Vorlesung 19

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Psychiatrie
Vor 19
Therapie
Definition: Inhalt und Ziel der psychiatrischen Therapie sind die
Besserung, Heilung und Rückfallverhütung von psychischen
Störungen.
Sie basiert auf drei Säulen:
-biologisch-somatische Therapieverfahren (v.a.
Psychopharmakotherapie)
-Psychotherapie
-Soziotherapie.
Basis der psychiatrischen Therapie ist das ärztliche,
personenzentrierte, zeitaufwändige (!) Gespräch.
Aufgrund der multifaktoriellen Ätiopathogenese besteht die
Behandlung meist in einer Kombination der 3 Säulen.
Besonderheiten der psychiatrischen Therapie:
Der Krankheitsbegriff ist bei leichteren Störungen nicht immer scharf von
der Spielbreite des Normalen abzugrenzen. Die Indikationsstellung für
eine psychiatrische Behandlung an Hand von Diagnosekriterien ist daher
sorgfältig zu stellen.
„Psychagogische Maßnahmen" werden z.T. bei leichten Verhaltens- und
Anpassungsstörungen angewandt.
Da psychiatrische Erkrankungen z.T. zur Chronifizierung neigen bzw. mit
Funktionseinbußen einhergehen, bedarf die Versorgung psychisch Kranker
besonderer Rehabilitationseinrichtungen.
Durch die Rezidivneigung mancher Erkrankungen sind Prophylaxe und
Nachsorge besonders wichtig.
Fehlende Krankheitseinsicht kann die Unterbringung und Behandlung gegen
den Willen des Patienten erforderlich machen.
Für einzelne Krankengruppen existieren Spezialeinrichtungen (z.B.
Fachkrankenhäuser für Suchtkranke oder psychisch kranke Rechtsbrecher).
Die Behandlung erfolgt v. a. im stationären Sektor durch ein
multiprofessionelles Team. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, einen
individuumzentrierten Gesamtbehandlungsplan aufzustellen.
Psychopharmakotherapie
Definition: Jede Substanz, die in die Regulation zentralnervöser
Funktionen eingreift und seelische Abläufe modifiziert („psychotroper
Effekt"), ist ein Psychopharmakon,
Dank der modernen Psychopharmaka ist es heute möglich, dass z.B.
Psychosekranke beruflich und sozial wieder rehabilitiert und integriert
und viele psychische Störungen ambulant behandelt werden können.
Basis für eine sachgerechte Psychopharmakotherapie ist eine
psychotherapeutische Grundeinstellung mit Herstellung einer
tragfähigen Arzt-Patienten Beziehung („Droge Arzt").
Von großer Bedeutung ist eine individuelle persönliche,
patientenzentrierte Einstellung bei der Therapie mit
Psychopharmaka. Ein unsachgemäßer Einsatz von Neuroleptika ist
eine pure Ruhigstellung oder eine „verordnete Anpassung", ebenso
die Verordnung von Tranquilizern als „medikamentöse Konfliktloser".
An die Möglichkeit einer Plazebowirkung muss gedacht werden.
Einteilung
Psychopharmaka können eingeteilt werden nach:
-biochemischem Wirkmechanismus
-chemischer Struktur (hat sich nicht durchgesetzt)
Übliche Einteilung: Tranquilizer, Hypnotika, Antidepressiva,
Phasenprophylaktika, Stimmungsstabilisierer,
Neuroleptika/Antipsychotika, Antidementiva, sonstige
Psychopharmaka.
Stellenwert In der Behandlung organischer und endogener Psychosen
sind Psychopharmaka unverzichtbar. Hier haben sie einen Beitrag
zur Humanisierung der Psychiatrie geleistet, indem sie diese
Erkrankungen behandelbar machten.
Hohen Stellenwert besitzen Psychopharmaka bei der Behandlung von
depressiven Syndromen, Panikerkrankungen, Erregungszuständen,
kurzfristig auch bei Schlafstörungen, schweren Neurosen sowie
akuten Krisen mit Suizidalität (Tab. 6.1).
Probleme der Verordnung
Die Gefahr der unkritischen Verordnung und Einnahme besteht v. a. bei
Tranquilizern (z.B. zur „Ruhigstellung" oder zur Korrektur
physiologischer Verstimmungen).
Indem sie Konflikte zudecken, können Tranquilizer den für eine
Psychotherapie erforderlichen Leidensdruck reduzieren.
Ihr unkontrollierter Gebrauch kann zum Missbrauch führen.
Darreichungsformen und Dosierung
Psychopharmaka liegen in allen Applikationsformen vor. Besondere
Bedeutung hat die parenterale Applikation von Depot-Neuroleptika
in der Langzeitbehandlung schizophrener Psychosen. Die Dosierung
erfolgt grundsätzlich individuell, im Akutstadium der Erkrankung ist
meist eine höhere Dosierung notwendig.
Bei vielen Psychopharmaka ist aufgrund langer Halbwertszeiten eine
tägliche Einmaldosierung möglich (z. B. Retard-Präparate). Eine
hohe Einnahmezuverlässigkeit (Compliance) ist von eminenter
Bedeutung, da Neuroleptika, Lithium und Antidepressiva zur
Stabilisierung des Zustandes und zur Rezidivprophylaxe häufig über
längere Zeiträume eingenommen werden müssen.
Wichtige Nebenwirkungen
Psychopharmaka können das Reaktionsvermögen, die
Vigilanz und psychomotorische Funktionen (Bedienung von
Maschinen, Straßenverkehr) beeinträchtigen. Besonders
bedeutsam ist die Wechselwirkung mit Alkohol (potenzierende
Wirkung). Weitere wichtige Psychopharmaka-Nebenwirkungen
s. Tab. 6.2.
Kontrolluntersuchungen
Keine Einnahme ohne regelmäßige ärztliche Kontrolle.
Notwendige Untersuchungen sind in Abb. 6.2 wiedergegeben.
