2015_02-02 Brief an die Bundeskanzlerin

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Offener Brief der IGFK-Heilbronn an die Bundeskanzlerin vom 02.02.2015
Volker Ahrens
Diplom Volkswirt
Sprecher der IGFK-Heilbronn
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.bb-va.de
Wollhausstr. 112-2
74074 Heilbronn
Telefon/Sprachbox: 07131 – 4 10 68
E-Mail: [email protected]
IHRE VIDEO-BOTSCHAFT: „ EXTREME ARMUT BIS 2015 HALBIEREN“
Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr verehrte Frau Dr. Angela Merkel!
Einer Meldung der dpa war in den letzten Tagen zu entnehmen, dass Sie sich
während der G7-Präsidentschaft für „ehrgeizige“ Entwicklungsziele zur Ausrottung
der weltweiten Armut bis 2030 einsetzen.
Das Ziel der Vereinten Nationen – bis 2015 die extreme Armut zu halbieren – sei
erreicht worden (Ihre wöchentlichen Video-Botschaften).
Und jetzt ist ein weiteres Ziel von vielen, dass wir eben bis 2030 die extreme Armut
vollkommen beseitigen.
Bitte erlauben Sie die Thematisierung der Frage:
Und wie sieht es bei uns in Deutschland aus?
Nach Angaben des statistischen Bundesamtes ist die Armut in Deutschland nicht
halbiert oder zurückgegangen, nein, sie ist sogar weiter gestiegen!
Die im letzten Jahr von der DRV neu ausgezahlten Altersrenten bewegen sich zu
einem erschreckenden Anteil in einer Höhe unterhalb des Sozialhilfesatzes.
Speziell die Altersarmut hat sich verstärkt und wird in den nächsten Jahren weiter
ansteigen.
Speziell die Gruppe der älteren Bezieher von SGB XII sind – wie seit Jahren Ihnen
und den in den Parteien vertretenen Entscheidungsträgern auch vom IGFK –
Heilbronn vorgetragen und dokumentiert – stehen am äußersten unteren Rand der
Armutsskala und der Gesetzgeber gibt diesen Menschen keinerlei legale Chance,
zurück ins Leben zu finden bzw. durch Eigeninitiative auch nur eine kleine Chance
vom Sozialstaat zu erhalten, durch einen minimalen, selbsterarbeiten und hinzuverdienten Betrag aus der völligen sozialen Isolation und Depression zu kommen.
Offener Brief der IGFK-Heilbronn an die Bundeskanzlerin vom 02.02.2015
Dieser Zustand macht krank und Sie kennen die steigenden Zahlen der
Depressionen in unserem Land und wie diese die Sozialkassen belasten.
Es ist auch nicht zu übersehen, dass diese Perspektivlosigkeit zu Verbitterung,
Politikverdrossenheit und Radikalisierung führt und führen muss.
Muss es erst soweit kommen, dass die Millionen vom Existenzminimum Betroffene
auf die Straße gehen und sich radikalisieren? Schauen wir doch auch über unsere
Grenzen und sehen, was sich da aufbaut.
Wenn es den heute verantwortlichen Politikern nicht gelingt, die Schere von Arm
und Reich behutsam auch in Deutschland zu schließen, öffnen sich gefährliche
Strömungen aus der mangelnden sozialen Gerechtigkeit an den äußeren Rändern
der Gesellschaft, was sich wohl niemand wirklich wünschen kann.
Wie kann man es auf der Grundlage christlich sozialer Grundwerte rechtfertigen,
dass Kinder (die angeblich unsere Zukunft darstellen) über 10 Jahre lang keine
Erhöhung der staatlichen Unterstützungssätze erhalten und dies erst jetzt in die
parlamentarische Bearbeitung geht mit einer Erhöhungsabsicht von 10 €?
Bezieher von SGB XII erhalten keinen 100 € Freibetrag wie bei SGB II zugestanden!
