conductor

Werbung
Gliederung der Vorlesungen zum
römischen Privatrecht
Sommersemester
• Historischer Überblick:
Deliktsrecht
• Stellvertretung
• Vertrags- und
Obligationensystem
• Leistungsstörungen
• Kaufvertrag: Struktur und
Sachmängelhaftung
• Eigentumserwerb
• Eheschließung und
Ehegüterrecht
Wintersemester
• Historischer Überblick:
Eigentumserwerb
• Verdingung (Miet-, Pacht-,
Werk- und Dienstvertrag)
• Darlehen
• Bereicherungsrecht
• Eigentums- und
Besitzschutz
• Deliktsrecht
• Pfandrecht,
Sicherungsübereignung
und Eigentumsvorbehalt
• Testamentserrichtung
und -auslegung
Das Abstraktionsprinzip im BGB
§ 929 S. 1
Zur Übertragung des Eigentums an einer
beweglichen Sache ist erforderlich, dass der
Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und
beide darüber einig sind, dass das Eigentum
übergehen soll.
§ 873 Abs. 1
Zur Übertragung des Eigentums an einem
Grundstück … ist die Einigung des Berechtigten und
des anderen Teils über den Eintritt der
Rechtsänderung und die Eintragung der
Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ….
Das Abstraktionsprinzip im BGB
§ 929 S. 1
Zur Übertragung des Eigentums an einer
beweglichen Sache ist <nur> erforderlich, dass der
Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und
beide darüber einig sind, dass das Eigentum
übergehen soll.
§ 873 Abs. 1
Zur Übertragung des Eigentums an einem
Grundstück … ist <nur> die Einigung des
Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt
der Rechtsänderung und die Eintragung der
Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ….
Das Abstraktionsprinzip im BGB …
… setzt das Trennungsprinzip voraus: Es gibt zwei
verschiedene Verträge, ein Verpflichtungs- oder
Grundgeschäft, das zur Eigentumsübertragung verpflichtet
oder den Rechtsgrund hierfür liefert, und ein
Verfügungsgeschäft, das erst den Übergang des
Eigentums bewirkt.
… bedeutet, dass das Verfügungsgeschäft unabhängig vom
Verpflichtungsgeschäft wirksam ist.
… soll dem Verkehrsschutz dienen: Dritte dürfen sich auf das
Eigentum des Erwerbers verlassen, brauchen nicht den
Rechtsgrund zu prüfen.
… führt dazu, dass der Bereicherungsausgleich nach § 812
Abs. 1 große Bedeutung hat.
Zwölftafelgesetz
450 v. Chr.
Untergang
Westroms
klass. röm.
rep.
Jurispr. Jurisprudenz
Wiederentdeckung
der Digesten
476 n. Chr.
0
533/534
1050
Corpus Iuris civilis
oström. Kaiser Justinian
Wiederentdeckung
der Digesten
Glossatoren
1050
ius commune =
gemeineuropäisches römisches Recht
Kommentatoren
1250
1500
Humanisten
Vernunftrechtler
1650
Pandektisten
1800
1900
Naturrechtsgesetzbücher
BGB
ALR, CC, ABGB
OR+ZGB
Das Zwölftafelgesetz (lex duodecim tabularum)
… wird 451/450 v. Chr. von einem Zehnmännerkollegium mit
Regierungsgewalt erarbeitet.
… ist für fast 1000 Jahre die einzige Kodifikation des
römischen Rechts, das später vor allem Juristenrecht ist.
… enthält Neuerungen vor allem im Recht der
Zwangsvollstreckung, die im Interesse des beim Adel, den
Patriziern, verschuldeten gemeinen Volkes, den Plebejern,
gemildert wird.
… führt auch schon etablierte Rechtsinstitute wie etwa die
mancipatio auf.
Die Übereignung durch mancipatio
Gai 1.119
Est autem mancipatio, ut supra quoque diximus, imaginaria quaedam
venditio: quod et ipsum ius proprium civium Romanorum est; eaque res ita
agitur: adhibitis non minus quam quinque testibus civibus Romanis
puberibus et praeterea alio eiusdem condicionis, qui libram aeneam
teneat, qui appellatur libripens, is, qui mancipio accipit, rem tenens ita
dicit: HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO
ISQUE MIHI EMPTUS ESTO HOC AERE AENEAQUE LIBRA; deinde
aere percutit libram idque aes dat ei, a quo mancipio accipit, quasi pretii
loco.
Die mancipatio ist aber, wie wir schon oben gesagt haben, eine Art
imaginären Kaufs; auch sie ist eine Einrichtung des den römischen
Bürgern eigentümlichen Rechts. Das Geschäft wird folgendermaßen
vollzogen: Unter Beiziehung von nicht weniger als fünf erwachsenen
römischen Bürgern als Zeugen und einer weiteren Person desselben
Status, die eine eherne Waage hält und Waagenhalter genannt wird,
spricht derjenige, der durch die mancipatio erwirbt, indem er die Sache
ergreift: „Ich sage und behaupte, dass dieser Sklave nach Zivilrecht mir
gehört, und er sei von mir gekauft mit diesem Erz und dieser Waage“.
Darauf schlägt er mit dem Erz gegen die Waage und gibt dieses Erz,
gleichsam anstelle des Kaufpreises, dem, von dem er durch die
mancipatio erwirbt.
Die mancipatio …
… war ursprünglich ein Kaufvertrag in Gestalt eines Barkaufs,
bei dem Kaufsache und Kaufpreis unmittelbar ausgetauscht
wurden.
… wurde, als das Verkehrsbedürfnis nach Distanzgeschäften
entstand, zu einem Erfüllungsgeschäft für einen schon
früher geschlossenen Vertrag über den Leistungsaustausch.
… blieb, da es der Form nach weiterhin ein Kauf war, für sich
genommen, als ohne Rücksicht auf den vorangehenden
Vertrag wirksam, war also abstrakt.
… war nur bei res mancipi möglich: Sklaven, Herdentiere,
Grundstücke in Italien und Felddienstbarkeiten.
Die republikanische Verfassung seit 367 v. Chr.
Zenturiatskomitien
Ritter, 1. Vermögensklasse
haben Mehrheit
Wahl
2 Konsuln
(Höchstmagistrat,
1 Plebejer)
concilia
plebis
Senat
(600 ehemalige
Magistrate)
(Volksversammlung, einberufen und
geleitet von Volkstribunen)
Prätor(en)
(Gerichtsmagistrat)
2 kurulische Ädilen
(Polizeibehörde)
2 Quästoren
(Staatskasse, -archiv)
senatus consulta
(rechtl. unverbindliche
Empfehlungen)
wegen auctoritas senatus
tatsächlich verbindlich
plebiscita
seit lex Hortensia 287
v. Chr. verbindlich
vom Senat über die
Tribunen gesteuert
Die Jurisprudenz in der römischen Republik …
… lag ursprünglich in Händen der Priester.
… wandelt sich durch öffentliche Gutachten und öffentlichen
Rechtsunterricht ab der Mitte des 3. Jh. v. Chr.
… bringt als erstes bekanntes Werk einen Kommentar zum
Zwölftafelgesetz hervor, den Sextus Aelius 198 v. Chr. verfasst.
… wird zur regelrechten Rechtswissenschaft im Gelehrtenkreis um
Mucius Scaevola (Konsul 133 v. Chr.).
… bringt eine erste systematische Darstellung des ius civile durch
Quintus Mucius hervor (Konsul 95, ermordet 82 v. Chr.).
… findet ihren bedeutendsten Vertreter in Servius Sulpicius Rufus
(Konsul 51, gestorben 43 v. Chr.).
Das Honorarrecht …
… ist das Gegenstück zum Zivilrecht (ius civile), dessen Rechtsinstitute nur den
römischen Bürger zugänglich sind.
… leitet seinen Namen vom Amt des Prätors ab, der als zweithöchster Magistrat für
die Gerichtverfahren zuständig war.
… erhält einen Schub 242 v. Chr. durch die Einrichtung des Amtes eines
Fremdenprätors, der für Prozesse mit Ausländerbeteiligung zuständig ist und
Institute des sogenannten Völkergemeinrechts (ius gentium) rezipiert, die auch
Ausländern zugänglich sind.
… findet seine Quelle im prätorischen Edikt, einer Rechtsschutzverheißung,
… die der Prätor am Anfang seiner einjährigen Amtszeit verkündet,
… an die er seit einer lex Cornelia von 67 v. Chr. gebunden ist und
… die später zu einem festen Text, dem ewigen Edikt (edictum perpetuum) wird.
Die Übereignung ohne mancipatio …
… vollzieht sich nach Völkergemeinrecht durch
formlosen Abschluss eines Rechtsgrundgeschäfts
(causa), etwa eines Kaufvertrags, und Übergabe
(traditio) der Sache.
… ist nicht abstrakt, sondern kausal, weil die
Übergabe nur bei Gültigkeit des
Rechtsgrundgeschäfts wirken kann.
… findet bei allen res nec mancipi statt, die nicht res
mancipi sind, also etwa auch bei Grundstücken
außerhalb Italiens, die formal in Staatseigentum
stehen und dem Privateigentum damit eigentlich
unzugänglich sind.
Die Übereignung ohne mancipatio …
… wird auch bei res mancipi immer üblicher, weil die mancipatio nur
römischen Bürgern zugänglich ist und wegen der Pflicht zur Beteiligung von
sechs weiteren Personen mit römischem Bürgerrecht sehr aufwendig ist.
… führt in diesem Fall nicht sofort zum Erwerb des Eigentums nach ius civile,
aber liefert die Grundlage für eine Ersitzung (usucapio) der res mancipi,
die schon nach 1 Jahr bei beweglichen Sachen und nach 2 Jahren bei
Immobilien vollendet ist und den regelrechten Eigentumserwerb bewirkt.
… wird vom Prätor durch das Honorarrecht sanktioniert, indem …
… er dem Käufer einer Sache gegen den Verkäufer die „Einrede wegen
Kauf und Übergabe einer Sache“ (exceptio rei venditae et traditae), eine
besondere Erscheinung der Einrede der unzulässigen Rechtsausübung
(exceptio doli), gewährt.
… er dem Erwerber die actio Publiciana gewährt, eine Klage, die der
Eigentumsherausgabeklage nachgebildet ist und bei der der Ablauf der
Ersitzungszeit fingiert wird.
Die actio Publiciana
Gai 4.36
Item usucapio fingitur in ea actione quae Publiciana vocatur. Datur autem
haec actio ei, qui ex iusta causa traditam sibi rem nondum usu cepit
eamque amissa possessione petit: nam quia non potest eam rem ex iure
Quiritium suam esse intendere, fingitur rem usu cepisse, et ita quasi ex
iure Quiritium dominus factus esset, intendit velut hoc modo: IUDEX
ESTO. SI QUEM HOMINEM AULUS AGERIUS EMIT ET IS EI TRADITUS
EST, ANNO POSSEDISSET, TUM SI EUM HOMINEM, DE QUO AGITUR,
EIUS EX IURE QUIRITIUM ESSE OPORTERET et reliqua.
Die Ersitzung wird bei der sogenannten actio Publiciana fingiert. Diese
Klage wird demjenigen gegeben, der eine Sache, die ihm aus einem
Rechtsgrund übergeben worden ist, noch nicht ersessen hat und sie nach
dem Verlust des Besitzes herausverlangt. Denn da er nicht vorbringen
kann, dass ihm die Sache nach ius civile gehört, wird unterstellt, er habe
sie schon ersessen, und er verlangt sie so, als ob er schon nach ius civile
ihr Eigentümer geworden wäre, wie zum Beispiel auf diese Weise: „X soll
Richter sein. Wenn der Kläger diesen Sklaven gekauft hat, er ihm
übergeben worden ist und wenn ihm der Sklave, um den gestritten wird,
nachdem er ihn ein Jahr besessen hätte, nach Zivilrecht gehörte … und
so weiter“.
Zwölftafelgesetz
lex Aquilia
Fremdenprätur
450 v. Chr.
286 v. Chr.
241 v. Chr.
Quintus Mucius Aquilius Gallus
Konsul 95 v. Chr.
veteres
Servius
Labeo
Sabinus
Konsul 51 v. Chr.
† 10/11 n. Chr.
† 60 n. Chr.
veteres
Frühklassiker
27 v. Chr.
Prinzipat
Prätor 66 v. Chr.
Die Verfassung im Prinzipat …
… entspricht der Verfassung der Republik, wird aber dadurch ausgehöhlt,
dass Augustus
… 27 v. Chr. das imperium pro consulare: die militärische
Befehlsgewalt außerhalb Roms, erwirbt.
… 23 v. Chr. die tribunicia potestas: die Amtsgewalt der Tribunen,
erlangt.
…19 v. Chr. das imperium consulare: die Amtsgewalt der Konsuln,
erwirbt.
… macht Tribunat und Konsulat zu reinen Ehrenämtern ohne Amtsgewalt.
… spiegelt sich in der Stellung des Kaisers im Senat wieder: Er ist primus
inter pares, also einfaches Senatsmitglied, aber mit höchster Autorität.
… führt dazu, dass die Gesetzgebung nun fast nur noch durch
Senatsbeschlüsse erfolgt, wobei den Gesetzestext schon die Rede des
Kaisers (oratio prinicipis) enthält.
Die klassische Jurisprudenz …
… gewinnt ihre Bedeutung für die Rechtsentwicklung nicht
zuletzt durch das vom Kaiser verliehene Respondierrecht
(ius respondendi): Sein Träger kann ein Gutachten mit
kaiserlicher Autorität erstatten, das die Richter praktisch und
bei zwei übereinstimmenden Gutachten sogar von Rechts
wegen bindet.
… teilt sich in zwei Juristenschulen auf, …
… die Prokulianer mit ihrem Vorläufer Labeo († 5/22 n.
Chr.), der noch kein Respondierrecht hatte und mit Kaiser
Augustus im Streit lag, und …
… die Sabinianer mit ihrem Gründer Sabinus († 60 n. Chr.,
der das Respondierrecht von Kaiser Tiberius erhält und
Autor der später vielfach kommentierten „Drei Bücher vom
Zivilrecht“ (iuris civilis libri tres) ist.
Celsus
Julian
† ca. 130
† ca. 165
Pomponius
Gaius
Papinian
Ulpian
† 212
† 223
Hochklassiker
Paulus
† ca. 230
Spätklassiker
284-305
Codex
Theodosianus
Hermogenian
438
Diokletian
Nachklassik
284
476
Dominat
Untergang
Westroms
Die hochklassischen römischen Juristen
• Celsus (129 Konsul zum zweiten Mal): Erfinder vieler
Neuerungen, Oberhaupt der prokulianischen Rechtsschule, Autor
einer „Gesamtausgabe“ (libri digestorum)
• Julian (148 Konsul): bedeutendster römischer Jurist überhaupt,
Oberhaupt der sabinianischen Rechtsschule, Redaktor des
„ewigen Edikts“ (edictum perpetuum), ebenfalls Autor von libri
digestorum
• Pomponius: Autor einer römischen Rechtsgeschichte (als Teil
eines kurzen Handbuchs, des enchiridium) und eines
Kommentars ad Sabinum
• Gaius (etwa zeitgleich mit Pomponius): Autor der institutiones,
der einzigen Originalquelle des klassischen römischen Rechts
(entdeckt 1816 in Verona in einer Handschrift aus dem 5. Jh., die
später überschrieben worden ist)
Die Zweiteilung des Eigentums
Gai 2.41
Nam si tibi rem mancipi neque mancipauero … , sed tantum tradidero,
in bonis quidem tuis ea res efficitur, ex iure Quiritium uero mea
permanebit, donec tu eam possidendo usucapias: semel enim impleta
usucapione proinde pleno iure incipit, id est et in bonis et ex iure
Quiritium tua res esse, ac si ea mancipata … esset.
Wenn ich dir eine res mancipi nicht durch mancipatio … übereigne,
sondern nur übergebe, so gelangt diese Sache zwar in dein Vermögen,
nach Zivilrecht bleibt sie aber solange die meine, bis du sie durch
Ersitzung erwirbst. Mit vollendeter Ersitzung beginnt die Sache, dir
nach vollem Recht zu gehören, sie ist also sowohl in deinem Vermögen
als auch nach Zivilrecht deine, so als ob sie durch mancipatio …
übereignet worden wäre.