Besondere Vorschriften sind bei einer Lithiumprophylaxe zu
beachten (u.a. Nieren- und Schilddrüsenwerte,
Plasmaspiegelkontrollen, s.S. 489).
Missbrauch und Abhängigkeit
Der Missbrauch und die Abhängigkeit von psychotropen
Medikamenten stellen ein beträchtliches medizinisches,
volkswirtschaftliches und sozialhygienisches Problem dar.
Bei Benzodiazepin-Tranquilizern und -Hypnotika überwiegt die
Niedrigdosis-Abhängigkeit (langfristige Einnahme
therapeutischer Dosen).
Missbrauchspotenzial besteht bei Tranquilizern, Hypnotika,
Psychostimulanzien und Clomethiazol (Distraneurin).
Kein Abhängigkeitspotenzial besitzen Neuroleptika,
Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin.
Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen
Die Therapie im Kindes- und Jugendalter weist einige
Besonderheiten auf. Wichtig ist eine enge Kooperation
(„therapeutisches Bündnis") mit den Bezugspersonen.
Für eine medikamentöse Behandlung ist das Vorliegen einer
entsprechenden Indikation von zentraler Bedeutung.
Grundsätzlich zu beachten ist die adäquate Dosierung, die
nach mg/kg Körpergewicht oder nach der Körperoberfläche
erfolgen sollte.
Indikationen: v.a. psychotische Störungen, hyperkinetische
Syndrome, depressive Erkrankungen, minimale zerebrale
Dysfunktion.
Der (zeitweilige) kombinierte Einsatz nicht medikamentöser und
medikamentöser Therapien ist häufig die beste Behandlung
Psychopharmaka im höheren Lebensalter
Etwa 25% der über 65-jährigen ist psychisch krank. Am häufigsten
liegen Demenzen, depressive Erkrankungen und paranoide
Psychosen vor.
Die „Geronto-Psychopharmakotherapie" zeigt einige Besonderheiten.
Neben psychosozialen sind körperliche Faktoren für die
veränderte Wirkungsweise von Psychopharmaka beim alten
Menschen von entscheidender Bedeutung (z.B. reduzierte
Organperfusion). Die veränderte Pharmakokinetik erfordert i.d.R.
eine niedrigere Dosierung. Mit verzögertem Wirkeintritt und erhöhter
Nebenwirkungsempfindlichkeit muss gerechnet werden.
Auch die Darreichungsformen müssen auf den Patienten abgestimmt
sein (z.B. Tropfen o. Saft bei Schluckstörung).
Hauptindikationen sind v. a.: Schlafstörungen, organische
Psychosyndrome, Altersdepressionen, paranoide Psychosen,
Erregungs- und Verwirrtheitszustände.
Wichtig sind die Behandlung körperlicher Grundkrankheiten, die
Gestaltung des Tagesablaufes sowie psychosoziale Maßnahmen.
Kombinierte Psychopharmakotherapie
Definition: Der Begriff „kombinierte Psychopharmakotherapie"
beinhaltet die Kombination verschiedener Psychopharmaka
untereinander sowie die Kombination von Psychopharmaka mit
anderen Therapieverfahren.
Oft müssen Psychopharmaka aus gleichen oder verschiedenen
Substanzgruppen gleichzeitig verordnet werden. Hierbei ist auf
Wechselwirkungen (Interaktionen) zu achten. Die Wirklatenz der
Antidepressiva macht angesichts der rasch zu behandelnden
Symptome Schlafstörungen, Unruhe, Angst, Suizidalität oft die
initiale Kombination mit einem Benzodiazepin-Tranquilizer oder
einem niederpotenten Neuroleptikum erforderlich.
In der Initialphase einer Psychosebehandlung ist nicht selten die
Kombination eines hochpotenten mit einem niederpotenten
Neuroleptikum notwendig.
Bei rezidivierenden Depressionen und bipolaren affektiven Psychosen
werden rezidivprophylaktische Medikamente (Lithium,
Carbamazepin) zusammen mit für die Akutbehandlung
notwendigen Antidepressiva bzw. Neuroleptika verordnet.
Erforderlich ist in jedem Fall ein Gesamtbehandlungsplan. Kernpunkt
jeder Therapie ist eine psychotherapeutische Grundhaltung.
Neben psychotherapeutischen Maßnahmen kommen auch
Beschäftigungs- und Kunsttherapie, Musik- und Sporttherapie sowie
Physiotherapie zum Einsatz.
„10 Gebote" für den richtigen Umgang mit Psychopharmaka
Psychopharmaka nur dann verordnen, wenn eine gezielte Indikation besteht.
Medikamentöse Vorbehandlungen eruieren, Suchtanamnese abklären.
Adäquate Wahl des Psychopharmakons nach Wirkprofil unter Berücksichtigung
möglicher Interaktionen und Nebenwirkungen sowie Kontraindikationen.
Dosierung in der Regel einschleichend und individuell. Dosisanpassung bei
Alterspatienten.
Bei Tranquilizern und Hypnotika Dosierung möglichst niedrig, aber ausreichend;
frühestmögliche, langsame Dosisreduktion mit Übergang auf
diskontinuierliche Gabe (Bedarfsmedikation).
Exakte Aufklärung und Information des Patienten über Wirkungen und mögliche
Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Längerfristige Kombination mehrerer Psychopharmaka möglichst vermeiden.
Persönliche Verordnung mit Verlaufskontrollen (Dosisanpassung). Aufbau einer
tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung (Compliance).
Gesamtbehandlungsplan erstellen, der auch andere Therapieformen umfasst
(ärztliches Gespräch, Psychotherapie, physikalische Maßnahmen).
Bei Langzeitmedikation Kooperation mit Facharzt, gesonderte Aufklärung über
mögliche Nebenwirkungen bei Langzeitmedikation, „Pass" für Lithium- und
Depot-Neuroleptika führen. Beendigung der Behandlung grundsätzlich durch
langsam ausschleichende Dosisreduktion.
