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Forum Gesundheitsrecht: Psychologieberufe im Wandel,
Aktuelle Rechtsfragen, Tagung vom 15. November 2010
Berufspflichten und
Disziplinarverfahren
Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV
Haftpflicht- und Versicherungsrecht,
Professor an der Universität Luzern
Disposition
I. Grundlagen
II. Berufspflichten
III. Disziplinarverfahren
Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Grundlagen
Was sind Berufsregeln?
• Als Berufsregeln bezeichnet man die
Verhaltenspflichten, welche Psychologinnen und
Psychologen bei der Ausübung ihres Berufs zu befolgen
haben.
• Die Berufsregeln sind Teil des Berufsrechts, das die
Ausübung des Berufs in eigener fachlicher
Verantwortung regelt.
• Der Gesetzgeber erlässt es im öffentlichen Interesse.
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Was sind Berufsregeln?
• Die Einhaltung der Berufsregeln wird von den
kantonalen Aufsichtsbehörden von Amtes wegen
überwacht.
• Verletzung kann Disziplinarmassnahmen nach sich
ziehen.
• Die Berufspflichten des Art. 27 PsyG qualifizieren sich
nicht als Doppelnormen.
• Der Klient oder Patient kann sich daher nicht vor dem
Zivilrichter auf die Verletzung einer Berufspflicht berufen,
etwa zur Begründung einer vermeintlichen
Widerrechtlichkeit.
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Methode und Ziel der Rechtsetzung
• Der Gesetzgeber folgte bei der Regelung der
Berufspflichten in Art. 27 PsyG einem Mischsystem.
• Das Gesetz enthält in Art. 27 lit. a Satz 1 PsyG eine
Generalklausel, wonach Psychologen ihren Beruf
sorgfältig und gewissenhaft auszuüben haben.
• Daneben enthält es in Art. 40 lit. a (2. Satz) bis f einen
Katalog von (allerdings teilweise sehr offen
formulierten) Berufspflichten.
• Die Berufspflichten sollen den Gesundheitsschutz (Art. 1
Abs. 1 lit. a PsyG) der Klienten und Patienten
gewährleisten, welche die Dienste von Psychologen in
Anspruch nehmen.
Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Methode und Ziel der Rechtsetzung
• Ferner sollen sie Personen, die Leistungen auf dem
Gebiet der Psychologie in Anspruch nehmen, vor
Täuschung und Irreführung schützen (Art. 1 Abs. 1 lit. b
PsyG).
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Persönlicher Geltungsbereich
• Die Berufsregeln des PsyG gelten für Personen, die
Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener fachlicher
Verantwortung ausüben.
• Der Begriff «privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit» wird
in der Bundesverfassung verwendet, um die Reichweite
der gesetzgeberischen Kompetenzen des Bundes (Art.
95 Abs. 1 BV) und den Gegenstand der
Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 Abs. 2 BV) festzulegen.
• Eine wirtschaftliche Tätigkeit gilt als Erwerbstätigkeit,
wenn sie zur Erwirtschaftung eines Gewinns oder eines
Einkommens im Sinne des Privatrechtes dient.
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Persönlicher Geltungsbereich
• Eine wirtschaftliche Tätigkeit gilt nicht mehr als privat im
Sinne von Art. 27 und 95 BV, wenn es sich um eine
öffentliche Aufgabe oder eine öffentliche Dienstleistung
handelt, die als solche dem öffentlichen Recht
untersteht.
• Die Berufspflichten gelten nur für Personen, die in
eigener fachlicher Verantwortung tätig sind.
• Es geht um Personen, die in privatrechtlich organisierten
Praxen und Gruppenpraxen arbeiten und nicht unter
Aufsicht einer Kollegin oder eines Kollegen stehen.
• Die Berufspflichten sollen aber auch für delegierte
Psychotherapeuten sowie angestellte
Psychotherapeuten in leitender Funktion in der
Privatwirtschaft gelten.
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Die Berufspflichten
Art. 27 lit. a PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
a.
Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft
aus; sie halten sich an die Grenzen der Kompetenzen, die
sie im Rahmen der Aus- und Weiterbildung erworben
haben.“
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Art. 27 lit. a PsyG
• Art. 27 lit. a PsyG enthält zwei Berufspflichten:
– Die Generalklausel, wonach Psychologen ihren Beruf
sorgfältig und gewissenhaft auszuüben haben, und
– die Pflicht, sich an die Grenzen der Kompetenzen zu
halten, die sie im Rahmen der Aus-, Weiter- und
Fortbildung erworben haben.
• Die beiden Berufspflichten sind gesondert zu behandeln:
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Art. 27 lit. a PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
a.
Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft
aus; (…).“
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Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften
Berufsausübung (Art. 27 lit. a PsyG)
• „Sorgfältig und gewissenhaft“ ist eine vom Gesetzgeber
geschaffene Wendung wie „Treu und Glauben“ oder
„Recht und Billigkeit“.