=> den hochklassischen Juristen gilt die honorarrechtliche geschützte
Rechtsstellung des Erwerbers einer res mancipi ohne mancipatio als
eine zweite Form der Sachinhaberschaft, die später bonitarisches
Eigentum (von bona = Vermögen) genannt wird
Die spätklassischen römischen Juristen
• Papinian (212 von Kaiser Caracalla hingerichtet, weil er
dessen Brudermord an Geta nicht rechtfertigen wollte): Leiter
der kaiserlichen Kanzlei a libellis, Prätorianerpräfekt
(Stellvertreter des Kaisers), „dunkler“ Schriftsteller, gilt in der
Spätantike als bedeutendster römischer Jurist, Autor der
„Gutachten“ (responsa) und „Rechtsfragen“ (quaestiones)
• Ulpian (223 bei einem Aufstand der Prätorianergarde
ermordet): Schüler Papinians, Leiter der kaiserlichen Kanzlei
und Prätorianerpräfekt, Autor von umfangreichen
Kommentaren zum prätorischen Edikt und zum
Zivilrechtslehrbuch des Sabinus
• Paulus: Autor von umfangreichen Kommentaren zum
prätorischen Edikt und zum Zivilrechtslehrbuch des Sabinus
sowie von responsa und quaestiones
Celsus
Julian
† ca. 130
† ca. 165
Pomponius
Gaius
Papinian
Ulpian
† 212
† 223
Hochklassiker
Paulus
† ca. 230
Spätklassiker
284-305
Codex
Theodosianus
Hermogenian
438
Diokletian
Nachklassik
284
476
Dominat
Untergang
Westroms
Die Nachklassik …
… ist durch einen Verlust der Juristenindividualität
gekennzeichnet: Statt als Gutachter sind die
Juristen jetzt als Mitarbeiter der kaiserlichen
Kanzlei tätig.
… prägt eine Verlagerung des Gewichts von der
Rechtswissenschaft auf die kaiserliche
Rechtsprechung und Gesetzgebung, die zum
absolutistischen Kaisertum im spätantiken Dominat
(ab Kaiser Diokletian 284-305) passt.
… bringt einen ersten Ansatz zur Kodifikation in
dem 438 im Ostreich und 439 im Westreich
erlassenen Codex Theodosianus hervor, in dem
kaiserliche Entscheidungen gesammelt werden.
Die justinianische Kodifikation
•
Auftrag von Kaiser Justinian (527-565) an Tribonian, den Vorsteher der
kaiserlichen Kanzlei, der als Mitarbeiter vor allem Rechtslehrer aus den
Rechtsschulen von Berytos (Beirut) und Konstantinopel (Istanbul) auswählt
•
528 Einsetzung einer Kommission zur Sammlung der Kaiserkonstitutionen
•
529 Veröffentlichung des ersten Codex Iustinianus
•
530 Auftrag zur Sammlung des Juristenrechts:
aus 2000 Büchern der klassischen römischen Juristen mit 3 Millionen Zeilen
werden 150.000 Zeilen (1/20) übernommen: vor allem aus Ulpian (1/3) und
Paulus (1/6)
•
533 Veröffentlichung der Sammlung als Digesten („Gesamtausgabe“) und kurz
davor der Institutionen, einer modernisierten Fassung von Gaius‘ Institutionen
•
534 Veröffentlichung der zweiten, an die Digesten angepassten Fassung des
Codex Iustinianus
Die Abschaffung der mancipatio
IJ 2.1.40
Per traditionem quoque iure naturali res nobis adquiruntur: nihil enim tam
conveniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini, volentis rem
suam in alium transferre, ratam haberi. et ideo cuiuscumque generis sit
corporalis res, tradi potest et a domino tradita alienatur.
Auch durch Übergabe erwerben wir nach natürlichem Recht Eigentum.
Der natürlichen Gerechtigkeit entspricht es nämlich überaus, wenn dem
Willen des Eigentümers, freiwillig seine Sache auf einen anderen zu
übertragen, Geltung verschafft wird. Und daher kann eine Sache jeder Art
übergeben und so vom Eigentümer veräußert werden.
Justinian …
… ordnet die Gleichbehandlung von res mancipi und res nec mancipi und
von honorarrechtlichem und zivilrechtlichem Eigentum an.
… schafft die abstrakt wirkende mancipatio endgültig ab.
Zwölftafelgesetz
450 v. Chr.
Untergang
Westroms
klass. röm.
rep.
Jurispr. Jurisprudenz
Wiederentdeckung
der Digesten
476 n. Chr.
0
533/534
1050
Corpus Iuris civilis
oström. Kaiser Justinian
Wiederentdeckung
der Digesten
Glossatoren
1050
ius commune =
gemeineuropäisches römisches Recht
Kommentatoren
1250
1500
Humanisten
Vernunftrechtler
1650
Pandektisten
1800
1900
Naturrechtsgesetzbücher
BGB
ALR, CC, ABGB
OR+ZGB
Die Rezeption des römischen Rechts …
… nimmt ihren Ausgang von der Wiederentdeckung einer Handschrift der
Digesten, die anders als die Institutionen und der Codex nach der Verdrängung
der Byzantiner durch die Langobarden in Italien in Vergessenheit geraten sind.
Die Handschrift, seit 1406 in Florenz und deshalb Florentina genannt, soll bei der
Eroberung Amalfis durch Pisa erbeutet worden sein.
… erfolgt zunächst durch wissenschaftliche Bearbeitung des CIC an der Universität
von Bologna, wo Irnerius (gestorben 1130) wirkt, auf den die Schule der
Glossatoren zurückgeht. Deren Hauptwerk ist die Glossa ordinaria des Accursius
(gestorben 1260), in der die wichtigsten der von den Glossatoren verfassten
Glossen aufgeführt sind.
… wird fortgesetzt im Werk der Kommentatoren (Postglossatoren), deren
dedeutendster Vertreter Bartolus de Saxoferratis (1314-1357) ist, der den fortan
maßgeblichen Kommentar zum CIC verfasst.
… gewinnt durch die humanistische Jurisprudenz zwei neue Aspekte: die Textkritik
der im CIC überlieferten Quellen und die Systematisierung des überlieferten
Rechtsstoffs unter freiem Umgang mit den Quellen, für die vor allem Donellus
(Hugo Doneau, 1527-1591) steht.
… gewinnt eine besondere Gestalt in Deutschland in Form des usus modernus
pandectarum, der das römische Recht nicht mehr als Gesetz, sondern nur noch
als Gewohnheitsrecht akzeptiert und seine Geltung von seiner Anwendung in der
Praxis abhängig machen will.
Die Naturrechtslehre …
… geht statt vom römischen Recht von der Vorstellung eines stets richtigen
naturgegebenen Rechts aus, das der Vernunft zugänglich ist.
… gelangt im Bereich des Privatrechts manchmal zu anderen, in der Regel
aber zu denselben Lösungen wie die Gemeinrechtslehre, die jedoch mit
anderen Begründungsmustern unterlegt werden.
… hat in ihrer profanen Variante als ersten Vertreter den niederländischen
Gelehrten Hugo Grotius (Huigh de Groot, 1583-1645), der die Lehre der
spanischen Spätscholastik in vielen Einzelfragen übernimmt, aber von der
Gottesvorstellung trennt. Sein Hauptwerk sind die Bücher über das „Recht
von Krieg und Frieden“ (De jure belli ac pacis).
… wirkt vor allem auf die drei an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
erlassenen Naturrechtsgesetzbücher ein:
- das preußische Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794
- den französischen Code civil von 1804
- das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) von
1811.
Die Haltung der Naturrechtslehre
Grotius, De jure belli ac pacis 2.12.15
De venditione et emptione notandum etiam sine traditione, ipso contractus momento, transferri dominum posse, atque id
esse simplicissimum. … Quod si actum sit ne statim dominium transeat, obligabitur venditor ad dandum dominium, atque
interim res erit commodo et periculo venditoris: quare … quod res periculo est emtoris et ut fructus ad eum pertineant,
antequam dominium transeat, commenta sunt juris civilis, quod nec ubique observatur: …
Zu den Kaufverträgen ist festzuhalten, dass das Eigentum auch ohne Übergabe in dem Moment des Vertragsschlusses
übertragen werden kann, und dies sehr einfach. … Ist aber vereinbart, dass das Eigentum nicht sofort übergehen soll, wird
der Verkäufer dazu verpflichtet, das Eigentum zu übertragen, und in der Zwischenzeit sind Gefahr und Nutzen dem
Verkäufer zugewiesen. Daher ist es eine bloße Erfindung des römischen Rechts, dass Gefahr und Nutzen der Sache dem
Käufer noch vor dem Eigentum zugewiesen sein sollen; und es wird auch keineswegs überall beachtet …
Das Konsensprinzip im französischen
Recht
Das Traditionsprinzip im preußischen
und österreichischen Recht
Art. 1138 CC: L‘obligation de livrer la chose est
parfaite par le seul consentement des parties
contractantes. – Elle rend le créancier
propriétaire et met la chose à ses risques dès
l‘instant où elle a dû être livrée, encore que la
tradition n‘en ait point été faite …
§ 1 I 10 ALR
Die mittelbare Erwerbung des Eigenthums einer Sache erfordert,
außer den dazu nötigen Titel, auch die wirkliche Übergabe derselben.
§ 95 I 11 ALR
So lange der Verkäufer dem Käufer die Sache noch nicht übergeben
hat, bleibt bey allen freywilligen Verkäufen, wenn sie nicht in Pausch
und Bogen geschlossen, oder sonst ein Anderes ausdrücklich
verabredet worden, Gefahr und Schade dem Verkäufer zur Last.
Art. 1583 CC: Elle est parfaite entre les parties,
et la propriété est acquise de droit à l'acheteur
à l'égard du vendeur, dès qu'on est convenu de
la chose et du prix, quoique la chose n'ait pas
encore été livrée ni le prix payé.
§ 424 ABGB: Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem
Vertrage …
§ 425 ABGB: Der bloße Titel gibt noch kein Eigentum. Das Eigentum
und alle dingliche Rechte überhaupt können, außer den in dem
Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Übergabe und
Übernahme erworben werden.
§ 1049 ABGB
Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte
Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung
des Besitzers. Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt
worden; so trägt der Übernehmer den zufälligen Untergang einzelner
Stücke, wenn anders hierdurch das Ganze nicht über die Hälfte am
Werte verändert worden ist.
Die historische Rechtsschule …
… nimmt die Gegenposition zur Naturrechtslehre ein, indem sie das Recht
(zumindest in der Theorie) nicht als unwandelbares Vernunftprodukt,
sondern als zeitgebundenes Kulturgut betrachtet.
… nimmt das römische Recht wieder als geltendes Recht hin, widmet sich
jedoch weniger seinen Abwandlungen durch die Gemeinrechtslehre,
sondern unterzieht es einer neuen systematisierenden Interpretation,
vor allem mit Hilfe der Denkfiguren der Naturrechtslehre (z. B. der
Willenserklärung).
… hat als bedeutendsten Vertreter des romanistischen Zweigs den
Wissenschaftler und preußischen Gesetzgebungsminister Friedrich Carl
von Savigny (1779-1861).
… wirkt in der Pandektenwissenschaft fort, die ihren wichtigsten Vertreter in
Bernhard Windscheid (1817-1892) hat, der mit seinem ab 1862
erscheinenden Pandektenlehrbuch das Standardwerk für das Gemeine
Recht verfasst.
Das BGB von 1900 …
… folgte der Vereinheitlichung des deutschen Handelsrechts durch das
gemeindeutsche ADHGB von 1861 und des Zivilprozessrechts durch
die RCPO von 1879 (die mit der Einrichtung des (Reichs-)
Oberhandelsgerichts und seiner Überleitung in das RG einhergehen).
… wird durch einen 1888 vorgelegten Entwurf der später sogenannten
„ersten Kommission“ vorbereitet, die unter Beteiligung von Windscheid
von 1874 bis 1887 tagt.
… erhält seine nahezu endgültige Fassung durch den zweiten Entwurf von
1895, der von der zweiten Kommission unter Gottlieb Planck geschaffen
wird.
… steht ebenso wie das schweizerische Obligationenrecht (OR 1883) und
ZGB (1911) als Frucht der Pandektenwissenschaft dem römischen
Recht noch näher als die Naturrechtsgesetzbücher.
Die Wiederentdeckung der Abstraktion
Savigny, System des heutigen römischen Rechts Bd. 3, S.
312:
„So ist die Tradition ein wahrer Vertrag, da alle Merkmale
des Vertragsbegriffs darin wahrgenommen werden: denn
sie enthält von beiden Seiten die auf gegenwärtige
Übertragung des Besitzes und des Eigenthums gerichtete
Willenserklärung, und es werden die Rechtsverhältnisse der
Handelnden dadurch neu bestimmt; diese Willenserklärung
für sich allein nicht hinreicht zur vollständigen Tradition,
sondern die wirkliche Erwerbung des Besitzes, als äußere
Handlung hinzukommen muß, hebt das Wesen des zum
Grund liegenden Vertrags nicht auf.“
Zwölftafelgesetz
450 v. Chr.
Untergang
Westroms
klass. röm.
rep.
Jurispr. Jurisprudenz
Wiederentdeckung
der Digesten
476 n. Chr.
0
533/534
1050
Corpus Iuris civilis
oström. Kaiser Justinian
Wiederentdeckung
der Digesten
Glossatoren
1050
ius commune =
gemeineuropäisches römisches Recht
Kommentatoren
1250
1500
Humanisten
Vernunftrechtler
1650
Pandektisten
1800
1900
Naturrechtsgesetzbücher
BGB
ALR, CC, ABGB
OR+ZGB
Das Sachmängelrecht bei Miete und Pacht
§ 535 Abs. 1 S. 1, 2 BGB
Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache
während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in
diesem Zustand zu erhalten.
§ 536 Abs. 1 S. 1, 2 BGB
Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit
zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher
Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung
der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine
angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten.
§ 581 BGB
(1) Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des
verpachteten Gegenstands und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer
ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren.
Der Pächter ist verpflichtet, dem Verpächter die vereinbarte Pacht zu entrichten.
(2) Auf den Pachtvertrag mit Ausnahme des Landpachtvertrags sind, soweit sich nicht aus den
§§ 582 bis 584b etwas anderes ergibt, die Vorschriften über den Mietvertrag entsprechend
anzuwenden.
Das Sachmängelrecht bei der Landpacht
§ 586 Abs. 1 BGB
Der Verpächter hat die Pachtsache dem Pächter in einem zu der
vertragsmäßigen Nutzung geeigneten Zustand zu überlassen und
sie während der Pachtzeit in diesem Zustand zu erhalten. Der
Pächter hat jedoch die gewöhnlichen Ausbesserungen der
Pachtsache, insbesondere die der Wohn- und Wirtschaftsgebäude,
der Wege, Gräben, Dränungen und Einfriedigungen, auf seine
Kosten durchzuführen. Er ist zur ordnungsmäßigen Bewirtschaftung
der Pachtsache verpflichtet.
§ 593 Abs. 1 S. 1 BGB
Haben sich nach Abschluss des Pachtvertrags die Verhältnisse, die
für die Festsetzung der Vertragsleistungen maßgebend waren,
nachhaltig so geändert, dass die gegenseitigen Verpflichtungen in
ein grobes Missverhältnis zueinander geraten sind, so kann jeder
Vertragsteil eine Änderung des Vertrags mit Ausnahme der
Pachtdauer verlangen.
Die Verdingung (locatio conductio) im Überblick
Mietvertrag
(l.c. rei)
Pachtvertrag
(l.c. rei)
Dienstvertrag
(l.c. operarum)
Werkvertrag
(l.c. operis)
Sachleistung
Geldleistung
locator
conductor
locator
+ conductor
conductor
locator
conductor
conductor
locator
Der Werkvertrag (locatio conductio operis)
D 19.2.22.2 Paul 34 ed
Cum insulam aedificandam loco, ut sua impensa conductor omnia
faciat, proprietatem quidem eorum ad me transfert et tamen locatio
est: locat enim artifex operam suam, id est faciendi necessitatem.
Vergebe ich den Bau eines Mietsblocks mit der Maßgabe, dass der
conductor die Aufwendungen trägt, überträgt er mir zwar das
Eigentum; aber es ist dennoch eine Verdingung; denn der
Unternehmer stellt mir seine Dienste zur Verfügung und macht sich
verbindlich, etwas zu tun.
=> obwohl die Verteilung der Rollen von locator und conductor der
naturalistischen Unterscheidung nach „hingeben“ und
„mitführen“ folgt, erkennen die römischen Juristen doch, dass der
Werkunternehmer ebenso wie ein Dienstverpflichteter seine
Arbeitskraft zur Verfügung stellt, also eigentlich nicht der conductor,
sondern der locator ist
Die Verdingung von Arbeitskraft …
… in der Form des Werkvertrags (locatio conductio operis) bildet
den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit der Handwerker und
Transportunternehmer.
… in der Form des Dienstvertrags (locatio conductio operarum)
spielt im römischen Recht keine besondere Rolle:
- Einfache Arbeiter können sich keine Prozessführung leisten.
- Die Verwaltung von Vermögen und Wirtschaftsbetrieben liegt
in den Händen hierfür ausgebildeter Sklaven.