Spezieller Teil
Tranquilizer
Definition: Unter dem Begriff Tranquillanzien (Tranquilizer) werden
Psychopharmaka zusammgenfasst, die zur Behandlung von Angstund Spannungszuständen verwendet werden (lat.: tranquillare =
beruhigen).
Klinisch wirken Tranquilizer angstlösend, beruhigend und
emotional entspannend. Diese Effekte zeigen auch andere Mittel
(z.B. niedrig dosierte Neuroleptika, sedierende Antidepressiva, und
z.T. auch Phytopharmaka).
Charakteristisch für Tranquilizer im engeren Sinne ist, dass sie eine
anxiolytische, aber keine antipsychotische Wirkung besitzen.
Der alte Begriff Psychosedativum basiert darauf, dass Hypnotika in
niedriger Dosis ähnlich wie Tranqilizer wirken. Es bestehen
dosisabhängig fließende Übergänge zwischen Tranquilizern und
Hypnotika.
Historisches: Vor der Entdeckung der modernen Psychopharmaka
standen als Beruhigungsmittel bestimmte psychotrope Substanzen
(z.B. Opium, Bromide) zur Verfügung. Heute sind Benzodiazepine
die bei weitem wichtigste und am meisten verbreitete Gruppe der
Tranquilizer.
Einteilung: Nach der chemischen Struktur: BenzodiazepinTranquilizer, niedrig dosierte Neuroleptika, Non-BenzodiazepinTranquilizer, pflanzliche Sedativa, sonstige anxiolytisch wirksame
Substanzen (z.B. Opipramol, Hydroxyzin).
Bei niedrig dosierten Neuroleptika sind das fehlende
Abhängigkeitspotenzial und die Möglichkeit der Verabreichung als
Depot-Injektion von Vorteil, Nebenwirkungen sind allerdings
häufig.
Betablocker: bei situativer und vorwiegend körperlicher
Angstsymptomatik.
Bei leichteren Symptomen kann initial ein Versuch mit pflanzlichen
Sedativa gestartet werden (cave Alkoholgehalt!).
Zu den chemisch neuartigen Non-Benzodiazepin-Tranquilizern zählt
Buspiron.
Benzodiazepin-Tranquilizer:
Klinisches Wirkprofil: angstlösend, sedierend, muskelrelaxierend,
antiepileptisch.
Zum Teil besteht ein fließender Übergang zu Benzodiazepin-Hypnotika
Da bei einigen Benzodiazepinen die antikonvulsive Wirkung stark
ausgeprägt ist (z.B. Diazepam, Clonazepam), finden sie (auch)
Anwendung in der Behandlung von Epilepsien.
Einteilung der Benzodiazepine nach pharmakokinetischen
Eigenschaften (Eliminationshalbwertszeit): kurz, mittellang und
lang wirkend.
Viele Benzodiazepine besitzen den gemeinsamen aktiven Metaboliten
Desmethyldiazepam (Nordazepam) und stellen somit eigentlich nur
„Prodrugs" dar. Das Entstehen aktiver Metaboliten ist mit einer
überlangen Wirkdauer verknüpft.
Pharmakologie und Biochemie der Benzodiazepine:
Sie sollen die hemmende Funktion GABAerger Neurone verstärken,
indem sie mit spezifischen Benzodiazepin-Rezeptoren in Interaktion
treten (Abb. 6.5).
Praktische Anwendung: Hauptindikationsgebiete der BenzodiazepinTranquilizer sind psychogene, Psychoreaktive,
psychosomatische, funktionelle Störungen, (z. B. muskuläre
Verspannungen) sowie abnorme Konflikt- und Erlebnisreaktionen.
Wichtigste Zielsymptome sind Angstund/oder Erregungszustände.
Tranquilizer bieten die Möglichkeit, psychovegetative Krisen, den
„psychovegetativen Störkreis", zu durchbrechen.
Benzodiazepine werden als Zusatzmedikation bei depressiven
Erkrankungen, zur symptomatischen Dämpfung bei
Erregungszuständen sowie zur Behandlung von Entzugssyndromen
und als Antiepileptika eingesetzt.
Tranquilizer können dazu führen, dass die Auseinandersetzung mit den
Problemen nicht stattfindet („medikamentöse Abschirmung der
Seele").
Die Verordnung sollte in der Regel nur kurzfristig (nicht länger als 3
Monate) erfolgen. Patienten mit einer Suchtanamnese sollten
keine Benzodiazepin-Tranquilizer erhalten.
In vielen Fällen sind psychotherapeutische Behandlung und/oder
Entspannungsverfahren notwendig.
Die Verordnung sollte in niedrigst möglicher, aber ausreichender
Dosierung erfolgen. Benzodiazepine sollten grundsätzlich langsam
ausschleichend abgesetzt werden.
Vor allem zu Beginn der Behandlung kann es zu Müdigkeit, Schläfrigkeit
und Konzentrationsminderung und Einschränkung der geistigen
Leistungsfähigkeit kommen. Benommenheit, Koordinationsstörungen,
Schwindel und Ataxie treten vor allem bei älteren Menschen auf und
sind Zeichen relativer Überdosierung.
Wegen der muskelrelaxierenden Wirkung sind Benzodiazepine bei
Myasthenie kontraindiziert, ebenso bei Alkohol-, Analgetika- und
Psychopharmaka-Intoxikationen. Benzodiazepine sollten bei
Schlafapnoe, im ersten Trimenon, präpartal sowie in der Stillzeit nicht
verordnet werden.
Hypnotika
Definition: Jedes Arzneimittel, das Schlaf erzeugt, wird Hypnotikum
genannt. Es handelt sich um keine scharf abgegrenzte
Arzneimittelgruppe. Wann ein Sedativum zum Hypnotikum, ein
Hypnotikum zum Sedativum oder auch zum Narkotikum wird, ist eine
Frage der Dosierung.
