noch übrigbleibenden Gebührenanteils seien die erwarteten Effizienzgewinne durch die
Reorganisation eingerechnet.
Ich habe es bereits angetönt: Aus der Kommission wurden ein Gegenantrag auf 3 Standorte sowie
ein Gegenantrag auf einen Standort gestellt.
In einer ersten Abstimmung wurden die beiden Gegenanträge der Kommission einander
gegenübergestellt. Der Antrag auf 3 Standorte obsiegte gegenüber dem Antrag auf einen Standort
mit 8 gegen 5 Stimmen.
In der Schlussabstimmung obsiegte der Gegenantrag aus der Kommission auf 3 Standorte
gegenüber dem regierungsrätlichen Antrag auf 4 Standorte mit 8 gegen 4 Stimmen, bei 1 Enthaltung.
Eintreten
16. September 2014
Art.-Nr. 0597
1538
Jean-Pierre Gallati, SVP, Wohlen: Im Namen der SVP-Fraktion stelle ich Ihnen den folgenden Antrag
auf Rückweisung beziehungsweise Auftrag an den Regierungsrat, das Geschäft mit folgendem
Auftrag neu vorzubereiten: "Es seien die finanziellen Auswirkungen der 1er-Variante mit 1 Standort
zu
prüfen. Es seien diese Auswirkungen auf eine Zeitdauer von 30 Jahren hin zu prüfen, und es seien
kantonale Nachnutzungen für die wegfallenden bisherigen Standorte zu prüfen."
Ich begründe Ihnen dies kurz wie folgt: Wenn wir ehrlich sind, wissen wir es alle: Müssten wir diese
Organisation auf der grünen Wiese neu aufstellen, würden wir nur einen Standort wählen und
bestimmen. Wir wissen auch, dass es in Zukunft – sei es in 10, 15 oder 20 Jahren – nur noch einen
Standort geben wird. Dieser könnte sogar in Mumbai oder in London sein. Ein Bedürfnis, dass man
das Grundbuchamt physisch aufsucht, besteht höchstens noch für Urkundspersonen, aber nicht
mehr für die Bevölkerung, nicht für die Grundeigentümer. Ein Standort; der könnte übrigens – an
unsere Freunde aus dem Fricktal – auch in Laufenburg liegen, der muss nicht zwingend in Aarau
sein. Auch die heutige 4er- oder 3er-Lösung sieht den Standort Aarau nicht mehr vor. In Laufenburg
hätte es zudem genug freistehende Büroräumlichkeiten.
Zu einem Argument, das der Kommissionspräsident vorher thematisiert hat: Er hat das Beispiel
Ostermundigen erwähnt und gesagt, dass ein Grundbuchamt mit mehr als 30 Mitarbeitern nicht mehr
effizient sei. Da muss ich Ihnen sagen, da könnten Sie beinahe alle Departementsstäbe und die
Staatskanzlei abschaffen oder aufteilen. Dutzende von Abteilungen in der Kantonsverwaltung haben
mehr als 30 Mitarbeiter und ich würde ja niemals sagen, sie seien ineffizient.
Ich bitte Sie, diesen Rückweisungsantrag zu unterstützen, damit wir eine korrekte Ausgangslage
haben und nicht nur die Varianten 6, 4 und 3, sondern eben auch die Variante 1 in unseren
Überlegungen einbeziehen können. Einen Zeitdruck, dies nicht zu tun, erkenne ich nicht.
Viviane Hösli, SP, Zofingen: Nach der Informatisierung der Grundbuchdaten ist die Reorganisation
der Grundbuchämter konsequent und richtig. Als Kommissionsmitglied der Kommission für
Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) hatte ich persönlich im letzten Jahr die Gelegenheit, ein
Grundbuchamt zu besichtigen, um die Arbeit vor und nach GRUNAG zu vergleichen.
Die SP-Fraktion ist überzeugt, dass die vom Regierungsrat ausgewählten Modelle zur vertieften
Prüfung die richtige Wahl war. Die Reduktion der Grundbuchämter wird von keiner Seite bezweifelt
und es ist davon auszugehen, dass durch den heutigen Entscheid mindestens sechs Regionen im
Kanton Aargau ihre Grundbuchämter verlieren werden. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob es sechs
oder sieben oder, wenn der Rückweisungsantrag der SVP durchkommt, sogar neun Regionen sind,
die ihr Grundbuchamt verlieren. Hauptsächlich stehen aber die Modelle 3 oder 4 im Vordergrund. Wir
sind es uns mittlerweile gewohnt, dass in diesem Parlament insbesondere die Kosten
ausschlaggebend sind. Auf den ersten Blick sind die Kosten von Modell 3 und 4 nahezu identisch.
Wenn wir genauer hinblicken, sehen wir aber, dass es eine Kostendifferenz von knapp 41'000
Franken sind, wenn die Löhne dazugerechnet werden. Für die einen ist diese Differenz zu klein, um
sie berücksichtigen zu müssen, für die anderen werden Erinnerungen an die 1. Beratung der
Leistungsanalyse wach: Sparmassnahme 533-01 Aufhebung der Pilzkontrolle; diese hatte mit 15'000
Franken ein ungleich kleineres Sparpotenzial und dennoch wurde sie vom Grossen Rat mit 85 gegen
47 Stimmen als notwendig erachtet.
Zu Stellenstreichungen bei den Grundbuchämtern wird es so oder so kommen. Die Grundbuchämter
haben heute bereits Mühe, genügend Personal zu finden. Dies unter anderem auch wegen der
anstehenden Restrukturierung und der Unsicherheit bezüglich des künftigen Arbeitsplatzes. Dies
kann mit der anstehenden Restrukturierung umgangen werden und spricht auch gegen den
Rückweisungsantrag der SVP, der diesen Entscheid aufschieben will.
Weiter findet sich genügend Führungspersonal für 3 oder 4 Grundbuchämter, da dieses aus den
bisherigen Leitern der Grundbuchämter rekrutiert werden kann. Die längerfristige Rekrutierung von
Grundbuchverwaltern könnte sich aber schwieriger gestalten, da das Grundbuchamt von Notarinnen
und Notaren immer weniger als attraktiver Arbeitsort erachtet wird. Wohin der Arbeitsweg dabei führt,
spielt wohl eher eine untergeordnete Rolle. Die Reduktion auf 3 oder 4 Grundbuchämter ist also
16. September 2014
Art.-Nr. 0597
1539
nebst finanziellen Gründen vor allem ein regionalpolitischer Entscheid. Wobei hier klar festgehalten
werden muss, dass der Regierungsrat die Standorte festlegt und nicht der Grosse Rat.
Der Regierungsrat hat aber in der Botschaft klar aufgezeigt, welche Standorte beim Modell 3 und
welche beim Modell 4 berücksichtigt würden. Es darf davon ausgegangen werden, dass es dabei
bleiben wird.
Regionalpolitik ist der SP wichtig. Dieses Argument wird von uns stärker gewichtet als die
finanziellen Aspekte dieses Geschäfts. Die Fraktion der SP wird mit grosser Mehrheit diese
regionalpolitischen Gründe berücksichtigen und für das Modell 4 stimmen. Es finden sich aber auch
vereinzelte Befürworter des Modells 3.
Klar ablehnen werden wir allfällige Anträge auf ein Modell 1 mit einem Standort.
Gertrud Häseli, Grüne, Wittnau: Schottland will sich von England trennen, die Katalanen von
Spanien. Gründe für diese Gelüste sind eine verfehlte Regionalpolitik.
Das Grundbuchamt ist ein kleiner Fisch. Zwei Personenkontakte in der Woche wird mir von
Laufenburg mitgeteilt. Und trotzdem wollen wir nicht alles an einem Ort. Regionalpolitik ist auch
Verkehrspolitik und Raumpolitik. Wir haben hier eine Möglichkeit, kantonale Dienstleistungen auf die
Regionen zu verteilen, das heisst Arbeitsplätze und Wertschätzung. Es muss nicht alles auf dem
Sparaltar geopfert werden. Darum stimmen wir für 4 Standorte der Grundbuchämter.
Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen: Die Digitalisierung der meisten Grundbuchakten – mit Ausnahme
der Belege – hat den Publikumsverkehr mit den Grundbuchämtern drastisch verändert. Es ist nicht
mehr notwendig, dass wir in jedem Bezirk wegen des Publikums ein Grundbuchamt haben. Diese
Notwendigkeit hat auch unsere Fraktion eingesehen.
Nun kommt die alles entscheidende Frage: 3 oder 4? Die Variante 3 – wir haben es gehört – ist
finanziell ein bisschen günstiger und die Variante mit 4 Grundbuchämtern ist regionalpolitisch
sympathischer.
Unsere Fraktion hat sich mehrheitlich – allerdings bei einer beachtlichen Minderheit – für die
regionalpolitische Variante entschieden und stimmt eben mehrheitlich – nicht geschlossen – für die
Variante mit 4 Grundbuchämtern. Es mag einen Einfluss gehabt haben, dass unser Vizepräsident
der Partei aus dem Bezirk Laufenburg stammt.
Regula Bachmann-Steiner, CVP, Magden: Die CVP begrüsst die Neuorganisation der
Grundbuchführung. Sie spricht sich einstimmig für das vom Regierungsrat vorgeschlagene Modell
mit 4 Grundbuchämtern aus, weil sie überzeugt ist, dass diese Lösung effizient ist und auf
regionalpolitische Bedürfnisse Rücksicht nimmt.
Noch einige Argumente: Sie haben feststellen können, dass die Unterschiede zwischen den
Modellen mit 3 oder 4 Grundbuchämtern eigentlich sehr gering sind. Wenn schon eine Reduktion,
dann nur noch 1 Grundbuchamt. Aber dies wurde in der Kommission verworfen, weil es gar nicht so
effizient ist und gar nicht so viel bringt. Vielleicht haben wir in 20 Jahren dann nur noch eines.
Aber die Modelle 3 und 4 sind aufgrund ihrer Grösse ausgeglichen und können als eigenständige
Einheiten geführt werden. Das gilt auch für Laufenburg. Die Aussage, Laufenburg sei zu klein,
stimmt nicht: Das Fricktal ist dynamisch und wächst. Also da kann man nicht sagen, ein
Grundbuchamt gehöre nicht in diese Region.
Zur Kostendifferenz: Sie sehen selber, bei 3 oder 4 Grundbuchämtern sind die Differenzen wirklich
gering. Weshalb? Die Standardlohnkosten sind identisch, bei den Mietzinskosten ist der Unterschied
gering, weil eben im Vergleich mit anderen Standorten die Mietzinsen für Büroräume in Laufenburg –
trotz den hohen Investitionen – deutlich günstiger ausfallen. Die jährlichen Gesamtkosten liegen bei
Laufenburg um etwa 35'000 Franken höher. Meine Damen und Herren, wenn Sie schon sparen
wollten, dann müssten Sie auch beim Modell 3 eigentlich den Standort Laufenburg berücksichtigen,
weil der günstiger ist als Baden!
Die Argumente der VWA haben die CVP nicht überzeugt.
Wir bitten Sie, aus regionalpolitischer Sicht für das Modell 4 mit einem zusätzlichen Grundbuchamt in
Laufenburg zu stimmen.
16. September 2014
Art.-Nr. 0597
1540
Ruth Jo. Scheier, GLP, Wettingen: Die GLP-Fraktion möchte dem Regierungsrat für die
grundlegenden Reorganisationsvorschläge bei den Grundbuchämtern danken. Die aktuelle
Regelung ist wirklich nicht mehr zeitgemäss und auch nicht mehr effizient. Noch ein bisschen
mutiger hätten wir es gefunden, wenn die Variante mit 1 Standort etwas vertiefter erwogen worden
wäre.
Da
dies
jedoch
nicht
der Fall war, nehmen wir zur Kenntnis, dass aus organisatorischen und politischen Gründen diese
Option im Moment nicht opportun ist. Auch wenn jetzt ein Rückweisungsantrag vorliegt. Diesen
haben wir leider in der Fraktion nicht diskutiert, weil wir nichts davon wussten. Es wird ein paar
Sympathien dafür geben. Denn wir sind überzeugt, dass wir in 10 bis 20 Jahren wieder hier stehen
und über nur noch 1 Standort diskutieren werden und es irgendwann auch so kommen wird.
Für heute bleibt noch die Frage: 3 oder 4 Standorte? Die kurze Diskussion in der GLP-Fraktion hat
schnell gezeigt: Die GLP-Fraktion ist einstimmig für 4 Standorte. Der Grund dafür: Die
regionalpolitische Aufteilung im Kanton der Regionen ist bei 4 Standorten ausgewogener, und das
Einsparpotenzial rechtfertigt es nicht, die regionale Aufteilung zu verschlechtern.
Der langen Rede kurzer Sinn: Die GLP-Fraktion ist einstimmig für 4 Standorte, sofern der
Rückweisungsantrag nicht zustande kommt. Unterstützen auch Sie 4 Standorte!
Urs Plüss, EVP, Zofingen: Im Namen der EVP-Fraktion bedanke ich mich beim Regierungsrat und
der Verwaltung für diese Vorlage. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie Kosten und Prozesse
optimiert werden, ohne dass die Dienstleistungen für den Bürger spürbar geringer werden. Die EVPFraktion teilt die Meinung des Regierungsrats, dass 4 Standorte die optimale und regionalpolitisch
ausgeglichene Lösung ist. Es macht durchaus Sinn, Dienste, die nicht zentral geführt werden
müssen, über den Kanton zu verteilen. Jede Region ist dankbar für solche Arbeitsstellen, auch um
die regionale Arbeitsattraktivität zu halten oder zu erhöhen. Das Zusammenführen auf 3 Standorte,
wie von der Kommission VWA vorgeschlagen – und damit ohne den Standort Laufenburg – lehnen
wir ab. Die zusätzlichen Einsparungen wären marginal. Bei geschätzten jährlichen Einsparungen von
1,3 Millionen Franken bei 4 Standorten betragen die zusätzlichen Einsparungen bei einer Reduktion
um 1 Standort lediglich etwa 35'000 Franken. Es lohnt sich also, im Sinne einer regionalpolitischen
Gerechtigkeit, diesmal die Zitrone nicht ganz auszupressen. Ich bitte Sie daher, dem Antrag des
Regierungsrats zu folgen und für 4 Standorte zu stimmen.
