Vortrag von Prof. Dr. Freia Hoffmann, "Wunderkinder"

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Prof. Dr. Freia Hoffmann
Das musikalische „Wunderkind“
„Treibhausvirtuose“ oder
„göttlicher Funke des
Genies“?
Wien. In den Zwischenacten eines Schauspiels liess sich im k. k.
Burgtheater der noch nicht vier Jahr alte Sohn des k.k. Hrn.
Rittmeisters, Freyherrn von Praun, aus Tyrnau in Ungarn, mit
einem Trio von Pleyel auf der Violine hören. Angenommen, dass
alles Wahrheit ist, was uns schon vor geraumer Zeit öffentliche
Blätter von den seltenen Naturgaben dieses Wunderkindes
mittheilten: mag es nämlich immerhin in allen Klassen der
Sprachwissenschaften, der Rechenkunst, der Naturgeschichte,
der Religionslehre, der Geographie u.s.w. erster Prämiant
gewesen seyn; so war es doch ein sehr gewagter Schtitt, den
kleinen Virtuosen jetzt schon vor ein grosses Auditorium zu
bringen. Wo physische Kräfte mangeln, helfen auch alle
eingelernten Künste nicht fort. Das arme Kind scheuete sich
gleich Anfangs vor der grossen Versammlung, weinte bitterlich,
und griff endlich so unbarmherzig falsch, dass seine beyden
Unglücksgefährten, die ihm accompagniren sollten,
beynahe die ganze chromatische und enharmonische
Tonleiter durchliefen, um sich mit ihm halbwegs zu
vereinen. Der Lehrer schlug den Takt mit Händen und
Füssen, ermunterte und schimpfte. Und doch war alles
vergebliche Mühe. Die Anwesenden äusserten laut
ihren Unwillen gegen diejenigen, die der Probe
beygewohnt und den Erfolg nicht besser berechnet
hatten; noch vor dem Ende des ersten Satzes fiel die
Cortine, und mit ihr auch zweifelsohne dem armen,
kleinen Geängstigten ein gewaltiger Stein vom Herzen.
Ehe […] der 11 oder 12jährige kleine Mann vor das Publikum
hintritt und sich hören läßt, muß er natürlich von Kindesbeinen
an fiedeln, pfeifen, trommeln oder trompeten, bis er seine 10-12
Stückchen, bis zu ungeheuersten Fingerfertigkeit oder
Maulfertigkeit genugsam eingelernt hat, um vor das ob seiner
Jugend staunende Publikum hintreten und es durch seine
Fertigkeit in Verzückung setzen zu können. Wohlverdient ist ein
solcher Beifall wohl, wenn man erwägt, daß der kleine Mann […]
sich Tag für Tag abarbeiten mußte, um die Glieder, Finger und
Organe so ein- und auszurenken, daß sie das Stupende möglich
machten. […] Allein der Geist, das Gefühl läßt sich nicht auf
gleiche Weise zeitigen, wie die Fingerfertigkeit. So geschieht, daß
diese zumeist das Übergewicht gewinnt, daß in unsern Zeiten die
Künstelei in der Virtuosität zumeist das Übergewicht über die
Kunst erlangt.
Der Pilot 1841, Nr. 26
Die Familie Mozart in Paris
Kupferstich von Jean Baptiste Delafosse nach einem Aquarell
von Louis Carrogis de Carmontelle 1763
Der fünfjährige Mozart entwirft seine erste
Komposition (19. Jahrhundert)
Ankündigung eines Konzertes des
7-jährigen Beethoven
Franz Liszt im Alter von zehn Jahren
Lithographie nach einer Zeichnung von F. Lütgendorf
Beethoven umarmt den 12-jährigen Liszt
Darstellung von 1865
Clara Wieck (später verh. Schumann) als Zwölfjährige
Joseph Joachim als 13-Jähriger in England
„ab ovo“, Journal pour rire, Paris 1856
Céline, tu vas chanter d‘abord avec M. Anthony, Lithographie
1836
Honoré Daumier
„Le morceau qu‘on est obligé d‘avaler après diner“, 1852
Anzeige im „Münchener Punsch“ 1852
Max Liebermann,
Flachsscheuer in Laren, 1887
Maria und Teresa Milanollo
Leipziger Illustrirte Zeitung 1843
Friedrich Wieck
Vater, Lehrer und Konzertmanager von Clara Wieck
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