Historisches: Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckte man die sedative
Wirkung der Bromide, Mitte des Jahrhunderts folgten als erste
organisch-synthetische Schlafmittel Chloralhydrat und Paraldehyd.
Anfang des 20. Jahrhunderts folgte die Ära der Barbiturate (z. B.
Veronal). Anfang und Mitte der 60er Jahre begann dann mit
Diazepam (Valium) und Nitrazepam (Mogadan) das Zeitalter der
Benzodiazepin-Hypnotika, die bis heute die meistverordnete
Substanzgruppe darstellen (Tab. 6.7, Abb. 6.7)
Einteilung: Benzodiazepine, Non-Benzodiazepin-Hypnotika (Zaleplon,
Zolpidem, Zopiclon), Chloralhydrat, pflanzliche Sedativa, andere bei
Schlafstörungen wirksame Substanzen (z. B. sedierende
Antidepressiva, Antihistaminika).
Pharmakologie und Biochemie:
Abb. 6.8 zeigt den günstigen Effekt eines BenzodiazepinHypnotikums auf den gestörten Schlaf (Schlafprofil).
Zu den chemisch neuartigen Nicht-Benzodiazepin-Hypnotika zählen
Zaleplon, Zopiclon und Zolpidem. Diese wirken ähnlich wie die
Benzodiazepine.
Barbiturate reduzieren den Tiefschlaf und die Dauer des REMSchlafes. Chloralhydrat zeigt günstige Effekte auf das Schlafprofil,
jedoch bestehen Kumulationsgefahr, Wirkverlust und eine geringe
therapeutische Breite.
Praktische Anwendung: Die möglichen Ursachen von Schlafstörungen
sind äußerst vielfältig. Bei jüngeren sind es eher psychosoziale
Stressoren, bei Älteren eher Körperkrankheiten. Manchmal ist gar
keine eigentliche Behandlung notwendig, sondern nur die Korrektur
falscher Vorstellungen bezüglich des Schlafbedarfs oder die
Herstellung einer „natürlichen Erschöpfung".
Empfehlungen zur „Psychohygiene", Entspannungsverfahren sowie
verhaltenstherapeutischen Maßnahmen haben deshalb große
Bedeutung.
Zunächst kann ein Versuch mit einem Phytotherapeutikum bei
leichteren Schlafstörungen gemacht werden (Hopfen, Baldrian).
Erste Wahl sind Benzodiazepin-Hypnotika. Benzodiazepine mit kurzer
Halbwertszeit sind v. a. bei Einschlafstörungen wirksam (Vorteil
fehlender Hangover, Nachteil vermehrte Reboundsymptome).
Substanzen mit langer Halbwertszeit sollten wegen
Kumulationsgefahr und Hangover zurückhaltend eingesetzt werden.
Zur Therapie von Schlafstörungen bei Depressionen sollten primär
sedierende Antidepressiva eingesetzt werden.
Schwach potente Neuroleptika können bei suchtgefährdeten
Patienten, psychomotorischen Erregungszuständen und
Schlafstörungen im Rahmen von Psychosen verordnet werden.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen:
Das Reaktionsvermögen kann beeinträchtigt sein. Die
Langzeiteinnahme kann zu Antriebsverminderung und emotionaler
Abstumpfung mit Gleichgültigkeit führen.
Das Abusus-Potenzial der Benzodiazepin-Hypnotika muss beachtet
werden (sog. Niedrigdosis-Abhängigkeit).Beachtet werden muss
allerdings der Alkoholgehalt.
Antidepressiva (Thymoleptika)
Definition: Als Antidepressiva wird eine Klasse von chemisch
unterschiedlichen Medikamenten bezeichnet, die vorwiegend zur
Behandlung von depressiven Störungen eingesetzt wird und zum Teil
recht unterschiedliche Wirkprofile aufweist. Allen gemeinsam ist die
stimmungsaufhellende und antriebsnormalisierende Wirkung mit der
auch ein Abklingen der körperlichen Depressionssymptome
einhergeht.
Historisches: 1957 entdeckte der Schweizer Psychiater R. Kuhn die
Substanz Imipramin. Seitdem sind zahlreiche weitere trizyklische,
tetrazyklische und schließlich chemisch neuartige Antidepressiva
hinzugekommen (Abb. 6.9).
Einteilung: „klassische" trizyklische Antidepressiva, tetrazyklische und
modifizierte trizyklische Antidepressiva, serotoninselektive
Antidepressiva, noradrenalinselektive Antidepressiva, serotoninnoradrenalinselektive Antidepressiva, Monoaminoxidasehemmer,
atypische Antidepressiva, pflanzliches Antidepressivum
(Johanniskraut).
Pharmakologie und Biochemie:
Antidepressiva erhöhen die Konzentration der Neurotransmitter
Noradrenalin und/oder Serotonin im synaptischen Spalt.
Bei Depressiven sind z.T. die Neurotransmitter Noradrenalin und
Serotonin ungleich verteilt („Dysbalance") oder erniedrigt. Bei
längerfristiger Applikation von Antidepressiva kommt es zu
Veränderungen der Rezeptorempfindlichkeit. Die präsynaptische
Wiederaufnahmehemmung (z.B. von Serotonin) führt zu adaptiven
Veränderungen auf Rezeptorebene. So könnte die Wirklatenz erklärt
werden (Abb. 6.10).
Praktische Anwendung:
Für die praktische Handhabung genügt es, die Antidepressiva nach ihrer
Wirkung einzuteilen (Tab. 6.9). Antidepressiva wirken umso deutlicher
und verlässlicher je stärker das depressive Syndrom ausgeprägt ist.
Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen, die
Behandlungsdauer muss mind. 3 Wochen betragen, mit dem
Einsetzen des antidepressiven Effekts ist erst nach ca. 1-2
Wochen zu rechnen.