Stefan Haller, BDP, Dottikon: Die BDP unterstützt die Reduktion der Standorte der Grundbuchämter.
Das meiste wurde bereits gesagt. Ob es jetzt besser ist, auf 3 oder 4 Standorte zu reduzieren, ist
eine Ermessensfrage. Aus unserer, wie auch aus regionalpolitischer Sicht machen 4 Standorte zum
heutigen Zeitpunkt mehr Sinn.
Rolf Haller, EDU, Zetzwil: Der Ursprung als Zweckgemeinschaft prägt den Kanton Aargau bis heute.
Er hat zwar kein dominierendes Zentrum, jedoch starke Regionen, die für reichhaltige Vielfalt sorgen.
Der Aargau ist eine Schweiz im Kleinen. Seine Politik ist geprägt vom Ausgleich zwischen grösseren
und kleineren Gebieten, städtischen und ländlichen Regionen, stärkeren und schwächeren
Kommunen. Kommen Ihnen diese Zeilen bekannt vor? Richtig; so ist unser Kanton der Vielfalt, wie
wir ihn nennen, auf der Homepage www.ag.ch beschrieben. In der hier vorliegenden Botschaft plant
der Regierungsrat, die Anzahl der Grundbuchämter von 10 auf 4 zu reduzieren. Er achtet dabei auf
eine gut ausgewogene Verteilung der Ämter auf unsere Regionen im Aargau und berücksichtigt
dabei auch das Fricktal – eine gute Entscheidung! Der aufmerksame Zuhörer unter Ihnen wird
bemerkt haben, dass der Sprechende nicht aus dem Fricktal kommt. Er kommt auch nicht aus
Wohlen, Zofingen oder Baden, wo die anderen Grundbuchämter zu liegen kommen. Trotzdem
ergreife ich das Wort, um für unsere Randregionen eine Lanze zu brechen. Warum? Die Reduktion
der Grundbuchämter von derzeit 10 auf noch 4 ist bereits eine starke Zentralisierung. Weshalb eine
Mehrheit der zuständigen Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben noch einen Schritt
weitergeht und nur noch 3 Standorte vertritt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Haben wir noch nicht
bemerkt, dass grösser und zentralistischer nicht mit effizienter und günstiger gleichzusetzen ist? Wie
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oft müssen wir uns noch den Kopf stossen, bis wir das realisieren? Stimmen Sie der Vielfalt unseres
Kantons zu, und unterstützen Sie die Vorlage des Regierungsrats mit 4 Standorten.
Adrian Ackermann, FDP, Kaisten: Es brodelt im Fricktal, speziell heftig im Bezirk Laufenburg. Die
geplante Streichung des Kantonsanteils an die Abos des Tarifverbunds Nordwestschweiz TNW, die
Verlegung der Staatsanwaltschaft nach Rheinfelden und jetzt die geplante Schliessung des Grundbuchamtes wird in der Bevölkerung nicht verstanden und nicht goutiert. Daher wundert es nicht, dass
die Stimmen für einen Kanton Nordwestschweiz oder einen Kanton Fricktal wieder lauter werden.
Der Kanton Aargau ist der Kanton der Regionen. Immer wieder wird diese positive Vielseitigkeit völlig
zu Recht als Stärke hervorgehoben. Das Fricktal als starker Wirtschaftsstandort mit hoher Wohnund Lebensqualität darf nicht links liegengelassen werden. Auch wir Fricktaler haben Anrecht auf
einen Teil der attraktiven Arbeitsplätze, welche der Kanton Aargau anbietet. Der Regierungsrat hat
völlig zu Recht nebst den Modellen 3 und 6 zusätzlich ein Modell mit 4 Standorten, inklusive
Laufenburg, näher geprüft. Dem Regierungsrat ist aus regionalpolitischer Sicht eine regionale
Verteilung der Arbeitsplätze ein grosses Anliegen. Hinzu kommt, dass das Modell aufgrund der
homogeneren Bezirkszuteilung zu bevorzugen ist. Diese Überlegungen rechtfertigen die gegenüber
dem Modell 3 höheren Kosten im Umfang von jährlich circa 35'000 Franken bei Weitem.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie aufgrund von regionalpolitischen Überlegungen
und einer gerechten Verteilung der attraktiven Arbeitsplätze um Ihre Zustimmung gemäss Antrag des
Regierungsrats für das Modell 4, damit auch in Zukunft im Bezirk Laufenburg und somit im Fricktal
das Grundbuchamt erhalten bleibt.
Fredy Böni, SVP, Möhlin: Wird das Fricktal zur Aargauer Randregion? Ich spreche jetzt auch im
Namen des Vorstandes, als Vorstandsmitglied des REPLA Fricktal (Regionalplanungsverband
Fricktal), immerhin einer der grössten Planungsverbände des Kantons. Der Vorstand des
Planungsverbandes macht sich grosse Sorgen um die neuesten Botschaften aus Aarau. Bekanntlich
möchte die Kommission VWA nur noch 3 Standorte, was den Wegfall des Grundbuchamtes
Laufenburg bedeuten würde. Das Fricktal wird sowohl die regierungsrätliche Botschaft – die
Streichung des Kantonsanteils am TNW – wie auch heute die Reduktion der Grundbuchämter auf 3
Standorte nicht unterstützen.
1. Aus regionalpolitischer Sicht ist die Variante 3 für das Fricktal nicht tragbar. Wir haben eine starke
Bevölkerungsentwicklung in den letzten Jahren gehabt. Diese wird auch weiterhin anhalten. Denkt
man nur an die Erschliessung im Sisslerfeld mit "Life Science", ein grosser Arbeitsplatz, der
zusätzliche Leute anlocken wird.
2. Die Urkundspersonen – vor allem die Notare – müssen auch nach der elektronischen Einführung
komplexere Fälle jeweils mit dem Grundbuchamt vor Ort vorbesprechen, damit Lösungen gefunden
werden.
3. Die Grundbuchverwalter und die Mitarbeitenden kennen die Region. Dadurch ist es einfach,
entsprechende Lösungen zu finden.
Deshalb bin ich persönlich, aber auch als Vorstand des Planungsverbandes, gegen die Reduktion
auf 3 Standorte. Persönlich unterstütze ich auch den Rückweisungsantrag nicht.
Ich bitte Sie, meinem Anliegen Folge zu leisten.
Dr. Urs Hofmann, Landstatthalter, SP: Aufgrund sämtlicher Voten aus dem Grossratsplenum stelle
ich fest, dass der Reorganisationsbedarf bei den Grundbuchämtern nicht bestritten ist. Das
elektronische Grundbuch führt zu anderen Arbeitsabläufen, zu weniger Personalbedarf und auch zu
weniger Gängen auf das Grundbuchamt. Solche Reorganisationen stellen immer Optimierungen dar.
Die richtige Lösung ist nicht immer zum Voraus ersichtlich, sondern ist das Ergebnis vertiefter
Abklärungen und einer Wertung der verschiedenen Möglichkeiten. Im vorliegenden Fall müssen wir
davon ausgehen, dass wir bestehende Objekte haben, dass wir bestehendes Personal haben, das in
verschiedenen Regionen des Kantons wohnhaft ist, dass wir auch regionale Bedürfnisse haben. Es
wurde von verschiedenen Votanten gesagt: Der Aargau ist – und wird es auch in Zukunft sein – ein
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Kanton der Regionen, in dem nicht so geplant werden kann, wie das vielleicht in einem
zentralistischen System der Fall wäre. Aufgrund dieser Überlegungen ist der Regierungsrat in einer
breiten Auslegeordnung, in der sowohl die 1er-Variante, die 3er-Variante, die 4er-Variante, aber
auch eine 6er-Variante geprüft worden sind, zum Schluss gelangt, dass eine 3er- oder 4er-Variante
eine optimierte Lösung darstellt.
Der Entscheid für die 4er-Variante erfolgte aufgrund regionalpolitischer Überlegungen. Das haben
wir in der Botschaft dargelegt. Es gibt keine anderen Gründe. Wir sind der Überzeugung, dass die
Verteilung der einzelnen Bezirke auf die Grundbuchämter bei der 4er-Variante besser vorgenommen
werden kann und wir sind auch der Überzeugung, dass ein Grundbuchamt im Fricktal eine
vernünftige Lösung darstellt und den regionalen Gegebenheiten in unserem Kanton Rechnung trägt.
Wir haben aber auch die 1er-Variante geprüft. Aufgrund der Diskussion in der Kommission wurden in
den letzten Wochen auch noch konkrete Immobilienangebote in Gewerbezonen, nicht Bürogebäude,
sondern Gewerbeliegenschaften, geprüft, wo man günstigere Lösungen realisieren könnte. Dabei hat
man gesehen – ohne das natürlich bis ins Letzte zu verhandeln oder alle Varianten im ganzen
Kanton zu prüfen – dass aufgrund des Flächenbedarfs bei einer 1er-Variante mit ähnlichen Kosten
gerechnet werden muss, wie bei einer 3er- oder 4er-Variante. Hinzu käme aber der Abschreiber bei
den bestehenden Objekten. In Wohlen und Zofingen wurde vor wenigen Jahren investiert. Teilweise
laufen auch die Mietverträge unterschiedlich lang, was die Komplexität der Zusammenfassung an
einem Standort noch erhöhen würde. Entscheidend war aber beim Entscheid gegen die 1erVariante, dass es sicher nicht einfacher sein würde, das nötige Personal zu rekrutieren, sei es bei
den Sachbearbeitenden, sei es aber auch bei den Grundbuchverwaltern. Entscheidend war auch,
dass es mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre, bestehende Objekte aufzugeben und letztlich auch
die Überzeugung des Regierungsrats, dass bei einer traditionell dezentral geregelten Organisation,
wie es das Grundbuchwesen seit 1912 darstellt, es nicht den Gepflogenheiten und den Usanzen in
unserem Kanton entsprechen würde, hier eine völlige Zentralisierung vorzusehen.
Das Gesetz sieht aber ausdrücklich vor, dass der Grosse Rat entscheiden kann, wie viele
Grundbuchämter im Kanton Aargau bestehen sollen. Diese Regelung wurde deshalb festgelegt, weil
man sich bewusst war, dass der Entscheid über die Anzahl der Grundbuchämter ein politischer
Entscheid ist, den Sie auch politisch fällen können.
Der Regierungsrat beantragt Ihnen aus den genannten Gründen, der 4er-Variante den Vorzug zu
geben und deshalb auch den Rückweisungsantrag abzulehnen. Der Rückweisungsantrag wurde
auch damit begründet, man könne die bestehenden Objekte mit anderen kantonalen Nutzungen
füllen. Wo hier der Sinn ist, dass man etwas, das schon dezentral organisiert ist und funktioniert,
zentralisiert und andere Tätigkeiten, die heute zentralisiert sind, dezentralisiert, um einzelne
Liegenschaften zu füllen, das ist zumindest auf den ersten Blick nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.
Auch unter diesem Aspekt sind aus unserer Sicht keine vernünftigen Nutzungen ersichtlich, die ohne
Weiteres an die bestehenden Standorte in Wohlen, Zofingen, Baden und allenfalls Laufenburg
verlegt werden könnten. Deshalb ist damit zu rechnen, dass eine solche Zentralisierung mit
zusätzlichen Kosten durch die Aufgabe dieser Objekte verbunden wäre.
Ich bitte Sie noch einmal, dem regierungsrätlichen Antrag zuzustimmen und den
Rückweisungsantrag abzulehnen.
Vorsitzender: Eintreten ist unbestritten.
Abstimmung
Der Rückweisungsantrag von Jean-Pierre Gallati wird mit 79 gegen 54 Stimmen abgelehnt.
Detailberatung / Antrag gemäss Botschaft
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Die Kommission VWA stellt folgenden Abänderungsantrag: "Die Anzahl der Grundbuchämter wird
auf drei festgelegt."
Der Regierungsrat hält an seiner Fassung fest: "Die Anzahl der Grundbuchämter wird auf vier
festgelegt."
Keine Wortmeldungen.
Abstimmung
Gegenüberstellung
Antrag VWA (3 Grundbuchämter)
Antrag Regierungsrat (4 Grundbuchämter)
24 Stimmen
108 Stimmen
Hauptabstimmung (Fassung gemäss Antrag des Regierungsrats bzw. gemäss Botschaft)
Der Antrag wird mit 118 gegen 13 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
Die Anzahl der Grundbuchämter wird auf vier festgelegt.
0598 Postulat Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 25. März 2014 betreffend Überprüfung und
ev. Anpassung des Merkblattes für die Erteilung von Sonderbewilligungen bei volkstümlichen
Anlässen, z. B. bei Fasnachts-Umzügen; Ablehnung
(vgl. Art. 0395)
Mit Datum vom 18. Juni 2014 beantragt der Regierungsrat, das Postulat mit folgender Begründung
abzulehnen:
Motorfahrzeuge und ihre Anhänger dürfen nur in Verkehr gebracht werde, wenn das Fahrzeug den
Vorschriften entspricht, verkehrssicher ist und wenn die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung
besteht (vgl. Art. 10 f. Strassenverkehrsgesetz (SVG) vom 19. Dezember 1958). Für Umzüge und
dergleichen kann die kantonale Behörde Personentransporte auf Motorwagen zum Sachentransport,
landwirtschaftlichen Fahrzeugen und deren Anhängern sowie die Verwendung landwirtschaftlicher
Fahrzeuge gestatten. Sie muss dabei die nötigen Sicherheitsmassnahmen anordnen (vgl. Art. 61
Abs. 4 und 90 Abs. 3 Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13. November 1962). Im Kanton Aargau
ist das Strassenverkehrsamt für die Bewilligungen zuständig.
Eine Voraussetzung für die Bewilligungserteilung im Einzelfall ist im Aargau die Vorlage eines
Prüfberichts "über die Betriebskontrolle für volkstümliche Anlässe des Motorfahrzeuges und/oder des
Anhängers" einer ermächtigten Reparaturwerkstätte. Diese muss unter anderem Folgendes
bestätigen: "Zum Schutz der Zuschauer (vor allem kleiner Kinder) sind Zugfahrzeuge und Anhänger
seitwärts, vorn und hinten der Fahrzeugkombination bis 20 cm über dem Boden mit festem Material
zu verkleiden. Freie Räder sind nicht erlaubt. Der Raum zwischen Zugwagen und Anhänger ist mit
elastischen Materialien z.B. mit dicken Gummiseilen zu sichern".