- Die höheren Dienste der Architekten, Ärzte und Anwälte
werden als „freie Künste“ (artes liberales) ausgeübt und
zunächst nur freiwillig vergütet, später zwar mit einer
Entgeltpflicht versehen, aber nicht in die locatio conductio
einbezogen.
Die locatio conductio rei
D 19.2.19.1 Ulp 32 ed
Si quis dolia vitiosa ignarus locaverit, deinde vinum effluxerit,
tenebitur in id quod interest nec ignorantia eius erit excusata: et ita
Cassius scripsit. aliter atque si saltum pascuum locasti, in quo
herba mala nascebatur: hic enim si pecora vel demortua sunt vel
etiam deteriora facta, quod interest praestabitur, si scisti, si
ignorasti, pensionem non petes, et ita Servio Labeoni Sabino
placuit.
Hat jemand, ohne es zu wissen, schadhafte Fässer überlassen
und ist daraufhin der Wein ausgelaufen, haftet er auf das
Interesse und kann sich durch seine Unkenntnis nicht
entschuldigen. Und so hat Cassius entschieden. Anders dagegen,
wenn du eine Weide überlassen hast, auf der giftige Kräuter
wachsen. Ist nämlich in diesem Fall das Vieh eingegangen oder
bloß geschädigt worden, musst du das Interesse nur dann leisten,
wenn du es gewusst hast; hast du es nicht gewusst, kannst du
keinen Zins verlangen; und dies ist die Auffassung von Servius,
Labeo und Sabinus.
Die Überlassung einer Sache zum Gebrauch …
… macht den locator nur dann haftbar, wenn er die Eignung
der Mietsache zu einem bestimmten Gebrauch zugesichert
oder wenn er sie wissentlich mangelhaft überlassen hat.
… führt bei einer fehlenden Eignung der Sache zu dem
vereinbarten Gebrauch aber zu einem Wegfall der
Zinsverpflichtung des conductor. Sie ist Ausdruck der
allgemeinen Gefahrtragungsregel, dass den Anspruch auf
eine Leistung nur hat, wer auch die Gegenleistung erbringt.
… belässt das Nutzungsrisiko beim conductor; der locator
hat nicht für einen Nutzungserfolg einzustehen.
D 19.2.15pr.-2, 4 Ulp 32 ed
Ex conducto actio conductori datur. (1) Competit autem ex his causis fere: ut puta si re
quam conduxit frui ei non liceat (forte quia possessio ei aut totius agri aut partis non
praestatur, aut villa non reficitur vel stabulum vel ubi greges eius stare oporteat) vel si quid
in lege conductionis convenit, si hoc non praestatur, ex conducto agetur. (2) Si vis
tempestatis calamitosae contigerit, an locator conductori aliquid praestare debeat,
videamus. Servius omnem vim, cui resisti non potest, dominum colono praestare debere
ait, ut puta fluminum graculorum sturnorum et si quid simile acciderit, aut si incursus
hostium fiat: si qua tamen vitia ex ipsa re oriantur, haec damno coloni esse, veluti si vinum
coacuerit, si raucis aut herbis segetes corruptae sint. … (4) Papinianus libro quarto
responsorum ait, si uno anno remissionem quis colono dederit ob sterilitatem, deinde
sequentibus annis contigit uberitas, nihil obesse domino remissionem, sed integram
pensionem etiam eius anni quo remisit exigendam. …
Die Klage ex conducto wird dem conductor gewährt. (1) Sie steht ihm gewöhnlich in
folgenden Fällen zu: Ist ihm zum Beispiel verwehrt, die überlassen Sache zu nutzen (weil
ihm vielleicht der Besitz des Landes oder eines Teils nicht eingeräumt wird oder weil das
Landhaus oder auch die Stallungen oder die Pferche nicht hergerichtet sind, wo seine
Herden stehen sollen), oder ist sonst etwas in dem Vertrag vereinbart worden, was ihm
nicht gewährt wird, kann die Klage ex conducto erhoben werden. (2) Sehen wir zu, ob der
locator dem conductor für die Gewalt eines zerstörerischen Unwetters einzustehen hat.
Servius sagt, der Eigentümer müsse dem conductor für jede Gewalt einstehen, der man
nicht widerstehen könne, wie zum Beispiel für die Gewalt, die von Flüssen, Krähen oder
Staren ausgeht, oder wenn sich ähnliches ereignet oder Feinde ins Land einfallen.
Ergeben sich dagegen Mängel aus der Sache selbst, falle dies zum Nachteil des conductor
aus, zum Beispiel wenn der Wein zu Essig geworden oder wenn die Saat durch Würmer
oder durch Unkraut verdorben worden ist. … (4) Papinian schreibt im 4. Buch seiner
Rechtsgutachten, ein dem conductor gewährter Nachlass schade dem Eigentümer nicht,
wenn er den Zins wegen Missernte für ein Jahr erlassen, sich aber in den folgenden
Jahren reiche Ernte ergeben hat; statt dessen könne er den gesamten Zins auch für das
Jahr fordern, für das er den Nachlass gewährt habe. …
Die Überlassung eines Grundstücks
zum Landbau …
… führt bei einfachen Mängeln der Sache nicht zu einem
vollständigen oder anteiligen Wegfall der Zinspflicht.
… ist dagegen mit einem Zinsnachlass (remissio mercedis)
verbunden, wenn ungewöhnliche Ereignisse eintreten, und
zwar auch dann, wenn sie nicht die überlassene Sache,
sondern nur ihre Nutzung betreffen.
… verpflichtet den locator also weniger zur Überlassung einer
mangelfreien Sache als vielmehr zur Gewährleistung eines
bestimmten Nutzungserfolgs: Der conductor darf eine
übliche Ernte erwarten und wird ansonsten teilweise von
seiner Zinspflicht befreit, der locator am Nutzungsrisiko
beteiligt.
Die Nutzungspflicht des Landpächters
D 19.2.25.3, 6 Gai 10 ed prov
Conductor omnia secundum legem conductionis facere debet. Et ante omnia colonus
curare debet, ut opera rustica suo quoque tempore faciat, ne intempestiva cultura
deteriorem fundum faceret. Praeterea villarum curam agere debet, ut eas incorruptas
habeat. ... (6) Vis maior, quam Graeci qeou bian appellant, non debet conductori
damnosa esse, si plus, quam tolerabile est, laesi fuerint fructus: alioquin modicum
damnum aequo animo ferre debet colonus, cui immodicum lucrum non aufertur. Apparet
autem de eo nos colono dicere, qui ad pecuniam numeratam conduxit: alioquin
partiarius colonus quasi societatis iure et damnum et lucrum cum domino fundi partitur.
Der conductor muss sich in allem an die Vorschriften des Überlassungsvertrags halten.
Und vor allem muss der conductor dafür sorgen, dass die Bewirtschaftung des Landes
zur rechten Zeit erfolgt, damit nicht das Grundstück durch eine Bewirtschaftung zur
Unzeit verschlechtert wird. Überdies muss er für die Gebäude Sorge tragen, damit diese
instand gehalten bleiben. … (6) Die höhere Gewalt, die die Griechen göttliche Gewalt
nennen, darf dem conductor nicht zum Schaden gereichen, wenn er mehr, als
hinnehmbar ist, gelitten hat. Einen mäßigen Schaden muss er dagegen mit Gleichmut
hinnehmen, da ihm auch ein übermäßiger Gewinn nicht abgenommen wird. Dabei
sprechen wir offensichtlich von dem conductor, der das Grundstück zu einem festen
Zinssatz übernommen hat; der Teilpächter [der das Grundstück gegen einen Anteil der
Ernte übernommen hat] teilt sich Schaden und Gewinn mit dem Grundstückseigentümer
ohnehin wie unter Gesellschaftern.
Die Nutzungspflicht des Landpächters …
… zeigt, dass die Nutzung nicht nur im Interesse des conductor,
sondern auch im Interesse des locator liegt.
… ist mindestens ebenso wichtig wie seine Pflicht zur Zinszahlung.
… ist der Grund für die Beteiligung des locator am
Nutzungserfolg: Da er in den Genuss dieser Leistung auch bei
einer Missernte kommt, muss er an dem Nutzungsrisiko des
conductor beteiligt werden.
… nähert die eigentlich als Austauschvertrag konzipierte locatio
conductio der Gesellschaft an.
… macht den heutigen Vertragstyp des Landpachtvertrags auch für
andere Pacht- oder pachtähnliche Verträge mit
Nutzungspflicht (vor allem das Franchising) zum Vorbild.
Das Darlehen im geltenden Recht
§ 488 Abs. 1:
Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber
verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der
vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der
Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins
zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte
Darlehen zurückzuerstatten.
 das Darlehen ist sowohl verzinslich als auch zinslos
denkbar; in diesem Fall ist es ein gewöhnlicher, im anderen
ein gegenseitiger Vertrag, bei dem die Überlassung der
Darlehensvaluta und die Zinsleistung im Verhältnis der
Gegenseitigkeit stehen
 das Darlehen kommt durch bloße Einigung der Parteien,
nicht erst durch die Auszahlung der Darlehensvaluta
zustande, zu der der Darlehensgeber verpflichtet ist
Der Darlehensvertrag im römischen Recht …
… hat zwei Erscheinungsformen:
- Das verzinsliche Darlehen wird in Form eines abstrakten
Schuldversprechens, der Stipulation, begründet, mit der
der Darlehensnehmer die Zahlung eines Betrags
verspricht, der die ausgereichten Darlehensvaluta und die
Zinsen umfasst. (Um eine Bereicherung des Gläubigers zu
verhindern, gewährt man dem Schuldner die Einrede der
unterlassenen Auszahlung (exceptio non numeratae
pecuniae), die dafür sorgt, dass der Gläubiger die
Ausreichung der Darlehensvaluta zu beweisen hat.)
- Das zinslose Darlehen ist ein eigener Vertragstyp, das
mutuum, das kein formelles Versprechen voraussetzt, als
Realvertrag aber nur durch Auszahlung der
Darlehensvaluta begründet werden kann und allein auf
Rückgewähr des ausgereichten Betrags gerichtet ist.
Das mutuum als Ausnahmeerscheinung
D 17.1.34pr. Afr 8 quaest
Qui negotia Lucii Titii procurabat, is, cum a debitoribus eius pecuniam exegisset, epistulam ad
eum emisit, qua significaret certam summam ex administratione apud se esse eamque creditam
sibi se debiturum cum usuris semissibus: quaesitum est, an ex ea causa credita pecunia peti
possit et an usurae peti possint. respondit non esse creditam: alioquin dicendum ex omni
contractu nuda pactione pecuniam creditam fieri posse. nec huic simile esse, quod, si pecuniam
apud te depositam convenerit ut creditam habeas, credita fiat, quia tunc nummi, qui mei erant,
tui fiunt: item quod, si a debitore meo iussero te accipere pecuniam, credita fiat, id enim benigne
receptum est. ... et in proposito igitur dicendum actione mandati obligatum fore procuratorem,
ut, quamvis ipsius periculo nummi fierent tamen usuras, de quibus convenerit, praestare
debeat.
Derjenige, der die Geschäfte des Lucius Titius führte, stellte diesem, als er von dessen
Schuldnern Geld eingezogen hatte, ein Schriftstück aus, in dem er zum Ausdruck brachte, dass
eine bestimmte Summe Geldes in seiner Hand sei und dass er dieses Geld als Darlehen mit
einem halben Prozent Zins [=6% pro Jahr] schulden wollte. Es ist gefragt worden, ob wegen
dieser Sache das Geld als Darlehen und auch die Zinsen verlangt werden können. Er [Julian]
hat geantwortet, dass kein Darlehen vorliege. Sonst müsse man sagen, dass aus jedem Vertrag
durch bloßes pactum ein Darlehen entstehe. Und es bestehe keine Ähnlichkeit mit der
Entscheidung, dass ein Darlehen zustande komme, wenn vereinbart wird, dass du in
Verwahrung gegebenes Geld als Darlehen haben sollst; in diesem Fall erwirbst du nämlich
Eigentum an Geld, das mir gehörte. Ebenso wenig sei die Entscheidung vergleichbar, dass ein
Darlehen entsteht, wenn ich dich angewiesen habe, Geld von meinem Schuldner zu nehmen:
Diese Lösung ist nämlich aus Gründen der Zweckmäßigkeit anerkannt worden. … Und im
vorliegenden Fall sei demnach zu entscheiden, dass der Geschäftsführer aus Auftrag
verpflichtet sei und dass er, obwohl er die Gefahr trage, dennoch die vereinbarten Zinsen zahlen
müsse.
Das mutuum als Ausnahmeerscheinung
D 12.1.15 Ulp 31 ad ed
Singularia quaedam recepta sunt circa pecuniam creditam. Nam si tibi
debitorem meum iussero dare pecuniam, obligaris mihi, quamvis meos
nummos non acceperis. Quod igitur in duabus personis recipitur, hoc et
in eadem persona recipiendum est, ut, cum ex causa mandati
pecuniam mihi debeas et convenerit, ut crediti nomine eam retineas,
videatur mihi data pecunia et a me ad te profecta.
Beim Darlehen sind gewisse Ausnahmen zugelassen worden. Habe ich
nämlich meinen Schuldner angewiesen, dir Geld auszuzahlen, so wirst
du mir verpflichtet, obwohl du nicht mir gehöriges Geld erhalten hast.
Was bei Mitwirkung von zwei Personen zugelassen wird, muss auch
bei ein und derselben Person zugelassen werden; schuldest du mir aus
Auftrag Geld und sind wir übereinkommen, dass du dieses Geld als
Darlehen behältst, dann wird es so angesehen, als sei der Geldbetrag
mir ausgezahlt worden und dann von mir an dich gelangt.
Strenge Klage und bonae fidei iudicium
Die formula der actio certae creditae
pecuniae (condictio)
Die formula der actio mandati
intentio: SI PARET Nm Nm Ao Ao
SESTERTIUM DECEM MILIA
DARE OPORTERE
condemnatio:
TANTAM
PECUNIAM IUDEX Nm Nm Ao Ao
CONDEMNATO.
absolutio:SI NON PARET ABSOLVITO.
demonstratio:
QUOD As As No No
MANDAVIT UT NEGOTIA EIUS
PROCURARET
intentio: QUIDQUID OB EAM REM Ns Ns
Ao Ao DARE FACERE OPORTET EX
FIDE BONA
condemnatio:
EIUS IUDEX Nm Nm Ao
Ao CONDEMNATO.
absolutio: SI NON PARET ABSOLVITO.
Stellt sich heraus, dass Ns Ns
verpflichtet ist, dem As As 10.000
Sesterzen zu zahlen,
Was das anbelangt, dass As As den Ns Ns
beauftragt hat, seine Geschäfte zu
führen,
so verurteile du, Richter, den Ns Ns
dem As As zu eben diesem Betrag.
zu was auch immer Ns Ns nach guter
Treue verpflichtet ist, dem As As zu
leisten oder zu tun,
Stellt es sich nicht heraus, sprich ihn
frei.
hierin verurteile du, Richter, den Ns Ns
dem As As.
Stellt es sich nicht heraus, sprich ihn frei.
Julian …
… lässt anders als Ulpian kein Vereinbarungsdarlehen zu und
bleibt so dem Realvertragscharakter treu.
… folgt der Regel, dass Ausnahmeentscheidungen wie die
Zulassung des Anweisungsdarlehens keiner Analogie
zugänglich sind.
… misst so dem mutuum selbst Ausnahmecharakter zu.
… verhilft der Parteiabsicht zur Geltung, indem er auf den
Auftrag (mandatum) ausweicht und in diesem Rahmen eine
Zinspflicht annimmt, die beim mutuum gerade nicht
bestünde.
Nach der Rezeption des römischen Rechts…
… wird das mutuum wegen des christlichen Zinsverbots zum Prototyp des Darlehens.
… wird das verzinsliche Darlehen erst wieder von der Naturrechtslehre anerkannt, die den
Vergleich zum nach wie vor erlaubten Mietvertrag anstellt.
… werden im deutschsprachigen Raum zunächst Höchstsätze für die Zinspflicht
festgesetzt, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aber zugunsten des allgemeinen
Wucherverbots (§ 138 BGB) beseitigt.
… fällt das Formgebot für das Versprechen der Rückzahlung, so dass das Darlehen zum
Konsensualvertrag wird.