Bei leichteren Depressionen kann Johanniskraut in ausreichender
Dosierung eingesetzt werden.
Grundsätzlich sollte nur ein Antidepressivum verordnet werden.
Bei agitiert-ängstliehen Depressionen oder Suizidalität sollten
bevorzugt sedierende Antidepressiva angewandt werden
Depressionen erfordern von allen an der Behandlung Beteiligten
ein hohes Maß an Geduld. Stellt sich trotz mehrwöchiger
Behandlung in adäquater Dosierung keine ausreichende Besserung
ein, sollte - nach Überprüfung der Diagnose - auf ein anderes
Antidepressivum mit anderem Wirkmechanismus/-schwerpunkt
umgestellt werden.
Ist eine Langzeitbehandlung nicht indiziert, kann das Medikament nach
6 Monaten „ausgeschlichen" werden. Ansonsten ist insbesondere bei
bipolaren Erkrankungen die Indikation einer Lithium-Prophylaxe,bei
unipolarer Depression eine Prophylaxe mit Antidepressiva zu prüfen.
Bleiben Depressionen bei Behandlung mit zwei richtig gewählten und
richtig dosierten Antidepressiva, die während jeweils 3 Wochen
eingenommen wurden, unbeeinflusst (therapieresistente Depression)
kann eine Infusionstherapie versucht werden.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen:
Im Vordergrund stehen bei den älteren trizyklischen Antidepressiva
vegetativ-anticholinerge Nebenwirkungen. Seltene Nebenwirkungen
sind Harnsperre, paralytischer Ileus, Cholestase, Blutbildschäden,
orthostatische Hypotonie (Tab. 6.10).
SSRI verursachen vor allem gastrointestinale Störungen (Übelkeit)
und innere Unruhe.
Nebenwirkungen treten v. a. in den ersten Behandlungstagen auf
(u.a. deshalb einschleichende Dosierung) und klingen im Lauf der
Therapie ab. Zu Beginn einer Behandlung sollte kein
Kraftfahrzeug geführt werden.
Behandlung der Nebenwirkungen: Dihydroergotamin bei
Blutdrucksenkung, Betablocker bei Tremor, Cholinergikum : gegen
Harnsperre, Physostigmin als Antidot bei Intoxikation
Kontraindikationen sind u.a. akute Alkohol- und, Delir, Harnverhalt.
Keine Kombination von SSRI mit irreversiblen MAO-Hemmern.
Als Begleitmedikation bzw. zur Überbrückung der Wirklatenz
können Benzodiazepine oder schwachpotente Neuroleptika
eingesetzt werden.
Phasenprophylaktika/ Stimmungsstabilisierer
Definition: Phasenprophylaktika (neuerdings auch
Stimmungsstabilisierer [Mood Stabilizer] genannt) ermöglichen es,
das Wiederauftreten zukünftiger Krankheitsphasen affektiver
Psychosen zu verhindern oder zumindest in Ausmaß und/oder Dauer
zu reduzieren.
Historisches: Als Meilenstein in der Geschichte der
Langzeitbehandlung affektiver Psychosen kann die Entdeckung der
rezidivprophylaktischen Wirkung von Lithium gelten. In den letzten
Jahren ließ sich auch für bestimmte Antiepileptika eine
rezidivprophylaktische Wirkung bei affektiven und schizoaffektiven
Psychosen nachweisen (Carbamezepin, Valproat).
Einteilung: s. Tab. 6.12.
Pharmakologie und Biochemie: Lithium hat u.a. eine
serotoninagonistische Wirkung und beeinflusst das zirkadiane
System. Es wird renal ausgeschieden (cave Interaktionen mit
Diuretika!). Es besteht nur eine geringe therapeutische
Breite (regelmäßige Kontrollen des Serumspiegels).
Der neuronale Wirkmechanismus von Carbamazepin ist noch
unbekannt. Regelmäßige Blutspiegelkontrollen sind
empfehlenswert.
Praktische Anwendung: Bei der Indikationsstellung muss das
individuelle Rückfallrisiko abgeschätzt werden. In etwa 6580% der behandelten Fälle hat die Lithium-Gabe Erfolg.
Dieser zeigt sich in völliger Rezidivfreiheit oder in einer
Verminderung der Häufigkeit, des Schweregrades bzw. der
Dauer der Rezidive (Abb. 6.12).
Die Kontrolle der Lithium- und Carbamazepin-Serumspiegel
sollte 12 Stunden nach der letzten Tabletteneinnahme erfolgen.
Ein Lithium- bzw. Carbamazepin-Pass hat sich als
Kooperationshilfe bewährt. Therapeutischer Bereich: 0,5-0,8
mmol/l.
Zusätzliche Kontrollen: bei körperlichen Erkrankungen, Diäten,
nach Salz- und Flüssigkeitsverlusten, bei Behandlung mit
Diuretika.
Die praktische Durchführung der Behandlung mit Carbamazepin
folgt den gleichen Grundsätzen. Therapeutischer Bereich:
Plasmaspiegel 6-12 ug/ml.
Nebenwirkungen, Intoxikation und Gegenanzeigen:
Häufige Nebenwirkungen unter Lithium sind Durst, Tremor,
Struma, Gewichtszunähme, Diarrhö (Tab. 6.13).
Einer Strumaentwicklung kann mit L-Thyroxin vorgebeugt
werden.
Wichtigste Ursachen einer Lithium-Intoxikation sind
Dehydratation und Kochsalzmangel. Ab einem LithiumSpiegel von 2,0 mmol/1 kommt es zum Auftreten von
Intoxikationssymptomen (Tab. 6.14). Bei Lithium-lntoxikation
erfolgt die Therapie durch parenterale Kochsalzzufuhr und
forcierte Diurese, evtl. Hämodialyse.
Absolute Kontraindikationen für Lithium sind akutes
Nierenversagen, Myokardinfarkt sowie das erste
Schwangerschaftsdrittel, Lithium sollte ca. 48 Stunden vor
Narkosen und Operationen abgesetzt werden.
Mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen von
Carbamazepin s. Tab. 6.15.
Neuroleptika/Antipsychotika
Definition: Unter dem Begriff Neuroleptika werden Psychopharmaka
zusammengefasst, die sich durch ein charakteristisches
Wirkspektrum auf die Symptome psychotischer Erkrankungen
auszeichnen. Ihr klinisch-therapeutischer Effekt beruht auf ihrer
dämpfenden Wirkung auf psychomotorische Erregtheit, Aggressivität,
affektive Spannung, psychotische Sinnestäuschungen, psychotisches
Wahndenken, katatone Verhaltensstörungen und schizophrene IchStörungen. Das Risiko einer Abhängigkeit besteht nicht.
Historisches: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden pharmazeutische
Entwicklungsprogramme für Antihistaminika aufgenommen und u.a.
das Phenothiazinderivat Chlorpromazin entwickelt. Die französischen
Psychiater Delay und Deniker teilten 1952 mit, dass durch die
alleinige Verabreichung von Chlorpromazin schizophrene Psychosen
nachhaltig therapeutisch zu beeinflussen waren. 1958 wurde die
Gruppe der Butyrophenone mit dem Hauptvertreter Haloperidol durch
Janssen entdeckt.
Einteilung:
Nach der chemischen Struktur lassen sich unterscheiden:
trizyklische Neuroleptika (Phenothiazine, Thioxanthene),
Butyrophenone, Dibenzoepine, Benzamide, chemisch neuartige
Antipsychotika: z. B. Olanzapin, Risperidon.
Im klinischen Bereich setzt sich zunehmend die Einteilung in:
-typische (traditionelle, „klassische") und
-atypische („neuere") Neuroleptika bzw. Antipsychotika durch.
Die klinische Einteilung typischer Neuroleptika berücksichtigt die
neuroleptische Potenz: Schwachpotente Neuroleptika wirken eher
sedierend, hochpotente Neuroleptika v. a. antipsychotisch (Tab.
6.16).
Pharmakologie und Biochemie:
Neuroleptika rufen eine Dopamin-Rezeptorblockade hervor (Abb.
6.13). Hauptangriffspunkte sind die mesolimbisch-mesokortikalen
Bahnen.
Neuroleptika besitzen außerdem antihistaminische, antiemetische,
antiadrenerge, anticholinerge und antiserotonerge Wirkungen.
Praktische Anwendung: Indikationen s. Tab. 6.17.
Hochpotente Neuroleptika werden v. a. bei psychotischen
Zustandsbildern eingesetzt, schwachpotente Neuroleptika mit
dämpfender und schlafanstoßender Wirkung v. a. bei
psychomotorischen Erregungszuständen.
Die praktische Durchführung einer Therapie mit Neuroleptika ist oft
problematisch, da ein Teil der Psychosekranken mangelnde bis
fehlende Krankheitseinsicht aufweist.
Die Dosierung erfolgt individuell (Abb. 6.15).
Wegen der oft besseren Compliance haben sich Depot-Injektionen
bewährt. Der primäre Effekt der Rezidivprophylaxe beruht auf
einer Verminderung der Reizüberempfindlichkeit sowie der
erhöhten Vulnerabilität psychisch Kranker gegenüber Stress. So
früh wie möglich sollte die niedrigste erforderliche
Erhaltungsdosis herausgefunden werden.
Nach einem ersten Rezidiv sollte eine Langzeitmedikation über
mindestens ein Jahr erfolgen, bei drei und mehr Rückfällen ist
eine langjährige Neuroleptika-Medikation zu erwägen (s.a.S. 153,
Tab. 4.29).
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen: s. Tab. 6.18.
Mögliche Blutbildveränderungen machen regelmäßige
Blutbildkontrollen erforderlich (s. Abb. 6.2, S. 470).
Schwachpotente Neuroleptika:
Blutdrucksenkung, vegetative Symptome.
Hochpotente Neuroleptika:
Extrapyramidal-motorische Symptome:
-Frühdyskinesien (Blickkrämpfe, Zungen-Schlundkrämpfe), akut
auftretend, durch Biperiden kupierbar.
-Parkinson-Syndrom (Parkinsonoid): Tremor, Rigor, Akinese nach
Tagen/ Wochen auftretend, Rückbildung unter Biperiden. Eine
prophylaktische Gabe von Parkinsonmitteln sollte nicht erfolgen
(Wirkungsabschwächung).
-Akathisie bzw. Tasikinesie (Sitz- oder Bewegungsunruhe) zwingen
zur Dosisreduktion oder zum Umsetzen.
-Spätdyskinesien (tardive Dyskinesien): Treten als irreversible
Komplikationen einer Langzeitbehandlung mit hochpotenten
Neuroleptika auf und umfassen Tics im Gesichtsbereich,
Schaukelbewegungen des Körpers und verschiedenste Formen von
Bewegungsstörungen. Es kann versucht werden, auf ein anderes
Neuroleptikum umzusetzen, vorübergehend hilft manchmal eine
Dosiserhöhung.
Eine sehr seltene, aber gravierende Nebenwirkung ist das maligne
neuroleptische Syndrom (Rigor, Stupor, Fieber, hohe CK-Werte).
Unbehandelt kann es zum Tod führen.
Die neuen, sogenannten atypischen Neuroleptika bewirken kaum
noch extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen und zeigen
auch Wirkung auf die sogenannte Minussymptomatik.
Kontraindikationen sind akute Intoxikationen mit zentral dämpfenden
Pharmaka und Alkohol. Bei Patienten mit Leukopeniein der
Anamnese sollten trizyklische Neuroleptika und v. a. Clozapin nicht
verabreicht werden.
Mögliche Interaktionen s. Tab. 6.19.
