50 Jahre Dreifaltigkeitsgemeinde Gal 5, 1+13+14 und Mk 4, 26

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50 Jahre Dreifaltigkeitsgemeinde
Gal 5, 1+13+14 und Mk 4, 26- 34
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Ravensburg, 14.6.2015
Tanzend hat dieser Festgottesdienst begonnen, nicht nur schwungvoll, nicht nur froh, nicht
nur singend, sondern tanzend.
Das ist sicher der schönste Ausdruck für ein Fest und doch auch – zumindest in unseren
Breiten – der ungewöhnlichste Ausdruck in der Kirche und als Kirche.
Beides, die Freiheit und den Tanz, vermutet man eher überall anders – nur nicht hier –
und dies, obwohl doch beides vor allem zutiefst hierher gehören und das innerste Wesen von
Kirche ausmachen, da dieses doch im Geheimnis von Gottes erlöstem Leben selbst wurzelt.
Der Alttestamentler Herbert Haag hat daher einmal schön gesagt, dass das Tanzen der
Grundsinn des hebräischen Verbs „pasach“ ist und dem jüdischen Paschafest und damit auch
dem christlichen Osterfest zugrunde liegt, wo man tanzend den Bund Gottes mit dem
Menschen beging.
Man muss jeden Tag tanzen – heißt es daher auch im Jüdischen – und wäre es nur in Gedanken.
Das Äußere spiegelt also das Innere wieder und das Innere drängt auf das Äußere.
Wer in Gedanken tanzt, wer seine Gedanken tanzen lässt, täglich, so könnten wir sagen,
der wird das nicht lange verbergen können, sondern es wird sich bald zeigen in Neuem,
Kreativem und Lebendigem.
Und so steht der Tanz hier beim heutigen Festgottesdienst als Zeichen, dass auch davor und
danach hier in der Kirchengemeinde im Ravensburger Westen getanzt wurde und getanzt wird –
zumindest in Gedanken, da aber gewiss, denn was hier lebt und ist, entstand und entsteht,
zeugt davon. So passt das sprechende Gleichnis Jesu vom Samenkorn im heutigen Sonntagsevangelium, das wächst und das lebt, weil es wächst und nicht bei dem bleibt, was es einmal war
und als das es einmal gesät wurde.
Als Dreifaltigkeitsgemeinde schauen sie heute auf ihr Gründungsdatum vom 13. Juni 1965
zurück und doch tun sie dies mit dem reichhaltigen und inspirierenden Jubiläumsprogramm so,
dass sie dabei mehr voraus schauen und sich fragen, was wird und was soll denn in 50 Jahren
sein, was wollen und können wir dazu tun, dass auch dann noch 2065 unsere Kirchengemeinde
lebt und tanzen kann, wenngleich sicher wiederum anders als heute so wie wir das heute sicher
auch anders tun als vor 50 Jahren. Denn quantitativ und qualitativ gehen wir als Kirche im
Geiste des II. Vatikanums doch nie wie ein statisches Bollwerk durch die Zeit, sondern sind
eben immer auch nolens volens Teil jener großen Veränderungen von Welt, Menschen und
Leben wie andere und anderes auch. Oder im Bild des Evangeliums ausgedrückt, wachsen und
werden wir doch ständig – auch weil wir alle noch weite Wege haben bis wir Christus und
seiner Botschaft ganz nahe sind.
Und doch nochmals: Wer dabei jeden Tag tanzt, und wäre es nur in Gedanken, der kann
diesen Prozess und diese Prozession durch Welt und Zeit als Kirche anders füllen, der wird
nicht nur gelebt und verhandelt, sondern der lebt und handelt selbst und der verändert so
selbst die Welt mit.
Denn man kann ja so ein Jubiläum auch mit Wehmut feiern und mit einer kleingeistigen Angst,
die angesichts drohender Kirchenschließungen und Pfarreienzusammenlegungen weiß, dass auch
solch junge Stadtrandpfarreien in die Jahre kommen und plötzlich ganz schön alt aussehen können.
Natürlich wissen wir schon aus Botanik und Biologie was auch für Welt und Wirtschaft, Kirche und
Leben gilt, nämlich dass es kein grenzenloses und kein endloses Wachsen und Weiter-So gibt,
sondern alles auch seine Zeit und sein Ende hat – auch damit Neues werden kann.
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Und doch: Für solche tristen Kirchenjübiläen gilt dann das Wort von Friedrich Nietzsche:
Der Stein ist mehr Stein als früher – denn dann sieht man das Versteinerte und Drückende und
Sterbende mehr als das Bergende, Lebendige und Entstehende auch in der eigenen Kirchengemeinde,
sieht man immer mehr das was fehlt und nicht mehr ist, als das was neu wächst, was neu werden kann
und werden muss, will unser Gott kein Gott der Toten, sondern der Lebenden sein und wir als seine
Kirche mit.
Aber bei alldem geht es ja am heutigen Fest um mehr als nur um einen guten Schuß Optimismus,
um eine innere lockere Haltung und schon gar nicht um eine Beliebigkeit, dass wir halt das als Kirche
machen, wozu wir Lust haben, oder was uns keine Mühe macht oder was gut ankommt!
Denn unser Tanz, auch der gedankliche, und unsere Freiheit haben ja einen Grund, eine Quelle
und ein Ziel!
Unsere Freiheit gründet und speist sich ja nicht aus der x-Beliebigkeit, auch wenn mancher
genau das mit Freiheit meint verbinden zu können, so als ob Freiheit Ungebundenheit und
Bindungslosigkeit sei und als ob der am meisten frei sei, der am wenigsten gebunden ist oder
sich am wenigsten einbinden lässt.