… erscheint das Darlehen im BGB von 1900 allerdings noch als Realvertrag neben dem
Darlehensversprechen, das als eine Art Vorvertrag erscheint:
§ 607 Abs. 1 BGB aF: „Wer Geld oder andere vertretbare Sachen als Darlehen
empfangen hat, ist verpflichtet, dem Darleiher das Empfangene in Sachen gleicher Art,
Güte und Menge zurückzuerstatten.“
§ 610 BGB aF: „Wer die Hingabe eines Darlehens verspricht, kann im Zweifel das
Versprechen widerrufen, wenn in den Verhältnissen des anderen Teils eines wesentliche
Verschlechterung eintritt …“
Das Bereicherungsrecht des BGB …
… geht von einer Generalklausel aus, die Leistungs- und
Nichtleistungskondiktion einschließt:
§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB:
„Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise
auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm
zur Herausgabe verpflichtet.“
… hat die Eingriffskondiktion als Fall der Nichtleistungskondiktion
zu einem besonderen Tatbestand verselbständigt, dem nach
herrschender Ansicht die Funktion der Gewinnabschöpfung
zukommt:
§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB:
„Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine
Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er
dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung
Erlangten verpflichtet.“
Römisches Recht: Diebstahlskondiktion als Ausnahme?
Gai 4.4
Sic itaque discretis actionibus certum est non posse nos rem nostram ab alio
ita petere: SI PARET EUM DARE OPORTERE; nec enim quod nostrum est,
nobis dari potest, cum scilicet id dari nobis intellegatur, quod ita datur, ut
nostrum fiat; nec res, quae nostra iam est, nostra amplius fieri potest. plane
odio furum, quo magis pluribus actionibus teneantur, receptum est, ut extra
poenam dupli aut quadrupli rei recipiendae nomine fures ex hac actione
teneantur: SI PARET EOS DARE OPORTERE, quamvis sit etiam adversus
eos haec actio, qua rem nostram esse petimus.
So steht für bestimmte Klagen fest, dass wir eine uns schon gehörende
Sache nicht mit der Formel herausverlangen können: „Wenn sich herausstellt,
dass er zu geben verpflichtet ist …“; denn was uns gehört, kann uns nicht
gegeben werden in dem Sinne, dass uns zu geben bedeutet, dass so
gegeben wird, dass wir Eigentum erwerben; und eine Sache, die schon uns
gehört, kann nicht noch mehr die unsere werden. Freilich ist aus Abscheu vor
den Dieben, damit sie gleich mit mehreren Klagen haften, anerkannt, dass sie
neben der Strafe, die auf das Doppelte oder Vierfache gerichtet ist, zur
Verfolgung der Sache auch aus der Klage: „Wenn sich herausstellt, dass er
zu geben verpflichtet ist“, haften, obwohl die Klage gegen sie so angestellt
wird, dass wir mit ihr eine eigene Sache fordern.
Für Gaius …
… ist die Kondiktion grundsätzlich auf die Übereignung einer Sache gerichtet, kann
also in aller Regel nicht von dem Eigentümer angestellt werden, sondern nur nach
einer Übereignung als Leistungskondiktion.
… ist die Diebstahlskondiktion (condictio furtiva) eine Ausnahme, zur
Benachteiligung der Diebe, die auch mit der Eigentumsherausgabeklage und mit
einer Strafklage, der actio furti, auf das Zwei- oder Vierfache des Sachwertes
haften.
… wäre die Diebstahlskondiktion dann nur dazu geschaffen, dem Eigentümer, der
nicht notwenig zur Erhebung der actio furti berechtigt ist, eine sachverfolgende
Klage zu geben, die wegen des Satzes: fur semper in mora („der Dieb ist immer in
Verzug“), über den Untergang der Sache hinaus zuständig ist:
D 13.1.20 Tryph 15 disp
Licet fur paratus fuerit excipere condictionem et per me steterit, dum in rebus
humanis res fuerat, condicere eam, postea autem perempta est, tamen durare
condictionem veteres voluerunt, quia videtur, qui primo invito domino rem
contrectaverit, semper in restituenda ea, quam nec debuit auferre, moram facere.
Sogar in dem Fall, dass der Dieb bereit war, sich auf die Kondiktion einzulassen
und es an mir lag, sie, während sie noch existierte, zu kondizieren, und sie danach
untergegangen ist, wollten die Juristen der Republik, dass die Kondiktion erhalten
bleibt, weil derjenige, der einmal eine Sache ohne den Willen des Eigentümers
entwendet hat, so angesehen wird, als sei er für immer mit der Rückgewähr dessen,
was er nicht hätte wegnehmen dürfen, in Verzug.
Gegen eine allgemeine Nichtleistungskondiktion …
… spricht auch Julians Entscheidung zur Bauführung auf fremdem Grund:
D 12.6.33 Iul 39 dig
Si in area tua aedificassem et tu aedes possideres, condictio locum non
habebit, quia nullum negotium inter nos contraheretur: nam is, qui non debitam
pecuniam solverit, hoc ipso aliquid negotii gerit: cum autem aedificium in area
sua ab alio positum dominus occupat, nullum negotium contrahit.
Habe ich auf deinem Gelände gebaut und besitzt du das Gebäude, greift die
Kondiktion nicht Platz, weil kein Geschäft zwischen uns abgeschlossen wurde.
Denn wer einen nicht geschuldeten Betrag zahlt, schließt auf diese Weise ein
Geschäft ab. Wenn aber der Eigentümer das von einem anderen errichtete
Gebäude in Besitz nimmt, schließt er kein Geschäft ab.
 das Eigentum an dem Gebäude geht automatisch, nämlich nach der Regel:
superficies solo cedit („der Überbau folgt in seinem rechtlichen Schicksal
dem Boden“), auf den Grundeigentümer über
 Julian erwägt eine Kondiktion nur auf der Basis eines Rechtsgeschäfts, also als
Leistungskondiktion
Doch ein allgemeines Bereicherungsverbot?
D 12.5.6 Ulp 18 Sab
Perpetuo Sabinus probavit veterum opinionem existimantium id, quod ex
iniusta causa apud aliquem sit, posse condici: in qua sententia etiam
Celsus est.
Stets hat Sabinus die Meinung der Juristen der Republik geteilt, die
glaubten, dass kondiziert werden könne, was aus einem ungerechten
Grund bei jemandem sei. Dieser Ansicht ist auch Celsus.
 die Kondiktion scheint nicht nur aufgrund einer Leistung, sondern schon
bei jedem unberechtigten Innehaben einer Sache begründet zu sein
 so entsteht ein kaum denkbarer Widerspruch zu Gaius und Julian, der
sich nur dann vermeiden lässt, wenn man der Formulierung: ex iniusta
causa apud aliquem esse, eine konkretere Bedeutung abgewinnt
Leistung und Eingriff als alternative Tatbestände
D 24.1.5.18 Ulp 32 Sab
In donationibus autem iure civili impeditis hactenus revocatur donum ab eo ab eave cui
donatum est, ut, si quidem exstet res, vindicetur, si consumpta sit, condicatur hactenus,
quatenus locupletior quis eorum factus est:
D 24.1.6 Gai 11 prov
Quia quod ex non concessa donatione retinetur, id aut sine causa aut ex iniusta causa retineri
intellegitur: ex quibus causis condictio nasci solet.
Bei den nach Zivilrecht verbotenen Schenkungen wird das Geschenk von dem Beschenkten
derart zurückverlangt, dass es, wenn die Sache noch existiert, vindiziert und, wenn sie
verbraucht worden ist, kondiziert wird, soweit der Empfänger noch bereichert ist.
Denn was aus einer unerlaubten Schenkung zurückbehalten wird, gilt entweder als ohne Grund
oder aus unrechtem Grund zurückbehalten, aus welchen Gründen gewöhnlich die Kondiktion
entsteht.
 das Verbot der Schenkung unter Ehegatten hindert den Eigentumserwerb
 solange die Sache noch existiert, kann sie mit der Eigentumsherausgabeklage
zurückgefordert werden
 nach ihrem Verbrauch kann man entweder von einer Leistung ohne Rechtsgrund (sine
causa) oder von einem rechtswidrigen Eingriff (iniusta causa) als alternativen
Anknüpfungspunkten für die Kondiktion ausgehen
Die Kondiktion des klassischen Rechts …
… ist an zwei mögliche „Hinwege“ geknüpft: die freiwillige
Zuwendung durch Leistung oder den rechtswidrigen
Eingriff in fremdes Eigentum.
… kommt in dieser zweiten Variante fast immer als
Diebstahlskondiktion, die wegen des weiten Begriffs des
furtum einen großen Anwendungsbereich hat, ansonsten in
ähnlichen Konstellationen vor.
… versagt, wenn es wie bei der Bauführung auf fremdem
Grund weder zu einer Leistung noch zu einem Eingriff,
sondern, modern gesprochen, zu einer Verwendung
gekommen ist.
… verliert ihre Gestalt in der justinianischen Kodifikation, in der
die Quellen zur Eingriffskondiktion mit denen zur
Leistungskondiktion vermengt werden.
Nach der Rezeption des römischen Rechts …
… wird der Tatbestand des unberechtigten Innehabens (ex inusta causa apud aliquem esse)
als genereller Bereicherungstatbestand verstanden, der neben den speziellen
Tatbeständen der Leistungskondiktion zuständig ist.
… beschränken sich die Naturrechtsgesetzbücher auf die Leistungskondiktion. ALR und
ABGB übernehmen jedoch den aus dem römischen Sklavenrecht stammenden
Versionsanspruch, der ebenfalls immer dann zuständig ist, wenn etwas in das Vermögen
eines anderen ohne Rechtsgrund gelangt ist.
… kehrt die Eingriffskondiktion in OR und BGB im Rahmen einer bereicherungsrechtlichen
Generalklausel zurück, die aber subsidiär zu den Leistungsbeziehungen und ihrer
Rückabwicklung ist.
… wird die Eingriffskondiktion heute nicht mehr als reines Rückgewährschuldverhältnis,
sondern auch im Anschluss an eine doppeldeutige Aussage Julians als Mittel zur
Gewinnabschöpfung eingesetzt:
D 12.1.23 Afr 2 quaest
Si eum servum, qui tibi legatus sit, quasi mihi legatum possederim et vendiderim, mortuo
eo posse te mihi pretium condicere Iulianus ait, quasi ex re tua locupletior factus sim.
Habe ich den Sklaven, der dir vermacht war, so besessen, als sei er mir vermacht, und
verkauft, kannst du, wie Julian sagt, nach seinem Tod von mir seinen Preis (Wert)
kondizieren, weil ich aus deinem Vermögen bereichert bin.
Der Bereicherungsausgleich im Dreiecksverhältnis
nach geltendem Recht
§ 812
Anweisungsempfänger
Anweisender
§ 812
Zuwendung
Angewiesener
Der Bereicherungsausgleich in den
Seitenverhältnissen erfolgt, um …
… die Parteien so zu stellen, als wäre die Zuwendung vom
Angewiesenen an den Anweisenden und von diesem an den
Anweisungsempfänger erfolgt, weil die Anweisung nur der
Abkürzung des Leistungswegs dient.
… jedem Beteiligten nur das Insolvenzrisiko seines (wirklichen oder
vermeintlichen) Vertragspartners aufzubürden.
… jeden Beteiligten vor Einwendungen aus einem fremden
Rechtsverhältnis zu schützen und jedem Beteiligte die eigenen
Einwendungen zu erhalten. Beides lässt sich nicht gleichzeitig
erreichen, wenn man eine Rückabwicklung im
Zuwendungsverhältnis vornimmt.
Die Rückabwicklung in den Seitenverhältnissen …
… wird heute von der Rechtsprechung durch den Leistungsbegriff erreicht:
Die zweckgerichtete Vermögensmehrung findet nicht im Zuwendungs-,
sondern in den Seitenverhältnissen zwischen dem Angewiesenen und dem
Anweisenden sowie zwischen diesem und dem Anweisungsempfänger
statt. Die Rückabwicklung folgt den angestrebten Erfüllungswirkungen,
wie sie sich aus den Tilgungsbestimmungen ergeben.
… ergab sich in Rom aus zwei Sätzen:
- Wer anweist, steht so, als habe er selbst geleistet.
- Wer anweist, steht so, als sei ihm selbst geleistet worden.
Statt über die Definition der Leistung erreichen die römischen Juristen ihr
Ziel also durch Fallvergleichung. Auch hier gilt: Die Rückabwicklung folgt
den angestrebten Erfüllungswirkungen.
… galt nicht nur für die Leistung, sondern auch für die anweisungsgemäße
Verpflichtung.
Der dingliche Mangel im Valutaverhältnis bei Celsus
D 24.1.3.12 Ulp 32 Sab
Sed si debitorem suum ei solvere iusserit, hic quaeritur, an nummi fiant eius
debitorque liberetur. et Celsus libro quinto decimo digestorum scribit videndum
esse, ne dici possit et debitorem liberatum et nummos factos mariti, non uxoris:
nam et si donatio iure civili non impediretur, eum rei gestae ordinem futurum, ut
pecunia ad te a debitore tuo, deinde a te ad mulierem perveniret: nam celeritate
coniungendarum inter se actionum unam actionem occultari, ceterum debitorem
creditori dare, creditorem uxori. nec novum aut mirum esse, quod per alium
accipias, te accipere: ...
Aber wenn er [der Ehemann] seinen Schuldner zu zahlen anweist, stellt sich die
Frage, ob dieser die Münzen zum Eigentum des Ehemannes macht und befreit
wird. Celsus schreibt im 15. Buch seiner Digesten, man müsse zusehen, ob nicht
der Schuldner befreit werde und die Münzen zum Eigentum des Ehemannes
werden, nicht der Ehefrau. Denn auch wenn die Schenkung nicht durch Zivilrecht
gehindert wäre, wäre es die Ordnung des Geschäfts, dass das Geld von deinem
Schuldner an dich, danach von dir an deine Frau fließt. Durch die Geschwindigkeit,
mit der die Rechtsakte untereinander verbunden werden, bleibe ein Akt verborgen;
sonst übereigne der Schuldner dem Gläubiger, der Gläubiger der Ehefrau. Und es
sei auch nicht neu oder verwunderlich, dass man erwerbe, was man durch einen
anderen erwerbe. …
Der ‚Durchgangserwerb‘ bei Celsus
rei vindicatio
mulier
(delegatarius)
maritus
(delegans)
donatio inter virum
et uxorem
dominus
debitum
solutum
Zuwendung
debitor
(delegatus)
Die Lösung Julians
D 24.1.39 Iul 5 Min
Vir uxori pecuniam cum donare vellet, permisit ei, ut a debitore suo stipuletur: illa
cum id fecisset, priusquam pecuniam auferret, divortium fecit: quaero, utrum vir eam
summam petere debeat an ea promissione propter donationis causam actio nulla
esset. respondi inanem fuisse eam stipulationem. sed si promissor mulieri ignorans
solvisset, si quidem pecunia exstat, vindicare eam debitor potest: sed si actiones
suas marito praestare paratus est, doli mali exceptione se tuebitur ideoque maritus
hanc pecuniam debitoris nomine vindicando consequetur. sed si pecunia non exstat
et mulier locupletior facta est, maritus eam petet: intellegitur enim ex re mariti
locupletior facta esse mulier, quoniam debitor doli mali exceptione se tueri potest.
Ein Mann, der seiner Frau schenken wollte, duldete, dass sie sich von seinem
Schuldner versprechen ließ. Nachdem sie dies gemacht hatte und noch bevor das
Geld angeboten wurde, ließ sie sich scheiden. Ich frage, ob der Ehemann die
Summe fordern muss oder ob wegen dieses schenkweisen Versprechens keine
Klage mehr vorhanden ist. Ich habe geantwortet, dass das Versprechen unwirksam
sei. Aber wenn der Schuldner der Frau in Unkenntnis geleistet hat und das Geld
noch existiert, kann der Schuldner es vindizieren. Ist er jedoch bereit, dem Ehemann
seine Klagen abzutreten, wird er mit der Einrede des Rechtsmissbrauchs geschützt;
und der Ehemann wird im Namen des Schuldners das Geld vindizieren. Aber wenn
das Geld nicht mehr existiert und die Frau bereichert ist, fordert der Ehemann es ein.
Die Frau ist nämlich als aus dem Vermögen des Mannes bereichert anzusehen, weil
sich der Schuldner mit der Einrede des Rechtsmissbrauchs verteidigen kann.
Die ‚konservative‘ Lösung Julians
rei vindicatio
mulier
(delegatarius)
maritus
(delegans)
donatio inter virum
et uxorem
debitum
exceptio
doli
Zuwendung
rei vindicatio
debitor
(delegatus)
dominus
Celsus und Julian …
… kommen beide im Fall eines dinglich wirkenden Mangels im
Valutaverhältnis zum gleichen Ergebnis, indem sie jeweils …
… den angewiesenen Schuldner von seiner Verpflichtung befreien,
… die Rückabwicklung in das mangelhafte Valutaverhältnis verweisen
und dem anweisenden Ehemann überlassen.
… sind unterschiedlich kühn in ihren Lösungen:
- Julian schöpft (in typisch römischer Manier) das vorhandene
Instrumentarium aus, indem er auf exceptio doli und die Abtretung durch
Prozessvollmacht zurückgreift.
