Schwere Stunde

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Schwere Stunde
Versuch über Schiller
Rezeption in Deutschland nach 1945
Vorlesung am 29. 1. 2007
Das Stuttgarter Schillerfest 1905
Das Weimarer
Schillerfest 1905
(vor dem Theater
und dem
Doppelstandbild)
Schiller-Nummer
des Simplicissimus
1905
1903-09
• 1903 Tonio Kröger erscheint. Konzeption von
Königliche Hoheit
• 1905 Arbeit an Fiorenza, Schwere Stunde,
Wälsungenblut (erscheint nicht)
• 1906 Arbeit an Königliche Hoheit, Vorbereitungen
für Projekte „Friedrich der Große“, „Maja“, den
Großessay „Geist und Kunst“, die Erzählung „Ein
Elender“ (nichts davon erscheint).
• 1907 Uraufführung von Fiorenza (Mißerfolg)
• 1909 Königliche Hoheit erscheint
Thomas Manns Schiller-Bild
„Die Hemmung ist das Willens bester Freund*,
Den Helden grüß’ ich, der Friedrich Schiller heißt.“
⇒ je größer die Last der Produktion, desto heldenhafter die
poetische Leistung, desto wertvoller das Produkt.
*Zitat aus dem Drama Fiorenza
Schillers
Dramenproduktion:
Die Räuber 1780-81
Fiesko 1782-84
Kabale und Liebe 1783-84
Don Carlos 1783-87
Wallenstein 1796-99
Bild des Künstlers in Schwere
Stunde
• Leiden und Größe
– F. Nietzsche: Also sprach Zarathustra: …daß „alles
Entscheidende ‚trotzdem’ entsteht.“
– „Soll das Leiden umsonst gewesen sein? Groß muß es
mich machen!“
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•
Ruhmbegierde
Narzißmus
Einsamkeit
Abstinenz von „Glück“
Der sentimentalische (musikalische) Dichter
Das andere Schiller-Bild
Herkömmlich:
• Nationale
Dichterpersönlichkeit
(Ikone deutscher Einheit,
deutschen
Selbstbewußtseins)
• Präger „geflügelter Worte“
• Verfechter bürgerlicher
Freiheit
Schwere Stunde
• Einsames Individuum
• Leidender Mensch
• Schweres Ringen um
Dichtung
• Freiheit = Autonomie der
Produktion, erkämpftes
Werk, Freiheit vom
„Glück“
Komposition
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Schillers Name nicht genannt
Montagetechnik*
Reflexion statt Handlung
Szenische Darstellung
Vorherrschen von Erlebter Rede und innerem
Monolog
*Quellen: Marbacher Schillerbuch, hg. v. Schwäbischen Schillerverein,
1905; Ernst Müller: Schiller, Intimes aus seinem Leben, 1905.
Montage
Schwere Stunde:
„Die Armee war die Basis
von allem! Da sie nicht
vors Auge gebracht
werden konnte – war die
ungeheure Kunst denkbar,
sie der Einbildung
aufzuzwingen?“
Brief Schillers:
„Die Base, worauf
Wallenstein seine
Unternehmung gründet, ist
die Armee, mithin für
mich eine unendliche
Fläche, die ich nicht vors
Auge und nur mit
unsäglicher Kunst vor die
Phantasie bringen kann.“
Montage
Schwere Stunde:
„Vom ersten rhythmischen
Drange innerer Kunst
nach Stoff, Materie,
Möglichkeit des Ergusses
– bis zum Gedanken, zum
Bilde, zum Worte, zur
Zeile: welch Ringen!
welch Leidensweg!“
Brief Schillers:
„Ich glaube, es ist nicht
immer die lebhafte
Vorstellung eines Stoffes,
sondern oft nur ein
Bedürfnis nach Stoff, ein
unbestimmter Drang nach
Ergießung strebender
Gefühle, was Werke der
Begeisterung erzeugt.“
Montage
Schwere Stunde:
„War nicht als Musik, als reines
Urbild des Seins ein Gedicht in
seiner Seele geboren, lange
bevor es sich Gleichnis und
Kleid aus der Welt der
Erscheinungen lieh?“
Briefe Schillers:
„Das Musikalische eines Gedichts
schwebt mir weit öfter vor der
Seele, wenn ich mich hinsetze,
es zu machen, als der klare
Begriff vom Inhalt, über den ich
oft kaum mit mir einig bin.“
„Eine gewisse musikalische
Gemütsstimmung geht vorher,
und auf diese folgt bei mir erst
die poetische Idee.“
Versuch über Schiller
Festvortrag zum
150. Todestag
Schillers:
8. Mai 1955 in
Marbach am
Neckar,
14. Mai 1955 in
Weimar
Thomas Mann bei
der Ankunft in
Weimar, 13. 5. 1955.
Hinter ihm: Johannes
R. Becher
Friedrich Schiller: Das Glück
Selig, welchen die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon
Liebten, welchen als Kind Venus im Arme gewiegt,
Welchem Phöbus die Augen, die Lippen Hermes gelöset,
Und das Siegel der Macht Zeus auf die Stirne gedrückt!
Ein erhabenes Los, ein göttliches, ist ihm gefallen,
Schon vor des Kampfes Beginn sind ihm die Schläfen bekränzt.
Ihm ist, eh er es lebte, das volle Leben gerechnet,
Eh er die Mühe bestand, hat er die Charis erlangt.
Groß zwar nenn ich den Mann, der, sein eigner Bildner und Schöpfer,
Durch der Tugend Gewalt selber die Parze bezwingt,
Aber nicht erzwingt er das Glück, und was ihm die Charis
Neidisch geweigert, erringt nimmer der strebende Mut.
Vor Unwürdigem kann dich der Wille, der ernste, bewahren,
Alles Höchste, es kommt frei von den Göttern herab.
Friedrich Schiller: Das Glück
Zürne dem Glücklichen nicht, daß den leichten Sieg ihm die Götter
Schenken, daß aus der Schlacht Venus den Liebling entrückt.
[…]
Zürne der Schönheit nicht, daß sie schön ist, daß sie verdienstlos
Wie der Lilie Kelch prangt durch der Venus Geschenk,
Laß sie die Glückliche sein, du schaust sie, du bist der Beglückte,
Wie sie ohne Verdienst glänzt, so entzücket sie dich.
Rezeption in Deutschland nach 1945
• Die „große Kontroverse“
• Hans Grimm (1875-1959) und der Protest
gegen den Auftritt zum Schillerjahr
– Hauptwerk: Volk ohne Raum. 1926
– "Lippoldsberger Dichtertreffen"
• „Innere Emigration“
• Th. Manns Weigerung, nach Deutschland
zurückzukehren
Streit um die Innere Emigration
• Walter von Molo (1880-1958)
• Frank Thieß (1890-1977)
• Thomas Mann an W.v.Molo:
Es
mag Aberglaube sein, aber in meinen Augen sind Bücher,
die von 1933 bis 1945 in Deutschland überhaupt gedruckt
werden konnten, weniger als wertlos und nicht gut in die
Hand zu nehmen. Ein Geruch von Blut und Schande haftet
ihnen an: sie sollten alle eingestampft werden. Es war nicht
erlaubt, es war unmöglich, „Kultur“ zu machen in
Deutschland, während rings um einen herum das geschah,
wovon wir wissen, Es hieß die Verkommenheit
beschönigen, das Verbrechen schmücken.
Auf Wiedersehen bei:
Regie: Kurt Hoffmann, 1957. Hauptdarsteller: Horst Buchholz.
Mitarbeit am Drehbuch: Erika Mann
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