• Vorbilder für Art. 27 lit. a PsyG waren offenbar Art. 40 lit.
a MedGB und Art. 12 lit. a BGFA. Diese Bestimmungen
können daher zur Auslegung herangezogen werden.
• Für die Auslegung kann ferner der Sorgfaltsbegriff des
Auftragsrechts nach Art. 398 Abs. 2 OR herangezogen
werden, wonach der Beauftragte dem Auftraggeber für
„getreue und sorgfältige“ Ausführung haftet.
• Das Problem des Art. 27 lit. a PsyG ist, dass der
Bezugspunkt der Sorgfalt weitgehend im Dunkeln liegt.
• Mögliche Pflichtverstösse sind wenig konkret.
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Art. 27 lit. a PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
a.
(…) sie halten sich an die Grenzen der
Kompetenzen, die sie im Rahmen der Aus- und
Weiterbildung erworben haben.“
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Einhaltung der Grenzen der erworbenen
Kompetenzen (Art. 27 lit. a PsyG)
• Art. 27 lit. a, 2. Satzteil PsyG soll gewährleisten, dass mit
der vom Gesetz angestrebten Qualitätssteigerung in der
Ausbildung auch die Qualität der psychologischen
Betreuung verbessert wird.
• Im Einzelfall verpflichtet Art. 27 lit. a PsyG die
Medizinalperson, einen Spezialisten, beispielsweise
einen Psychiater beizuziehen, wenn ihr die fachlichen
Kompetenzen für das zum Wohl des Patienten
erforderliche Vorgehen fehlen.
• In der Praxis dürfte es freilich oft schwierig sein, die
eigenen Grenzen zu erkennen. Dazu kommt, dass das
Gesetz die Kompetenzen, die Medizinalpersonen über
die Jahre durch ihre berufliche Erfahrung erwerben,
völlig ausser Acht lässt.
• Letztlich schafft das Gesetz bloss für Übernahmeverschulden einen Disziplinarstraftatbestand.
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Art. 27 lit. b PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
b.
Sie vertiefen, erweitern und verbessern ihre
Kompetenzen durch kontinuierliche Fortbildung.
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Pflicht zur kontinuierlichen Fortbildung
(Art. 27 lit. b PsyG)
• Art 27 lit. b PsyG soll die Aktualisierung der beruflichen
Kompetenz der Psychologen gewährleisten.
• Zum genauen Inhalt der Fortbildung, namentlich zu den
Anforderungen, denen diese zu genügen hat, sagt das
Gesetz nichts.
• Ebenso wenig enthält es Angaben zum (zeitlichen)
Umfang und zur Art der Kontrolle.
• Nach Auffassung des Bundesrats ist die
Fortbildungspflicht des Art. 27 lit. b PsyG «klar» von der
Fortbildungspflicht zu unterscheiden, «die von den
Berufsorganisationen im Rahmen ihrer
Fortbildungsordnungen festgelegt» werden.
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Pflicht zur kontinuierlichen Fortbildung
(Art. 27 lit. b PsyG)
• Der Fortbildungsbedarf, die Lernfähigkeit und die
Lernmethodik der Psychologen ist zwangsläufig
verschieden.
• Welche Fortbildungsmittel die Psychologen im Einzelfall
wählen, ist unter dem Blickwinkel der Berufspflicht des
Art. 27 lit. b PsyG ihr überlassen. Massgebend ist allein,
dass sich damit ihre beruflichen Kompetenzen
aktualisieren lassen.
• Der zeitliche Umfang der Fortbildung richtet sich nach
dem Fortbildungsbedürfnis der einzelnen
Medizinalperson.
• Dies alles lässt sich nicht bürokratisch über einen
Leisten schlagen.
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Art. 27 lit. c PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
c.
Sie wahren die Rechte ihrer Klientinnen und Klienten
und Patientinnen und Patienten.
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Wahrung der Rechte der Patienten
(Art. 27 lit. c PsyG)
• Diese Berufspflicht hat vor allem Appellcharakter.
• Der genaue Inhalt dieser Pflicht lässt sich dem MedBG
nicht entnehmen.
• Er ergibt sich aus der gesamten Rechtsordnung, dem
Bundesrecht und dem kantonalen Recht.
• In Betracht fallen etwa:
– Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der damit
verbundene
• Schutz der körperlichen Integrität und der
• Schutz des freien Willens.
– Der Anspruch auf umfassende Aufklärung und Information.
