Grammatik / Sprachreflexion

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Sprachreflexion Grammatikunterricht
Aspekte des Lernbereichs
• Sprache als System: Lexik (Wortfelder,
Wortfamilien), Morphologie (Wortarten,
Wortbildung, Flexion), Syntax (Satzarten,
Satzglieder) etc.
• Sprachgeschichte: Sprachwandel, Ursprünge
der Sprache
• Sprachkritik: Männersprache – Frauensprache
• Mündlichkeit / Schriftlichkeit
• Spracherwerb
• Standardsprache – Dialekte
• Sondersprachen: Jugendsprache, Fachsprache
Was ist eine Grammatik?
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ein Regelwerk, das die Regeln und Normen für
den richtigen Gebrauch der Muttersprache
bereit hält, also eine normative Grammatik
Jeder Mensch besitzt ein internes
Grammatikwissen, ohne das er keine
korrekten sprachlichen Äußerungen
produzieren könnte (interne Grammatik)
die Versuche von Menschen, das Regelsystem
„Sprache“ zu erfassen und zu beschreiben
(externe Grammatik)
• Der Grammatikunterricht in der Schule
basiert auf verschiedenen grammatischen
Beschreibungsversuchen, z.B.:
• auf der traditionellen Lateingrammatik
(Adelung, Becker)
• auf operationalen Verfahren (Glinz)
• auf der Sprechakttheorie (Austin, Searle)
• auf der inhaltsbezogenen Grammatik
(Weisgerber)
Grundlegende Streitpunkte
• Formal versus funktional
• Systematisch versus situationsorientiert
• Deduktiv versus induktiv
Deduktiv versus induktiv
• Deduktiv ist ein Unterricht, der den
Schülern fertige grammatische Regeln
vorgibt und sie diese dann geistig
„nachvollziehen“ und anwenden lässt.
• Induktiv meint ein selbständiges Ermitteln
von Regeln und Definitionen
Formal versus funktional
• Formal: meint die Analyse von Sprache,
die sich auf Formen bezieht. Vermittelt
werden somit vor allem grammatische
Kategorien.
• Funktional: wenn nach dem Sinn und der
Bedeutung sprachlicher Phänomene
gefragt wird.
Systematisch versus
situationsorientiert
• Systematischer Grammatikunterricht: Einzelne
grammatische Teilsysteme werden in einer sich
zuspitzenden Komplexität erarbeitet.
• Situationsorientierter Grammatikunterricht will
nur dann über Grammatik sprechen, wenn sich
eine authentische „grammatikträchtige“ Situation
ergibt. Thematisiert werden nur diejenigen
grammatischen Phänomene, die aus der
Lebenswelt der Schüler stammen.
Lateingrammatik für den deutschen Muttersprachenunterricht
• Prinzipien des formalen / systematischen Grammatikunterrichts
• Die Systematik des Grammatikunterrichts folgt der Systematik des
zugrunde gelegten Grammatikmodells. Das linguistische Fundament
hierzu liefert die lateinische Grammatik mit ihrer 10-Wortarten-Lehre
(Nomen, Verb, Adjektiv, Pronomen, Präposition, Adverb, Numerale,
Interjektion und Konjunktion).
• Die Systematik des Gegenstandes ‚Grammatik’ wird in einer genau
geplanten Abfolge von Schritten entfaltet (zunehmende Komplexität)
• Die einzelnen Schritte werden von den sprachlichen Phänomenen
her begründet, nicht von den Schülern her
• Das Vorgehen ist deduktiv (d.h. Begriffe und Kategorien werden
vorgegeben und an Beispielen eingeübt) und formal (d.h. es
interessiert die Form der sprachlichen Phänomene, nicht deren
Funktion)
Situationsorientierter
Grammatikunterricht (1972)
• Grammatik sollte nicht mehr als formales
Bildungswissen verstanden werden, das keinen
unmittelbaren Gebrauchswert für die Lebenswelt der
Schüler hat.
• Boettcher und Sitta, die Hauptvertreter dieser Richtung,
schlugen vor, Grammatik nicht ganz aus den Lehrplänen
zu verdrängen, wohl aber Grammatik nicht mehr
systematisch zu lehren, sondern situativ: ein ad-hocAusgehen also von den sprachlichen Problemen, die
sich gerade im Unterricht bieten.
• Grammatik, so die Hoffnung, ließe sich so an den
Bedürfnissen der Schüler ausrichten und würde für die
Schüler derart auch in ihrer Nützlichkeit erkannt.
Integrativer Grammatikunterricht
(1983)
• Auf einen isolierten Grammatikunterricht wird verzichtet.
Kein Grammatikunterricht im Lehrgangsmodell wie beim
formalen Zugang.
• Sprache soll da thematisiert werden, wo die Einsicht in
grammatische Zusammenhänge Sprachgebrauch und
Sprachverstehen stärkt.
• Grammatisches wird also z.B. dann Thema, wenn Texte
geschrieben oder gelesen werden, wenn mündlich
kommuniziert wird oder wenn Texte auf ihre
ortographischen Besonderheiten hin geprüft werden.