- Celsus durchbricht kurzerhand die sachenrechtliche Regel, dass man
durch andere Freie nichts erwerben kann, um dem ordo der Leistung auf
Anweisung Geltung zu verschaffen.
Deliktstatbestände im Zwölftafelgesetz
XII-T 8,2: Si membrum rupsit, ni cum eo pacit, talio esto.
Hat jemand (einem anderen) ein Glied abgerissen, soll dies, wenn
deshalb kein Sühnevertrag zustande kommt, mit Gleichem vergolten
werden.
XII-T 8,3: Manu fustive si os fregit libero CCC, si servo CL poenae sunto.
Hat jemand mit der Hand oder mit einem Stock einem Freien einen
Knochen gebrochen, soll die Strafe 300 Ass betragen, hat er den
Knochen eines Sklaven gebrochen, 150 Ass.
XII-T 8,4: Si iniuriam alteri faxsit, XXV poenae sunto.
Fügt jemand einem anderen etwas Widerrechtliches zu, soll die Strafe 25
Ass sein.
Die Deliktstatbestände im Zwölftafelgesetz …
… sind auf bestimmte schädliche Erfolge ausgerichtet und
differenzieren nicht nach dem Verschulden.
… knüpfen an die Talion mit strafbegrenzender Funktion an.
… lassen statt der Talion eine Geldzahlung zu, der die Funktion von
Strafe und Schadensersatz zukommt.
… setzen voraus, dass der Strafanspruch privat und nicht staatlich
ist.
… zeigen, dass Sklaven und Freie nicht als wesensverschieden,
sondern nur unterschiedlich wertvoll angesehen wurden.
Das erste Kapitel der lex Aquilia
D 9.2.2 pr. Gai 7 ad ed prov
Lege Aquilia capite primo cavetur: ‚ut qui servum servamve
alienum alienamve quadrupedem vel pecudem iniuria
occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes dare
domino damnas esto’.
Im ersten Kapitel der lex Aquilia wird bestimmt: ‚Tötet
jemand einen fremden Sklaven oder eine fremde Sklavin
oder ein (fremdes) vierfüßiges Herdentier widerrechtlich, soll
er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Geld zu zahlen,
wie die Sache in diesem Jahr maximal wert gewesen ist’.
In der lex Aquilia …
… werden Sklaven wie Tiere und damit als Sachen behandelt.
… ist nur noch eine widerrechtliche Tat (iniuria) sanktioniert. Dies lässt
Raum ...
… für einen Ausschluss der Haftung durch einen Rechtfertigungsgrund.
… für eine Anknüpfung an das Verschulden des Täters.
… richtet sich die zu leistende Buße nach dem Wert des geschädigten
Sklaven oder Tieres, wodurch ihre Schadensersatzfunktion hervortritt.
… kommt der Höchstwert des Opfers im letzten Jahr vor der Tötung in
Ansatz, damit der Täter nicht von der eigenen Tat profitiert, wenn er das
Opfer zunächst nur tödlich verwundet hat.
Das dritte Kapitel der lex Aquilia
D 9.2.27.5 Ulp 18 ad ed
Tertio autem capite ait eadem lex Aquilia: ‚ceterarum rerum
praeter hominem et pecudem occisos si quis alteri damnum
faxit, quod usserit fregerit ruperit iniuria, quanti ea res [erit]
<fuit> in diebus triginta proximis, tantum aes domino dare
damnas esto’.
Im dritten Kapitel der lex Aquilia heißt es: „Fügt jemand, ohne
Sklaven oder Herdentiere zu töten, einem anderen Schaden
zu, indem er etwas widerrechtlich verbrennt, zerbricht oder
zerreißt, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Geld
zu zahlen, wie die Sache in den nächsten 30 Tagen wert
gewesen ist.“
Die lex Aquilia …
… enthält in ihrem dritten Kapitel den Auffangtatbestand der
Schadenszufügung (damnum facere), der auch die bloße Verletzung
oder Beschädigung einschließt und diese auch bei anderen Tieren als
den im 1. Kapitel genannten sowie bei Sachen erfasst.
… knüpft die Haftung aber immer noch an bestimmte Tathandlungen des
Verbrennens, Zerbrechens oder Zerreißens (urere, frangere, rumpere).
… wird schon von den Juristen der republikanischen Periode in einen
regelrechten Generaltatbestand umgedeutet, indem rumpere als
corrumpere verstanden wird:
D 9.2.27.13 Ulp 18 ad ed
Inquit lex ‚ruperit’. rupisse verbum fere omnes veteres sic intellexerunt
‚corruperit’.
Das Gesetz sagt: ‚zerrissen hat’. Fast alle alten Juristen haben den
Ausdruck: ‚zerrissen haben’, in der Bedeutung: ‚beschädigt haben’,
verstanden.
Gai 3.217
Capite tertio de omni cetero damno cauetur. itaque si quis seruum uel eam quadrupedem,
quae pecudum numero est, vulnerauerit siue eam quadrupedem, quae pecudum numero
non est, uelut canem, aut feram bestiam, uelut ursum, leonem, vulnerauerit uel occiderit,
hoc capite actio constituitur. in ceteris quoque animalibus, item in omnibus rebus, quae
anima carent, damnum iniuria datum hac parte uindicatur. si quid enim ustum aut ruptum
aut fractum fuerit, actio hoc capite constituitur, quamquam potuerit sola rupti appellatio in
omnes istas causas sufficere; ruptum enim intellegitur, quod quoquo modo corruptum est;
unde non solum usta aut rupta aut fracta, sed etiam scissa et collisa et effusa et quoquo
modo uitiata aut perempta atque deteriora facta hoc verbo continentur.
Im dritten Kapitel [der lex Aquilia] werden alle anderen Schäden behandelt. Daher ist eine
Klage aus diesem Kapitel gegeben, wenn jemand einen Sklaven oder ein vierfüßiges Tier,
das zu den Herdentieren zählt, verletzt hat oder wenn er ein vierfüßiges Tier, das nicht zu
den Herdentieren zählt, wie einen Hund oder ein wildes Tier, wie einen Bär oder einen
Löwen, verletzt oder getötet hat. Auch bei allen anderen Tieren sowie bei unbelebten
Sachen wird der Ersatz des widerrechtlich zugefügten Schadens nach diesem Abschnitt
des Gesetzes verlangt. Die Klage ist aus diesem Kapitel nämlich gegeben, wenn etwas
verbrannt, zerrissen oder zerbrochen worden ist, obwohl der Ausdruck: „zerrissen“, in allen
diesen Fällen genügt hätte. Als zerrissen gilt nämlich, was auf irgendeine Weise beschädigt
worden ist. Daher wird von der gesetzlichen Formulierung nicht nur erfasst, was verbrannt,
zerrissen oder zerbrochen worden ist, sondern auch, was geschnitten, zerschlagen,
ausgeschüttet oder auf irgendeine andere Art verdorben, untergegangen oder
verschlechtert worden ist.
Die Interpretation der lex Aquilia durch die
republikanischen Juristen …
… lässt jedes körperliche Beschädigen (corrumpere)
genügen, wodurch …
… einerseits der Tatbestand auf jede
widerrechtliche Schadenszufügung (damnum
iniuria datum) ausgedehnt wird.
… andererseits immer noch eine körperliche
Einwirkung erforderlich, also keine Haftung für
reine Vermögensschäden begründet ist.
Die Arglistklage (actio de dolo)
D 4.3.1.1 Ulp11 ed
Verba autem edicti talia sunt: ‚quae dolo malo facta esse dicentur, si de his rebus
alia actio non erit et iusta causa esse videbitur, iudicium dabo.’
Der Wortlaut des Edikts aber ist folgender: ‚Wird vorgetragen, dass etwas arglistig
geschehen ist, werde ich, wenn in dieser Sache keine andere Klage gegeben ist
und ein berechtigter Grund vorliegt, eine Klage erteilen’.
D 4.3.1.2 Ulp 11 ad ed
Dolum malum Servius quidem ita definiit machinationem quandam alterius
decipiendi causa, cum aliud simulatur et aliud agitur. Labeo autem posse et sine
simulatione id agi, ut quis circumveniatur: posse et sine dolo malo aliud agi, aliud
simulari, sicuti faciunt, qui per eiusmodi dissimulationem deserviant et tuentur vel
sua vel aliena: itaque ipse sic definiit dolum malum esse omnem calliditatem
fallaciam machinationem ad circumveniendum fallendum decipiendum alterum
adhibitam. Labeonis definitio vera est.
Servius hat Arglist zwar definiert als eine Art Machenschaft, um andere zu
betrügen, indem das eine vorgetäuscht, das andere getan wird. Aber Labeo sagt,
es könne einerseits auch ohne Täuschung bewirkt werden, dass jemand
übervorteilt wird; man könne andererseits auch ohne Arglist das eine tun, das
andere vortäuschen, wie die, die sich verstellen und dadurch eigenes oder
fremdes Gut schützen. Er selbst definierte daher Arglist als jede Hinterlist,
Betrügerei oder Machenschaft zu dem Zweck, einen anderen zu übervorteilen
oder zu täuschen. Die Definition Labeos ist richtig.
IJ 4.3.16
Ceterum placuit, ita demum ex hac lege actionem esse, si quis praecipue corpore suo
damnum dederit. ideoque in eum qui alio modo damnum dederit, utiles actiones dari solent:
veluti si quis hominem alienum aut pecus ita incluserit ut fame necaretur, aut iumentum tam
vehementer egerit ut rumperetur, aut pecus in tantum exagitaverit ut praecipitaretur, aut si
quis alieno servo persuaserit ut in arborem ascenderet vel in puteum descenderet, et is
ascendendo vel descendendo aut mortuus fuerit aut aliqua parte corporis laesus erit, utilis in
eum actio datur. sed si quis alienum servum de ponte aut ripa in flumen deiecerit et is
suffocatus fuerit, eo quod proiecerit corpore suo damnum dedisse non difficiliter intellegi
poterit ideoque ipsa lege Aquilia tenetur. sed si non corpore damnum fuerit datum neque
corpus laesum fuerit, sed alio modo damnum alicui contigit, cum non sufficit neque directa
neque utilis Aquilia, placuit eum qui obnoxius fuerit in factum actione teneri: veluti si quis,
misericordia ductus, alienum servum compeditum solverit, ut fugeret.
Im Übrigen hat sich die Meinung durchgesetzt, dass nach diesem Gesetz eine Klage nur
gegeben ist, wenn jemand den Schaden vornehmlich durch körperliche Einwirkung zugefügt
hat. Deshalb pflegt man gegen den, der den Schaden auf andere Weise zugefügt hat,
analoge Klagen zu gewähren. Eine solche wird zum Beispiel gegen den gewährt, der einen
fremden Sklaven oder fremdes Vieh einsperrt, so dass sie verhungern, oder ein Zugtier so
heftig antreibt, dass es Schaden nimmt, oder Herdenvieh so antreibt, dass es zugrunde
geht, oder einen fremden Sklaven überredet, auf einen Baum oder in einen Brunnen zu
steigen, wenn der Sklave beim Hinaufklettern oder Hinabsteigen entweder zu Tode kommt
oder sich an irgendeinem Körperteil verletzt. Stößt aber jemand einen fremden Sklaven von
einer Brücke oder vom Ufer in den Fluss und ertrinkt dieser, kann man unschwer erkennen,
dass er, indem er stößt, den Schaden durch körperliche Einwirkung verursacht und deshalb
aus der lex Aquilia selbst haftet. Wird der Schaden jedoch nicht durch körperliche
Einwirkung zugefügt und auch kein Körper verletzt, sondern entsteht jemandem auf andere
Weise ein Schaden, haftet der Schuldige, weil weder die unmittelbare noch eine analoge
aquilische Klage in Betracht kommt, nach allgemeiner Meinung mit einer auf den
Sachverhalt zugeschnittenen Klage: wie zum Beispiel, wenn jemand aus Mitleid einem
fremden Sklaven die Fesseln löst, damit er fliehen kann.
Die deliktische Generalklausel
Grotius (1583-1645), De jure belli ac pacis, 2.17.1
Maleficium hic appellamus culpam omnem, sive in faciendo,
sive in non faciendo, pugnantem cum eo quod aut homines
communiter, aut pro ratione certae qualitatis facere debent.
Ex tali culpa obligatio naturaliter oritur si damnum datum est,
nempe ut id resarciatur.
Delikt nennen wir jede Schuld, bestehe sie im Handeln oder
Unterlassen, die dem widerspricht, was die Menschen
überhaupt oder nach ihrer besonderen Eigenschaft zu tun
haben. Aus einer solchen Schuld entspringt kraft des
Naturrechts die Verpflichtung, den zugefügten Schaden zu
ersetzen.
Die Generalklausel in den Naturrechtsgesetzbüchern
Das preußische ALR (1794)
§ 10 I 6: „Wer einen Andern aus Vorsatz oder grobem Versehen beleidigt, muß
demselben vollständige Genugthuung leisten.“
§ 12 I 6: „Wer aus mäßigem Versehen den Andern durch eine Handlung oder eine
Unterlassung beleidigt, der haftet nur für den daraus entstandnen wirklichen
Schaden.“
Der Code civil (1804)
Art. 1382: Tout fait quelconque de l'homme, qui cause à autrui un dommage,
oblige celui par la duquel il est arrivé, à le réparer.
Das österreichische ABGB (1811)
§ 1295: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des
Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der
Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf
einen Vertrag verursacht worden sein.“
§ 1324: „In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer auffallenden
Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugtuung; in
den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern
berechtigt.“
Das Deliktsrecht des BGB …
… soll nach seinem ersten Entwurf ebenso wie das OR (Art. 41) gleichfalls eine
Generalklausel erhalten. § 704 E I lautet:
„(1) Hat jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene
widerrechtliche Handlung - Thun oder Unterlassen - einem anderen einen
Schaden zugefügt, dessen Entstehung er vorausgesehen hat oder voraussehen
mußte, so ist er dem anderen zum Ersatze des durch die Handlung verursachten
Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens
vorauszusehen war oder nicht.
(2) Hat jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche
Handlung das Recht eines anderen verletzt, so ist er den durch die
Rechtsverletzung dem anderen verursachten Schaden diesem zu ersetzen
verpflichtet. Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist
auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der
Ehre anzusehen.“
… wird dann von der zweiten BGB-Kommission aus Furcht vor einer zu großen
Ausweitung der außervertraglichen Haftung wieder auf die beiden
Haftungstatbestände der Rechtsgutsverletzung und des Vorsatzes beschränkt,
die der gemeinrechtlichen Haftung aus der lex Aquilia und mit der actio de dolo
entsprechen.
… lässt so eine Lücke für die fahrlässige Herbeiführung reiner Vermögensschäden,
die vor allem im Geschäftsverkehr entstehen.
Die Eigentumsherausgabeklage des
geltenden Rechts …
… ist ein dinglicher Anspruch, der an das Eigentum als eine gegenüber allen
wirksame Rechtsposition geknüpft ist.
… bildet mit ihrem Tatbestand zugleich den Ausgangspunkt für schuldrechtliche
Ansprüche auf Nutzungsherausgabe, Schadens- und Verwendungsersatz (§§
987 ff.), die …
… als Sonderregime den allgemeinen Regeln des Delikts- und Bereicherungsrecht
vorgehen.
… von den allgemeinen Bestimmungen eigentlich ersetzt werden könnten:
- die Schadensersatzpflicht nach §§ 989, 990 BGB durch die Deliktshaftung nach §§
823 ff. BGB.
- die Herausgabe von Früchten gemäß §§ 987 ff. und der Verwendungsersatz nach
§§ 994 ff. BGB durch die Eingriffs- oder Verwendungskondiktion nach § 812 Abs. 1
S. 1 Alt. 2 BGB.
- Die Privilegien des gutgläubigen Besitzers, die darauf beruhen, dass die
Eigentumslage ungewiss sein kann, lassen sich auch im Rahmen dieser
allgemeinen Bestimmungen (Verschulden, Wegfall der Bereicherung) herstellen.