Die derzeitigen und bisherigen symbolpolitischen Begründungen:
… der fehlende Freibetrag liegt begründet in den unterschiedlichen Zielsetzungen
von SGB II und SGB XII (d.h. der Eingliederung der Betroffenen in den ersten
Arbeitsmarkt). Und arbeitenden Personen im Alter von 65+, stellenweise bis 85
oder 90 Jahren Lebensalter wird dieses „Recht“ nicht zugestanden?
… Aufgabe von SGB XII ist die Sicherung und Gewährleistung des gesetzlich
definierten Existenzminiums.
Alles über dieses Existenzminimum (das bewusst niedrig gerechnet wird?)
Überschreitende wird angerechnet und Betroffene erhalten keinerlei Chance, ihre
prekäre finanzielle wie auch soziale Situation auf der Basis eigener Initiative und
stellenweise schwerer und belastender Altersarbeit unter prekärer Bezahlung zu
verbessern. Ausgenommen sie gleiten in die Illegalität (Schwarzarbeit) ab.
Eine Frau im Alter von über 80 Jahren geht Putzen und bekommt illegal 10 € die
Stunde. Würde sie nach Recht und Gesetz in ihrer seelischen Not verfahren, würde
das Sozialamt 7 € anrechnen und nur 3 € bei der Rentnerin verbleiben. Ist das mit der
Würde des Menschen vereinbar, muss das ernsthaft in unserer doch so reichen
christlich-sozialen Wohlstandsgesellschaft diskutiert werden?
Offener Brief der IGFK-Heilbronn an die Bundeskanzlerin vom 02.02.2015
Die vom Gesetzgeber vorgesehene anrechnungsfreie Übungsleiterpauschale für
ehrenamtliche Tätigkeiten in Höhe von 200 € steht Betroffenen real nicht zur
Verfügung, da die Kommunen und Gemeinnützigen Organisationen nur
vergütungsfreies Ehrenamt wegen fehlender Finanzmittel anbieten. Bürgerarbeit
wird auf lokaler Ebene nicht (oder so gut wie nicht) angeboten, nur wenige Städte
und Gemeinden kennen die Finanzierung über einen sog. Bürgertopf.
Am Existenzminimum Lebende sind daher auch hier ausgegrenzt und fallen erneut
in die Isolation und Ausgrenzung unserer christlich-sozialen Wohlstandgesellschaft.
Die politischen Parteien/Fraktionen des Deutschen Bundestages, die Mitglieder der
Sozialausschüsse in Bundestag und Bundesrat (einschließlich Petitionsausschuss)
sind seit Jahren informiert und die Thematik ist seit Jahren bekannt – aber bis heute
unerledigt geblieben.
Die eingesetzte Bund-Länder-Kommission (Bundestag + Bundesrat) wollte die
Überarbeitung der Themen im Rahmen der
„Rechtsvereinfachung Hartz IV-SGB II“
bereits im Dezember 2014 behandeln und auf den Weg bringen.
Nun ist bereits wieder eine Verschiebung seitens der Regierungsparteien ins Jahr
2015 angekündigt worden. Inhaltliche Details werden nicht öffentlich gemacht,
Anfragen im Deutschen Bundestag selbst werden nicht beantwortet.
Die Unruhe und Politikverdrossenheit nimmt weiter zu!
Besonders auch dann, wenn man sich daran erinnert, wie schnell und lautlos die
letzte Erhöhung der Abgeordnetendiäten durch eigenen Beschluss erfolgt ist.
Ich wünsche Ihnen die Kraft und Einsicht, endlich ein Zeichen der Hoffnung für
diese „Ärmsten der Armen“ zu setzen auf dem Wege der Armutsbekämpfung
hier in Deutschland und zu mehr sozialer Ausgewogenheit!
Mit freundlichen Grüßen
Volker Ahrens
Sprecher der IGFK-Heilbronn
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