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Wahrung der Rechte der Patienten
(Art. 27 lit. c PsyG)
– Anspruch auf Dokumentation (Krankengeschichte)
– Recht auf freie Wahl des Therapeuten
• Die Berufspflicht des Art. 27 lit. c erfasst auch die
zentralen Pflichten der Medizinalperson im
Auftragsrecht:
– Diskretions- und Geheimhaltungspflicht
– Aufklärungs- und Benachrichtigungspflicht
– Rechenschaftspflicht
• Die Berufspflicht des Art. 27 lit. c PsyG ist aber erst
tangiert, wenn das Verhalten der Medizinalperson gegen
eine grundlegende Regel verstösst.
• Die Anordnung einer Disziplinarmassnahme nach Art. 43
MedBG setzt daher ein grobes Fehlverhalten voraus.
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Art. 27 lit. d PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
d.
Sie machen nur Werbung, die objektiv ist, dem
öffentlichen Bedürfnis entspricht und weder irreführend
noch aufdringlich ist.
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Art. 27 lit. d PsyG
• Nach Art. 27 lit. d PsyG muss die Werbung der
Medizinalpersonen objektiv bleiben und dem
Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entsprechen.
Ferner darf sie weder irreführend noch aufdringlich sein.
• Das Erfordernis der Objektivität geht im Verbot der
irreführenden oder aufdringlichen Werbung auf. Es hat
m. E. keine selbstständige Bedeutung.
• Mit dem Verbot aufdringlicher Werbung ist die Regelung
im PsyG strenger als diejenige für Anwältinnen und
Anwälte nach Art. 12 lit. d BGFA.
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Art. 27 lit. d PsyG
• Das Verbot irreführender und aufdringlicher Werbung hat
den Zweck, unnötige Therapien zu verhindern.
• Niemand soll durch Werbung zu einer falschen
Behandlung verleitet werden.
• Die Werbung darf daher auch keinen Heilerfolg
versprechen.
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Art. 27 lit. e PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
e.
Sie wahren das Berufsgeheimnis nach Massgabe
der einschlägigen Vorschriften.
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Wahrung des Berufsgeheimnisses
(Art. 27 lit. e PsyG)
• Mit dem Berufsgeheimnis ist primär das
Berufsgeheimnis nach Art. 321 StGB gemeint, das neu
auch für Psychotherapeuten gelten soll.
• Wie die Erläuterungen in der Botschaft zeigen, hatte der
Gesetzgeber jedoch nicht nur das Berufsgeheimnis nach
Art. 321 StGB im Auge, sondern auch andere
„einschlägige“ Bestimmungen.
• Im Vordergrund steht die Geheimhaltungspflicht nach
dem Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni
1992.
• Art. 27 lit. f. PsyG hat aber auch noch weitere
Bestimmungen im Auge, welche das Berufsgeheimnis
von Psychologen schützen,
– so namentlich Art. 28 ZGB, der generell den Schutz der
Persönlichkeit regelt, und
– Art. 398 Abs. 2 OR, der die Diskretions- und
Prof. Dr.
iur.Beauftragten
Walter Fellmann begründet.
Geheimhaltungspflicht
des
27
Art. 27 lit. f PsyG
Personen, die Psychotherapie privatwirtschaftlich in eigener
fachlicher Verantwortung ausüben, beachten die folgenden
Berufspflichten:
f.
Sie haben eine Berufshaftpflichtversicherung nach
Massgabe der Art und des Umfangs der Risiken
abzuschliessen oder eine vergleichbare finanzielle
Sicherheit zu erbringen.
Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Disziplinarverfahren
Kantonale Aufsichtsbehörde
• Nach Art. 28 Abs. 1 PsyG bezeichnet jeder Kanton eine
Behörde, welche die Personen beaufsichtigt, die im
betreffenden Kanton Psychotherapie privatwirtschaftlich
in eigener fachlicher Verantwortung ausüben.
• Die Aufsichtsbehörde trifft die für die Einhaltung der
Berufspflichten nötigen Massnahmen Art. 28 Abs. 2
PsyG).
• Nach Art 29 PsyG melden die kantonalen Gerichts- und
Verwaltungsbehörden sowie die eidgenössischen
Behörden der zuständigen kantonalen Aufsichtsbehörde
unverzüglich Vorfälle, welche die Berufspflichten
verletzen könnten.
Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
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Disziplinarmassnahmen
• Bei Verletzung der Berufspflichten kann die
Aufsichtsbehörde nach Art. 30 Abs. 1 PsyG folgende
Disziplinarmassnahmen verhängen:
–
–
–
–
Verwarnung,
Verweis,
Busse bis 20 000 Franken,
privatwirtschaftliche Berufsausübung längstens für sechs Jahre
verbieten,
– privatwirtschaftliche Berufsausübung definitiv verbieten.
• Die Aufsichtsbehörde kann die Bewilligung zur
Berufsausübung nach Art. 30 Abs. 4 PsyG während des
Disziplinarverfahrens einschränken, mit Auflagen
versehen oder vorläufig entziehen.
Prof. Dr. iur. Walter Fellmann
31
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