Gai 4.16
Si in rem agebatur, mobilia quidem et moventia, quae modo in ius adferri adducive
possent, in iure vindicabantur ad hunc modum: qui vindicabat, festucam tenebat;
deinde ipsam rem adprehendebat, velut hominem, et ita dicebat: HUNC EGO
HOMINEM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO SECUNDUM SUAM
CAUSAM, SICUT DIXI, ECCE TIBI, VINDICTAM IMPOSUI, et simul homini
festucam inponebat. adversarius eadem similiter dicebat et faciebat. cum uterque
vindicasset, praetor dicebat: MITTITE AMBO HOMINEM. illi mittebant. qui prior
vindicaverat, sic dicebat: POSTULO, ANNE DICAS, QUA EX CAUSA
VINDICAVERIS? ille respondebat: IUS FECI, SICUT VINDICTAM INPOSUI.
deinde qui prior vindicaverat, dicebat: QUANDO TU INIURIA VINDICAVISTI, D
AERIS SACRAMENTO TE PROVOCO; adversarius quoque dicebat similiter: ET
EGO TE; aut si res infra mille asses erat, scilicet l asses sacramentum
nominabant. …
Wurde dinglich geklagt über bewegliche Sachen oder Lebewesen, die vor den
Gerichtsmagistrat gebracht oder geführt werden konnten, wurden sie vor dem
Gerichtsmagistrat wie folgt gefordert: Wer sie verlangte, hielt einen Stab; danach
berührte er die Sache, beispielsweise einen Sklaven, und sagte: „Ich behaupte,
dass dieser Sklave mir nach ius civile und aus dem Grund, den ich genannt habe,
gehört; und ich habe ihn, wie du sieht, mit dem Stab berührt“; und gleichzeitig
berührte er den Sklaven mit dem Stab. Der Gegner sagte und tat dasselbe.
Nachdem beide den Sklaven gefordert hatten, sagte der Prätor: „Lasst beide den
Sklaven los!“ Und sie ließen ihn beide los. Wer zuerst gefordert hatte, sagte: „Ich
fordere dich auf zu sagen, aus welchem Grund du ihn forderst!“ Der andere
antwortete: „Ich habe mit Recht gehandelt, wie ich ihn mit dem Stab berührt habe.“
Daraufhin sagte derjenige, der zuerst gefordert hatte: „Ich wette mit dir um die
Summe von 500 As, dass du den Sklaven zu Unrecht gefordert hast.“ Der Gegner
sagte entsprechend: „Und ich mit dir“; war die Sache weniger als 1000 As wert,
nannten sie als Wettsumme ein As. …
Die actio in rem des Legisaktionenverfahrens …
… ist noch nicht auf Herausgabe der Sache, sondern auf die inzidente
Feststellung des Eigentums als Vorfrage für die Entscheidung über eine
Wette der Parteien gerichtet.
… reflektiert einen Rechtszustand, wie er wahrscheinlich schon bei Erlass des
Zwölftafelgesetzes überholt war:
… war nämlich eine Klage im Prätendentenstreit, durch dessen
Entscheidung eine der beiden Parteien zum Eigentümer erklärt wurde.
… ließ keinen Raum für die Feststellung, dass das Eigentum weder Kläger
noch Beklagten, sondern einem Dritten zustand.
… zeigt, dass das Eigentum ursprünglich keine absolute Rechtsposition,
sondern nur Ausdruck der besseren Berechtigung im Verhältnis zum
Kontrahenten war.
… wirkt noch in der später im klassischen Recht vertretenen Ansicht fort, die
Eigentumsherausgabeklage könne nur gegen einen Eigenbesitzer, also
einen anderen Prätendenten im Eigentumsstreit, angestrengt werden.
Die formula petitoria der rei vindicatio
intentio:
clausula arbitraria:
condemnatio:
absolutio:
GAIUS IUDEX ESTO.
SI PARET FUNDUM QUO DE AGITUR EX IURE
QUIRITIUM Aulo Agerio ESSE
NEQUE EA RES ARBITRIO TUO Aulo Agerio
RESTITUETUR
QUANTI EA RES ERIT, TANTAM PECUNIAM IUDEX
Numerium Negidium Aulo Agerio CONDEMNATO.
SI NON PARET ABSOLVITO.
Gaius soll Richter sein.
Klageziel:
Ergibt sich, dass das Grundstück, um das gestritten wird,
nach Zivilrecht dem Kläger gehört,
Zwischenbescheid:
und diese Sache auf deine Anordnung dem Kläger nicht
zurückgegeben wird,
Verurteilung:
so verurteile du, Richter, den Beklagten, dem Kläger so
viel Geld zu zahlen, wie die Sache wert sein wird.
Klageabweisung:
Ergibt es sich nicht, sprich ihn los.
Die Eigentumsherausgabeklage des
klassischen Rechts …
… knüpft an das Eigentum als eine gegenüber allen wirksame Rechtsposition an:
Kann der Kläger seine Berechtigung nicht nachweisen, führt dies zur einfachen
Klageabweisung und nicht automatisch zur Feststellung des Eigentums des
Beklagten.
… ist nicht mehr auf die Feststellung des Eigentums als Vorfrage für die Entscheidung
über eine Wette der Parteien, sondern auf die Herausgabe der Sache an den
Kläger gerichtet.
… übernimmt die Funktion einer Schadensersatz- und Bereicherungsklage, indem …
… in Anlehnung an ein senatus consultum zur Erbschaftsklage auch derjenige
verurteilt wird, der sich vor Prozessbeginn des Besitzes arglistig begeben hat.
… der nach Prozessbeginn eingetretene Untergang oder die hiernach erfolgte
Verschlechterung der Sache unberücksichtigt bleibt. Während manche Juristen
dies nur bei einem Verschulden des Beklagten annehmen, wollen andere ihn auch
für den Zufall haften lassen, sofern er die Sache bei rechtzeitiger Herausgabe nicht
getroffen hätte.
… der Beklagte auch die Früchte zu erstatten hat, die er nach Prozessbeginn
gezogen hat.
Verwendungsersatz durch exceptio doli
D 6.1.38 Cels 3 dig
In fundo alieno, quem imprudens emeras, aedificasti aut conseruisti, deinde evincitur:
bonus iudex varie ex personis causisque constituet. finge et dominum eadem
facturum fuisse: reddat impensam, ut fundum recipiat, usque eo dumtaxat, quo
pretiosior factus est, et si plus pretio fundi accessit, solum quod impensum est. finge
pauperem, qui, si reddere id cogatur, laribus sepulchris avitis carendum habeat:
sufficit tibi permitti tollere ex his rebus quae possis, dum ita ne deterior sit fundus,
quam si initio non foret aedificatum. ... neque malitiis indulgendum est, si tectorium
puta, quod induxeris, picturasque corradere velis, nihil laturus nisi ut officias. ...
Du hast auf einem fremden Grundstück, das du in gutem Glauben gekauft hast,
gebaut oder gesät; dann wird es herausverlangt. Ein guter Richter wird in diesem Fall
nach den beteiligten Personen und der Sachlage differenzieren: Nimm an, der
Eigentümer hätte die Absicht gehabt, dasselbe zu tun; dann muss er, damit er das
Grundstück zurückerhält, die Aufwendungen erstatten, allerdings nur bis zu dem
Betrag, um den es wertvoller geworden ist, und wenn der Wertzuwachs des
Grundstücks höher ist, nur den Betrag, der aufgewendet worden ist. Nimm an, der
Eigentümer sei arm und müsse den Kult der Hausgötter und die Gräber seiner
Vorfahren aufgeben, wenn er zum Aufwendungsersatz gezwungen wird; dann genügt
es, dir zu gestatten, von deinen Sachen mitzunehmen was du kannst, solange das
Grundstück nicht weniger wert ist, als wenn es von vornherein nicht bebaut worden
wäre. … Bosheit ist aber nicht zu dulden, zum Beispiel wenn du eine
Wandverkleidung oder ein Gemälde entfernen willst, um dadurch nichts außer einem
Nachteil für den Eigentümer zu erreichen. …
Nach der Rezeption des römischen Rechts …
… überträgt die Gemeinrechtslehre die Unterscheidung
zwischen notwendigen, nützlichen und überflüssigen
Verwendungen vom Recht der Mitgift auf das
Vindikationsrecht.
… entwickelt die Naturrechtslehre einen einfacher strukturierten
Gegenentwurf zum Vindikationsregime, indem sie auf das
Schadensersatz- und Bereicherungsrecht zurückgreift.
… kehrt in den deutschsprachigen Naturrechtskodifikationen
doch wieder das römische Modell zurück, bei dem man nun
allerdings zwischen dem dinglichen Herausgabeanspruch
und den schuldrechtlichen Folgeansprüchen trennt.
D 8.5.8.5 Ulp 17 ed
Aristo Cerellio Vitali respondit non putare se ex taberna casiaria fumum in superiora
aedificia iure immitti posse, nisi ei rei servitutem talem admittit. idemque ait: et ex
superiore in inferiora non aquam, non quid aliud immitti licet: in suo enim alii
hactenus facere licet, quatenus nihil in alienum immittat, fumi autem sicut aquae
esse immissionem: posse igitur superiorem cum inferiore agere ius illi non esse id
ita facere. Alfenum denique scribere ait posse ita agi ius illi non esse in suo lapidem
caedere, ut in meum fundum fragmenta cadant. dicit igitur Aristo eum, qui tabernam
casiariam a Minturnensibus conduxit, a superiore prohiberi posse fumum immittere,
sed Minturnenses ei ex conducto teneri: ...
Aristo gab dem Cerellius Vitalis zur Antwort, er glaube nicht, dass man rechtmäßig
Rauch aus einer Käserei auf höher gelegene Grundstücke blasen dürfe, wenn nicht
eine entsprechende Dienstbarkeit dies gestatte. Und derselbe sagt noch, dass man
aus einem höher gelegenen Grundstück auf ein tiefer gelegenes weder Wasser
noch etwas anderes leiten dürfe. Auf dem eigenen Grund dürfe man nur insoweit
tätig werden, als man nicht auf ein fremdes Grundstück einwirke; die Zuführung von
Rauch unterscheide sich nicht von der Einleitung von Wasser; daher könne der
Eigentümer des höher gelegenen Grundstücks gegen den des tiefer gelegenen
Klage erheben, um feststellen zu lassen, dass dieser kein Recht habe so zu
handeln. Aristo fügt hinzu, Alfenus schreibe, man könne Klage auf Feststellung
erheben, dass der Nachbar kein Recht habe, auf seinem Grund einen Steinbruch
so zu betreiben, dass Splitter auf mein Grundstück fallen. Aristo sagt daher, der
Eigentümer des höher gelegenen Grundstücks könne demjenigen, der eine Käserei
von der Gemeinde Miturnae gepachtet hat, die Rauchzuführung verbieten, während
die Gemeinde Miturnae ihm aus dem Pachtvertrag hafte. …
Die actio negatoria des römischen Rechts …
… ist nicht auf Abwehr einer Störung, sondern auf die Feststellung gerichtet,
dass dem Störer nicht das Recht zu der unerwünschten Einwirkung auf die
Sache des Klägers zusteht.
… ist das Gegenstück zu der actio confessoria, mit der eine Grunddienstbarkeit,
also geltend gemacht wird, man habe das Recht, in bestimmter Weise auf ein
Grundstück einzuwirken. Durch beide Institute wurde das Nachbarrecht
bewältigt.
… erscheint in ihrer ursprünglichen Form noch in § 523 des österreichischen
ABGB:
„In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht statt. Man kann
gegen den Eigentümer das Recht der Servitut behaupten; oder der Eigentümer
kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muss
der Kläger die Erwerbung der Servitut oder wenigstens den Besitz derselben als
eines dinglichen Rechts, im zweiten Falle muss er die Anmaßung der Servitut in
seiner Sache beweisen.“
… ist anschließend von den Dienstbarkeiten gelöst und in § 1004 BGB zu einem
Anspruch gemacht worden, der sich auch gegen faktische Beeinträchtigungen
richtet, die nicht mit der Behauptung eines entsprechenden Rechts des Störers
einhergehen.
Besitzschutz nach BGB
•
Der Besitzbegriff
§ 854 Abs. 1: Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen
Gewalt über die Sache erworben.
•
Der Anspruch wegen Besitzentziehung
§ 861 Abs. 1: Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen,
so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen,
welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.
§ 858 Abs. 2 S. 1: Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft.
§ 858 Abs. 1: Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im
Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung
gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
§ 863: Gegenüber den in den §§ 861 … bestimmten Ansprüchen kann ein Recht
zum Besitz … nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, die
Entziehung … des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei.
•
Die Einrede des fehlerhaften Besitzes
§ 861 Abs. 2: Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem
gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und
in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.
Der Besitzschutz nach BGB …
… steht jedem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zu,
unabhängig davon, ob er die Sache als eigene oder fremde
besitzt.
… ist viel effektiver als der Eigentumsschutz, weil er eine
Auseinandersetzung nur über die Frage erlaubt, ob der
Besitz fehlerhaft ist oder nicht.
… dient der Sicherung des Rechtsfriedens, indem niemand
Selbsthilfe üben und darauf vertrauen soll, durch
Besitzentziehung vollendete Tatsachen zu schaffen.
… ist insofern eingeschränkt, als die Selbsthilfe gegen eine
verbotene Besitzentziehung nicht sanktioniert wird.
Die possessio des römischen Rechts …
… ist ebenfalls eine tatsächliche, keine rechtliche
Beziehung.
… haben aber grundsätzlich nur diejenigen inne, die
eine Sache als eigene besitzen.
… verhindert also nicht die Selbsthilfe schlechthin,
sondern nur die Selbsthilfe im Streit über die
Eigentumsposition.
… ist also auf den Schutz des Eigentums gerichtet.
… hat seine wichtigste Funktion bei der Vorbereitung
des Vindikationsprozesses.
IJ 4.15.4
Retinendae possessionis causa comparata sunt interdicta UTI POSSIDETIS et
UTRUBI, cum ab utraque parte de proprietate alicuius rei controversia sit et
ante quaeritur, uter ex litigatoribus possidere et uter petere debeat. namque nisi
ante exploratum fuerit, utrius eorum possessio sit, non potest petitoria actio
institui, quia et civilis et naturalis ratio facit ut alius possideat, alius a possidente
petat. et quia longe commodius est possidere potius quam petere, ideo
plerumque et fere semper ingens existit contentio de ipsa
possessione. commodum autem possidendi in eo est, quod, etiamsi eius res
non sit qui possidet, si modo actor non potuerit suam esse probare, remanet
suo loco possessio: propter quam causam, cum obscura sint utriusque iura,
contra petitorem iudicari solet. …
Zur Bewahrung des Besitzes sind die Interdikte „wie ihr besitzt“ und „bei wem“
für den Fall eingeführt worden, dass sich zwei Parteien um das Eigentum an
einer Sache streiten und vorab festgestellt werden muss, wer von den
streitenden Parteien besitzt und wer die Klage erheben muss. Denn wird nicht
zuvor geklärt, wer von den beiden Besitzer ist, kann die Herausgabeklage nicht
erhoben worden, weil nach Rechtslogik und natürlicher Vernunft der eine
besitzen muss, während der andere den Besitzer verklagt. Und da es bei
weitem angenehmer ist zu besitzen als zu klagen, gibt es häufig oder beinahe
stets auch Streit um den Besitz. Der Vorteil des Besitzers liegt darin, dass der
Besitz, selbst wenn ihm die Sache, die er besitzt, nicht gehört, gleichwohl
bestehen bleibt, wenn der Kläger nicht beweisen kann, dass sie ihm gehört;
daher wird gewöhnlich gegen den Kläger entschieden, wenn die Rechte beider
Parteien unklar sind. …
Prohibitorische und restitutorische Interdikte
D 43.17.1pr. Ulp 69 ed
Ait praetor: ‚Uti eas aedes, quibus de agitur, nec vi nec clam nec precario alter ab
altero possidetis, quo minus ita possideatis, vim fieri veto.’ …
Der Prätor verkündet: „Ich verbiete euch Gewalt anzuwenden zu dem Zweck, dass
ihr nicht mehr so besitzt, wie ihr das Grundstück, um das gestritten wird, nun besitzt,
ohne dass der eine es von dem anderen durch Gewalt heimlich oder im Wege der
Bittleihe erlangt hat.“ …
Gai 4.154
Reciperandae possessionis causa solet interdictum dari, si quis ex possessione vi
deiectus sit: nam ei proponitur interdictum, cuius principium est UNDE TU ILLUM VI
DEIECISTI, per quod is qui deiecit cogitur ei restituere rei possessionem, si modo is,
qui deiectus est, nec vi nec clam nec precario possidet: namque eum, qui a me vi aut
clam aut precario possidet, inpune deicio.
Zur Wiedererlangung des Besitzes gewährt man gewöhnlich ein Interdikt, wenn
jemandem mit Gewalt der Besitz entzogen worden ist; denn für ihn ist das Interdikt
vorgesehen, dessen Beginn lautet: „von wo du mit Gewalt jenen vertrieben hast“, und
mit dem derjenige, der den Besitz der Sache entzogen hat, gezwungen wird, ihn
zurückzugewähren, falls derjenige, der vertrieben worden ist, weder aufgrund von
Gewalt noch heimlich oder im Rahmen einer Bittleihe besessen hat; denn den, der
mir gegenüber aufgrund von Gewalt, heimlich oder im Rahmen einer Bittleihe besitzt,
darf ich ungestraft vertreiben.