Von den umliegenden Kantonen kennen Basel-Stadt, Solothurn und Luzern analoge Regelungen.
Die Bestimmung des Kantons Basel-Stadt lautet:
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1544
"Zum Schutze des Publikums sind Zugfahrzeuge und Anhänger seitwärts bzw. am vorderen und
hinteren Ende der Fahrzeugkombination bis 25 cm über dem Bodenmittels festen Materialien zu
verkleiden ("Rundumverschalung"). Die Abhaltewirkung dieser Verkleidung ist mittels elastischen
Materialien, die bis max. 10 cm über dem Boden zu liegen kommen, zu verstärken. Der Raum
zwischen den Zugfahrzeugen und Anhängern ist mit elastischen Verstrebungen (z.B. Spiralfedern)
zu sichern und mittels Stoffbändern, Tuchwimpeln oder dergleichen optisch abzugrenzen"
(Polizeivorschriften des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Basel-Stadt,
Kantonspolizei, vom September 2009, S. 5).
Der Kanton Solothurn kennt folgende Regelung:
"Die Wagen sind so auszustatten, dass die mitfahrenden Personen während der Fahrt vom
Herunterfallen geschützt sind. Zum Schutze des Publikums müssen die Räder der Fasnachtswagen
und der Zugfahrzeuge seitwärts, vorne und hinter der Fahrzeugkombination bis 20 cm über dem
Boden mit festem Material verkleidet sein. Der Raum zwischen Zugwagen und Anhänger ist mit
dicken Gummiseilen oder dergleichen abzugrenzen" (Leitfaden Fasnacht der Motorfahrzeugkontrolle
des Kantons Solothurn, S. 2).
Der Kanton Luzern bringt die Regelung statt einer Umschreibung in Worten mit einer Illustration zum
Ausdruck (siehe Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, Merkblatt für Fasnachtswagen und
Umzüge, Merkblatt für den Wagenbau):
Die Kantone Basel-Stadt, Solothurn, Luzern und Aargau erarbeiteten ihre Regelungen gemeinsam.
Auslöser war ein Unfall an der Basler Fasnacht im Jahr 2007. Damals ereignete sich ein tragischer
Unfall, bei dem ein Sechsjähriger beim Bonbonsauflesen unter das Rad eines in Schritttempo
manövrierenden "Waggiswagens" geriet. Der Junge erlag anschliessend im Spital seinen schweren
Verletzungen. Dem Fahrer konnte nichts Nachteiliges nachgewiesen werden, beim Fahrzeug war
nach damals geltender Vorschrift alles in Ordnung. Es handelte sich um den ersten tödlichen Unfall
an der Basler Fasnacht.
Die Regelung hat sich bewährt. Anfragen um Lockerungen der Vorschriften in konkreten Einzelfällen
sind beim Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau nie eingegangen. Soweit bekannt wird die
gemeinsame Regelung auch in den Kantonen Basel-Stadt, Solothurn und Luzern weiterhin als
aktuell, tauglich und ohne negative Auswirkungen für die Brauchtumspflege als umsetzbar,
realistisch und für die Sicherheit relevant erachtet.
Der Regierungsrat erachtet die geltende Regelung nach wie vor als sinnvoll und sieht keinen
Handlungsbedarf für deren Änderung oder Abschaffung.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'517.–.
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1545
Vorsitzender: Theres Lepori hat sich mit der Ablehnung einverstanden erklärt. Sie verzichtet auf ein
Votum. Das Geschäft ist erledigt.
0599 Massnahmen zur Beseitigung der Kapazitätsengpässe bei den Familiengerichten;
Zusatzkredit; Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015–2018; Anpassung; Beschlussfassung
Beratung der Vorlage-Nr. 14.156-1 der Justizleitung vom 4. August 2014. Der Regierungsrat gibt
unter Kapitel 7 der Botschaft eine Stellungnahme ab. Auf der Regierungsbank nehmen seitens der
Justizleitung Obergerichtspräsident Guido Marbet sowie Gerichtspräsident Christian Sigg Einsitz.
Franz Hollinger, CVP, Brugg, Präsident der Kommission für Justiz (JUS): Mit Botschaft vom 27. April
2011 unterbreitete der Regierungsrat dem Grossen Rat eine Botschaft betreffend Umsetzung des
Kindes- und Erwachsenenschutzrechts (KESR). Aufgrund von Berechnungen von Experten ergab
sich für den gesamten Bereich ein Personalbedarf von 81 Stellen, zuzüglich 7 auf 2,5 Jahre
befristete Projektstellen für die Umwandlung altrechtlicher Massnahmen. Um Überkapazitäten zu
vermeiden und mangels gesicherter Erfahrungszahlen zur neuen Behördenorganisation und zu den
Auswirkungen des neuen Bundesrechts, beschloss der Grosse Rat auf Antrag des Regierungsrats
die Schaffung von 70 Stellen, zuzüglich 7 auf 2,5 Jahre befristete Projektstellen für die Umwandlung
altrechtlicher Massnahmen. Bereits damals wurde eine Korrektur nach oben vorbehalten, falls sich
die getroffenen Annahmen als zu tief erweisen würden. An diesem Punkt stehen wir heute.
Nach Inkrafttreten des neuen Rechts zeigte sich sehr rasch, dass die Geschäftslast mit den zur
Verfügung stehenden Ressourcen nicht bewältigt werden konnte. Klagen wurden auch in den
Medien bekannt, so zum Beispiel im Juli und August 2014 ("Überlastetes Familiengericht: IVBezüger gerät finanziell unter Druck"). Dies ist aufgrund eines Kantonsvergleichs nicht weiter
erstaunlich, kommen doch im Kanton Aargau 1,21 Pensen auf 10‘000 Einwohner, während es im
Kanton Luzern 2,18 Pensen sind. Ich verweise diesbezüglich auf die Botschaft vom 4. August 2014,
Seite 6. Auch nach einer Pensenerhöhung wird der Aargau mit 1,38 Pensen den tiefsten Wert
aufweisen (Botschaft, Seite 19). Trotz interner Ressourcenverlagerungen stiegen die Pendenzen von
Oktober 2013 bis Mai 2014 von 5‘191 auf 7‘339 (Botschaft, Seite 9). Diese Ressourcenverlagerung
ist als solche problematisch, stiegen doch dadurch die Pendenzen bei den Strafverfahren von 689
Ende 2012 auf 836 Ende 2013 und voraussichtlich auf 1‘074 Ende 2014. Diese Entwicklung läuft
denn auch dem in diesem Parlament immer wieder geäusserten Begehren nach schnellen
Strafverfahren diametral entgegen und muss entsprechende grosse Bedenken wecken.
Ich komme zur Botschaft der Justizleitung vom 4. August 2014: Mit dieser Botschaft unterbreitet die
Justizleitung dem Grossen Rat einen Zusatzkredit in Höhe von 5'239‘400 Franken mit
entsprechenden Erhöhungen des Globalbudgets des Aufgabenbereichs 710 in den Jahren 2015 bis
2017. Damit können die 7 bestehenden Projektstellen bis 2017 verlängert und zusätzlich 11
Projektstellen bis 2017 geschaffen werden: insgesamt also 18 Stellen, befristet bis 2017. Der Bericht
der beigezogenen Experten ergab demgegenüber einen Bedarf von 94 Vollzeitstellen, also
zusätzlich 24 Stellen. Mit Rücksicht auf die angespannte Finanzsituation reduzierte die Justizleitung
den Gesamtstellenbedarf von sich aus von 94 auf 88 Stellen (Botschaft, Seite 19).
Die Beratung in der Kommission für Justiz (JUS): Die Kommission für Justiz hat das Geschäft
anlässlich der Sitzung vom 29. August 2014 beraten. Aufgrund der zuvor geäusserten kontroversen
Meinungen tat sie dies unter Beizug einer Vertretung des Obergerichts nicht nur gestützt auf die
Botschaft. Anwesend waren zudem drei Gerichtspräsidenten und eine Fachrichterin an einem
Familiengericht, also Leute von der Front. Eintreten war unbestritten und wurde mit 12 Stimmen (bei
12 Anwesenden) beschlossen.
16. September 2014
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1546
Bei einer rein finanziellen Betrachtungsweise wies der Obergerichtspräsident darauf hin, dass
sämtliche Gerichte im Kanton Aargau circa 2,0 Prozent des gesamten Ausgabenvolumens
beanspruchen oder eben beanspruchten, weil sie wegen Budgetkürzungen im Jahr 2015 auf circa
1,82 Prozent zurückfallen. Es scheint gerechtfertigt, sich an dieser Stelle vor Augen zu halten, dass
es den Gerichten verwehrt ist, Rechtssuchende abzuweisen, das heisst, sie definieren ihre Arbeit
nicht selber. Dies gilt auch für die Folgen des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts, welches
in Bundesbern beschlossen wurde und nun im Aargau durch die Gerichte umgesetzt werden muss.
Die Gewährleistung eines ordentlichen Vollzugs ist die vornehme Aufgabe eines Rechtsstaates, und
dafür haben wir hier in diesem Saal die Voraussetzungen zu schaffen.
Aus der Diskussion in der Kommission möchte ich folgende Punkte herausgreifen: Auch wieder rein
zahlenmässig wurde darauf hingewiesen, dass sich der Bevölkerungsstand im Kanton Aargau von
600‘000 bei Erstellung der damaligen Gesetzesvorlage aktuell auf 635‘000 erhöht hat; es gab also
eine markante Zunahme. Es darf ohne Weiteres angenommen werden, dass nicht nur pflegeleichte
Personen zugezogen sind, was eine entsprechende Belastung der Justiz zur Folge hatte. Hinzu
kommt ab 1. Juli 2014 die Möglichkeit, die gemeinsame elterliche Sorge rückwirkend auf fünf Jahre
zu beantragen. Am Familiengericht Baden sind bis Ende August 2014 trotz Ferienzeit bereits 20
Fälle eingegangen.
Die Familiengerichte sind unter anderem für die Schwächsten in unserer Gesellschaft zuständig, für
Scheidungskinder, Personen mit geistigen Behinderungen oder an Demenz Erkrankte. Sollen
ausgerechnet diese Leute entweder nicht oder mit grosser Verzögerung zu ihrem Recht kommen?
Soll über ein Besuchsrecht an Weihnachten erst an Ostern entschieden werden? Was lösen
derartige Fälle bei den Mitarbeitenden der Gerichte aus?
Wie sieht es mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates aus, wenn ausgerechnet bei diesen
Personen das Gesetz verletzt werden muss, damit die Verfahren aufgrund fehlender personeller
Ressourcen überhaupt abgewickelt werden können? Ich verweise diesbezüglich auf Seite 8 oben der
Botschaft. Man möchte hier die Frage anfügen: Welche Art Rechtsstaat ist das, in dem die Gerichte
gezwungen sind, das Gesetz zu verletzen, um die Verfahren überhaupt durchführen und innert
nützlicher Frist abschliessen zu können? Und in diesem Zusammenhang noch eine Frage: Wer
denkt an mögliche Verantwortlichkeitsfälle, welche den Staat belasten und hohe Forderungen
auslösen können?
Dass durch die sich laufend vergrössernden Pendenzen die Qualität der Arbeit leidet, liegt auf der
Hand. Es leiden aber auch die Arbeitsmoral und die Gesundheit, und Abgänge werden
unausweichlich sein. Dies ist bis heute im Vertrauen auf unseren heutigen Entscheid ausgeblieben.
Dass Abgänge einen unter Umständen massiven Verlust von Know-how zur Folge haben, muss
nicht speziell erwähnt werden. Dass sich die dadurch ausgelöste Negativspirale fatal auswirken und
die Probleme massiv steigern kann, steht ebenfalls fest.
Zu beachten ist auch, dass die bis Ende 2012 geltenden altrechtlichen Massnahmen bis Ende 2015
ins neue Recht überführt sein müssen. Obwohl bereits mehr als die Hälfte der Frist verstrichen ist,
halten die Umwandlungen nicht Schritt. Das Familiengericht Aarau konnte von 559
Umwandlungsfällen bislang 130 Fälle abschliessend erledigen. Bis Ende 2015 nicht umgewandelte
Fälle fallen ersatzlos dahin. Man darf sich dieses Szenario gar nicht ernsthaft vorstellen, denn es
wird zu einer noch grösseren Belastung der Familiengerichte ab diesem Zeitpunkt führen!
Die Justizleitung hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten reagiert und führt ein Effizienzsteigerungsprojekt
durch, an dem weitere Stellen – unter anderem auch die Gemeinden – beteiligt werden. Ich verweise
diesbezüglich auf die Botschaft, Seite 15. Davon sind aber keine Wunder zu erwarten, wird doch
beispielsweise mit dem Ausbau der Einzelrichterzuständigkeit weitgehend nur das Gesetz an die
bereits geübte Praxis angepasst.
Fazit: Die Justiz ist eine Kernaufgabe des Staates. Wenn der Staat hier krankt, entsteht ein fataler
Domino-Effekt. Die Betroffenheit der Menschen auf beiden Seiten der Gerichtsschranken ist gross.
Ich verweise hier auch auf Seite 8 der Botschaft, Ziffer 1.3.5. Wenn die Qualitätsstandards nicht
mehr erreicht werden, so ist das rechtsstaatlich bedenklich und für die Mitarbeitenden frustrierend
und demotivierend. Aus diesen Gründen erachtete eine Mehrheit der Kommission die blosse
Weiterführung der bestehenden 7 Projektstellen als nicht ausreichend.
16. September 2014
Art.-Nr. 0599
1547
Zum Beschluss der Kommission: Die Kommission für Justiz stimmte in einer Eventualabstimmung
dem Antrag 1 gemäss Vorlage mit 9 Stimmen zu; ein Antrag auf blosse Weiterführung der
bestehenden 7 Projektstellen vereinigte 4 Stimmen auf sich.
In der Schlussabstimmung stimmte die Kommission dem Antrag 1 gemäss Vorlage mit 7 gegen 0
Stimmen, bei 6 Enthaltungen, zu. Ein nachträglich gestellter Antrag auf Bewilligung von 24 Stellen
wurde mit 8 gegen 5 Stimmen, bei 0 Enthaltungen, abgelehnt.