Antidementiva (Nootropika)
Definition: Es handelt sich um zentralnervös wirksame Arzneimittel, die
bestimmte Hirnfunktionen wie Gedächtnis, Konzentrations-, Lernund Denkfähigkeit verbessern sollen. Wichtigste Zielgruppe sind
geriatrische Patienten, bei denen im Rahmen eines zerebralen
Abbauprozesses psychopathologische und neurologische Störungen
im Sinne eines chronischen hirnorganischen Psychosyndroms
(Demenz) vorliegen.
Man versucht heute eine Stoffwechselverbesserung der noch nicht
degenerierten Zellen zu erreichen und Einfluss auf die gestörte
Mikrozirkulation und Kalzium-homöostase zu nehmen (Tab. 6.20).
Zur Behandlung der Alzheimer-Demenz liegen die
Acetylcholinesterasehemmer Donepezil, Galantamin und Rivastigmin
vor. Die Substanzen müssen einschleichend aufdosiert werden
Ein Behandlungsversuch mit Antidementiva ist durchaus
gerechtfertigt und sollte über mindestens 3 Monate durchgeführt
werden. Erfolge sind nur beim hirnorganischen Psychosyndrom
leichtgradiger bis mittlerer Ausprägung zu erwarten. Schwere
Demenzen sind einer Therapie mit Antidementiva/Nootropika nicht
Weitere Psychopharmaka
Psychostimulanzien (Psychotonika, Psychoenergetika)
Definition: Psychostimulanzien wirken vorwiegend psychisch anregend
und antriebsstimulierend sowie kurzzeitig leistungs- und
konzentrationssteigernd. Einige Substanzen unterdrücken das
Hungergefühl. In höheren Dosen erzeugen sie Euphorie. Sie führen
rasch zur Gewöhnung und Abhängigkeit.
Einteilung: Die heterogene Gruppe der Psychostimulanzien umfasst u.a.
Koffein, Nikotin, Kokain und Weckamine (Amphetamine). Stimulanzien
vom Amphetamin-Typ setzen Katecholamine aus ihren Depots frei und
wirken auf dopaminerge und noradrenerge Rezeptoren
Indikationen: Narkolepsie, ADHS bei Kindern. Bei psychomotorisch
exzessiv unruhigen Kindern konnte in 70-80% der Fälle die Symptomatik
durch Methylphenidat deutlich gebessert werden.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen: Tachykardie, Schlafstörungen,
Inappetenz, Tremor, Ängstlichkeit, Aggressivität, Psychosen. Bei
minderwüchsigen Kindern sind Psychostimulanzien kontraindiziert, da
sie das Längenwachstum verzögern.
Wegen der Missbrauchs- und Abhängigkeitsgefährdung muss die
Verordnung auf die angegebenen Indikationen begrenzt bleiben.
Acamprosat
Definition: Acamprosat (Campral) ist eine neu entwickelte
Substanz, die zur medikamentös gestützten Rückfallprophylaxe
der Alkoholabhängigkeit eingesetzt werden kann.
Neurobiochemisch wirkt Acamprosat als Glutamatmodulator.
Praktische Anwendung: Es kommt zu einer Abnahme des
Verlangens nach Alkohol („Anti-Craving"). Die übliche
Tagesdosis beträgt 2 g. Der Einsatz erfolgt nach Abschluss der
Entgiftungsbehandlung.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen: Nach den vorliegenden
Erfahrungen ist das Präparat gut verträglich, sedierende
Wirkungen fehlen, es besitzt kein eigenes
Abhängigkeitspotenzial.
Clomethiazol
Definition: Clomethiazol (Distraneurin) ist strukturchemisch mit
Thiamin (Vitamin Bl) verwandt und besitzt sedierende,
antikonvulsive und hypnotische Eigenschaften
Indikationen: Hauptindikation ist die Behandlung des Delirs
(Alkoholentzugsdelir). In der Gerontopsychiatrie wird
Clomethiazol wegen seiner hypnotischen Wirkung eingesetzt.
Angesichts der Suchtgefahr sollte es jedoch nur kurzfristig
verordnet werden.
Praktische Anwendung: Die Dosierung erfolgt nach
Sedierungsgrad: Ziel ist eine Sedierung, aus der der Patient
jederzeit erweckbar ist.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen: Bronchiale
Hypersekretion, Atemdepression und Kreislaufdysregulation.
Cave: Kombination mit Tranguilizern, Hypnotika oder Alkohol.
Disulfiram
Definition: Disulfiram (Antabus) wird zur medikamentösen
Alkoholentwöhnung eingesetzt. Es handelt sich um einen
Enzyminhibitor, der durch Blockade der Aldehyddehydrogenase
einen Überschuss an toxischem Acetaldehyd bewirkt.
Praktische Anwendung: Nach Einnahme von wenigen Gramm
Alkohol reichert sich unter Disulfiram Acetaldehyd im Blut an
und es kommt zu vegetativen Unverträglichkeitsreaktionen
(Übelkeit, Brechreiz, Schwindel, Tachykardie
Die Einleitung der Behandlung erfordert die vorherige Entgiftung.
Nebenwirkungen: u.a. Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel,
Polyneuritiden, psychotische Episoden. Gegenanzeigen: u.a.
Diabetes mellitus, schwere Herzinsuffizienz, Leber- und
Nierenfunktionsstörungen
Cyproteron
Definition: Cyproteron (Androcur) ist ein Steroidhormon mit
antiandrogener und gestagener Wirkung.
Indikationen: Begleitende Behandlung bei abnormer oder
krankhaft gesteigerter Sexualität. Die Substanz kann zwar die
Triebstärke reversibel dämpfen, i. d. R. aber nicht die
Sexualdeviation.
Nebenwirkungen: Müdigkeit, Hemmung der Spermiogenese,
Gynäkomastie.
Kontraindikation: Lebererkrankungen, Thromboembolien,
chronische Depression, maligne Tumoren (Ausnahme:
Prostataca.)