Die Besitzinterdikte …
… richten sich gegen denjenigen, der eine Sache wegnehmen möchte
oder gewaltsam, heimlich oder im Wege einer Bittleihe (precarium)
erlangt hat.
- Die gewaltsame oder heimliche Entziehung geschieht ohne den
Willen des Besitzers.
- Die Überlassung an einen Prekaristen geschieht freiwillig, aber
auf jederzeitigen Widerruf. (Wegen seiner Schutzlosigkeit
gegenüber dem Verleiher ist der Prekarist gewissermaßen dessen
verlängerter Arm und als solcher selbst gegenüber Dritten in seinem
Besitz geschützt.)
… versagen, wenn der Kläger den Besitz selbst vorher gewaltsam,
heimlich oder im Wege einer Bittleihe erlangt hat.
… lassen also die Selbsthilfe gegen eine unerlaubte
Besitzentziehung sanktionslos.
Ein neues Besitzschutzrecht in der Nachklassik
CJ 8.4.7 (a. 389)
Valentinianus Theodosius et Arcadius ad Messianum comitem rerum privatarum. Si
quis in tantam furoris pervenit audaciam, ut possessionem rerum apud fiscum vel
apud homines quoslibet constitutarum ante eventum iudicialis arbitrii violenter
invaserit, dominus quidem constitutus possessionem quam abstulit restituat
possessori et dominium eiusdem rei amittat: sin vero alienarum rerum
possessionem invasit, non solum eam possidentibus reddat, verum etiam
aestimationem earundem rerum restituere compellatur.
Valentinian, Theodosius und Arcadius an Messian, Minister des kaiserlichen
Privatvermögens. Ist jemand in wahnsinniger Frechheit so weit gegangen, den
Besitz von Sachen, die der Fiskus oder irgendein Privater innehaben, vor einer
gerichtlichen Entscheidung gewaltsam zu ergreifen, soll er, wenn er sich als ihr
Eigentümer erweist, den Besitz, den er an sich gerissen hat, dem Besitzer
zurückgewähren und das Eigentum an der Sache verlieren; hat er aber den Besitz
fremder Sachen ergriffen, soll er ihn nicht allein ihren Besitzern zurückgewähren,
sondern auch gezwungen werden, den Wert dieser Sachen zu leisten.
 jede Besitzentziehung ist verboten, selbst wenn sie im Wege der Selbsthilfe
gegen eine verbotene Besitzentziehung erfolgt
 der Täter verliert zur Strafe sogar sein Eigentum oder muss einen Betrag in Höhe
des Sachwertes leisten
Nach der Rezeption des römischen Rechts …
… wird der Besitzschutz im kirchlichen und dann im Gemeinen
Recht sowie in den Kodifikationen auch den Fremdbesitzern
zugestanden.
… wird der Besitzschutz so zum Mittel eines allgemeinen
Verbots der Selbsthilfe, das nicht nur gegen die Selbsthilfe
im Streit über das Eigentum gilt.
… gibt es im Gemeinen Recht im Anschluss an die
Entscheidungen der spätantiken Kaiser zunächst auch keine
Ausnahme für die Selbsthilfe gegen eine verbotene
Besitzentziehung.
… kehrt in den Kodifikationen wieder die Einrede des
fehlerhaften Besitzes, also die Einschränkung zurück, dass
derjenige, der den Besitzschutz begehrt, den Besitz
seinerseits nicht fehlerhaft erlangt haben darf.
Das Pfandrecht nach BGB …
… variiert in seiner Ausgestaltung stark nach seinem Gegenstand:
- Bei Grundstücken ist es besitzlos und von einer Eintragung im Grundbuch
abhängig.
- Bei beweglichen Sachen gilt das Faustpfandprinzip (§§ 1205, 1253 BGB: keine
Verpfändung entsprechend § 930 BGB), das ebenso wie die Eintragungspflicht bei
Grundpfandrechten für die Publizität des Pfandrechts sorgen soll.
… existiert sowohl als forderungsgebundenes als auch als unabhängiges
Verwertungsrecht:
- Die Grundschuld ist nicht an die Existenz der gesicherten Forderung gebunden (§
1192 Abs. 1 BGB), sondern mit ihr nur durch eine Sicherungsabrede verknüpft.
- Die Hypothek und das Mobiliarpfandrecht sind akzessorisch (§§ 1163, 1210,
1252 BGB).
… kann zugleich mehrfach an derselben Sache bestehen: Der Rang richtet sich
nach der Reihenfolge der Eintragungen (§ 879 Abs. 1 BGB) oder dem Zeitpunkt
der Bestellung (§ 1209 BGB).
… unterliegt dem Verbot des Pfandverfalls (§ 1229 BGB).
Die Sicherungsübereignung des
geltenden Rechts …
… ist zur Umgehung des Faustpfandprinzips entstanden. Dieses
beschwert beide Parteien, weil …
… der Pfandgläubiger bis zum Sicherungsfall nicht mit der Verwaltung
der Pfandsache belastet sein will.
… der Verpfänder die Pfandsache regelmäßig als Produktionsmittel
braucht.
… ist anders als in der Schweiz, wo es ein gesetzliches Umgehungsverbot
für das Faustpfandprinzip gibt, ohne weiteres zulässig.
… ist mangels gesetzlicher Regelung nicht akzessorisch, also mit der
gesicherten Forderung nur durch die Sicherungsabrede verbunden.
… hat den Nachteil, dass es eine „Mehrfachverpfändung“ nur in Gestalt
einer bedingten weiteren Sicherungsübereignung ermöglicht.
Der Eigentumsvorbehalt des geltenden Rechts …
…ist der Sicherungsübereignung insofern ähnlich, als
das Eigentum an einer Sache der Sicherung einer
schuldrechtlichen Forderung gegen deren Besitzer
dient.
…sichert den Anspruch des Verkäufers auf Zahlung
des Kaufpreises gegen den Käufer, dem die
Sache, ohne die Einrede nach § 320 BGB zu
erheben, schon vorher übergeben wird.
…ist nach § 449 Abs. 1 BGB im Zweifel als
aufschiebend bedingte Übereignung zu
verstehen.
Das Pfandrecht (pignus) des römischen Rechts …
… ist ursprünglich eine schuldrechtliche Verpflichtung
zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger und wird zum
dinglichen Recht erst durch die vermutlich von Servius
geschaffene actio Serviana, mit der der Pfandgläubiger
die Sache von einem Dritten herausverlangen kann.
… ist im Ursprung vermutlich ebenfalls ein Faustpfand, wird
jedoch doch schon bald als hypotheca auch in besitzloser
Form zugelassen, und zwar sowohl bei Grundstücken als
auch bei Mobilien.
… erlangt Publizität allenfalls durch die Beurkundung des
Verpfändungsvertrags, die erst seit 472 n. Chr. öffentlich
erfolgen muss.
Das Pfandrecht (pignus) des römischen Rechts …
… ist zwangsläufig akzessorisch, weil die Verwertung ursprünglich
durch Pfandverfall erfolgte, und zwar entweder in Form einer
Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum) oder als Pfandkauf. In
beiden Fällen konnte der Pfandgläubiger nur beim Bestand der
gesicherten Forderung Eigentümer der Pfandsache werden.
… berechtigt den Pfandgläubiger in klassischer Zeit üblicherweise nur
zur Verwertung durch Verkauf.
… wird in den Zeiten der Inflation wieder üblicherweise als
Verfallspfand vereinbart und als solches zum Schuldnerschutz von
Kaiser Konstantin verboten.
… kann nach einem anderen Pfandrecht zunächst nur in bedingter
Form oder als Pfandrecht am Überschuss bestellt werden. Später
erkennen die römischen Juristen eine Mehrfachverpfändung mit
direkter Wirkung und zeitlicher Rangfolge (prior tempore potior
iure) an.
Die Sicherungsübereignung des
römischen Rechts …
… ist eine Erscheinungsform der Treuhand (fiducia), die außer
zu Sicherungszwecken (cum creditore contracta) auch
fremdnützig (cum amico contracta) übernommen werden
kann.
… ist nicht akzessorisch, weil sie an die abstrakt wirksame
Übereignung durch mancipatio gebunden ist.
… hat ebenfalls den Vorteil, eine besitzlose Sicherheit zu
begründen, aber zugleich den Nachteil, dass sie an das
Ritual der mancipatio geknüpft ist.
… verliert ihre praktische Bedeutung mit der Zulassung des
besitzlosen Pfandrechts (hypotheca) erheblich und
verschwindet mit Absterben und Abschaffung der mancipatio
schließlich völlig.
Die formula Baetica
Dama L. Titii ser(vus) fundum Baianum, qui est in agro qui Veneriensis vocatur, pago Olbensi, uti
optumus maxumusq(ue) esset, (sestertio) n(ummo) I et hominem Midam (sestertio) n(ummo) I
fidi fiduciae causa mancipio accepit ab L. Baianio, libripende antestat(ato). Adfines fundo dixit
L. Baianus L. Titium et C. Seium et populum et si quos dicere oportet. Pactum conventum factum
est inter Damam L. Titi ser(vum) et L. Baianum, <uti> quam pecuniam L. <Titius L.> Baian<i>o
dedit dederit, credidit crediderit, ex pensumve tulit tulerit, sive quod pro eo promisit promiserit,
spopondit <spoponderit>, fideve quid sua esse iussit iusserit, usque eo is fundus eaque
mancipia fiducia<e> essent, donec ea omnis pecunia fidesve persoluta L. Titi soluta liberataque
esset; si pecunia sua quaque die L. Titio h(eredi)ve eius data soluta non esset, tum uti eum
fundum ... ubi et quo die vellet pecuniae praesenti venderet; mancipio pluris (sestertio) n(ummo)
I invitus ne daret, neve satis secundum mancipium daret, neve ut in ea verba, quae in verba
satis s(ecundum) m(ancipium) dari solet, repromitteret, neve simplam neve [duplam --Dama, der Sklave des Lucius Titius, hat das baianische Grundstück in dem Gelände, das
Veneriensis genannt wird, im Gebiet des Dorfes Olba, frei von Servituten zu einem Sesterzen
und auch den Sklaven Midas zu einem Sesterzen treuhänderisch durch mancipatio von Lucius
Baianus im Beisein von … als Waagenhalter und von … als Zeugen erworben. Lucius Baianus
hat gesagt, dass das Grundstück an das des Lucius Titius und das des Gaius Seius sowie an
öffentlichen Grund und auch an andere Grundstücke angrenzt, wenn diese genannt werden
müssen. Zwischen Dama, dem Sklaven des Lucius Titius, und Lucius Baianus ist vereinbart
worden, dass dieses Grundstück und dieser Sklave für den Betrag, den Lucius Titius dem Lucius
Baianus gegeben hat/gegeben haben wird/geliehen hat/geliehen haben wird/als ausbezahlt
gebucht hat/als ausbezahlt gebucht haben wird/für den er sich zu seinen Gunsten durch
promissio/sponsio/fideiiussio verbürgt hat/verbürgt haben wird, so lange treuhänderisch dem
Lucius Titius zustehen soll, bis der gesamte Betrag bezahlt oder Lucius Titius vollständig befreit
ist; ferner dass Lucius Titius oder sein Erbe, wenn der Betrag ihnen nicht zu dem dafür
bestimmten Termin gezahlt werden sollte, dieses Grundstück … , wo und wann sie wollen,
gegen bar verkaufen; außerdem dass sie es nicht zu mehr als einem Sesterzen durch
mancipatio übertragen, keine Sicherheitsleistung und auch nicht mit den dabei üblichen Worten
ein Versprechen und keine Zusage des einfachen oder doppelten Kaufpreises abgeben.
Der Eigentumsvorbehalt …
… ergibt sich in Rom ohne Weiteres aus der Barkaufstruktur des Kaufvertrags: Wie beim
sofortigen Leistungsaustausch geht das Eigentum an der Kaufsache nicht eher auf den
Käufer über, als dieser den Kaufpreis bezahlt, es sei denn, es sei ein Kreditkauf
abgeschlossen:
IJ 2.1.41
Sed si quidem ex causa donationis aut dotis aut qualibet alia ex causa tradantur, sine dubio
transferentur: venditae vero et traditae non aliter emptori adquiruntur, quam si is venditori
pretium solverit vel alio modo ei satisfecerit, veluti expromissore aut pignore dato. quod
cavetur quidem etiam lege duodecim tabularum: tamen recte dicitur et iure gentium, id est
iure naturali, id effici. sed et si is qui vendidit fidem emptoris secutus fuerit, dicendum est,
statim rem emptoris fieri.
Werden Sachen aufgrund einer Schenkung oder zur Bestellung einer Mitgift oder aus
irgendeinem anderen Grund übergeben, geht das Eigentum an ihnen zweifellos sofort über.
Die Sachen aber, die verkauft und übergeben sind, werden vom Käufer erst dann erworben,
wenn er dem Verkäufer den Kaufpreis gezahlt oder ihm auf andere Weise wie zum Beispiel
mit Hilfe eines Schuldübernehmers oder durch Pfandbestellung Sicherheit geleistet hat.
Dies wird sogar im Zwölftafelgesetz festgelegt, gilt aber, wie man zu Recht annimmt, schon
aufgrund des Völkergemeinrechts, also nach Naturrecht. Lässt aber derjenige, der verkauft,
dem Käufer den Kaufpreis wie bei einem Darlehen nach, ist zu sagen, dass die Sache
sofort zum Eigentum des Käufers wird.
Nach der Rezeption des römischen Rechts …
… setzt sich in den Naturrechtskodifikationen das Faustpfandprinzip durch.
… bleibt die fiducia cum creditore contracta bis zur Wiederentdeckung von Gaius‘
Institutionenlehrbuch 1816 verschollen.
… wird die Sicherungsübereignung bei der Besicherung durch bewegliche Sachen
immer populärer und verdrängt das Mobiliarpfand in Deutschland fast völlig.
… besteht für sie bei Immobilien seit der Einführung des Grundbuchs als
Publizitätsträger aber kein Bedarf mehr.
… verliert sich mit der Barkaufstruktur auch der automatische
Eigentumsvorbehalt; vielmehr nimmt man jetzt immer einen Kreditkauf an, wenn
der Verkäufer nicht auf sofortige Zahlung besteht:
§ 1063 ABGB:
„Wird die Sache dem Käufer von dem Verkäufer, ohne das Kaufgeld zu erhalten,
übergeben; so ist die Sache auf Borg verkauft, und das Eigenthum derselben geht
gleich auf den Käufer über.“
Die Errichtung eines Testaments nach BGB …
… muss in öffentlicher (§ 2232 BGB) oder eigenhändiger (§
2247 BGB) Form erfolgen.
… unterliegt dem Formerfordernis weniger zum Schutz des
Erblassers vor Übereilung (und damit dem Schutz der
gesetzlichen Erben) als vielmehr zur Beweissicherung.
… unterliegt keinen Anforderungen an den Inhalt;
insbesondere müssen die gesetzlichen Erben nicht
ausdrücklich enterbt werden.
… führt bei Übergehung der gesetzlichen Erben der ersten
Ordnung, der Eltern des Erblassers und des Ehegatten zu
einem Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB)
Gai 2.102 f.
Sed illa quidem duo genera testamentorum in desuetudinem abierunt; hoc vero solum, quod per aes et
libram fit, in usu retentum est. sane nunc aliter ordinatur quam olim solebat. namque olim familiae
emptor, id est qui a testatore familiam accipiebat mancipio, heredis locum optinebat, et ob id ei mandabat
testator, quid cuique post mortem suam dari vellet; nunc vero alius heres testamento instituitur, a quo
etiam legata relinquantur, alius dicis gratia propter veteris iuris imitationem familiae emptor adhibetur.
(104) Eaque res ita agitur: qui facit testamentum, adhibitis, sicut in ceteris mancipationibus, V testibus
civibus romanis puberibus et libripende, postquam tabulas testamenti scripserit, mancipat alicui dicis
gratia familiam suam. in qua re his verbis familiae emptor utitur: FAMILIAM PECUNIAMQUE TUAM
ENDO MANDATELA CUSTODELAQUE MEA ESSE AIO, EAQUE, QUO TU IURE TESTAMENTUM
FACERE POSSIS SECUNDUM LEGEM PUBLICAM, HOC AERE, et ut quidam adiciunt, AENEAQUE
LIBRA, ESTO MIHI EMPTA; deinde aere percutit libram idque aes dat testatori velut pretii loco. deinde
testator tabulas testamenti tenens ita dicit: HAEC ITA UT IN HIS TABULIS CERISQUE SCRIPTA SUNT,
ITA DO ITA LEGO ITA TESTOR ITAQUE VOS, QUIRITES TESTIMONIUM MIHI PERHIBETOTE; et hoc
dicitur nuncupatio: nuncupare est enim palam nominare, et sane quae testator specialiter in tabulis
testamenti scripserit, ea videtur generali sermone nominare atque confirmare.