Dem Antrag 2 gemäss Vorlage stimmte die Kommission mit 9 gegen 0 Stimmen, bei 4 Enthaltungen,
zu.
Demzufolge lautet der Antrag der Kommission für Justiz an den Grossen Rat: Sie wollen die beiden
Anträge 1 und 2 der Justizleitung gutheissen.
Eintreten
Annerose Morach, SVP, Obersiggenthal: Dass die Auswirkungen dieses neuen Gesetzes eine solch
hohe Menge an Pendenzen zur Folge haben, kann draussen beim Bürger und von den
Direktbetroffenen kaum nachvollzogen werden. Die in den Medien publik gewordenen Fälle, bei
denen es wegen überlanger Verfahrensdauer zum Teil zu untragbaren Situationen bei den Klienten
gekommen ist, sind bedauerlich und unschön.
Die SVP stellt grundlegend fest, dass mit diesem Gesetz eine übergrosse Organisation geschaffen
wurde, die es für viele Fälle gar nicht braucht und deren Nutzen unterdessen in vielen Kantonen –
und nicht nur im Kanton Aargau – stark bemängelt wird.
Ein weiterer negativer Punkt ist, dass die Gemeinden faktisch kein Mitspracherecht mehr haben; sie
wissen nicht mehr, worum es im Einzelfall geht, aber sie müssen ohne Kontrollmöglichkeiten die
Kosten tragen. Den neu geschaffenen Behörden sind die lokalen Gegebenheiten und Personen nicht
bekannt, und somit kommen oft die vorher angewandten niederschwelligen und kostengünstigen
Lösungen nicht mehr zum Zuge.
Die SVP respektiert die eingeleiteten Massnahmen der Justizleitung zur Straffung der Organisation
und Abläufe und befürwortet auch die laufende Vernehmlassung, dass die Einzelzuständigkeiten der
Bezirksgerichtspräsidenten optimiert werden. Solche punktuellen Massnahmen sind aber nicht mehr
als ein Tropfen auf den heissen Stein und verbessern das ganze System kaum wesentlich. Wir
bezweifeln, dass es auch kundenfreundlicher wird.
Die SVP ist überzeugt, dass dieses Gesetz so rasch wie möglich auf Bundesebene geändert werden
muss. Dass eine Gesetzesrevision nicht von heute auf morgen zu haben ist, ist logisch. Die SVP
wird sich aber dafür einsetzen.
Die Justizleitung ist also dringlich eingeladen, das in der Botschaft erwähnte
Effizienzsteigerungsprojekt mit den zielgerichteten Eckwerten so rasch wie möglich umzusetzen. Für
die Gemeinden sind vor allem das Mitspracherecht und die Kostenkontrolle zu verbessern.
Aufgrund der Sachlage und der hohen Anzahl der noch zu bearbeitenden Dossiers verstehen wir
grundsätzlich das Anliegen der Justizleitung mit dem Antrag nach mehr Stellen. Die SVP sieht aber
mit Blick auf die Leistungsanalyse und mit Blick auf den in den nächsten Jahren festgelegten
Sparkurs im Kanton keinen weiteren Spielraum für einen Ausbau des Stellenetats.
Somit lehnt die SVP den Antrag 1, den Zusatzkredit von 5'239'400 Franken, ab und folglich auch den
Antrag 2 für die Erhöhung des Globalbudgets.
Wir stellen einen Gegenantrag: Der Verpflichtungskredit sei um einen Zusatzkredit von 1'056'100
Franken auf 9'999'100 Franken zu erhöhen. Somit sei der Empfehlung des Regierungsrats zu folgen
und die 7 bereits bestehenden Projektstellen bis Ende 2017 zu bewilligen. Dies mit dem Blick auf
unsere Bürger, welche das Anrecht auf eine speditivere Erledigung ihrer Anträge oder Massnahmen
haben, die zu beschliessen sind.
Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim: Mit viel Engagement haben die Familiengerichte ihre Tätigkeit
aufgenommen und erste Erfahrungen gesammelt. Die Vormundschaftsbehörden der Gemeinden
16. September 2014
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1548
durften bisherige Aufgaben an die Gerichte übertragen und sind entsprechend entlastet worden.
Nicht überall haben sich die Neuerungen gut eingespielt. Wie in jedem Systemwechsel zu erwarten,
gibt es Schwierigkeiten, die erst im Verlaufe des Prozesses an den Tag kommen und nach und nach
beseitigt werden müssen. Diese Vorlage beschreibt die ersten Massnahmen, die es dringend
braucht, um eine gute Umsetzung der Bundesvorgaben erreichen zu können, damit diese zum
Gewinn aller Beteiligter werden kann.
Beim generellen Widerstand gegen Neuerungen mag eine Rolle gespielt haben, inwiefern vor allem
die Negativkritik im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Familiengerichte zu
hören war:
- die Überlastung der Gerichte und dadurch zu lange Dauer bis zu dringend benötigten Entscheiden
- Doppelspurigkeiten, mangelnde Zusammenarbeit zwischen Sozialdiensten der Gemeinde- und
Familiengerichte
- Massnahmen, die teuer und einschneidender waren, als bisherige Massnahmen, ohne Gewähr,
dass damit eine bessere Wirkung erzielt werden kann.
- Zum Teil ein Overkill an Formalitäten
- Kostensteigerung bei den Sozialausgaben der Gemeinden.
Diese in unseren Augen berechtigte Kritik gilt es ernst zu nehmen, und es ist, wo notwendig, Abhilfe
zu schaffen. In einigen Bezirken funktioniert das neue System hervorragend und wird laufend
optimiert. Diese Best Practice-Beispiele gilt es zu stärken und dafür zu sorgen, dass diese Schule
machen. Unsere Aufgabe als Grossrätinnen und Grossräte besteht darin, die dafür nötigen
Ressourcen zur Verfügung zu stellen und Anpassungen gutzuheissen.
Das tut die SP, indem sie die Massnahmen zur Verbesserung an den Familiengerichten gutheisst
und der beantragten Anpassung im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) zustimmt. Wir unterstützen
auch den Antrag, der in der Kommissionsberatung gestellt wurde, auf die Anzahl Stellen, die laut
Studie nötig wären, um die Aufgaben korrekt zu lösen, einzutreten.
Die knappe Bemessung der Ressourcen zu Beginn der Umsetzung führte bei aller Begeisterung der
involvierten Fachpersonen für das neu interdisziplinär zusammengestellte Team zu einer Belastung,
die eine qualitativ korrekte Arbeitsweise gefährdet und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen frustriert.
Dies kann nicht die Absicht des Grossen Rats sein.
Wir – die SP – heissen deshalb die Anträge der Justizleitung gut, welche die genannten Mängel
angeht. Wir tun das aber auch als ein Zeichen der Wertschätzung für die anspruchsvolle Arbeit,
welche die Familiengerichte bis jetzt zu verrichten hatten und verrichtet haben.
Für die schutzbedürftigen Kinder und Erwachsenen ist es wichtig, dass Entscheide zeitgerecht
vorliegen. Und für den Staat beinhalten gut fundierte Entscheide längerfristig ein nicht zu
unterschätzendes Sparpotenzial.
Trudi Huonder-Aschwanden, CVP, Egliswil: Seit dem 1. Januar 2013 ist das neue eidgenössische
Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) in der Schweiz in Kraft. Es brachte die Ablösung der
früheren
Vormundschaftsbehörden
durch
die
professionelle
Kindesund
Erwachsenenschutzbehörde. Dadurch sollen der Schutz und die Unterstützung von hilfsbedürftigen
Menschen gestärkt werden. Die fachlichen Anforderungen stiegen stets, wie auch die Komplexität
der Familienstrukturen und die steigende Zahl von Menschen mit Demenz. Diese Phänomene treffen
alle gesellschaftlichen Schichten und hängen weder von der sozialen Stellung noch vom
Bildungsniveau ab.
Der Kanton Aargau ging bei der Umsetzung der Familiengerichte einen anderen Weg als die meisten
Deutschschweizer Kantone. Hier hat man neue Familiengerichte aufgebaut, übertrug die Aufgaben
der Bezirksgerichte und bildete zu diesem Zweck familiengerichtliche Abteilungen. Hier setzte der
Kanton einen Meilenstein auf dem Weg zu den Familiengerichten. Es ist der einzige
Deutschschweizer Kanton, der auf dieses Gerichtsmodell setzte, welches aber hier im Grossen Rat
auf breite Zustimmung stiess.
Die Familiengerichte bestehen aus dem Gerichtspräsidenten sowie aus zwei Fachrichtern für soziale
Arbeit und Psychologie. Diese nehmen sich den Fragen an. Auch bei familienrechtlichen Fragen
werden kompetente Fachkräfte eingesetzt, wie zum Beispiel bei Sorgerechtsverhandlungen und
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Sorgerechtsprüfungen, Änderung des Unterhalts, Beiständen und Wegfall einer Massnahme. Die
Gemeinden sind weiterhin zuständig für die Führung der Abklärungsdienste, der
Berufsbeistandschaften und für die Beratung und Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die keine
behördlichen Massnahmen benötigen, sprich materielle und immaterielle Sozialhilfe. Die für die
neuen Familiengerichte benötigten Ressourcen bei der Betriebsaufnahme der Familiengerichte lagen
bei einem Verhältnis von 1,21 Stellen pro 10'000 Einwohnerinnen und Einwohner und sind damit
deutlich tiefer als in den umliegenden Kantonen.
In den ersten Monaten waren die Familiengerichte mit einer grossen Anzahl neuer Verfahren
konfrontiert. Viele Privatpersonen haben Anträge eingereicht, die sie zuvor nicht hatten unterbreiten
wollen. Dieser Effekt war eine Folge des Übergangs der Laienbehörde zur professionellen Instanz.
Es entstanden auch grosse Verfahrensverzögerungen, die auch öffentlich kritisiert wurden. Auch die
Informatik lief nicht wunschgemäss. Ende Juni 2013 entschied deshalb die Justizleitung, die
untaugliche Software durch das Programm Juris zu ersetzen. Erst seit Oktober 2013 ist das taugliche
Programm produktiv im Einsatz. Die Entwicklung der pendenten Fälle ist beunruhigend. Diese
beliefen sich Ende Mai auf 7'339 Fälle, und in den acht auswertbaren Monaten gingen insgesamt
2'085 neue Fälle ein. Schon vor der Einführung der Familiengerichte wurden höhere Stellenwerte
berechnet. Die berechneten benötigten Stellen wurden von uns Politikern auf 70 Stellen gekürzt. Im
Nachhinein war das ein Fehler. Und jetzt heisst es, diesen Fehler zu korrigieren. Auf Kosten anderer
Gerichtsbereiche wurden zudem namhafte Ressourcen zum Familiengericht verschoben, und
schlussendlich wurden vorübergehend die dringend notwendigen Weiterbildungsaktivitäten
eingeschränkt oder gestrichen. Auch dies ist kritisch betrachtet ein gravierender Fehler. Das
Fachwissen muss dringend erweitert werden, und der Erfahrungsaustausch wird als notwendig
eingestuft.
Der Regierungsrat bewilligte bis Mitte 2015 sieben befristete Projektstellen. Die Justizleitung
beantragt die Bewilligung von sieben zusätzlichen Projektstellen bis 2017. Das grosse Sparpaket
steht bevor. Aufgrund dieser Leistungsanalyse lautet der Antrag auf 11 Stellen; jedoch nur, wenn der
Mehraufwand justizintern kompensiert werden kann. Die Justizleitung kann gar nicht Stellen
abbauen, sie benötigt Stellen. Ein externes Gutachten der Firma Ecoplan AG hat den Bedarf
berechnet und kommt sogar auf 24 Stellen. Die Gerichte im Kanton Aargau benötigen lediglich einen
Anteil von knapp 2,0 Prozent des Gesamthaushaltes. Werden nur die 7 Stellen bewilligt, steht den
Gerichten nächstes Jahr weniger Personal zur Verfügung. Die Geschäftsarten sind vielfältig.
Meistens betrifft es aber hilfsbedürftige Menschen, die zu lange auf diese Entscheide warten. Der
Präsident der Aargauer Berufsbeistände sagte in der Aargauer Zeitung am 18. Februar 2014, dass
die grundsätzlich gute Reform KESR nun an der Gerichtsüberlastung zu scheitern drohe. Wenn es
zu Kündigungen käme, ginge viel Wissen verloren und damit auch viel Zeit. Dies wäre zum Nachteil
der Schwächsten. Dieser Meinung bin ich auch. Aufgrund der grossen Belastung kommt es zu
unerträglichen Verzögerungen. Können wir diese gegenüber der Bevölkerung verantworten?
Der Kanton Aargau steht wirtschaftlich gut da: Er hat eine Triple-A-Bewertung. Der Kanton Aargau
rüstet auf für neue Zuzüger. Überall im Kanton herrscht eine rege Bautätigkeit. In den letzten zwei
Jahren wuchs die Bevölkerung um 14'400 Personen. Die Zunahme in den letzten zehn bis zwölf
Jahren betrug 87'000 Personen. Diese Bevölkerungszunahme geht nicht ohne Spuren an der Justiz
vorbei. Oder ist es etwa besser, zum alten System zurückzukehren, wie es einige wünschen? Doch
das können wir nicht, denn seit 2013 schreibt das Bundesgesetz vor, dass das neue Kindes- und
Erwachsenenschutzrecht nicht von Laien, sondern von ausgebildeten Fachpersonen umgesetzt
werden soll. Tun wir Grosses, springen wir über den Schatten und bewilligen wir die 18 Stellen. Denn
hier geht es um Menschen, die Unterstützung benötigen. Bewilligen wir die Stellen nicht, würde die
Qualität der Justiz leiden. Früher oder später würde es zu einem grossen Fiasko kommen. Das hätte
auch fatale Auswirkungen auf verschiedene Instanzen.
Mit einer knappen Mehrheit tritt die CVP auf die Botschaft ein und stimmt den Anträgen der
Justizleitung zu.
Stefan Haller, BDP, Dottikon: Die BDP hat aus mehreren Richtungen Berichte erhalten, dass die
Umstellung auf die Familiengerichte zu Problemen führte. In Bezug auf Beistandschaften verfügen
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wir über ein ganzes Dossier an Missständen, die seither auftraten. Wir waren kurz davor, hier
Vorstösse einzureichen und sind froh darüber, dass die Justizleitung selbst erkannt hat, dass es hier
Handlungsbedarf gibt. Die Botschaft wird von der BDP-Fraktion daher begrüsst und unterstützt.