Parkinsonmittel
Definition: (Anti-)Parkinsonmittel beeinflussen das gestörte
Gleichgewicht der Neurotransmitter Acetylcholin und Dopamin,
das der Parkinson-Erkrankung zugrunde liegt.
Zur Behandlung neuroleptikainduzierter extra pyramidalmotorischer Nebenwirkungen werden Anticholinergika wie
Biperiden (Akineton) eingesetzt. Frühdyskinesien können
beseitigt, Parkinsonoide deutlich gebessert werden.
Anticholinergika weisen neben einer euphorisierenden
Wirkung eine delirogene Potenz auf und können v. a. bei
Alterspatienten zu Verwirrtheitszuständen und
Funktionspsychosen führen. Die vor allem bei akinetischen
Krisen eingesetzten Amantadine können Schlafstörungen,
exogene Psychosen und zentralnervöse Übererregbarkeit
verursachen.
Bei Kombination von Parkinsonmitteln mit (trizyklischen)
anticholinergen Antidepressiva auf Delirgefahr achten!
Andere biologische Therapieverfahren
Historisches: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hoffte man durch körperliche
Eingriffe psychische Krankheiten heilen zu können.
-1917 führte Wagner-Jauregg die Malaria-Kur in die Behandlung der
progressiven Paralyse ein.
-Klaesi wandte 1921 die Schlafkur (Dauer-/Heilschlaf) mittels Barbituraten
zur Behandlung erregter Psychosen an.
-Anfang der 30er Jahre wurde die Beeinflussung schwerer Formen
schizophrener oder affektiver Psychosen durch hypoglykanische Zustände
oder Schocks mittels Insulin-Kur durch Sakel eingeführt.
Durch die Entdeckung und Einführung der Psychopharmaka gelten die
genannten Therapieverfahren heute als überholt und obsolet.
Folgende Verfahren können bei bestimmten Krankheitsbildem zum Einsatz
kommen:
-Schlafentzugsbehandlung -endogene Depression
-Foto-(Licht-)Therapie -saisonale Depression
-Elektrokrampftherapie -endogene Depression, Schizophrenie (Katatonie)
Schlafentzugsbehandlung
Schon in den 60er Jahren wurde beobachtet, dass sich manche
depressive Patienten nach einer zufällig oder absichtlich
schlaflos verbrachten Nacht für einige Tage besser fühlten.
Es lassen sich 3 Arten von Schlafentzug unterscheiden:
-totaler (ganze Nacht)
-partieller (2. Nachthälfte)
-selektiver Schlafentzug.
Hauptindikation sind primär endogene Depressionen. Ca. 50%
der Patienten sprechen auf die Behandlung an. Es kommt am
Tag danach zu einer spürbaren Stimmungsaufheiterung, die
aber meist nur kurz anhält. Die Therapie wird 1-2 x pro Woche
durchgeführt, meist in Kombination mit Antidepressiva. Der
Patient darf am Abend vor der Schlafentzugsnacht keine
sedierende Medikation erhalten. Relevante Nebenwirkungen
sind nicht bekannt.
Lichttherapie (Fototherapie)
Lichttherapie kann zur Behandlung saisonaler Depressionen
(„Herbst/Winter-Depression") eingesetzt werden. Leitsymptome
dieser Depressionsform sind vermehrtes Schlafbedürfnis,
Gewichtszunahme, verminderte Energie und (häufig)
Kohlenhydratheißhunger.
Als Lichtquelle dient fluoreszierendes Licht mit einer Intensität von
2500-10 000 Lux. Die Dauer der Behandlung beträgt etwa 2-3
Stunden täglich für ca. 1 Woche.
Ernsthafte Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Bei der
Kombination von Lichttherapie und Psychopharmaka (TZA,
Lithium) ist eine augenärztliche Kontrolluntersuchung
notwendig.
Elektrokrampftherapie (EKT)
Induktion eines generalisierten Krampfanfalles durch elektrische
Stimulation des ZNS unter kontrollierten Bedingungen.
Hauptindikationen:
-endogene Depressionen („therapieresistent", Stupor),
-Katatonie,„therapieresistente Schizophrenien„
-Bei der sehr seltenen, lebensbedrohlichen perniziösen
Katatonie ist die EKT bislang die einzige bekannte lebensrettende
Maßnahme.
Der genaue Wirkmechanismus ist bislang unklar.
Bei gegebener Indikation ist dieses Behandlungsverfahren gut
wirksam. Die Wirkung ist aber meist nicht von Dauer. Deshalb sind
wiederholte Applikationen erforderlich (in der Regel 3-mal pro
Woche).
Die Einwilligung des Patienten nach Aufklärung ist erforderlich.
Die Behandlung erfolgt in Kurznarkose. Heute wird meist die
unilaterale Stimulation der nichtdominanten Hemisphäre
durchgeführt, da so deutlich weniger Nebenwirkungen
auftreten.
Das Behandlungsrisiko entspricht heute im Wesentlichen nur
noch dem Narkoserisiko.
Typische Nebenwirkungen sind akute, reversible
Verwirrtheitszustände und Gedächtnisstörungen, die meist
innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen abklingen.
Kontraindikationen sind erhöhter Hirndruck, Aneurysmen und
frischer Herzinfarkt
Transkranielle Magnetstimulation
Diese Methode kommt seit einiger Zeit bei therapieresistenter
Depression zum Einsatz.
Vagusnervstimulation
Dieses Verfahren befindet sich noch im experimentellen
Stadium. Erste Studien lassen einen Nutzen bei ansonsten
therapieresistenten Depressionen vermuten.
Psychochirurgie
Die Psychochirurgie ist zur Zeit in Deutschland ohne Bedeutung.
Physiotherapie
Physikalische Maßnahmen können im Sinne einer roborierendadjuvanten Therapie angewendet werden. Sie dienen der
Aktivierung und Stabilisierung psychovegetativer Labilität und
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