So ein Vereinzelter aber ist am Ende nur eines – nicht frei, sondern ein armes Schwein.
Oder wie sollte ein Korn in die Weite des Himmels wachsen können, ohne sich nicht zugleich
definitiv festzulegen und zu binden an einen Fleck Erde, in das hinein es wurzelt und das ihm
ein freies Wachsen und Werden überhaupt erst ermöglicht.
Und so besteht ja die wahre Freiheit – auch für den Apostel Paulus und für uns Christen –
in jenem Widerspruch, den schon der römische Philosoph Cicero in seinem Bonmot zum Ausdruck
brachte als er sagte: Den Gesetzen gehorchen wir nur deswegen, um frei sein zu können!
Paulus jedenfalls konnte es hier in der Lesung den Galatern auch nicht besser sagen.
Denn nicht im Auf-niemanden-Hören besteht für ihn die Freiheit, sondern gerade darin, dass wir
in Jesus auf jemanden hören! Nicht in der Ungebundenheit, sondern im sich Einbindenlassen in
die Gemeinschaft der Kirche zeigen wir, dass wir so frei sind, dass wir dies tun, frei-willig.
Davon lebt ja schon jede Hochzeit und jede Liebe, dass der Mensch das kann und können will,
aus freiem Entschluss einander wollen – und dann manch anderen und manch anderes nicht mehr
brauchen.
Wer etwas in Freiheit tut, ohne Zwang, sondern mit ganzem Herzen, da bekommt dieses Tun eine
ganz andere Qualität als wenn Menschen etwas aufgezwungen und abgenötigt wird.
Etwas aus freien Stücken tun, aus Einsicht, aus Liebe, aus Glauben – gibt es etwas Größeres?
Ihr seid zur Freiheit berufen – sagt Paulus und doch:
Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch.
Paulus hätte auch sagen können: Macht als freie und befreite Christen nicht das Falsche daraus.
Denn Freiheit soll nicht Faulheit bedeuten, nicht Gleichgültigkeit oder Trägheit, nicht Bequemlichkeit,
sondern sie soll der Liebe und damit nicht nur mir, sondern auch den anderen dienen.
Freiheit und Liebe christlich verstandenen sind niemals wie die berühmte Thermoskanne zu denken,
die nichts nach außen abgibt und alles für sich selbst behält.
Nein, die Liebe wie die Freiheit soll vielmehr so in uns sein, dass sie auch durch uns hindurch zu
anderen kann und kommt und hilfreich, befreiend, belebend und das Wachstum fördernd wirkt.
Ja, zur Freiheit hat uns Christus befreit. Und doch gilt auch die andere Betonung für diesen
zentralen Satz: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Denn die Freiheit eines Christenmenschen
hat nicht nur einen Zweck, sondern auch eine Quelle!
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Denn sie ist ja keine, die durch Menschen politisch gesellschaftlich oder militärisch herbeigeführt
wurde wie etwa die der französischen Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit,
sondern unsere Freiheit greift tiefer und gilt umfassender, denn sie schließt auch schon die
Befreiung vom Tod mit ein, aber auch die Befreiung aus der Endlosschleife der Sünde.
Diese Freiheit, so Paulus, ist also nicht hausgemacht und keine anonyme Gabe,
sondern durch Christus entstanden und sie entsteht bei ihm und in seiner Nähe für uns immer
wieder neu, gibt ER uns Freiheit und gibt ER unserer Freiheit Wachstum, Form und Inhalt.
Ja, die göttliche Freiheit lesen wir zuerst an Jesu Wirken ab, vor allem aber auch an seinem Tod
und an dem, was daraus wurde, nämlich dass „keine Macht ihn hielt und ihn im Tod halten
konnte“. Nur wo diese Befreiungstheologie zuerst für Christus selbst gilt, kann sie auch für uns
gelten und kann uns helfen, vieles zu relativieren und zu entzaubern und vieles aufzuwerten und
herauszuheben im Licht des Reiches Gottes.
Da will uns also einer befreien – aber was, wenn der Befreite umdreht und wieder dorthin
zurückläuft, woraus ihn der Retter gerettet hat?
Paulus ist Realist genug, um genau dies zu sehen und hier bei seinen Galatern offen anzusprechen:
Er weiß, all das hört sich leichter an als es ist. Ein Automatismus im Glauben gibt es nicht.
Freiheit führt nicht automatisch zur Nächstenliebe, sondern verführt automatisch eher zur Eigenliebe,
denn das Wasser läuft nun einmal leichter den Berg hinab als hinauf!
Und so muss Paulus seine Galater geradezu an ihre Freiheit erinnern,
sie mahnen, dass sie doch zur Freiheit und nicht zur Unfreiheit berufen sind und dass diese Freiheit
allein von Christus stammt und bei ihm uns je neu erwächst und der Liebe zum Nächsten dienen soll,
indem er ihnen sogar befiehlt: Bleibt daher fest! – was immer auch geschehen mag, denn der Strom
zieht einen doch ständig in eine andere Richtung.
Wenn dieses feurige „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ nun auch das Leitwort für ihr
Jubiläumsjahr ist, so nicht, weil dies alles längst schon so bei uns ist, sondern weil da immer noch
viel werden kann und werden soll.
So wünsche ich ihnen als Dreifaltigkeitsgemeinde von Herzen, dass bei ihnen vor allem jenes
Wort Jesu wächst und sich weiter immer mehr bewahrheitet, das sich schon beim hl. Hippolyt
im Rom des 2. Jh. findet:
Lasst euch / auf meine Liebe ein / dann werde ich / euer Tanzmeister sein.
Amen.
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