Allerdings fragen wir uns auch, ob es nun wirklich allein an der Anzahl Stellen liegt oder nicht doch
auch an der Art und Weise, wie die einzelnen Fälle behandelt werden. Es kann aber nicht sein, dass
wir unser Justizsystem derart vernachlässigen, dass es seine eigens gesetzten Ziele und Standards
nicht mehr erreichen kann. Jetzt einen Marschhalt und zuerst noch eine Analyse zu verlangen, wie
von der Gemeindeammännervereinigung gefordert, erachten wir deshalb als verfehlt. Einer
konkreten Überprüfung zu einem späteren Zeitpunkt stehen wir jedoch offen gegenüber.
Zum Verhältnis Verantwortung – Finanzierung oder anders gesagt, "Wer zahlt, befiehlt": In diesem
Bereich sieht die BDP ebenfalls einen Missstand, den es längerfristig auszugleichen gilt. Die
Kundenfreundlichkeit muss ebenfalls deutlich verbessert werden.
Die BDP unterstützt den Antrag der Botschaft auf insgesamt 18 Stellen einstimmig. Der
Minderheitsantrag gemäss Ecoplan AG auf 24 Stellen, der in der Kommission diskutiert wurde, hat in
der Diskussion in der Fraktion keine Mehrheit gefunden. Wir werden uns aber aufgrund der Voten
allenfalls dafür entscheiden können. Für uns ist letztlich entscheidend, dass die Justiz ihren Job
erfüllen kann.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Dass wir diese Vorlage heute vor uns haben, war eigentlich seit der
damaligen Behandlung zu erwarten. Eigentlich müssen wir uns selbst an der Nase nehmen. Auch
können wir noch lange darüber diskutieren, ob Bern mit dem neuen Kindes- und
Erwachsenenschutzrecht (KESR) damals eine richtige Entscheidung getroffen hat. Die EVP ist
dieser Meinung, trotz Verbesserungspotenzial. Auch sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass
eine Verwaltungslösung besser gewesen wäre. Doch es ist eine Tatsache, dass aufgrund des
Beschlusses von Bern gehandelt werden musste und wir das Einführungsgesetz abgesegnet haben;
und zwar mit weniger als den benötigten Stellen. Die Kosten und das Sparpaket hin oder her – die
Realität ist bedenklich. Wenn wir nicht weitere, grössere Schwierigkeiten und Probleme aufgrund des
Pendenzenberges wollen, müssen wir mit Rücksicht auf die Menschen, die dahinter stecken,
handeln. Aufgrund des grossen Drucks haben wir keine andere Wahl, als dieser Vorlage mit dem
Stellenzuwachs zuzustimmen.
Für uns als EVP bleibt dahingestellt, ob Ende 2017 diese Stellen wieder gestrichen werden können.
Zur Abschätzung der Situation braucht es aber eine frühzeitige Auswertung und Diskussion.
Wir stellen uns auch die Frage, ob diese beantragten Stellen – oder besser gesagt der Kredit –
wirklich ausreichen. Für die EVP ist die Zustimmung nicht ein Wollen, nicht ein Nice-to-have,
sondern ein Muss.
Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen: Die grosse Mehrheit unserer Fraktion schliesst sich der
regierungsrätlichen Beurteilung der Vorlage der Justizleitung an. Das heisst, wir sind bereit, die 7
Projektstellen, die eigentlich Ende 2015 ausgelaufen wären – so haben wir es hier beschlossen –
nochmals um zwei Jahre bis zum Jahre 2017 zu verlängern. Wir lehnen aber die 11 zusätzlichen
Projektstellen, welche die Justizleitung beantragt, ab.
Es ist unbestritten, dass die Familiengerichte sich mit grossem Engagement, gutem Willen und
zuverlässig der neuen Aufgabe angenommen haben und aus den Gesetzesvorgaben des Bundes
und der Einführungsgesetze unseres Kantons das Beste herauszuholen versucht haben. Es ist aber
ebenso unbestritten, dass wir erhebliche Mängel in der Zusammenarbeit der Familiengerichte mit
den Gemeinden und ihren Sozialdiensten haben. Hier haben wir sehr grosse Reibungsverluste. Wir
verstehen die Familiengerichte und auch die Justizleitung, wenn sie den Bedarf ausrechnen, den es
finanziell und personell brauchen würde, um die Änderungen des ZGB (Schweizerisches
Zivilgesetzbuch) und unserer Einführungsgesetze zu vollziehen. Aber, meine Damen und Herren,
unsere Optik in diesem Parlament muss eine breitere sein. Wir dürfen nicht bei der Beurteilung
einzelner Aufgabenbereiche stehen bleiben, sondern wir müssen den Gesamtetat, das
Gesamtvolumen aller Aufgaben unseres Kantons beurteilen und priorisieren. Sie wissen alle, dass
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wir zurzeit in unserem Staatshaushalt in den roten Zahlen sind. Wir haben nur ein ausgeglichenes
Budget, weil wir die Ausgleichsreserve dazu verwenden. Auch diese ist nächstens aufgebraucht. Das
heisst, dass alle Bereiche – auch die Justiz – dazu beitragen müssen, dass wir unseren
Staatshaushalt ausgeglichen gestalten können. Es reicht nicht, dass man einfach ausrechnet, wie
viele Stellen man braucht, um irgendein Bundesgesetz oder ein kantonales Gesetz vollziehen zu
können. Es reicht auch nicht, wenn man irgendeine spezialisierte Firma dazu anstellt, um das
auszurechnen, indem man ihr die entsprechenden Angaben selber liefert. Wir hätten von der
Justizleitung erwartet, dass sie sich der Aufgabe anders stellt. Es geht doch hier darum, dass eine
optimale, nicht eine maximale, Gerechtigkeit für die betroffenen Personen erzielt werden kann. Hier
haben wir den Eindruck, dass die bestehenden Lösungen, für die wir in Bezug auf die
Einführungsgesetze selber die Verantwortung zu übernehmen haben, aber vor allem das
Bundesrecht,
zu
perfektionistische
Regelungen
enthalten.
Hier hätte die Justizleitung ansetzen sollen. Sie hätte uns klar machen können und sollen – das ist
unsere Meinung – dass man mit weniger perfektionistischem Aufwand zu gleichen oder mindestens
ähnlichen Ergebnissen kommt. Klar wird jetzt gesagt, die Gerechtigkeit sei durch die Gemeinderäte
früher nicht so optimal erzielt worden. Es gibt hier viele Leute – und ich gehöre auch dazu – die das
nicht alles unterschreiben können. So schlecht war das frühere System auch nicht. Das jetzige ist
besser, wir bezweifeln die Familiengerichte nicht, aber wir sind der Auffassung, dass ein viel zu
hoher Aufwand für das Ergebnis, das erzielt wird, betrieben wird.
Dies führt dazu, dass wir Ihnen vorschlagen und Sie bitten, diese sieben Projektstellen weitere zwei
Jahre weiterzuführen – wir tun das nicht gern, aber wir sehen das ein. Aber wir bitten Sie ebenso
eindringlich, die 11 zusätzlichen Stellen abzulehnen.
Das führt dann dazu, wenn man die Systematik der Justizleitung übernimmt, dass man in Antrag 1,
Ziff. 2 formuliert: "1. Der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Kindes- und
Erwachsenenschutzrechts mit einem einmaligen Bruttoaufwand von 8'043'000 Franken – den haben
wir einmal bewilligt – wird um einen Zusatzkredit von 1'039'400 Franken auf 9'082'400 Franken
erhöht." Das ist eine ganz einfache Subtraktion. Der Regierungsrat schreibt, diese 11 zusätzlichen
Projektstellen würden insgesamt 4,2 Millionen Franken kosten. Wir ziehen von der beantragten
Summe der Justizleitung von 5,2394 Millionen Franken die 4,2 Millionen Franken ab. So kommen wir
auf diesen Betrag.
In Ziff. 2 formulieren wir: "2. Der Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015 – 2018 sei entsprechend
anzupassen." Eigentlich entspricht dieser Antrag dem jetzt vorgelegten Aufgaben- und Finanzplan.
Aber wir möchten es der Justizleitung und dem Regierungsrat überlassen, auf unsere Beratung des
Aufgaben- und Finanzplans allfällige Änderungen noch zu beantragen.
Nun zu einem zusätzlichen Antrag 3 – dieser ist uns besonders wichtig. Diese zwei Jahre müssen
jetzt genutzt werden, um die Verbesserungen zu erzielen: "3. Der Regierungsrat und die Justizleitung
werden aufgefordert, zusammen mit den Gemeinden Vereinfachungen und Standardisierungen der
Verfahrensabläufe zu beantragen, die in den entsprechenden Verfahren auch Gesetzesänderungen
auf eidgenössischer und kantonaler Ebene enthalten sollen." Wir gehen davon aus, dass auch das
Bundesrecht geändert werden muss. Hier sind wir ja nicht zuständig, das wissen wir alle. Aber wir
wissen, dass Standesinitiativen möglich sind und der Regierungsrat die Möglichkeit hat, über alle
diese kantonalen Konferenzen der entsprechenden Departementsvorstehenden auf das
Bundesparlament, auf den Bundesrat Einfluss zu nehmen. Die entsprechenden Verfahren sollen
auch Gesetzesänderungen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene enthalten.
Zusammenfassend: Die 7 Projektstellen sollen noch zwei Jahre weitergeführt werden, die 11
zusätzliche Projektstellen werden abgelehnt und die 2-Jahresfrist ist zu nutzen, um
Gesetzesänderungen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene zu initiieren und vor allem auch die
Verfahrensabläufe innerhalb der bestehenden Gesetzesvorschriften zu straffen. Es genügt nicht, nur
die Prozessordnungen zu kennen, sondern man muss auch ein Fallmanagement betreiben können.
Man muss bei der Triage schauen, was einfacher lösbar und was umständlicher ist, weil es
komplizierter ist. Auch wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind noch verbesserungsfähig,
aber auch Sie, meine Herren von der Justizleitung, haben noch Potenzial!
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Adriaan Kerkhoven, GLP, Brugg: Ich komme zu einer kurzen Beschreibung des Problems: Das neue
KESR ist eine Jahrhundertrevision. Das letzte Gesetz wurde vor über hundert Jahren geschaffen, als
ganz andere gesellschaftliche Verhältnisse in unserem Land herrschten.
Neu sollen das Selbstbestimmungsrecht der Einzelnen, Massnahmen nach Mass und
interdisziplinäre Fachbehörden geschaffen werden. In der Umsetzung hat der Kanton Aargau eine
Vorreiterrolle eingenommen, ist er doch der einzige Kanton in der Deutschschweiz, der ein
synergieträchtiges Gerichtssystem umgesetzt hat. Ziele sind, falsche Massnahmen zu vermeiden,
keine weiteren Verfahren zu provozieren und Unterhaltszahlungen sowie Kinderschutzmassnahmen
am selben Gericht zu regeln.
Der Kanton Aargau ist mit Abstand der Kanton mit der geringsten Ressourcenausstattung. Heute –
und das möchte ich den Gemeindeammännern sagen – liegt uns die aktuelle Bestandsaufnahme im
Bericht bereits vor. Es herrscht eine sehr ernste Situation. Es sind dringend 24 Stellen vonnöten, um
den Betrieb überhaupt aufrechterhalten zu können. Ursprünglich war ein Bedarf von 81,5 Stellen für
635'000 Einwohner in unserem Kanton ausgewiesen. Er wurde willkürlich auf 70 Stellen
heruntergekürzt, deshalb haben wir jetzt eine ernste Situation. Es gibt überhaupt keinen Grund, den
vorliegenden Expertenbericht anzuzweifeln.
Ich möchte darauf hinweisen, dass mein Vorredner den Ernst der Lage bei den Gerichten
wahrscheinlich nicht erkannt hat. Es drohen nämlich in Zukunft Verjährungen von Straftaten, weil an
unseren Gerichten keine Termine mehr für Strafverhandlungen angesetzt werden können. Es kann
nicht sein, dass im Kanton Aargau Straftäter nicht mehr verfolgt werden, weil keine Ressourcen zur
Verfügung stehen.
Es ist der Kern unserer Infrastruktur und des Rechtsstaats, der hier auf dem Spiel steht!
Es ist aber auch so, dass Finanzverwalter nur in Kantone investieren, in denen der Rechtsstaat
einwandfrei, effizient und schnell funktioniert. Der Kanton Aargau steht im Wettbewerb mit allen
anderen Deutschschweizer Kantonen. Ich hatte Kontakt mit Frau Regierungsrätin Petra SteimenRickenbacher vom Departement des Inneren des Kantons Schwyz. Sie hat innert kürzester Zeit alle
Stellen per 1.1.2014 aufgestockt und dies erst im Dezember 2013 mit dem Regierungsrat
abgesprochen – und niemand bereut diese Aufstockung.
Zu den Gemeindeammännern: Beispielsweise könnte die Gemeinde Gontenschwil das Bundesrecht
autonom umsetzen und alles selbst finanzieren. Sie könnte die Fachbehörde finanzieren und alles
selbst umsetzen. Ich denke, dass dies keine gute Lösung wäre. Auf der Bezirksebene kann man dies
viel effizienter und synergetischer lösen, als wenn jede Gemeinde das Bundesrecht selbst umsetzen
und finanzieren müsste.
Ich denke, der Kanton Aargau hat – das beweist ja auch der schmale Stellenetat – wahrscheinlich
das beste Modell gewählt.
Ich möchte noch zur Stellung des Regierungsrats kommen. Sie sehen es unten auf Seite 22 der
Botschaft. Dies ist ja auch die Einstellung der FDP-Fraktion. Der Regierungsrat – und ich finde das
unhaltbar – nimmt in Kauf, dass eine Schädigung des Rufs des Kantons Aargau durch offensichtliche
Mängel des KESR-Betriebs stattfindet. Er nimmt auch in Kauf, dass Haftungsfälle für den Kanton
infolge mangelhafter Behördenorganisation auf uns zukommen. Er nimmt sogar die
Verschlechterung der Situation durch Abwanderung des qualifizierten Personals in Kauf, was zu viel
höheren Kosten führen wird. Er nimmt auf Seite 23 auch in Kauf, dass Gefährdungsmeldungen, also
Kinder, die geschlagen und/oder missbraucht werden, nicht mehr schnell genug bearbeitet werden
können. Welcher Skandal im Kanton Aargau! Und so etwas unterstützt die FDP.