Die ersten beiden Arten von Testamenten sind außer Übung geraten. Das aber, das mit Kupfer und
Waage errichtet wird, ist beibehalten worden. Es wird allerdings anders vorgenommen als einst. Denn
einst stand der Vermögenskäufer, der von dem Erblasser dessen Vermögen übertragen bekommt, an der
Stelle eines Erben, und deshalb trug der Erblasser ihm auf, was wem nach seinem Tod gegeben werden
solle. Heute jedoch wird einer im Testament zum Erben eingesetzt, der auch mit Vermächtnissen belastet
wird, und ein anderer tritt bloß der Form halber zur Nachahmung des alten Rechts als Vermögenskäufer
auf. (104) Und so wird es vollzogen: Wer das Testament errichtet, verfügt, nachdem er die
Testamentsurkunde abgefasst hat, wie in anderen Fällen der mancipatio im Beisein von fünf Zeugen, die
mündig und römische Bürger sind, sowie vor dem Waagenhalter der Form halber über sein Vermögen.
Dabei sagt der Vermögenskäufer folgende Worte: „Ich sage, dass dein Vermögen und dein Geld in
meiner Treuhand und meinem Gewahrsam sein sollen und von mir nach dem Recht, kraft dessen du
dein Testament nach allgemeinem Gesetz errichten kannst, durch dieses Kupfer und (wie manche
hinzufügen) mit dieser Waage gekauft sein sollen.“ Darauf schlägt er mit der Kupfermünze gegen die
Waage und gibt sie dem Erblasser statt eines Kaufpreises. Danach spricht der Erblasser, indem er die
Testamentsurkunde in den Händen hält, wie folgt: „Wie es in diesen Wachstafeln geschrieben steht, so
leiste, so vermache, so vererbe ich, und ihr Bürger sollt meine Zeugen sein.“ Und dies wird nuncupatio
genannt. Nuncupare heißt nämlich öffentlich erklären; und was er in der Testamentsurkunde einzeln
verfügt hat, gilt durch den allgemeinen Ausspruch als öffentlich erklärt und bestätigt.
Das Testament „mit Kupfer und Waage“ …
… ist eine besondere Form der treuhänderisch
abgeschlossenen mancipatio: Der Erblasser
überträgt sein gesamtes Vermögen auf einen
Treuhänder und gibt ihm auf, wie damit nach
seinem Tod zu verfahren ist.
… war ursprünglich offenbar ein Mittel zur
Umgehung der gesetzlichen Erbfolge, die
anscheinend zwingend war, durch die Übertragung
des gesamten Vermögens unter Lebenden aber
praktisch entwertet wurde.
… blieb bis in die klassische Zeit das einzige
Instrument, um eine nach Zivilrecht gültige
Erbfolge vorzusehen.
Gai 2.119 f.
Praetor tamen, si septem signis testium signatum sit testamentum, scriptis
heredibus secundum tabulas testamenti bonorum possessionem pollicetur, si
nemo sit, ad quem ab intestato iure legitimo pertineat hereditas, velut frater
eodem patre natus aut patruus aut fratris filius. et ita poterunt scripti heredes
retinere hereditatem: nam idem iuris est et si alia ex causa testamentum non
valeat, velut quod familia non venierit aut nuncupationis verba testator locutus
non sit. (120) Sed videamus, an etiam si frater aut patruus extent, potiores
scriptis heredibus habeantur: rescripto enim imperatoris Antonini significatur eos,
qui secundum tabulas testamenti non iure factas bonorum possessionem
petierint, posse adversus eos, qui ab intestato vindicant hereditatem, defendere
se per exceptionem doli mali.
Ist ein Testament mit den Siegeln von sieben Zeugen versehen, räumt der Prätor
den darin eingesetzten Erben gemäß der Testamentsurkunde den Nachlassbesitz
ein, falls es niemanden gibt, dem die Erbschaft nach gesetzlichem Erbrecht
zusteht, wie dem vatersblütigen Bruder, dem Onkel väterlicherseits oder dem
Sohn des Bruders. Und so können die Testamentserben die Erbschaft behalten.
Und dasselbe gilt, wenn das Testament aus einem anderen Grund zivilrechtlich
ungültig ist, zum Beispiel, weil das Vermögen nicht veräußert worden ist oder der
Erblasser den Wortlaut der nuncupatio nicht ausgesprochen hat. (120) Aber
sehen wir zu, ob auch, wenn der Bruder oder Onkel noch leben, sie den Vorrang
vor den Testamentserben haben. Nach einer Entscheidung des Kaisers
Antoninus Pius gilt, dass sich diejenigen, die den Nachlassbesitz entsprechend
einer nicht dem Zivilrecht genügenden Testamentsurkunde eingefordert haben,
gegen diejenigen, die die Erbschaft nach Intestaterbrecht beanspruchen, mit der
Einrede des Rechtsmissbrauchs verteidigen können.
Das „Siebenzeugentestament“ …
… ist eine vereinfachte Form des Testaments „durch Kupfer und
Waage“: Statt das Ritual der mancipatio vorzunehmen, siegelten
die hieran Beteiligten: der Treuhänder, der Waagenhalter und die
fünf Zeugen, die Testamentsurkunde.
… genügt für die sogenannte „prätorische Erbfolge“, die
Einweisung in den Nachlassbesitz (bonorum possessio).
… verschafft den Testamentserben seit Antoninus Pius eine
Position, in der sie sich mit dem Einwand der unzulässigen
Rechtsausübung (exceptio doli) erfolgreich gegen die
gesetzlichen Erben verteidigen können.
… unterliegt ebenso wie das Testament durch Kupfer und Waage
strengen Anforderungen an den Wortlaut und Aufbau, die erst
im 4. Jh. wegfallen: Es muss insbesondere eine Verfügung über
die gesamte Erbfolge enthalten, die an erster Stelle des
Testaments stehen muss.
Das eigenhändige Testament
NVal 21.2 (a. 446)
Si holographa manu testamenta condantur, testes necessarios non
putamus. Scripto enim taliter sufficiet heredi adserere etiam sine
testibus fidem rerum, dummodo reliqua congruere demonstret, quae
in testamentis debere servari tam veterum principum quam nostrae
praecipiunt sanctiones, ut in hereditariorum corporum possessionem
probata scripturae veritate mittatur.
Sind Testamente eigenhändig verfasst, halten wir Zeugen für
entbehrlich. Dem Erben soll eine solche Handschrift ausreichen, um
auch ohne Zeugen glaubwürdig zu sein, falls er dartut, dass sie im
Übrigen dem genügt, was bei Testamenten nach den Vorschriften der
alten Kaiser und unseren Verordnungen eingehalten werden muss, so
dass er in den Nachlassbesitz eingewiesen werden soll, wenn die
Echtheit der Urkunde bewiesen ist.
Das eigenhändige Testament …
… wird von Kaiser Valentinian III. 446 im weströmischen Reich
eingeführt.
… genügt für die prätorische Erbfolge, die Einweisung in den
Nachlassbesitz.
… dient einem anderen Zweck als die älteren Testamente: Während
sie der Umgehung der gesetzlichen Erbfolge dienen und mit ihrer
Form diese zugleich schützen, geht es beim eigenhändigen
Testament nur noch um die Sicherstellung der Authentizität, also
um die Beweissicherung.
… unterliegt zum Schutz des gesetzlichen Erbrechts aber noch dem
sogenannten formellen Noterbrecht: Der Erblasser muss seine
gewaltunterworfenen Söhne und alle Nachgeborenen entweder
ausdrücklich enterben oder zu Erben einsetzen. – Ein
materielles Noterbrecht wird dagegen nur von Fall zu Fall als
Ergebnis einer Klage gegen ein sittenwidriges Testament gewährt
und erst von Justinian zur Regel gemacht.
Nach der Rezeption des römischen Rechts …
… wird das eigenhändige Testament zur Regelform, neben
die das öffentliche Testament als Nachfolger des
gerichtlichen Testaments tritt.
… wird zum Schutz der gesetzlichen Erben, denen nun die
Testamentsform nur noch wenig dient, das materielle
Noterbrecht weiter ausgebaut:
… zum Teil wird dem Erblasser die Verfügung über einen
bestimmten Anteil an seinem Vermögen verwehrt, der den
gesetzlichen Erben vorbehalten ist (CC, ZGB).
… zum Teil wird gegen den Erben ein Anspruch auf
Zahlung eines Betrags gewährt, der dem Wert einer
bestimmten Quote des gesetzlichen Erbrechts entspricht
(ABGB, BGB).
D 33.10.7.2 Cels 19 dig
Servius fatetur sententiam eius qui legaverit aspici oportere, in quam rationem ea solitus sit
referre: verum si ea, de quibus non ambigeretur, quin in alieno genere essent, ut puta escarium
argentum aut paenulas et togas, supellectili quis adscribere solitus sit, non idcirco existimari
oportere supellectili legata ea quoque contineri: non enim ex opinionibus singulorum, sed ex
communi usu nomina exaudiri debere. id Tubero parum sibi liquere ait: nam quorsum nomina,
inquit, nisi ut demonstrarent voluntatem dicentis? equidem non arbitror quemquam dicere, quod
non sentiret, ut maxime nomine usus sit, quo id appellari solet: nam vocis ministerio utimur:
ceterum nemo existimandus est dixisse, quod non mente agitaverit. sed etsi magnopere me
Tuberonis et ratio et auctoritas movet, non tamen a Servio dissentio non videri quemquam dixisse,
cuius non suo nomine usus sit. nam etsi prior atque potentior est quam vox mens dicentis, tamen
nemo sine voce dixisse existimatur: nisi forte et eos, qui loqui non possunt, conato ipso et sono
quodam cai th anarqrw fwvh existimamus.
Servius ist der Meinung, dass man die Ansicht dessen erforschen müsse, der das Vermächtnis
ausgesetzt hat, und ermitteln müsse, wozu er etwas gewöhnlich zählte. Rechnete jedoch jemand
zum Hausrat Dinge, von denen nicht zweifelhaft ist, dass sie zu einer anderen Gattung gehören,
wie zum Beispiel silbernes Geschirr, Kleider und Togen, so könne deshalb nicht angenommen
werden, dass sie vom Vermächtnis des Hausrats umfasst seien. Denn die Bezeichnungen dürften
nicht nach der Ansicht einzelner, sondern müssten nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
verstanden werden. Tubero hält dies nicht für einleuchtend. Denn wozu seien Bezeichnungen da,
wenn nicht, um den Willen des Sprechenden zu verdeutlichen? Zumindest glaube ich nicht, dass
jemand etwas sagt, von dem er nicht glaubt, dass er die Bezeichnung gebraucht, mit der es
gewöhnlich benannt wird. Denn die Sprache verwenden wir nur als Mittel. Von niemandem darf
man im Übrigen annehmen, dass er etwas sagt, was er nicht vorher überlegt habe. Aber obwohl
ich Tuberos Erwägungen und sein Ansehen sehr schätze, kann ich doch Servius darin nicht
widersprechen, dass man nicht annehmen dürfe, jemand habe etwas gesagt, ohne die
dazugehörige Bezeichnung zu verwenden. Denn auch wenn die Vorstellung des Sprechenden
älter und wichtiger ist als seine Worte, glaubt man doch nicht, dass jemand etwas ohne Sprache
gesagt habe. Sonst müssten wir annehmen, dass auch die, die nicht sprechen können, schon bei
einem Versuch hierzu und mit irgendwelchen unartikulierten Lauten sprechen.
Cicero, de oratore 1.180
Quid vero? Clarissima Mani Curi causa Marcique Coponi nuper apud centumviros
quo concursu hominum, qua exspectatione defensa est! Cum Qunintus Scaevola,
aequalis et collega meus, homo omnium et disciplina iuris civilis eruditissimus et
ingenio prudentiaque acutissimus, et oratione maxime limatus atque subtilis,
atque, ut ego soleo dicere, iuris peritorum eloquentissimus, eloquentium iuris
peritissimus, ex scripto testamentorum iura defenderet negaretque, nisi postumus
et natus et, antequam in suam tutelam veniret, mortuus esset, heredem eum esse
posse, qui esset secundum postumum et natum et mortuum heres institutus; ego
autem defenderem hac eum tum mente fuisse, qui testamentum fecisset, ut, si
filius non esset, qui in suam tutelam veniret, Manius Curius esset heres.
Was geschah aber in dem berühmten Rechtsstreit des Manius Curius und des
Marcus Componius, der kürzlich vor dem Zentumviralgericht verhandelt wurde?
Wie kamen die Menschen zusammen, mit welcher Spannung wartete man!
Quintus Mucius, meines Alters und mein Kollege, ein Mann, der sowohl im
Studium der Rechtswissenschaft als auch an Eingabe und Vernunft alle übertrifft,
seine Reden mit größter Sorgfalt und Präzision vorbereitet und, wie ich sagen darf,
der größte Redner unter den Rechtswissenschaftlern und der größte
Rechtswissenschaftler unter den Rednern ist, trat für ein Verständnis der
Testamente nach ihrem Wortlaut ein und bestritt, Erbe werden könne, wer als
Ersatzerbe für einen später geborenen und verstorbenen Ungeborenen eingesetzt
worden ist, wenn der Ungeborene gar nicht erst auf die Welt gekommen und
gestorben ist, bevor er in die Vormundschaft des Ersatzerben gelangt ist. Ich
wiederum vertrat die Ansicht, es sei die Absicht dessen gewesen, der das
Testament gemacht hat, dass, wenn der Sohn nicht geboren würde, der in seine
Vormundschaft kommen sollte, Manius Curius Erbe sein solle …
Der Streit …
… zwischen Tubero, Servius und Celsus scheint sich um die Frage zu
drehen, ob dem Wortlaut des Testaments oder dem Willen des
Erblassers der Vorrang zukommt.
… läge dann ganz auf der Linie des rhetorischen Status: verba –
voluntas, in dessen Schema auch Cicero von einer Kontroverse
zwischen Quintus Mucius und seinem Zeitgenossen Crassus berichtet.
… betrifft, genau besehen, zumindest für Celsus eine ganz andere Frage,
nämlich ob eine hinreichende Erklärung des Willens vorliegt, wenn der
Erblasser sich nicht des allgemeinen Sprachgebrauchs bedient hat.
- Wortlaut und Wille sind dann gleichrangige Elemente der letztwilligen
Verfügung.
- Über den Gegenfall: die Erklärung ohne hinreichenden Willen, braucht
sich Celsus keine Gedanken zu machen, da es hier um den Umfang des
Hausrats (suppellex) und damit um ein Verhältnis von mehr und
weniger geht.
Ein casus perplexus
D 35.2.88 Afr 5 quaest
Qui quadringenta habebat, trecenta legavit: deinde fundum tibi dignum centum aureis
sub hac condicione legavit, si legi Falcidiae in testamento suo locus non esset:
quaeritur, quid iuris est. dixi twn aporwn hanc quaestionem esse, qui tractatus apud
dialecticos tou qeudomenou dicitur. etenim quidquid constituerimus verum esse, falsum
repperietur. namque si legatum tibi datum valere dicamus, legi Falcidiae locus erit
ideoque deficiente condicione non debebitur. rursus si, quia condicio deficiat, legatum
valiturum non sit, legi Falcidiae locus non erit: porro si legi locus non sit, exsistente
condicione legatum tibi debebitur. cum autem voluntatem testatoris eam fuisse
appareat, ut propter tuum legatum ceterorum legata minui nollet, magis est, ut
statuere debeamus tui legati condicionem defecisse.
Ein Erblasser, der 400 hatte, setzte für 300 Legate aus; hiernach vermachte er dir
noch ein Grundstück im Wert von 100 für den Fall, dass die lex Falcidia auf sein
Testament keine Anwendung finde; es ist fraglich, was rechtens ist. Ich habe gesagt,
diese Frage sei ausweglos; bei den Dialektikern werde sie am Beispiel des Lügners
behandelt. Was auch immer wir nämlich als wahr festlegen, stellt sich als falsch
heraus. Denn wenn wir sagen, dass das dir ausgesetzte Legat gültig ist, greift die lex
Falcidia Platz mit der Folge, dass dann wegen Bedingungsausfalls dir nicht
geschuldet wird. Wenn umgekehrt, weil die Bedingung nicht eintritt, das Legat nicht
wirksam ist, greift die lex Falcidia nicht ein; wenn aber das Gesetz keine Anwendung
findet, wird dir wegen Eintritts der Bedingung das Legat geschuldet. Da aber der Wille
des Erblassers offensichtlich ist, dass wegen deines Legats die Übrigen nicht gekürzt
werden sollen, spricht mehr dafür, dass wir annehmen müssen, dass die Bedingung
deines Legats ausgefallen sei.
Herunterladen