• Ausgangspunkte für entsprechende Reflexionen können
künstlich arrangiert werden.
Funktionaler Grammatikunterricht
(1997)
• Nach Köller folgt dieser fünf Prinzipien:
• Das Prinzip der Verfremdung: Dem Schüler muss das, was er schon
kann, als bemerkenswert ins Bewusstsein gebracht werden.
• Das Prinzip der operativen Produktivität: Der Schüler geht handelnd
mit dem Sprachmaterial um und interpretiert die Resultate.
• Das genetische Prinzip: Dem Schüler muss die Genese
grammatischer Begriffe nachvollziehbar werden; er muss die Fragen
kennen, die zur Etablierung der Begriffe geführt haben.
• Das funktionale Prinzip: Der Schüler arbeitet mit Texten, damit die
Funktionalität grammatischer Strukturen erkennbar werden kann.
• Das integrative Prinzip: Grammatische Arbeit wird in umfassendere
Fragestellungen und Zusammenhänge gestellt (Sprachproduktion,
Textinterpretation, sprachgeschichtliche oder sprachphilosophische
Zusammenhänge).
Grammatikwerkstatt (1995)
• Prinzipien der Grammatikwerkstatt:
• In einer Grammatikwerkstatt sollen die Schüler lernen,
wenigstens annähernd so vorzugehen, wie dies
Sprachwissenschaftler praktizieren: Die Schüler arbeiten
und experimentieren mit Sprachmaterial wie ‚kleine
Sprachwissenschaftler’.
• Das Vorgehen ist induktiv: Begriffe und Kategorien
werden nicht vorgegeben, sondern von den Schüler
erfunden bzw. gefunden. Die Schüler sollen somit an der
Aufstellung der grammatischen Kategorien beteiligt
werden und nicht nur immer den fertigen Resultaten
dieser Prozesse begegnen.
• Grundsätzlich geht es hier weniger um das Lernen von
Begriffen und Kategorien.
Sprachbewusstheit
• Sprachbewusstheit meint die Aktualisierung
einer generellen Sprachaufmerksamkeit, also
eine prozessorientierte Fähigkeit, die es
ermöglicht, das Sprechen und Schreiben
anderer differenziert und kritisch
wahrzunehmen.
• Hier geht es weniger um vereinzelte
grammatische Phänomene, sondern um
Sprache als wirkungsvolles Gesamtsystem.
Language-Awareness-Konzeption (C. Gnutzmann 1999)
• Performanz-Domäne: Welches Wissen über Sprache hilft zur
Erreichung von Kommunikationszielen?
• Affektive Domäne: Einstellungen und Gefühlsäußerungen zu
sprachlichen Phänomenen; Sprachsensibilisierung; Entwicklung von
Neugier und Interesse an Sprache
• Politische Domäne: Sprache und Herrschaft; Manipulationspotential
von Sprache; persuasive Texte in Politik und Werbung
• Soziale Domäne: Beziehung zwischen Sprecher und Hörer;
Sprachgebrauch und soziale Schicht / Sprache und Geschlecht:
gesellschaftliche Akzeptanz von sprachlichen Varietäten
• Kognitive Domäne: Wissen über Sprache als Gegenstand der
Umwelt; bewusste Wahrnehmung sprachlicher Phänomene;
Erkennen von sprachlichen Einheiten; Kenntnis ihrer Funktionen.
Mögliche Themen für den
Deutschunterricht
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Sprache in der Politik
Sprache in der Werbung
Sprache in Institutionen
Männersprache - Frauensprache
Sprache, die der Selbstdarstellung gilt
Anglizismen / Fremdwörter-Gebrauch
Fazit
• Grundsätzlich eine Tendenz weg von einer strikten
Formenlehre und starren Regeln hin zu den
Bedingungen der Sprachverwendung, zu den
Funktionen von Sprache. Nachdenken über Sprache
anstelle eines bloßen Lernens von Kategorien.
• Es geht um die Herstellung einer Beziehung zwischen
grammatischem Wissen und kommunikativem Handeln
• Sprachreflexion sollte deshalb in Sprachverwendung
münden, Sprachreflexion und Sprachhandeln sollen sich
aufeinander beziehen.
Literatur
• Boettcher, Wolfgang / Sitta, Horst 1978: Der andere
Grammatikunterricht. München.
• Boettcher, Wolfgang / Sitta, Horst 1979: Grammatik in Situationen.
In: Praxis Deutsch 34, S. 12-21.
• Eisenberg, Peter / Menzel, Wolfgang 1995: Grammatik-Werkstatt.
In: Praxis Deutsch 129, S. 14-23.
• Glinz, Hans 1968: Die innere Form des Deutschen. Bern.
• Köller, Wilhelm 1997: Funktionaler Grammatikunterricht. Tempus,
Genus, Modus: Wozu wurde das erfunden? Baltmannsweiler.
• Steinig, Wolfgang / Huneke, Hans-Werner 2007: Sprachdidaktik
Deutsch. Eine Einführung. Berlin.
• Weisgerber, Leo 1954: Das Tor zur Muttersprache. Düsseldorf.
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