Die GLP ist der Überzeugung, dass jetzt endlich den Fachexperten Folge geleistet werden muss und
eigentlich 24 zusätzliche Stellen vonnöten wären. Ich glaube, Sie wissen nicht, dass im AFP der
Gerichtsetat sowieso von 13,6 Projektstellen bis zum Jahr 2018 auf 0,5 Stellen gekürzt wird. Wenn
Sie also 7 Stellen bewilligen, dann kürzen Sie den Etat der Gerichte um 6,6 Stellen. Die Gerichte
haben mit dem Vorschlag der FDP nachher weniger Ressourcen, als sie jetzt zur Verfügung haben.
Das kann einfach nicht sein.
Die GLP bedauert, dass die Justizleitung nicht am Expertenbericht festhält. Sie hat aus
pragmatischen und politischen Gründen eingeschwenkt und wird die 18 Projektstellen unterstützen.
Aber bei der Beratung des AFP werde ich dafür sorgen respektive den Antrag stellen, dass nicht
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diese 13,6 Stellen auf der anderen Seite einfach verschwinden, sondern dass sechs reguläre Stellen
geschaffen werden können. Ich behalte mir vor, auch jetzt noch einen Antrag einzureichen, um 24
Stellen zu sichern.
Renate Gautschy, FDP, Gontenschwil: Zum Geschäft 14.156 "Massnahmen zur Beseitigung der
Kapazitätsengpässe bei den Familiengerichten, Zusatzkredit": Zwei Systeme stossen aufeinander –
das Milizsystem und die geschützte Gerichtswelt. Den Gemeinden ist es wichtig, dass die Aufgaben
im KESR mit Qualität und innert nützlicher Frist wahrgenommen werden. Ich halte fest und betone,
die Gemeinden wollen das Rad nicht mehr zurückdrehen – auch nicht die Gemeinde Gontenschwil.
Wir wollen, dass die Zusammenarbeit funktioniert und die Aufgaben zum Wohl der Allgemeinheit
menschlich, effizient und sinnvoll gelöst werden. Eine Triage der Fälle ist dringend notwendig. Der
Lead ist beim Familiengericht. Das Familiengericht ist zuständig, dass eine verantwortbare Triage
gemacht wird. Das heisst, dass die Fälle nach Dringlichkeit bearbeitet werden und Fälle und Kosten
nicht einfach in eine exorbitante Höhe ansteigen. Die Gemeinden befinden sich in der
Bittstellerposition. Die Koordinationsstellen bei den Gemeinden wurden geschaffen, damit eine
aktive, den Menschen dienliche Kommunikation und Zusammenarbeit stattfinden kann.
Kommunikation muss aber beidseitig aktiv und auf Augenhöhe erfolgen. Unkompliziert und
zielgerichtet für die Menschen, das funktioniert leider heute in den meisten Bezirken nicht. Es gibt
ganz grossen Handlungsbedarf in der Klärung der Abläufe, der Zuständigkeiten und dem Umgang
mit den Dossiers. Auch der Aufwand für die Beurteilung sollte in einem gesunden Verhältnis stehen.
Im Rahmen der Teilrevision des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG
ZGB) "Kompetenzen der Einzelrichter" wird vonseiten der Justizleitung selbst festgehalten, dass die
vorgeschlagenen Massnahmen keine Effizienzsteigerung beinhalten und eine Gesamtrevision des
EG ZGB angedacht sei. Die Gemeindeammännervereinigung erachtet die Gesamtrevision als
zwingend notwendig.
Die Annahme, dass mit den beantragten Projektstellen Ordnung in die Abläufe, Zuständigkeiten und
Verfahren gebracht werden kann und dies für die Menschen eine vernünftige und zumutbare Dauer
zur Folge hat, wird sehr bezweifelt und wird absolut nicht als Lösung, sondern als Kostenentwicklung
angesehen. Damit wird das KESR ausgebaut und es werden immer mehr Mittel benötigt. Es wird ein
Anreizsystem geschaffen, damit die Meldungen und Fälle weiter zunehmen können. Der Zunahme
der Fälle muss dringend Einhalt geboten werden. Wir wollen eine gesunde Gesellschaft und keinen
Ausbau der Fälle.
In einer Region mit neun Gemeinden sind die Gefährdungsmeldungen im letzten Jahr von 21 auf 119
Fälle angestiegen. In der heutigen Organisation wird dem Äquivalenzprinzip nicht Rechnung
getragen. Das Äquivalenzprinzip wird auf das Gröbste verletzt: "Wer zahlt befiehlt!", wird hier nicht
angewendet. Die Familiengerichte entscheiden und die Gemeinden bezahlen – ohne Anhörung.
Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass eine richtige Sozialindustrie entstanden ist – verzeihen
Sie mir diesen Ausdruck. Die Gemeindeammännervereinigung fordert eine umfassende
Bestandsaufnahme und eine Überprüfung des Fallmanagements. Es macht Sinn, wenn eine neu
eingeführte Organisation innert Frist hinterfragt und im Speziellen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft
wird. Erst dann kann man über den Stellenplan, die Organisation und dergleichen beraten.
In einem weiteren Schritt muss im Rahmen einer Gesamtrevision des EG ZGB der
Gestaltungsspielraum, welcher die Bundesvorschriften zulassen, zur Vereinfachung der Abläufe
führen. Die Gemeindeammänner können sich im allerbesten Fall dem Vorschlag von Herbert
H. Scholl anschliessen.
Antoinette Eckert, FDP, Wettingen: Es wurde schon viel gesagt, aber erlauben Sie mir, nochmals
ganz kurz die harten Fakten zusammenzufassen.
Fakt ist, dass die momentane Arbeitslast nicht nur zu überlangen Verfahren führt, sondern die
Familiengerichte zu Massnahmen zwingt, welche die durch Gesetz und Rechtsprechung
vorgegebenen Regeln nicht einhalten. So werden zum Beispiel im Bereich der fürsorgerischen
Unterbringung Anhörungen an ein einzelnes Mitglied des Familiengerichts delegiert, obwohl das
Gesetz eine Anhörung im Kollegium vorschreibt! Ich nenne eine weiteres Beispiel: Bei gewissen
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Verfahren, wie bei der Umwandlung der altrechtlichen Massnahmen in das neue Recht, wird gar
gänzlich auf eine Anhörung und vertiefte Abklärung verzichtet und ausschliesslich der Empfehlung
des Beistands gefolgt. Die notwendige Zeit für Abklärungen, welche die vom Gesetz geforderte
Massschneiderung bedingt, ist schlicht nicht für alle Fälle vorhanden. Die Gewährung des rechtlichen
Gehörs, grundlegender Wert eines Rechtsstaats, wird somit verletzt.
Zum nächsten Fakt: Beistände können nur ungenügend unterstützt und ihre Berichte nicht
zeitgerecht oder nur rudimentär überprüft werden. Damit steigt das Risiko von
Verantwortlichkeitsfällen, für die der Kanton haftet, an. Hohe Arbeitslast, dauernde Kritik von aussen,
die Einsicht, dass sich die Situation auch bei überdurchschnittlichem Einsatz nicht verbessern lässt;
dies alles beeinträchtigt die Arbeitsmoral und die Gesundheit der Mitarbeitenden und führt
letztendlich zu Abgängen von gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Es kann nicht sein, dass die Judikative, die dritte Gewalt in diesem Staat, nicht entsprechend dem
Gesetz handeln kann, und zwar, weil die nötigen Mittel seitens der Legislative nicht gesprochen
werden. Das darf nicht sein! Ich bitte Sie um Unterstützung des Antrags der Justizleitung.
Jürg Caflisch, SP, Baden: Da ich einige Jahre im Bereich Kinderschutz in der Schnittstelle
Abklärungen und Beistandschaften im Kinderschutz gearbeitet und davon eine Ahnung habe,
möchte ich Ihnen ein paar Sachen aus der Praxis berichten.
Fakt ist, dass in den überwiegenden Fällen, in denen eine Platzierung von Kindern im Raum steht,
die betroffenen Eltern ihre Kinder durchaus lieben. Gleichzeitig sind viele Eltern derart von ihren
eigenen Problemen absorbiert – ich nenne als Stichworte Gewalt in der Partnerschaft, psychische
Erkrankungen, Sucht, finanzielle Probleme usw. – dass Ihnen jede Energie fehlt, sich auch noch mit
den Kindern auseinanderzusetzen. Fakt ist ebenfalls, dass diese Umstände dazu führen, dass
Kinder sozial und emotional verwahrlosen. Was passiert mit Kindern, wenn niemand da ist, der sie
tröstet, wenn es weh tut? Wenn niemand da ist, der sie lehrt, bitte und danke zu sagen und den
Unterschied zwischen Mein und Dein? Was passiert, wenn Zuhause keine Mahlzeiten gekocht
werden und die Familie nie gemeinsam isst?
Was passiert, wenn sich die Eltern mangels Energie nicht auch noch darum sorgen können oder
wollen, ob die Hausaufgaben gemacht sind oder nicht? Wenn sich niemand in der Familie darum
sorgt, wo sich die Kinder aufhalten und was sie tun, wenn Zehnjährige nachts um 22.00 Uhr noch
alleine draussen sind?
Nach Art. 310 ZGB (Aufhebung der elterlichen Obhut) hat die Kinderschutzbehörde das Kind den
Eltern wegzunehmen, wenn das Kindswohl gefährdet ist und die Eltern nicht von sich aus Abhilfe
schaffen können. Wenn nicht schon im Kleinkindalter klar ist, dass eine Platzierung unausweichlich
ist, beispielsweise wegen aktivem Drogen- oder Alkoholkonsum, hat jede Platzierung eine
Vorgeschichte. Es wird, wenn immer möglich, versucht, die Eltern mittels Beratung oder speziellen
Programmen, wie Familienbegleitungen, dazu zu bringen, ihre Erziehungsverantwortung
wahrzunehmen.
Wenn eine Platzierung unausweichlich wird, sind die Kinder meistens in der öffentlichen Schule
schon nicht mehr tragbar. Wegen der grossen sozialen Auffälligkeit benötigen verwahrloste Kinder
eine enge Betreuung, meist 1 zu 1 durch geschulte Sozialpädagogen. Die Heime müssen 24hBetreuung bieten und eine interne Schule. Viele Kinder benötigen eine Therapie. Das alles kostet!
Wenn uns die Kinder das nicht mehr wert sind, dann müssen wir zum Verdingkindersystem
zurückkehren. Wollen wir das wirklich?
Es gibt zwei Probleme in der ganzen Geschichte: Auch im Kanton Aargau ist das Problem, dass das
Subsidiaritätsprinzip nicht funktioniert. Immaterielle Hilfe nach Sozialhilferecht wird ungenügend oder
überhaupt nicht erbracht, namentlich in Gemeinden, die über keinen professionellen Sozialdienst
verfügen. Dann gibt es auch Gemeinden, die sich weigern, Massnahmen zu finanzieren, die nicht die
Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde angeordnet hat.
Fazit: Die Familiengerichte werden zum ersten statt zum letzten Glied in der Versorgungskette und
mit Gefährdungsmeldungen eingedeckt. Neben der Tatsache, dass die Familiengerichte schon mit
einem Personalbestand unter den Empfehlungen gestartet sind, ist dies einer der Hauptgründe für
die Überlastung der Gerichte. Der Kanton Aargau befindet sich nicht allein in dieser Situation.
Praktisch in allen Kantonen muss nachgebessert werden. Dann gibt es noch die Diskussion
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bezüglich dem System der Kostenübernahme. Es wird der Ruf laut, dass diese Kosten eventuell
kantonalisiert werden müssten. Das finde ich ein bisschen problematisch, weil dann die Versuchung
gross ist, alle Kosten, die eigentlich auch vorgelagert bei den Gemeinden getragen werden müssen,
auf den Kanton zu übertragen. Die Gemeinden würden gar nichts mehr machen.
Andererseits ist es zum Teil auch stossend, dass heute reiche Gemeinden geschont werden, weil
finanzschwache Personen und/oder Einelternfamilien dort sowieso keine Wohnung finden. In der
Schweiz hat jedes Kind gemäss Verfassung und den Gesetzen Anrecht darauf, vor Misshandlungen,
Ausbeutung und Verwahrlosung geschützt zu werden – egal, wer die Eltern sind! Kinder sind
verletzlich und können sich nicht selbst schützen. Daher hat der Gesetzgeber diese Aufgabe der
professionellen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde übertragen. Geben wir den
Familiengerichten im Kanton Aargau die nötigen Ressourcen, damit sie diese Aufgabe tatsächlich
auch wahrnehmen können.
Dr. Johannes Jenny, FDP, Baden: Mein "Ford A" in Argentinien hat Jahrgang 1928, das alte
Vormundschaftsrecht hat Jahrgang 1912.
Die Gesellschaft hat sich radikal verändert: 1912 wuchs man in Grossfamilien auf, die Männer
starben mit 60 und die Frauen mit 65 Jahren. Im Wesentlichen blieb man, wo man war. Mobilität im
heutigen Sinne gab es nicht. Darum kannte jeder jeden, es gab eine maximale soziale Kontrolle. Die
Welt war anders.
Nichts ist mehr wie früher. Heute wachsen die Kinder mit 1 – 2 Individualisten auf. Diese sind Single,
sie jetten um die Welt. Sie werden 90 Jahre alt, deshalb gibt es auch sehr viel mehr demente Leute.
Es sammeln sich Vermögen an, über die nicht mit "Handgelenk mal Pi" entschieden werden sollte.
Das alte Vormundschaftsrecht im ZGB war rund 100 Jahre in Kraft. Unter ihm haben gute Leute gute
Arbeit geleistet. Es gab aber auch 50 Jahre lang, also immerhin bis 1973, die Kinder der
Landstrasse; dies war unter dem alten Vormundschaftsrecht auch möglich. Nächstens entscheiden
wir hier im Saal über ein Begnadigungsgesuch eines Petenten, von dem ich sicher bin, dass sein
gigantischer volkswirtschaftlicher Schaden bedeutend geringer wäre, hätte man im richtigen Moment
mit angemessenen Massnahmen in seine Jugend investiert.
81 Jahre nach 1912 wurde eine Expertenkommission einberufen, 90 Jahre später, im Jahr 2002, lag
ein Vorentwurf auf dem Tisch, 94 Jahre später gab es die Botschaft, 96 Jahre später entschied das
Bundesparlament, 99 Jahre später, im Jahr 2011, kam das Problem mit dem Einführungsgesetz
auch im Aargau an. Und zum 100. Geburtstag gab es die Verordnung zum KESR. Nach 101 Jahren
trat das kantonale Recht 2013 in Kraft. Es wäre nun wirklich unklug, im Jahre 102 nach 1912 die
Mittel für eine erfolgreiche Umsetzung einfach nicht zu sprechen oder gar zurück auf Feld 1 zu
gehen.
Erinnern wir uns: Selbstverständlich können die Familiengerichte keine Schlaflieder singen, das geht
nicht. Dafür sind sie viel zu teuer. Aber es geht um befristete Stellen, welche hängige Fälle
abarbeiten und es ermöglichen, überhaupt zu rezeptieren, was schief und was gut läuft. Wer
permanent schwimmt, kann nämlich nicht die Badehose wechseln.
Es soll ein Projekt zur Optimierung und Reorganisation der internen und externen Abläufe umgesetzt
werden. Das ist alles korrekt, aber es geht erst, wenn diese Stellen bewilligt werden. Das Dümmste
wäre, wenn diejenigen Leute, welche erste Erfahrungen gesammelt haben und diesen
Optimierungsprozess umsetzen könnten, das Handtuch werfen würden; und diese Gefahr besteht
akut. Ich bitte Sie daher, der Kommission JUS und der Justizleitung zu folgen und diese elf
zusätzlichen Stellen zu finanzieren.
Franziska Graf-Bruppacher, SP, Aarau Rohr: Kollege Urs Plüss hat bei der Debatte bezüglich
Grundbuchämter gesagt, wir sollen die Zitrone zugunsten der Grundbuchämter nicht ganz
auspressen. Nun geht es um Kinder, alte Menschen, Bedürftige; und jetzt sollen wir die Zitrone ganz
auspressen! Wir wollen sparen. Ich verstehe nur das Sparen hier nicht so ganz. Als Buchhalterin bin
ich der Meinung, unter dem Strich müsste dann Geld übrig bleiben. Aber ich sehe hier nicht, was wir
einsparen, wenn eine Gefährdungsmeldung fast ein Jahr lang liegenbleibt, bis reagiert wird.
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Was passiert mit diesen Menschen? Vielleicht stürzen sie ab, sei es sozial, gesundheitlich oder
schulisch. Es geht hier wirklich um Menschen, die sich nicht alleine helfen können. Denn
Gefährdungsmeldungen müssen nicht für Leute gemacht werden, die sich selbst helfen können.
Verwahrlosung kostet unsere Gesellschaft Geld. Wenn Personen kriminell werden, kosten sie umso
mehr. Kriminelle Jugendliche zu versorgen ist sehr teuer. Probleme in diesen Bereichen lösen sich
nach meiner Erfahrung selten einfach in Wohlgefallen auf.
Wir stellen hier der Justiz eine Aufgabe, wobei ich nicht sehe, wie sie diese überhaupt lösen kann.
Es ist eigentlich die Quadratur des Kreises. Wir haben vorher gehört, sie sollen die Triage effizient
machen, sie sollen ihre eigene Arbeit effizienter ausführen, sie sollen die Schnittstellen und die
ganzen Abläufe klären. Dazu braucht es neue Ideen. Ich finde nicht, dass das nicht gemacht werden
muss, aber eine neue Idee zu entwickeln, dafür braucht man einen Moment Zeit. Man muss sich
überlegen können, was man macht und wie man es am besten ändert. Diese Zeit hat niemand, der
bis über beide Ohren in der Arbeit steckt.
Falls wir diese Stellen nicht bewilligen, zwingen wir eigentlich unsere Justiz, die eigenen Gesetze
nicht einzuhalten. Da kann ich persönlich nicht dahinterstehen.
Ich bin Stadträtin und finde ebenfalls, dass die Schnittstelle zwischen den Gemeinden und den
Gerichten geregelt werden soll. Ja, es soll bereinigt werden, es gibt Probleme. Aber es gibt
Probleme, die einerseits aufseiten der Gemeinde bestehen und andere aufseiten der Gerichte. Es
gibt Probleme, die in der Paarung zwischen den betroffenen Personen entstanden sind. Ich glaube
nicht, dass wir einfach sagen können, es liegt "nur" an einer Seite oder "nur" in einem Bereich. Hier
habe ich das Gefühl, man sagt nun auf beiden Seiten, "es gibt hier ein Problem und deshalb sagen
wir jetzt Nein" oder "es gibt dieses Problem und deshalb sagen wir jetzt Ja." Das Problem besteht
aus ganz vielen verschiedenen Ursachen und ich möchte hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Ich möchte, dass diese Schnittstellen bereinigt werden und ich finde, dass dieses Bereinigen der
Schnittstellen auch Zeit und Ressourcen erfordert. Deshalb fordere ich Sie auf, den Antrag der
Justizleitung zu unterstützen.
Ich persönlich unterstütze sogar die Idee von Adriaan Kerkhoven, den Etat auf 24 Stellen zu
erhöhen.
Esther Gebhard-Schöni, EVP, Möriken-Wildegg: Der Kanton Aargau hat dieses neue Modell mit den
Familiengerichten gewählt und geschaffen, und zwar von Anfang an mit weniger Stellen, als von den
Gesetzgebern vorausgesehen. Das war eine Fehleinschätzung dieses Parlaments. Sicher gibt es in
der Umsetzung teilweise Schwierigkeiten. Ich denke, nicht nur, aber auch – wie Herbert H. Scholl
gesagt hat – wegen zu perfekter Arbeit.
Ein Problem sind die Gerichte selbst, sprich die Juristen. Sie handeln genau nach dem Gesetz und
urteilen entsprechend, das haben sie ja so gelernt und müssen es so tun. Die Zusammenarbeit
zwischen den Gerichten, den Beiständen und den Gemeinden muss sich zuerst noch einspielen. Es
sind verschiedene Kommunikationsweisen vorhanden, die von Haus aus verschieden sind. Man
muss sie zuerst noch einüben und lernen zu verstehen, was der andere überhaupt meint.
Ich bin nicht der Meinung, dass man jetzt schon wieder eine Gesetzesänderung vornehmen muss.
Die Fehleinschätzung in Sachen Stellendotation muss man jetzt zuerst berichtigen. Die Arbeit an den
Familiengerichten und die Massnahmen müssen so gewählt werden, dass es für alle akzeptabel
wird.
Man ist dabei, die Abläufe zu verbessern. Daran arbeiten verschiedene Gremien. Falllösungen und
Ressourcen müssen in eine Balance gebracht werden. Fälle macht man nicht, sie sind da. Es ist ein
Spiegel unserer Gesellschaft. Die Stellen sind erforderlich, so wie es die Justizleitung fordert. Bitte
stimmen Sie diesem Antrag zu.
Andreas A. Glarner, SVP, Oberwil-Lieli: Vorab, ich bin kein Jurist, sondern habe einen anderen Beruf
erlernt und bezeichne mich deshalb hier als Laie.
"Früher war alles gut, heute ist alles besser und es wäre besser, wenn es wieder gut wäre!" Nach
meiner Ansicht trifft dieser Spruch speziell bei diesem Geschäft zu. Das KESR brauchen wir vor
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allem deshalb – und deshalb ist es auch so amüsant, den Linken zuzuhören – weil die
gesellschaftliche Entwicklung, die wir ja oft bekämpfen, von Links gefördert und nun beklagt wird.
An der Kommissionssitzung der Kommission für Justiz waren immerhin sieben der überlasteten
Richter anwesend; das war noch speziell. Wir attestieren dem Gericht und den Gerichten – ich durfte
mich bei zwei Gerichten auch davon überzeugen – eine massive Überlastung, das ist tatsächlich so.
Es stellt sich jetzt nur die Frage, ob wir mit Geld zukleistern sollen, was komplett falsch aufgegleist
worden ist. Sprich, sollen wir es noch einmal durchlassen, dass man uns in Bern ein Gesetz aufs
Auge drückt, man im Aargau eine völlig unmögliche Umsetzung macht und wir dann hier mit Geld
und noch mehr Stellen den Notstand zukleistern?
In den Materialien des Bundes konnte man lesen und feststellen, dass man von Profis und von
Juristen sprach, die nun hier zuständig sein müssten. Die "depperten" Gemeinderäte, die da
draussen nach dem Rechten schauen, die es nur ungefähr richtig machten, die kann man jetzt nicht
mehr gebrauchen, jetzt müssen Profis und Juristen ran, was sich ja schon diametral widerspricht.
Statt ungefähr richtig, machen wir es nun haargenau falsch. Das kann ich Ihnen sagen, denn wir
haben
einen
Fall von einem nicht genannt sein wollenden Bezirksgericht: Ein Mann wollte für seinen Vater den
Enkeltrickbetrug verhindern und bat deshalb, dass das Konto des Vaters monatlich nur bis zu einem
Maximalbetrag von 1'000 Franken belastet werden könne. Nach sechs Monaten und Anhörung der
Profis, Juristen und weiterer Sozialinteressierten kam man zu folgendem Schluss: Der gute Mann,
also der Vater, kann jetzt zwar immer noch 500'000 Franken abheben, aber immerhin kann er keine
neuen Leasingverträge mehr abschliessen. Da sage ich: "Dankeschön allen Profis und Juristen!"
Zusammengefasst: Es wurde teurer, langsamer, ineffizienter. Was würden Sie in der Privatwirtschaft
machen? Sie würden zurück auf Feld 1 gehen. Sie würden sagen, wir haben falsch entschieden,
gehen wir dorthin zurück, als es noch funktionierte und machen vielleicht parallel etwas Neues. Aber
hier würde dies ziviler Ungehorsam bedeuten. Wir müssen also den Mut haben, zu sagen, wir
verletzen kurzfristig Bundesrecht, wenn das Bundesrecht so "bedeppert" ist, wie im vorliegenden
Fall. Aber diesen Mut hat dieses Parlament vermutlich nicht.
Und all denjenigen, die nun noch einen zusätzlichen Stellenausbau wollen, sage ich: Im Aargau
wurde noch nie eine Stelle abgebaut. Also wenn Sie hier den provisorischen Stellen zustimmen,
können Sie diese gleich definitiv bewilligen, das hat dieses Parlament noch immer bewiesen. Die
SVP-Fraktion wird den Antrag 3 der FDP-Fraktion unterstützen und ansonsten alles ablehnen.
Guido Marbet, Obergerichtspräsident: Wir haben es uns nicht leichtgemacht, Ihnen in Zeiten von
Leistungsanalyse und Spardruck ein Personalbegehren zu stellen. Wir haben daher bewusst erst
nach Ablauf des ganzen ersten Jahres unter dem neuen Recht die Abklärungen zum Personalbedarf
eingeleitet. Die externe Analyse hat dabei bestätigt, was uns von unseren Familiengerichten im
Verlauf des ersten Jahres schon intern zurückgemeldet worden ist, nämlich, dass die
Personalressourcen unmöglich ausreichen, um die Geschäftseingänge bewältigen zu können. Wir
sind uns selbstverständlich auch bewusst, dass wir noch am Anfang der Umsetzung der sehr
anspruchsvollen Vorgabe im nach 100 Jahren revidierten neuen Recht stehen.
Daher stellen wir Ihnen bewusst auch nicht Antrag auf Bewilligung feste Stellen. Mit der Bewilligung
von Projektstellen soll während der Einführungszeit – und wir befinden uns mitten in dieser
Einführungszeit – zunächst einmal hauptsächlich die laufende Belastung bewältigt werden können.
Es soll die Massnahmenumwandlung durchgeführt werden können, welche bis 2015 stattfinden
muss. Und vor allem – und das ist uns ganz wichtig und ein zentrales Anliegen: Es muss die
Möglichkeit zur Verfahrensoptimierung genutzt werden können.
Der Kanton Aargau hat sich mit überwältigender Unterstützung der Stimmbevölkerung für das
Familiengerichtsmodell entschieden. Wir wollen diesen nach wie vor klugen und weitsichtigen
Entscheid auch so gut wie möglich erfolgreich umsetzen. Ohne Aufstockung ist der Erfolg allerdings
klar in Frage gestellt.
Auch mit den sieben für die Umwandlung bewilligten Projektstellen, welche nun nach dem Antrag der
Votanten und der Empfehlung des Regierungsrats verlängert werden sollen, steigen
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nachgewiesenermassen die Pendenzen monatlich an. Wir können auch mit diesen sieben
Projektstellen unsere Qualitätsstandards als Gerichte nicht erfüllen und ziehen zudem die übrigen
Rechtssprechungsbereiche in die Überlastung mit hinein.
Ich möchte hier noch auf die einzelnen Votanten Bezug nehmen und festhalten: Optimierungen
finden laufend statt. Wir sind in einem laufenden Prozess und einer laufenden Kommunikation mit
den Verbandspräsidien der Gemeindebehörden – in allen Bezirken und auf kantonaler Ebene. Wir
sind in einem ständigen Kommunikationsprozess. Selbstverständlich kann noch nicht alles rund
laufen, denn es hat eine fundamentale Umstellung stattgefunden. Wir können nicht das alte Recht
mit dem Milizsystem, welches sich unter altem Recht gut bewährt hat, mit den Anforderungen des
neuen Rechts unter den neuen gegebenen gesellschaftlichen Voraussetzungen und Bedingungen
vergleichen. Wir müssen Neues mit Neuem und Altes mit Altem vergleichen. Wir müssen das Neue,
so gut als möglich, optimieren. Dazu bedarf es aber der Ressourcen. Ohne Ressourcen können wir
kein Projekt durchführen und keine Massnahmen weiter optimieren. Namentlich die Kommunikation
mit den Gemeinden ist ohne Ressourcen schlicht nicht möglich. Kommunikation kostet Zeit. Wir
brauchen diese Kommunikation dringend. Dazu benötigen wir aber die entsprechenden Mittel.
Lassen Sie mich zudem festhalten: Nicht die Familiengerichte machen die Gefährdungsmeldungen!
Es ist ein Phänomen aller Deutschschweizer Kantone, dass nach diesem Schritt zur
Professionalisierung die Geschäftseingänge explodiert sind. Das ist nicht die Schuld der
Professionalisierung. Es ist ein anderes Phänomen, welches wir uns noch nicht erklären können.
Aber jedenfalls können nicht diejenigen, die mit der Umsetzung beauftragt sind, etwas dafür, dass
die Gefährdungsmeldungen so stark zugenommen haben.
Mit der vorhandenen Überlastung, die wir auch mit den sieben Projektstellen weiterhin haben
werden, werden sich die Verfahrensdauern zulasten der Rechtsuchenden verlängern; im Bereich des
Kindes- und Erwachsenenschutzes zulasten der Schutzbedürftigen. Und letztlich steht mit dieser
Überlastung die Glaubwürdigkeit der Rechtsprechung auf dem Spiel. Ich mache mir als Präsident
und Exponent dieser Rechtsprechung in unserem Kanton grosse Sorgen.
Selbstverständlich müssen Sie sich als Grossrätinnen und Grossräte immer Rechenschaft geben,
was sich kostenmässig verantworten lässt. Dazu drei Bemerkungen: 1. Wir haben für die Kindesund Erwachsenenschutz-Behörde und -Aufgabe im interkantonalen Vergleich die knappste
Personalausstattung, und daran wird sich auch mit einer Bewilligung des von uns beantragten
Zusatzkredits nichts ändern. 2. Der Anteil von unter 2,0 Prozent am Gesamthaushalt für die
Rechtsprechung ist sicher nicht unangemessen und wird auch mit Zusatzkredit nicht steigen,
sondern wegen unseren Sparbemühungen in den übrigen Bereichen abnehmen. Unsere
Sparbemühungen in den übrigen Bereichen führen übrigens dazu, dass wir auch mit Bewilligung des
Zusatzkredits in den Projektjahren das Budget des laufenden Jahres nicht erreichen werden. 3. Ein
für uns ganz wichtiger Punkt: Sie entscheiden nach Ablauf der Projektphase aufgrund der bis dahin
konsolidierten Angaben sowohl über die Geschäftseingänge und die Erledigungen als auch über die
in der Zwischenzeit stattgefundenen Prozessoptimierungen. Und damit, wie die langfristige
Personalausstattung der Familiengerichte sein soll. Sie entscheiden dies aufgrund unserer
Berichterstattung, wenn wir über die entsprechenden Mittel verfügen und diese
Prozessoptimierungen in der Zwischenzeit mit dem vorgestellten Modell unserer
Prozessoptimierungskampagne durchführen konnten; sofern wir es durch- und umsetzen können.
Ich bitte Sie abschliessend, uns im Wissen um die Wahrnehmung Ihrer politischen Verantwortung die
Mittel zum Aufbau einer effizienten und leistungsfähigen Kindes- und ErwachsenenschutzOrganisation im Rahmen der Familiengerichte zu bewilligen. Entsprechend dem Auftrag der
Stimmbevölkerung und im Interesse eines funktionierenden Rechtsstaates!
Dr. Urs Hofmann, Landstatthalter, SP: Dies ist ein Antrag der Justizleitung, der Ihnen hier
unterbreitet wurde. Der Regierungsrat hat im Rahmen der Botschaft seine Position offengelegt. Er ist
der Ansicht, dass der Antrag der Justizleitung an sich nachvollziehbar ist. Er sieht aber aufgrund der
engen finanziellen Verhältnisse keine Möglichkeit, diese zusätzlichen Stellen im AFP für die
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nächsten Jahre unterzubringen. Es ist Sache des Grossen Rats, die Prioritäten aus seiner Sicht zu
setzen.
Aufgrund der Voten aus Ihrer Runde möchte ich dennoch einige Bemerkungen anfügen:
Zu Herrn Grossrat Andreas Glarner: Sie haben das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR)
des Bundes harsch kritisiert und sogar zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Ich möchte darauf
hinweisen, dass die bundesrätliche Botschaft für das KESR am 28. Juni 2006 vom Bundesrat
verabschiedet wurde. Der für diese Botschaft zuständige Bundesrat war Herr Bundesrat Christoph
Blocher, SVP. Ich bitte Sie, im Bundesblatt vom 28. Juni 2006 auf Seite 7'020 nachzulesen, was
seitens des zuständigen Departements beziehungsweise seitens des Bundesrats zur Rolle der
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und zur Wichtigkeit einer qualitativ guten Kindesund Erwachsenenschutzbehörde ausgesagt wurde. Dieser Text kam nicht aus einer linken Ecke,
sondern wurde aus einer anderen Ecke so geschrieben. Die eidgenössischen Räte sind dieser
Botschaft weitestgehend gefolgt.
Zur Frage des zivilen Ungehorsams: Alle Mitglieder des Grossen Rats leisten bei ihrem Amtsantritt
ein Gelübde, die Gesetze des Bundes und des Kantons einzuhalten. Das gilt für alle hier
anwesenden Grossrätinnen und Grossräte ohne Ausnahme! Ich gehe davon aus, dass alle
diejenigen, die Gelübde ablegen, sich auch an diese Gelübde halten.
Eine Bemerkung zur Überlastung der Familiengerichte: Es wurde mehrmals darauf hingewiesen: Die
Familiengerichte sind die Vormundschaftsbehörden, die in Extremfällen, in denen keine
einvernehmlichen Lösungen möglich sind, sei es in den Familien, sei es zusammen mit den
Sozialdiensten der Gemeinden, hoheitlichen Zwang ausüben und die Rechte von Bürgerinnen und
Bürgern gegen deren Willen einschränken. Der Umgang mit schwierigen Leuten, mit Sozialfällen
oder Familien, die Mühe haben, ihre Kinder gut zu erziehen, ist nach unserer gesetzlichen Regelung
jedoch Sache der Gemeinden und der Sozialdienste der Gemeinden. Wir stellen fest, auch der Herr
Obergerichtspräsident hat darauf hingewiesen, dass diese Zuständigkeitsordnung heute öfters nicht
mehr eingehalten wird, und dass Gemeinden, die keine guten Sozialdienste haben oder die sich
nicht um mühsame Fälle kümmern wollen, einfach eine Gefährdungsmeldung an das Familiengericht
schicken.
Es gibt einzelne Gerichtspräsidenten, die darauf reagieren und den Gemeinden antworten, dass sie
in diesen Fällen zuständig seien. Vielleicht akzeptieren es die Gemeinden und die Familiengerichte
in diesen Bezirken sind dann weniger überlastet als in anderen. Vielleicht liegt es aber auch daran,
dass Gemeinden in einzelnen Bezirken ihren Job gut machen. Aber es gibt auch Fälle, bei denen
dies alles nicht zutrifft.
Ich will hier niemanden anschwärzen und nenne auch keine Gemeinde namentlich. Das ist klar. Aber
wenn wir diese nächsten beiden Jahre nutzen wollen, dann können wir nicht darauf vertrauen, dass
mit einer Änderung des EG ZGB, wo ein geringer Spielraum aufgrund der bundesgesetzlichen
Regelung besteht, oder gar mit Standesinitiativen eine völlig neue Situation entstehen wird.
Die Familiengerichte und die Gemeinden müssen gemeinsam daran arbeiten, damit diese
Aufgabenteilung, die vom Gesetz so vorgesehen ist, auch wieder korrekt wahrgenommen wird.
Insofern ist auch der Vorschlag der Gemeindeammännervereinigung, diese Problematik gemeinsam
anzupacken, ein richtiger Weg. Man muss diese Problematik auf beiden Ebenen offen angehen. Es
ist falsch, hier gegenseitig Schuldzuweisungen zu machen. Die Familiengerichte können in einzelnen
Fällen effizienter und rascher arbeiten, aber es muss im Zusammenspiel mit den Gemeinden
erfolgen.
Wenn die Familiengerichte in Zukunft jedoch die Obersozialbehörden sind, die Arbeiten erledigen
müssen, die eigentlich nichts mit dem Vormundschaftsrecht zu tun haben, dann reichen diese
Stellen, von denen wir heute gesprochen haben, künftig bei Weitem nicht aus. Deshalb müssen wir
schauen, dass die Zuständigkeiten künftig wieder dort wahrgenommen werden, wo das Gesetz sie
vorgesehen hat. Das ist auch das Anliegen des Regierungsrats. Wir werden zusammen mit der
Justizleitung und den Gemeinden daran arbeiten. Wir wollen diese zwei Jahre, wie es auch im
Antrag der FDP formuliert wurde, möglichst gut nutzen, um das System so effizient wie möglich
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auszugestalten. Aber wir werden nicht darum herumkommen, immer wieder darauf hinzuweisen, wer
wofür zuständig ist.
Zum Stellenabbau beim Kanton: Herr Grossrat Glarner, wir haben heute immerhin über eine Vorlage
befunden, die 12 Stellen reduzieren wird – nämlich bei den Grundbuchämtern. Wir haben auch
Stellen wieder gestrichen, die vor Kurzem im Bereich der Jugendanwaltschaft aufgebaut wurden.
Dies, weil erfreulicherweise die Jugendkriminalität in unserem Kanton in den letzten Jahren
zurückgegangen ist. Sie sehen, dass wir durchaus bereit sind, dort, wo es Sinn macht, auch auf neu
geschaffene Stellen zu verzichten. Das muss an dieser Stelle gesagt werden.
Dass der Regierungsrat bei Ihnen nicht immer auf offene Ohren stösst, wenn er sagt, wir hätten in
Bezug auf das Personal die "kleinste" kantonale Verwaltung, ist uns bekannt. Immerhin hat es auch
der "SonntagsBlick" in einer seiner letzten Ausgaben noch einmal drastisch aufgezeigt. Vielleicht
glauben einzelne Grossräte eher dieser Zeitung als den Darlegungen des Regierungsrats. Ich danke
Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Renate Gautschy, FDP, Gontenschwil: Ich möchte dem Regierungsrat nicht widersprechen, sondern
sein Anliegen unterstreichen. Den Gemeinden sind die Fälle nicht bekannt. Darum habe ich in
meinem Votum darauf hingewiesen, dass eine Triage gemacht werden muss, damit genau vor Ort
effizient und niederschwellig gute Lösungen für die Menschen gefunden werden können.
Vorsitzender: Eintreten ist unbestritten.
Detailberatung / Anträge gemäss Botschaft
Herbert H. Scholl, Zofingen, stellt folgende zur Botschaft der Justizleitung abweichende Anträge:
"1. Der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts mit einem
einmaligen Bruttoaufwand von Fr. 8'043'000.– wird um einen Zusatzkredit von Fr. 1'039'400.– auf
Fr. 9'082'400.– erhöht.
2. Der Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015–2018 sei entsprechend anzupassen.
3. Der Regierungsrat und die Justizleitung werden aufgefordert, zusammen mit den Gemeinden
Vereinfachungen und Standardisierungen der Verfahrensabläufe zu beantragen, die in den
entsprechenden Verfahren auch Gesetzesänderungen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene
enthalten sollen."
Annerose Morach, Obersiggenthal, zieht ihren während der Eintretensdebatte angekündigten Antrag
zu Ziffer 1 (Zusatzkredit von Fr. 1'056'100.– anstatt Fr. 5'239'400.–) zurück.
Keine Wortmeldungen.
Abstimmungen
Antrag 1
Gegenüberstellung
Antrag 1 gemäss Fassung der Justizleitung (Botschaft)
Antrag 1 gemäss Fassung FDP-Fraktion (Sprecher Herbert H. Scholl)
62 Stimmen
72 Stimmen
Hauptabstimmung (gemäss Fassung FDP-Fraktion)
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Dem angepassten Antrag 1 wird mit 76 gegen 51 Stimmen zugestimmt.
Antrag 2
Gegenüberstellung
Antrag 2 gemäss Fassung der Justizleitung (Botschaft)
Antrag 2 gemäss Fassung der FDP-Fraktion
59 Stimmen
75 Stimmen
Hauptabstimmung
Dem angepassten Antrag 2 wird mit 85 gegen 39 Stimmen zugestimmt.
Antrag 3 (Zusatzantrag der FDP-Fraktion)
"Der Regierungsrat und die Justizleitung werden aufgefordert, zusammen mit den Gemeinden
Vereinfachungen und Standardisierungen der Verfahrensabläufe zu beantragen, die in den
entsprechenden Verfahren auch Gesetzesänderungen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene
enthalten sollen."
Der zusätzliche Antrag 3 wird mit 97 gegen 30 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
1. Der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts mit einem
einmaligen Bruttoaufwand von Fr. 8'043'000.– wird um einen Zusatzkredit von Fr. 1'039'400.– auf
Fr. 9'082'400.– erhöht.
2. Der Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2015–2018 sei entsprechend anzupassen.
3. Der Regierungsrat und die Justizleitung werden aufgefordert, zusammen mit den Gemeinden Vereinfachungen und Standardisierungen der Verfahrensabläufe zu beantragen, die in den entsprechenden Verfahren auch Gesetzesänderungen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene enthalten sollen.
Die Beschlüsse gemäss den Ziffern 1 und 2 stehen unter dem Vorbehalt der Beschlussfassung zum
Budget beziehungsweise der Genehmigung der Planjahre im Rahmen der Schlussberatung des
Aufgaben- und Finanzplans (AFP) 2015–2018 durch den Grossen Rat.
Vorsitzender: Ich bitte Sie noch kurz um Ihre Aufmerksamkeit: Der vom Grossen Rat am 23. August
2011 beschlossene Verpflichtungskredit von 8,0 Millionen Franken unterstand gemäss § 63 Abs. 1
lit. d der Kantonsverfassung vom 25. Juni 1980 nicht dem Ausgabenreferendum. Da es sich bei der
Einführung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts (KESR) um die Umsetzung von neuem
Bundesrecht handelt, welches gemäss Beschluss des Bundesrats auf den 1. Januar 2013 erfolgen
musste, bestand deshalb keine wesentliche Handlungsfreiheit. Der beantragte Zusatzkredit
unterstand deshalb gemäss Botschaft auch nicht dem Ausgabenreferendum.
Ich schliesse an dieser Stelle die Sitzung. Wir treffen uns um 14.00 Uhr wieder.
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